Was ist das - die Philosophie?: Kleine Schriften / Aus der Erfahrung des Denkens; Bauen Wohnen Denken; Der Satz vom Grund; Unterwegs zur Sprache 3608947612, 9783608947618

»Wenn wir Was ist das - die Philosophie?, dann sprechen wir über die Philosophie. Indem wir auf diese Weise fragen, blei

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Inhalt
Gelassenheit
Gelassenheit
Zur Erörterung der Gelassenheit
Hinweise
Heideggers Notizen
Heideggers Stichwortverzeichnis
Editorische Notiz zu »Gelassenheit«
Hebel der Hausfreund
Heideggers Notizen
Heideggers Stichwortverzeichnis
Editorische Notiz zu »Hebel Der Hausfreund«
Aus der Erfahrung des Denkens
Editorische Notiz zu »Aus der Erfahrung des Denkens«
Die Technik und die Kehre
Vorbemerkung
Die Frage nach der Technik
Die Kehre
Heideggers Stichwortverzeichnis
Editorische Notiz zu »Die Technik und die Kehre«
Was ist das die Philosophie?
Heideggers Stichwortverzeichnis
Editorische Notiz zu »Was ist das die Philosophie?«
Identität und Differenz (Erstausgabe von 1957)
Vorwort
Der Satz der Identität
Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik
Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erstausgabe von 1957)
Identität und Differenz (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957)
Vorwort
Der Satz der Identität
Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik
Hinweise
Heideggers Anhang
Heideggers Notizen
Heideggers Stichwortverzeichnisse
Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957)
Anhang
Editorische Anmerkungen
Editorische Anmerkungen zu »Gelassenheit«
Editorische Anmerkungen zu »Hebel der Hausfreund«
Editorische Anmerkungen zu »Aus der Erfahrung des Denkens«
Editorische Anmerkungen zu »Die Technik und die Kehre«
Editorische Anmerkungen zu »Was ist das Die Philosophie?«
Editorische Anmerkungen zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957)
Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen
Nachwort der Herausgeber
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Was ist das - die Philosophie?: Kleine Schriften / Aus der Erfahrung des Denkens; Bauen Wohnen Denken; Der Satz vom Grund; Unterwegs zur Sprache
 3608947612, 9783608947618

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DENKWEGE

MARTIN HEIDEGGER KLEINE SCHRIFTEN

Martin Heidegger – DENKWEGE ISBN 978-3-608-94761-8

E-Book ISBN 978-3-608-20177-2

Die vierbändige Kassette beinhaltet: Kleine Schriften Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze Der Satz vom Grund Unterwegs zur Sprache

Martin Heidegger

KLEINE SCHRIFTEN

Klett-Cotta

Kleine Schriften Text der durchgesehenen Erstausgaben, erweitert um die Randbemerkungen des Autors aus seinen Handexemplaren: Aus der Erfahrung des Denkens (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954) Was ist das – die Philosophie? (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1956) Hebel – der Hausfreund (Pfullingen, Verlag Günther Neske, [Frühjahr] 1957) Identität und Differenz (Pfullingen, Verlag Günther Neske, [Herbst] 1957) Gelassenheit (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959) Die Technik und die Kehre (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962) Herausgegeben von Alfred Denker und Dorothea Scholl

Das Faksimile der Handschrift von »Die Kehre« und ihre Transkription sowie ein Faksimile der Seiten 24–25 aus Heideggers Handexemplar 1 von Identität und Differenz (Erstausgabe 1957) stehen zum Herunterladen (Download) auf www.klett-cotta.de zur Verfügung. Bitte geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM94757

Die Sternchenmarkierungen (*), die Ziffern in eckigen Klammern [ ] am Seitenrand, die Fußnoten sowie wichtige Hinweise zur Lektüre werden in den Editorischen Anmerkungen, den Editorischen Notizen, im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen und im Nachwort der Herausgeber erläutert. Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe. Klett-Cotta www.klett-cotta.de © 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg Foto: © ullstein bild – AKG Signatur: © ullstein bild – Granger, NYC Gesetzt von pagina GmbH, Tübingen Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-608-94757-1 E-Book ISBN 978-3-608-20173-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar

INHALT GELASSENHEIT – 9 Gelassenheit – 11

Zur Erörterung der Gelassenheit – 27 Hinweise – 71 Heideggers Notizen – 72 Heideggers Stichwortverzeichnis – 73 Editorische Notiz zu »Gelassenheit« – 74 HEBEL – DER HAUSFREUND – 77

Heideggers Notizen – 100 Heideggers Stichwortverzeichnis – 101 Editorische Notiz zu »Hebel – Der Hausfreund« – 102 AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS – 105

Editorische Notiz zu »Aus der Erfahrung des Denkens« – 130 DIE TECHNIK UND DIE KEHRE – 133

Vorbemerkung – 135 Die Frage nach der Technik – 137 Die Kehre – 175

Heideggers Stichwortverzeichnis – 194 Editorische Notiz zu »Die Technik und die Kehre« – 195 WAS IST DAS – DIE PHILOSOPHIE? – 201

Heideggers Stichwortverzeichnis – 227 Editorische Notiz zu »Was ist das – die Philosophie?« – 229 IDENTITÄT UND DIFFERENZ

(Erstausgabe von 1957) – 233 Vorwort – 237 Der Satz der Identität – 239 Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik – 255 Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erstausgabe von 1957) – 281 IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) – 285 Vorwort – 289 Der Satz der Identität – 291 Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik – 317 Hinweise – 354 Heideggers Anhang – 355 Heideggers Notizen – 357 Heideggers Stichwortverzeichnisse – 376 Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) – 378

ANHANG

383 Editorische Anmerkungen 385 Editorische Anmerkungen zu »Gelassenheit« 385 Editorische Anmerkungen zu »Hebel – Der Hausfreund« 394 Editorische Anmerkungen zu »Aus der Erfahrung des Denkens« 405 Editorische Anmerkungen zu »Die Technik und die Kehre« 409 Editorische Anmerkungen zu »Was ist das – Die Philosophie?« 426 Editorische Anmerkungen zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) 429 Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen 473 Nachwort der Herausgeber 477

GELASSENHEIT

GELASSENHEIT

as erste Wort, das ich öffentlich in meiner Heimatstadt sagen darf, kann nur ein Wort des Dankes sein. Ich danke der Heimat für alles, was sie mir auf einen langen Weg mitgegeben hat. Worin diese Mitgift besteht, habe ich auf den wenigen Seiten darzulegen versucht, die zuerst in der Festschrift zum hundertsten Todestag von Conradin Kreutzer auf das Jahr 1949 unter dem Titel »Der Feldweg« erschienen sind.* Ich danke Herrn Bürgermeister Schühle für seine warmherzige Begrüßung. Ich danke aber noch im besonderen für den schönen Auftrag, bei der heutigen Feier eine Gedenkrede zu halten.

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Verehrte Festgemeinde! Liebe Landsleute! Wir sind zu einer Gedenkfeier für unseren Landsmann, den Komponisten Conradin Kreutzer, versammelt. Wenn wir einen jener Menschen feiern sollen, die berufen sind, Werke zu schaffen, dann gilt es vor allem, das Werk gebührend zu ehren. Im Falle eines Tonkünstlers geschieht dies dadurch, daß wir die Werke seiner Kunst zum Tönen bringen. Aus Conradin Kreutzers Werk erklingen zu dieser Stunde Lied und Chor, Oper und Kammermusik. In diesen Klängen ist der Künstler selbst da; denn die Gegenwart

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des Meisters im Werk ist die einzig echte. Je größer ein Meister ist, um so reiner verschwindet seine Person hinter dem Werk. Die Spieler und Sänger, die an der heutigen Feier mitwirken, geben die Gewähr, daß Conradin Kreutzers Werk in dieser Stunde für uns zum Klingen kommt. Aber ist die Feier dadurch schon eine Gedenkfeier? Zu einer Gedenkfeier gehört doch, daß wir denken. Allein, was sollen wir bei einer Gedenkfeier, die einem Komponisten gilt, denken und sagen? Zeichnet sich die Musik nicht dadurch aus, daß sie schon durch das bloße Erklingen ihrer Töne »spricht« und so der gewöhnlichen Sprache, der Sprache des Wortes, nicht bedarf? Man sagt es. Und dennoch bleibt die Frage bestehen: Ist die Feier durch Spiel und Gesang schon eine Gedenkfeier, eine Feier, bei der wir denken? Vermutlich kaum. Darum haben die Veranstalter eine »Gedenkrede« auf das Programm gesetzt. Sie soll uns dazu verhelfen, daß wir eigens an den gefeierten Komponisten und sein Werk denken. Solches Andenken wird lebendig, sobald wir aufs neue Conradin Kreutzers Lebensgeschichte schildern, seine Werke aufzählen und beschreiben. Wir können durch eine solche Erzählung mancherlei Erfreuliches und Leidvolles, Lehrreiches und Vorbildliches erfahren. Doch im Grunde lassen wir uns durch eine solche Rede nur unterhalten. Es ist durchaus nicht nötig, daß wir beim Anhören einer solchen Erzählung denken, d. h. uns auf etwas besinnen, was jeden Einzelnen von uns unmittelbar und unablässig in seinem Wesen angeht. Darum leistet sogar eine Gedenkrede noch keine Bürgschaft dafür, daß wir bei der Gedenkfeier denken. Machen wir uns nichts vor. Wir alle, eingeschlossen diejenigen, die gleichsam von Berufs wegen denken, wir alle

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sind oft genug gedanken-arm; wir alle sind allzu leicht gedanken-los. Die Gedankenlosigkeit ist ein unheimlicher Gast, der in der heutigen Welt überall aus- und eingeht. Denn man nimmt heute alles und jedes auf dem schnellsten und billigsten Weg zur Kenntnis und hat es im selben Augenblick ebenso rasch vergessen. So jagt auch eine Veranstaltung die andere. Die Gedenkfeiern werden immer gedankenärmer. Gedenkfeier und Gedankenlosigkeit finden sich einträchtig zusammen. Doch während wir gedankenlos sind, geben wir allerdings unsere Fähigkeit zu denken nicht preis. Wir brauchen sie sogar unbedingt, freilich auf eine sonderbare Weise, so nämlich, daß wir in der Gedankenlosigkeit unsere Denkfähigkeit brach liegen lassen. Indes kann brach liegen nur solches, was in sich ein Grund für das Wachstum ist, wie z. B. ein Ackerfeld. Eine Autobahn, auf der nichts wächst, kann auch nie ein Brachfeld sein. Gleichwie wir nur deshalb taub werden können, weil wir Hörende sind, gleichwie wir nur darum alt werden, weil wir jung waren, so können wir auch nur deshalb gedanken-arm oder gar gedanken-los werden, weil der Mensch im Grunde seines Wesens die Fähigkeit zum Denken, »Geist und Ver stand«, besitzt und zum Denken bestimmt ist. Nur das, was wir mit Wissen oder ohne Wissen besitzen, können wir auch verlieren oder, wie es heißt, los werden. Die zunehmende Gedankenlosigkeit beruht daher auf einem Vorgang, der am innersten Mark des heutigen Menschen zehrt: Der heutige Mensch ist auf der Flucht vor dem Denken. Diese Gedanken-flucht ist der Grund für die Gedanken-losigkeit. Zu dieser Flucht vor dem Denken gehört es aber, daß der Mensch sie weder sehen noch eingestehen will. Der heutige Mensch wird diese Flucht vor dem Denken sogar rundweg abstreiten. Er wird das Gegenteil be-

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haupten. Er wird – und dies mit vollem Recht – sagen, zu keiner Zeit sei so weithinaus geplant, so vielerlei untersucht, so leidenschaftlich geforscht worden wie heute. Gewiß. Dieser Aufwand an Scharfsinn und Überlegungen hat seinen großen Nutzen. Solches Denken bleibt unentbehrlich. Aber – es bleibt auch dabei, daß dies ein Denken besonderer Art ist. Sein Eigenartiges besteht darin, daß wir, wenn wir planen, forschen und einen Betrieb einrichten, stets mit gegebenen Umständen rechnen. Wir stellen sie in Rechnung aus der berechneten Absicht auf bestimmte Zwecke. Wir rechnen im voraus auf bestimmte Erfolge. Dieses Rechnen kennzeichnet alles planende und forschende Denken. Solches Denken bleibt auch dann ein Rechnen, wenn es nicht mit Zahlen operiert und nicht die Zählmaschine und keine Großrechenanlage in Gang setzt. Das rechnende Denken kalkuliert. Es kalkuliert mit fortgesetzt neuen, mit immer aussichtsreicheren und zugleich billigeren Möglichkeiten. Das rechnende Denken hetzt von einer Chance zur nächsten. Das rechnende Denken hält nie still, kommt nicht zur Besinnung. Das rechnende Denken ist kein besinnliches Denken, kein Denken, das dem Sinn nachdenkt, der in allem waltet, was ist. So gibt es denn zwei Arten von Denken, die beide jeweils auf ihre Weise berechtigt und nötig sind: das rechnende Denken und das besinnliche Nachdenken. Dieses Nachdenken aber meinen wir, wenn wir sagen, der heutige Mensch sei auf der Flucht vor – dem Denken. Allein, so entgegnet man, das bloße Nachdenken schwebt doch unversehens über der Wirklichkeit. Es verliert den Boden. Es taugt nichts für die Bewältigung der laufenden Geschäfte. Es bringt nichts ein für die Durchführung der Praxis.

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Und schließlich sagt man, das bloße Nachdenken, die ausdauernde Besinnung sei für den gewöhnlichen Verstand – zu »hoch«. An dieser Ausrede ist nur das eine richtig, daß ein besinnliches Denken sich so wenig von selbst ergibt wie das rechnende Denken. Das besinnliche Denken verlangt bisweilen eine höhere Anstrengung. Es erfordert eine längere Einübung. Es bedarf einer noch feineren Sorgfalt als jedes andere echte Handwerk. Es muß aber auch warten können wie der Landmann, ob die Saat aufgeht und zur Reife kommt.* Andererseits kann jedermann den Wegen des Nachdenkens auf seine Weise und in seinen Grenzen folgen. Warum? Weil der Mensch das denkende, d. h. sinnende Wesen ist. So brauchen wir denn auch beim Nachdenken keineswegs »hochhinaus«. Es genügt, wenn wir beim Naheliegenden verweilen und uns auf das Nächstliegende besinnen: auf das, was uns, jeden Einzelnen hier und jetzt, angeht; hier: auf diesem Fleck Heimaterde, jetzt: in der gegenwärtigen Weltstunde. Was legt uns diese Feier nahe, falls wir bereit sind, uns zu besinnen? In diesem Fall achten wir darauf, daß aus dem Boden der Heimat ein Werk der Kunst gediehen ist. Denken wir dieser einfachen Tatsache nach, dann müssen wir sogleich daran denken, daß der schwäbische Boden im vorigen und im vorvorigen Jahrhundert große Dichter und Denker hervorgebracht hat. Bedenken wir dies weiter, dann zeigt sich sogleich: Mitteldeutschland ist in gleicher Weise ein solcher Boden, Ostpreußen, das schlesische Land und das Böhmerland ebenso. Wir werden nachdenklich und fragen: Gehört nicht zu jedem Gedeihen eines gediegenen Werkes die Verwurzelung im Boden einer Heimat? Johann Peter Hebel schreibt einmal: »Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne

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gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Äther blühen und Früchte tragen zu können« (Werke, ed. Altwegg III, 314).* Der Dichter will sagen: Wo ein wahrhaft freudiges und heilsames Menschenwerk gedeihen soll, muß der Mensch aus der Tiefe des heimatlichen Bodens in den Äther hinaufsteigen können. Äther bedeutet hier: die freie Luft des hohen Himmels, den offenen Bereich des Geistes. Wir werden nachdenklicher und fragen: Wie steht es heute mit dem, was Johann Peter Hebel sagt? Gibt es noch jenes ruhige Wohnen des Menschen zwischen Erde und Himmel? Waltet noch der sinnende Geist über dem Land? Gibt es noch wurzelkräftige Heimat, in deren Boden der Mensch ständig steht, d. h. boden-ständig ist? Viele deutsche Menschen haben ihre Heimat verloren, mußten ihre Dörfer und Städte verlassen, sind vom heimatlichen Boden Vertriebene. Zahllose andere, denen die Heimat gerettet blieb, wandern gleichwohl ab, geraten in das Getriebe der großen Städte, müssen in der Öde der Industriebezirke sich ansiedeln. Sie sind der alten Heimat entfremdet. Und die in der Heimat Gebliebenen? Vielfach sind sie noch heimatloser als die Heimatvertriebenen. Stündlich und täglich sind sie an den Hör- und Fernsehfunk gebannt. Wöchentlich holt sie der Film weg in ungewohnte, oft nur gewöhnliche Vorstellungsbezirke, die eine Welt vortäuschen, die keine Welt ist. Überall ist die »Illustrierte Zeitung« greifbar. All das, womit die modernen technischen Nachrichteninstrumente den Menschen stündlich reizen, überfallen, umtreiben – all dies ist dem Menschen heute bereits viel näher als das eigene Ackerfeld rings um den Hof, näher als der Himmel überm Land, näher als der Stundengang von Tag und Nacht, näher als Brauch und Sitte im Dorf, näher als die Überlieferung der heimatlichen Welt.

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Wir werden nachdenklicher und fragen: Was geht hier vor – bei den Heimatvertriebenen nicht weniger als bei den in der Heimat Gebliebenen? Antwort: Die Bodenständigkeit des heutigen Menschen ist im Innersten bedroht. Mehr noch: Der Verlust der Bodenständigkeit ist nicht nur durch äußere Umstände und Schicksale verursacht, auch beruht er nicht nur auf der Nachlässigkeit und oberflächlichen Lebensart der Menschen. Der Verlust der Bodenständigkeit kommt aus dem Geist des Zeitalters, in das wir alle hineingeboren sind. Wir werden noch nachdenklicher und fragen: Kann, wenn es so steht, der Mensch, kann menschliches Werk künftig noch aus einem gewachsenen Heimatboden gedeihen und in den Äther, d. h. in die Weite des Himmels und des Geistes steigen? Oder gerät alles in die Zange der Planung und Berechnung, der Organisation und des automatischen Betriebes? Wenn wir uns bei der heutigen Feier auf das besinnen, was sie uns nahelegt, dann achten wir darauf, daß unserem Zeitalter der Verlust der Bodenständigkeit droht. Und wir fragen: Was geschieht eigentlich in unserer Zeit? Wodurch ist sie gekennzeichnet? Man nennt das jetzt beginnende Zeitalter neuerdings das Atomzeitalter. Sein aufdringlichstes Kennzeichen ist die Atombombe. Aber dieses Zeichen ist nur ein vordergründiges. Denn man erkannte sogleich, daß die Atomenergie sich auch für friedliche Zwecke nutzbar machen läßt. Darum sind heute die Atomphysik und deren Techniker überall dabei, die friedliche Nutzung der Atomenergie in weitausgreifenden Planungen zu verwirklichen. Die großen Industriekonzerne der maßgebenden Länder, an der Spitze England, haben bereits ausgerechnet, daß die Atomenergie ein riesenhaftes Geschäft werden kann. Man

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erblickt im Atomgeschäft das neue Glück. Die Atomwissenschaft steht nicht abseits. Sie verkündet öffentlich dieses Glück. So haben im Juli dieses Jahres achtzehn Nobelpreisträger auf der Insel Mainau in einem Aufruf wörtlich erklärt: »Die Wissenschaft – d. h. hier die moderne Naturwissenschaft – ist ein Weg zu einem glücklicheren Leben des Menschen.«* Wie steht es mit dieser Behauptung? Entspringt sie einer Besinnung? Denkt sie jemals dem Sinn des Atomzeitalters nach? Nein. Wenn wir uns durch die erwähnte Behauptung der Wissenschaft zufriedenstellen lassen, dann bleiben wir von einer Besinnung auf das gegenwärtige Zeitalter so weit entfernt als nur möglich. Warum? Weil wir vergessen, nachzudenken. Weil wir vergessen, zu fragen: Worauf beruht es denn, daß die wissenschaftliche Technik neue Energien in der Natur entdecken und freisetzen konnte? Dies beruht darauf, daß seit einigen Jahrhunderten eine Umwälzung aller maßgebenden Vorstellungen im Gang ist. Dadurch wird der Mensch in eine andere Wirklichkeit versetzt. Diese radikale Revolution der Weltansicht vollzieht sich in der Philosophie der Neuzeit. Daraus erwächst eine völlig neue Stellung des Menschen in der Welt und zur Welt. Jetzt erscheint die Welt wie ein Gegenstand, auf den das rechnende Denken seine Angriffe ansetzt, denen nichts mehr soll widerstehen können. Die Natur wird zu einer einzigen riesenhaften Tankstelle, zur Energiequelle für die moderne Technik und Industrie. Dieses grundsätzlich technische Verhältnis des Menschen zum Weltganzen entstand zuerst im 17. Jahrhundert und zwar in Europa und nur in Europa. Es blieb den übrigen Erdteilen lange Zeit unbekannt. Es war den früheren Zeitaltern und Völkerschicksalen völlig fremd. Die in der modernen Technik verborgene Macht be-

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stimmt das Verhältnis des Menschen zu dem, was ist. Sie beherrscht die ganze Erde. Der Mensch beginnt bereits, von der Erde weg in den Weltraum vorzudringen. Aber erst seit knapp zwei Jahrzehnten sind mit der Atomenergie so riesenhafte Kraftquellen bekannt geworden, daß in absehbarer Zeit der Weltbedarf an Energie aller Art für immer gedeckt ist. Die unmittelbare Beschaffung der neuen Energien ist bald nicht mehr an bestimmte Länder und Erdteile gebunden wie das Vorkommen von Kohle und Öl und das Holz der Wälder. In absehbarer Zeit werden an jeder Stelle der Erde Atomkraftwerke errichtet werden können. Die Grundfrage der heutigen Wissenschaft und Technik heißt nicht mehr: Woher gewinnen wir die ausreichenden Mengen an Brenn- und Kraftstoff? Die entscheidende Frage lautet jetzt: Auf welche Weise können wir die unvorstellbar großen Atomenergien bändigen und steuern und so die Menschheit da gegen sichern, daß diese Riesenenergien nicht plötzlich – auch ohne kriegerische Handlungen – an irgendeiner Stelle ausbrechen, »durchgehen« und alles vernichten? Wenn die Bändigung der Atomenergie gelingt, und sie wird gelingen, dann beginnt eine ganz neue Entwicklung der technischen Welt. Was wir heute als Film- und Fernsehtechnik, als Verkehrs-, im besonderen Flugtechnik, als Nachrichtentechnik, als medizinische Technik, als Nahrungsmitteltechnik kennen, stellt vermutlich nur ein grobes Anfangsstadium dar. Die Umwälzungen, die kommen, kann niemand wissen. Die Entwicklung der Technik wird indes immer schneller ablaufen und nirgends aufzuhalten sein. In allen Bereichen des Daseins wird der Mensch immer enger umstellt von den Kräften der technischen Apparaturen und der Automaten. Die Mächte, die den Menschen überall und stündlich in irgendeiner Gestalt von technischen

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Anlagen und Einrichtungen beanspruchen, fesseln, fortziehen und bedrängen – diese Mächte sind längst über den Willen und die Entscheidungsfähigkeit des Menschen hinausgewachsen, weil sie nicht vom Menschen gemacht sind. Aber auch dies gehört zum Neuartigen der technischen Welt, daß ihre Leistungen auf dem schnellsten Weg bekannt und öffentlich bestaunt werden. So kann denn heute jedermann das, was diese Rede über die technische Welt erwähnt, in jeder geschickt geleiteten illustrierten Zeitung nachlesen oder am Radio hören. Aber – eines ist es, daß wir etwas gehört und gelesen haben, d. h. es bloß kennen; ein anderes ist es, ob wir das Gehörte und Gelesene erkennen und d. h. bedenken. Im Sommer diesesa Jahres 1955 fand in Lindau wieder das internationale Treffen der Nobelpreisträger statt. Bei dieser Gelegenheit sagte der amerikanische Chemiker Stanley* folgendes: »Die Stunde ist nahe, wo das Leben in die Hand des Chemikers gelegt ist, der die lebendige Substanz nach Belieben ab- und aufbaut und verändert.«b Man nimmt einen solchen Ausspruch zur Kenntnis. Man bestaunt sogar die Kühnheit der wissenschaftlichen Forschung und denkt nichts dabei. Man bedenkt nicht, daß sich hier mit den Mitteln der Technik ein Angriff auf das Leben und das Wesen des Menschen vorbereitet, mit dem verglichen die Explosion der Wasserstoffbombe wenig bedeutet. Denn gerade wenn die Wasserstoffbomben nicht explodieren und das Leben des Menschen auf der Erde erhalten bleibt, zieht mit dem Atomzeitalter eine unheimliche Veränderung der Welt herauf. a b

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〈dieses〉 Vgl. jetzt Wagner Die Wissenschaft und die gefährdete Welt 1964, S. 235**

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Dabei ist jedoch das eigentlich Unheimliche nicht dies, daß die Welt zu einer durch und durch technischen wird. Weit unheimlicher bleibt, daß der Mensch für diese Weltveränderung nicht vorbereitet ist, daß wir es noch nicht vermögen, besinnlich denkend in eine sachgemäße Auseinandersetzung mit dem zu gelangen, was in diesem Zeitalter eigentlich heraufkommt. Kein einzelner Mensch, keine Menschengruppe, keine Kommission noch so bedeutender Staatsmänner, Forscher und Techniker, keine Konferenz von führenden Leuten der Wirtschaft und Industrie vermag den geschichtlichen Verlauf des Atomzeitalters zu bremsen oder zu lenken. Keine nur menschliche Organisation ist imstande, sich der Herrschaft über das Zeitalter zu bemächtigen. So wäre denn der Mensch des Atomzeitalters der unaufhaltsamen Übermacht der Technik wehrlos und ratlos ausgeliefert. Er wäre es, wenn der heutige Mensch darauf verzichtete, gegenüber dem bloß rechnenden Denken das besinnliche Denken in das maßgebende Spiela zu bringen. Wird aber das besinnliche Denken wach, dann muß das Nachdenken unablässig und bei der unscheinbarsten Gelegenheit am Werk sein; also auch jetzt und hier und gerade bei dieser Gedenkfeier. Denn sie gibt uns etwas zu bedenken, was im Atomzeitalter in einem besonderen Maße bedroht ist: die Bodenständigkeit menschlicher Werke. Darum fragen wir jetzt: Könnte nicht, wenn schon die alte Bodenständigkeit verloren geht, ein neuer Grund und Boden dem Menschen zurückgeschenkt werden, ein Boden und Grund, aus dem das Menschenwesen und all sein Werk auf eine neue Weise und sogar innerhalb des Atomzeitalters zu gedeihen vermag? a

〈Spiel〉 – ?

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Welches wäre der Grund und Boden für eine künftige Bodenständigkeit? Vielleicht liegt das, wonach wir mit dieser Frage suchen, sehr nah; so nah, daß wir es allzu leicht übersehen. Denn der Weg zum Nahen ist für uns Menschen jederzeit der weiteste und darum schwerste. Dieser Weg ist ein Weg des Nach denkens. Das besinnliche Denken verlangt von uns, daß wir nicht einseitig an einer Vorstellung hängen bleiben*, daß wir nicht eingleisig in einer Vorstellungsrichtung weiterrennen. Das besinnliche Denken verlangt von uns, daß wir uns auf solches einlassen, was in sich dem ersten Anschein nach gar nicht zusammengeht. Machen wir die Probe. Für uns alle sind die Einrichtungen, Apparate und Maschinen der technischen Welt heute unentbehrlich, für die einen in größerem, für die anderen in kleinerem Umfang. Es wäre töricht, blindlings gegen die technische Welt anzurennen. Es wäre kurzsichtig, die technische Welt als Teufelswerk verdammen zu wollen. Wir sind auf die technischen Gegenstände angewiesen; sie fordern uns sogar zu einer immerzu steigenden Verbesserung heraus. Unversehens sind wir jedoch so fest an die technischen Gegenstände geschmiedet, daß wir in die Knechtschaft zu ihnen geraten. Aber wir können auch Anderes. Wir können zwar die technischen Gegenstände benutzen und doch zugleich bei aller sachgerechten Benützung uns von ihnen so freihalten, daß wir sie jederzeit loslassen. Wir können die technischen Gegenstände im Gebrauch so nehmen, wie sie genommen werden müssen. Aber wir können diese Gegenstände zugleich auf sich beruhen lassen als etwas, was uns nicht im Innersten und Eigentlichen angeht. Wir können »ja« sagen zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir können zugleich »nein« sagen, insofern wir ihnen verwehren, daß sie uns ausschließlich beanspru-

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chen und so unser Wesen verbiegen, verwirren und zuletzt veröden. Wenn wir jedoch auf diese Weise gleichzeitig »ja« und »nein« sagen zu den technischen Gegenständen, wird dann unser Verhältnis zur technischen Welt nicht zwiespältig und unsicher? Ganz im Gegenteil. Unser Verhältnis zur technischen Welt wird auf eine wundersame Weise einfach und ruhig. Wir lassen die technischen Gegenstände in unsere tägliche Welt herein und lassen sie zugleich draußen, d. h. auf sich beruhen als Dinge, die nichts Absolutes sind, sondern selbst auf Höheres angewiesen bleiben. Ich möchte diese Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt mit einem alten Wort nennen: die Gelassenheit zu den Dingen. In dieser Haltung sehen wir die Dinge nicht mehr nur technisch. Wir werden hellsichtig und merken, daß die Herstellung und die Benützung von Maschinen uns zwar ein anderes Verhältnis zu den Dingen abverlangen, das gleichwohl nicht sinn-los ist. So wird z. B. der Ackerbau und die Landwirtschaft zur motorisierten Ernährungsindustrie. Daß hier – so wie auf anderen Gebieten – ein tiefgreifender Wandel im menschlichen Verhältnis zur Natur und zur Welt vor sich geht, ist gewiß. Welcher Sinn jedoch in diesem Wandel waltet, dies bleibt dunkel. So regiert denn in allen technischen Vorgängen ein Sinn, der das menschliche Tun und Lassen in Anspruch nimmt, ein Sinn, den nicht erst der Mensch erfunden und gemacht hat. Wir wissen nicht, was die ins Unheimliche sich steigernde Herrschaft der Atomtechnik im Sinn hat. Der Sinn der technischen Welt verbirgt sich. Achten wir nun aber eigens und stets darauf, daß uns überall in der technischen Welt ein verborgener Sinn anrührt, dann stehen wir sogleich im Bereich dessen, was sich uns verbirgt und zwar verbirgt,

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indem es auf uns zukommt. Was auf solche Weise sich zeigt und zugleich sich entzieht, ist der Grundzug dessen, was wir das Geheimnis nennen. Ich nenne die Haltung, kraft deren wir uns für den in der technischen Welt verborgenen Sinn offen halten: die Offenheit für das Geheimnis. Die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis gehören zusammen. Sie gewähren uns die Möglichkeit, uns auf eine ganz andere Weise in der Welt aufzuhalten. Sie versprechen uns einen neuen Grund und Boden, auf dem wir innerhalb der technischen Welt, und ungefährdet durch sie, stehen und bestehen können. Die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis geben uns den Ausblick auf eine neue Bodenständigkeit. Diese könnte sogar eines Tages geeignet sein, die alte, jetzt rasch hinschwindende Bodenständigkeit in einer gewandelten Gestalt zurückzurufen. Vorerst allerdings – wir wissen nicht wie lange – befindet sich der Mensch auf dieser Erde in einer gefährlichen Lage. Weshalb? Nur deshalb, weil unversehens ein dritter Weltkrieg ausbrechen könnte, der die völlige Vernichtung der Mensch heit und die Zerstörung der Erde zur Folge hätte? Nein. Es droht im anbrechenden Atomzeitalter eine weit größere Gefahr – gerade dann, wenn die Gefahr eines dritten Weltkrieges beseitigt ist. Eine seltsame Behauptung. Allerdings, aber nur solange seltsam, als wir nicht nachdenken. Inwiefern gilt der soeben ausgesprochene Satz? Er gilt insofern, als die im Atomzeitalter anrollende Revolution der Technik den Menschen auf eine Weise fesseln, behexen, blenden und verblenden könnte, daß eines Tages das rechnende Denken als das einzige in Geltung und Übung bliebe. Welche große Gefahr zöge dann herauf? Dann ginge mit dem höchsten und erfolgreichsten Scharfsinn des rech-

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nenden Planens und Erfindens – die Gleichgültigkeit gegen das Nachdenken, die totale Gedankenlosigkeit zusammen. Und dann? Dann hätte der Mensch sein Eigenstes, daß er nämlich ein nachdenkendes Wesen ist, verleugnet und weggeworfen. Darum gilt es, dieses Wesen des Menschen zu retten. Darum gilt es, das Nachdenken wach zu halten. Allein – die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis fallen uns niemals von selber zu. Sie sind nichts Zu-fälliges. Beide gedeihen nur aus einem unablässigen herzhaften Denken. Vielleicht gibt die heutige Gedenkfeier dazu einen Anstoß. Fangen wir diesen Stoß auf, dann denken wir an Conradin Kreutzer, indem wir an die Herkunft seines Werkes denken, an die Wurzelkräfte der Heuberger Heimat. Und wir sind es, die so denken, wenn wir uns hier und jetzt als Menschen wissen, die den Weg in das Atomzeitalter und durch es hindurch finden und bereiten müssen. Wenn die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis in uns erwachen, dann dürften wir auf einen Weg gelangen, der zu einem neuen Grund und Boden führt. In diesem Boden könnte das Schaffen bleibender Werke neue Wurzeln schlagen. So müßte auf eine gewandelte Weise und in einem veränderten Zeitalter erneut wahr werden, was Johann Peter Hebel sagt: »Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Äther blühen und Früchte tragen zu können.«*

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ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT Aus einem Feldweggespräch über das Denken1

1

Vgl. Hinweise S. 75.*

FORSCHER

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(F) GELEHRTER

(G) LEHRER

(L)

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F Zuletzt behaupteten Sie, die Frage nach dem Wesen des Menschen sei keine Frage nach dem Menschen. L Ich sagte nur, die Überlegung werde unumgänglich, ob es mit der Frage nach dem Wesen dann nicht so bestellt sei. F Gleichviel, mir ist es unerfindlich, wie das Wesen des Menschen je gefunden werden soll, indem man vom Menschen wegblickt. L Mir ist das auch unerfindlich; darum suche ich darüber Klarheit zu erlangen, inwiefern dies möglich oder vielleicht gar notwendig ist. – F Das Wesen des Menschen zu erblicken, ohne auf den Menschen hinzusehen! L Ja. Wenn das Denken die Auszeichnung des Wesens des Menschen ist, dann kann erst recht das Wesentliche dieses Wesens, nämlich das Wesen des Denkens, nur so erblickt werden, daß wir vom Denken wegsehen. G Das Denken ist jedoch, in der überlieferten Weise als Vorstellen begriffen, ein Wollen; auch Kant begreift das

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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Den ken so, wenn er es als Spontaneität kennzeichnet. Denken ist Wollen und Wollen ist Denken.

[32]

F Die Behauptung, das Wesen des Denkens sei etwas anderes als Denken, besagt dann, das Denken sei etwas anderes als Wollen. L Darum antwortete ich Ihnen auch auf die Frage, was ich bei unserer Besinnung auf das Wesen des Denkens eigentlich wolle, dies: Ich* will das Nicht-Wollen. F Dieser Ausdruck erwies sich uns inzwischen als zweideutig. G Nicht-Wollen bedeutet einmal noch ein Wollen, so zwar, daß darin ein Nein waltet, und sei es sogar im Sinne eines Nein, das sich auf das Wollen selbst richtet und ihm absagt. Nicht-Wollen heißt demnach, willentlich dem Wollen absagen. Der Ausdruck Nicht-Wollen bedeutet sodann noch jenes, was schlechthin außerhalb jeder Art von Willen bleibt. F Es kann daher auch nie durch ein Wollen vollzogen und erreicht werden. L Aber vielleicht kommen wir ihm durch ein Wollen von der Art des erst genannten Nicht-Wollens näher. G Sie sehen also das eine und das andere Nicht-Wollen in einem bestimmten Verhältnis zueinander. L Ich sehe dieses Verhältnis nicht nur. Ich bin von ihm, falls ich das bekennen darf, angesprochen, wenn nicht

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GELASSENHEIT

gar an gerufen, seitdem ich über das nachzudenken versuche, was unser Gespräch bewegt.

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F Mutmaße ich richtig, wenn ich das Verhältnis des einen Nicht-Wollens zum anderen folgendermaßen bestimme? Sie wollen ein Nicht-Wollen im Sinne der Absage an das Wollen, damit wir uns durch dieses hindurch auf das gesuchte Wesen des Denkens, das nicht ein Wollen ist, einlassen können oder uns wenigstens hierzu bereitmachen. L Sie mutmaßen nicht nur richtig, sondern Sie haben, bei den Göttern, würde ich sagen, wenn sie uns nicht entflohen wären, Sie haben etwas Wesentliches gefunden. G Wenn es überhaupt einem von uns zustünde, Lobsprüche zu erteilen und wenn dies nicht gegen den Stil unserer Gespräche verstieße, wäre ich jetzt versucht, zu sagen, daß Sie mit der Auslegung der zweideutigen Rede vom Nicht-Wollen uns und sich selbst übertroffen haben. F Daß mir dies glückte, liegt nicht an mir, sondern an der inzwischen hereingebrochenen Nacht, die zur Sammlung zwingt, ohne Gewalt anzuwenden. G Sie läßt uns Zeit zum Nachsinnen, indem sie den Schritt verlangsamt. L Weshalb wir auch noch weit von der Behausung der Menschen entfernt sind. F Immer gelöster vertraue ich dem unscheinbaren Geleit,

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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das uns in diesem Gespräch an die Hand, oder richtiger gesagt, beim Wort nimmt. G Dieses Geleit brauchen wir, weil das Gespräch immer schwieriger wird. L Wenn Sie mit dem Schwierigen das Ungewohnte meinen, das darin besteht, daß wir uns des Willens entwöhnen. G Des Willens, sagen Sie, und nicht nur des Wollens … F und sprechen so ein erregendes Ansinnen gelassen aus. L Wenn ich nur schon die rechte Gelassenheit hätte, dann wäre ich des gemeinten Entwöhnens bald enthoben. G Insofern wir uns wenigstens des Wollens entwöhnen können, helfen wir mit beim Erwachen der Gelassenheit. L Eher beim Wachbleiben für die Gelassenheit. G Weshalb nicht beim Erwachen? L Weil wir die Gelassenheit nicht von uns aus bei uns erwecken. F Die Gelassenheit wird also anderswoher bewirkt. L Nicht bewirkt, sondern zugelassen. G Zwar weiß ich noch nicht, was das Wort Gelassenheit

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GELASSENHEIT

meint; aber ich ahne doch ungefähr, daß sie erwacht, wenn unser Wesen zugelassen ist, sich auf das einzulassen, was nicht ein Wollen ist. F Sie reden unablässig von einem Lassen, so daß der Eindruck entsteht, es sei eine Art von Passivität gemeint. Gleichwohl glaube ich zu wissen, daß es sich keineswegs um ein kraftloses Gleiten- und Treibenlassen der Dinge handelt. G Vielleicht verbirgt sich in der Gelassenheit ein höheres Tun als in allen Taten der Welt und in den Machenschaften der Menschentümer… L welches höhere Tun gleichwohl keine Aktivität ist. F Demnach liegt die Gelassenheit, falls man hier von einem Liegen sprechen darf, außerhalb der Unterscheidung von Aktivität und Passivität… G weil die Gelassenheit nicht in den Bereich des Willens gehört. F Der Übergang aus dem Wollen in die Gelassenheit scheint mir das Schwierige zu sein. L Vollends dann, wenn uns das Wesen der Gelassenheit noch verborgen ist. G Und dies vor allem dadurch, daß auch die Gelassenheit noch innerhalb des Willensbereiches gedacht werden

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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kann, wie dies bei älteren Meistern des Denkens, z. B. dem Meister Eckharta, geschieht.*

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L Von dem gleichwohl viel Gutes zu lernen ist. G Gewiß; aber die von uns genannte Gelassenheit meint doch offenbar nicht das Abwerfen der sündigen Eigensucht und das Fahrenlassen des Eigenwillens zugunsten des göttlichen Willens. L Das nicht. F Was das Wort Gelassenheit uns nicht nennen soll, ist mir in vielfacher Hinsicht klar. Zugleich aber weiß ich immer weniger, wovon wir reden. Wir versuchen doch, das Wesen des Denkens zu bestimmen. Was hat die Gelassenheit mit dem Denken zu tun? L Nichts, wenn wir das Denken nach dem bisherigen Begriff als ein Vorstellen fassen. Aber vielleicht ist das Wesen des Denkens, das wir erst suchen, in die Gelassenheit eingelassen. F Ich kann mir dieses Wesen des Denkens mit dem besten Willen nicht vorstellen. L Weil gerade dieser beste Wille und die Art Ihres Denkens als Vorstellen Sie daran hindern. F Was soll ich dann in aller Welt tun? G Das frage ich mich auch. a

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〈Eckhart〉 GELASSENHEIT

L Wir sollen nichts tun,* sondern warten.**

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G Das ist ein schlechter Trost. L Ob schlecht oder gut, wir sollen auch keinen Trost erwarten, was wir selbst dann noch tun, wenn wir in die Trostlosigkeit nur versinken. F Worauf sollen wir denn warten? Und wo sollen wir warten? Ich weiß bald nicht mehr, wo ich bin und wer ich bin. L Das wissen wir alle nicht mehr, sobald wir davon ablassen, uns etwas vorzumachen. G Aber wir haben doch noch unseren Weg? L Allerdings. Doch indem wir diesen zu rasch vergessen, geben wir das Denken auf. F Woran sollen wir noch denken, wenn wir in das bisher nicht erfahrene Wesen des Denkens über- und eingehen sollen? L An das, von wo aus dieser Übergang allein geschehen kann. G Sie möchten demnach die bisherige Wesensdeutung des Denkens nicht fallenlassen? L Haben Sie vergessen, was ich in unserem früheren Gespräch über das Revolutionäre sagte?

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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F Die Vergeßlichkeit scheint mir wirklich eine besondere Gefahr bei solchen Gesprächen zu sein. [38]

G Wir sollen jetzt, falls ich recht verstehe, das, was wir Gelassenheit nennen, aber kaum kennen und vor allem nirgends recht unterbringen, im Zusammenhang mit dem besprochenen Wesen des Denkens sehen. L Genau das meine ich. F Zuletzt vergegenwärtigten wir uns das Denken in der Gestalt des transzendental-horizontalen Vorstellens. G Dieses Vorstellen stellt uns z. B. das Baumhafte des Baumes, das Krughafte des Kruges, das Schalenhafte der Schale, das Steinige des Steines, das Gewächshafte der Gewächse, das Tierische des Tieres als diejenige Aussicht zu, in die wir hineinsehen, wenn uns dieses Ding im Aussehen des Baumes, jenes Ding im Aussehen des Kruges, dieses im Aussehen der Schale, manches im Aussehen des Steines, vieles im Aussehen des Gewächses, vieles im Aussehen des Tieres entgegensteht. F Der Horizont, den Sie da noch einmal beschreiben, ist der Gesichtskreis, der die Aussicht umkreist. L Er übertrifft das Aussehen der Gegenstände. G Gleichwie die Transzendenz das Wahrnehmen der Gegenstände überholt. L Wir bestimmen somit das, was Horizont und Transzendenz heißt, durch das Übertreffen und Überholen… 36

GELASSENHEIT

G die sich auf die Gegenstände und auf das Vorstellen der Gegenstände zurückbeziehen.

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L Der Horizont und die Transzendenz sind somit von den Gegenständen und von unserem Vorstellen aus erfahren und nur im Hinblick auf die Gegenstände und unser Vorstellen bestimmt. G Weshalb betonen Sie dies? L Um anzudeuten, daß auf solche Weise dasjenige, was den Horizont das sein läßt, was er ist, noch keineswegs erfahren wird. F Woran denken Sie bei dieser Behauptung? L Wir sagen, daß wir in den Horizont hineinsehen. Der Gesichtskreis ist also ein Offenes, welche Offenheit ihm nicht dadurch zukommt, daß wir hineinsehen. G Insgleichen legen wir auch das Aussehen der Gegenstände, das die Aussicht des Gesichtskreises bietet, nicht in dieses Offene hinein… F sondern es kommt uns daraus entgegen. L Das Horizonthafte ist somit nur die uns zugekehrte Seite eines uns umgebenden Offenen, das erfüllt ist mit Aussicht ins Aussehen dessen, was unserem Vorstellen als Gegenstand erscheint. F Der Horizont ist demnach noch etwas Anderes als Horizont. Aber dieses Andere ist nach dem Besprochenen

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das Andere seiner selbst und deshalb das Selbe, das es ist. Sie sagen, der Horizont sei das uns umgebende Offene. Was ist dieses Offene selbst, wenn wir davon absehen, daß es auch als Horizont unseres Vorstellens erscheinen kann? L Mir kommt es so vor wie eine Gegend, durch deren Zauber alles, was ihr gehört, zu dem zurückkehrt, worin es ruht. G Ich bin unsicher, ob ich etwas von dem verstehe, was Sie jetzt sagen. L Ich verstehe es auch nicht, wenn Sie mit »verstehen« das Vermögen meinen, Angebotenes so vorzustellen, daß es im Bekannten gleichsam untergestellt und dadurch gesichert ist; denn auch mir fehlt das Bekannte, worin ich das, was ich über das Offene als Gegend zu sagen versuchte, unterbringen könnte. F Das ist hier wohl schon deshalb unmöglich, weil vermutlich das, was Sie Gegend nennen, selbst das ist, was alle Unterkunft erst gewährt. L So etwas meine ich; aber nicht nur dies. G Sie sprachen von »einer« Gegend, in der alles zu sich zurückkehrt. Eine Gegend für alles ist streng genommen nicht eine Gegend unter anderen, sondern die Gegend aller Gegenden. [41]

L Sie haben recht; es handelt sich um die Gegend.

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GELASSENHEIT

F Und der Zauber dieser Gegend ist wohl das Walten ihres Wesens, das Gegnende, wenn ich es so nennen darf. G Dem Wort nach wäre die Gegend das, was uns entgegenkommt; wir sagten doch auch vom Horizont, daß uns aus der von ihm umgrenzten Aussicht das Aussehen der Gegenstände entgegenkomme. Wenn wir jetzt den Horizont von der Gegend her fassen, nehmen wir die Gegend selbst als das uns Entgegenkommende. L Auf diese Weise würden wir freilich die Gegend, genauso wie vorher den Horizont, aus der Beziehung zu uns kennzeichnen, während wir doch das suchen, was das uns umgebende Offene in sich ist. Sagen wir, es sei die Gegend, und sagen wir dies in der soeben genannten Absicht, dann muß das Wort etwas Anderes nennen. F Überdies ist auch das Entgegenkommen keineswegs ein, und noch weniger der Grundzug der Gegend. Was bedeutet dann dieses Wort? G In der älteren Form lautet es »Gegnet« und meint die freie Weite. Läßt sich daraus etwas entnehmen für das Wesen dessen, was wir die Gegend nennen möchten? L Die Gegend versammelt, gleich als ob sich nichts ereigne, jegliches zu jeglichem und alles zueinander in das Ver weilen beim Beruhen in sich selbst. Gegnen ist das versammelnde Zurückbergen zum weiten Beruhen in der Weile.

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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G Demnach ist die Gegend selbst zumal die Weite und die Weile. Sie verweilt in die Weite des Beruhens. Sie weitet in die Weile des frei In-sich-gekehrten. Wir können daher im Hinblick auf den betonten Gebrauch dieses Wortes statt des geläufigen Namens »Gegend« auch »Gegnet« sagen. L Die Gegnet ist die verweilende Weite, die, alles versammelnd, sich öffnet, so daß in ihr das Offene gehalten und angehalten ist, jegliches aufgehen zu lassen in seinem Beruhen. F Soviel glaube ich zu sehen, daß die Gegnet sich eher zurückzieht, als daß sie uns entgegenkommt … G so daß auch die Dinge, die in der Gegnet erscheinen, nicht mehr den Charakter von Gegenständen haben. L Sie stehen uns nicht nur nicht mehr entgegen, sondern sie stehen überhaupt nicht mehr. F Liegen sie dann, oder wie steht es mit ihnen? L Sie liegen: wenn wir damit das Ruhen meinen, das in der Rede vom Beruhen genannt ist. F Aber wo ruhen die Dinge, und worin besteht das Ruhen? [43]

L Sie ruhen in der Rückkehr zur Weile der Weite ihres Sich-gehörens. G Kann denn in der Rückkehr, die doch Bewegung ist, eine Ruhe sein? 40

GELASSENHEIT

L Gar wohl, falls die Ruhe der Herd und das Walten aller Bewegung ist.* F Ich muß gestehen, daß ich mir all das, was Sie jetzt über die Gegend, die Weite und die Weile, über Rückkehr und Beruhen sagten, nicht recht vorstellen kann. G Es ist wohl überhaupt nicht vorzustellen, insofern durch das Vorstellen jegliches schon zum Gegenstand geworden ist, der in einem Horizont uns entgegensteht. F Dann können wir also das Genannte eigentlich auch nicht beschreiben? L Nein. Jede Beschreibung müßte das Genannte gegenständlich vorführen. G Gleichwohl läßt es sich nennen und nennend denken… L falls das Denken kein Vorstellen mehr ist. F Was soll es aber dann sein? L Vielleicht sind wir jetzt nahe dabei, in das Wesen des Denkens eingelassen zu werden … G indem wir auf sein Wesen warten.

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L Warten, wohlan; aber niemals erwarten; denn das Erwarten hängt sich bereits in ein Vorstellen und dessen Vorgestelltes.

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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G Das Warten jedoch läßt davon ab; oder ich muß eher sagen: Das Warten läßt sich auf das Vor-stellen gar nicht ein. Das Warten hat eigentlich keinen Gegenstand. F Aber wir warten doch, wenn wir warten, immer auf etwas. G Gewiß; aber sobald wir das, worauf wir warten, uns vorstellen und es zum Stehen bringen, warten wir schon nicht mehr. L Im Warten lassen wir das, worauf wir warten, offen. G Weshalb? L Weil das Warten in das Offene selbst sich einläßt … G in die Weite des Fernen … L in dessen Nähe es die Weile findet, darin es bleibt. F Bleiben aber ist ein Zurückkehren. G Das Offene selbst wäre das, worauf wir rein nur warten könnten. F Das Offene selbst aber ist die Gegnet … [45]

L in die wir wartend eingelassen sind, wenn wir denken. F Das Denken wäre dann das In-die-Nähe-kommen zum Fernen.

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GELASSENHEIT

G Das ist eine verwegene Bestimmung seines Wesens, die uns da zugefallen ist. F Ich habe nur zusammengefaßt, was wir soeben nannten, ohne mir dabei etwas vorzustellen. L Und doch haben Sie sich etwas gedacht. F Eigentlich eher auf etwas gewartet, ohne zu wissen worauf. G Woher aber konnten Sie plötzlich warten? F Ich wartete, wie ich jetzt erst klarer sehe, in unserem Gespräch schon lange auf die Ankunft des Wesens des Denkens. Aber jetzt wurde mir das Warten selbst deutlicher und in einem damit dies, daß wir alle vermutlich unterwegs wartender wurden. L Können Sie uns sagen, inwiefern dies so ist? F Ich versuche es gern, wenn ich nicht Gefahr laufen muß, daß Sie mich sogleich auf einzelne Worte festlegen. L Das ist doch nicht der Brauch bei unseren Gesprächen. G Wir sehen eher darauf, daß wir uns in den Worten frei bewegen. L Weil das Wort nicht und nie etwas vorstellt, sondern etwas be-deutet, d. h. etwas, es zeigend, in die Weite seines Sagbaren verweilt.a a

vgl. S. 41 f.

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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[46]

F Ich soll sagen, weshalb ich ins Warten gelangte und nach welcher Richtung mir eine Verdeutlichung des Wesens des Denkens gelang. Weil das Warten, ohne etwas vorzustellen, ins Offene geht, versuchte ich, mich von allem Vorstellen loszulassen. Weil das Öffnende des Offenen die Gegnet ist, versuchte ich, losgelassen aus dem Vorstellen, rein nur der Gegnet überlassen zu bleiben. L Sie versuchten demnach, wenn ich recht vermute, sich auf die Gelassenheit einzulassen. F Daran habe ich, offen gestanden, nicht eigens gedacht, wenngleich vorhin von der Gelassenheit die Rede war. Ich wurde mehr durch den Gang des Gespräches als durch die Vorstellung der einzelnen Gegenstände, die wir besprachen, veranlaßt, mich in der erwähnten Weise auf das Warten einzulassen. G Gemäßer als durch eine Veranlassung zum Sicheinlassen können wir kaum in die Gelassenheit gelangen. L Vor allem dann, wenn der Anlaß noch so unscheinbar ist wie der lautlose Gang eines Gespräches, das uns bewegt. G Was doch heißt, daß es uns auf den Weg bringt, der nichts anderes zu sein scheint als die Gelassenheit selbst … [47]

L die so etwas ist wie Ruhe. G Von hier aus wird mir plötzlich klarer, inwiefern die

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GELASSENHEIT

Bewegung aus der Ruhe kommt und in die Ruhe eingelassen bleibt.* L Die Gelassenheit wäre dann nicht nur der Weg, sondern die Bewegung. G Wo geht dieser seltsame Weg, und wo ruht die ihm gemäße Bewegung? L Wo anders als in der Gegnet, zu der die Gelassenheit ist, was sie ist. F Inwiefern, so muß ich jetzt endlich zurückfragen, ist es denn überhaupt die Gelassenheit, auf die ich mich einzulassen versuchte? G Mit dieser Frage bringen Sie uns in eine arge Verlegenheit. L Es ist diejenige, in der wir uns auf unserem Weg ständig befinden. F Wieso? L Insofern das, was wir jeweils mit einem Wort benennen, doch niemals das betreffende Wort als Namen wie ein Schild an sich hängen hat. F Was wir benennen, ist zuvor namenlos; also auch das, was wir die Gelassenheit nennen. Wonach richten wir uns da, um abzuschätzen, daß der Name und inwieweit er angemessen ist?

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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[48]

G Oder bleibt jede Benennung eine Willkür gegenüber dem Namenlosen? L Aber ist es denn so ausgemacht, daß es überhaupt das Namenlose gibt? Vieles ist uns oft unsagbar, aber doch nur deshalb, weil uns der Name nicht einfällt, den es hat. G Kraft welcher Benennung? L Vielleicht kommen diese Namen nicht aus einer Benennung. Sie verdanken sich einer Nennung, in der sich zumal das Nennbare, der Name und das Genannte ereignen. F Was Sie da zuletzt über die Nennung sagen, ist mir dunkel. G Es muß wohl mit dem Wesen des Wortes zusammenhängen. F Was Sie dagegen über die Benennung vermerkten, und daß es das Namenlose nicht gibt, leuchtet mir eher ein. G Weil wir es am Fall des Namens Gelassenheit prüfen können. L Oder schon geprüft haben. F Inwiefern? L Was ist das, was Sie mit dem Namen Gelassenheit benannten?

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GELASSENHEIT

F Nicht ich habe, wenn Sie erlauben, den Namen gebraucht,* sondern Sie. L Ich habe so wenig wie Sie die Benennung vollzogen.

[49]

G Wer ist es dann gewesen? Keiner von uns? L Vermutlich; denn in der Gegend, in der wir uns aufhalten, ist alles nur dann in bester Ordnung, wenn es keiner gewesen ist. F Eine rätselhafte Gegend, wo es nichts zu verantworten gibt. L Weil es die Gegend des Wortes ist, das allein sich selbst verantwortet. G Uns bleibt nur das Hören auf die dem Wort gemäße Antwort. L Das ist genug; auch dann noch, wenn unser Sagen nur ein Nachsagen der gehörten Antwort ist… F wenn nichts daran liegt, ob einer zuerst und wer zu solchem Nachsagen gelangt, zumal er oft nicht weiß, wem er seine Sage nachsagt. G Wir wollen daher nicht darüber streiten, wer den Namen »Gelassenheit« zuerst ins Gespräch warf; wir wollen nur bedenken, was dies ist, was wir so benennen. F Es ist, von meiner erwähnten Erfahrung her gesprochen, das Warten.

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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[50]

L Also nicht etwas Namenloses, sondern ein schon Benanntes. Was ist dies Warten? F Insofern es auf das Offene sich bezieht und das Offene die Gegnet ist, können wir sagen, das Warten sei ein Verhältnis zur Gegnet. L Vielleicht sogar das Verhältnis zur Gegnet, insofern das Warten sich auf die Gegnet einläßt und, im Sicheinlassen auf sie, die Gegnet rein walten läßt als Gegnet. G Ein Verhältnis zu etwas wäre somit dann das wahre Verhältnis, wenn es von dem, wozu es sich verhält, in seinem eigenen Wesen gehalten wird. L Das Verhältnis zur Gegnet ist das Warten. Und Warten heißt: auf das Offene der Gegnet sich einlassen. G Also: in die Gegnet eingehen. F Das hört sich an, als seien wir zuvor außerhalb der Gegnet gewesen. L Das sind wir und sind es doch nicht. Wir sind nicht und nie außerhalb der Gegnet, insofern wir doch als denkende Wesen, d. h. zugleich als transzendental vorstellende, uns im Horizont der Transzendenz aufhalten. Der Horizont ist aber die unserem Vor-stellen zugekehrte Seite der Gegnet. Als Horizont umgibt uns und zeigt sich uns die Gegnet.

[51]

G Ich finde, daß sie sich als Horizont eher verhüllt.

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GELASSENHEIT

L Gewiß; aber gleichwohl sind wir, transzendental vorstellend in den Horizont hinaussteigend, in der Gegnet. Und sind doch wieder nicht in ihr, sofern wir uns noch nicht auf sie selbst als die Gegnet eingelassen haben. F Was jedoch im Warten geschieht. L Wartend sind wir, wie Sie es schon sagten, losgelassen aus dem transzendentalen Bezug zum Horizont. F Dieses Gelassensein ist das erste Moment der Gelassenheit, doch trifft es weder, noch erschöpft es gar ihr Wesen. G Inwiefern nicht? L Insofern die eigentliche Gelassenheit sich ereignen kann, ohne daß ihr jenes Losgelassensein aus der horizontalen Transzendenz notwendig voraufgeht. G Wenn die eigentliche Gelassenheit das gemäße Verhältnis zur Gegnet sein soll und ein solches Verhältnis sich rein aus dem bestimmt, wozu es sich verhält, muß die eigentliche Gelassenheit in der Gegnet beruhen und aus ihr die Bewegung zur Gegnet empfangen haben. L Die Gelassenheit kommt aus der Gegnet, weil sie darin besteht, daß der Mensch der Gegnet gelassen bleibt, und zwar durch diese selbst. Er ist ihr in seinem Wesen gelassen, insofern er der Gegnet ursprünglich gehört. Er gehört ihr, insofern er der Gegnet anfänglich ge-eignet ist, und zwar durch die Gegnet selbst.

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[52]

G In der Tat gründet das Warten auf etwas, gesetzt daß es ein wesentliches, und d. h. ein alles entscheidendes Warten ist, darin, daß wir in das gehören, worauf wir warten. L Aus der Erfahrung des Wartens, und zwar des Wartens auf das Sichöffnen der Gegnet, und in der Beziehung auf solches Warten wurde dieses als die Gelassenheit an-gesprochen. G Die Benennung des Wartens auf die Gegnet ist daher eine entsprechende. F Wenn nun aber das transzendental-horizontale Vorstellen, daraus die Gelassenheit auf Grund des Gehörens in die Gegnet sich losläßt, das bislang waltende Wesen des Denkens ist, dann wandelt sich in der Gelassenheit das Denken aus einem solchen Vorstellen in das Warten auf die Gegnet. L Das Wesen dieses Wartens jedoch ist die Gelassenheit zur Gegnet. Weil aber die Gegnet es ist, die je und je die Gelassenheit zu sich gehören, weil in sich beruhen läßt, beruht das Wesen des Denkens darin, daß die Gegnet die Gelassenheit in sich, wenn ich so sagen darf, vergegnet. G Das Denken ist die Gelassenheit zur Gegnet, weil sein Wesen in der Vergegnis der Gelassenheit beruht. [53]

L Damit sagen Sie aber, daß das Wesen des Denkens nicht aus dem Denken her, und d. h. nicht aus dem Warten als solchem her bestimmt ist, sondern aus dem Anderen

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GELASSENHEIT

seiner selbst, d. h. aus der Gegnet, die west, indem sie vergegnet. F All dem, was wir jetzt über Gelassenheit, Gegnet und Vergegnis sagten, konnte ich in gewisser Weise folgen; gleichwohl kann ich mir dabei nichts vorstellen. G Das sollen Sie auch nicht, wenn Sie das Gesagte seinem Wesen gemäß denken. F Sie meinen, daß wir gemäß dem gewandelten Wesen des Denkens darauf warten. G Nämlich auf die Vergegnis der Gegnet, daß diese unser Wesen in die Gegnet einläßt, d. h. in das Gehören zu ihr. L Wenn wir aber der Gegnet schon geeignet sind? F Was hilft uns das, wenn wir es doch nicht wahrhaft sind? G Wir sind es also und sind es nicht. F Das ist wieder dieses ruhelose Hin und Her zwischen Ja und Nein. G Wir hängen gleichsam zwischen beiden. L Doch der Aufenthalt in diesem Zwischen ist das Warten. G Dies ist das Wesen der Gelassenheit, in die das Gegnen

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der Gegnet den Menschen vergegnet. Wir ahnen das Wesen des Denkens als Gelassenheit.

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L Um sie so rasch wieder zu vergessen. F Sie, die ich doch selbst als das Warten erfahren habe. L Wir bedenken, daß das Denken keineswegs die für sich bestehende Gelassenheit ist. Die Gelassenheit zur Gegnet ist das Denken nur als die Vergegnis der Gelassenheit, welche Vergegnis die Gelassenheit in die Gegnet eingelassen hat. G Die Gegnet verweilt nun aber auch das Ding in die Weile der Weite. Wie sollen wir das Gegnen der Gegnet in Bezug auf das Ding benennen? F Es kann doch wohl nicht die Vergegnis sein, da diese der Bezug der Gegnet zur Gelassenheit ist, die Gelassenheit aber das Wesen des Denkens in sich bergen soll, die Dinge selbst aber nicht denken.

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L Die Dinge sind offenbar Dinge durch das Gegnen der Gegnet, wie es sich in unserem früheren Gespräch am Verweilen des Kruges in die Weite der Gegnet zeigte. Allein das Gegnen der Gegnet verursacht und bewirkt die Dinge nicht, so wenig wie die Gegnet die Gelassenheit bewirkt. Die Gegnet ist im Vergegnen auch nicht der Horizont für die Gelassenheit; sie ist auch nicht der Horizont für die Dinge, mögen wir diese nur als Gegenstände er fahren oder als die zu den Gegenständen hinzuvorgestellten »Dinge an sich« meinen.

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GELASSENHEIT

G Was Sie jetzt sagen, scheint mir so entscheidend zu sein, daß ich versuchen möchte, das Gesagte in der gelehrten Terminologie festzuhalten; zwar weiß ich wohl, daß die Terminologie nicht nur die Gedanken erstarren läßt, sondern die Gedanken zugleich auch wieder vieldeutig macht entsprechend der Vieldeutigkeit, die den gebräuchlichen Terminologien unvermeidlich anhaftet. L Nach diesem gelehrten Vorbehalt dürfen Sie ruhig gelehrt sprechen. G Nach Ihrer Darlegung ist die Beziehung der Gegnet zur Gelassenheit weder ein kausaler Wirkungszusammenhang noch das horizontal-transzendentale Verhältnis. Um es noch kürzer und allgemeiner zu sagen: Die Beziehung zwischen Gegnet und Gelassenheit, falls sie überhaupt noch eine Beziehung ist, kann weder als ontische noch als ontologische gedacht werden… L sondern nur als die Vergegnis. F Insgleichen ist nun aber auch die Beziehung zwischen Gegnet und Ding weder ein kausaler Wirkungszusammenhang noch das transzendental-horizontale Verhältnis, mithin auch weder ontisch noch ontologisch. G Aber offensichtlich ist die Beziehung der Gegnet zum Ding auch nicht die Vergegnis, die das Wesen des Menschen angeht. L Wie sollen wir also den Bezug der Gegnet zum Ding benennen, wenn die Gegnet das Ding in ihm selbst als das Ding weilen läßt?

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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[56]

F Sie bedingt das Ding zum Ding. G Sie heißt daher am ehesten die Bedingnis. F Aber das Bedingen ist kein Machen und Bewirken; auch kein Ermöglichen im Sinne des Transzendentalen … L sondern nur die Bedingnis. F Was das Bedingen ist, müssen wir also erst denken lernen… L indem wir das Wesen des Denkens erfahren lernen … G mithin auf Bedingnis und Vergegnis warten. F Dennoch sind die Benennungen auch jetzt schon eine Hilfe, um in das angeführte Mannigfaltige von Beziehungen eine gewisse Durchsichtigkeit zu bringen. Freilich bleibt gerade diejenige Beziehung noch unbestimmt, an deren Kennzeichnung mir am meisten liegt. Ich meine das Verhältnis des Menschen zum Ding. G Warum hängen Sie so hartnäckig an diesem Verhältnis? [57]

F Wir sind doch früher davon ausgegangen, die Beziehung zwischen dem Ich und dem Gegenstand von dem tatsächlichen Verhältnis des physikalischen Denkens zur Natur her zu beleuchten. Die Beziehung zwischen dem Ich und dem Gegenstand, die oft genannte Sub-

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GELASSENHEIT

jekt-Objekt-Beziehung, die ich für die allgemeinste hielt, ist offenbar nur eine geschichtliche Abwandlung des Verhältnisses des Menschen zum Ding, insofern die Dinge zu Gegenständen werden können … L dies sogar geworden sind, ehe sie ihr Dingwesen erreichten. G Das Selbe gilt vom entsprechenden geschichtlichen Wandel des Menschenwesens zur Ichheit… L die sich gleichfalls ereignete, ehe das Wesen des Menschen zu sich selbst zurückkehren durfte… F falls wir nicht die Prägung des Menschenwesens zum animal rationale als die endgültige ansehen … G was nach dem heutigen Gespräch wohl kaum mehr möglich ist. F Ich zögere, darüber so rasch zu entscheiden. Indessen ist mir anderes klar geworden: In der Beziehung von Ich und Gegenstand verbirgt sich etwas Geschichtliches, das der Wesensgeschichte des Menschen angehört. L Nur insofern das Wesen des Menschen nicht aus dem Men schen sein Gepräge erfährt, sondern aus dem, was wir die Gegnet und ihre Vergegnis nennen, ereignet sich die von Ihnen geahnte Geschichte als die Geschichte der Gegnet. F So weit vermag ich noch nicht mitzudenken. Ich bin zufrieden, wenn die Einsicht in den geschichtlichen

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Charakter der Beziehung zwischen Ich und Gegenstand bei mir eine Unklarheit beseitigt. Sie sagten nämlich, als ich mich für die methodologische Seite der Zergliederung der mathematischen Naturwissenschaft entschied, diese Betrachtung sei eine historische. G Diesen Satz haben Sie lebhaft bestritten. F Nunmehr sehe ich, was gemeint war. Der mathematische Entwurf und das Experiment gründen in der Beziehung des Menschen als Ich zum Ding als Gegenstand. L Sie machen sogar diese Beziehung mit aus und entfalten ihr geschichtliches Wesen. F Wenn jede Betrachtung, die auf Geschichtliches sich richtet, historisch heißt, dann ist in der Tat die methodologische Zergliederung der Physik eine historische. G Wobei der Begriff des Historischen eine Weise des Erkennens meint und weit gefaßt wird. L Vermutlich in der Richtung auf das Geschichtliche, das nicht in den Begebenheiten und Taten der Welt besteht. [59]

G Auch nicht in den Kulturleistungen des Menschen. F Worin denn aber sonst? L Das Geschichtliche beruht in der Gegnet und in dem, was sich als die Gegnet ereignet, die, dem Menschen sich zuschickend, ihn in sein Wesen vergegnet. 56

GELASSENHEIT

G Welches Wesen wir jedoch kaum erfahren haben, gesetzt, daß es sich in der Rationalität des animal noch nicht erfüllte. F In solcher Lage können wir auf das Wesen des Menschen nur warten. L In der Gelassenheit, durch die wir in die Gegnet gehören, die ihr eigenes Wesen noch verbirgt. G Die Gelassenheit zur Gegnet ahnen wir als das gesuchte Wesen des Denkens. L Wenn wir uns auf die Gelassenheit zur Gegnet einlassen, wollen wir das Nicht-Wollen. F Die Gelassenheit ist in der Tat das Sichloslassen aus dem transzendentalen Vorstellen und so ein Absehen vom Wollen des Horizontes. Dieses Absehen kommt nicht mehr aus einem Wollen, es sei denn, der Anlaß zum Sicheinlassen in die Zugehörigkeit zur Gegnet bedürfe einer Spur des Wollens, welche Spur jedoch im Sicheinlassen verschwindet und vollends in der Gelassenheit ausgelöscht ist. G Inwiefern ist aber die Gelassenheit auf solches bezogen, was nicht ein Wollen ist? L Nach all dem, was wir vom Verweilen der weilenden Weite, vom Beruhenlassen in der Rückkehr, vom Gegnen der Gegnet sagten, kann die Gegnet schwerlich als Wille angesprochen werden.

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G Schon dies, daß die Vergegnis der Gegnet, insgleichen die Bedingnis von allem Wirken und Verursachen wesenhaft sich ausschließen, zeigt an, wie entschieden all dem jedes Willenswesen fremd ist. L Denn jeder Wille will wirken und will als sein Element die Wirklichkeit. F Wie leicht könnte jetzt ein Mensch, der uns dies sagen hörte, auf die Meinung verfallen, die Gelassenheit schwebe im Unwirklichen und somit im Nichtigen und sei, selbst bar jeder Tatkraft, ein willenloses Zulassen von allem und im Grunde die Verneinung des Willens zum Leben! G Sie halten es also für nötig, dieser möglichen Mißdeutung der Gelassenheit dadurch zu begegnen, daß wir zeigen, inwiefern auch in ihr so etwas wie Tatkraft und Entschlossenheit waltet? F Dies meine ich, obzwar ich nicht verkenne, daß alle diese Namen die Gelassenheit sogleich ins Willensmäßige mißdeuten. [61]

G Man müßte dann z. B. das Wort »Entschlossenheit« so denken, wie es in »Sein und Zeit« gedacht ist: als das eigens übernommene Sichöffnen des Daseins für das Offene…* L als welches wir die Gegnet denken. G Wenn wir das Wesen der Wahrheit gemäß dem griechischen Sagen und Denken als die Unverborgenheit

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und Entbergung erfahren, erinnern wir uns daran, daß die Gegnet vermutlich das verborgen Wesende der Wahrheit ist. F Dann wäre das Wesen des Denkens, nämlich die Gelassenheit zur Gegnet, die Entschlossenheit zur wesenden Wahrheit. L In der Gelassenheit könnte sich eine Ausdauer verbergen, die rein darin beruht, daß die Gelassenheit je und je reiner ihres Wesens inne wird und, es ausdauernd, in ihm steht. G Das wäre ein Verhalten, das sich nicht in eine Haltung aufspreizte, sondern in die Verhaltenheit sich sammelte, die stets die Verhaltenheit der Gelassenheit bliebe. L Die also verhalten ausdauernde Gelassenheit wäre die Empfängnis der Vergegnis der Gegnet. F Das verhaltene Ausdauern, wodurch die Gelassenheit in ihrem Wesen beruht, wäre das, was dem höchsten Wollen entsprechen könnte und es doch nicht dürfte. Für dieses In-sich-beruhen der Gelassenheit, das sie gerade der Vergegnis der Gegnet gehören läßt… L und in gewisser Weise auch der Bedingnis…

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F für diese Ausdauer des in sich beruhenden Gehörens zur Gegnet fehlt uns noch das Wort. G Vielleicht könnte das Wort »Inständigkeit« einiges nennen. Bei einem Freund las ich einmal wenige Zeilen,

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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die er sich irgendwo abgeschrieben hatte. Sie enthalten eine Erläuterung dieses Wortes. Ich habe mir die Zeilen gemerkt. Sie lauten: Inständigkeit Nie ein Wahres allein, Die wesende Wahrheit Heil zu empfangen Für weite Beständnis, Bestell das denkende Herz In die einfache Langmut Der einzigen Großmut Edlen Erinnerns. L Die Inständigkeit in der Gelassenheit zur Gegnet wäre darnach das echte Wesen der Spontaneität des Denkens. G Und das Denken wäre nach den angeführten Zeilen das Andenken, verwandt mit dem Edlen. L Die Inständigkeit der Gelassenheit zur Gegnet wäre der Edelmut selbst. [63]

F Mir scheint, diese unwahrscheinliche Nacht verführt Sie beide zum Schwärmen. L Gewiß, wenn Sie das Schwärmen im Warten meinen, wodurch wir wartender werden und nüchterner. G Ärmer dem Anschein nach und doch reicher an Zu-fall.

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GELASSENHEIT

F Dann sagen Sie, bitte, in Ihrer seltsamen Nüchternheit auch noch, inwiefern die Gelassenheit mit dem Edlen verwandt sein kann. G Edel ist, was Herkunft hat. L Nicht nur sie hat, sondern in der Herkunft seines Wesens weilt. F Nun besteht doch die eigentliche Gelassenheit darin, daß der Mensch in seinem Wesen der Gegnet gehört, d. h. ihr gelassen ist. G Nicht gelegentlich, sondern – wie sollen wir es sagen – im vorhinein. F Zum voraus, wohinaus wir eigentlich nicht denken können… L weil das Wesen des Denkens dort beginnt. F Im Unvordenklichen also ist das Wesen des Menschen der Gegnet gelassen. G Weshalb wir auch sogleich hinzufügten: und zwar durch die Gegnet selbst. L Sie vereignet das Wesen des Menschen ihrem eigenen Gegnen. F So haben wir die Gelassenheit erläutert. Wir haben jedoch auch, was mir sogleich auffiel, unterlassen* zu bedenken, weshalb denn das Wesen des Menschen der Gegnet vereignet ist. ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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G Offenbar ist das Wesen des Menschen deshalb der Gegnet gelassen, weil dieses Wesen so wesenhaft der Gegnet gehört, daß diese ohne das Menschenwesen nicht wesen kann, wie sie west. F Dies ist kaum zu denken. L Es ist überhaupt nicht zu denken, solange wir uns dies vorstellen wollen, und d. h. gewaltsam als eine gegenständlich vorhandene Beziehung zwischen dem Gegenstand genannt »Mensch« und dem Gegenstand genannt »Gegnet« vor uns bringen.

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F Dies mag sein. Aber bleibt, auch wenn wir darauf achten, dennoch in dem Satz von der wesenhaften Beziehung des Menschenwesens zur Gegnet eine unübersteigliche Schwierigkeit zurück? Wir kennzeichneten so eben die Gegnet als das verborgene Wesen der Wahrheit. Sagen wir der Kürze halber statt Gegnet einmal Wahrheit, dann besagt der Satz von der Beziehung zwischen der Gegnet und dem Menschenwesen dieses: Das Menschenwesen ist der Wahrheit übereignet, weil die Wahrheit den Menschen braucht. Ist es aber nun nicht der auszeichnende Charakter der Wahrheit, und zwar gerade im Hinblick auf ihre Beziehung zum Menschen, daß sie unabhängig vom Menschen das ist, was sie ist? G Sie rühren mit dem Gesagten an eine Schwierigkeit, die wir freilich erst dann erörtern können, wenn wir das Wesen der Wahrheit eigens erläutert und das Wesen des Menschen deutlicher bestimmt haben.

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L Zu beidem sind wir erst unterwegs; dennoch möchte ich versuchen, den Satz über die Beziehung der Wahrheit zum Menschen so zu umschreiben, daß noch deutlicher wird, worauf wir uns besinnen müssen, falls wir diese Beziehung einmal eigens bedenken. F Was Sie darüber sagen wollen, bleibt daher zunächst nur eine Behauptung. L Gewiß; und ich meine dies: Das Wesen des Menschen ist einzig deshalb in die Gegnet gelassen und demgemäß von der Gegnet gebraucht, weil der Mensch für sich über die Wahrheit nichts vermag und diese unabhängig bleibt von ihm. Die Wahrheit kann nur deshalb unabhängig vom Menschen wesen, weil das Wesen des Menschen als die Gelassenheit zur Gegnet von der Gegnet in die Vergegnis und zur Wahrung der Bedingnis gebraucht wird. Die Unabhängigkeit der Wahrheit vom Menschen ist offenkundig doch eine Beziehung zum Menschenwesen, welche Beziehung in der Vergegnis des Menschenwesens in die Gegnet ruht. G Wenn es so wäre, dann weilte der Mensch als der Inständige in der Gelassenheit zur Gegnet in der Herkunft seines Wesens, das wir deshalb dahin umschreiben dürften: Der Mensch ist der in das Wesen der Wahrheit Gebrauchte. Dergestalt in seiner Herkunft weilend, wäre der Mensch vom Edlen seines Wesens angemutet. Er vermutete das Edelmütige. F Dieses Vermuten könnte wohl nichts anderes sein denn das Warten, als welches wir die Inständigkeit der Gelassenheit denken.

ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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G Wenn so die Gegnet die verweilende Weite wäre, könnte die Langmut am weitesten, sie könnte die Weite der Weile selbst noch vermuten, weil sie am längsten warten kann. L Der langmütige Edelmut wäre das reine In-sich-beruhen jenes Wollens, das, absagend dem Wollen, auf das sich eingelassen hat, was nicht ein Wille ist. G Der Edelmut wäre das Wesen des Denkens und somit des Dankens. [67]

L Jenes Dankens, das sich nicht erst für etwas bedankt, sondern nur dankt, daß es danken darf. G Mit diesem Wesen des Denkens hätten wir gefunden, was wir suchen. F Gesetzt, daß wir Jenes gefunden hätten, worin doch alles Gesagte unseres Gespräches zu ruhen scheint. Dies ist das Wesen der Gegnet. L Weil das nur gesetzt ist, sagen wir auch, wie Sie vielleicht bemerkt haben, seit geraumer Zeit alles nur gesetzter Weise. F Gleichwohl kann ich nicht länger mit dem Geständnis zurückhalten, daß uns das Wesen der Gegnet näher gekommen ist, während sie selbst mir ferner zu sein scheint denn je. G Sie meinen, daß Sie in der Nähe des Wesens der Gegnet seien und ihr selbst doch fern?

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GELASSENHEIT

F Aber die Gegnet selbst und ihr Wesen können doch nicht zwei verschiedene Dinge sein, falls hier überhaupt von Dingen gesprochen werden darf. G Das Selbst der Gegnet ist vermutlich ihr Wesen und das Selbe ihrer selbst. L Dann läßt sich vielleicht unsere Erfahrung während des Gespräches dahin aussprechen, daß wir in die Nähe der Gegnet kommen und ihr so zugleich fern bleiben, indes das Bleiben allerdings Rückkehr ist. G Mit dem, was Sie sagen, wäre doch nur das Wesen des Wartens und der Gelassenheit genannt. F Aber wie steht es dann mit der Nähe und der Ferne, innerhalb deren die Gegnet sich lichtet und verhüllt, sich naht und entfernt? G Diese Nähe und Ferne können nichts außerhalb der Gegnet sein. L Weil die Gegnet, alles gegnend, alles zueinander versammelt und zu sich selbst in das eigene Beruhen im Selben zurückkehren läßt. F Dann wäre die Gegnet selbst das Nähernde und das Fernende. G Die Gegnet wäre selbst die Nähe der Ferne und die Ferne der Nähe… F wobei wir diese Kennzeichnung nicht dialektisch denken dürften… ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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L Sondern? F Nach dem Wesen des allein von der Gegnet her bestimmten Denkens. [69]

G Also wartend, inständig in der Gelassenheit. L Was wäre aber dann das Wesen des Denkens, wenn die Gegnet die Nähe der Ferne ist? G Das läßt sich wohl mit einem einzigen Wort nicht mehr sagen. Allerdings kenne ich ein Wort, das mir bis vor kurzem noch als geeignet erschien, das Wesen des Denkens und damit auch des Erkennens angemessen zu benennen. F Dies Wort möchte ich gerne hören. G Es ist ein Wort, das mir schon bei unserem ersten Gespräch einfiel. Diesen Einfall meinte ich auch, als ich im Beginn des heutigen Gespräches bemerkte, daß ich unserem ersten Feldweggespräch eine kostbare Anregung verdanke. Im Verlauf des heutigen Gespräches wollte ich dieses Wort auch schon öfters vorbringen. Aber jedesmal schien es mir weniger zu passen für das, was sich uns als das Wesen des Denkens näherte. F Sie reden so geheimnisvoll von Ihrem Einfall, gleich als wollten Sie etwas Selbstentdecktes nicht zu früh preisgeben. G Das Wort, an das ich denke, habe ich nicht selbst entdeckt; es ist nur ein gelehrter Einfall.

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F Also, wenn ich so sagen darf, eine historische Erinnerung? G Wenn Sie so wollen. Sie hätte sogar gut in den Stil unseres heutigen Gespräches gepaßt, in dessen Verlauf wir öfters Worte und Sätze einstreuten, die aus dem Denken des Griechentums stammen. Aber jetzt will das gemeinte Wort nicht mehr für das passen, was wir mit einem einzigen Wort zu nennen versuchen. L Sie meinen das Wesen des Denkens, das als die inständige Gelassenheit zur Gegnet die wesenhafte menschliche Beziehung zur Gegnet ist, die wir als die Nähe zur Ferne ahnen. F Auch wenn das Wort jetzt nicht mehr paßt, könnten Sie es uns zum Abschluß des Gespräches doch verraten; denn wir haben uns der menschlichen Behausung wieder genähert und müssen ohnehin das Gespräch abbrechen. L Auch könnte das jetzt nicht mehr treffende Wort, das Ihnen vordem als kostbare Anregung wert war, uns deutlich machen, daß wir inzwischen vor etwas Unsagbares gekommen sind. G Das Wort ist ein Wort des Heraklit. F Aus welchem Fragment haben Sie das Wort entnommen? G Das Wort ist mir eingefallen, weil es für sich allein steht. Es ist jenes Wort, das als einziges das Fragment 122 ausmacht.* ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT

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F Dieses kürzeste der Fragmente des Heraklit kenne ich nicht. [71]

G Es wird auch sonst kaum beachtet, weil man mit einem vereinzelten Wort wenig anfangen kann. F Wie lautet dieses Fragment? G ÆAgxibasiÂh. F Was sagt dies? G Man übersetzt das griechische Wort durch das deutsche »Herangehen«. F Ich halte dieses Wort für einen ausgezeichneten Namen zur Benennung des Wesens der Erkenntnis; denn der Charakter des Vorgehens und Zugehens auf die Gegenstände kommt darin schlagend* zum Ausdruck. G Das schien mir auch so. Darum fiel es mir wohl auch ein, als wir im ersten Gespräch von der Aktion, von der Leistung, von der Arbeit in der modernen Erkenntnis und vor allem in der Forschung sprachen. F Man könnte das griechische Wort geradezu verwenden, um deutlich zu machen, daß die naturwissenschaftliche Forschung so etwas wie ein Angriff auf die Natur ist, der die Natur gleichwohl zu Wort kommen läßt. ÆAgxibasiÂh, »Herangehen«: Ich könnte mir dieses Wort des Heraklit als Leitwort denken für eine Abhandlung über das Wesen der modernen Wissenschaft.

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G Deshalb zögerte ich jetzt auch, das Wort noch auszusprechen; denn es trifft ganz und gar nicht dasjenige Wesen des Denkens, das wir unterwegs vermuteten. F Denn das Warten ist allerdings beinahe die Gegenbewegung zum Herangehen. G Um nicht zu sagen die Gegenruhe. L Oder einfach die Ruhe. Doch ist es denn entschieden, daß ÆAgxibasiÂh das Herangehen bedeutet? G Wörtlich übersetzt, besagt es: »Nahegehen«. L Wir könnten vielleicht auch denken: »In-die-Nähegehen«. F Sie meinen das ganz wörtlich im Sinne von »In-dieNähe-hinein-sich-einlassen«? L So ungefähr. G Dann wäre dieses Wort doch der Name und vielleicht der schönste Name für das, was wir gefunden haben. L Was wir gleichwohl in seinem Wesen noch suchen. G ÆAgxibasiÂh: »In-die-Nähe-gehen«. Mir scheint jetzt, das Wort könnte eher der Name sein für unseren heutigen Gang auf dem Feldweg. L Der uns tief in die Nacht geleitete…

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F die immer herrlicher heraufglänzt … G und die Sterne überstaunt … L weil sie ihre Fernen am Himmel einander nähert… F wenigstens für den naiven Betrachter, nicht so für den exakten Forscher. L Für das Kind im Menschen bleibt die Nacht die Näherin der Sterne. G Sie fügt zusammen ohne Naht und Saum und Zwirn. F Sie ist die Näherin, weil sie nur mit der Nähe arbeitet. G Falls sie je arbeitet und nicht eher ruht … L indem sie die Tiefen der Höhe erstaunt. G So könnte denn das Staunen das Verschlossene öffnen? F Nach der Art des Wartens … L wenn dies ein gelassenes ist … G und das Menschenwesen dorthin ge-eignet bleibt … L woher wir gerufen sind.

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HINWEISE*

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Die Rede wurde bei der Feier zum 175. Geburtstag des Komponisten Conradin Kreutzer am 30. Oktober 1955 in Meßkirch gehalten.** Die Erörterung ist einem 1944/45 niedergeschriebenen Gespräch zwischen einem Forscher (F), einem Gelehrten (G) und einem Lehrer (L) entnommen.*** Zu der im Gesprächa b genannten Zwiefalt vergleiche die Vorlesungen Was heißt Denken? Niemeyer Verlag Tübingen, 1954.****

a

b

nämlich in dem vorausgehenden, noch nicht veröffentlichten Teil.***** Hinweis v[on] A[ndre´] Pre´au.******

HINWEISE

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HEIDEGGERS NOTIZEN zu Gelassenheit [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar der Erstausgabe von Gelassenheit auf dem Nachsatzblatt folgende Notizen aufgezeichnet. Die Anordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts.] Gelassenheit Bd. Deutscher Predigten * Abgeschlossen gelassen Wer

hat »gelassen ist?«

»sich lassen« Grimm »Wörterbuch« ** Gottheit um der Gottheit willen lassen

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HEIDEGGERS NOTIZEN

HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS zu Gelassenheit [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar der Erstausgabe von Gelassenheit auf S. 74 unterhalb des gedruckten Textes (»Hinweise«) ein Stichwortverzeichnis mit Seitenverweisen notiert, dessen Einträge hier wiedergegeben werden. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung der Erstausgabe, in der vorliegenden Ausgabe ist diese Paginierung in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben.] Ruhe und Bewegung 43 47 Namen 48. Bedingnis und Vergegnis 56 Vergegnis und Vereignung 64 Wesen des Menschen 65/66 50 f.

Gegnet und Gelassenheit

HEIDEGGERS STIC HWO R TVE R Z E I CHN I S

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Editorische Notiz zu »Gelassenheit« In vorliegender Ausgabe wird der Gesamttext der Erstausgabe von Gelassenheit mit den beiden Beiträgen »Gelassenheit« und »Zur Erörterung der Gelassenheit« wiedergegeben: Martin Heidegger, Gelassenheit, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959. Heidegger hielt die Festrede mit dem Titel »Gelassenheit« am 30. Oktober 1955 in Meßkirch anlässlich der Gedenkfeier zum 175. Geburtstag des Komponisten Conradin Kreutzer (1780– 1849). »Zur Erörterung der Gelassenheit« ist ein Bestandteil von Heideggers erstem »Feldweg-Gespräch« in Form eines philosophischen Dialogs. Heidegger hat im Winter 1944/45 kurz vor Kriegsende drei fiktive Gespräche verfasst: »›ÆAgxibasiÂh‹. Ein Gespräch selbdritt auf einem Feldweg zwischen einem Forscher, einem Gelehrten und einem Weisen«; »Der Lehrer trifft den Türmer an der Tür zum Turmaufgang« und »Abendgespräch in einem Kriegsgefangenenlager in Rußland zwischen einem Jüngeren und einem Älteren«. Sie sind erschienen in HGA Bd. 77: Martin Heidegger, Feldweg-Gespräche (1944/45), hrsg. von Ingrid Schüssler, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1995, 2., durchges. Aufl. 2007. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern der vorliegenden Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche von Heideggers Handexemplar. Ab der zweiten Auflage verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 Seiten. 74

EDITORISCHE NOTIZ ZU »GELASSENHEIT«

Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und interne Seitenverweise), die Heidegger in seinem persönlichen Handexemplar der Erstausgabe handschriftlich angebracht hat. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Heideggers Worttrennungen wie »Zu-fall«, »an-gesprochen«, »Gedanken-flucht« oder »gedanken-los« wurden beibehalten. Bei Zeilenumbrüchen wurden die für Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erläuterungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.

EDITORISCHE NOTIZ ZU »GELASSENHEIT«

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HEBEL – DER HAUSFREUND

er ist Johann Peter Hebel? Der gerade Weg, auf dem sich die Frage beantworten ließe, könnte so verlaufen, daß wir uns die Lebensgeschichte dieses Mannes erzählen lassen. Wir hören den Namen Johann Peter Hebel vielleicht noch hie und da in der Volksschule. Wir lernen aus dem Lesebuch einige seiner Gedichte und behalten das eine oder andere ungefähr im Gedächtnis. Wir hören den Namen Johann Peter Hebel auch zuweilen noch beim Lesen dieser oder jener seiner Kalendergeschichten. Es ist gut, den Lebensgang dieses Dichters zu kennen; denn dieser Lebensgang fügte es, daß der in diesem Mann schlummernde dichterische Quell zum Springen kam. Johann Peter Hebel wurde 1760 in Basel geboren, wo die aus Deutschland stammenden Eltern in schweizerischem Dienst standen. Der Vater überlebte die Geburt des kleinen Hanspeter nur um ein Jahr. Mit 13 Jahren verlor der Bub seine Mutter, die in Hausen im Wiesental daheim war. Dieses Tal führt vom Rheinknie bei Basel-Lörrach hinauf in den Schwarzwald bis zum Feldberg, wo die Wiese entspringt, deren Gestalt und Weg Hebel in seinem großen Gedicht »Die Wiese« ersungen hat.* Später besuchte der junge Hebel das Gymnasium in Karlsruhe. Er studierte die Theologie in Erlangen, wurde Vikar im protestantischen Markgräflerland und alsbald Lehrer in Lörrach. Mit 31 Jahren kam Hebel – nunmehr

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als Lehrer – wieder an das Gymnasium nach Karlsruhe, wurde dort Professor und Direktor der Schule und gelangte schließlich zu hohen kirchlichen und politischen Ämtern und Würden, bis er am 22. Sep tember 1826 im Alter von 66 Jahren starb. Über die Hälfte seines Lebens verbrachte Hebel fern der Heimat. Karlsruhe war nämlich für ihn schon Ferne, weil die Nähe des Geburts- und Kindheitslandes unablässig den Wiesentäler auf eine unwiderstehliche Weise durchstimmte und zu sich rief. Die Säfte und Kräfte der heimatlichen Erde und der stämmig-heitere Sinn der dortigen ihm zugeneigten Menschen blieben in Hebels Gemüt und Geist lebendig. Sein einziger Lebenstraum, als Pfarrherr eines Dorfes im Markgräflerland leben und wirken zu dürfen, erfüllte sich indessen nicht. Allein – der Zauber der Heimat hielt Hebel im Bann. Aus der Sehnsucht nach der Heimat entstanden seine »Allemannischen Gedichte«. Sie erschienen im Jahre 1803.* Hebel schreibt in der Vorrede: »Der Dialekt, in welchem diese Gedichte verfaßt sind, mag ihre Benennung rechtfertigen. Er herrscht in dem Winkel des Rheins zwischen dem Fricktal und ehemaligen Sundgau, und weiterhin in mancherlei Abwandlungen bis an die Vogesen und Alpen und über den Schwarzwald hin in einem großen Teil von Schwaben.«

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Wir könnten meinen, Hebels Dichtung sage, weil sie Dialektdichtung sei, nur von einer beschränkten Welt. Man meint überdies, der Dialekt bleibe eine Mißhandlung und Verunstaltung der Hoch- und Schriftsprache. Solches Meinen irrt. Die Mundart ist der geheimnisvolle Quell jeder gewachsenen Sprache**. Aus ihr strömt uns all das zu, was der Sprachgeist in sich birgt.

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Was birgt der Geist einer echten Sprache? Er verwahrt in sich die unscheinbaren, aber tragenden Bezüge zu Gott, zur Welt, zu den Menschen und ihren Werken, ihrem Tun und Lassen. Was der Sprachgeist in sich birgt, ist jenes Hohe, alles Durchwaltende, woraus jeglich Ding dergestalt seine Herkunft hat, daß es gilt und fruchtet. Dieses Hohe und Gültige lebt in der Sprache auf. Aber es stirbt auch mit ihr ab, sobald eine Sprache den Zustrom aus jenem Quell entbehren muß, der die Mundart ist. Johann Peter Hebel wußte dies klar. Darum schreibt er in einem Brief kurz vor dem Erscheinen der »Allemannischen Gedichte«, diese blieben zwar »im Charakter und Gesichtskreis des Völkleins« [gemeint ist das alemannische], seien aber zugleich »edle Dichtung« (Briefe, S. 114)*.a Was ist dies – »edle Dichtung«? Es ist eine Dichtung, die Adel hat, d. h. eine hohe Herkunft aus dem, was in sich das Bleibende ist und dessen spendende Kraft niemals versiegt. Demgemäß ist Johann Peter Hebel kein bloßer Dialektund Heimatdichter. Hebel ist ein weltweiter Dichter. Somit hätten wir denn schon die Antwort auf unsere Frage, wer Johann Peter Hebel sei. Allein, wir haben die Antwort noch nicht. Wir hätten sie nur dann, wenn wir auch schon wüßten, wodurch Hebel der große Dichter wurde, der er ist. Darum fragen wir noch einmal: Wer ist Johann Peter Hebel? Wir nehmen die Antwort auf diese Frage jetzt vorweg, indem wir sagen: Johann Peter Hebel ist der Hausfreund.b

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2. Aufl. I. 121 8. Feb. 1802** vgl. Br[ief] n. 282 Unterschrift. n. 289!***

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Die Antwort klingt zunächst befremdlich, wenn nicht gar unverständlich. Hausfreund – ein schlichter Name, aber ein tief- und weitsinniges Wort. Kraft einer wundersamen Hellhörigkeit hat Hebel den Namen »Haus freund« gefunden und das erregend Mehrdeutige des Namens festgehalten. Hebel wählte diesen Namen für den von ihm herausgegebenen Badischen Landkalender.* Doch zugleich erkannte Hebel in dem Kalendertitel »Hausfreund« das Wort, das seine eigene dichterische Bestimmung nennt. Hebel wurde, wie er 1811 an das »Großherzogliche, Hochpreisliche Ministerium« in Karlsruhe schreibt, durch die »schöne Idee begeistert«, »den Kalender des rheinischen Hausfreundes zur willkommenen wohltätigen Erscheinung und womöglich zum vorzüglichsten Kalender in ganz Deutschland und zum Siegenden in jeder möglichen Konkurrenz zu machen«.** Was Hebel hier über seine schöne Kalenderidee sagt, verdient, daß wir es Wort für Wort bedenken. Der Kalender möchte zu einer Erscheinung werden. Er möchte ständig sichtbar leuchten und das Tägliche der Menschen bescheinen. Der Kalender soll nicht bloß erscheinen wie jede andere Druckschrift auch, die schon verschwunden ist, wenn man sie sieht. Die Erscheinung des Kalenders möchte eine »willkommene« sein: eine frei begrüßte, aber nicht eine, wie damals üblich, von der Obrigkeit den Leuten aufgezwungene. Die Erscheinung des Kalenders möchte eine »wohltätige« sein: von dem Wunsch getragen, Wohl und Wehe der Leser zu fördern und zu lindern. Dabei soll der Kalender auf die »vorzüglichste« Weise über die engen Landesgrenzen hinaus zum ganzen Deutschland sprechen; denn Hebel mißt sein Sagen und Schreiben mit den höchsten Maßstäben. Nur deshalb

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kann er auch die Tragweite einer solchen Erscheinung abschätzen. Schließlich scheut sich Hebel nicht zu gestehen*, daß alles Wesenhafte, was der Mensch zu bilden vermag, ein Geschenk des Sieges im edlen Wettstreit ist – sogar ein Kalender. Heute hat die Illustrierte Zeitung den alten Kalender abgelöst und vernichtet. Jene, die Illustrierte, zerstreut, zersetzt, schlägt Wesentliches und Unwesentliches auf die gleiche einförmige Ebene des Flachen, flüchtig Verfänglichen und auch schon Vergangenen. Dieser, der Kalender, vermochte einst das Bleibende im Unscheinbaren zu zeigen und das wiederholende Lesen und Nachdenken wachzuhalten. Indes hat Hebel der »schönen Idee« seines Kalenders, ohne es zu ahnen, über den heutigen Tag hinaus zu einem Glanz verholfen, der immer neu das Sinnen und die Sinne der Menschen verzaubert. Wie geschah dies? Dadurch, daß Hebel zu dem wurde, der er war: zum Hausfreund. Das schlichte, aber gleichwohl hintergründige Wort Hausfreund ist der Name für den Grundzug von Hebels Dichtertum. Sieht man freilich das Geschäft des Dichters ausschließlich in der Hervorbringung von Gedichten, dann kann man behaupten, Hebel habe nach der Veröffentlichung der »Allemannischen Gedichte« aufgehört zu dichten. Indes sind die Gedichte »Für Freunde ländlicher Natur und Sitten« nur der Beginn seines weltweiten Dichtertums. Dieses wird erst durch die Erzählungen und Betrachtungen des Hebelschen Kalenders edelste deutsche Sprache. Hebel, der in einer hellen Nähe zur Sprache lebte, wußte von diesem Schatz. Er wählte nach eigenem dichterischen Ermessen die schönsten Stücke, die er in den »Kalender des Rheinischen Hausfreundes« gegeben hatte, aus. So schränkte er den Schatz auf das Kostbarste ein, baute ihm ein Schränk-

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lein und schenkte es im Jahre 1811 der ganzen deutschen Sprachwelt als »Schatzkästlein«.a Das Sinnen und Bilden, wodurch das »Schatzkästlein« zu dem Sprachwerk wurde, dem unsere Bewunderung gilt, ist jene dichterische Gebärde, an der wir Hebel als den Hausfreund erkennen. Aber im »Schatzkästlein« sind zugleich die »Allemannischen Gedichte« aufgehoben, nämlich aufgehoben in dem dreifach gestuften Sinne, den einer der großen Zeitgenossen des Dichters, der Denker Georg Wilhelm Friedrich Hegel aus dem Schwabenland, bei dem Wort aufheben denkt. Aufheben heißt einmal: vom Boden aufnehmen, was vorliegt. Diese Art des Aufhebens bleibt jedoch äußerlich, solange sie nicht durch ein Aufheben bestimmt wird, das so viel bedeutet wie: aufbewahren. Allein auch dieses Aufheben empfängt erst Tragkraft und Dauer, wenn es aus einem Aufheben herkommt, das besagt: hinaufheben, verklären, veredeln und dadurch: verwandeln. Auf solche Weise hat Hebel die »Allemannischen Gedichte« in das »Schatzkästlein« aufgehoben. Überall leuchtet aus dem Schatzkästlein der Zauber der Gedichte, ohne daß sie eigens darinliegen. Was wir gewöhnlich sehen von der Welt, von den menschlichen und göttlichen Dingen, wird durch das dichterische Sagen in das Kostbare und in den Überfluß des Geheimnisvollen umgeprägt. Das umprägende Veredeln geschieht durch eine gesteigerte Sprache. Aber die Steigerung geht ins Einfache. Die Sprache ins Einfache steigern, dies heißt: Alles in den milden Glanz des ruhig klingenden Wortes verwandeln. Dieses veredelnde Sagen kennzeichnet das Dichtertum Johann Peter Hebels. a

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vgl. Hebels Brief an Cotta vom 18. Dez. 1809, Briefe n. 278 S. 454 Vgl. Br[ief] n. 279 S. 456 n. 323. über die Widmung des Schatzkästl[eins]. n. 494. S. 687 f. »die alte Grille«.*

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Erst wenn wir dem genügend nachdenken, verstehen wir zugleich hinreichend und nachhaltig, was verdiente Männer wie Emil Strauß, Wilhelm Altwegg und Wilhelm Zentner* bereits erkannt haben – daß nämlich auch die Briefe Hebels mit den »Allemannischen Gedichten« und dem »Schatzkästlein« zur Einheit seines ganzen dichterischen Werkes gehören. Nur der Dichter, der sein eigenes Wesen als das des Hausfreundes zunehmend deutlicher erblickte und entschiedener übernahm, konnte diese Briefe schreiben. Doch wiederum fragen wir: Wer ist dieser, der Hausfreund? Auf welche Weise ist Hebel der Freund und welchem Haus? Zunächst denken wir an die Häuser, darin Land- und Stadtleute wohnen. Heute stellen wir die Häuser gar zu leicht und oft aus einer Not als eine Anordnung von Räumen vor, worin der Alltag des menschlichen Lebens verläuft. Das Haus wird fast zu einem bloßen Behälter für das Wohnen. Allein das Haus wird erst Haus durch das Wohnen. Das Bauen aber, dadurch das Haus erstellt wird, ist das, was es in Wahrheit ist, nur dann, wenn es zum voraus auf das Wohnenlassen gestimmt bleibt, welches Lassen jeweils ursprünglichere Möglichkeiten für das Wohnen weckt und gewährt. Denken wir das Zeitwort wohnen weit und wesentlich genug, dann nennt es uns die Weise, nach der die Menschen auf der Erde unter dem Himmel die Wanderung von der Geburt bis in den Tod vollbringen. Diese Wanderung ist vielgestaltig und reich an Wandlungen. Überall bleibt jedoch die Wanderung der Hauptzug des Wohnens als des menschlichen Aufenthaltes zwischen Erde und Himmel, zwischen Geburt und Tod, zwischen Freude und Schmerz, zwischen Werk und Wort.

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Nennen wir dieses vielfältige Zwischen die Welt, dann ist die Welt das Haus, das die Sterblichen bewohnen. Die einzelnen Häuser dagegen, die Dörfer, die Städte sind jeweils Bauwerke, die in sich und um sich jenes vielfältige Zwischen versammeln. Die Bauwerke holen erst die Erde als die bewohnte Landschaft in die Nähe des Menschen und stellen zugleich die Nähe des nachbarlichen Wohnens unter die Weite des Himmels. Nur insofern der Mensch als der Sterbliche das Haus der Welt bewohnt, steht er in der Bestimmung, den Himmlischen ihr Haus zu bauen und die Wohnstatt für sich selbst. Dem Haus, das die Welt ist, ist der Hausfreund der Freund. Er neigt sich dem ganzen und weiten Wohnen des Menschenwesens zu. Seine Zuneigung ruht jedoch in einer ursprünglichen, aber jederzeit gemäßen Zugehörigkeit zur Welt und ihrem Bau. Darum finden wir im »Schatzkästlein« des Hausfreundes »Betrachtungen über das Weltgebäude«. Mehr noch: Der Hausfreund hat die Betrachtungen nicht zufällig und kunterbunt unter die Erzählungen eingestreut. Er hat den Schatz des Kästleins gut bedacht und schön geordnet. Mehr noch: Das Schatzkästlein beginnt sogar mit den »Allgemeinen Betrachtungen über das Weltgebäude«. Der Freund dieses Hauses führt zuerst »die Erde und die Sonne« vor Augen.* Dem folgt später die Betrachtung über den Mond. Dann leuchten in der Folge zwischen den Erzählungen vom harmlosen und abenteuerlichen, vom rechtschaffenen und listigen Tun und Treiben der Menschen die Sterne auf: zuerst, auf zwei Stellen verteilt, die Planeten, dann die Kometen, zum Beschluß und mit Absicht die Fixsterne. Nun könnte man, und sogar mit einem gewissen Recht, sagen, Hebels Betrachtungen über das Weltgebäude folg-

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ten nur dem Zug seines Zeitalters, das der Aufklärung huldigte. Die Erkenntnisse der heraufkommenden neuzeitlichen Naturwissenschaft ließen sich seinerzeit nicht mehr länger umgehen. Man wollte sie als das bessere Wissen von der Natur den Menschen mitteilen. Diese Feststellung hinsichtlich des Aufklärungszeitalters ist zwar richtig. Allein, sie verkennt durchaus, was Johann Peter Hebel, der Hausfreund*, mit seinen Betrachtungen über das Weltgebäude im Sinn hat. Wonach der Sinn Hebels steht, merken wir erst, wenn wir wissen, wer der eigentliche Hausfreund ist. Das ist, was uns überraschen muß, keineswegs Hebel. Wer denn sonst? Die Antwort gibt uns Hebel selbst, und zwar an einer bezeichnenden Stelle seiner Betrachtungen über das Weltgebäude. Achten wir auf das Eigentümliche dieser Stelle, dann entnehmen wir schon allein hieraus die entscheidende Weisung für den Versuch, das Wesen des Hausfreundes vom Haus der Welt her zu denken. Die fragliche Stelle findet sich am Schluß der Betrachtung über den Mond. Hier heißt es: »Achtens und letztens, was denn eigentlich der Mond am Himmel zu verrichten hat? – Antwort: Was die Erde. So viel ist gewiß: Er erhellt durch sein mildes Licht, welches der Widerschein von seinem Sonnenschein ist, unsere Nächte, und sieht zu, wie die Knaben die Mägdlein küssen. Er ist der eigentliche Hausfreund und erste Kalendermacher unserer Erde, und der oberste Generalnachtwächter, wenn die andern schlafen.« (Betrachtung über das Weltgebäude. Der Mond. I, 326 ff.)** Der eigentliche Hausfreund der Erde ist der Mond. Wer dürfte es wagen, mit wenigen und dabei unvermeidlich zu

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groben Worten das auszusprechen, was hier als das Eigentliche des Hausfreundes ins Bild kommt? Wie der Mond durch sein Scheinen, so bringt der irdische Hausfreund Hebel durch sein Sagen ein Licht, und zwar ein mildes. Der Mond bringt das Licht in unsere Nächte. Aber das Licht, das er bringt, hat er nicht selbst angezündet. Es ist nur der Widerschein, den der Mond zuvor empfangen hat – von seiner Sonne, deren Glanz zugleich die Erde bescheint. Der Widerschein der Sonne, den der Mond gemildert der Erde wiedergibt, ist als dieses Scheinen das dichterische Bild für das Sagen, das dem Hausfreund zugesagt wird, damit er, also erleuchtet, das ihm Zugesagte denen, die mit ihm die Erde bewohnen, wiedersage. In allem, was der Hausfreund sagt, hütet er das Wesenhafte, dem die Menschen als die Wohnenden zugetraut sind, das sie freilich allzu leicht verschlafen. Der Hausfreund ist wie der oberste Generalnachtwächter, der Mond, einer, der wach bleibt in der Nacht. Er wacht über die rechte Ruhe der Wohnenden, achtet auf das Bedrohliche und Störende. Als der erste Kalendermacher zeichnet der Mond den Stundengang der Zeiten vor. So geht das dichterische Sagen den Sterblichen auf ihrem Weg von der Geburt zum Tod voran. Der Hausfreund sieht zu, wie die Knaben die Mägdlein küssen. Sein Zusehen ist wundersam, kein neugieriges Begaffen. Der Hausfreund sieht zu, daß den Liebenden der milde Schein gewährt sei, der mondene, der weder nur irdisch, noch nur himmlisch ist, sondern beides, dies jedoch ursprünglich-ungetrennt. Am Anblick des Mondes läßt uns Hebel das Wesen des Hausfreundes ablesen. Weg und Weile, Haltung und Ge-

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bärde des Hausfreundes sind ein einziges, eigentümlich verhaltenes, zugleich wachendes Scheinen, das alle Dinge in ein mildes, kaum merkliches Licht eingehen läßt. Dem entspricht, was Hebel von sich selber als dem Hausfreund sagt. Dieser legt hier und dort ein »kleines Goldkörnlein« (II, 99) in seine Erzählungen und Betrachtungen. »Denn der rheinländische Hausfreund geht fleißig am Rheinstrom auf und ab, schaut zu manchem Fenster hinein, man sieht ihn nicht; sitzt in manchem Wirtshaus, und man kennt ihn nicht; geht mit manchem braven Mann einen Sabbaterweg oder zwei, wie es trifft, und läßt nicht merken, daß er’s ist.«* So denkt denn der Hausfreund Vieles bei dem, was er seinem geneigten Leser sagt, und läßt doch das Eigentliche ungesagt. Wie es einmal am Schluß einer Kalendergeschichte heißt (II, 164): »Der Hausfreund denkt etwas dabei, aber er sagt’s nicht.« Freilich weiß der Hausfreund auch, wohin sein Sagen spricht, nämlich in den »großen Jahrmarkt der Welt und des Lebens« (II, 172). »Man achtet’s zuerst nicht groß, wie immer einer geht und einer kommt, bis man sich zuletzt unter ganz anderen Leuten befindet als im Anfang.«** Der Hausfreund weiß auch klar, wie wesentlich das Leben der Sterblichen durch das Wort bestimmt und getragen wird. In einem Brief vom September 1808 schreibt Hebel: »Ein großer Theil unsres Lebens ist ein angenehmer oder unangenehmer Irrgang durch Worte und unsre meisten Kriege sind ..... WortKriege.« (Briefe, S. 372).*** Kein Wunder, daß der Hausfreund schwerer, als wir meinen, daran trägt, diesen Wortkrieg durch sein Sagen auf die rechte Weise auszustehen. Hebel schreibt einmal an Justinus Kerner (20. Juli 1817, Briefe, S. 565):

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»Sie wissen was dazu gehört einem bestimmten Publikum das zu sagende so recht in die Wahrheit und Klarheit seines Lebens hinein zu legen« … und, so dürfen wir hinzufügen, dabei »unbeachtet und unbeschrieen« zu bleiben (10. August 1817, Briefe, S. 567). Denn dies ist die Art des Hausfreundes. Den Namen erläutert Hebel um dieselbe Zeit noch einmal, indem er schreibt (an Justinus Kerner, 24. Oktober 1817, Briefe, S. 569), daß man unter diesem Namen »freilich herzliches mit dem Leser spricht und ihm ungenirt Bären anbindet …«* Im unauffälligen Sagen, das sein zu-Sagendes im Ungesagten läßt, fließt das Freundliche des Hausfreundes den Lesern zu. In solchem Sagen findet und behält der Hausfreund eine Zuwendung zum Wohnen der Sterblichen, dadurch er im Haus der Welt einkehrt und dennoch so ihr Gast ist, als sei er es nicht. »Hausfreund« – das ist der weit vorausblickende und zugleich verschleiernde Name für das Wesen dessen, den wir sonst einen Dichter nennen. Der Dichter versammelt die Welt in ein Sagen, dessen Wort ein mild-verhaltenes Scheinen bleibt, worin die Welt so erscheint, als werde sie zum erstenmal erblickt. Der Hausfreund will weder nur belehren noch erziehen. Er läßt den Leser gewähren, damit dieser von sich aus in jene Zuneigung zum Wesenhaften gelange, zu dem sich der Hausfreund vorneigt, um mit uns zu sprechen. Welches Gespräch hat der Freund des Hauses, das die Welt ist, im Sinn? Worüber möchte der Hausfreund zuerst sprechen? Antwort: über das, womit er selbst im »Schatzkästlein« sein Sagen beginnt. Es sind die »Allgemeinen Betrachtungen über das Weltgebäude«. Die Einleitung dazu schließt Hebel mit dem Satz: »Also will jetzt der Hausfreund eine Predigt halten, zu-

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erst über die Erde und über die Sonne, darnach über den Mond, darnach über die Sterne.« Eine Predigt? Allerdings. Doch achten wir gut darauf, wer hier predigt. Der Hausfreund, nicht der Pfarrer. Aber ein Dichter, der predigt, ist ein schlechter Dichter; es sei denn, daß wir das Zeitwort »predigen« nachdenklicher verstehen. Predigen ist das lateinische praedicare. Das heißt: etwas vorsagen, dadurch kundtun, dadurch rühmen und so das zu-Sagende in seinem Glanz erscheinen lassen. Dieses »predigen« ist das Wesen des dichterischen Sagens. Demnach sind Hebels »Betrachtungen über das Weltgebäude« dichterisch. Das ist eine gewagte Behauptung; denn Hebels eigene Absicht und Äußerung scheinen dagegen zu sprechen. Hebel möchte doch mit den genannten Betrachtungen die Leser seines Kalenders zu einem besseren Wissen über das Weltgebäude anleiten, um sie aus ihrer nachlässigen Unwissenheit zu befreien. Die erste Seite des »Schatzkästleins« beginnt mit folgenden Sätzen (I, 264): »Dem geneigten Leser, wenn er zwischen seinen bekannten Bergen und Bäumen daheim sitzt bei den Seinigen, oder bei einem Schöpplein im Adler, so ist’s ihm wohl, und er denkt just nicht weiter. Wenn aber früh die Sonne in ihrer stillen Herrlichkeit aufgeht, so weiß er nicht, wo sie herkommt, und wenn sie abends untergeht, weiß er nicht, wo sie hinzieht, und wo sie die Nacht hindurch ihr Licht verbirgt, und auf welchem geheimen Fußpfad sie die Berge ihres Aufgangs wieder findet. Oder wenn der Mond einmal bleich und mager, ein andermal rund und voll durch die Nacht spaziert, er weiß wieder nicht, wo das herrührt, und wenn er in den Him-

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mel voll Sterne hinaufschaut, einer blinkt schöner und freudiger als der andere, so meint er, sie seien alle wegen seiner da, und weiß doch nicht recht, was sie wollen. Guter Freund, das ist nicht löblich, daß man so etwas alle Tage sieht, und fragt nie, was es bedeutet.«

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Der Hausfreund möchte seine Leser geneigt machen, dem nachzudenken, was sich in den Vorgängen und Zuständen der Natur bekundet, die unsere bewohnte Welt durchwalten. Darum stellt er die Natur seinen Lesern auch so dar, wie sie die »Naturkündiger und Sternseher« der neuzeitlichen Naturwissenschaft, allen voran der »rechtschaffene Kopernikus« vorstellen: nämlich in Zahlen, Figuren und Gesetzen. Wir sagen mit Bedacht: Der Hausfreund zeigt die Natur auch in ihrer wissenschaftlichen Berechenbarkeit. Aber er verliert sich nicht in diese Naturauffassung. Der Hausfreund lenkt zwar den Blick auf die berechenbare Natur, holt jedoch die so vorgestellte Natur zugleich in die Natürlichkeit der Natur zurück. Diese Natürlichkeit der Natur ist in ihrem Wesen, daher auch geschichtlich, um vieles älter als die Natur im Sinne des Gegenstandes der neuzeitlichen Naturwissenschaft. Die Natürlichkeit der Natur entwächst nie unmittelbar der Natur selbst, sie ist vielmehr eigens in dem erblickt, was vormals die alten griechischen Denker die »Physis« nannten: das Auf- und Zurückgehen alles Wesenden in sein An- und Abwesen. Das Natürliche der Natur ist jenes Auf- und Untergehen der Sonne, des Mondes, der Sterne, das die wohnenden Menschen unmittelbar anspricht, indem es ihnen das Geheimnisvolle der Welt zuspricht. Wenngleich in der wissenschaftlichen Aufklärung über das Weltgebäude die Sonne kopernikanisch gedacht wird, bleibt sie doch zugleich innerhalb der natürlichen Na tur nach zwei Gedichten He-

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bels jene »tolli Frau«, von der »alles Liecht und Wärmi ha will«, »die alles um e Segen a-spricht« und die »doch so güetig (blibt) und fründli!« (Das Habermus. I, 104 ff.; Der Sommerabend. I, 78 ff.)* Verwandelt Hebel hier die Sonne in eine Bauersfrau, oder kommt das Einfache einer solchen Frau und alles Menschenwesens erst zum Vorschein, wenn uns die Sonne und die Gestirne der natürlichen Natur mit ihrer stillen Pracht bescheinen? Goethe schreibt zwar in seiner Besprechung der »Allemannischen Gedichte« Hebels: »Der Verfasser verwandelt die Naturgegenstände zu Landleuten und verbauert, auf die naivste, anmutigste Weise, durchaus das Universum; so daß die Landschaft, in der man denn doch den Landmann immer erblickt, mit ihm in unserer erhöhten und erheiterten Phantasie nur eines auszumachen scheint.«** Hebel verbauert das Universum. Dieses Urteil klingt hart und ist doch freundlich gemeint. Es rührt sogar an eine Frage, die gerade das spätere Dichten und Denken Goethes unablässig bewegte. Was ist es denn, was auch wir, und erst recht wir heute, eines inständigen Fragens würdigen müssen? Es ist jenes Fragwürdige, das sich inzwischen ins Unermeßliche und Undurchschaubare gesteigert hat und unser Zeitalter fortreißt, wir wissen nicht wohin. Es ist jenes Fragwürdige, dafür wir heute noch nicht einmal den rechten Namen kennen: daß sich die technisch beherrschbare Natur der Wissenschaft und die natürliche Natur des gewohnten, gleichfalls geschichtlich bestimmten Wohnens des Menschen wie zwei fremde Bezirke gegeneinander absetzen und mit einer ständigen Beschleunigung immer weiter voneinander wegrasen. Es ist jenes Fragwürdige, daß die Berechenbarkeit der

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Natur für den einzigen Schlüssel zum Geheimnis der Welt ausgegeben wird. Es ist jenes Fragwürdige, daß die berechenbare Natur als die vermeintlich wahre Welt alles Sinnen und Trachten des Menschen an sich reißt und das menschliche Vorstellen zu einem bloß rechnenden Denken verändert und verhärtet. Es ist jenes Fragwürdige, daß die natürliche Natur in das Nichtige eines Phantasiegebildes herabsinkt und nicht einmal mehr die Dichter anspricht. Es ist jenes Fragwürdige, daß die Dichtung selbst keine maßgebende Gestalt der Wahrheit mehr zu sein vermag. Dies alles läßt sich auch so sagen: Wir irren heute durch ein Haus der Welt, dem der Hausfreund fehlt, jener nämlich, der in gleicher Weise und Stärke dem technisch ausgebauten Weltgebäude und der Welt als dem Haus für ein ursprünglicheres Wohnen zugeneigt ist. Jener Hausfreund fehlt, der es vermöchte, die Berechenbarkeit und Technik der Natur in das offene Geheimnis einer neu erfahrenen Natürlichkeit der Natur zurückzubergen. Dieser Hausfreund verbauert allerdings das Universum. Aber dieses Verbauern hat die Art jenes Bauens, das auf ein ursprünglicheres Wohnen des Menschen hinausdenkt. Dafür braucht es Bauende, die wissen, daß der Mensch durch die Atomenergie nicht leben, sondern höchstens umkommen, d. h., sein Wesen verlieren muß, auch dann, wenn die Atomenergie nur zu friedlichen Zwecken genutzt wird und diese Zwek ke für alle Zielsetzung und Bestimmung des Menschen allein maßgebend bleiben. Dem gegenüber bedenken die eigentlich Bauenden, daß das bloße Leben, das man lebt, noch kein Wohnen ist. Denn der Mensch »wohnet«, wenn er wohnt, nach dem Wort Hölderlins »dichterisch … auf dieser Erde«.* Johann Peter Hebel ist Dichter in der Gestalt des Haus-

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freundes. Wir Heutigen können freilich nicht mehr in die von Hebel vor anderthalb Jahrhunderten erfahrene Welt zurück, weder in das unversehrte Ländliche jener Zeit, noch zu ihrem beschränkten Wissen von der Natur. Aber wir können darauf merken, daß und wie das Dichterische des menschlichen Wohnens den Dichter braucht, der in einem hohen und weiten Sinne der Freund ist: dem Haus der Welt. Wir können vorausblicken auf das, wohin Johann Peter Hebel winkt, wenn er den Dichter als den Hausfreund denkt, der das Haus der Welt für das Wohnen der Menschen zur Sprache bringt. »Zur Sprache bringen« – wir gebrauchen diese Wendung gewöhnlich, um auszudrücken, etwas werde zur Diskussion gestellt und verhandelt. Wenn wir jedoch die Wendung »zur Sprache bringen« bedachtsam nach dem Gewicht ihrer Worte denken, gewinnt sie einen tieferen Sinn. Dann heißt »zur Sprache bringen«: vormals Ungesprochenes, nie Gesagtes allererst ins Wort heben und bislang Verborgenes durch das Sagen erscheinen lassen. Bedenken wir das Sagen nach dieser Hinsicht, dann zeigt sich: Die Sprache birgt den Schatz alles Wesenhaften in sich. Was in Johann Peter Hebels »Schatzkästlein« verborgen ist, haben bis heute nur wenige schon ganz ermessen. Die deutsche Schriftsprache, in der Hebels Betrachtungen und Erzählungen sprechen, ist die einfachste, hellste, zugleich bezauberndste und besinnlichste, die je geschrieben wurde. Die Sprache des Hebelschen Schatzkästleins bleibt die hohe Schule für jeden, der sich anschickt, maßgebend in dieser Sprache zu reden und zu schreiben. Worin liegt das Geheimnis der Sprache Hebels? Nicht in einem gekünstelten Stilwillen, auch nicht in der Absicht,

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möglichst volkstümlich zu schreiben. Das Ge heimnis der Sprache des Schatzkästleins ruht darin, daß Hebel es vermochte, die Sprache der alemannischen Mundart der Hochund Schriftsprache einzuverleiben. Auf diese Weise läßt der Dichter die Schriftsprache als reines Echo des Reichtums der Mundart erklingen. Hören wir noch die Sprache des Schatzkästleins? Geht uns denn überhaupt unsere Sprache noch so an, daß wir auf sie hören? Oder schwindet uns die eigene Sprache weg? In der Tat. Das einst Gesprochene unserer Sprache, ihr unerschöpfliches Altertum, versinkt mehr und mehr in einer Vergessenheit. Was geschieht hier? Wann immer und wie immer der Mensch spricht, er spricht nur, indem er zuvor schon auf die Sprache hört. Dabei ist auch das Überhören der Sprache noch eine Art des Hörens. Der Mensch spricht aus jener Sprache heraus, der sein Wesen zugesprochen ist. Wir nennen diese Sprache: die Muttersprache. Im Blick auf die geschichtlich gewachsene Sprache – daß sie Muttersprache ist – dürfen wir sagen: Eigentlich spricht die Sprache, nicht der Mensch. Der Mensch spricht erst, insofern er jeweils der Sprache ent-spricht. Im gegenwärtigen Zeitalter bringt sich aber zufolge der Hast und Gewöhnlichkeit des alltäglichen Redens und Schreibens ein anderes Verhältnis zur Sprache immer entschiedener in die Vorherrschaft. Wir meinen nämlich, auch die Sprache sei nur, wie alles Tägliche sonst, womit wir umgehen, ein Instrument, und zwar das Instrument der Verständigung und der Information. Diese Vorstellung von der Sprache ist uns so geläufig, daß wir ihre unheimliche Macht kaum bemerken. Inzwischen kommt jedoch dieses Unheimliche deutlicher ans Licht. Die Vorstellung von der Sprache als einem Instru-

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ment der Information drängt heute ins Äußerste. Man hat zwar eine Kenntnis von diesem Vorgang, bedenkt aber nicht seinen Sinn. Man weiß, daß jetzt im Zusammenhang mit der Konstruktion des Elektronenhirns nicht nur Rechenmaschinen, sondern auch Denk- und Übersetzungsmaschinen gebaut werden. Alles Rechnen im engeren und weiteren Sinne, alles Denken und Übersetzen bewegt sich jedoch im Element der Sprache. Durch die genannten Maschinen hat sich die Sprachmaschine verwirklicht. Die Sprachmaschine im Sinne der technischen Anlage von Rechen- und Übersetzungsmaschinen ist etwas anderes als die Sprechmaschine. Diese kennen wir in der Form einer Apparatur, die unser Sprechen aufnimmt und wiedergibt, die somit in das Sprechen der Sprache noch nicht eingreift. Dagegen regelt und bemißt die Sprachmaschine von ihren maschinellen Energien und Funktionen her bereits die Art unseres möglichen Gebrauches der Sprache. Die Sprachmaschine ist – und wird vor allem erst noch – eine Weise, wie die moderne Technik über die Art und die Welt der Sprache als solcher verfügt. Inzwischen erhält sich vordergründig immer noch der Anschein, als meistere der Mensch die Sprachmaschine. Aber die Wahrheit dürfte sein, daß die Sprachmaschine die Sprache in Betrieb nimmt und so das Wesen des Menschen meistert. Das Verhältnis des Menschen zur Sprache ist in einer Wandlung begriffen, deren Tragweite wir noch nicht ermessen. Der Verlauf dieser Wandlung läßt sich auch nicht unmittelbar aufhalten. Er geht überdies in der größten Stille vor sich. Zwar müssen wir zugeben, daß die Sprache im Alltag wie ein Mittel der Verständigung erscheint und als dieses

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Mittel für die gewöhnlichen Verhältnisse des Lebens benutzt wird. Allein es gibt noch andere Verhältnisse als die gewöhnlichen. Goethe nennt diese anderen Verhältnisse die »tiefern« und sagt von der Sprache: »Im gemeinen Leben kommen wir mit der Sprache notdürftig fort, weil wir nur oberflächliche Verhältnisse bezeichnen. Sobald von tiefern Verhältnissen die Rede ist, tritt sogleich eine andere Sprache ein, die poetische.« (Werke. 2. Abt. Bd. 11. Weimar 1893, S. 167.)* Diese tieferen Verhältnisse des menschlichen Daseins nennt Johann Peter Hebel, wenn er einmal schreibt: »Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Äther blühen und Früchte tragen zu können.« (III, S. 314.)**

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Die Erde – dieses Wort nennt in Hebels Satz alles das, was uns als Sichtbares, Hörbares, Fühlbares trägt und umgibt, befeuert und beruhigt: das Sinnliche. Der Äther (der Himmel) – dieses Wort nennt in Hebels Satz alles das, was wir vernehmen, aber nicht mit den Sinnesorganen: das Nicht-Sinnliche, den Sinn, den Geist. Weg und Steg aber zwischen der Tiefe des vollkommen Sinnlichen und der Höhe des kühnsten Geistes ist die Sprache. Inwiefern? Das Wort der Sprache tönt und läutet im Wortlaut, lichtet sich und leuchtet im Schriftbild. Laut und Schrift sind zwar Sinnliches, aber Sinnliches, darin je und je ein Sinn verlautet und erscheint. Das Wort durchmißt als der sinnliche Sinn die Weite des Spielraums zwischen Erde

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und Himmel. Die Sprache hält den Bereich offen, in dem der Mensch auf der Erde unter dem Himmel das Haus der Welt bewohnt. Johann Peter Hebel, der Dichter, wandert hellen Sinnes auf den Wegen und Stegen, als welche wir die Sprache erfahren können. Wir können es, wenn wir die Freundschaft suchen mit dem Freund, der als Dichter selbst Freund ist dem Haus der Welt – mit Johann Peter Hebel: dem Hausfreund.

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HEIDEGGERS NOTIZEN zu Hebel – Der Hausfreund [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar ein Notizblatt eingelegt, dessen Wortlaut hier wiedergegeben wird.] »Hausfreund« in Calendermann umgetauft. Brief an Justinus Kerner n. 417, S. 618*

»Der Hausfreund«, der selber kein »Haus« hatte. Brief an Hitz[ig], n. 315, S. 499** Wer bin ich, o Herr, und wo ist mein Haus? Ich habe keines.–***

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HEIDEGGERS NOTIZEN

HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS zu Hebel – Der Hausfreund [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar auf dem Nachsatzblatt ein Stichwortverzeichnis mit Seitenverweisen notiert, dessen Wortlaut hier wiedergegeben wird. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung der Erstausgabe, in der vorliegenden Ausgabe ist diese Paginierung in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben.] »das Fragwürdige« S. 30 ff. Die Sprache 33 ff.

HEIDEGGERS STIC HWO R TVE R Z E I CHN I S

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Editorische Notiz zu »Hebel – der Hausfreund« Hebel – der Hausfreund erschien erstmals 1957 im Verlag Günther Neske. Der Text ist eine umgearbeitete und erweiterte Fassung von Martin Heideggers »Rede auf Hebel«, die er zur Eröffnung des Hebeltages 1956 in der Stadthalle Lörrach gehalten hat. Sie wurde auszugsweise abgedruckt am 20. Mai 1956 in der Sonntagsbeilage der National Zeitung Basel Nr. 228. Vollständig abgedruckt in: »Martin Heidegger, ›Gespräch mit Hebel‹ beim ›Schatzkästlein‹ zum Hebeltag 1956«, in: Schriftenreihe des Hebelbundes, Nr. 4, Lörrach, 1956, S. 5 – 15. Auch veröffentlicht in: Hebeldank. Bekenntnis zum alemannischen Geist in sieben Reden beim »Schatzkästlein«, hrsg. von Hanns Uhl, Freiburg i. Br., Rombach, 1964, S. 51 – 64. Später in: Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1983 (HGA 13), S. 133 – 150, siehe dort auch »Für das Langenharder Hebelbuch«, S. 117 – 118; »Die Sprache Johann Peter Hebels«, S. 123– 125; »Sprache und Heimat«, S. 155–180. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern der vorliegenden Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe: Martin Heidegger, Hebel – Der Hausfreund, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. Diese Seitenzahlen entsprechen auch denen des hier verwendeten Handexemplars der zweiten Auflage von 1958. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Sei-

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EDITORISCHE NOTIZ

tenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 9 Seiten. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen und Ergänzungen), die Heidegger handschriftlich in dem hier zugrunde gelegten, persönlichen Handexemplar der zweiten Auflage 1958 notiert hat. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.

EDITORISCHE NOTIZ

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Weg und Waage, Steg und Sage finden sich in einen Gang.

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Geh und trage Fehl und Frage deinen einen Pfad entlang.

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Wenn das frühe Morgenlicht still über den Bergen wächst ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Die Verdüsterung der Welt erreicht nie das Licht des Seyns.

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Wir kommen für die Götter zu spät* und zu früh für das Seyn. Dessen angefangenes Gedicht ist der Mensch.

Auf einen Stern zugehen, nur dieses.**

Denken ist die Einschränkung auf einen Gedanken, der einst wie ein Stern am Himmel der Welt stehen bleibt.

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Wenn das Windrädchen vor dem Hüttenfenster im aufziehenden Gewittersturm singt ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Stammt der Mut des Denkens aus der Zumutung des Seyns, dann gedeiht die Sprache des Geschicks.

Sobald wir die Sache vor den Augen und im Herzen das Gehör auf das Wort haben, glückt das Denken.

Wenige sind erfahren genug im Unterschied zwischen einem gelehrten Gegenstand und einer gedachten Sache.*

Gäbe es im Denken schon Widersacher und nicht bloße Gegner, dann stünde es um die Sache des Denkens günstiger.

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Wenn unter aufgerissenem Regenhimmel plötzlich ein Sonnenschein über das Düstere der Matten gleitet ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Wir kommen nie zu Gedanken. Sie kommen zu uns.

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Das ist die schickliche Stunde des Gesprächs.

Es erheitert zur geselligen Besinnung. Diese kehrt weder das gegenstrebige Meinen hervor, noch duldet sie das nachgiebige Zustimmen. Das Denken bleibt hart am Wind der Sache.

Aus solcher Geselligkeit erstünden einige vielleicht zu Gesellen im Handwerk des Denkens. Damit unvermutet einer aus ihnen Meister werde.

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Wenn im Vorsommer vereinzelte Narzissen verborgen in der Wiese blühen und die Bergrose unter dem Ahorn leuchtet ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Die Pracht des Schlichten.

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Erst Gebild wahrt Gesicht. Doch Gebild ruht im Gedicht.

Wen könnte, solang er die Traurigkeit meiden will, je die Ermunterung durchwehen?

Der Schmerz verschenkt seine Heilkraft dort, wo wir sie nicht vermuten.

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Wenn der Wind, rasch umsetzend, im Gebälk der Hütte murrt und das Wetter verdrießlich werden will ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Drei Gefahren drohen dem Denken.

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Die gute und darum heilsame Gefahr ist die Nachbarschaft des singenden Dichters.

Die böse und darum schärfste Gefahr ist das Denken selber. Es muß gegen sich selbst denken, was es nur selten vermag.

Die schlechte und darum wirre Gefahr ist das Philosophieren.

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Wenn am Sommertag der Falter sich auf die Blume niederläßt und, die Flügel geschlossen, mit ihr im Wiesenwind schwingt ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Aller Mut des Gemüts ist der Widerklang auf die Anmutung des Seyns, die unser Denken in das Spiel der Welt versammelt.

Im Denken wird jeglich Ding einsam und langsam.

In der Langmut gedeiht Großmut.

Wer groß denkt, muß groß irren.*

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Wenn der Bergbach in der Stille der Nächte von seinen Stürzen über die Felsblöcke erzählt ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Das Älteste des Alten kommt in unserem Denken hinter uns her und doch auf uns zu.

Darum hält sich das Denken an die Ankunft des Gewesenen und ist Andenken.

Alt sein heißt: rechtzeitig dort innehalten, wo der einzige Gedanke eines Denkweges in sein Gefüge eingeschwungen ist.

Den Schritt zurück aus der Philosophie in das Denken des Seyns dürfen wir wagen, sobald wir in der Herkunft des Denkens heimisch geworden sind.

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Wenn in den Winternächten Schneestürme an der Hütte zerren und eines Morgens die Landschaft in ihr Verschneites gestillt ist ....

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Die Sage des Denkens wäre erst dadurch in ihr Wesen beruhigt, daß sie unvermögend würde, jenes zu sagen, was ungesprochen bleiben muß.

Solches Unvermögen brächte das Denken vor die Sache.*

Nie ist das Gesprochene und in keiner Sprache das Gesagte.

Daß je und jäh ein Denken ist, wessen Erstaunen möchte dies ausloten?

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Wenn es von den Hängen des Hochtales, darüber langsam die Herden ziehen, glockt und glockt ....

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Der Dichtungscharakter des Denkens ist noch verhüllt.

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Wo er sich zeigt, gleicht er für lange Zeit der Utopie eines halbpoetischen Verstandes.

Aber das denkende Dichten ist in der Wahrheit die Topologie des Seyns.

Sie sagt diesem die Ortschaft seines Wesens.

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Wenn das Abendlicht, irgendwo im Wald einfallend, die Stämme umgoldet ....*

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Singen und Denken sind die nachbarlichen Stämme des Dichtens.

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Sie entwachsen dem Seyn und reichen in seine Wahrheit.

Ihr Verhältnis gibt zu denken, was Hölderlin von den Bäumen des Waldes singt:

»Und unbekannt einander bleiben sich, solang sie stehn, die nachbarlichen Stämme.«*

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Wälder lagern Bäche stürzen Felsen dauern Regen rinnt.

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Fluren warten Brunnen quellen Winde wohnen Segen sinnt.

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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS

Geschrieben im Jahre 1947

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Editorische Notiz zu »Aus der Erfahrung des Denkens« Aus der Erfahrung des Denkens erschien 1947 zunächst als Privatdruck in 50 nummerierten Exemplaren (Druckerei Benteli AG, Bern-Bümplitz). Diese Ausgabe hat Heidegger als Handexemplar verwendet. Die Ausgabe, die 1954 im Verlag Günther Neske erschien und deren Text die Grundlage für die vorliegende Ausgabe bildet, enthält auf der letzten Seite den Zusatz Geschrieben im Jahre 1947 und wurde von Heidegger um insgesamt vier Strophen (»Winke«)* erweitert, von denen die ersten zwei den Textbeginn markieren (S. 5 der Neske-Ausgabe) und die letzten zwei das Textende (S. 27 der Neske-Ausgabe). In Heideggers Vortrag »Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der Provinz?« (1933) findet sich eine Überlegung, die dieses »poetische Verfahren« näher erläutert: »Wenn in tiefer Winternacht ein wilder Schneesturm mit seinen Stößen um die Hütte rast und alles verhängt und verhüllt, dann ist die hohe Zeit der Philosophie. Ihr Fragen muß dann einfach und wesentlich werden. Die Durcharbeitung jedes Gedankens kann nicht anders denn hart und scharf sein. Die Mühe der sprachlichen Prägung ist wie der Widerstand der ragenden Tannen gegen den Sturm.«** Das Handexemplar enthält auf der ersten Seite in gedruckter Form den Zusatz »Unter den hohen Tannen hindurch«. Auf dieser Seite hat Heidegger handschriftlich Seitenangaben zur Korrektur von Druckfehlern notiert. Diese

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EDITORISCHE NOTIZ

Korrekturen wurden in der Neske-Ausgabe von 1954 übernommen. Hinzu kommt auf derselben Seite ein handschriftlicher Zusatz: »Ein Vierteljahrhundert Stille und Sturm der Hütte«.* Die im Handexemplar recte gesetzten Texte befinden sich in der Neske-Ausgabe jeweils auf der linken Seite; die kursiv gesetzten auf der rechten Seite. Die Verszeilen der linken Seite enden im Handexemplar mit drei Punkten; in der Neske-Ausgabe mit vier. Das Zeilenende auf der linken Seite definiert den Zeilenbeginn auf der rechten Seite, so dass die erste Zeile rechts auf der Höhe der letzten Zeile links beginnt. Dies ist bewusst so angelegt, da die Texte auf der linken Seite Stimmungen evozieren, aus denen die in den Texten auf der rechten Seite kommunizierten Denkerfahrungen hervorgehen. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern der vorliegenden Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Neske-Ausgabe: Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954. Textvarianten hinsichtlich der HeideggerGesamtausgabe (HGA 13, S. 75 – 86) werden in den Editorischen Anmerkungen ausgewiesen. Mittelstriche als Zeichen für Seitenwechsel der Erstausgabe wurden nicht eigens gekennzeichnet, da jede Texteinheit auf einer neuen Seite beginnt. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 9 Seiten. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.

EDITORISCHE NOTIZ

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DIE TECHNIK UND DIE KEHRE

VORBEMERKUNG

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nter dem Titel »Einblick in das was ist« hielt der Verfasser am 1. Dezember 1949 im Club zu Bremen vier Vorträge, die im Frühjahr 1950 (25. und 26. März) auf Bühlerhöhe unverändert wiederholt wurden. Die Titel lauteten: Das Ding. Das Gestell. Die Gefahr. Die Kehre.* Der erste Vortrag wurde in erweiterter Fassung am 6. Juni 1950 in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gehalten. (Siehe: Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 163 ff.)**. Der zweite Vortrag wurde am 18. November 1953*** in der von der genannten Akademie veranstalteten Reihe »Die Künste im technischen Zeitalter« unter dem Titel »Die Frage nach der Technik« gleichfalls in erweiterter Fassung gehalten. (Siehe: Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 9 ff.)****. Die vorliegende Schrift gibt diesen Text unverändert wieder. Der dritte Vortrag bleibt noch unveröffentlicht.a Der vierte Vortrag »Die Kehre« wird hier nach der ersten Fassung unverändert zum erstenmal veröffentlicht.

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[1962, S. 7] vgl. Se´minaire du Thor 1969*****

VORBEMERKUNG

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m folgenden fragen wir nach der Technik. Das Fragen baut an einem Weg. Darum ist es ratsam, vor allem auf den Weg zu achten und nicht an einzelnen Sätzen und Titeln hängenzubleiben. Der Weg ist ein Weg des Denkens. Alle Denkwege führen, mehr oder weniger vernehmbar, auf eine ungewöhnliche Weise durch die Sprache. Wir fragen nach der Technik und möchten dadurch eine freie Beziehung zu ihr vorbereiten. Frei ist die Beziehung, wenn sie unser Dasein dem Wesen der Technik öffnet.a Entsprechen wir diesem, dann vermögen wir es, das Technische in seiner Begrenzung zu erfahren. Die Technik ist nicht das gleiche wie das Wesen der Technik. Wenn wir das Wesen des Baumes suchen, müssen wir gewahr werden, daß jenes, was jeden Baum als Baum durchwaltet, nicht selber ein Baum ist, der sich zwischen den übrigen Bäumen antreffen läßt. So ist denn auch das Wesen der Technik ganz und gar nichts Technisches. Wir erfahren darum niemals unsere Beziehung zum Wesen der Technik, solange wir nur das Technische vorstellen und betreiben, uns damit abfinden oder ihm ausweichen. Überall bleiben wir unfrei an die Technik gekettet, ob wir sie leidenschaftlich bejahen oder verneinen. Am ärgsten sind wir jedoch der Technik aus-

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[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 13] vgl. 116

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geliefert, wenn wir sie als etwas Neutrales betrachten; denn diese Vorstellung, der man heute besonders gern huldigt, macht uns vollends blind gegen das Wesen der Technik. Als das Wesen von etwas gilt nach alter Lehre jenes, was etwas ist. Wir fragen nach der Technik, wenn wir fragen, was sie sei. Jedermann kennt die beiden Aussagen, die unsere Frage beant worten. Die eine sagt: Technik ist ein Mittel für Zwecke. Die andere sagt: Technik ist ein Tun des Menschen. Beide Bestimmungen der Technik gehören zusammen. Denn Zweckea setzen, die Mittel dafür beschaffen und benützen, ist ein menschliches Tun. Zu dem, was die Technik ist, gehört das Verfertigen und Benützen von Zeug, Gerät und Maschinen, gehört dieses Verfertigte und Benützte selbst, gehören die Bedürfnisseb c und Zwecke, denen sie dienen. Das Ganze dieser Einrichtungen ist die Technik. Sie selber ist eine Einrichtung, lateinisch gesagt: ein instrumentumd. Die gängige Vorstellung von der Technik, wonach sie ein Mittel ist und ein menschliches Tun, kann deshalb die instrumentale und anthropologische Bestimmung der Technik heißen. Wer wollte leugnen, daß sie richtig sei? Sie richtet sich offenkundig nach dem, was man vor Augen hat, wenn man von Technik spricht. Die instrumentale Bestimmung der Technik ist sogar so unheimlich richtig, daß sie auch noch für die moderne Technik zutrifft, von der man sonst mit einem gewissen Recht behauptet, sie sei gegenüber der älteren handwerklichen Technik etwas durchaus Anderes a b

c d

[1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] 〈Denn〉 – 〈Zwecke〉 [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] (Wirtschaft – Bedarfsdeckung Konsum –) – Industrie. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] das erhöhte Konsumpotential [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] 〈instrumentum〉

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und darum Neues. Auch das Kraftwerk ist mit seinen Turbinen und Generatoren ein von Menschen gefertigtes Mittel zu einem von Menschen gesetzten Zweck. Auch das Raketenflugzeug, auch die Hochfrequenzmaschine sind Mittel zu Zwecken. Natürlich ist eine Radarstation weniger einfach als eine Wetterfahne. Natürlich bedarf die Verfertigung einer Hochfrequenzmaschine des Ineinandergreifens verschiedener Arbeitsgänge der technisch-industriellen Produktion. Natürlich ist eine Sägemühle in einem verlorenen Schwarzwaldtal ein primitives Mittel im Vergleich zum Wasserkraftwerk im Rheinstrom. Es bleibt richtig: auch die moderne Technik ist ein Mittel zu Zwecken. Darum bestimmt die instrumentale Vorstellung von der Technik jede Bemühung, den Menschen in den rechten Be zug zur Technik zu bringen. Alles liegt daran, die Technik als Mittel in der gemäßen Weise zu handhaben. Man will, wie es heißt, die Technik »geistig in die Hand bekommen«. Man will sie meistern. Das Meistern-wollen wird um so dringlicher, je mehr die Technik der Herrschaft des Menschen zu entgleiten droht. Gesetzt nun aber, die Technik sei kein bloßes Mittel, wie steht es dann mit dem Willen, sie zu meistern? Allein, wir sagten doch, die instrumentale Bestimmung der Technik sei richtig. Gewiß. Das Richtige stellt an dem, was vorliegt, jedesmal irgend etwas Zutreffendes fest. Die Feststellung braucht jedoch, um richtig zu sein, das Vorliegende keineswegs in seinem Wesen zu enthüllen. Nur dort, wo solches Enthüllen geschieht, ereignet sich das Wahre. Darum ist das bloß Richtige noch nicht das Wahre. Erst dieses bringt uns in ein freies Verhältnis zu dem, was uns aus seinem Wesen her angeht. Die richtige instrumentale Bestimmung der Technik zeigt uns demnach noch nicht ihr Wesen. Damit wir zu diesem oder wenigstens in seine Nähe gelangen,

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müssen wir durch das Richtige hindurch das Wahre suchen. Wir müssen fragen: was ist das Instrumentale selbst? Wohin gehört dergleichen wie ein Mittel und ein Zweck? Ein Mittel ist solches, wodurch etwas bewirkt und so erreicht wird. Was eine Wirkung zur Folge hat, nennt man Ursache. Doch nicht nur jenes, mittels dessen ein anderes bewirkt wird, ist Ursache. Auch der Zweck, demgemäß die Art der Mittel sich bestimmt, gilt als Ursache. Wo Zwecke verfolgt, Mittel verwendet werden, wo das Instrumentale herrscht, da waltet Ursächlichkeit, Kausalität. Seit Jahrhunderten lehrt die Philosophie, es gäbe vier Ursachen: 1. die causa materialis, das Material, der Stoff, woraus z. B. eine silberne Schale verfertigt wird; 2. die causa formalis, die Form, die Gestalt, in die das Material eingeht; 3. die causa finalis, der Zweck, z. B. der Opferdienst, durch den die benötigte Schale nach Form und Stoff bestimmt wird; 4. die causa efficiens, die den Effekt, die fertige wirkliche Schale erwirkt, der Silber schmied. Was die Technik, als Mittel vorgestellt, ist, enthüllt sich, wenn wir das Instrumentale auf die vierfache Kausalität zurückführen. Wie aber, wenn sich die Kausalität ihrerseits in dem, was sie ist, ins Dunkel hüllt? Zwar tut man seit Jahrhunderten so, als sei die Lehre von den vier Ursachen wie eine sonnenklare Wahrheit vom Himmel gefallen. Indessen dürfte es an der Zeit sein zu fragen: weshalb gibt es gerade vier Ursachen? Was heißt in Bezug auf die genannten vier eigentlich »Ursache«? Woher bestimmt sich der Ursachecharakter der vier Ursachen so einheitlich, daß sie zusammengehören? Solange wir uns auf diese Fragen nicht einlassen, bleibt die Kausalität und mit ihr das Instrumentale und mit diesem die gängige Bestimmung der Technik dunkel und grundlos.

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Man pflegt seit langem die Ursache als das Bewirkende vorzustellen. Wirken heißt dabei: Erzielen von Erfolgen, Effekten. Die causa efficiens, die eine der vier Ursachen, bestimmt in maßgebender Weise alle Kausalität. Das geht so weit, daß man die causa finalis, die Finalität, überhaupt nicht mehr zur Kausalität rechnet. Causa, casus, gehört zum Zeitwort cadere, fallen, und bedeutet dasjenige, was bewirkt, daß etwas im Erfolg so oder so ausfällt. Die Lehre von den vier Ursachen geht auf Aristoteles zurück. Im Bereich des griechischen Denkens und für dieses hat jedoch alles, was die nachkommenden Zeitalter bei den Griechen unter der Vorstellung und dem Titel »Kausalität« suchen, schlechthin nichts mit dem Wirken und Bewirken zu tun. Was wir Ursache, die Römer causa nennen, heißt bei den Griechen aiÍtion, das, was ein anderes verschuldet. Die vier Ursachen sind die unter sich zusammengehörigen Weisen des Verschuldens. Ein Beispiel kann dies erläutern. Das Silber ist das, woraus die Silberschale verfertigt ist. Es ist als dieser Stoff (yÏlh) mitschuld an der Schale. Diese schuldet, d. h. verdankt dem Silber das, woraus sie besteht. Aber das Opfer gerät bleibt nicht nur an das Silber verschuldet. Als Schale erscheint das an das Silber Verschuldete im Aussehen von Schale und nicht in demjenigen von Spange oder Ring. Das Opfergerät ist so zugleich an das Aussehen (ekdow) von Schalenhaftem verschuldet. Das Silber, worein das Aussehen als Schale eingelassen ist, das Aussehen, worin das Silberne erscheint, sind beide auf ihre Weise mitschuld am Opfergerät. Schuld an ihm bleibt jedoch vor allem ein Drittes. Es ist jenes, was zum voraus die Schale in den Bereich der Weihe und des Spendens eingrenzt. Dadurch wird sie als Opfergerät umgrenzt. Das Umgrenzende beendet das Ding. Mit diesem Ende hört das Ding nicht auf, sondern aus ihm her

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beginnt es als das, was es nach der Herstellung sein wird. Das Beendende, Vollendende in diesem Sinne heißt griechisch teÂlow, was man allzuhäufig durch »Ziel« und »Zweck« übersetzt und so mißdeutet. Das teÂlow verschuldet, was als Stoff und was als Aussehen das Opfergerät mitverschuldet. Schließlich ist ein Viertes mitschuld am Vor- und Bereitliegen des fertigen Opfergerätes: der Silberschmied; aber keineswegs dadurch, daß er wirkend die fertige Opferschale als den Effekt eines Machens bewirkt, nicht als causa efficiens. Die Lehre des Aristoteles kennt weder die mit diesem Titel genannte Ursache, noch gebraucht sie einen entsprechenden griechischen Namen. Der Silberschmied überlegt sich und versammelt die drei genannten Weisen des Verschuldens. Überlegen heißt griechisch leÂgein, loÂgow. Es beruht im aÆpofaiÂnesûai, zum Vorschein bringen. Der Silberschmied ist mitschuld als das, von wo her das Vorbringen und das Aufsichberuhen der Opferschale ihren ersten Ausgang nehmen und behalten. Die drei zuvor genannten Weisen des Verschuldens verdanken der Überlegung des Silberschmieds, daß sie und wie sie für das Hervorbringen der Opferschale zum Vorschein und ins Spiel kommen. In dem vor- und bereitliegenden Opfergerät walten somit vier Weisen des Verschuldens. Sie sind unter sich verschieden und gehören doch zusammen. Was einigt sie im voraus? Worin spielt das Zusammenspiel der vier Weisen des Verschuldens? Woher stammt die Einheit der vier Ursachen? Was meint denn, griechisch gedacht, dieses Verschulden? Wir Heutigen sind zu leicht geneigt, das Verschulden entweder moralisch als Verfehlung zu verstehen oder aber

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als eine Art des Wirkens zu deuten. In beiden Fällen versperren wir uns den Weg zum anfänglichen Sinn dessen, was man später Kausalität nennt. Solange sich dieser Weg nicht öffnet, erblicken wir auch nicht, was das Instrumentale, das im Kausalen beruht, eigentlich ist. Um uns vor den genannten Mißdeutungen des Verschuldens zu schützen, verdeutlichen wir seine vier Weisen aus dem her, was sie verschulden. Nach dem Beispiel verschulden sie das Vor- und Bereitliegen der Silberschale als Opfergerät. Vorliegen und Bereitliegen (yëpokeosûai) kennzeichnen* das Anwesen eines Anwesenden. Die vier Weisen des Verschuldens bringen etwas ins Erscheinen. Sie lassen es in das An-wesen vorkommen. Sie lassen es dahin los und lassen es so an, nämlich in seine vollendete Ankunft. Das Verschulden hat den Grundzug dieses An-lassens in die Ankunft. Im Sinne solchen Anlassens ist das Verschulden das Ver-an-lassen. Aus dem Blick auf das, was die Griechen im Verschulden, in der aiÆtiÂa, erfuhren, geben wir dem Wort »ver-an-lassen« jetzt einen weiteren Sinn, so daß dieses Wort das Wesen der griechisch gedachten Kausalität benennt. Die geläufige und engere Bedeutung des Wortes »Veranlassung« besagt dagegen nur soviel wie Anstoß und Auslösung und meint eine Art von Nebenursache im Ganzen der Kausalität. Worin spielt nun aber das Zusammenspiel der vier Weisen des Ver-an-lassens? Sie lassen das noch nicht Anwesende ins Anwesen ankommen. Demnach sind sie einheitlich durchwaltet von einem Bringen, das Anwesendes in den Vorschein bringt. Was dieses Bringen ist, sagt uns Platon in einem Satz des »Symposion« (205 b)**: hë gaÂr toi eÆk too µhÁ oÍntow eiÆw toÁ oÃn ÆioÂnti oëtvi oon aiÆtiÂa pfsa eÆsti poiÂhsiw. »Jede Veranlassung für das, was immer aus dem NichtAnwesenden über- und vorgeht in das Anwesen, ist poiÂhsiw, ist Her-vor-bringen.« DIE FRAGE NACH DER TECHNIK

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Alles liegt daran, daß wir das Her-vor-bringen in seiner ganzen Weite und zugleich im Sinne der Griechen denken. Ein Her-vor-bringen, poiÂhsiw, ist nicht nur das handwerkliche Verfertigen, nicht nur das künstlerisch-dichtende zum-Scheinen- und ins-Bild-Bringen. Auch die fyÂsiw, das von-sich-her-Aufgehen, ist ein Her-vor-bringen, ist poiÂhsiw. Die fyÂsiw ist sogar poiÂhsiw im höchsten Sinne. Denn das fyÂsei Anwesende hat den Aufbruch des Her-vor-bringens, z. B. das Aufbrechen der Blüte ins Erblühen, in ihr selbst (eÆn eëaytli ). Dagegen hat das handwerklich und künstlerisch Her-vor-gebrachte, z. B. die Silberschale, den Aufbruch des Her-vor-bringens nicht in ihm selbst, sondern in einem anderen (eÆn aÍllvi ), im Handwerker und Künstler. Die Weisen der Veranlassung, die vier Ursachen, spielen somit innerhalb des Her-vor-bringens. Durch dieses kommt sowohl das Gewachsene der Natur als auch das Verfertigte des Handwerks und die Gebilde der Künste* jeweils zu seinem Vorschein. Wie aber geschieht das Her-vor-bringen, sei es in der Natur, sei es im Handwerk und in der Kunst? Was ist das Her-vor-bringen, darin die vierfache Weise des Veranlassens spielt? Das Veranlassen geht das Anwesen dessen an, was jeweils im Her-vor-bringen zum Vorschein kommt. Das Her-vor-bringen bringt aus der Verborgenheit her in die Unverborgenheit vor. Her-vor-bringen ereignet sich nur, insofern Verborgenes ins Unverborgene kommt. Dieses Kommen beruht und schwingt in dem, was wir das Entbergen nennen. Die Griechen haben dafür das Wort aÆlhÂûeia. Die Römer übersetzen es durch »veritas«. Wir sagen »Wahrheit« und verstehen sie gewöhnlich als Richtigkeit des Vorstellens.

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Wohin haben wir uns verirrt? Wir fragen nach der Technik und sind jetzt bei der aÆlhÂûeia, beim Entbergen angelangt. Was hat das Wesen der Technik mit dem Entbergen zu tun? Antwort: Alles. Denn im Entbergen gründet jedes Her-vor-bringen. Dieses aber versammelt in sich die vier Weisen der Veranlassung – die Kausalität – und durchwaltet sie. In ihren Bereich gehören Zweck und Mittel, gehört das Instrumentale. Dieses gilt als der Grundzug der Technik. Fragen wir Schritt für Schritt, was die als Mittel vorgestellte Technik eigentlich sei, dann gelangen wir zum Entbergen. In ihm beruht die Möglichkeit aller herstellenden Verfertigung. Die Technik ist also nicht bloß ein Mittel. Die Technik ist eine Weise des Entbergensa. Achten wir darauf, dann öffnet sich uns ein ganz anderer Bereich für das Wesen der Technik. Es ist der Bereich der Entbergung, d. h. der Wahrheit. Dieser Ausblick befremdet uns. Er soll es auch, soll es möglichst lange und so bedrängend, daß wir endlich auch einmal die schlichte Frage ernst nehmen, was denn der Name »Technik« sage. Das Wort stammt aus der griechischen Sprache. TexnikoÂn meint solches, was zur teÂxnh gehört. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Wortes müssen wir zweierlei beachten. Einmal ist teÂxnh nicht nur der Name für das handwerkliche Tun und Können, sondern auch für die hohe Kunst und die schönen Künste. Die teÂxnh gehört zum Her-vor-bringen, zur poiÂhsiw; sie ist etwas Poietisches. Das andere, was es hinsichtlich des Wortes teÂxnh zu bedenken gilt, ist noch gewichtiger. Das Wort teÂxnh geht von früh an bis in die Zeit Platons mit dem Wort eÆpisthµh zusammen. Beide Worte sind Namen für das Erkennen im a

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 20] 〈eine Weise des Entbergens〉 oder jetzt die maßgeb[ende] Weise d[er] Entb[ergun]g

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weitesten Sinne. Sie meinen das Sichauskennen in etwas, das Sichverstehen auf et was. Das Erkennen gibt Aufschluß. Als aufschließendes ist es ein Entbergen. Aristoteles unterscheidet in einer besonderen Betrachtung (Eth. Nic. VI, c. 3 und 4)* die eÆpisthµh und die teÂxnh, und zwar im Hinblick darauf, was sie und wie sie entbergen. Die teÂxnh ist eine Weise des aÆlhûeyÂein. Sie entbirgt solches, was sich nicht selber her-vor-bringt und noch nicht vorliegt, was deshalb bald so, bald anders aussehen und ausfallen kann. Wer ein Haus oder ein Schiff baut oder eine Opferschale schmiedet, entbirgt das Her-vor-zu-bringende nach den Hinsichten der vier Weisen der Veranlassung. Dieses Entbergen versammelt im voraus das Aussehen und den Stoff von Schiff und Haus auf das vollendet erschaute fertige Ding und bestimmt von da her die Art der Verfertigung. Das Entscheidende der teÂxnh liegt somit keineswegs im Machen und Hantieren**, nicht im Verwenden von Mitteln, sondern in dem genannten Entbergen. Als dieses, nicht aber als Verfertigen, ist die teÂxnh ein Her-vor-bringen. So führt uns denn der Hinweis darauf, was das Wort teÂxnh sagt und wie die Griechen das Genannte bestimmen, in den selben Zusammenhang, der sich uns auftat, als wir der Frage nachgingen, was das Instrumentale als solches in Wahrheit sei. Technik ist eine Weise des Entbergens. Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und Unverborgenheit, wo aÆlhÂûeia, wo Wahrheit geschieht. Gegen diese Bestimmung des Wesensbereiches der Technik kann man einwenden, sie gelte zwar für das griechische Denken und passe im günstigen Fall auf die handwerkliche Technik, treffe jedoch nicht für die moderne Kraftmaschinentechnik zu. Und gerade sie, sie allein ist das

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Beunruhigende, das uns bewegt, nach »der« Technik zu fragen. Man sagt, die moderne Technik sei eine unvergleichbar andere gegenüber aller früheren, weil sie auf der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft beruhe. Inzwischen hat man deutlicher erkannt, daß auch das Umgekehrte gilt: die neuzeitliche Physik ist als experimentelle auf technische Apparaturen und auf den Fortschritt des Apparatebaues angewiesen. Die Feststellung dieses Wechselverhältnisses zwischen Technik und Physik ist richtig. Aber sie bleibt eine bloß historische Feststellung von Tatsachen und sagt nichts von dem, worin dieses Wechselverhältnis gründeta. Die entscheidende Frage bleibt doch: welchen Wesens ist die moderne Technik, daß sie darauf verfallen kann, die exakte Naturwissenschaft zu verwenden? Was ist die moderne Technik? Auch sie ist ein Entbergen. Erst wenn wir den Blick auf diesem Grundzug ruhen lassen, zeigt sich uns das Neuartige der modernen Technik. Dasb Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, entfaltet sich nun aber nicht in ein Her-vor-bringen im Sinne der poiÂhsiw. Das in der modernen Technik waltende Entbergen ist ein Herausfordern, das an die Natur das Ansinnen stellt, Energie zu liefern, die als solchec herausgefördert und gespeichert werden kann. Gilt dies aber nicht auch von der alten Windmühle? Nein. Ihre Flügel drehen sich zwar im Winde, seinem Wehen bleiben sie unmittelbar anheimgegeben. Die Windmühle erschließt aber nicht Energien der Luftströmung, um sie zu speichern. a

b c

[1954 Gestalt und Gedanke, S. 81] 〈worin dieses Wechselverhältnis gründet〉* [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 22] 〈Das〉jenige 〈Entbergen〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 22] 〈als solche〉

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Ein Landstrich wird dagegen in die Förderung von Kohle und Erzen herausgefordert. Das Erdreich entbirgt sich jetzt als Kohlenrevier, der Boden als Erzlagerstätte. Anders erscheint das Feld, das der Bauer vormals bestellte, wobei bestellen noch hieß: hegen und pflegen. Das bäuerliche Tun fordert den Ackerboden nicht heraus. Im Säen des Korns gibt es die Saat den Wachstumskräften anheim und hütet ihr Gedeihen. Inzwischen ist auch die Feldbestellung in den Sog eines andersgearteten Bestellens geraten, das die Natur stellt. Es stellt sie im Sinne der Herausforderung. Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie. Die Luft wird auf die Abgabe von Stickstoff hin gestellt, der Boden auf Erze, das Erz z. B. auf Uran, dieses auf Atomenergie, die zur Zerstörung oder friedlichen Nutzung entbunden werden kann. Das Stellen, das die Naturenergien herausfordert, ist ein Fördern in einem doppelten Sinne. Es fördert, indem es erschließt und herausstellt. Dieses Fördern bleibt jedoch im voraus darauf abgestellt, anderes zu fördern, d. h. vorwärts zu treiben in die größtmögliche Nutzung bei geringstem Aufwand. Die im Kohlenrevier geförderte Kohle wird nicht gestellt, damit sie nur überhaupt und irgendwo vorhanden sei. Sie lagert, d. h. sie ist zur Stelle für die Bestellung der in ihr gespeicherten Sonnenwärme. Diese wird herausgefordert auf Hitze, die bestellt ist, Dampf zu liefern, dessen Druck das Getriebe treibt, wodurch eine Fabrik in Betrieb bleibt. Das Wasserkraftwerk ist in den Rheinstrom gestellt. Es stellt ihn auf seinen Wasserdruck, der die Turbinen daraufhin stellt, sich zu drehen, welche Drehung diejenige Maschine umtreibt, deren Getriebe den elektrischen Strom herstellt, für den die Überlandzentrale und ihr Stromnetz zur Strombeförderung bestellt sind. Im Bereich dieser in-

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einandergreifenden Folgen der Bestellung elektrischer Energie erscheint auch der Rheinstrom als etwas Bestelltes. Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut wie die alte Holzbrücke, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in das Kraftwerk verbaut. Er ist, was er jetzt als Strom ist, nämlich Wasserdrucklieferant, aus dem Wesen des Kraftwerks. Achten wir doch, um das Ungeheuere, das hier waltet, auch nur entfernt zu ermessen, für einen Augenblick auf den Gegensatz, der sich in den beiden Titeln ausspricht: »Der Rhein«, verbaut in das Kraftwerk, und »Der Rhein«, gesagt aus dem Kunstwerk der gleichnamigen Hymne Hölderlins.* Aber der Rhein bleibt doch, wird man entgegnen, Strom der Landschaft. Mag sein, aber wie? Nicht anders denn als bestellbares Objekt der Besichtigung durch eine Reisegesellschaft, die eine Urlaubsindustrie dorthin bestellt hat. Das Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, hat den Charakter des Stellens im Sinne der Herausforderung. Diese geschieht dadurch, daß die in der Natur verborgene Energie aufgeschlossen, das Erschlossene umgeformt, das Umgeformte gespeichert, das Gespeicherte wieder verteilt und das Verteilte erneut umgeschaltet wird. Erschließen, umformen, speichern, verteilen, umschalten sind Weisen des Entbergens. Dieses läuft jedoch nicht einfach ab. Es verläuft sich auch nicht ins Unbestimmte. Das Entbergen entbirgt ihm selber seine eigenen, vielfach verzahnten Bahnen dadurch, daß es sie steuert. Die Steuerung selbst wird ihrerseits überall gesichert. Steuerung und Sicherung werden sogar die Hauptzüge des herausfordernden Entbergens. Welche Art von Unverborgenheit eignet nun dem, was durch das herausfordernde Stellen zustande kommt? Überall ist es bestellt, auf der Stelle zur Stelle zu stehen, und

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zwar zu stehen, um selbst bestellbar zu sein für ein weiteres Bestellen. Das so Bestellte hat seinen eigenen Stand. Wir nennen ihn den Bestand. Das Wort sagt hier mehr und Wesentlicheres als nur »Vorrat«. Das Wort »Bestand« rückt jetzt in den Rang eines Titels. Er kennzeichnet nichts Geringeres als die Weise, wie alles anwest, was vom herausfordernden Entbergen betroffen wird. Was im Sinne des Bestandes steht, steht uns nicht mehr als Gegenstand gegenüber. Aber ein Verkehrsflugzeug, das auf der Startbahn steht, ist doch ein Gegenstand. Gewiß. Wir können die Maschine so vorstellen. Aber dann verbirgt sie sich in dem, was und wie sie ist. Entborgen steht sie auf der Rollbahn nur als Bestand, insofern sie bestellt ist, die Möglichkeit des Transports sicherzustellen. Hierfür muß sie selbst in ihrem ganzen Bau, in jedem ihrer Bestandteile bestellfähig, d. h. startbereit sein. (Hier wäre der Ort, He gels Bestimmung der Maschine als eines selbständigen Werkzeugs* zu erörtern. Vom Werkzeug des Handwerks her gesehen, ist seine Kennzeichnung richtig. Allein, so ist die Maschine gerade nicht aus dem Wesen der Technik gedacht, in die sie gehört. Vom Bestand her gesehen, ist die Maschine schlechthin unselbständig; denn sie hat ihren Stand einzig aus dem Bestellen von Bestellbarem.) Daß sich uns jetzt, wo wir versuchen, die moderne Technik als das herausfordernde Entbergen zu zeigen, die Worte »stellen«, »bestellen«, »Bestand« aufdrängen und sich in einer trockenen, einförmigen und darum lästigen Weise häufen, hat seinen Grund in dem, was zur Sprache kommt. Wer vollzieht das herausfordernde Stellen, wodurch das, was man das Wirkliche nennt, als Bestand entborgen wird? Offenbar der Mensch. Inwiefern vermag er solches Entbergen? Der Mensch kann zwar dieses oder jenes so oder so

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vorstellen, gestalten und betreiben. Allein, über die Unverborgenheit,a worin sich jeweils das Wirkliche zeigt oder entzieht, verfügt der Mensch nicht. Daß sich seit Platon das Wirkliche im Lichte von Ideen zeigt, hat Platon nicht gemacht*. Der Denker hat nur dem entsprochen, was sich ihm zusprach. Nur insofern der Mensch seinerseits schon herausgefordert ist, die Naturenergien herauszufördern, kann dieses bestellende Entbergen geschehen. Wenn der Mensch dazu herausgefordert, bestellt ist, gehört dann nicht auch der Mensch, ursprünglicher noch als die Natur, in den Bestand? Die umlaufende Rede vom Menschenmaterial, vom Krankenmaterial einer Klinik spricht dafür. Der Forstwart, der im Wald das geschlagene Holz vermißt und dem Anschein nach wie sein Großvater in der gleichen Weise dieselben Waldwege begeht, ist heute von der Holzverwertungsindustrie bestellt, ob er es weiß oder nicht. Er ist in die Bestellbarkeit von Zellulose bestellt, die ihrerseits durch den Bedarf an Papier herausgefordert ist, das den Zeitungen und illustrierten Magazinen zugestellt wird. Diese aber stellen die öffentliche Meinung daraufhin, das Gedruckte zu verschlingen, um für eine bestellte Meinungsherrichtung bestellbar zu werden. Doch gerade weil der Mensch ursprünglicherb als die Naturenergien herausgefordert ist, nämlich in das Bestellenc, wird er niemals zu a

b

c

[1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] dieses oder jenes Unverborgene! aber die Unverborgenheit a[ls] s[olche]? Die Entborgen[heit] u[sw].? [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] 〈ursprünglicher〉 heißt? eigentlicher in das E.[Ereignis] vereignet! [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] 〈nämlich in das Bestellen〉 heißt? metaphys[isch] gesprochen: in einem ausgezeichneten Geheiß des Seins und dem entsprech[enden] Bezug. vgl. Zur Seinsfrage**

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einem bloßen Bestand. Indem der Mensch die Technik betreibt, nimmt er am Bestellen als einer Weise des Entbergens teil. Allein, die Unverborgenheit selbst, innerhalb derer sich das Bestellen entfaltet, ist niemals ein menschliches Gemächte, so wenig wie der Bereich, den der Mensch jederzeit schon durchgeht, wenn er als Subjekt sich auf ein Objekt bezieht. Wo und wie geschieht das Entbergen, wenn es kein bloßes Gemächte des Menschen ist? Wir brauchen nicht weit zu suchen. Nötig ist nur, unvoreingenommen Jenes zu vernehmen, was den Menschen immer schon in Anspruch genommen hat, und dies so entschieden, daß er nur als der so Angesprochene jeweils Mensch sein kann. Wo immer der Mensch sein Auge und Ohr öffnet, sein Herz aufschließt, sich in das Sinnen und Trachten, Bilden und Werken, Bitten und Danken freigibt, findet er sich überall schon ins Unverborgene gebracht. Dessen Unverborgenheit hat sich schon ereignet, so oft sie den Menschen in die ihm zugemessenen Weisen des Entbergens hervorruft. Wenn der Mensch auf seine Weise innerhalb der Unverborgenheit das Anwesende entbirgt, dann entspricht er nur dem Zuspruch der Unverborgenheit, selbst dort, wo er ihm widerspricht. Wenn also der Mensch forschend, betrachtend der Natur als einem Bezirk seines Vorstellens nachstellt, dann ist er bereits von einer Weise der Entbergung beansprucht, die ihn herausfordert, die Natur als einen Gegenstand der Forschung anzugehen, bis auch der Gegenstand in das Gegenstandlose des Bestandes verschwindet.a So ist denn die moderne Technik als das bestellende Entbergen kein bloß menschliches Tun. Darum müssen wir auch jenes Herausfordern, das den Menschen stellt, das a

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 26] vgl. 30 vgl. S. 61

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Wirkliche als Bestand zu bestellen, so nehmen, wie es sich zeigt. Jenes Herausfordern versammelt den Menschen in das Bestellen. Dieses Versammelnde konzentriert den Menschen darauf, das Wirkliche als Bestand zu bestellen. Was die Berge ursprünglich zu Bergzügen entfaltet und sie in ihrem gefalteten Beisammen durchzieht, ist das Versammelnde, das wir Gebirg nennen. Wir nennen jenes ursprünglich Versammelnde, daraus sich die Weisen entfalten, nach denen uns so und so zumute ist, das Gemüt. Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahin versammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen – das Ge-stell.* Wir wagen es, dieses Wort in einem bisher völlig ungewohnten Sinne zu gebrauchen.a ** Nach der gewöhnlichen Bedeutung meint das Wort »Gestell« ein Gerät, z. B. ein Büchergestell. Gestell heißt auch ein Knochengerippe. Und so schaurig wie dieses scheint die uns jetzt zugemutete Verwendung des Wortes »Gestell« zu sein, ganz zu schweigen von der Willkür, mit der auf solche Weise*** Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden. Kann man das Absonderliche noch weiter treiben? Gewiß nicht. Allein, dieses Absonderliche ist alter Brauch des Denkens. Und zwar fügen sich ihm die Denker gerade dort, wo es das Höchste zu denken gilt. Wir Spätgeborenen sind nicht mehr imstande zu ermessen, was es heißt, daß Platon es wagt, für das, was in allem und jedem west, das Wort ekdow**** zu gebrauchen. Denn ekdow***** bedeutet in der alltäglichen Sprache die Ansicht, die ein sichtbares Ding unserem sinnlichen Auge darbietet. a

[1954 Gestalt und Gedanke, S. 88] vgl. Id. u. Diff. [Identität und Differenz]******

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Platon mutet jedoch diesem Wort das ganz Ungewöhnliche zu, Jenes zu benennen, was gerade nicht und niemals mit sinnlichen Augen vernehmbar wird. Aber auch so ist des Ungewöhnlichen noch keineswegs genug. Denn ÆideÂa nennt nicht nur das nichtsinnliche Aussehen des sinnlich Sichtbaren. Aussehen, ÆideÂa heißt und ist auch, was im Hörbaren, Tastbaren Fühlbaren, in jeglichem, was irgendwie zugänglich ist, das Wesena ausmacht. Gegenüber dem, was Platon der Sprache und dem Denken in diesem und anderen Fällen zumutet, ist der jetzt gewagte Gebrauch des Wortes »Gestell« als Name für das Wesen der modernen Technik beinahe harmlos. Indessen bleibt der jetzt verlangte Sprachgebrauch eine Zumutung und mißverständlich. Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschenb stellt, d. h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist.c Zum Technischen gehört dagegen alles, was wir als Gestänge und Geschiebe und Gerüste kennen und was Bestandstück dessen ist, was man Montage nennt. Diese fällt jedoch samt den genannten Bestandstücken in den Bezirk der technischen Arbeit, die stets nur der Herausforderung des Ge-stells entspricht, aber niemals dieses selbst ausmacht oder gar bewirkt.

a

b c

[1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] deutlicher! ein ontisch gebrauchtes und geläufiges Wort in einen ausgezeichneten ontolog[ischen] Rang erhoben. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] nicht nur den Menschen! [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] E [Ereignis] / und \ das Ge-Viert

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Das Wort »stellen« meint im Titel Ge-stell nicht nur das Herausfordern, es soll zugleich den Anklang an ein anderes »Stellen« bewahren, aus dem es abstammt, nämlich an jenes Her- und Dar-stellen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende in die Unverborgenheit hervorkommen läßt.a b * Dieses hervorbringende Her-stellen, z. B. das Aufstellen eines Standbildes im Tempelbezirk und das jetzt bedachte herausfordernde Bestellen, sind zwar grundverschieden und bleiben doch im Wesen verwandt.** Beide sind Weisen des Entbergens, der aÆlhÂûeia. Im Ge-stell ereignet sich die Unverborgenheit, dergemäß die Arbeit der modernen Technik das Wirkliche als Bestand entbirgt.c *** Sie ist darum weder nur ein menschliches Tun, noch gar ein bloßes Mittel innerhalb solchen Tuns. Die nur instrumentale, die nur anthropologische Bestimmung der Technik wird im Prinzip hinfällig; sie läßt sich nicht durch eine nur dahinter geschaltete metaphysische oder religiöse Erklärung ergänzen.d Wahr bleibt allerdings, daß der Mensch des technischen Zeitalters auf eine besonders hervorstechende Weise in das Entbergen herausgefordert ist. Diesese betrifft zunächst die Natur als den Hauptspeicher des Energiebestandes. Dementsprechend zeigt sich das bestellendef Verhalten des Menschen zuerst im Aufkommen der neuzeitlichen exakten a

b c

d

e f

[1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] vgl. jetzt Der Urspr. d. Kw. [Der Ursprung des Kunstwerkes]. Nachwort über ûeÂsiw**** [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 28] vgl. S. 49 [1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] zu einseitig nur auf das dhloon abgehoben. [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29] 〈sie läßt sich〉 auch 〈nicht〉 mehr, falls sie doch als unzureichend erkannt werden sollte, 〈durch eine nur dahinter geschaltete metaphysische oder religiöse Erklärung ergänzen.〉***** [1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] 〈Es〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29] 〈bestellende〉

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Naturwissenschaft. Ihre Art des Vorstellens stellt der Natur als einem berechenbaren Kräftezusammenhang nach.a Die neuzeitliche Physik ist nicht deshalb Experimentalphysik, weil sie Apparaturen zur Befragung der Natur ansetzt, sondern umgekehrt: weil die Physik, und zwar schon als reine Theorie, die Natur daraufhin stellt, sich als einen vorausberechenbaren Zusammenhang von Kräften darzustellen, deshalb wird das Experiment bestellt, nämlich zur Befragung, ob sich die so gestellte Natur und wie sie sich meldet. Aber die mathematische Naturwissenschaft ist doch um fast zwei Jahrhunderte vor der modernen Technik entstanden. Wie soll sie da schon von der modernen Technik in deren Dienst gestellt sein? Die Tatsachen sprechen für das Gegenteil. Die moderne Technik kam doch erst in Gang, als sie sich auf die exakte Naturwissenschaft stützen konnte. Historisch gerechnet, bleibt dies richtig. Geschichtlich gedacht, trifft es nicht das Wahre. Die neuzeitliche physikalische Theorie der Natur ist die Wegbereiterin nicht erst der Technik, sondern des Wesens der modernen Technik. Denn das herausfordernde Versammeln in das bestellende Entbergen waltet bereits in der Physik. Aber es kommt in ihr noch nicht eigens zum Vorschein. Die neuzeitliche Physik ist der in seiner Herkunft noch unbekannte Vorbote des Ge-stells. Das Wesen der modernen Technik verbirgt sich auf lange Zeit auch dort noch, wo bereits Kraftmaschinen erfunden, die Elektrotechnik auf die Bahn und die Atomtechnik in Gang gesetzt sind. Alles Wesende, nicht nur das der modernen Technik, hält sich überall am längsten verborgen. Gleichwohl bleibt es im Hinblick auf sein Walten solches, was allem voraufa

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29] S. 54 ff.

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geht: das Früheste. Davon wußten schon die griechischen Denker, wenn sie sagten: Jenes, was hinsichtlich des waltenden Aufgehens früher ist, wird uns Menschen erst später offenkundig. Dem Menschen zeigt sich die anfängliche Frühe erst zuletzt. Darum ist im Bereich des Denkens eine Bemühung, das anfänglich Gedachte noch anfänglicher zu durchdenken, nicht der widersinnige Wille, Vergangenes zu erneuern, sondern die nüchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunena.* Für die historische Zeitrechnung liegt der Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert. Dagegen entwickelt sich die Kraftmaschinentechnik erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Allein, das für die historische Feststellung Spätere, die moderne Technik, ist hinsichtlich des in ihm waltenden Wesens das geschichtlich Frühere. Wenn die moderne Physik in zunehmendem Maße sich damit abfinden muß, daß ihr Vorstellungsbereich unanschaulich bleibt, dann ist dieser Verzicht nicht von irgendeiner Kommission von Forschern diktiert. Er ist vom Walten des Ge-stells herausgefordert, das die Bestellbarkeit der Natur als Bestand verlangtb. Darum kann die Physik bei allem Rückzug aus dem bis vor kurzem allein maßgebenden, nur den Gegenständen zugewandten Vorstellenc auf eines niemals verzichten**: daß sich die Natur in irgendeiner rechnerisch feststellbaren Weise meldet und als ein System von Informationen bestellbar bleibt.d Dieses System

a

b c d

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 22] 〈vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen.〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30] vgl. 26 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30] S. 62 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30] 61

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bestimmt sich dann aus einer noch einmal gewandelten Kausalität. Sie zeigt jetzt weder den Charakter des hervorbringenden Veranlassens, noch die Art der causa efficiens oder gar der causa formalis. Vermutlich schrumpft die Kausalität in ein herausgefor dertes Melden gleichzeitig oder nacheinander sicherzustellender Bestände zusammen. Dem entspräche der Prozeß des zunehmenden Sichabfindens, den Heisenbergs Vortrag in eindrucksvoller Weise schilderte. (Werner Heisenberg, Das Naturbild in der heutigen Physik, in: Die Künste im technischen Zeitalter. München 1954, S. 43 ff.)* Weil das Wesen der modernen Technik im Ge-stell beruht, deshalb muß diese die exakte Naturwissenschaft verwenden. Dadurch entsteht der trügerische Schein, als sei die moderne Technik angewandte Naturwissenschaft. Dieser Schein kann sich solange behaupten, als weder die Wesensherkunft der neuzeitlichen Wissenschaft, noch gar das Wesen der modernen Technik hinreichend erfragt werden. Wir fragen nach der Technik, um unsere Beziehung zu ihrem Wesen ans Licht zu heben. Das Wesen der modernen Technik zeigt sich in dem, was wir das Ge-stell nennen. Allein der Hinweis darauf ist noch keineswegs die Antwort auf die Frage nach der Technik, wenn antworten heißt: entsprechen, nämlich dem Wesen dessen, wonach gefragt wird. Wohin sehen wir uns gebracht, wenn wir jetzt noch um einen Schritt weiter dem nachdenken, was das Ge-stell als solches selber ista? Es ist nichts Technisches, nichts Maschinenartiges. Es ist die Weise, nach der sich das Wirkliche als a

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31] 〈was das Ge-stell als solches selber ist〉**

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Bestand entbirgt.a Wiederum fragen wir: geschieht dieses Entbergen irgendwo jenseits alles menschlichen Tuns? Nein. Aber es geschieht auch nicht nur im Menschen und nicht maßgebend durch ihn. Das Ge-stell ist das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Als der so Herausgeforderte steht der Mensch im Wesensbereich des Ge-stells. Er kann gar nicht erst nachträglich eine Beziehung zu ihm aufnehmen.* Darum kommt die Frage, wie wir in eine Beziehung zum Wesen der Technik gelangen sollen, in dieser Form jederzeit zu spät. Aber nie zu spät kommt die Frage, ob wir uns eigens als diejenigen erfahren, deren Tun und Lassen überall, bald offenkundig, bald versteckt, vom Ge-stellb herausgefordert ist. Nie zu spät kommt vor allem die Frage, ob und wie wir uns eigens auf das einlassen, worin das Ge-stell selber west. Das Wesen der modernen Technik bringt den Menschen auf den Weg jenes Entbergens, wodurch das Wirkliche überall, mehr oder weniger vernehmlich, zum Bestand wird. Auf einen Weg bringen – dies heißt in unserer Sprache: schicken.c Wir nennen jenes versammelnde Schicken, das den Menschen erst auf einen Weg des Entbergens bringt, das Geschickd. Von hier aus bestimmt sich das Wesen aller Geschichte. Sie ist weder nur der Gegenstand der Historie, noch nur der Vollzug menschlichen Tuns. Dieses wird geschichtlich erst als ein geschickliches (vgl. Vom Wesen der Wahrheit, 1930; in erster Auflage gedruckt 1943, a b c d

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31] vgl. S. 57 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 32] im 〈Ge-stell〉 [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24] vgl u[nten] S. 31f.** [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24] vgl. Z. u. S. [Zeit und Sein]***

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S. 16 f.).* Und erst das Geschick in das vergegenständlichende Vorstellen macht das Geschichtliche für die Historie, d. h. für eine Wissenschaft, als Gegenstand zugänglich und von hier aus erst die gängige Gleichsetzung des Geschichtlichen mit dem Historischen möglich. Als die Herausforderung ins Bestellen schickt das Ge-stell in eine Weise des Entbergens. Das Ge-stell ist eine Schickung des Geschickes wie jede Weise des Entbergens. Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Her-vor-bringen, die poiÂhsiw.** Immer geht die Unverborgenheit dessen, was ist, auf einem Weg des Entbergens. Immer durchwaltet den Menschen das Geschick der Entbergung. Aber es ist nie das Verhängnis eines Zwanges. Denn der Mensch wird gerade erst frei, insofern er in den Bereich des Geschickes gehört und so ein Hörender wird, nicht aber ein Höriger. Das Wesen der Freiheit ist ursprünglich nicht dem Willen oder gar nur der Kausalität des menschlichen Wollens zugeordnet. Die Freiheit verwaltet das Freie im Sinne des Gelichteten, d. h. des Entborgenen. Das Geschehnis des Entbergens, d. h. der Wahrheit, ist es, zu dem die Freiheit in der nächsten und innigsten Verwandtschaft steht. Alles Entbergen gehört in ein Bergen und Verbergen. Verborgen aber ist und immer sich verbergend das Befreiende, das Geheimnis. Alles Entbergen kommt aus dem Freien, geht ins Freie und bringt ins Freie. Die Freiheit des Freien besteht weder in der Ungebundenheit der Willkür, noch in der Bindung durch bloße Gesetze. Die Freiheit ist das lichtend Verbergende, in dessen Lichtung jener Schleier weht, der das Wesende aller Wahrheit verhüllt und den Schleier als den verhüllenden erscheinen läßt. Die Freiheit ist der Bereich des Geschickes, das jeweils eine Entbergung auf ihren Weg bringt. 160

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Das Wesen der modernen Technik beruht im Ge-stell. Dieses gehört in das Geschick der Entbergung. Die Sätze sagen anderes als die öfter verlautende Rede, die Technik sei das Schicksal unseres Zeitalters, wobei Schicksal meint: das Unausweichliche eines unabänderlichen Verlaufs. Wenn wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, dann erfahren wir das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung. So halten wir uns schon im Freien des Geschickes auf, das uns keineswegs in einen dumpfen Zwang einsperrt, die Technik blindlings zu betreiben oder, was das Selbe bleibt, uns hilflos gegen sie aufzulehnen und sie als Teufelswerk zu verdammen. Im Gegenteil: wenn wir uns dem Wesen der Technik eigens öffnen, finden wir uns unverhofft in einen befreienden Anspruch genommen. Das Wesen der Technik beruht im Ge-stell. Sein Walten gehört in das Geschick. Weil dieses den Menschen jeweils auf einen Weg des Entbergens bringt, geht der Mensch, also unterwegs, immerfort am Rande der Möglichkeit, nur das im Bestellen Entborgene zu verfolgen und zu betreiben und von da her alle Maße zu nehmen. Hierdurch verschließt sich die andere Möglichkeit, daß der Mensch eher und mehr und stets anfänglicher auf das Wesen des Unverborgenen und seine Unverborgenheit sich einläßt, um die gebrauchte Zugehörigkeit zum Entbergen als sein Wesen zu erfahren. Zwischen diese Möglichkeiten gebracht, ist der Mensch aus dem Geschick her gefährdet. Das Geschick der Entbergung ist als solches in jeder seiner Weisen und darum notwendig Gefahr. In welcher Weise auch immer das Geschick der Entbergung walten mag, die Unverborgenheit, in der alles, was ist, sich jeweils zeigt, birgt die Gefahr, daß der Mensch sich am Unverborgenen versieht und es mißdeutet. So kann, wo

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alles Anwesende sich im Lichte des Ursache-WirkungZusammenhangs darstellt, sogar Gott für das Vorstellen alles Heilige und Hohe, das Geheimnisvolle seiner Ferne verlieren. Gott kann im Lichte der Kausalität zu einer Ursache, zur causa efficiens, herabsinken. Er wird dann sogar innerhalb der Theologie zum Gott der Philosophen, jener nämlich, die das Unverborgene und Verborgene nach der Kausalität des Machens bestimmen, ohne dabei jemals die Wesensherkunft dieser Kausalität zu bedenken. Insgleichen kann die Unverborgenheit, dergemäß sich die Natur als ein berechenbarer Wirkungszusammenhang von Kräften darstellt, zwar richtige Feststellungen verstatten, aber gerade durch diese Erfolge die Gefahr bleiben, daß sich in allem Richtigen das Wahre entzieht. Das Geschick der Entbergung ist in sich nicht irgendeine, sondern die Gefahra. Waltet jedoch das Geschick in der Weise des Ge-stells, dann ist es die höchste Gefahr. Sie bezeugt sich uns nach zwei Hinsichten. Sobald das Unverborgene nicht einmal mehr als Gegenstand, sondern ausschließlich als Bestand den Menschen angeht und der Mensch innerhalb des Gegenstandlosen nur noch der Besteller des Bestandes ist, – geht der Mensch am äußersten Rand des Absturzes, dorthin nämlich, wo er selber nur noch als Bestand genommen werden soll. Indessen spreizt sich gerade der so bedrohte Mensch in die Gestalt des Herrn der Erde auf. Dadurch macht sich der Anschein breit, alles, was begegne, bestehe nur, insofern es ein Gemächte des Menschen sei. Dieser Anschein zeitigt einen letzten trügerischen Schein. Nach ihm sieht es so aus, als begegne der Mensch überall nur noch a

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 26] 〈die Gefahr〉 Einblick [in das was ist] 1949* fahr [?] nachstellen

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sich selbst. Heisenberg hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß sich dem heutigen Menschen das Wirkliche so darstellen muß (a. a. O. S. 60 ff.).* Indessen begegnet der Mensch heute in Wahrheit gerade nirgends mehr sich selber, d. h. seinem Wesen. Der Mensch steht so entschieden im Gefolge der Herausforderung des Ge-stells, daß er dieses nicht als einen Anspruch vernimmt, daß er sich selber als den im Ge-stell von diesem** Angesprochenen übersieht und damit auch jede Weise überhört, inwiefern er aus seinem Wesen her im Bereich eines Zuspruchs ek-sistiert und darum niemals nur sich selber begegnen kann. Allein,*** das Ge-stell gefährdet nicht nur den Menschen in seinem Verhältnis zu sich selbst und zu allem, was ist. Als Geschick verweist es in das Entbergen von der Art des Bestellens. Wo dieses herrscht, vertreibt es jede andere Möglichkeit der Entbergung. Vor allem verbirgt das Ge-stell jenes Entbergen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende ins Erscheinen her-vor-kommen läßt. Im Vergleich hierzu drängt das herausfordernde Stellen in den entgegengesetzt-gerichteten Bezug zu dem, was ist. Wo das Ge-stell waltet, prägen Steuerung und Sicherung des Bestandes alles Entbergen. Sie lassen sogar ihren eigenen Grundzug, nämlich dieses Entbergen als ein solches nicht mehr zum Vorschein kommen. So verbirgt denn das herausfordernde Ge-stell nicht nur eine vormalige Weise des Entbergens, das Her-vor-bringen, sondern es verbirgt das Entbergen als solches und mit ihm Jenes, worin sich Unverborgenheit, d. h. Wahrheita ereignet.b **** a b

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 35] 〈(d. h. Wahrheit)〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 35] Vg. d. U. [Vergessenheit des Unter-Schieds]*****

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Das Ge-stell verstellt das Scheinen und Walten der Wahrheit. Das Geschick, das in das Bestellen schickt, ist somit die äußerste Gefahr. Das Gefährliche ist nicht die Technik. Es gibt keine Dä monie der Technik, wohl dagegen das Geheimnis ihres Wesens. Das Wesen der Technik ist als ein Geschick des Entbergens die Gefahr. Die gewandelte Bedeutung des Wortes »Ge-stell« wird uns jetzt vielleicht schon um einiges vertrauter, wenn wir Ge-stell im Sinne von Geschick und Gefahr denken. Die Bedrohung des Menschen kommt nicht erst von den möglicherweise tödlich wirkenden Maschinen und Apparaturen der Technik. Die eigentliche Bedrohung hat den Menschen bereits in seinem Wesen angegangen. Die Herrschaft des Ge-stells droht mit der Möglichkeit, daß dem Menschen versagt sein könnte, in ein ursprünglicheres Entbergen einzukehren und so den Zuspruch einer anfänglicheren Wahrheit zu erfahren. So ist denn, wo das Ge-stell herrscht, im höchsten Sinne Gefahr. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.* Bedenken wir das Wort Hölderlins sorgsam. Was heißt »retten«? Gewöhnlich meinen wir, es bedeute nur: das vom Untergang Bedrohte gerade noch erhaschen, um es in seinem bisherigen Fortbestehen zu sichern. Aber »retten« sagt mehr. »Retten« ist: einholen ins Wesen, um so das Wesen erst zu seinem eigentlichen Scheinen zu bringen. Wenn das Wesen der Technik, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist und wenn zugleich Hölderlins Wort Wahres sagt, dann kann sich die Herrschaft des Ge-stells nicht darin erschöpfen, alles Leuchten jedes Entbergens, alles Scheinen der

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Wahrheit nur zu verstellen. Dann muß vielmehr gerade das Wesen der Technik das Wachstum des Rettenden in sich bergen. Könnte dann aber nicht ein zureichender Blick in das, was das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zum Scheinen bringen? Inwiefern wächst dort, wo Gefahr ist, das Rettende auch? Wo etwas wächst, dort wurzelt es, von dorther gedeiht es. Beides geschieht verborgen und still und zu seiner Zeit. Nach dem Wort des Dichters dürfen wir aber gerade nicht erwarten, dort, wo Gefahr ist, das Rettende unmittelbar und unvorbereitet aufgreifen zu können. Darum müssen wir jetzt zuvor bedenken, inwiefern in dem, was die äußerste Gefahr ist, inwiefern im Walten des Ge-stells das Rettende sogar am tiefsten wurzelt und von dorther gedeiht. Um solches zu bedenken, ist es nötig, durch einen letzten Schritt unseres Weges noch helleren Auges in die Gefahr zu blicken. Dementsprechend müssen wir noch einmal nach der Technik fragen. Denn in ihrem Wesen wurzelt und gedeiht nach dem Gesagten das Rettende. Wie sollen wir jedoch das Rettende im Wesen der Technik erblicken, solange wir nicht bedenken, in welchem Sinne von »Wesen« das Ge-stell eigentlich das Wesen der Technik ist? Bisher verstanden wir das Wort »Wesen« in der geläufigen Bedeutung. In der Schulsprache der Philosophie heißt »Wesen« jenes, was etwas ist, lateinisch: quid. Die quidditas, die Washeit gibt Antwort auf die Frage nach dem Wesen. Was z. B. allen Arten von Bäumen, der Eiche, Buche, Birke, Tanne, zukommt, ist das selbe Baumhafte. Unter dieses als die allgemeine Gattung, das »universale«, fallen die wirklichen und möglichen Bäume. Ist nun das Wesen der Technik, das Ge-stell, die gemeinsame Gattung für alles Technische? Träfe dies zu, dann wäre z. B. die Dampfturbine,

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wäre der Rundfunksender, wäre das Zyklotron ein Ge-stell. Aber das Wort »Ge-stell« meint jetzt kein Gerät oder irgendeine Art von Apparaturen. Es meint noch weniger den allgemeinen Begriff solcher Bestände. Die Maschinen und Apparate sind ebensowenig Fälle und Arten des Ge-stells wie der Mann an der Schalttafel und der Ingenieur im Konstruktionsbureau. All das gehört zwar als Bestandstück, als Bestand, als Besteller je auf seine Art in das Ge-stell, aber dieses ist niemals das Wesen der Technik im Sinne einer Gattung. Das Ge-stell ist eine geschickhafte Weise des Entbergens, nämlich das herausfordernde. Eine solche geschickhafte Weise ist auch das hervor bringende Entbergen, die poiÂhsiw. Aber diese Weisen sind nicht Arten, die nebeneinandergeordnet unter den Begriff des Entbergens fallen. Die Entbergung ist jenes Geschick, das sich je und jäh und allem Denken unerklärbar in das hervorbringende und herausfordernde Entbergen austeilt und dem Menschen sich entsprechend zuteilt.* Das herausfordernde Entbergen hat im hervorbringenden seine geschickliche Herkunft. Aber zugleich verstellt das Ge-stell geschickhaft die poiÂhsiw. So ist denn das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung zwar das Wesen der Technik, aber niemals Wesen im Sinne der Gattung und der essentia. Beachten wir dies, dann trifft uns etwas Erstaunliches: die Technik ist es, die von uns verlangt, das, was man gewöhnlich unter »Wesen« versteht, in einem anderen Sinne zu denken. Aber in welchem? Schon wenn wir »Hauswesen«, »Staatswesen« sagen, meinen wir nicht das Allgemeine einer Gattung, sondern die Weise, wie Haus und Staat walten, sich verwalten, entfalten und verfallen. Es ist die Weise, wie sie wesen. Johann Peter Hebel gebraucht in einem Gedicht »Gespenst an der Kanderer Straße«,** das Goethe besonders liebte, das alte Wort »die Weserei«. Es bedeutet das Rathaus, insofern sich dort

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das Gemeindeleben versammelt und das dörfliche Dasein im Spiel bleibt, d. h. west. Vom Zeitwort »wesen« stammt erst das Hauptwort ab. »Wesen«, verbal verstanden, ist das Selbe wie »währen«; nicht nur bedeutungsmäßig, sondern auch in der lautlichen Wortbildung. Schon Sokrates und Platon denken das Wesen von etwas als das Wesende im Sinne des Währenden. Doch sie denken das Währende als das Fortwährende (aÆeiÁ oÍn). Das Fortwährende finden sie aber in dem, was sich als das Bleibende durchhält bei jeglichem, was vorkommt. Dieses Bleibende wiederum entdekken sie im Aussehen (ekdow, ÆideÂa), z. B. in der Idee »Haus«. In ihr zeigt sich jenes, was jedes so Geartete ist. Die einzelnen wirklichen und möglichen Häuser sind dagegen wechselnde und vergängliche Abwandlungen der »Idee« und gehören deshalb zu dem Nichtwährenden. Nun ist aber auf keine Weise jemals zu begründen, daß das Währende einzig und allein in dem beruhen soll, was Platon als die ÆideÂa, Aristoteles als toÁ ti hËn eknai (jenes, was jegliches je schon war), was die Metaphysik in den verschiedensten Auslegungen als essentia denkt. Alles Wesende währt. Aber ist das Währende nur das Fortwährende? Währt das Wesen der Technik im Sinne des Fortwährens einer Idee, die über allem Technischen schwebt, so daß von hier aus der Anschein entsteht, der Name »die Technik« meine ein mythisches Abstraktum? Wie die Technik west, läßt sich nur aus jenem Fortwähren ersehen, worin sich das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ereignet. Goethe gebraucht einmal (Die Wahlverwandtschaften II. Teil, 10. Kap., in der Novelle »Die wunderlichen Nachbarskinder«)* statt »fortwähren« das geheimnisvolle Wort »fortgewähren«. Sein Ohr hört hier »währen« und »gewähren« in einem unausgesprochenen Einklang. Bedenken wir nun aber nachdenklicher als bis-

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her, was eigentlich währt und vielleicht einzig währt, dann dürfen wir sagen: Nur das Gewährte währt. Das anfänglich aus der Frühe Währende ist das Gewährende. Als das Wesende der Technik ist das Ge-stell das Währende. Waltet dieses gar im Sinne des Gewährenden? Schon die Frage scheint ein offenkundiger Mißgriff zu sein. Denn das Ge-stell ist doch nach allem Gesagten ein Geschick, das in die herausfordernde Entbergung versammelt. Herausfordern ist alles andere, nur kein Gewähren. So sieht es aus, solange wir nicht darauf achten, daß auch das Herausfordern in das Bestellen des Wirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt.a Als dieses Geschick läßt das Wesende der Technik den Menschen in Solches ein, was er selbst von sich aus weder erfinden, noch gar machen kann; denn so etwas wie einen Menschen, der einzig von sich aus nur Mensch ist, gibt es nicht. Allein,* wenn dieses Geschick, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist, nicht nur für das Menschenwesen, sondern für alles Entbergen als solches, darf dann dieses Schicken noch ein Gewähren heißen? Allerdings, und vollends dann, wenn in diesem Geschick das Rettende wachsen sollte. Jedes Geschick eines Entbergens ereignet sich aus dem Gewähren und als ein solches. Denn dieses trägt dem Menschen erst jenen Anteil am Entbergen zu, den das Ereignis der Entbergung braucht. Als der so Gebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet.b Das Gewährende, das so oder so in die Entbergung schickt, ist als solches das Rettende. Denn dieses läßt den Menschen in die a b

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 31] ob[en] 24** [1962 Die Technik und die Kehre, S. 32] 〈Als der so Gebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet.〉

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höchste Würdea seines Wesens schauen und einkehren. Sie beruht darin, die Unverborgenheit und mit ihr je zuvor die Verborgenheit alles Wesens auf dieser Erde zu hüten. Gerade im Ge-stell*, das den Menschen in das Bestellen als die vermeintlich einzige Weise der Entbergung fortzureißen droht und so den Menschen in die Gefahr der Preisgabe seines freien Wesens stößt, gerade in dieser äußersten Gefahr kommt die innigste, unzerstörbare Zugehörigkeit des Menschen in das Gewährende zum Vorschein, gesetzt, daß wir an unserem Teil beginnen, auf das Wesen der Technik zu achten.** So birgt denn, was wir am wenigsten vermuten, das Wesende der Technik den möglichen Aufgang des Rettenden in sich. Darum liegt alles daran, daß wir den Aufgang bedenken und andenkend hüten. Wie geschieht dies? Vor allem anderen so, daß wir das Wesende in der Technik erblicken, statt nur auf das Technische zu starren. Solange wir die Technik als Instrument vorstellen, bleiben wir im Willen hängen, sie zu meistern. Wir treiben am Wesen der Technik vorbei. Fragen wir indessen, wie das Instrumentale als eine Art des Kausalen west, dann erfahren wir dieses Wesende als das Geschick eines Entbergens. Bedenken wir zuletzt, daß das Wesende des Wesens sich im Gewährenden ereignetb, das den Menschen in den Anteil am Entbergen braucht, dann zeigt sich: Das Wesen der Technik ist in einem hohen Sinne zweideutig. Solche Zweideutigkeit deutet in das Geheimnis aller Entbergung, d. h. der Wahrheit. a b

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 40] 〈höchste Würde〉*** [1962 Die Technik und die Kehre, S. 33] das Eignis selbst –

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Einmal fordert das Ge-stell in das Rasende des Bestellens heraus, das jeden Blick in das Ereignis der Entbergung verstellt und so den Bezug zum Wesen der Wahrheit von Grund auf gefährdet. Zum anderen ereignet sich das Ge-stell seinerseits im Gewährenden*, das den Menschen darin währen läßt, unerfahren bislang, aber erfahrener vielleicht künftig, der Gebrauchtea zu sein zur Wahrnis des Wesens der Wahrheitb.** So erscheint der Aufgang des Rettenden.*** Das Unaufhaltsame des Bestellens und das Verhaltene des Rettenden ziehen aneinander vorbei wie im Gang der Gestirne die Bahn zweier Sterne. Allein, dieser ihr Vorbeigang ist das Verborgene ihrer Nähe. Blicken wir in das zweideutige Wesen der Technik, dann erblicken wir die Konstellation, den Sternengang des Geheimnisses. Die Frage nach der Technik ist die Frage nach der Konstellation, in der sich Entbergung und Verbergung, in der sich das Wesende der Wahrheit ereignet. Doch was hilft uns der Blick in die Konstellation der Wahrheit? Wir blicken in die Gefahr und erblicken das Wachstum des Rettenden. Dadurch sind wir noch nicht gerettet. Aber wir sind daraufhin angesprochen, im wachsenden Licht des Rettenden zu verhoffen. Wie kann dies geschehen? Hier und jetzt und im Geringen so, daß wir das Rettende in seinem Wachstum hegen. Dies schließt ein, daß wir jederzeit die äußerste Gefahr im Blick behalten. Das Wesende der Technik bedroht das Entbergen, droht mit der Möglichkeit, daß alles Entbergen im Bestellen aufa b

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 33] 〈der Gebrauchte〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 41] 33/34

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geht und alles sich nur in der Unverborgenheit des Bestandes darstellt. Menschliches Tun kann nie unmittelbar dieser Gefahr begegnen. Menschliche Leistung kann nie allein die Gefahr bannen. Doch menschliche Besinnung kann bedenken, daß alles Rettende höheren, aber zugleich verwandten Wesens sein muß wie das Gefährdete. Vermöchte es dann vielleicht ein anfänglicher gewährtes Entbergen, das Rettende zum ersten Scheinen zu bringen inmitten der Gefahr, die sich im technischen Zeitalter eher noch verbirgt als zeigt? Einstmals trug nicht nur die Technik den Namen teÂxnh. Einstmals hieß teÂxnh auch jenes Entbergen, das die Wahrheit in den Glanz des Scheinenden hervorbringt. Einstmals hieß teÂxnh auch das Hervorbringen des Wahren in das Schöne. TeÂxnh hieß auch die poiÂhsiw der schönen Künste. Am Beginn des abendländischen Geschickes stiegen in Griechenland die Künste in die höchste Höhe des ihnen gewährten Entbergens. Sie brachten die Gegenwart der Götter, brachten die Zwiesprache des göttlichen und menschlichen Geschickes zum Leuchten. Und die Kunst hieß nur teÂxnh. Sie war ein einziges, vielfältiges Entbergen. Sie war fromm, proµow, d. h. fügsama dem Walten und Verwahren der Wahrheit.* Die Künste entstammten nicht dem Artistischen. Die Kunstwerke wurden nicht ästhetisch genossen. Die Kunst war nicht Sektor eines Kulturschaffens. Was war die Kunst? Vielleicht nur für kurze, aber hohe Zeiten? Warum trug sie den schlichten Namen teÂxnh? Weil sie ein her- und vor-bringendes Entbergen war und darum in die poiÂhsiw gehörte. Diesen Namen erhielt zuletzt jenes a

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 34] 〈 fügsam〉

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Entbergen als Eigennamen, das alle Kunst des Schönen durchwaltet, die Poesie, das Dichterische. Der selbe Dichter, von dem wir das Wort hörten: Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch. sagt uns: … dichterisch wohnet der Mensch auf dieser Erde.* Das Dichterische bringt das Wahre in den Glanz dessen, was Platon im »Phaidros« toÁ eÆkfaneÂstaton nennt, das am reinsten Hervorscheinende. Das Dichterische durchwest jede Kunst, jede Entbergung des Wesenden ins Schöne. Sollten die schönen Künste in das dichterische Entbergen gerufen sein? Sollte das Entbergen sie anfänglicher in den Anspruch nehmen, damit sie so an ihrem Teil das Wachstum des Rettenden eigens hegen, Blick und Zutrauen in das Gewährende neu wecken und stiften? Ob der Kunst diese höchste Möglichkeit ihres Wesens inmitten der äußersten Gefahr gewährt ist, vermag niemand zu wissen. Doch wir können erstaunen. Wovor? Vor der anderen Möglichkeit, daß überall das Rasende der Technik sich einrichtet, bis eines Tages durch alles Technische hindurch das Wesen der Technik west im Ereignis der Wahrheita. Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum muß die wesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Auseinandersetzung mit ihr in eia

[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 43] 〈das Wesen der Technik west im Ereignis der Wahrheit〉**

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nem Bereich geschehen, der einerseits mit dem Wesen der Technik verwandt und andererseits von ihm doch grundverschieden ist*. Ein solcher Bereich ist die Kunst. Freilich nur dann, wenn die künstlerische Besinnung ihrerseits sich der Konstellation der Wahrheit nicht verschließt, nach der wir fragen. Also fragend bezeugen wir den Notstand, daß wir das Wesende der Technik vor lauter Technik noch nicht erfahren, daß wir das Wesende der Kunst vor lauter Ästhetik nicht mehr bewahren. Je fragender wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, um so geheimnisvoller wird das Wesen der Kunst. Je mehr wir uns der Gefahr nähern, um so heller beginnen die Wege ins Rettende zu leuchten, um so fragender werden wir. Denn das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.

DIE FRAGE NACH DER TECHNIK

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Das Wesen des Gestells1 ist das in sich gesammelte Stellen, das seiner eigenen Wesenswahrheit mit der Vergessenheit nachstellt, welches Nachstellen sich dadurch verstellt, daß es sich in das Bestellen alles Anwesenden als den Bestand entfaltet, sich in diesem einrichtet2 und als dieser herrscht. Das Gestell3 west als die Gefahr. Aber bekundet sich damit schon die Gefahr als die Gefahr?4 Nein. Fährnisse und Nöte bedrängen zwar5 allerorten die Menschen übermäßig zu jeder Stunde. Aber die Gefahr, nämlich das in der Wahrheit seines Wesens sich gefährdende Sein6 selbst, bleibt verhüllt und verstellt. Diese Verstellung ist das Gefährlichste der Gefahr. Gemäß dieser Verstellung der Gefahr durch das Bestellen des Gestells7 sieht es immer noch und immer wieder so aus, als sei die Technik ein Mittel in der Hand des Menschen. In Wahrheit aber ist jetzt das Wesen des Menschen dahin bestellt, dem Wesen der Technik an die Hand zu gehen.a a

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 37] S. 40

1

Heidegger-Gesamtausgabe Bd. 79 [= HGA 79]: »Ge-Stells«* HGA 79, Handschrift [= HS] und maschinenschriftliche Abschrift [= MA]: »entfaltet und darin einrichtet«. HGA 79: »Ge-Stell« HS, HGA 79: »Aber ist die Gefahr schon als die Gefahr?« HS, MA, HGA 79: »bedrängen wohl« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stells«

2

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Sagt dies, der Mensch sei der Technik ohnmächtig auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? Nein. Es sagt das reine Gegenteil; nicht nur dies, sondern wesentlich mehr, weil Anderes. Wenn das Gestell1 ein Wesensgeschick des Seins2 selbst ist, dann dürfen wir vermuten, daß sich das Gestell3 als eine Wesensweise des Seins4 unter anderen wandelt. Denn das Geschickliche im Geschick ist, daß es sich in die je eine Schickung schickt. Sich schicken heißt: sich aufmachen, um sich zu fügen in die gewiesene Weisung, auf die ein anderes5, noch verhülltes Geschick wartet. Das Geschickliche geht in sich jeweils auf einen ausgezeichneten Augenblick zu, der es in ein anderes Geschick schickt, worin es jedoch nicht einfach unter- und verloren geht6. Noch sind wir zu unerfahren und zu unbedacht, um das Wesen des Geschichtlichen7 aus Geschick und Schickung und Sichschikken zu denken. Noch sind wir zu leicht geneigt, weil gewohnt, das Geschickliche aus dem Geschehen und dieses als einen Ablauf von historisch feststellbaren Begebenheiten vorzustellen. Wir stellen die Geschichte in den Bereich des Geschehens, statt die Geschichte nach ihrer Wesensherkunft aus dem Geschick zu denken.a Geschick aber ist wesenhaft Geschick des Seins, so zwar,8 daß das Sein selber sich schickt und je als ein Geschick west und demgemäß a

[MA] vgl. unten

1

HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« MA, HGA 79: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »unter und verloren geht« HS, MA, HGA 79: »Geschicklichen« HS, MA: ohne Komma

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sich geschicklich wandelt. Wenn ein Wandel im Sein, d. h. jetzt im Wesen des Gestells1, sich ereignet, dann sagt dies keineswegs, die Technik, deren Wesen im Gestell2 beruht, werde beseitigt. Sie wird weder niedergeschlagen noch gar zerschlagen. Wenn das Wesen der Technik, das Gestell3 als die Gefahr im Sein, das Sein selbst ist4, dann läßt sich die Technik niemals durch ein bloß auf sich gestelltes menschliches Tun meistern, weder positiv noch negativ. Die Technik, deren Wesen das Sein selbst ist, läßt sich durch den Menschen niemals überwinden. Das hieße doch, der Mensch sei der Herr des Seins. Weil jedoch das Sein5 sich als Wesen der Technik in das Gestell6 geschickt hat, zum Wesen des Seins7 aber das Menschenwesen8 gehört, insofern das Wesen des Seins9 das Menschenwesen brauchta, um als Sein nach dem eigenen Wesen inmitten des Seienden gewahrt10 zu bleiben und so als11 das Sein12 zu wesen, deshalb kann das Wesen der Technik nicht ohne die Mithilfe des Menschenwesens in den Wandel sei-

a

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 38] 〈insofern das Wesen des Seins das Menschenwesen braucht〉*

1

HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stell« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »im Seyn, das Seyn selbst ist« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Menschenwesen« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »gewahrt« MA, HGA 79: »als« HS, MA, HGA 79: »Seyn«

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[39]

nes Geschickes geleitet werden. Dadurch wird indes1 die Technik nicht menschlich überwunden. Dagegen2 wird das Wesen der Technik in seine noch verborgene Wahrheit verwunden. Dieses Verwinden ist ähnlich dem, was* geschieht, wenn im menschlichen Bereich ein Schmerz verwunden wird. Die Verwindung eines Seinsgeschickes aber, hier und jetzt die Verwindung des Gestells3, ereignet sich jedesmal aus der An kunft eines anderen Geschickes, das sich weder logisch-historisch vorausberechnen4 noch metaphysisch als Abfolge eines Prozesses der Geschichte konstruieren läßt. Denn5 nie bestimmt das Geschichtliche oder gar das historisch vorgestellte Geschehen das Geschick, sondern jedesmal ist das Geschehen und das ihm zugewiesene Vorstellen seines Bestandes6 schon das Geschickliche eines Geschickes des Seins7. Zur Verwindung des Wesens der Technik wird allerdings der Mensch gebraucht.a Aber der Mensch wird hier in seinem dieser Verwindung entsprechenden Wesen gebraucht.8 Demgemäß muß das Wesen9 des Menschen erst dem Wesen der Technik sich öffnen, was ereignishaft etwas ganz anderes ist10 als der Vorgang, daß die Menschen die a

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 39] 〈 gebraucht〉**

1

HS, MA, HGA 79: »jedoch« HS, MA, HGA 79: »überwunden; wohl dagegen« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: mit Komma HS, MA, HGA 79: »läßt; denn« HS, MA, HGA 79: ohne »und das ihm zugewiesene Vorstellen seines Bestandes« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »gebraucht; aber der Mensch wird hier gebraucht in seinem dieser Verwindung entsprechenden Wesen.« HS: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »was ein völlig anderes Ereignis ist«

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9 10

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Technik und ihre Mittel bejahen und fördern.* Damit aber das Menschenwesen1 achtsam werde auf das Wesen2 der Technik, damit zwischen Technik und Mensch hinsichtlich ihres Wesens sich ein Wesensverhältnis stifte, muß der neuzeitliche Mensch zuvor allererst3 in die Weite seines Wesensraumes zurückfinden. Dieser Wesensraum des Menschenwesens4 empfängt seine ihn fügende Dimension einzig aus dem5 Ver-Hältnis6, als welches die Wahrnis des Seins7 selbst dem Wesen des Menschen als dem von ihm gebrauchten vereignet ist.a ** Anders als so, daß nämlich der Mensch zuvor erst in seinem Wesensraum sich anbaut und darin Wohnung nimmt, vermag der Mensch nichts Wesenhaftes8 innerhalb des jetzt waltenden Geschickes. Wir beachten, dies bedenkend, ein Wort des Meisters Eckehardt9, indem wir es aus seinem Grundeb denken. Es lautet: »die nitt von grossem wesen10 sind, was werk die wirkend, da wirt nit us.« (Reden der Unterscheidung, n. 4)*** Das große Wesen des Menschen denken wir dahin11, daß es dem Wesen des Seins zugehört, von diesem gebraucht ist, das Wesen**** des Seins in seine Wahrheit zu wahren.12 a b 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 39] E [Ereignis] [1962 Die Technik und die Kehre, S. 39] 〈Grunde〉 ! HS: »Menschenwesen« HS: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »allererst einmal« HS, MA, HGA 79: »Menschenwesens aber« HS, MA, HGA 79: »demjenigen« HS, MA, HGA 79: »Verhältnis« HS, MA, HGA 79: »Seyns« MA, HGA 79: mit Komma HGA 79: »Eckhart« HGA 79: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »Das große Wesen des Menschen beruht darin« HGA 79: ohne Absatz

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[40]

Darum ist das zuerst Nötige dies, daß wir zuvor das Wesen1 des Seins2 als das Denk-würdige3 bedenken, daß wir zuvor, sol ches denkend, erfahren, inwiefern wir geheißen sind, solchem Erfahren erst einen Pfad zu spuren und ihn in das bislang Unwegsame zu bahnen4. Dies alles vermögen wir nur, wenn wir vor der5 anscheinend immer nächsten und allein als dringlich erscheinenden Frage: Was sollen wir tun, dies bedenken6: Wie müssen wir denken? Denn7 das Denken ist das eigentliche Handeln, wenn Handelna heißt, dem Wesen des Seins an die Hand gehen.b Dies sagt: dem Wesen des Seins inmitten des Seienden jene Stätte bereiten (bauen)8, in die es sich und sein Wesen zur Sprache bringt. Die Sprache gibt allem Überlegenwollen erst Weg und Steg.9 Ohne die Sprache fehlt jedem Tun jede Dimension, in der es sich umtun und wirken

a

b 1 2 3 4

5 6

7 8

9

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 40] 〈Handeln〉 Handeln vgl. Hu.brief [Humanismusbrief]. Beginn.* [1962 Die Technik und die Kehre, S. 40] ob[en] S. 37 HS, MA, HGA 79: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »Seins überhaupt erst« HS: »das Denk-Würdige« HS, MA, HGA 79: »daß wir zuvor solches denkend erfahren, daß wir zuvor solchem Erfahren einen Pfad spuren und ihn in das bislang Unwegsame bahnen« HS, MA: »wenn wir über die«; HGA 79: »wenn wir vor der« HS, MA: »nächste und allein dringliche Frage, was sollen wir tun, erst und allein dies bedenken«; HGA 79: »nächsten und allein dringlichen Frage, was sollen wir tun, erst und allein dies bedenken« HS, MA, HGA 79: »wie müssen wir denken; denn« HS, MA, HGA 79: »wenn Handeln heißt: dem Wesen des Seyns an die Hand gehen, um ihm jene Stätte zu bereiten« HS, MA, HGA 79: »Ohne die Sprache bleibt alles Überlegenwollen ohne jeden Weg und Steg.«

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könnte. Sprache ist dabei niemals erst Ausdruck des Denkens, Fühlens und Wollens. Sprache ist die anfängliche Dimension, innerhalb deren1 das Menschenwesen überhaupt erst vermag,2 dem Sein und dessen Anspruch zu entsprechen und im Entsprechen dem Sein zu gehören. Dieses anfängliche Entsprechen, eigens vollzogen, ist das Denken.3 Denkend lernen wir erst das Wohnen in dem Bereich, in dem sich die Verwindung des Seinsgeschickes, die Verwindung des Gestells4, ereignet. Das Wesen des Gestells5 ist die Gefahr. Als die Gefahr kehrt sich das Sein in die Vergessenheit seines Wesens von diesem Wesen weg und kehrt sich so zugleich gegen die Wahrheit seines Wesens. In der Gefahr waltet dieses noch nicht bedachte Sich-kehren. Im Wesen der Gefahr verbirgt6 sich darum die Möglichkeit einer Kehre, in der die Vergessenheit des Wesens des Seins sich so wendet, daß mit dieser Kehre7 die Wahrheit des Wesens des Seins8 in das Seiende eigens einkehrt. Vermutlich aber ereignet sich diese9 Kehre, diejenige der Vergessenheit des Seins zur Wahrnis des Wesens des Seins10, nur, wenn die in ihrem verborgenen Wesen kehrige Gefahr erst einmal alsa die Gefahr, die sie ist, eigens ans a

[1962 Die Technik und die Kehre, S. 40] 〈als〉

1

HGA 79: »derer« HS: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Dieses anfängliche Entsprechen, eigens vollzogen, ist das Denken.« HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: »verbirgt« HS: »mit dieser Kehre«; MA, HGA 79: »mit dieser Kehre« HS, MA, HGA 79: »Seyns« MA, HGA 79: »diese« HS, MA, HGA 79: »Seyns«

2 3

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Licht kommt.1 Vielleicht stehen wir bereits im vorausgeworfenen Schatten der An kunft dieser2 Kehre. Wann und wie sie sich geschicklich ereignet, weiß niemand. Es ist auch nicht nötig, solches zu wissen. Ein Wissen dieser Art wäre sogar das Verderblichste für den Menschen, weil sein Wesen ist, der Wartende zu sein, der des Wesens des Seins3 wartet, indem er es denkend hütet. Nur wenn der Mensch als der Hirt des Seins der Wahrheit des Seins4 wartet, kann er5 eine Ankunft des Seinsgeschickes6 erwarten, ohne in das bloße Wissenwollen zu verfallen. Wie aber ist es dort,7 wo die Gefahr als die Gefahr sich ereignet und so erst unverborgen die Gefahr ist8?9 Um die Antwort auf diese Frage zu hören, achten wir auf den Wink, der in einem Wort Hölderlins aufgespart ist. In der Spätfassung der Hymne »Patmos« (ed. von Hellingrath, IV, 227)10 sagt der Dichter am Beginn: Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.* Denken wir jetzt dieses Wort noch wesentlicher als der Dichter es dichtete, denken wir es aus in das Äußerste, dann

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

HS, MA, HGA 79: »eigens anwest.« MA, HGA 79: »dieser« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »er überhaupt« HGA 79: »des anderen Seinsgeschickes«** HS, MA, HGA 79: »Wie aber ist es,« HS: »die Gefahr ist« HGA 79: ohne Absatz HS: »›Patmos‹ (IV, 2227)«; MA: »›Patmos‹ (IV, 2, 227)«

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sagt es:1 Wo die Gefahr als die Gefahr ist2, gedeiht auch schon3 das Rettende. Dieses stellt sich nicht nebenher ein. Das Rettende steht nicht neben der Gefahr. Die Gefahr selber ist, wenn sie als4 die Gefahr ist, das Rettende. Die Gefahr ist5 das Rettende, insofern sie aus ihrem verborgen kehrigen Wesen6 das Rettende bringt. Was heißt »retten«? Es besagt: lösen, freimachen, freien7, schonen, bergen, in die Hut nehmen, wahren. Lessing gebraucht noch das Wort »Rettung«8 betonterweise in dem Sinne von Rechtfertigung: in das Rechte, Wesenhafte zurückstellen, darin9 wahren. Das eigentlich Rettende ist das Wahrende, die Wahrnis. Wo aber ist die Gefahr? Welches ist der Ort für sie? Insofern die10 Gefahr das Sein11 selber ist, ist sie nirgendwo und überall. Sie hat keinen Ort als etwas anderes zu ihr selber.12 Sie ist selbst die ortlose Ortschaft alles Anwesens. Die Gefahr ist die Epoche des Seins13,14 wesend als das Gestell15. Ist die Gefahr als Gefahr16, dann ereignet sich eigens ihr 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16

HS, MA, HGA 79: hier Absatz HS: »ist« HS: »ist schon«; MA, HGA 79: »ist schon« HS, MA, HGA 79: »als« HS: »ist« HS, MA, HGA 79: »aus ihrem Wesen« HS, MA, HGA 79: »freyen« HS, MA, HGA 79: ohne Anführungszeichen HS, HGA 79: »zurückstellen und darin«; MA: »zurückstellen darin« HS: »die« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Sie hat keinen Ort.« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: ohne Komma HGA 79: »Ge-Stell« HS: »Ist die Gefahr als die Gefahr«; MA, HGA 79: »Ist die Gefahr als Gefahr«

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Wesen. Die Gefahr ist aber das Nachstellen, als welches das Sein1 selber in der Weise des Gestells2 der Wahrnis des Seins3 mit der Vergessenheit nachsetzt. Im Nachstellen west dies, daß das Sein4 seine Wahrheit in die Vergessenheit ent-setzt, dergestalt, daß das Sein5 sein Wesen verweigert. Wenn sonach die Gefahr als die Gefahr ist6, dann ereignet sich eigens das Nachstellen, als welches das Sein7 selber8 seiner Wahrheit mit der Vergessenheit nachstellt. Wenn dieses mit-Vergessenheit-Nachstellen9 eigens sich ereignet, dann kehrt die Vergessenheit als solche ein. Dergestalt durch die Einkehr dem Entfallena entrissen, ist sie nicht mehr Vergessenheit. Bei solcher Einkehr ist die Vergessenheit der Wahrnis des Seins10 nicht mehr die Vergessenheit des Seins11, sondern einkehrend kehrt sie sich in die Wahrnis des Seins12. Wenn die Gefahr als die Gefahr ist, ereignet sich mit13 der Kehre der Vergessenheit die Wahrnis des Seins14, ereignet sich Weltb. (Vgl. Vorträge und Aufsätze, S. 163 ff.: »Das

a b 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

[MA] »Entfallen« / ? [MA] »sich Welt« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS: »als die Gefahr ist« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS: »selbst« HS, MA, HGA 79: »mit Vergessenheit-Nachstellen« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: »mit« HS, MA, HGA 79: »Seyns«

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Ding«)1 * Daß Welt sich ereigne als Welt, daß dinge das Ding, dies ist die ferne Ankunft des Wesens des Seins2 selbst. Das mit Vergessenheit sich nachstellende Sichverweigern der Wahrheit des Seins3 birgt die noch ungewährte Gunst, daß dieses Sichnachstellen sich kehrt, daß in solcher Kehre die Vergessenheit sich wendet und zur Wahrnis des Wesens des Seins4 wird, statt dieses Wesen in die Verstellung entfallen zu lassen. Im Wesen der Gefahr west und wohnt eine Gunst, nämlich die Gunst der Kehre der Vergessenheit des Seins5 in die Wahrheit des Seins6. Im Wesen der Gefahr, wo sie als die Gefahr ist, ist die Kehre zur Wahrnis, ist diese Wahrnis selbst, ist7 das Rettende des Seins8. Wenn in der Gefahr sich die Kehre ereignet, kann dies nur unvermittelt geschehen. Denn das Sein9 hat nicht seinesgleichen neben sich. Es wird nicht von anderem bewirkt, noch wirkt es selbst. Sein10 verläuft nicht und nie in einem kausalen Wirkungszusammenhang. Der Weise, wie es,11 das Sein12 selber,13 sich schickt, geht nichts Bewirkendes als Sein14 voraus und folgt keine Wirkung als Sein15 nach. Steil 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

HS, MA, HGA 79: ohne Verweis auf Vorträge und Aufsätze HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: »ist, ist die Kehre zur Wahrnis, ist diese Wahrnis selbst, ist« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn«

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aus seinem eigenen Wesen der Verborgenheit ereignet sich Sein1 in seine Epoche.* Darum müssen wir beachten:2 Die Kehre der Gefahr ereignet sich jäh. In der Kehre lichtet sich jäh die Lichtung des Wesens des Seins3. Das jähe Sichlichten ist das Blitzen. Es bringt sich selbst in die mitund eingebrachte eigene Helle. Wenn in der Kehre der Gefahr die Wahrheit des Seins4 blitzt, lichteta sich das Wesen des Seins. Dann kehrt5 die Wahrheit des Wesens des Seins6 ein.7 Wohin ereignet sich Einkehr? Nirgendwo anders hin als in das bislang aus der Vergessenheit seiner Wahrheit wesende Sein8 selber. Dieses Sein9 selber aber west als das Wesen der Technik. Das Wesen der Technik ist das Gestell10. Die Einkehr als Ereignis der Kehre der Vergessenheit kehrt in das ein, was jetzt die Epoche des Seins ist.11 Das, was eigentlich ist12, ist keineswegs dieses oder jenes Seiende. Was eigentlich ist, d. h. eigens im Ist13 wohnt und west, ist einzig das Sein. Nur das Sein »ist«, nur im Sein und als

a

[MA] »lichtet«

1

HS: »ereignet sich Seyn je«, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns; kehrt« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-stell« HS: »Seyns ist?« MA, HGA 79: »Seyns ist.« HS: »Das, was ist«; MA, HGA 79: »Das, was ist« HS: »ist, und d. h. eigens im Ist«, MA, HGA 79: »ist, und d. h. eigens im Ist«

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Sein1 ereignet sich, was das »ist« nennt; das,2 was ist, ist das Sein3 aus seinem Wesen. »Blitzen« ist dem Wort und der Sache nach: blicken. Im Blick und als Blick tritt das Wesen in sein eigenes Leuchten. Durch das Element seines Leuchtens hindurch birgt der Blick sein Erblicktes in das Blicken zurück. Das4 Blicken aber wahrt im Leuchten zugleich das verborgene Dunkel seiner Herkunft als das Ungelichtete. Einkehr des Blitzes der Wahrheit des Seins5 ist Einblick. Die Wahrheit des Seins6 dachten wir im Welten von Welt als das Spiegel-Spiel des Gevierts von Himmel und Erde, Sterblichen und Göttlichen. (Vgl. Vorträge und Aufsätze, a. a. O.)7 * Wenn die Vergessenheit sich kehrt, wenn Welt als Wahrnis des Wesens des Seins8 einkehrt, ereignet sich der Einblitz von Welt in die Verwahrlosung des Dinges. Diese ereignet sich in der Weise der Herrschaft des Gestells9. Einblitz von Welt in das Gestell10 ist Einblitz der Wahrheit des Seins11 in das wahrlose Sein. Einblitz ist Ereignis im Sein12 selbst. Ereignis ist eignende Eräugnis13. Einblick in das was ist – dieser Titel nennt jetzt das Ereignis der Kehre im Sein14, die Kehre der Verweigerung 1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

HS, MA, HGA 79: »Seyn. Nur das Seyn ›ist‹, nur im Seyn und als Seyn« HGA 79: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »zurück; das« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: ohne Verweis auf Vorträge und Aufsätze HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: ohne: »Ereignis ist eignende Eräugnis.« HS, MA, HGA 79: »Seyn«

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seines Wesens in das Ereignen seiner Wahrnis.1 a Einblick in das2 was ist, ist das3 Ereignis selber, als welches die Wahrheit des Seins4 zum wahrlosen Sein5 sich verhält und steht. Einblick in das6 was ist, – dies nennt die Konstellation im Wesen des Seins7.* Diese Konstellation ist die Dimension, in der das Sein8 als die Gefahr west.9 Zunächst und beinahe bis zuletzt schien es so, als bedeute »Einblick in das10 was ist« nur einen Blick, den wir Menschen von uns aus in das werfen, was ist. Das, was ist, nimmt man gewöhnlich als das Seiende. Denn11 vom Seienden wird das12 »ist« ausgesagt. Jetzt aber hat sich alles gekehrt. Einblick nennt nicht unsere Einsicht, die wir in das Seiende nehmen, Einblick als Einblitz ist das Ereignis der Konstellation der Kehre im Wesen des Seins13 selber, und zwar in14 der Epoche des Gestells15. Das, was ist, ist keineswegs das Seiende. Denn dem Seienden wird das »es ist« und das »ist« nur insofern zugesprochen, als das Seiende hinsichtlich seines Seins angesprochen wird. Im »ist« wird a

[MA] V-H [Ver-Hältnis] [?] [Vier Hefte] [?]**

1

HS: Gedankenstrich statt Punkt HS, MA, HGA 79: »das,« HS: »das« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »das,« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« MA, HGA 79: ohne Absatz HGA 79: »das,« HS, MA, HGA 79: »Seiende, denn« HS: »wird doch, das«; MA, HGA 79: »wird doch das« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »selber in« HGA 79: »Ge-Stells«

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»Sein« ausgesprochen; das, was in dem Sinne »ist«1, daß es das Sein des Seienden ausmacht, ist das Sein. Das Bestellen des Gestells2 stellt sich vor das Ding, läßt es als Ding ungewahrt, wahrlos. So verstellt das Gestell3 die im Ding nähernde Nähe von Welt. Das Gestell4 verstellt sogar noch dieses sein Verstellen, so wie das Vergessen von etwas sich selber vergißt und sich in den Sog der Vergessenheit wegzieht. Das Ereignis der Vergessenheit läßt nicht nur in die Verborgenheit entfallen, sondern dieses Entfallen selbst entfällt mit in die Verborgenheit, die selber noch bei diesem Fallen wegfällt. Und dennoch – in allem Verstellen des Gestells5 lichtet sich der6 Lichtblick von Welt, blitzt Wahrheit des Seins7. Dann nämlich, wenn das Gestell8 sich in seinem Wesen als die Gefahr lichtet9, d. h. als das Rettende10. Im Gestell11 noch als einem Wesensgeschick des Seins west ein Licht vom Blitz des Seins12. Das Gestell13 ist, obzwar verschleiert, noch Blick, kein blindes Geschick im Sinne eines völlig verhangenen Verhängnisses.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

HS, MA, HGA 79: »das, was ist in dem Sinne« HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stell« HGA 79: »Ge-Stell« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: »noch der« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stell« HS: »wenn das Gestell in seinem Wesen als die Gefahr sich lichtet« HS, MA, HGA 79: ohne », d. h. als das Rettende« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stell«

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Einblick in das was ist – so heißt der Blitz der Wahrheit des Seins1 in das wahrlose Sein. Wenn2 Einblick sich ereignet, dann sind die Menschen die vom Blitz des Seins3 in ihr Wesen Getroffenen.* Die Menschen sind die im Einblick Erblickten. Erst wenn das Menschenwesen im Ereignis des Einblickes als das von diesem Erblickte dem menschlichen Eigensinn entsagt und sich dem Einblick zu, von sich weg, ent-wirft4, entspricht5 der Mensch in seinem Wesen dem Anspruch des Einblickes. So entsprechend ist der Mensch ge-eignet6, daß er im7 gewahrten Element von Welt als der Sterbliche dem Göttlichen entgegenblickt.8 Anders nicht; denn auch der Gott ist, wenn er ist, ein Seiender, steht als Seiender im Sein9 und dessen Wesen, das sich aus dem Welten von Welt ereignet. Erst wenn Einblick sich ereignet, lichtet sich das Wesen der Technik als das Gestell10, erkennen wir11, wie im Bestellen des Bestandes die Wahrheit des Seins12 als Welt verweigert bleibt, merken wir, daß alles bloße Wollen und Tun nach der Weise des Bestellens in der Verwahrlosung beharrt. So bleibt denn auch alles bloße Ordnen der universalhistorisch vorgestellten Welt wahr- und bodenlos. Alle 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: »Wenn« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »seiner sich ent-wirft« HS, HGA 79: »ent-spricht« MA, HGA 79: «geeignet« HS: »im« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stell« HS: »wir« HS, MA, HGA 79: »Seyns«

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bloße Jagd auf die Zukunft, ihr Bild in der Weise zu errechnen1, daß man halb gedachtes Gegenwärtiges in das verhüllte Kommende verlängert, bewegt sich selber noch in der Haltung des technisch-rechnenden Vorstellens. Alle Versuche, das bestehende Wirkliche morphologisch, psychologisch auf Verfall und Verlust, auf Verhängnis und Katastrophe, auf Untergang zu verrechnen, sind nur ein technisches Gebaren. Es operiert mit der Apparatur der Aufzählung von Symptomen, deren Bestand ins Endlose2 vermehrt und immer neu variiert werden kann. Diese Analysen der Situation merken nicht, daß sie nur im Sinne und nach der Weise der technischen Zerstückung arbeiten und so dem technischen Bewußtsein die ihm gemäße historischtechnische Darstellung des Geschehens liefern. Aber kein historisches Vorstellen der Geschichte als Geschehen bringt in den schicklichen Bezug zum Geschick und vollends nicht zu dessen Wesensherkunft im Ereignis der Wahrheit des Seins.3 Alles nur Technische gelangt nie in das Wesen der Technik. Es vermag nicht einmal seinen Vorhof zu erkennen4.5 Darum beschreiben wir, indem wir versuchen, den Einblick in das, was ist, zu sagen, nicht die Situation der Zeit. Die Konstellation des Seins sagt sich uns zu.6 Aber wir hören noch nicht, wir, denen unter der Herr1 2 3

4 5 6

HS, MA, HGA 79: »ihr Bild zu errechnen in der Weise« HS, MA, HGA 79: »endlose« HS, MA, HGA 79: ohne den Satzteil: »und vollends nicht zu dessen Wesensherkunft im Ereignis der Wahrheit des Seins.« HS, MA, HGA 79: »kennen« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Die Konstellation des Seyns spreche uns an.«

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schaft der Technik Hören und Sehen durch Funk und Film vergeht. Die Konstellation des Seins1 ist die Verweigerung von Welt als die Verwahrlosung des Dinges.a Verweigerungb ist nicht nichts, sie ist das höchste Geheimnis des Seins2 innerhalb der Herrschaft des Gestells3. Ob der Gott lebt oder tot bleibt, entscheidet sich nicht durch die Religiosität der Menschen und noch weniger durch theologische Aspirationen der Philosophie und der Naturwissenschaft. Ob Gott Gott ist4, ereignet sich aus der Konstellation des Seins5 und innerhalb ihrer.6 Solange wir nicht denkend erfahren, was ist, können wir nie dem gehören, was sein7 wird. Ereignet sich Einblick in das was ist? Werden wir als die Erblickten in den Wesensblick des Seins so eingeholt8, daß wir ihm nicht mehr entgehen? Gelangen wir dadurch in das Wesen der Nähe9, die im Ding dingend Welt nähert? Wohnen wir einheimisch in der Nähe, so daß wir an fänglich in das Geviert von Himmel und Erde, Sterblichen und Göttlichen gehören? Ereignet sich Einblick in das was ist? Entsprechen wir

a

b 1 2 3 4 5 6 7 8 9

[MA] Vg. d. U. [Vergessen des Unterschieds] [?] die Sprache* [MA] V-H [Ver-Hältnis] [?] [Vier Hefte] [?]** HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stells« HS: »ist« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »seyn« HS, MA, HGA 79: »des Seyns eingeholt« HS, MA, HGA 79: »Gelangen wir so in das Wesen der Nähe«

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dem Einblick durch ein Blicken, das in das Wesen1 der Technik blickt und in ihm das Sein2 selbst gewahrt? Sehen wir den Blitz des Seins3 im Wesen der Technik? Den Blitz, der aus der Stille kommt als sie selbst? Die Stille stillt. Was stillt sie? Sie stillt Sein4 in das Wesen von Welt.a Daß Welt, weltend, das Nächste sei alles Nahen, das naht, indem es die Wahrheit des Seins5 dem Menschenwesen nähert und so den Menschen dem Ereignis vereignet.b

a b 1 2 3 4 5

[MA] Sprache!* [HS] Nachwort. Ein Brief an einen jungen Studenten.** HS: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyns«

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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS

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[Anm. d. Hrsg.: In seinem Handexemplar zu Die Technik und die Kehre hat Heidegger auf dem Nachsatzblatt ein Stichwort mit einem internen Seitenverweis eingefügt, das hier wiedergegeben wird.] Brauch S. 32 f.

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Editorische Notiz zu »Die Technik und die Kehre« Der Einzelband Die Technik und die Kehre erschien erstmals 1962 im Verlag Günther Neske in Pfullingen. In seiner »Vorbemerkung« äußert sich Martin Heidegger zu den Entstehungsumständen der beiden in diesem Einzelband versammelten Vorträge »Die Frage nach der Technik» und »Die Kehre« (vgl. in vorliegender Ausgabe S. 135). »Die Frage nach der Technik« (ursprünglich »Das Ge-stell«) und »Die Kehre« hat Heidegger als zwei von vier Vorträgen unter dem Gesamttitel »Einblick in das was ist« im Club zu Bremen am 1. Dezember 1949 gehalten. 1994 wurden alle vier Vorträge (»Das Ding«, »Das Ge-stell«, »Die Gefahr«, »Die Kehre«) in der Heidegger-Gesamtausgabe im Verlag Vittorio Klostermann publiziert: Martin Heidegger, Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, S. 5–77. Den Vortrag »Das Gestell«, den Heidegger 1949 in Bremen gehalten hatte, wiederholte er im März 1950 auf »Bühlerhöhe« bei Baden-Baden. Den Vortrag »Die Frage nach der Technik« hielt er am 18. November 1953 in Auditorium Maximum der Technischen Universität München in der Vortragsreihe »Die Künste im technischen Zeitalter« und am 10. Februar 1954 im Paulussaal der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. Die von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste veranstaltete Vortragsreihe wurde unter der Leitung von Emil Preetorius vom 16. bis 20. November 1953 abgehalten. EDITORISCHE NOTIZ

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Die anderen Vorträge der Reihe waren: Romano Guardini: »Die Situation des Menschen« Werner Heisenberg: »Das Naturbild der heutigen Physik« Emil Preetorius: »Die Bildkunst« Friedrich Georg Jünger: »Die Sprache« Walter Riezler: »Die Musik« Manfred Schröter: »Bilanz der Technik. Schlußwort« Erstmals erschien »Die Frage nach der Technik« in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, Redaktion Clemens Graf Podewils, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108. Im selben Jahr nahm Heidegger den Beitrag in seine Sammlung Vorträge und Aufsätze (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 13 – 44) auf. In seinem Handexemplar dieser Ausgabe hat Martin Heidegger zur Überschrift »Die Frage nach der Technik« handschriftlich folgenden Zusatz eingetragen: »früher Bremen Dez. 1949 – Einblick i[n] d[as] was ist. März 1950 Bühlerhöhe.« Im Band 80.2. der Heidegger-Gesamtausgabe wurde ein undatierter Entwurf, der dem Münchener Vortrag vom 18. November 1953 vorausgeht, veröffentlicht: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik. Entwurf (vor dem 18. November 1953)«, in: Ders., Vorträge. Teil 2: 1935 – 1967, nach den Handschriften hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 1091 – 1111. Weitere wichtige Texte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Themen von Heideggers Vortrag »Die Frage nach der Technik« stehen, sind im Band 76 der Gesamtausgabe erschienen: Martin Heidegger, Leitgedanken zur Entstehung der Metaphysik, der neuzeitlichen Wissenschaft und der modernen Technik, hrsg. von Claudius Strube,

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Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 76), 2009, hier bes. S. 285–379. Vgl. außerdem Martin Heidegger, »Brief an Takehiko Kojima« (1963), in: Ders., Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 153– 161. Grundlage des hier präsentierten Textes von »Die Technik und die Kehre« ist die Buchausgabe Die Technik und die Kehre von 1962 einschließlich der handschriftlichen Annotationen Heideggers in seinen Handexemplaren der ersten und der dritten Auflage (1967). Aufgenommen wurden auch die handschriftlichen Varianten, die in den anderen für diese Schrift relevanten Handexemplaren vorhanden sind. Zur Unterscheidung der verschiedenen annotierten Handexemplare wurden von den Herausgebern jeweils Verweise in eckigen Klammern hinzugefügt. [1954 Gestalt und Gedanke] Editorische Verweise auf die Jahreszahl 1954 mit dem Zusatz »Gestalt und Gedanke« und mit Seitenangaben beziehen sich auf Heideggers Handexemplar (Sonderdruck) der Erstveröffentlichung seines Vortrags »Die Frage nach der Technik« in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108. [1954 Vorträge und Aufsätze] Editorische Verweise auf die Jahreszahl 1954 mit dem Zusatz »Vorträge und Aufsätze« und mit Seitenangaben beziehen sich auf Heideggers Handexemplar der ersten Auflage von Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954. Heideggers Seitenverweise (vgl. z. B. in vorliegender Ausgabe S. 152 unter a) beziehen sich auf diese Ausgabe. [1962 Die Technik und die Kehre] Der editorische Verweis

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auf die Jahreszahl 1962 bezieht sich auf Heideggers Handexemplar der Erstausgabe von Die Technik und die Kehre, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962. [31967/II Vorträge und Aufsätze] Der editorische Verweis 3 » 1967/II Vorträge und Aufsätze« (mit Seitenangaben) bezieht sich auf Heideggers Handexemplar der dritten Auflage von Vorträge und Aufsätze, die 1967 in drei Teilbändchen erschien. Hier sind die Annotationen Heideggers insgesamt dem zweiten Teilbändchen (Vorträge und Aufsätze II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 3. Auflage 1967) entnommen. Der Vortrag »Die Kehre« wurde erstmals 1962 in Die Technik und die Kehre im Verlag Günther Neske veröffentlicht. Die im Band 11 der Heidegger-Gesamtausgabe präsentierte Fassung von »Die Kehre« (Martin Heidegger, »Die Kehre« in: Ders., Identität und Differenz (HGA 11), a. a. O., S. 113–124) enthält einen wichtigen Text zum Verständnis dieser Schrift: Martin Heidegger, »Ein Vorwort. Brief an Pater William J. Richardson (1962)«, ebd., S. 143– 152. Die in HGA 11 präsentierte Version von »Die Kehre« ist identisch mit dem Text der Neske-Ausgabe von 1962 und wird deshalb hier nicht eigens vermerkt. Anders verhält es sich mit der Version, die in der Heidegger-Gesamtausgabe Bd. 79 erschienen ist: Martin Heidegger, »Die Kehre« in: Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, S. 68 – 77. Diese Fassung stützt sich auf die Handschrift [HS] und die maschinenschriftliche Abschrift [MA] des Vortrags »Die Kehre«. Beim Vergleich der verschiedenen Fassungen (HS / MA / Neske-Ausgabe / HGA 79) stellte sich heraus, dass zahlreiche Varianten existieren. Auf diese Varianten wird mittels arabisch nummerierter Fußnoten verwiesen. 198

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Die handschriftliche Fassung von »Die Kehre« enthält Unterstreichungen, die im gedruckten Text nicht notiert wurden. Angesichts der zentralen Bedeutung, die dieser viel kommentierte Text nicht nur im Denken Martin Heideggers, sondern innerhalb der Philosophiegeschichte insgesamt einnimmt, wird das Faksimile der Handschrift und deren Transkription zum Herunterladen (als Download, siehe S. 4) zur Verfügung gestellt. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe von Die Technik und die Kehre (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962). Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In weiteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen der jeweiligen Ausgaben um bis zu plus vier Seiten. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Diese sind im Anhang aufzufinden. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen, interne Seitenverweise), die Heidegger in seinen persönlichen Handexemplaren handschriftlich vermerkt hat. Unterstreichungen Heideggers wurden kursiviert. Heideggers Trennungen von Wörtern wie »Her-vorbringen« oder »Ge-stell« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die für Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.

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WAS IST DAS – DIE PHILOSOPHIE?

Vortrag, gehalten in Cerisy-la-Salle/Normandie im August 1955 zur Einleitung eines Gespräches*

QU’EST-CE QUE LA PHILOSOPHIE? WAS IST DAS – DIE PHILOSOPHIE? it dieser Frage rühren wir an ein Thema, das sehr weit, d. h. ausgedehnt ist. Weil das Thema weit ist, bleibt es unbestimmt. Weil es unbestimmt ist, können wir das Thema unter den verschiedenartigsten Gesichtspunkten behandeln. Dabei werden wir immer etwas Richtiges treffen. Weil jedoch bei der Behandlung dieses weitläufigen Themas alle nur möglichen Ansichten durcheinanderlaufen, kommen wir in die Gefahr, daß unser Gespräch ohne die rechte Sammlung bleibt. Darum müssen wir versuchen, die Frage genauer zu be stimmen. Auf solche Weise bringen wir das Gespräch in eine feste Richtung. Das Gespräch wird dadurch auf einen Weg gebracht. Ich sage: auf einen Weg. Damit geben wir zu, daß dieser Weg gewiß nicht der einzige Weg ist. Es muß sogar offen bleiben, ob der Weg, auf den ich im folgenden hinweisen möchte, in Wahrheit ein Weg ist, der uns erlaubt, die Frage zu stellen und zu beantworten. Nehmen wir einmal an, wir könnten einen Weg finden, die Frage genauer zu bestimmen, dann erhebt sich sogleich ein schwerwiegender Einwand gegen das Thema unseres Gespräches. Wenn wir fragen: Was ist das – die Philosophie?, dann sprechen wir über die Philosophie. Indem wir auf diese Weise fragen, bleiben wir offenbar auf einem Standort oberhalb, und d. h. außerhalb der Philosophie. Aber das Ziel unserer Frage ist, in die Philosophie hinein-

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zukommen, in ihr uns aufzuhalten, nach ihrer Weise uns zu verhalten, d. h. zu »philosophieren«. Der Weg unserer Gespräche muß deshalb nicht nur eine klare Richtung haben, sondern diese Richtung muß uns zugleich auch die Gewähr bieten, daß wir uns innerhalb der Philosophie bewegen und nicht außen um sie herum. Der Weg unserer Gespräche muß also von einer Art und Richtung sein, daß das, wovon die Philosophie handelt, uns selbst angeht, uns berührt (nous touche), und zwar uns in unserem Wesen. Aber wird die Philosophie dadurch nicht zu einer Sache der Affektion, der Affekte und der Gefühle? »Mit den schönen Gefühlen macht man die schlechte Literatur.« »C’est avec les beaux sentiments que l’on fait la mauvaise litte´rature.«1 Dieses Wort von Andre´ Gide gilt nicht nur von der Literatur, es gilt mehr noch für die Philosophie. Gefühle, auch die schönsten, gehören nicht in die Philosophie. Gefühle, sagt man, sind etwas Irrationales. Die Philosophie dagegen ist nicht nur etwas Rationales, sondern die eigentliche Verwalterin der Ratio.a Indem wir dies behaupten, haben wir unversehens etwas darüber entschieden, was die Philosophie ist. Wir sind unserer Frage mit einer Antwort schon vorausgeeilt. Jedermann hält die Aussage, daß die Philosophie eine Sache der Ratio sei, für richtig. Vielleicht ist diese Aussage dennoch eine voreilige und überstürzte Antwort auf die Fra ge: Was ist das – die Philosophie? Denn wir können dieser Antwort sogleich neue Fragen entgegensetzen. Was ist das – die Ratio, die Vernunft? Wo und durch wen wurde entschieden, was die Ra-

1

Andre´ Gide, Dostoı¨ewsky. Paris 1923; p. 247.*

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[2] daß in der Philosophie zum Walten komme.

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tio ist? Hat sich die Ratio selbst zur Herrin der Philosophie gemacht? Wenn »ja«, mit welchem Recht? Wenn »nein«, woher empfängt sie ihren Auftrag und ihre Rolle? Wenn das, was als Ratio gilt, erst und nur durch die Philosophie und innerhalb des Ganges ihrer Geschichte festgelegt wurde, dann ist es kein guter Rat, die Philosophie zum voraus als Sache der Ratio auszugeben. Sobald wir jedoch die Kennzeichnung der Philosophie als eines rationalen Verhaltens in Zweifel ziehen, wird in gleicher Weise auch bezweifelbar, ob die Philosophie in den Bereich des Irrationalen gehöre. Denn wer die Philosophie als irrational bestimmen will, nimmt dabei das Rationale zum Maßstab der Abgrenzung und zwar in einer Weise, daß er wiederum als selbstverständlich voraussetzt, was die Ratio ist. Wenn wir andererseits auf die Möglichkeit hinweisen, daß das, worauf die Philosophie sich bezieht, uns Menschen in unserem Wesen angeht und uns be-rührt, dann könnte es sein, daß diese Affektion durchaus nichts mit dem zu tun hat, was man gewöhnlich Affekte und Gefühle, kurz das Irrationale nennt. Aus dem Gesagten entnehmen wir zunächst nur dieses eine: Es bedarf einer höheren Sorgfalt, wenn wir es wagen, ein Gespräch unter dem Titel »Was ist das – die Philosophie?« zu beginnen. Das erste ist, daß wir versuchen, die Frage auf einen klar gerichteten Weg zu bringen, damit wir nicht in beliebigen und nicht in zufälligen Vorstellungen über die Philosophie umhertreiben. Doch wie sollen wir einen Weg finden, auf dem wir in einer zuverlässigen Weise unsere Frage bestimmen? Der Weg, auf den ich jetzt hinweisen möchte, liegt unmittelbar vor uns. Und nur deshalb, weil er der nächstliegende ist, finden wir ihn schwer. Wenn wir ihn aber gefun-

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den haben, dann bewegen wir uns trotzdem immer noch unbeholfen auf ihm. Wir fragen: Was ist das – die Philosophie? Wir haben das Wort »Philosophie« schon oft genug ausgesprochen. Wenn wir aber das Wort »Philosophie« jetzt nicht mehr wie einen abgebrauchten Titel verwenden, wenn wir statt dessen das Wort »Philosophie« aus seinem Ursprung hören, dann lautet es: filosofiÂa. Das Wort »Philosophie« spricht jetzt griechisch. Das griechische Wort ist als griechisches Wort ein Weg. Dieser liegt einerseits vor uns, denn das Wort ist uns seit langer Zeit vorausgesprochen. Andererseits liegt er schon hinter uns, denn wir haben dieses Wort immer schon gehört und gesagt. Demgemäß ist das griechische Wort filosofiÂa ein Weg, auf dem wir unterwegs sind. Doch wir kennen diesen Weg nur ganz undeutlich, obwohl wir viele historische Kenntnisse über die griechische Philosophie besitzen und ausbreiten können. Das Wort filosofiÂa sagt uns, daß die Philosophie etwas ist, was erstmals die Existenz des Griechentums bestimmt. Nicht nur das – die filosofiÂa bestimmt auch den innersten Grundzug unserer abendländisch-europäischen Geschichte. Die oft gehörte Redeweise von der »abendländisch-europäischen Philosophie« ist in Wahrheit eine Tautologie. Warum? Weil die »Philosophie« in ihrem Wesen griechisch ist –, griechisch heißt hier: Die Philosophie ist im Ursprung ihres Wesens von der Art, daß sie zuerst das Griechentum, und nur dieses, in Anspruch genommen hat, um sich zu entfalten. Allein – das ursprünglich griechische Wesen der Philosophie wird in der Epoche seines neuzeitlich-europäischen Waltens von Vorstellungen des Christentums geleitet und beherrscht. Die Herrschaft dieser Vorstellungen ist durch das Mittelalter vermittelt. Gleichwohl kann man nicht sagen, die Philosophie werde dadurch christlich, d. h. zu einer

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Sache des Glaubens an die Offenbarung und die Autorität der Kirche. Der Satz: Die Philosophie ist in ihrem Wesen griechisch, sagt nichts anderes als: das Abendland und Europa, und nur sie, sind in ihrem innersten Geschichtsgang ursprünglich »philosophisch«. Das wird durch die Entstehung und Herrschaft der Wissenschaften bezeugt. Weil sie dem innersten abend ländisch-europäischen Geschichtsgang, nämlich dem philosophischen entstammen, deshalb sind sie heute imstande, der Geschichte des Menschen auf der ganzen Erde die spezifische Prägung zu geben. Überlegen wir uns einen Augenblick, was es bedeutet, daß man ein Weltalter der Menschengeschichte als »Atomzeitalter« kennzeichnet. Die durch die Wissenschaften entdeckte und freigesetzte Atomenergie wird als diejenige Macht vorgestellt, die den Geschichtsgang bestimmen soll. Die Wissenschaften gäbe es freilich niemals, wenn ihnen nicht die Philosophie vorher- und vorausgegangen wäre. Die Philosophie aber ist: hë filosofiÂa. Dieses griechische Wort bindet unser Gespräch in eine geschichtliche Überlieferung. Weil diese Überlieferung einzigartig bleibt, deshalb ist sie auch eindeutig. Die durch den griechischen Namen filosofiÂa genannte Überlieferung, die uns das geschichtliche Wort filosofiÂa nennt, gibt uns die Richtung eines Weges frei, auf dem wir fragen: Was ist das – die Philosophie? Die Überlieferung liefert uns nicht einem Zwang des Vergangenen und Unwiderruf lichen aus. Überliefern, de´livrer, ist ein Befreien, nämlich in die Freiheit des Gespräches mit dem Gewesenen. Der Name »Philosophie« ruft uns, wenn wir das Wort wahrhaft hören und das Gehörte bedenken, in die Geschichte der griechischen Herkunft der Philosophie. Das Wort filosofiÂa steht gleichsam auf der Geburtsurkunde unserer eigenen Geschichte, wir dürfen sogar sagen: auf der Geburtsurkunde der gegenwärtigen

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weltgeschichtlichen Epoche, die sich Atomzeitalter nennt. Darum können wir die Frage: Was ist das – die Philosophie? nur fragen, wenn wir uns in ein Gespräch mit dem Denken des Griechentums einlassen. Aber nicht allein dasjenige, was in Frage steht, die Philosophie, ist seiner Herkunft nach griechisch, sondern auch die Weise, wie wir fragen; die Weise, in der wir auch heute noch fragen, ist griechisch. Wir fragen: Was ist das …? Dies lautet griechisch: ti eÆstin. Die Frage, was etwas sei, bleibt jedoch mehrdeutig. Wir können fragen: Was ist das dort in der Ferne? Wir erhalten die Antwort: ein Baum. Die Antwort besteht darin, daß wir einem Ding, das wir nicht genau erkennen, seinen Namen geben. Wir können jedoch weiter fragen: Was ist das, was wir »Baum« nennen? Mit der jetzt gestellten Frage kommen wir schon in die Nähe des griechischen ti eÆstin. Es ist diejenige Form des Fragens, die Sokrates, Platon und Aristoteles entfaltet haben. Sie fragen z. B.: Was ist dies – das Schöne? Was ist dies – die Erkenntnis? Was ist dies – die Natur? Was ist dies – die Bewegung? Nun müssen wir aber darauf achten, daß in den soeben genannten Fragen nicht nur eine genauere Umgrenzung dessen gesucht wird, was Natur, was Bewegung, was Schönheit ist, sondern: daß auch zugleich eine Auslegung darüber gegeben wird, was das »Was« bedeutet, in welchem Sinne das ti zu verstehen ist. Man nennt dasjenige, was das Was bedeutet, das quid est, toÁ quid: die quidditas, die Washeit. Indessen wird die quidditas in den verschiedenen Epochen der Philosophie verschieden bestimmt. So ist z. B. die Philosophie Platons eine eigenartige Interpretation dessen, was das ti meint. Es meint nämlich die ÆideÂa. Daß wir, wenn wir nach dem tiÂ, nach dem quid fragen, dabei die »Idea«

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meinen, ist keineswegs selbstverständlich. Aristoteles gibt eine andere Auslegung des ti als Platon. Eine andere Auslegung des ti gibt Kant, eine andere Hegel. Was am Leitfaden des tiÂ, des quid, des Was jeweils gefragt ist, bleibt jedesmal neu zu bestimmen. In jedem Falle gilt: wenn wir in bezug auf die Philosophie fragen: Was ist das?, dann fragen wir eine ursprünglich griechische Frage. Beachten wir es gut: sowohl das Thema unserer Frage: »die Philosophie«, als auch die Weise, in der wir fragen: »was ist das …?« – beides bleibt seiner Herkunft nach griechisch. Wir selbst gehören in diese Herkunft, auch dann, wenn wir das Wort »Philosophie« nicht einmal nennen. Wir sind eigens in diese Herkunft zurückgerufen, für sie und durch sie re-klamiert, sobald wir die Frage: Was ist das – die Philosophie? nicht nur in ihrem Wortlaut aussprechen, sondern ihrem Sinne nachsinnen. [Die Frage: Was ist Philosophie? ist keine Frage, die eine Art von Erkenntnis an sich selbst richtet (Philosophie der Philosophie). Die Frage ist auch keine historische Frage, die sich dafür interessiert auszumachen, wie das, was man »Philosophie« nennt, begonnen und sich entwickelt hat. Die Frage ist eine geschichtliche, d. h. geschick-liche Frage. Mehr noch: sie ist nicht »eine«, sie ist die geschichtliche Frage unseres abendländisch-europäischen Daseins.] Wenn wir auf den ganzen und ursprünglichen Sinn der Frage: Was ist das – die Philosophie? uns einlassen, dann hat unser Fragen durch seine geschichtliche Herkunft eine Richtung in eine geschichtliche Zukunft gefunden. Wir haben einen Weg gefunden. Die Frage selbst ist ein Weg. Er führt von dem Dasein des Griechentums her zu uns hin, wenn nicht gar über uns hinaus. Wir sind – wenn wir bei der Frage ausharren – unterwegs auf einem klar gerichteten Weg. Dennoch haben wir dadurch noch keine Gewähr,

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daß wir unmittelbar imstande sind, diesen Weg auf die rechte Weise zu gehen. Wir können nicht einmal sogleich ausmachen, an welcher Stelle des Weges wir heute stehen. Man pflegt seit langer Zeit die Frage, was etwas sei, als die Frage nach dem Wesen zu kennzeichnen. Die Frage nach dem Wesen wird jeweils dann wach, wenn dasjenige, nach dessen Wesen gefragt wird, sich verdunkelt und verwirrt hat, wenn zugleich der Bezug des Menschen zu dem Befragten schwankend geworden oder gar erschüttert ist. Die Frage unseres Gespräches betrifft das Wesen der Philosophie. Wenn diese Frage aus einer Not kommt und nicht bloß eine Scheinfrage zum Zweck einer Konversation bleiben soll, dann muß uns die Philosophie als Philosophie fragwürdig geworden sein. Trifft dies zu? Und wenn ja, inwiefern ist die Philosophie für uns fragwürdig geworden? Dies können wir offenbar doch nur dann angeben, wenn wir schon einen Einblick in die Philosophie genommen haben. Dazu ist nötig, daß wir zuvor wissen, was das ist – die Philosophie. So werden wir auf eine seltsame Weise in einem Kreis herumgejagt. Die Philosophie selbst scheint dieser Kreis zu sein. Angenommen, wir könnten uns aus dem Ring dieses Kreises nicht unmittelbar befreien, so ist uns doch erlaubt, auf den Kreis zu blicken.a Wohin soll sich unser Blick wenden? Das griechische Wort filosofiÂa weist uns die Richtung. Hier ist eine grundsätzliche Bemerkung nötig. Wenn wir jetzt und später auf Worte der griechischen Sprache hören, dann begeben wir uns in einen ausgezeichneten Bereich. Langsam dämmert nämlich für unsere Besinnung, daß die griechische Sprache keine bloße Sprache ist wie die uns bekannten europäischen Sprachen. Die griechische a

[1] ist dieses Blicken Reflexion? oder?

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Sprache, und sie allein, ist loÂgow. Wir werden in unseren Gesprächen davon noch eingehender handeln müssen. Für den Beginn genüge der Hinweis, daß in der griechischen Sprache das in ihr Gesagte auf eine ausgezeichnete Weise zugleich das ist, was das Gesagte nennt. Wenn wir ein griechisches Wort griechisch hören, dann folgen wir seinem leÂgein, seinem unmittelbaren Darlegen. Was es darlegt, ist das Vorliegende. Wir sind durch das griechisch gehörte Wort unmittelbar bei der vorliegenden Sache selbst, nicht zunächst bei einer bloßen Wortbedeutung. Das griechische Wort filosofiÂa geht auf das Wort filoÂsofow zurück. Dieses Wort ist ursprünglich ein Adiectivum wie filaÂrgyrow, silberliebend, wie filoÂtiµow, ehrliebend. Das Wort filoÂsofow wurde vermutlich von Heraklit geprägt. Dies besagt: für Heraklit gibt es noch nicht die filosofiÂa. Ein aÆnhÁr filoÂsofow ist nicht ein »philosophischer« Mensch. Das griechische Adiectivum filoÂsofow sagt etwas völlig anderes als die Adiectiva philosophisch, philosophique. Ein aÆnhÁr filoÂsofow ist derjenige, oÊw fileiÄ toÁ sofoÂna, der das sofoÂn liebt; fileiÄnb, lieben bedeutet hier im Sinne Heraklits: oëµologeiÄn, so sprechen, wie der LoÂgow spricht, d. h. dem LoÂgow entsprechen. Dieses Entsprechen steht im Einklang mit dem sofoÂn. Einklang ist aërµoniÂa. Dies, daß ein Wesen dem anderen wechselweise sich fügt, daß sich beide ursprünglich einander fügen, weil sie zueinander verfügt sind, diese aërµoniÂa ist das Auszeichnende des heraklitisch gedachten fileiÄn, des Liebens. Der aÆnhÁr filoÂsofow liebt das sofoÂn. Was dieses Wort für Heraklit sagt, ist schwer zu übersetzen. Aber wir können es nach Heraklits eigener Auslegung erläutern. Dema b

[2] vÎì fiÂlon toÁ sofoÂn [1] sfi … gehören*

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nach sagt toÁ sofoÂn dieses: ÊEn PaÂnta, »Eines (ist) Alles«. »Alles«, das meint hier: PaÂnta taÁ oÍnta, das Ganze, das All des Seienden. ÏEn, das Eins meint: das Eine, Einzige, alles Einigende. Einig aber ist alles Seiende im Sein. Das sofoÂn sagt: Alles Seiende ist im Sein. Schärfer gesagt: Das Sein ist das Seiende. Hierbei spricht »ist« transitiv und besagt soviel wie »versammelt«. Das Sein versammelt das Seiende darin, daß es Seiendes ist. Das Sein ist die Versammlung – LoÂgow.1 Alles Seiende ist im Sein. Solches zu hören, klingt für unser Ohr trivial, wenn nicht gar beleidigend. Denn darum, daß das Seiende in das Sein gehört, braucht sich niemand zu kümmern. Alle Welt weiß: Seiendes ist solches, was ist. Was steht dem Seienden anderes frei als dies: zu sein? Und dennoch: gerade dies, daß das Seiende im Sein versammelt bleibt, daß im Scheinen von Sein das Seiende erscheint*, dies setzte die Griechen, und sie zuerst und sie allein, in das Erstaunen. Seiendes im Sein: dies wurde für die Griechen das Erstaunlichste. Indessen mußten sogar die Griechen die Erstaunlichkeit dieses Erstaunlichsten retten und schützen – gegen den Zugriff des sophistischen Verstandes, der für alles eine für jedermann sogleich verständliche Erklärung bereit hatte und sie auf den Markt brachte. Die Rettung des Erstaunlichsten – Seiendes im Sein – geschah dadurch, daß sich einige auf den Weg machten in der Richtung auf dieses Erstaunlichste, d. h. das sofoÂn. Sie wurden dadurch zu solchen, die nach dem sofoÂn strebten und durch ihr eigenes Streben bei anderen Menschen die Sehnsucht nach dem sofoÂn erweckten und wachhielten. Das fileiÄn toÁ so-

1

vgl. Vorträge und Aufsätze. 1954, Seite 207 – 229.**

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foÂn, jener schon genannte Einklang mit dem sofoÂn, die aërµoniÂa, wurde so zu einer oÍrejiw, zu einem Streben nach dem sofoÂn. Das sofoÂn – das Seiende im Sein – wird jetzt eigens gesucht. Weil das fileiÄn nicht mehr ein ursprünglicher Einklang mit dem sofoÂn ist, sondern ein besonderes Streben nach dem sofoÂn, wird das fileiÄn toÁ sofoÂn zur »filosofiÂa«. Deren Streben wird durch den Eros be-

stimmt. Dieses strebende Suchen nach dem sofoÂn, nach dem ÏEn PaÂnta, nach dem Seienden im Sein wird jetzt zur Frage: Was ist das Seiende, insofern es ist? Das Denken wird jetzt erst zur »Philosophie«. Heraklit und Parmenides waren noch keine »Philosophen«. Warum nicht? Weil sie die größeren Denker waren. »Größer« meint hier nicht das Verrechnen einer Leistung, sondern zeigt in eine andere Dimension des Denkens. Heraklit und Parmenides waren »größer« in dem Sinne, daß sie noch im Einklang standen mit dem LoÂgow, d. h. dem ÊEn PaÂnta. Der Schritt zur »Philosophie«, vorbereitet durch die Sophistik, wurde zuerst von Sokrates und Platon vollzogen. Aristoteles hat dann fast zwei Jahrhunderte nach Heraklit diesen Schritt durch folgenden Satz gekennzeichnet: kaiÁ dhÁ kaiÁ to paÂlai te kaiÁ nyÄn kaiÁ aÆeiÁ zhtoyµenon kaiÁ aÆeiÁ aÆporoyµenon, ti toÁ oÍn; (Met. Z 1, 1028 b 2 sqq).* In der Übersetzung sagt dies: »Und so ist denn einstmals schon und auch jetzt und immerfort dasjenige, wohin (die Philosophie) sich auf den Weg begibt und wohin sie immer wieder den Zugang nicht findet (das Gefragte dieses): Was ist das Seiende? (ti toÁ oÍn)«. Die Philosophie sucht das, was das Seiende ist, insofern es ist. Die Philosophie ist unterwegs zum Sein des Seienden, d. h. zum Seienden hinsichtlich des Seins. Aristoteles erläutert dies, indem er in dem angeführten Satz auf das ti toÁ oÍn, was ist das Seiende? eine Erläuterung folgen läßt: toyÄtoÂ

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eÆsti tiÂw hë oyÆsiÂa; in der Übersetzung gesprochen: »Dies (nämlich ti toÁ oÍn) bedeutet: was ist die Seiendheit des Sei-

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enden?« Das Sein des Seienden beruht in der Seiendheit. Diese aber – die oyÆsiÂa – bestimmt Platon als ÆideÂa, bestimmt Aristoteles als die eÆneÂrgeia. Im Augenblick ist es noch nicht nötig, genauer zu erörtern, was Aristoteles mit eÆneÂrgeia meint und inwiefern sich die oyÆsiÂa durch die eÆneÂrgeia bestimmen läßt. Wichtig ist jetzt nur dies, daß wir darauf achten, wie Aristoteles die Philosophie in ihrem Wesen umgrenzt. Er sagt im ersten Buch der »Metaphysik« (Met. A 2, 982 b 9 sq) folgendes: Die Philosophie ist eÆpisthµh tvÄn prvÂtvn aÆrxvÄn kaiÁ aiÆtiv Ä n ûevrhtikhÂ. Man übersetzt eÆpisthµh gern durch »Wissenschaft«. Das ist irreführend, weil wir allzuleicht die moderne Vorstellung von »Wissenschaft« einfließen lassen. Die Übersetzung von eÆpisthµh durch »Wissenschaft« ist auch dann irrig, wenn wir »Wissenschaft« in dem philosophischen Sinne verstehen, den Fichte, Schelling und Hegel meinen. Das Wort eÆpisthµh leitet sich von dem Participium eÆpistaµenow her. So heißt der Mensch, insofern er für etwas zuständig und geschickt ist (Zuständigkeit im Sinne von appartenance). Die Philosophie ist eÆpisthµh tiw, eine Art von Zuständigkeit, ûevrhtikhÂ, die das ûevreiÄn vermag, d. h. auszuschauen nach etwas und dieses, wonach sie Ausschau hält, in den Blick zu nehmen und im Blick zu behalten. Die Philosophie ist darum eÆpisthµh ûevrhtikhÂ. Was aber ist das, was sie in den Blick nimmt? Aristoteles sagt es, indem er die prvÄtai aÆrxaiÁ kaiÁ aiÆtiÂai nennt. Man übersetzt: »die ersten Gründe und Ursachen« – nämlich des Seienden. Die ersten Gründe und Ursachen machen so das Sein des Seienden aus. Es wäre nach zweieinhalb Jahrtausenden an der Zeit, darüber nach-

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zudenken, was denn das Sein des Seienden mit so etwas wie »Grund« und »Ursache« zu schaffen hat. In welchem Sinne wird das Sein gedacht, daß dergleichen wie »Grund« und »Ursache« sich dazu eignen, das seiend-Sein des Seienden zu prägen und zu übernehmen? Doch wir achten jetzt auf anderes. Der angeführte Satz des Aristoteles sagt uns, wohin das, was man seit Platon »Philosophie« nennt, unterwegs ist. Der Satz gibt eine Auskunft darüber, was das ist – die Philosophie. Die Philosophie ist eine Art von Zuständigkeit, die dazu befähigt, das Seiende in den Blick zu nehmen, nämlich im Hinblick darauf, was es ist, insofern es Seiendes ist. Die Frage, die unserem Gespräch die fruchtbare Unruhe und Bewegung geben und dem Gespräch die Wegrichtung weisen soll, die Frage: was ist Philosophie? hat Aristoteles schon beantwortet. Also ist unser Gespräch nicht mehr nötig. Es ist zu Ende, bevor es begonnen hat. Man wird sogleich erwidern, daß die Aussage des Aristoteles über das, was die Philosophie ist, keineswegs die einzige Antwort auf unsere Frage sein kann. Im günstigen Fall ist sie eine Antwort unter vielen anderen. Mit Hilfe der aristotelischen Kennzeichnung der Philosophie kann man zwar sowohl das Denken vor Aristoteles und Platon als auch die Philosophie nach der Zeit des Aristoteles vorstellen und auslegen. Indes wird man mit Leichtigkeit darauf hinweisen, daß sich die Philosophie selbst und die Art, wie sie ihr eigenes Wesen vorstellt, in den folgenden zwei Jahrtausenden vielfältig gewandelt haben. Wer wollte dies leugnen? Wir dürfen aber auch nicht darüber hinweggehen, daß die Philosophie von Aristoteles bis Nietzsche gerade auf dem Grunde dieser Wandlungen und durch sie hindurch dieselbe bleibt. Denn die Verwandlungen sind die Bürgschaft für die Verwandtschaft im Selben.*

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Damit behaupten wir keineswegs, die aristotelische Definition der Philosophie gelte absolut. Sie ist nämlich schon innerhalb der Geschichte des griechischen Denkens nur eine bestimmte Auslegung des griechischen Denkens und dessen, was diesem aufgegeben wurde. Die aristotelische Kennzeichnung der Philosophie läßt sich in keinem Falle auf das Denken des Heraklit und des Parmenides zurückübertragen; dagegen ist die aristotelische Definition der Philosophie allerdings eine freie Folge des frühen Denkens und dessen Abschluß. Ich sage: eine freie Folge, weil auf keine Weise einsichtig gemacht werden kann, daß die einzelnen Philosophien und die Epochen der Philosophie im Sinne der Notwendigkeit eines dialektischen Prozesses auseinander hervorgehen. Was ergibt sich aus dem Gesagten für unseren Versuch, in einem Gespräch die Frage: Was ist das – die Philosophie? zu behandeln? Zunächst das eine: Wir dürfen uns nicht nur an die Definition des Aristoteles halten. Daraus entnehmen wir das andere: Wir müssen die früheren und die späteren Definitionen der Philosophie uns vergegenwärtigen. Und dann? Dann werden wir durch eine vergleichende Abstraktion dasjenige herausstellen, was das Gemeinsame aller Definitionen ist. Und dann? Dann werden wir zu einer leeren Formel gelangen, die auf jede Art von Philosophie paßt. Und dann? Dann werden wir von einer Antwort auf unsere Frage so weit als nur möglich entfernt sein. Weshalb kommt es dahin? Weil wir durch das soeben erwähnte Verfahren nur historisch die vorliegenden Definitionen sammeln und sie in eine allgemeine Formel auflösen. Dies alles läßt sich in der Tat mit großer Gelehrsamkeit und mit Hilfe richtiger Feststellungen durchführen. Wir brauchen uns dabei nicht im geringsten auf die Philosophie in der Weise einzulassen, daß wir dem Wesen der Philosophie

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nach-denken. Wir gewinnen auf solche Weise vielfältige und gründliche und sogar nützliche Kenntnisse darüber, wie man die Philosophie im Verlaufe ihrer Geschichte vorgestellt hat. Aber wir gelangen auf diesem Wege niemals zu einer echten, d. h. legitimen Antwort auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? Die Antwort kann nur eine philosophierende Antwort sein, eine Antwort, die als Ant-wort in sich philosophierta. Doch wie sollen wir diesen Satz verstehen? Inwiefern kann eine Antwort, und zwar insofern sie Ant-wort ist, philosophieren? Ich versuche dies jetzt vorläufig durch einige Hinweise aufzuhellen. Was gemeint ist, wird unser Gespräch immer wieder beunruhigen. Es wird sogar der Prüfstein dafür sein, ob unser Gespräch ein wahrhaft philosophisches werden darf. Dies steht durchaus nicht in unserer Macht. Wann ist die Antwort auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? eine philosophierende? Wann philosophieren wir? Offenbar erst dann, wenn wir mit den Philosophen ins Gespräch kommen. Dazu gehört, daß wir mit ihnen dasjenige durchsprechen, wovon sie sprechen. Dieses miteinander-Durchsprechen dessen, was immer wieder als das Selbe die Philosophen eigens angeht, ist das Sprechen, das leÂgein im Sinne des dialeÂgesûai, das Sprechen als Dialog. Ob der Dialog notwendig eine Dialektik ist und wann, dies lassen wir offen. Eines ist es, Meinungen der Philosophen festzustellen und zu beschreiben. Ein ganz anderes ist es, das, was sie sagen, und d. h. das, wovon sie sagen, mit ihnen durchzusprechen. Gesetzt also, die Philosophen sind vom Sein des Seienden daraufhin angesprochen, daß sie sagen, was das Seiende a

[1] 〈die als Ant-wort in sich philosophiert〉*

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sei, insofern es ist, dann muß auch unser Ge spräch mit den Philosophen vom Sein des Seienden angesprochen werden. Wir selber müssen dem, wohin die Philosophie unterwegs ist, durch unser Denken entgegenkommen. Unser Sprechen muß dem, wovon die Philosophen angesprochen sind, ent-sprechen. Wenn uns dieses Ent-sprechen glückt, dann ant-worten wir im echten Sinne auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? Das deutsche Wort »antworten« bedeutet eigentlich soviel wie ent-sprechen. Die Antwort auf unsere Frage erschöpft sich nicht in einer Aussage, die auf die Frage mit einer Feststellung darüber erwidert, was man sich bei dem Begriff »Philosophie« vorzustellen habe. Die Antwort ist keine erwidernde Aussage (n’est pas une re´ponse), die Antwort ist vielmehr die Ent-sprechung (la correspondance), die dem Sein des Seienden entspricht. Doch sogleich möchten wir wissen, was denn das Charakteristische der Antwort im Sinne der Entsprechung ausmacht. Allein zuerst liegt alles daran, daß wir in eine Entsprechung gelangen, bevor wir die Theoriea darüber aufstellen. Die Antwort auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? besteht darin, daß wir dem entsprechen, wohin die Philosophie unterwegs ist. Und das ist: das Sein des Seienden. In solchem Entsprechen hören wir von Anfang an auf das, was die Philosophie uns schon zugesprochen hat, die Philosophie, d. h. die griechisch verstandene filosofiÂa. Deshalb gelangen wir nur so in die Entsprechung, d. h. zur Antwort auf unsere Frage, daß wir im Gespräch mit dem bleiben, wohin uns die Überlieferung der Philosophie ausliefert, d. h. befreit. Wir finden die Antwort auf die Frage, was die Philosophie sei, nicht durch historische Aussagen über die Definitionen der Philosophie, sondern durch das a

[1] 〈die Theorie〉

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Gespräch mit dem, was sich uns als Sein des Seienden überliefert hat. Dieser Weg zur Antwort auf unsere Frage ist kein Bruch mit der Geschichte, keine Verleugnung der Geschichte, sondern eine Aneignung und Verwandlung des Überlieferten. Solche Aneignung der Geschichte ist mit demTitel »Destruktion« gemeint. Der Sinn dieses Wortes ist in »Sein und Zeit« klar umschrieben (§ 6).* Destruktion bedeutet nicht Zerstören, sondern Abbauen, Abtragen und Auf-die-Seite-stellen – nämlich die nur historischen Aussagen über die Geschichte der Philosophie. Destruktion heißt: unser Ohr öffnen, freimachen für das, was sich uns in der Überlieferung als Sein des Seienden zuspricht. Indem wir auf diesen Zuspruch hören, gelangen wir in die Entsprechung.** Aber während wir dies sagen, hat sich dagegen schon ein Bedenken gemeldet. Es lautet: Müssen wir uns denn erst darum bemühen, in eine Entsprechung zum Sein des Seienden zu gelangena? Sind wir, die Menschen, nicht immer schon in einer solchen Entsprechung, und zwar nicht nur de facto, sondern aus unserem Wesen? Macht diese Entsprechung nicht den Grundzug unseres Wesens aus? So steht es in Wahrheit. Wenn es aber so steht, dann können wir nicht mehr sagen, daß wir erst in diese Entsprechung gelangen sollen. Und dennoch sagen wir dies mit Recht. Denn wir halten uns zwar immer und überall in der Entsprechung zum Sein des Seienden auf, gleichwohl achten wir nur selten auf den Zuspruch des Seins. Die Entsprechung zum Sein des Seienden bleibt zwar stets unser Aufenthalt. Doch nur zuzeiten wird sie zu einem von uns a

[1] 〈 gelangen〉

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eigens übernommenen und sich entfaltenden Verhalten. Erst wenn dies geschieht, entsprechen wir erst eigentlich dem, was die Philosophie angeht, die zum Sein des Seienden unterwegs ist. Das Entsprechen zum Sein des Seienden ist die Philosophie; sie ist es aber erst dann und nur dann, wenn das Entsprechen sich eigens vollzieht, dadurch sich entfaltet und diese Entfaltung ausbaut. Dieses Entsprechen geschieht auf verschiedene Weise, je nachdem der Zuspruch des Seins spricht, je nachdem er gehört oder überhört wird, je nachdem das Gehörte gesagt oder geschwiegen wird. Unser Gespräch kann Gelegenheiten ergeben, darüber nachzudenken. Jetzt versuche ich nur, ein Vorwort zum Gespräch zu sagen. Ich möchte das bisher Dargelegte zurückbiegen auf das, was wir im Anschluß an das Wort von Andre´ Gide über die »schönen Gefühle« gestreift haben. FilosofiÂa ist das eigens vollzogene Entsprechen, das spricht, insofern es auf den Zuspruch des Seins des Seienden achtet. Das Ent-sprechen hört auf die Stimme des Zuspruchs. Was sich als Stimme des Seins uns zuspricht, be-stimmt unser Entsprechen. »Entsprechen« heißt dann: be-stimmt sein, eˆtre dispose´, nämlich vom Sein des Seienden her. Dis-pose´ bedeutet hier wörtlich: auseinander-gesetzta, gelichtet und dadurch in die Bezüge zu dem versetzt, was ist. Das Seiende als solches bestimmt das Sprechen in einer Weise, daß sich das Sagen abstimmt (accorder) auf das Sein des Seienden. Das Entsprechen ist notwendig und immer, nicht nur zufällig und bisweilen, ein gestimmtes. Es ist in einer Gestimmtheit.* Und erst auf dem Grunde der Gestimmtheit (disposition) empfängt das Sagen des Entsprechens seine Präzision, seine Be-stimmtheit. a

[1] 〈auseinander-gesetzt〉

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Als ge-stimmtes und be-stimmtes ist das Entsprechen wesenhaft in einer Stimmung. Dadurch ist unser Verhalten jeweils so oder so gefügt. Die so verstandene Stimmung ist keine Musik von zufällig auftauchenden Gefühlen, die das Entsprechen nur begleiten. Wenn wir die Philosophie als das gestimmte Entsprechen kennzeichnen, dann wollen wir keineswegs das Denken dem zufälligen Wechsel und den Schwankungen von Gefühlszuständen ausliefern. Vielmehr handelt es sich einzig darum, darauf hinzuweisen, daß jede Präzision des Sagens in einer Disposition des Entsprechens gründet, des Entsprechens sage ich, der correspondance, im Achten auf den Zuspruch. Vor allem aber ist der Hinweis auf die wesenhafte Gestimmtheit des Entsprechens nicht erst eine moderne Erfindung. Schon die griechischen Denker, Platon und Aristoteles, haben darauf aufmerksam gemacht, daß die Philosophie und das Philosophieren in die Dimension des Menschen gehören, die wir die Stimmung (im Sinne der Ge-stimmtheit und Be-stimmtheit) nennen. Platon sagt (Theätet 155 d)*: µaÂla gaÁr filosoÂfoy toyÄto toÁ paÂûow, toÁ ûayµaÂzein a´ oyÆ gaÁr aÍllh aÆrxhÁb filosofiÂaw hà ayÏth. »Gar sehr nämlich ist eines Philosophen dieses das paÂûow – das Erstaunen; nicht nämlich ein anderes beherrschendes Woher der Philosophie gibt es als dieses.« Das Erstaunen ist als paÂûow die aÆrxhÁ der Philosophie. Das griechische Wort aÆrxhÁ müssen wir im vollen Sinne verstehen. Es nennt dasjenige, von woher etwas ausgeht. Aber dieses »von woher« wird im Ausgehen nicht zurückgelassen, vielmehr wird die aÆrxhÁ zu dem, was das Verbum aÍrxein sagt, zu solchem, was herrscht. Das paÂûow des Era b

[1] 〈dayµaÂzein〉 [1] 〈aÆrxhÂ〉

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staunens steht nicht einfach so am Beginn der Philosophie wie z. B. der Operation des Chirurgen das Waschen der Hände voraufgeht. Das Erstaunen trägt und durchherrscht die Philosophie. Aristoteles sagt dasselbe (Met. A 2, 982 b 12 sq)*: diaÁ gaÁr toÁ ûayµaÂzein oië aÍnûrvpoi kaiÁ nyÄn kaiÁ toÁ prv Ä ton hÍrjanto filosofeiÄn. »Durch das Erstaunen hindurch nämlich gelangten die Menschen jetzt sowohl als auch zuerst in den beherrschenden Ausgang des Philosophierens« (zu dem, von woher das Philosophieren ausgeht und was den Gang des Philosophierens durchgängig bestimmt). Es wäre sehr oberflächlich und vor allem ungriechisch gedacht, wollten wir meinen, Platon und Aristoteles stellten hier nur fest, das Erstaunen sei die Ursache des Philosophierens. Wären sie dieser Meinung, dann hieße das: irgendeinmal erstaunten die Menschen, nämlich über das Seiende, darüber, daß es ist und was es ist. Von diesem Erstaunen angetrieben, begannen sie zu philosophieren. Sobald die Philosophie in Gang gekommen war, wurde das Erstaunen als Anstoß überflüssig, so daß es verschwand. Es konnte verschwinden, da es nur ein Antrieb war. Aber: das Erstaunen ist aÆrxh – es durchherrscht jeden Schritt der Philosophie. Das Erstaunen ist paÂûow. Wir übersetzen paÂûow gewöhnlich durch Passion**, Leidenschaft, Gefühlswallung. Aber paÂûow hängt zusammen mit paÂsxein, leiden, erdulden, ertragen, austragen, sich tragen lassen von, sich be-stimmen lassen durch. Es ist gewagt, wie immer in solchen Fällen, wenn wir paÂûow durch Stimmung übersetzen, womit wir die Ge-stimmtheit und Be-stimmtheit meinen. Doch wir müssen diese Übersetzung wagen, weil sie allein uns davor bewahrt, paÂûow in einem neuzeitlich-modernen Sinne psychologisch vorzustellen. Nur wenn wir paÂûow als Stimmung (dis-position) verstehen, können wir auch das

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ûayµaÂzein, das Erstaunen näher kennzeichnen. Im Erstau-

nen halten wir an uns (eˆtre en arreˆt). Wir treten gleichsam zurück vor dem Seienden – davor, daß es ist und so und nicht anders ist. Auch erschöpft sich das Erstaunen nicht in diesem Zurücktreten vor dem Sein des Seienden, sondern es ist, als dieses Zurücktreten und Ansichhalten, zugleich hingerissen zu dem und gleichsam gefesselt durch das, wovor es zurücktritt. So ist das Erstaunen die Dis-position, in der und für die das Sein des Seienden sich öffnet. Das Erstaunen ist die Stimmung, innerhalb derer den griechischen Philosophen das Entsprechen zum Sein des Seienden gewährt war. Ganz anderer Art ist diejenige Stimmung, die das Denken bestimmte, die überlieferte Frage, was denn das Seiende sei, insofern es ist, auf eine neue Weise zu stellen und so eine neue Zeit der Philosophie zu beginnen. Descartesa frägt in seinen Meditationen* nicht nur und nicht zuerst ti toÁ oÍn – was ist das Seiende, insofern es ist? Descartes frägt: Welches ist dasjenige Seiende, das im Sinne des ens certum das wahrhaft Seiende ist? Für Descartes hat sich inzwischen das Wesen der certitudo gewandelt. Denn im Mittelalter besagt certitudo nicht Gewißheit, sondern die feste Umgrenzung eines Seienden in dem, was es ist. Certitudo ist hier noch gleichbedeutend mit essentia. Dagegen bemißt sich für Descartes das, was wahrhaft ist, auf eine andere Weise. Ihm wird der Zweifel zu derjenigen Stimmung, in der die Gestimmtheit auf das ens certum, das in Gewißheit Seiende, schwingt. Die certitudo wird zu jener Festmachung des ens qua ens, die sich aus der Unbezweifelbarkeit des cogito (ergo) sum für das ego des Menschen ergibt. Dadurch wird das ego zum ausgezeichneten sub-iectum, und a

[1] 〈Descartes〉

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so tritt das Wesen des Menschen zum ersten Male in den Bereich der Subjektivität im Sinne der Egoität. Aus der Gestimmtheit auf diese certitudo empfängt das Sagen Descartes’ die Bestimmtheit eines clare et distincte percipere. Die Stimmung des Zweifels ist die positive Zustimmung zur Gewißheit. Fortan wird die Gewißheit zur maßgebenden Form der Wahrheit. Die Stimmung der Zuversicht in die jederzeit erreichbare absolute Gewißheit der Erkenntnis bleibt das paÂûow und somit die aÆrxh der neuzeitlichen Philosophie. Worin aber beruht das teÂlow, die Vollendung der neuzeitlichen Philosophie, falls wir davon sprechen dürfen? Ist dieses Ende durch eine andere Stimmung bestimmt? Wo haben wir die Vollendung der neuzeitlichen Philosophie zu suchen? Bei Hegel oder erst in der Spätphilosophie Schellings? Und wie steht es mit Marx und Nietzsche? Treten sie schon aus der Bahn der neuzeitlichen Philosophie heraus? Wenn nicht, wie ist ihr Standort zu bestimmen? Es sieht so aus, als stellten wir nur historische Fragen. Aber in Wahrheit bedenken wir das künftige Wesen der Philosophie. Wir versuchen, auf die Stimme des Seins zu hören. In welche Stimmung bringt sie das heutige Denken? Die Frage ist kaum eindeutig zu beantworten. Vermutlich waltet eine Grundstimmung. Sie bleibt uns aber noch verborgen. Dies wäre ein Zeichen dafür, daß unser heutiges Denken noch nicht seinen eindeutigen Weg gefunden hat. Was wir antreffen, ist nur dies: verschiedenartige Stimmungen des Denkens. Zweifel und Verzweiflung auf der einen, blinde Besessenheit von ungeprüften Prinzipien auf der anderen Seite stehen gegeneinander. Furcht und Angst mischen sich mit Hoffnung und Zuversicht. Oft und weithin sieht es so aus, als sei das Denken nach der Art des räsonnierenden Vorstellens und Rechnens von jeder Stim-

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mung völlig frei. Aber auch die Kälte der Berechnung, auch die prosaische Nüchternheit des Planens sind Kennzeichen einer Gestimmtheit. Nicht nur dies; sogar die Vernunft, die sich von allem Einfluß der Leidenschaften frei hält, ist als Vernunft auf die Zuversicht in die logisch-mathematische Einsichtigkeit ihrer Prinzipien und Regeln gestimmt. Das eigens übernommene und sich entfaltende Entsprechen, das dem Zuspruch des Seins des Seienden entspricht, ist die Philosophie. Was das ist – die Philosophie, lernen wir nur kennen und wissen, wenn wir erfahren, wie, auf welche Weise die Philosophie ist. Sie ist in der Weise des Entsprechens, das sich abstimmt auf die Stimme des Seins des Seienden. Dieses Ent-sprechen ist ein Sprechen. Es steht im Dienst der Sprache*. Was dies heißt, ist für uns heute schwer zu verstehen; denn unsere geläufige Vorstellung von der Sprache hat seltsame Wandlungen durchgemacht. Ihnen zufolge erscheint die Sprache als ein Instrument des Ausdrucks. Demgemäß hält man es für richtiger zu sagen: Die Sprache steht im Dienst des Denkens, statt: das Denken als Ent-sprechen steht im Dienst der Sprache. Vor allem aber ist die heutige Vorstellung von der Sprache so weit als nur möglich entfernt von der griechischen Erfahrung der Sprache. Den Griechen offenbart sich das Wesen der Sprache als der loÂgow. Doch was heißt loÂgow und leÂgein? Wir beginnen erst heute langsam, durch die mannigfaltigen Auslegungen des loÂgow auf sein anfängliches griechisches Wesen hindurchzublicken. Indes können wir weder zu diesem Wesen der Sprache jemals wieder zurückkehren, noch können wir es einfach übernehmen. Wohl dagegen müssen wir mit der griechischen Erfahrung der Sprache als loÂgow in ein Gespräch kommen. Warum? Weil wir ohne eine zureichende Besinnung auf die Sprache niemals wahrhaft wissen, was

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die Philosophie als das gekennzeichnete Ent-sprechen, was die Philosophie als eine ausgezeichnete Weise des Sagensa ist. Weil nun aber die Dichtung, wenn wir sie mit dem Denken vergleichen, auf eine ganz andere und ausgezeichnete Weise im Dienst der Sprache steht, wird unser Gespräch, das der Philosophie nachdenkt, notwendig dahin geführt, das Verhältnis von Denken und Dichten zu erörtern. Zwischen beiden, Denken und Dichten, waltet eine verborgene Verwandtschaft, weil beide sich im Dienst der Sprache für die Sprache verwenden und verschwenden. Zwischen beiden aber besteht zugleich eine Kluft, denn sie »wohnen auf getrenntesten Bergen«.* Nun könnte man mit gutem Recht verlangen, daß sich unser Gespräch auf die Frage nach der Philosophie beschränke. Diese Beschränkung wäre nur dann möglich und sogar notwendig, wenn sich im Gespräch ergeben sollte, daß die Philosophie nicht das ist, als was sie jetzt gedeutet wird: ein Entsprechen, das den Zuspruch des Seins des Seienden zur Sprache bringt. Mit anderen Worten: Unser Gespräch stellt sich nicht die Aufgabe, ein festes Programm abzuwickeln. Aber es möchte sich bemühen, alle, die daran teilnehmen, für eine Sammlung bereit zu machen, in der wir von dem angesprochen werden, was wir das Sein des Seienden nennen. Indem wir dies nennen, denken wir daran, was schon Aristoteles sagt: »Das seiend-Sein kommt vielfältig zum Scheinen.«1 ToÁ oÃn leÂgetai pollaxv Ä w.

1

vgl. Sein und Zeit § 7 B.**

a

[1] 〈als eine ausgezeichnete Weise des Sagens〉

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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS

[Anm. d. Hrsg.: In seinem Handexemplar 1 zu Was ist das – die Philosophie? hat Heidegger auf den Nachsatzseiten ein Stichwortverzeichnis mit internen Seitenverweisen notiert, dessen Einträge hier wiedergegeben werden. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung der Erstausgabe, in der vorliegenden Ausgabe ist diese Paginierung eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben.] Dialog – Dialektik 30 f. ent-sprechen 32 »Theorie« 32 u[nten] der unbeachtete und unbedachte Aufenthalt 34 Lichtung – gelichtet 36 Stimmung 36 f. aÆrxhÁ 37 Descartes 40 usf. Sprache 44 Denken – als Entsprechen dem Zuspr[uch] d[er] Anwesenheit [?] »eine ausgezeichnete Weise des Sagens« 45 und Dichten 45 22 28 30 HEIDEGGERS STIC HWO R TVE R Z E I CHN I S

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Editorische Notiz zu »Was ist das – die Philosophie?« Im August 1955 reiste Heidegger in Begleitung seines Freundes Jean Beaufret nach Frankreich. In Paris lernte er Jacques Lacan und in Varengeville Georges Braque kennen. Anlass der Reise war ein von Beaufret geleitetes Kolloquium, das vom 27. August bis zum 3. September in Cerisy-la-Salle stattfand: »Qu’est-ce que la philosophie? Autour de Martin Heidegger. Colloque dirige´ par Jean Beaufret, du 27 aouˆt au 4 septembre«. Unter anderen nahmen Lucien Goldmann, Gabriel Marcel und Paul Ricœur teil. Die »Dekaden« in Cerisy-la-Salle (meistens als Kolloquia im Bereich der Philosophie, Dichtung, Bildenden Kunst und Musik unter Leitung renommierten Kenner veranstaltet) sollten nach dem Zweiten Weltkrieg zur Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland beitragen. Heidegger hielt am 28. August 1955 den Eröffnungsvortrag »Was ist das – die Philosophie?« zur Vorbereitung der philosophischen Gespräche und Seminare. Auch leitete er drei Seminarsitzungen (zu Kant, Hegel und Hölderlin). Das Protokoll der Gespräche von Cerisy-la-Salle wird im Band 91 der Heidegger-Gesamtausgabe erscheinen: Martin Heidegger, Ergänzungen und Denksplitter, hrsg. von Mark Michalski, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 91). Was ist das – die Philosophie? wurde erstmals 1956 im Verlag Günther Neske in Pfullingen publiziert. Ein Jahr später erschien der Text in der französischen Übersetzung von Kostas Axellos und Jean Beaufret: Martin Heidegger, Qu’est-ce que la philosophie? Paris, Gallimard, 1957. EDITORISCHE NOTIZ

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Von Was ist das – die Philosophie? gibt es zwei annotierte Handexemplare der Erstausgabe. Die Angabe [1] verweist auf Heideggers erstes Handexemplar; die Angabe [2] auf sein zweites Handexemplar. Handexemplar 1 enthält ein Stichwortverzeichnis mit internen Seitenverweisen (vgl. in vorliegender Ausgabe S. 227). Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe von 1956. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 5 bis minus 13 Seiten. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und interne Seitenverweise), die Heidegger in seinen beiden persönlichen Handexemplaren der Erstausgabe handschriftlich vermerkt hat. Eckige Klammern im Haupttext stammen von Heidegger. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Zwei Sternchenanmerkungen Heideggers wurden zur Vermeidung von Mißverständnissen in Fußnoten mit arabischen Ziffern umgewandelt. Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie nach-denken, Ant-wort und Ent-sprechen wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die für Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.

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EDITORISCHE NOTIZ

IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Erstausgabe von 1957)

Vorwort [9] DER SATZ DER IDENTITÄT

[11] DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK

[35] HINWEISE

[75]

VORWORT

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Der Satz der Identität enthält den unveränderten Text eines Vortrages, der beim fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Freiburg i. Br. zum Tag der Fakultäten am 27. Juni 1957 gehalten wurde. Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik gibt die stellenweise überarbeitete Erörterung wieder, die eine Seminarübung des Wintersemesters 1956 / 57 über Hegels »Wissenschaft der Logik« abschließt. Der Vortrag fand am 24. Februar 1957 in Todtnauberg statt. Der Satz der Identität blickt voraus und blickt zurück: Voraus in den Bereich, von dem her das gesagt ist, was der Vortrag »Das Ding« erörtert (siehe Hinweise); zurück in den Bereich der Wesensherkunft der Metaphysik, deren Verfassung durch die Differenz bestimmt ist. Die Zusammengehörigkeit von Identität und Differenz wird in der vorliegenden Veröffentlichung als das zu Denkende gezeigt. Inwiefern die Differenz dem Wesen der Identität entstammt, soll der Leser selbst finden, indem er auf den Einklang hört, der zwischen Ereignis und Austrag waltet.

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Beweisen läßt sich in diesem Bereich nichts, aber weisen manches.

Todtnauberg, am 9. September 1957

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DER SATZ DER IDENTITÄT

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er Satz der Identität lautet nach einer geläufigen Formel: A = A. Der Satz gilt als das oberste Denkgesetz. Diesem Satz versuchen wir für eine Weile nachzudenken. Denn wir möchten durch den Satz erfahren, was Identität ist. Wenn das Denken, von einer Sache angesprochen, dieser nachgeht, kann es ihm geschehen, daß es sich unterwegs wandelt. Darum ist es ratsam, im folgenden auf den Weg zu achten, weniger auf den Inhalt. Beim Inhalt recht zu verweilen, verwehrt uns schon der Fortgang des Vortrages. Was sagt die Formel A = A, in der man den Satz der Identität darzustellen pflegt? Die Formel nennt die Gleichheit von A und A. Zu einer Gleichung gehören wenigstens zwei. Ein A gleicht einem anderen. Will der Satz der Identität solches aussagen? Offenkundig nicht. Das Identische, lateinisch idem, heißt griechisch toÁ ayÆtoÂ. In unsere deutsche Sprache übersetzt, heißt toÁ ayÆto das Selbe. Wenn einer immerfort dasselbe sagt, z. B.: die Pflanze ist Pflanze, spricht er in einer Tautologie. Damit etwas das Selbe sein kann, genügt jeweils eines. Es bedarf nicht ihrer zwei wie bei der Gleichheit. Die Formel A = A spricht von Gleichheit. Sie nennt A nicht als dasselbe. Die geläufige Formel für den Satz der Identität verdeckt somit gerade das, was der Satz sagen möchte: A ist A, d. h. jedes A ist selber dasselbe.

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Während wir das Identische in dieser Weise umschreiben, klingt ein altes Wort an, wodurch Platon das Identische vernehmlich macht, ein Wort, das auf ein noch älteres zurückdeutet. Platon spricht im Dialog Sophistes 254 d von staÂsiw und kiÂnhsiw, von Stillstand und Umschlag. Platon läßt an dieser Stelle den Fremdling sagen: oyÆkoyÄn ayÆtvÄn eÏkaston toiÄn µeÁn dyoiÄn eÏteroÂn eÆstin, ayÆtoÁ d’eëaytq tayÆtoÂn. »Nun ist doch von ihnen jedes der beiden ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe.« Platon sagt nicht nur: eÏkaston ayÆtoÁ tayÆtoÂn, »jedes selber dasselbe«, sondern: eÏkaston eëaytq tayÆtoÂn, »jedes selber ihm selbst dasselbe«. Der Dativ eëaytq bedeutet: jedes etwas selber ist ihm selbst zurückgegeben, jedes selber ist dasselbe – nämlich für es selbst mit ihm selbst. Unsere deutsche Sprache verschenkt hier gleich wie die griechische den Vorzug, das Identische mit demselben Wort, aber dies in einer Fuge seiner verschiedenen Gestalten zu verdeutlichen. Die gemäßere Formel für den Satz der Identität A ist A sagt demnach nicht nur: Jedes A ist selber dasselbe, sie sagt vielmehr: Mit ihm selbst ist jedes A selber dasselbe. In der Selbigkeit liegt die Beziehung des »mit«, also eine Vermittelung, eine Verbindung, eine Synthesis: die Einung in eine Einheit. Daher kommt es, daß die Identität durch die Geschichte des abendländischen Denkens hindurch im Charakter der Einheit erscheint. Aber diese Einheit ist keineswegs die fade Leere dessen, was, in sich beziehungslos, anhaltend auf einem Einerlei beharrt. Bis jedoch die in der Identität waltende, frühzeitig schon anklingende Beziehung desselben mit ihm selbst als diese Vermittelung entschieden und geprägt zum Vorschein kommt, bis gar eine Unterkunft gefunden wird für dieses Hervorscheinen der Vermittelung innerhalb der Identität, braucht das abend-

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ländische Denken mehr denn zweitausend Jahre. Denn erst die Philosophie des spekulativen Idealismus stiftet, vorbereitet von Leibniz und Kant, durch Fichte, Schelling und Hegel dem in sich synthetischen Wesen der Identität eine Unterkunft. Diese kann hier nicht gezeigt werden. Nur eines ist zu behalten: Seit der Epoche des spekulativen Idealismus bleibt es dem Denken untersagt, die Einheit der Identität als das bloße Einerlei vorzustellen und von der in der Einheit waltenden Vermittelung abzusehen. Wo solches geschieht, wird die Identität nur abstrakt vorgestellt. Auch in der verbesserten Formel »A ist A« kommt allein die abstrakte Identität zum Vorschein. Kommt es dahin? Sagt der Satz der Identität etwas über die Identität aus? Nein, wenigstens nicht unmittelbar. Der Satz setzt vielmehr schon voraus, was Identität heißt und wohin sie gehört. Wie erlangen wir eine Auskunft über diese Voraussetzung? Der Satz der Identität gibt sie uns, wenn wir sorgsam auf seinen Grundton hören, ihm nachsinnen, statt nur leichtsinnig die Formel »A ist A« daherzusagen. Eigentlich lautet sie: A ist A. Was hören wir? In diesem »ist« sagt der Satz, wie jegliches Seiende ist, nämlich: Es selber mit ihm selbst dasselbe. Der Satz der Identität spricht vom Sein des Seienden. Als ein Gesetz des Denkens gilt der Satz nur, insofern er ein Gesetz des Seins ist, das lautet: Zu jedem Seienden als solchem gehört die Identität, die Einheit mit ihm selbst. Was der Satz der Identität, aus seinem Grundton gehört, aussagt, ist genau das, was das gesamte abendländischeuropäische Denken denkt, nämlich dies: Die Einheit der Identität bildet einen Grundzug im Sein des Seienden. Überall, wo und wie wir uns zum Seienden jeglicher Art verhalten, finden wir uns von der Identität angesprochen.

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Spräche dieser Anspruch nicht, dann vermöchte es das Seiende niemals, in seinem Sein zu erscheinen. Demzufolge gäbe es auch keine Wissenschaft. Denn wäre ihr nicht zum voraus jeweils die Selbigkeit ihres Gegenstandes verbürgt, die Wissenschaft könnte nicht sein, was sie ist. Durch diese Bürgschaft sichert sich die Forschung die Möglichkeit ihrer Arbeit. Gleichwohl bringt die Leitvorstellung der Identität des Gegenstandes den Wissenschaften nie einen greifbaren Nutzen. Demnach beruht das Erfolgreiche und Fruchtbare der wissenschaftlichen Erkenntnis überall auf etwas Nutzlosem. Der Anspruch der Identität des Gegenstandes spricht, gleichviel ob die Wissenschaften diesen Anspruch hören oder nicht, ob sie das Gehörte in den Wind schlagen oder sich dadurch bestürzen lassen. Der Anspruch der Identität spricht aus dem Sein des Seienden. Wo nun aber das Sein des Seienden im abendländischen Denken am frühesten und eigens zur Sprache kommt, nämlich bei Parmenides, da spricht toÁ ayÆtoÁ, das Identische, in einem fast übermäßigen Sinne. Einer der Sätze des Parmenides lautet: toÁ gaÁr ayÆtoÁ noeiÄn eÆstiÂn te kaiÁ eiËnai.

»Das Selbe nämlich ist Vernehmen (Denken) sowohl als auch Sein.« Hier wird Verschiedenes, Denken und Sein, als das Selbe gedacht. Was sagt dies? Etwas völlig anderes im Vergleich zu dem, was wir sonst als die Lehre der Metaphysik kennen, daß die Identität zum Sein gehört. Parmenides sagt: Das Sein gehört in eine Identität. Was heißt hier Identität? Was sagt im Satz des Parmenides das Wort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe? Parmenides gibt uns auf diese Frage keine Antwort.

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Er stellt uns vor ein Rätsel, dem wir nicht ausweichen dürfen. Wir müssen anerkennen: In der Frühzeit des Denkens spricht, längst bevor es zu einem Satz der Identität kommt, die Identität selber, und zwar in einem Spruch, der verfügt: Denken und Sein gehören in das Selbe und aus diesem Selben zusammen. Unversehens haben wir jetzt toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, schon gedeutet. Wir legen die Selbigkeit als Zusammengehörigkeit aus. Es liegt nahe, diese Zusammengehörigkeit im Sinne der spä ter gedachten und allgemein bekannten Identität vorzustellen. Was könnte uns daran hindern? Nichts Geringeres als der Satz selbst, den wir bei Parmenides lesen. Denn er sagt anderes, nämlich: Sein gehört – mit dem Denken – in das Selbe. Das Sein ist von einer Identität her als ein Zug dieser Identität bestimmt. Dagegen wird die später in der Metaphysik gedachte Identität als ein Zug im Sein vorgestellt. Also können wir von dieser metaphysisch vorgestellten Identität aus nicht jene bestimmen wollen, die Parmenides nennt. Die Selbigkeit von Denken und Sein, die im Satz des Parmenides spricht, kommt weiter her als die von der Metaphysik aus dem Sein als dessen Zug bestimmte Identität. Das Leitwort im Satz des Parmenides, toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, bleibt dunkel. Wir lassen es dunkel. Wir lassen uns aber zugleich von dem Satz, an dessen Beginn es steht, einen Wink geben. Inzwischen haben wir aber die Selbigkeit von Denken und Sein schon als die Zusammengehörigkeit beider festgelegt. Dies war voreilig, vielleicht notgedrungen. Wir müssen das Voreilige rückgängig machen. Wir können dies auch, insofern wir die genannte Zusammengehörigkeit nicht für die endgültige und gar allein maßgebende Auslegung der Selbigkeit von Denken und Sein halten.

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Denken wir das Zusammengehören nach der Gewohnheit, dann wird, was schon die Betonung des Wortes andeutet, der Sinn des Gehörens vom Zusammen, d. h. von dessen Einheit her bestimmt. In diesem Fall heißt »gehören« soviel wie: zugeordnet und eingeordnet in die Ordnung eines Zusammen, eingerichtet in die Einheit eines Mannigfaltigen, zusammengestellt zur Einheit des Systems, vermittelt durch die einigende Mitte einer maßgebenden Synthesis. Die Philosophie stellt dieses Zusammengehören als nexus und connexio vor, als die notwendige Verknüpfung des einen mit dem anderen. Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken. Dies will sagen: Das Zusammen wird jetzt aus dem Gehören bestimmt. Hier bleibt allerdings zu fragen, was dann »gehören« besage und wie sich aus ihm erst das ihm eigene Zusammen bestimme. Die Antwort auf diese Fragen liegt uns näher als wir meinen, aber sie liegt nicht auf der Hand. Genug, wenn wir jetzt durch diesen Hinweis auf die Möglichkeit merken, das Gehören nicht mehr aus der Einheit des Zusammen vorzustellen, sondern dieses Zusammen aus dem Gehören her zu erfahren. Allein, erschöpft sich der Hinweis auf diese Möglichkeit nicht in einem leeren Wortspiel, das etwas erkünstelt, dem jeder Anhalt in einem nachprüfbaren Sachverhalt fehlt? So sieht es aus, bis wir schärfer zusehen und die Sache sprechen lassen. Der Gedanke an ein Zusammengehören im Sinne des Zusammengehörens entspringt aus dem Hinblick auf einen Sachverhalt, der schon genannt wurde. Er ist freilich seiner Einfachheit wegen schwer im Blick zu behalten. Indessen kommt uns dieser Sachverhalt sogleich näher, wenn wir folgendes beachten: Bei der Erläuterung des Zusammengehörens als Zusammengehören hatten wir schon, nach dem

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Wink des Parmenides, Denken sowohl als auch Sein im Sinn, also das, was im Selben zueinandergehört. Verstehen wir das Denken als die Auszeichnung des Menschen, dann besinnen wir uns auf ein Zusammengehören, das Mensch und Sein betrifft. Im Nu sehen wir uns von den Fragen bedrängt: Was heißt Sein? Wer oder was ist der Mensch? Jedermann sieht leicht: Ohne die zureichende Beantwortung dieser Fragen fehlt uns der Boden, auf dem wir etwas Verläßliches über das Zusammengehören von Mensch und Sein ausmachen können. Solange wir jedoch auf diese Weise fragen, bleiben wir in den Versuch gebannt, das Zu sammen von Mensch und Sein als eine Zuordnung vorzustellen und diese entweder vom Menschen her oder vom Sein aus einzurichten und zu erklären. Hierbei bilden die überlieferten Begriffe vom Menschen und vom Sein die Fußpunkte für die Zuordnung beider. Wie wäre es, wenn wir, statt unentwegt nur eine Zusammenordnung beider vorzustellen, um ihre Einheit herzustellen, einmal darauf achteten, ob und wie in diesem Zusammen vor allem ein Zu-einander-Gehören im Spiel ist? Nun besteht sogar die Möglichkeit, das Zusammengehören von Mensch und Sein schon in den überlieferten Bestimmungen ihres Wesens, wenngleich nur aus der Ferne zu erblicken. Inwiefern? Offenbar ist der Mensch etwas Seiendes. Als dieses gehört er wie der Stein, der Baum, der Adler in das Ganze des Seins. Gehören heißt hier noch: eingeordnet in das Sein. Aber das Auszeichnende des Menschen beruht darin, daß er als das denkende Wesen, offen dem Sein, vor dieses gestellt ist, auf das Sein bezogen bleibt und ihm so entspricht. Der Mensch ist eigentlich dieser Bezug der Entsprechung, und er ist nur dies. »Nur« – dies meint keine Beschränkung, sondern ein Übermaß. Im Menschen waltet ein Ge-

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hören zum Sein, welches Gehören auf das Sein hört, weil es diesem übereignet ist. Und das Sein? Denken wir das Sein nach seinem anfänglichen Sinne als Anwesen. Das Sein west den Menschen weder beiläufig noch ausnahmsweise an. Sein west und währt nur, indem es durch seinen Anspruch den Menschen an-geht. Denn erst der Mensch, offen für das Sein, läßt dieses als Anwesen ankommen. Solches An-wesen braucht das Offene einer Lichtung und bleibt so durch dieses Brauchen dem Menschenwesen übereignet. Dies besagt keineswegs, das Sein werde erst und nur durch den Menschen gesetzt. Dagegen wird deutlich: Mensch und Sein sind einander übereignet. Sie gehören einander. Aus diesem nicht näher bedachten Zueinandergehören haben Mensch und Sein allererst diejenigen Wesensbestimmungen empfangen, in denen sie durch die Philosophie metaphysisch begriffen werden. Dieses vorwaltende Zusammengehören von Mensch und Sein verkennen wir hartnäckig, solange wir alles nur in Ordnungen und Vermittlungen, sei es mit oder ohne Dialektik, vorstellen. Wir finden dann immer nur Verknüpfungen, die entweder vom Sein oder vom Menschen her geknüpft sind und das Zusammengehören von Mensch und Sein als Verflechtung darstellen. Wir kehren noch nicht in das Zusammengehören ein. Wie aber kommt es zu einer solchen Einkehr? Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen. Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges. Er springt ab, nämlich weg aus der geläufigen Vorstellung vom Menschen als dem animal rationale, das in der Neuzeit zum Subjekt für seine Objekte geworden ist. Der Absprung springt zugleich weg vom Sein. Dieses wird jedoch seit der Frühzeit des abendländischen Denkens als der Grund ausgelegt, worin jedes Seiende als Seiendes gründet.

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Wohin springt der Absprung, wenn er vom Grund abspringt? Springt er in einen Abgrund? Ja, solange wir den Sprung nur vorstellen, und zwar im Gesichtskreis des metaphysischen Denkens. Nein, insofern wir springen und uns loslassen. Wohin? Dahin, wohin wir schon eingelassen sind: in das Gehören zum Sein. Das Sein selbst aber gehört zu uns; denn nur bei uns kann es als Sein wesen, d. h. anwesen. So wird denn, um das Zusammengehören von Mensch und Sein eigens zu erfahren, ein Sprung nötig. Dieser Sprung ist das Jähe der brückenlosen Einkehr in jenes Gehören, das erst ein Zueinander von Mensch und Sein und damit die Konstellation beider zu vergeben hat. Der Sprung ist die jähe Ein fahrt in den Bereich, aus dem her Mensch und Sein einander je schon in ihrem Wesen erreicht haben, weil beide aus einer Zureichung einander übereignet sind. Die Einfahrt in den Bereich dieser Übereignung stimmt und bestimmt erst die Erfahrung des Denkens. Seltsamer Sprung, der uns vermutlich den Einblick erbringt, daß wir uns noch nicht genügend dort aufhalten, wo wir eigentlich schon sind. Wo sind wir? In welcher Konstellation von Sein und Mensch? Heute benötigen wir, so scheint es wenigstens, nicht mehr wie noch vor Jahren umständliche Hinweise, damit wir die Konstellation erblicken, aus der Mensch und Sein einander angehen. Es genügt, so möchte man meinen, das Wort Atomzeitalter zu nennen, um erfahren zu lassen, wie das Sein heute in der technischen Welt uns an-west. Aber dürfen wir denn die technische Welt ohne weiteres mit dem Sein in eins setzen? Offenbar nicht, auch dann nicht, wenn wir diese Welt als das Ganze vorstellen, worin Atomenergie, rechnende Planung des Menschen und Automatisierung zusammengeschlossen sind. Weshalb bringt ein so ge-

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arteter Hinweis auf die technische Welt, mag er diese noch so weitläufig abschildern, keineswegs schon die Konstellation von Sein und Mensch in den Blick? Weil jede Analyse der Situation zu kurz denkt, insofern das erwähnte Ganze der technischen Welt zum voraus vom Menschen her als dessen Gemächte gedeutet wird. Das Technische, im weitesten Sinne und nach seinen vielfältigen Erscheinungen vorgestellt, gilt als der Plan, den der Mensch entwirft, welcher Plan den Menschen schließlich in die Entscheidung drängt, ob er zum Knecht seines Planes werden oder dessen Herr bleiben will. Durch diese Vorstellung vom Ganzen der technischen Welt schraubt man alles auf den Menschen zurück und gelangt, wenn es hoch kommt, zur Forderung einer Ethik der technischen Welt. In dieser Vorstellung befangen, bestärkt man sich selber in der Meinung, die Technik sei nur eine Sache des Menschen. Man überhört den Anspruch des Seins, der im Wesen der Technik spricht. Setzen wir uns endlich davon ab, das Technische nur technisch, d. h. vom Menschen und seinen Maschinen her vorzustellen. Achten wir auf den Anspruch, unter dem in unserem Zeitalter nicht nur der Mensch, sondern alles Seiende, Natur und Geschichte, hinsichtlich ihres Seins stehen. Welchen Anspruch meinen wir? Unser ganzes Dasein findet sich überall – bald spielend, bald drangvoll, bald gehetzt, bald geschoben – , herausgefordert, sich auf das Planen und Berechnen von allem zu verlegen. Was spricht in dieser Herausforderung? Entspringt sie nur einer selbstgemachten Laune des Menschen? Oder geht uns dabei schon das Seiende selbst an, und zwar so, daß es uns auf seine Planbarkeit und Berechenbarkeit hin anspricht? Dann stünde also gar das Sein unter der Herausforderung,

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das Seiende im Gesichtskreis der Berechenbarkeit erscheinen zu lassen? In der Tat. Und nicht nur dies. Im selben Maße wie das Sein ist der Mensch herausgefordert, d. h. gestellt, das ihn angehende Seiende als den Bestand seines Planens und Rechnens sicherzustellen und dieses Bestellen ins Unabsehbare zu treiben. Der Name für die Versammlung des Herausforderns, das Mensch und Sein einander so zu-stellt, daß sie sich wechselweise stellen, lautet: das Ge-Stell. Man hat sich an diesem Wortgebrauch gestoßen. Aber wir sagen statt »stellen« auch »setzen« und finden nichts dabei, daß wir das Wort Ge-setz gebrauchen. Warum also nicht auch Ge-Stell, wenn der Blick in den Sachverhalt dies verlangt? Dasjenige, worin und woher Mensch und Sein in der technischen Welt einander an-gehen, spricht an in der Weise des Ge-Stells. Im wechselweisen Sichstellen von Mensch und Sein hören wir den Anspruch, der die Konstellation unseres Zeitalters bestimmt. Das Ge-Stell geht uns überall unmittelbar an. Das Ge-Stell ist, falls wir jetzt noch so sprechen dürfen, seiender denn alle Atomenergien und alles Maschinenwesen, seiender als die Wucht der Organisation, Information und Automatisierung. Weil wir das, was Ge-Stell heißt, nicht mehr im Gesichtskreis des Vorstellens antreffen, der uns das Sein des Seienden als Anwesen denken läßt – das Ge-Stell geht uns nicht mehr an wie etwas Anwesendes – , deshalb ist es zunächst befremdlich. Befremdlich bleibt das Ge-Stell vor allem insofern, als es nicht ein Letztes ist, sondern selber uns erst Jenes zuspielt, was die Konstellation von Sein und Mensch eigentlich durchwaltet. Das Zusammengehören von Mensch und Sein in der Weise der wechselseitigen Herausforderung bringt uns bestürzend näher, daß und wie der Mensch dem Sein vereig-

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net, das Sein aber dem Menschenwesen zugeeignet ist. Im Ge-Stell waltet ein seltsames Vereignen und Zueignen. Es gilt, dieses Eignen, worin Mensch und Sein einander geeignet sind, schlicht zu erfahren, d. h. einzukehren in das, was wir das Ereignis nennen. Das Wort Ereignis ist der gewachsenen Sprache entnommen. Er-eignen heißt ursprünglich: er-äugen, d. h. er blicken, im Blicken zu sich rufen, an-eignen. Das Wort Ereignis soll jetzt, aus der gewiesenen Sache her gedacht, als Leitwort im Dienst des Denkens sprechen. Als so gedachtes Leitwort läßt es sich sowenig übersetzen wie das griechische Leitwort loÂgow und das chinesische Tao. Das Wort Ereignis meint hier nicht mehr das, was wir sonst irgendein Geschehnis, ein Vorkommnis nennen. Das Wort ist jetzt als Singulare tantum gebraucht. Was es nennt, ereignet sich nur in der Einzahl, nein, nicht einmal mehr in einer Zahl, sondern einzig. Was wir im Ge-Stell als der Konstellation von Sein und Mensch durch die moderne technische Welt erfahren, ist ein Vorspiel dessen, was Er-eignis heißt. Dieses verharrt jedoch nicht notwendig in seinem Vorspiel. Denn im Er-eignis spricht die Möglichkeit an, daß es das bloße Walten des Ge-Stells in ein anfänglicheres Ereignen verwindet. Eine solche Verwindung des Ge-Stells aus dem Er-eignis in dieses brächte die ereignishafte, also niemals vom Menschen allein machbare, Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches, durch den der Mensch eigentlicher in das Er-eignis reicht. Wohin hat der Weg geführt? Zur Einkehr unseres Denkens in jenes Einfache, das wir im strengen Wortsinne das Er- eignis nennen. Es scheint, als gerieten wir jetzt in die Gefahr, unser Denken allzu unbekümmert in etwas abgelegenes Allgemeines zu richten, während sich uns doch mit dem, was das Wort Er-eignis nennen möchte, nur das

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Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhalten. Denn was könnte uns näher sein als das, was uns dem nähert, dem wir gehören, worin wir Gehörende sind, das Er-eignis? Das Er-eignis ist der in sich schwingende Bereich, durch den Mensch und Sein einander in ihrem Wesen erreichen, ihr Wesendes gewinnen, indem sie jene Bestimmungen verlieren, die ihnen die Metaphysik geliehen hat. Das Ereignis als Er-eignis denken, heißt, am Bau dieses in sich schwingenden Bereiches bauen. Das Bauzeug zu diesem in sich schwebenden Bau empfängt das Denken aus der Sprache. Denn die Sprache ist die zarteste, aber auch die anfälligste, alles verhaltende Schwingung im schwebenden Bau des Ereignisses. Insofern unser Wesen in die Sprache vereignet ist, wohnen wir im Ereignis. Wir sind jetzt an eine Wegstelle gelangt, wo sich die zwar grobe aber unvermeidliche Frage aufdrängt: Was hat das Ereignis mit der Identität zu tun? Antwort: Nichts. Dagegen hat die Identität vieles, wenn nicht alles mit dem Ereignis zu tun. Inwiefern? Wir antworten, indem wir den begangenen Weg mit wenigen Schritten zurückgehen. Das Ereignis vereignet Mensch und Sein in ihr wesenhaftes Zusammen. Ein erstes, bedrängendes Aufblitzen des Ereignisses erblicken wir im Ge-Stell. Dieses macht das Wesen der modernen technischen Welt aus. Im Ge-Stell erblicken wir ein Zusammengehören von Mensch und Sein, worin das Gehörenlassen erst die Art des Zusammen und dessen Einheit bestimmt. Das Geleit in die Frage nach einem Zusammengehören, darin das Gehören den Vorrang vor dem Zusammen hat, ließen wir uns durch den Satz des Parmenides geben: »Das Selbe nämlich ist Denken sowohl als auch Sein.« Die Frage nach dem Sinn dieses Selben ist die Frage nach dem Wesen der Identität. Die Lehre der

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Metaphysik stellt die Identität als einen Grundzug im Sein vor. Jetzt zeigt sich: Sein gehört mit dem Denken in eine Identität, deren Wesen aus jenem Zusammengehörenlassen stammt, das wir das Ereignis nennen. Das Wesen der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses. Für den Fall, daß an dem Versuch, unser Denken in den Ort der Wesensherkunft der Identität zu weisen, etwas Haltbares sein könnte, was wäre dann aus dem Titel des Vortrages ge worden? Der Sinn des Titels »Der Satz der Identität« hätte sich gewandelt. Der Satz gibt sich zunächst in der Form eines Grundsatzes, der die Identität als einen Zug im Sein, d. h. im Grund des Seienden voraussetzt. Aus diesem Satz im Sinne einer Aussage ist unterwegs ein Satz geworden von der Art eines Sprunges, der sich vom Sein als dem Grund des Seienden absetzt und so in den Abgrund springt. Doch dieser Abgrund ist weder das leere Nichts noch eine finstere Wirrnis, sondern: das Er-eignis. Im Er-eignis schwingt das Wesen dessen, was als Sprache spricht, die einmal das Haus des Seins genannt wurde. Satz der Identität sagt jetzt: Ein Sprung, den das Wesen der Identität verlangt, weil es ihn braucht, wenn anders das Zusammengehören von Mensch und Sein in das Wesenslicht des Ereignisses gelangen soll. Unterwegs vom Satz als einer Aussage über die Identität zum Satz als Sprung in die Wesensherkunft der Identität hat sich das Denken gewandelt. Darum erblickt es, der Gegenwart entgegenblickend, über die Situation des Menschen hinweg die Konstellation von Sein und Mensch aus dem, was beide einander eignet, aus dem Er-eignis. Gesetzt, die Möglichkeit warte uns entgegen, daß sich uns das Ge-Stell, die wechselweise Herausforderung von Mensch und Sein in die Berechnung des Berechenbaren, als das Ereignis zuspricht, das Mensch und Sein erst in ihr

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Eigentliches enteignet, dann wäre ein Weg frei, auf dem der Mensch das Seiende, das Ganze der modernen technischen Welt, Natur und Geschichte, allem zuvor ihr Sein, anfänglicher erfährt. So lange die Besinnung auf die Welt des Atomzeitalters bei allem Ernst der Verantwortung nur dahin drängt, aber auch nur dabei als dem Ziel sich beruhigt, die friedliche Nutzung der Atomenergie zu betreiben, so lange bleibt das Denken auf halbem Wege stehen. Durch diese Halbheit wird die technische Welt in ihrer metaphysischen Vorherrschaft weiterhin und erst recht gesichert. Allein, wo ist entschieden, daß die Natur als solche für alle Zukunft die Natur der modernen Physik bleiben und die Geschichte sich nur als Gegenstand der Historie darstellen müsse? Zwar können wir die heutige technische Welt weder als Teufelswerk verwerfen, noch dürfen wir sie vernichten, falls sie dies nicht selber besorgt. Wir dürfen aber noch weniger der Meinung nachhängen, die technische Welt sei von einer Art, die einen Absprung aus ihr schlechthin verwehre. Diese Meinung hält nämlich das Aktuelle, von ihm besessen, für das allein Wirkliche. Diese Meinung ist allerdings phantastisch, nicht dagegen ein Vordenken, das dem entgegenblickt, was als Zuspruch des Wesens der Identität von Mensch und Sein auf uns zukommt. Mehr denn zweitausend Jahre brauchte das Denken, um eine so einfache Beziehung wie die Vermittelung innerhalb der Identität eigens zu begreifen. Dürfen wir da meinen, die denkende Einkehr in die Wesensherkunft der Identität lasse sich an einem Tage bewerkstelligen? Gerade weil diese Einkehr einen Sprung verlangt, braucht sie ihre Zeit, die Zeit des Denkens, die eine andere ist als diejenige des Rechnens, das heute überall her an unserem Denken zerrt.

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Heute errechnet die Denkmaschine in einer Sekunde Tausende von Beziehungen. Sie sind trotz ihres technischen Nutzens wesenlos. Was immer und wie immer wir zu denken versuchen, wir denken im Spielraum der Überlieferung. Sie waltet, wenn sie uns aus dem Nachdenken in ein Vordenken befreit, das kein Planen mehr ist. Erst wenn wir uns denkend dem schon Gedachten zuwenden, werden wir verwendet für das noch zu Denkende.

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DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK

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ieses Seminar versuchte, ein Gespräch mit Hegel zu beginnen. Das Gespräch mit einem Denker kann nur von der Sache des Denkens handeln. »Sache« meint nach der gegebenen Bestimmung den Streitfall, das Strittige, das einzig für das Denken der Fall ist, der das Denken angeht. Der Streit aber dieses Strittigen wird keineswegs erst durch das Denken gleichsam vom Zaun gebrochen. Die Sache des Denkens ist das in sich Strittige eines Streites. Unser Wort Streit (althochdeutsch strit) meint vornehmlich nicht die Zwietracht sondern die Bedrängnis. Die Sache des Denkens bedrängt das Denken in der Weise, daß sie das Denken erst zu seiner Sache und von dieser her zu ihm selbst bringt. Für Hegel ist die Sache des Denkens: Das Denken als solches. Damit wir diese Umgrenzung der Sache, nämlich das Denken als solches, nicht psychologisch und nicht erkenntnistheoretisch mißdeuten, müssen wir erläuternd beifügen: Das Denken als solches – in der entwickelten Fülle der Gedachtheit des Gedachten. Was hier Gedachtheit des Gedachten besagt, können wir nur von Kant her verstehen, vom Wesen des Transzendentalen aus, das Hegel jedoch absolut, und d. h. für ihn spekulativ, denkt. Darauf zielt Hegel ab, wenn er vom Denken des Denkens als solchem sagt, daß es »rein im Elemente des Denkens« entwickelt werde (Enc. Einleitung § 14). Mit einem knappen, aber nur schwer sachgerecht auszudenkenden Titel benannt, heißt

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dies: Die Sache des Denkens ist für Hegel »der Gedanke«. Dieser aber ist, zu seiner höchsten Wesensfreiheit entfaltet, »die absolute Idee«. Von ihr sagt Hegel gegen Ende der »Wissenschaft der Logik« (ed. Lass. Bd. II, 484): »die absolute Idee allein ist Sein, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit«. So gibt denn Hegel selbst und ausdrücklich der Sache seines Denkens denjenigen Namen, der über der ganzen Sache des abendländischen Denkens steht, den Namen: Sein. (Im Seminar wurde der mehrfältige und doch einheitliche Gebrauch des Wortes »Sein« erörtert. Sein besagt für Hegel zunächst, aber niemals nur, die »unbestimmte Unmittelbarkeit«. Sein ist hier gesehen aus dem bestimmenden Vermitteln, d. h. vom absoluten Begriff her und deshalb auf diesen hin. »Die Wahrheit des Seins ist das Wesen«, d. h. die absolute Reflexion. Die Wahrheit des Wesens ist der Begriff im Sinne des un-endlichen Sichwissens. Sein ist das absolute Sichdenken des Denkens. Das absolute Denken allein ist die Wahrheit des Seins, »ist« Sein. Wahrheit heißt hier überall: die ihrer selbst gewisse Gewußtheit des Wißbaren als solchen.) Hegel denkt jedoch die Sache seines Denkens sachgemäß zugleich in einem Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte des Denkens. Hegel ist der erste, der so denken kann und muß. Hegels Verhältnis zur Geschichte der Philosophie ist das spekulative und nur als dieses ein geschichtliches. Der Charakter der Bewegung der Geschichte ist ein Geschehen im Sinne des dialektischen Prozesses. Hegel schreibt (Enc. § 14): »Dieselbe Entwickelung des Denkens, welche in der Geschichte der Philosophie dargestellt wird, wird in der Philosophie selbst dargestellt, aber befreit von jener geschichtlichen Äußerlichkeit, rein im Elemente des Denkens.«

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Wir stutzen und stocken. Die Philosophie selbst und die Geschichte der Philosophie sollen nach Hegels eigenem Wort im Verhältnis der Äußerlichkeit stehen. Aber die von Hegel gedachte Äußerlichkeit ist keineswegs äußerlich in dem groben Sinne des bloß Oberflächlichen und Gleichgültigen. Äußerlichkeit besagt hier das Außerhalb, darin alle Geschichte und jeder wirkliche Verlauf gegenüber der Bewegung der absoluten Idee sich aufhält. Die erläuterte Äußerlichkeit der Geschichte im Verhältnis zur Idee ergibt sich als Folge der Selbstentäußerung der Idee. Die Außer lichkeit ist selbst eine dialektische Bestimmung. Man bleibt daher weit hinter dem eigentlichen Gedanken Hegels zurück, wenn man feststellt, Hegel habe in der Philosophie das historische Vorstellen und das systematische Denken zu einer Einheit gebracht. Denn für Hegel handelt es sich weder um Historie, noch um das System im Sinne eines Lehrgebäudes. Was sollen diese Bemerkungen über die Philosophie und deren Verhältnis zur Geschichte? Sie möchten andeuten, daß die Sache des Denkens für Hegel in sich geschichtlich ist, dies jedoch im Sinne des Geschehens. Dessen Prozeßcharakter wird durch die Dialektik des Seins bestimmt. Die Sache des Denkens ist für Hegel das Sein als das sich selbst denkende Denken, welches Denken erst im Prozeß seiner spekulativen Entwicklung zu sich selbst kommt und somit Stufen der je verschieden entwickelten und daher zuvor notwendig unentwickelten Gestalten durchläuft. Erst aus der so erfahrenen Sache des Denkens entspringt für Hegel eine eigentümliche Maxime, die Maßgabe für die Art und Weise, wie er mit den voraufgegangenen Denkern spricht. Wenn wir also ein denkendes Gespräch mit Hegel versuchen, dann müssen wir mit ihm nicht nur von derselben

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Sache, sondern von derselben Sache in derselben Weise sprechen. Allein das Selbe ist nicht das Gleiche. Im Gleichen verschwindet die Verschiedenheit. Im Selben erscheint die Verschiedenheit. Sie erscheint um so bedrängender, je entschiedener ein Denken von derselben Sache auf dieselbe Weise angegangen wird. Hegel denkt das Sein des Seienden spekulativ-geschichtlich. Insofern nun aber Hegels Denken in eine Epoche der Geschichte gehört (dies meint beileibe nicht zum Vergangenen), versuchen wir, das von Hegel gedachte Sein auf dieselbe Weise, d. h. geschichtlich zu denken. Bei seiner Sache kann das Denken nur dadurch bleiben, daß es im Dabei-bleiben jeweils sachlicher, daß ihm dieselbe Sache strittiger wird. Auf diese Weise verlangt die Sache vom Denken, daß es die Sache in ihrem Sachverhalt aushalte, ihm durch eine Entsprechung standhalte, indem es die Sache zu ihrem Austrag bringt. Das bei seiner Sache bleibende Denken muß, wenn diese Sache das Sein ist, sich auf den Austrag des Seins einlassen. Demgemäß sind wir daran gehalten, im Gespräch mit Hegel und für dieses zum voraus die Selbigkeit derselben Sache deutlicher zu machen. Dies verlangt nach dem Gesagten, mit der Verschiedenheit der Sache des Denkens zugleich die Verschiedenheit des Geschichtlichen im Gespräch mit der Geschichte der Philosophie ans Licht zu heben. Eine solche Verdeutlichung muß hier notgedrungen kurz und umrißweise ausfallen. Wir beachten zum Zwecke einer Verdeutlichung der Verschiedenheit, die zwischen dem Denken Hegels und dem von uns versuchten Denken obwaltet, dreierlei. Wir fragen: 1. Welches ist dort und hier die Sache des Denkens? 2. Welches ist dort und hier die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte des Denkens?

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3. Welches ist dort und hier der Charakter dieses Gespräches? Zur ersten Frage: Für Hegel ist die Sache des Denkens das Sein hinsichtlich der Gedachtheit des Seienden im absoluten Denken und als dieses. Für uns ist die Sache des Denkens das Selbe, somit das Sein, aber das Sein hinsichtlich seiner Differenz zum Seienden. Noch schärfer gefaßt: Für Hegel ist die Sache des Denkens der Gedanke als der absolute Begriff. Für uns ist die Sache des Denkens, vorläufig benannt, die Differenz als Differenz. Zur zweiten Frage: Für Hegel lautet die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte der Philosophie: Eingehen in die Kraft und den Umkreis des von den früheren Denkern Gedachten. Nicht zufällig stellt Hegel seine Maxime im Zuge eines Gespräches mit Spinoza und vor einem Gespräch mit Kant heraus (Wissenschaft der Logik, III. Buch, Lasson Bd. II, S. 216 ff.). Bei Spinoza findet Hegel den vollendeten »Standpunkt der Substanz«, der jedoch nicht der höchste sein kann, weil das Sein noch nicht ebensosehr und entschieden von Grund aus als sich denkendes Denken gedacht ist. Das Sein hat sich als Substanz und Substanzialität noch nicht zum Subjekt in seiner absoluten Subjektität entfaltet. Gleichwohl spricht Spinoza das gesamte Denken des deutschen Idealismus immer neu an und versetzt es zugleich in den Widerspruch, weil er das Denken mit dem Absoluten anfangen läßt. Dagegen ist der Weg Kants ein anderer und für das Denken des absoluten Idealismus und für die Philosophie überhaupt noch weit entscheidender als das System Spinozas. Hegel sieht in Kants Gedanken der ursprünglichen Synthesis der Apperception »eines der tiefsten Prinzipien für die spekulative Entwicklung« (a. a. O.

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S. 227). Die jeweilige Kraft der Denker findet Hegel in dem von ihnen Gedachten, insofern es als jeweilige Stufe in das absolute Denken aufgehoben werden kann. Dieses ist nur dadurch absolut, daß es sich in seinem dialektischspekulativen Prozeß bewegt und dafür die Stufung verlangt. Für uns ist die Maßgabe für das Gespräch mit der geschichtlichen Überlieferung dieselbe, insofern es gilt, in die Kraft des früheren Denkens einzugehen. Allein wir suchen die Kraft nicht im schon Gedachten, sondern in einem Ungedachten, von dem her das Gedachte seinen Wesensraum empfängt. Aber das schon Gedachte erst bereitet das noch Ungedachte, das immer neu in seinen Überfluß einkehrt. Die Maßgabe des Ungedachten führt nicht zum Einbezug des vormals Gedachten in eine immer noch höhere und es überholende Entwicklung und Systematik, sondern sie verlangt die Freilassung des überlieferten Denkens in sein noch aufgespartes Gewesenes. Dies durchwaltet anfänglich die Über lieferung, west ihr stets voraus, ohne doch eigens und als das An-fangende gedacht zu sein. Zur dritten Frage: Für Hegel hat das Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte der Philosophie den Charakter der Aufhebung, d. h. des vermittelnden Begreifens im Sinne der absoluten Begründung. Für uns ist der Charakter des Gespräches mit der Geschichte des Denkens nicht mehr die Aufhebung, sondern der Schritt zurück. Die Aufhebung führt in den überhöhend-versammelnden Bezirk der absolut gesetzten Wahrheit im Sinne der vollständig entfalteten Gewißheit des sich wissenden Wissens. Der Schritt zurück weist in den bisher übersprungenen

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Bereich, aus dem her das Wesen der Wahrheit allererst denkwürdig wird. Nach dieser knappen Kennzeichnung der Verschiedenheit des Hegelschen Denkens und des unsrigen hinsichtlich der Sache, hinsichtlich der Maßgabe und des Charakters eines Gespräches mit der Geschichte des Denkens versuchen wir, das begonnene Gespräch mit Hegel um ein Geringes deutlicher in Gang zu bringen. Dies besagt: Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück. Der Titel »Schritt zurück« legt mehrfache Mißdeutungen nahe. »Schritt zurück« meint nicht einen vereinzelten Denkschritt, sondern die Art der Bewegung des Denkens und einen langen Weg. Insofern der Schritt zurück den Charakter unseres Gespräches mit der Geschichte des abendländischen Denkens bestimmt, führt das Denken aus dem in der Philosophie bisher Gedachten in gewisser Weise heraus. Das Denken tritt vor seiner Sache, dem Sein, zurück und bringt so das Gedachte in ein Gegenüber, darin wir das Ganze dieser Geschichte erblicken und zwar hinsichtlich dessen, was die Quelle dieses ganzen Denkens ausmacht, indem sie ihm überhaupt den Bezirk seines Aufenthaltes bereitstellt. Dies ist im Unterschied zu Hegel nicht ein überkommenes, schon gestelltes Problem, sondern das durch diese Geschichte des Denkens hindurch überall Ungefragte. Wir benennen es vorläufig und unvermeidlich in der Sprache der Überlieferung. Wir sprechen von der Differenz zwischen dem Sein und dem Seienden. Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, von der Differenz als solcher, in das zu-Denkende. Das ist die Vergessenheit der Differenz. Die hier zu denkende Vergessenheit ist die von der LhÂûh (Verbergung) her gedachte Verhüllung der Differenz als solcher, welche Verhüllung ihrerseits sich anfänglich entzogen hat. Die Vergessenheit gehört zur Differenz, weil

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diese jener zugehört. Die Vergessenheit befällt nicht erst die Differenz nachträglich zufolge einer Vergeßlichkeit des menschlichen Denkens. Die Differenz von Seiendem und Sein ist der Bezirk, innerhalb dessen die Metaphysik, das abendländische Denken im Ganzen seines Wesens das sein kann, was sie ist. Der Schritt zurück bewegt sich daher aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik. Die Bemerkung über Hegels Gebrauch des mehrdeutigen Leitwortes »Sein« läßt erkennen, daß die Rede von Sein und Seiendem sich niemals auf eine Epoche der Lichtungsgeschichte von »Sein« festlegen läßt. Die Rede vom »Sein« versteht diesen Namen auch nie im Sinne einer Gattung, unter deren leere Allgemeinheit die historisch vorgestellten Lehren vom Seienden als einzelne Fälle gehören. »Sein« spricht je und je geschicklich und deshalb durchwaltet von Überlieferung. Der Schritt zurück aus der Metaphysik in ihr Wesen verlangt nun aber eine Dauer und Ausdauer, deren Maße wir nicht kennen. Nur das eine ist deutlich: Der Schritt bedarf einer Vorbereitung, die jetzt und hier gewagt werden muß; dies jedoch angesichts des Seienden als solchen im Ganzen, wie es jetzt ist und sich zusehends eindeutiger zu zeigen beginnt. Was jetzt ist, wird durch die Herrschaft des Wesens der modernen Technik geprägt, welche Herrschaft sich bereits auf allen Gebieten des Lebens durch vielfältig benennbare Züge wie Funktionalisierung, Perfektion, Automatisation, Bürokratisierung, Information darstellt. So wie wir die Vorstellung vom Lebendigen Biologie nennen, kann die Darstellung und Ausformung des vom Wesen der Technik durchherrschten Seienden Technologie heißen. Der Ausdruck darf als Bezeichnung für die Metaphysik des Atomzeitalters dienen. Der Schritt zurück aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik ist, von der

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Gegenwart her gesehen und aus dem Einblick in sie übernommen, der Schritt aus der Technologie und technologischen Beschreibung und Deutung des Zeitalters in das erst zu denkende Wesen der modernen Technik. Mit diesem Hinweis sei die andere naheliegende Mißdeutung des Titels »Schritt zurück« ferngehalten, die Meinung nämlich, der Schritt zurück bestehe in einem historischen Rückgang zu den frühesten Denkern der abendländischen Philosophie. Das Wohin freilich, dahin der Schritt zurück uns lenkt, entfaltet und zeigt sich erst durch den Vollzug des Schrittes. Wir wählten, um durch das Seminar einen Blick in das Ganze der Hegelschen Metaphysik zu gewinnen, als Notbehelf eine Erörterung des Stückes, mit dem das I. Buch der »Wissenschaft der Logik«, »Die Lehre vom Sein«, beginnt. Schon der Titel des Stückes gibt in jedem Wort genug zu denken. Er lautet: »Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?« Hegels Beantwortung der Frage besteht in dem Nachweis, daß der Anfang »spekulativer Natur« ist. Dies sagt: Der Anfang ist weder etwas Unmittelbares noch etwas Vermitteltes. Diese Natur des Anfanges versuchten wir in einem spekulativen Satz zu sagen: »Der Anfang ist das Resultat.« Dies besagt nach der dialektischen Mehrdeutigkeit des »ist« mehrfaches. Einmal dies: Der Anfang ist – das resultare beim Wort genommen – der Rückprall aus der Vollendung der dialektischen Bewegung des sich denkenden Denkens. Die Vollendung dieser Bewegung, die absolute Idee, ist das geschlossen entfaltete Ganze, die Fülle des Seins. Der Rückprall aus dieser Fülle ergibt die Leere des Seins. Mit ihr muß in der Wissenschaft (dem absoluten, sich wissenden Wissen) der Anfang gemacht werden. Anfang und Ende der Bewegung, dem zuvor diese selber, bleibt überall das Sein. Es west als die in

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sich kreisende Bewegung von der Fülle in die äu- ßerste Entäußerung und von dieser in die sich vollendende Fülle. Die Sache des Denkens ist somit für Hegel das sich denkende Denken als das in sich kreisende Sein. In der nicht nur berechtigten, sondern notwendigen Umkehrung lautet der spekulative Satz über den Anfang: »Das Resultat ist der Anfang.« Mit dem Resultat muß, insofern aus ihm der Anfang resultiert, eigentlich angefangen werden. Dies sagt das Selbe wie die Bemerkung, die Hegel im Stück über den Anfang gegen Schluß beiläufig und in Klammern einfügt (Lass. I, 63): »(und das unbestrittenste Recht hätte Gott, daß mit ihm der Anfang gemacht werde)«. Gemäß der Titelfrage des Stückes handelt es sich um den »Anfang der Wissenschaft«. Wenn sie mit Gott den Anfang machen muß, ist sie die Wissenschaft von Gott: Theologie. Dieser Name spricht hier in seiner späteren Bedeutung. Darnach ist die Theo-logie die Aussage des vorstellenden Denkens über Gott. Zunächst meint ûeoÂlogow, ûeologiÂa das mythisch-dichtende Sagen von den Göttern ohne Beziehung auf eine Glaubenslehre und eine kirchliche Doktrin. Weshalb ist »die Wissenschaft«, so lautet seit Fichte der Name für die Metaphysik, weshalb ist die Wissenschaft Theologie? Antwort: Weil die Wissenschaft die systematische Entwick lung des Wissens ist, als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft ist. Der schulmäßige, im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit auftauchende Titel für die Wissenschaft vom Sein, d. h. vom Seienden als solchem im allgemeinen, lautet: Ontosophie oder Ontologie. Nun ist aber die abendländische Metaphysik seit ihrem Beginn bei den Griechen – und noch ungebunden an diese Titel – zumal Ontologie und Theologie. In der Antrittsvorlesung »Was ist Metaphysik?« (1929) wird daher

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die Metaphysik als die Frage nach dem Seienden als solchem und im Ganzen bestimmt. Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt. Für den, der lesen kann, heißt dies: Die Metaphysik ist Onto-Theo-Logie. Wer die Theologie, sowohl diejenige des christlichen Glaubens als auch diejenige der Philosophie, aus gewachsener Herkunft erfahren hat, zieht es heute vor, im Bereich des Denkens von Gott zu schweigen. Denn der onto-theologische Charakter der Metaphysik ist für das Denken fragwürdig geworden, nicht auf Grund irgendeines Atheismus, sondern aus der Erfahrung eines Denkens, dem sich in der Onto-Theo-Logie die noch ungedachte Einheit des Wesens der Metaphysik gezeigt hat. Dieses Wesen der Metaphysik bleibt indes immer noch das Denkwürdigste für das Denken, solange es das Gespräch mit seiner geschickhaften Überlieferung nicht willkürlich und darum unschicklich abbricht. In der 5. Auflage von »Was ist Metaphysik?« (1949) gibt die zugefügte Einleitung den ausdrücklichen Hinweis auf das onto-theologische Wesen der Metaphysik (S. 17 f., 7. Aufl. S. 18 f.) Indessen wäre es voreilig zu behaupten, die Metaphysik sei Theologie, weil sie Ontologie sei. Zuvor wird man sagen: Die Metaphysik ist deshalb Theologie, ein Aussagen über Gott, weil der Gott in die Philosophie kommt. So verschärft sich die Frage nach dem onto-theologischen Charakter der Metaphysik zur Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie, nicht nur in die neuzeitliche, sondern in die Philosophie als solche? Die Frage läßt sich nur beantworten, wenn sie zuvor als Frage hinreichend entfaltet ist. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? können wir nur dann sachgerecht durchdenken, wenn sich dabei dasjenige genügend aufgehellt hat, wohin denn der

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Gott kommen soll – die Philosophie selbst. Solange wir die Geschichte der Philosophie nur historisch absuchen, werden wir überall finden, daß der Gott in sie gekommen ist. Gesetzt aber, daß die Philosophie als Denken das freie, von sich aus vollzogene Sicheinlassen auf das Seiende als solches ist, dann kann der Gott nur insofern in die Philosophie gelangen, als diese von sich aus, ihrem Wesen nach, verlangt und bestimmt, daß und wie der Gott in sie komme. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? fällt darum auf die Frage zurück: Woher stammt die onto-theologische Wesensverfassung der Metaphysik? Die so gestellte Frage übernehmen, heißt jedoch, den Schritt zurück vollziehen. In diesem Schritt bedenken wir jetzt die Wesensherkunft der onto-theologischen Struktur aller Metaphysik. Wir fragen: Wie kommt der Gott und ihm entsprechend die Theologie und mit ihr der onto-theologische Grundzug in die Metaphysik? Wir stellen diese Frage in einem Gespräch mit dem Ganzen der Geschichte der Philosophie. Wir fragen aber zugleich aus dem besonderen Blick auf Hegel. Dies veranlaßt uns, zuvor etwas Seltsames zu bedenken. Hegel denkt das Sein in seiner leersten Leere, also im Allgemeinsten. Er denkt das Sein zugleich in seiner vollendet vollkommenen Fülle. Gleichwohl nennt er die spekulative Philosophie, d. h. die eigentliche Philosophie, nicht Onto-Theologie, sondern »Wissenschaft der Logik«. Mit dieser Namengebung bringt Hegel etwas Entscheidendes zum Vorschein. Man könnte freilich die Benennung der Metaphysik als »Logik« im Handumdrehen durch den Hinweis darauf erklären, daß doch für Hegel die Sache des Denkens »der Gedanke« sei, das Wort als Singulare tantum verstanden. Der Gedanke, das Denken ist offenkundig und nach altem Brauch das Thema der Logik. Gewiß. Aber

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ebenso unbestreitbar liegt fest, daß Hegel getreu der Überlieferung die Sache des Denkens im Seienden als solchem und im Ganzen, in der Bewegung des Seins von seiner Leere zu seiner entwickelten Fülle findet. Wie kann jedoch »das Sein« überhaupt darauf verfallen, sich als »der Gedanke« darzustellen? Wie anders denn dadurch, daß das Sein als Grund vorgeprägt ist, das Denken jedoch – dieweilen es mit dem Sein zusammengehört – auf das Sein als Grund sich versammelt in der Weise des Ergründens und Begründens? Das Sein manifestiert sich als der Gedanke. Dies sagt: Das Sein des Seienden entbirgt sich als der sich selbst ergründende und begründende Grund. Der Grund, die Ratio sind nach ihrer Wesensherkunft: der LoÂgow im Sinne des versammelnden Vorliegenlassens: das ÊEn PaÂnta. So ist denn für Hegel in Wahrheit »die Wissenschaft«, d. h. die Metaphysik, nicht deshalb »Logik«, weil die Wissen schaft das Denken zum Thema hat, sondern weil die Sache des Denkens das Sein bleibt, dieses jedoch seit der Frühe seiner Entbergung im Gepräge des LoÂgow, des gründenden Grundes das Denken als Begründen in seinen Anspruch nimmt. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches, d. h. im Allgemeinen. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches, d. h. im Ganzen. Die Metaphysik denkt das Sein des Seienden sowohl in der ergründenden Einheit des Allgemeinsten, d. h. des überall Gleich-Gültigen, als auch in der begründenden Einheit der Allheit, d. h. des Höchsten über allem. So wird das Sein des Seienden als der gründende Grund vorausgedacht. Daher ist alle Metaphysik im Grunde vom Grund aus das Gründen, das vom Grund die Rechenschaft gibt, ihm Rede steht und ihn schließlich zur Rede stellt. Wozu erwähnen wir dies? Damit wir die abgegriffenen

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Titel Ontologie, Theologie, Onto-Theologie in ihrem eigentlichen Schwergewicht erfahren. Zunächst allerdings und gewöhnlich nehmen sich die Titel Ontologie und Theologie aus wie andere bekannte auch: Psychologie, Biologie, Kosmologie, Archäologie. Die Endsilbe -logie meint ganz im Ungefähren und im Geläufigen, es handle sich um die Wissenschaft von der Seele, vom Lebendigen, vom Kosmos, von den Altertümern. Aber in der -logie verbirgt sich nicht nur das Logische im Sinne des Folgerichtigen und überhaupt des Aussagemäßigen, das alles Wissen der Wissenschaften gliedert und bewegt, in Sicherheit bringt und mitteilt. Die -Logia ist jeweils das Ganze eines Begründungszusammenhanges, worin die Gegenstände der Wissenschaften im Hinblick auf ihren Grund vorgestellt, d. h. begriffen werden. Die Ontologie aber und die Theologie sind »Logien«, insofern sie das Seiende als solches ergründen und im Ganzen begründen. Sie geben vom Sein als dem Grund des Seienden Rechenschaft. Sie stehen dem LoÂgow Rede und sind in einem wesenhaften Sinne LoÂgow-gemäß, d. h. die Logik des LoÂgow. Demgemäß heißen sie genauer Onto-Logik und Theo-Logik. Die Metaphysik ist sachgemäßer und deutlicher gedacht: Onto-Theo-Logik. Wir verstehen jetzt den Namen »Logik« in dem wesentlichen Sinne, der auch den von Hegel gebrauchten Titel einschließt und ihn so erst erläutert, nämlich als den Namen für dasjenige Denken, das überall das Seiende als solches im Ganzen vom Sein als dem Grund (LoÂgow) her ergründet und begründet. Der Grundzug der Metaphysik heißt Onto-Theo-Logik. Somit wären wir in den Stand gesetzt zu erklären, wie der Gott in die Philosophie kommt. Inwieweit gelingt eine Erklärung? Insoweit wir beachten: Die Sache des Denkens ist das Seiende als solches, d. h. das Sein. Dieses zeigt sich in der Wesensart des Grundes.

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Demgemäß wird die Sache des Denkens, das Sein als der Grund, nur dann gründlich gedacht, wenn der Grund als der erste Grund, prvÂth aÆrxhÂ, vorgestellt wird. Die ursprüngliche Sache des Denkens stellt sich als die Ur-Sache dar, als die causa prima, die dem begründenden Rückgang auf die ultima ratio, die letzte Rechenschaft, entspricht. Das Sein des Seienden wird im Sinne des Grundes gründlich nur als causa sui vorgestellt. Damit ist der metaphysische Begriff von Gott genannt. Die Metaphysik muß auf den Gott hinaus denken, weil die Sache des Denkens das Sein ist, dieses aber in vielfachen Weisen als Grund: als LoÂgow, als yëpokeiµenon, als Substanz, als Subjekt west. Diese Erklärung streift vermutlich etwas Richtiges, aber sie bleibt für die Erörterung des Wesens der Metaphysik durchaus unzureichend. Denn diese ist nicht nur TheoLogik sondern auch Onto-Logik. Die Metaphysik ist vordem nicht nur das eine oder das andere auch. Vielmehr ist die Metaphysik Theo-Logik, weil sie Onto-Logik ist. Sie ist dieses, weil sie jenes ist. Die onto-theo-logische Wesensverfassung der Meta physik kann weder von der Theologik noch von der Ontologik her erklärt werden, falls hier jemals ein Erklären dem genügt, was zu bedenken bleibt. Noch ist nämlich ungedacht, aus welcher Einheit die Ontologik und Theologik zusammengehören, ungedacht die Herkunft dieser Einheit, ungedacht der Unterschied des Unterschiedenen, das sie einigt. Denn offenkundig handelt es sich nicht erst um einen Zusammenschluß zweier für sich bestehender Disziplinen der Metaphysik, sondern um die Einheit dessen, was in der Ontologik und Theologik befragt und gedacht wird: Das Seiende als solches im Allgemeinen und Ersten in Einem mit dem Seienden als solchem im Höchsten und Letzten. Die Einheit dieses Einen ist von solcher Art, daß das Letzte auf seine Weise das Erste

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begründet und das Erste auf seine Weise das Letzte. Die Verschiedenheit der beiden Weisen des Begründens fällt selber in den genannten, noch ungedachten Unterschied. In der Einheit des Seienden als solchen im Allgemeinen und im Höchsten beruht die Wesensverfassung der Metaphysik. Es gilt hier, die Frage nach dem onto-theologischen Wesen der Metaphysik zunächst nur als Frage zu erörtern. In den Ort, den die Frage nach der onto-theologischen Verfassung der Metaphysik erörtert, kann uns nur die Sache selbst weisen, dergestalt, daß wir die Sache des Denkens sachlicher zu denken versuchen. Die Sache des Denkens ist dem abendländischen Denken unter dem Namen »Sein« überliefert. Denken wir diese Sache um ein geringes sachlicher, achten wir sorgfältiger auf das Strittige in der Sache, dann zeigt sich: Sein heißt stets und überall: Sein des Seienden, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus obiectivus zu denken ist. Seiendes heißt stets und überall: Seiendes des Seins, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus subiectivus zu denken ist. Wir sprechen allerdings mit Vorbehalten von einem Genitiv in der Richtung auf Objekt und Subjekt; denn diese Titel Subjekt und Objekt sind ihrerseits schon einer Prägung des Seins entsprungen. Klar ist nur, daß es sich beim Sein des Seienden und beim Seienden des Seins jedesmal um eine Differenz handelt. Sein denken wir demnach nur dann sachlich, wenn wir es in der Differenz mit dem Seienden denken und dieses in der Differenz mit dem Sein. So kommt die Differenz eigens in den Blick. Versuchen wir sie vorzustellen, dann finden wir uns sogleich dazu verleitet, die Differenz als eine Relation aufzufassen, die unser Vorstellen zum Sein und zum Seienden hinzugetan hat. Dadurch wird die Differenz zu

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einer Distinktion, zu einem Gemächte unseres Verstandes herabgesetzt. Doch nehmen wir einmal an, die Differenz sei eine Zutat unseres Vorstellens, dann erhebt sich die Frage: eine Zutat wohinzu? Man antwortet: zum Seienden. Gut. Aber was heißt dies: »das Seiende«? Was heißt es anderes als: solches, das ist? So bringen wir denn die vermeintliche Zutat, die Vorstellung von der Differenz, beim Sein unter. Aber »Sein« sagt selber: Sein, das Seiendes ist. Wir treffen dort, wohin wir die Differenz als angebliche Zutat erst mitbringen sollen, immer schon Seiendes und Sein in ihrer Differenz an. Es ist hier wie im Grimmschen Märchen vom Hasen und Igel: »Ick bünn all hier«. Nun könnte man mit diesem seltsamen Sachverhalt, daß Seiendes und Sein je schon aus der Differenz und in ihr vorgefunden werden, auf eine massive Weise verfahren und ihn so erklären: Unser vorstellendes Denken ist nun einmal so eingerichtet und beschaffen, daß es gleichsam über seinen Kopf hinweg und diesem Kopf entstammend überall zwischen dem Seienden und dem Sein die Differenz zum voraus anbringt. Zu dieser anscheinend einleuchtenden, aber auch schnell fertigen Erklärung wäre vieles zu sagen und noch mehr zu fragen, allem voran dieses: Woher kommt das »zwischen«, in das die Differenz gleichsam eingeschoben werden soll? Wir lassen Meinungen und Erklärungen fahren, beachten statt dessen folgendes: Überall und jederzeit finden wir das, was Differenz genannt wird, in der Sache des Denkens, im Seienden als solchem vor, so zweifelsfrei, daß wir diesen Befund gar nicht erst als solchen zur Kenntnis nehmen. Auch zwingt uns nichts, dies zu tun. Unserem Denken steht es frei, die Differenz unbedacht zu lassen oder sie eigens als solche zu bedenken. Aber diese Freiheit gilt nicht für alle Fälle. Unversehens kann der Fall eintreten, daß sich

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das Denken in die Frage gerufen findet: Was sagt denn dieses vielgenannte Sein? Zeigt sich hierbei das Sein sogleich als Sein des …, somit im Genitiv der Differenz, dann lautet die vorige Frage sachlicher: Was haltet ihr von der Differenz, wenn sowohl das Sein als auch das Seiende je auf ihre Weise aus der Differenz her erscheinen? Um dieser Frage zu genügen, müssen wir uns erst zur Differenz in ein sachgemäßes Gegenüber bringen. Dieses Gegenüber öffnet sich uns, wenn wir den Schritt zurück vollziehen. Denn durch die von ihm erbrachte Ent-Fernung gibt sich zuerst das Nahe als solches, kommt Nähe zum ersten Scheinen. Durch den Schritt zurück lassen wir die Sache des Denkens, Sein als Differenz, in ein Gegenüber frei, welches Gegenüber durchaus gegenstandslos bleiben kann. Immer noch auf die Differenz blickend und sie doch schon durch den Schritt zurück in das zu-Denkende entlassend, können wir sagen: Sein des Seienden heißt: Sein, welches das Seiende ist. Das »ist« spricht hier transitiv, übergehend. Sein west hier in der Weise eines Überganges zum Seienden. Sein geht jedoch nicht, seinen Ort verlassend, zum Seienden hinüber, so als könnte Seiendes, zuvor ohne das Sein, von diesem erst angegangen werden. Sein geht über (das) hin, kommt entbergend über (das), was durch solche Überkommnis erst als von sich her Unverborgenes ankommt. Ankunft heißt: sich bergen in Unverborgenheit: also geborgen anwähren: Seiendes sein. Sein zeigt sich als die entbergende Überkommnis. Seiendes als solches erscheint in der Weise der in die Unverborgenheit sich bergenden Ankunft. Sein im Sinne der entbergenden Überkommnis und Seiendes als solches im Sinne der sich bergenden Ankunft wesen als die so Unterschiedenen aus dem Selben, dem Unter-Schied. Dieser vergibt erst und hält auseinander das

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Zwischen, worin Überkommnis und Ankunft zueinander gehalten, auseinander-zueinander getragen sind. Die Differenz von Sein und Seiendem ist als der Unter-Schied von Überkommnis und Ankunft: der entbergend-bergende Austrag beider. Im Austrag waltet Lichtung des sich verhüllend Verschließenden, welches Walten das Aus- und Zueinander von Überkommnis und Ankunft vergibt. Indem wir versuchen, die Differenz als solche zu bedenken, bringen wir sie nicht zum Verschwinden, sondern folgen ihr in ihre Wesensherkunft. Unterwegs zu dieser denken wir den Austrag von Überkommnis und Ankunft. Es ist die um einen Schritt zurück sachlicher gedachte Sache des Denkens: Sein gedacht aus der Differenz. Hier bedarf es freilich einer Zwischenbemerkung, die unser Reden von der Sache des Denkens angeht, eine Bemerkung, die immer neu unser Aufmerken verlangt. Sagen wir »das Sein«, so gebrauchen wir das Wort in der weitesten und unbestimmtesten Allgemeinheit. Aber schon dann, wenn wir nur von einer Allgemeinheit sprechen, haben wir das Sein in einer ungemäßen Weise gedacht. Wir stellen das Sein in einer Weise vor, in der Es, das Sein, sich niemals gibt. Die Art, wie die Sache des Denkens, das Sein, sich verhält, bleibt ein ein zigartiger Sachverhalt. Unsere geläufige Denkart kann ihn zunächst immer nur unzureichend verdeutlichen. Dies sei durch ein Beispiel versucht, wobei im voraus zu beachten ist, daß es für das Wesen des Seins nirgends im Seienden ein Beispiel gibt, vermutlich deshalb, weil das Wesen des Seins das Spiel selber ist. Hegel erwähnt einmal zur Kennzeichnung der Allgemeinheit des Allgemeinen folgenden Fall: Jemand möchte in einem Geschäft Obst kaufen. Er verlangt Obst. Man reicht ihm Äpfel, Birnen, reicht ihm Pfirsiche, Kirschen,

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Trauben. Aber der Käufer weist das Dargereichte zurück. Er möchte um jeden Preis Obst haben. Nun ist aber doch das Dargebotene jedesmal Obst, und dennoch stellt sich heraus: Obst gibt es nicht zu kaufen. Unendlich unmöglicher bleibt es, »das Sein« als das Allgemeine zum jeweilig Seienden vorzustellen. Es gibt Sein nur je und je in dieser und jener geschicklichen Prägung: FyÂsiw, LoÂgow, ÏEn, ÆIdeÂa, ÆEneÂrgeia, Substanzialität, Objektivität, Subjektivität, Wille, Wille zur Macht, Wille zum Willen. Aber dies Geschickliche gibt es nicht aufgereiht wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche, aufgereiht auf dem Ladentisch des historischen Vorstellens. Doch hörten wir nicht vom Sein in der geschichtlichen Ordnung und Folge des dialektischen Prozesses, den Hegel denkt? Gewiß. Aber das Sein gibt sich auch hier nur in dem Lichte, das sich für Hegels Denken gelichtet hat. Das will sagen: Wie es, das Sein, sich gibt, bestimmt sich je selbst aus der Weise, wie es sich lichtet. Diese Weise ist jedoch eine geschickliche, eine je epochale Prägung, die für uns als solche nur west, wenn wir sie in das ihr eigene Gewesen freilassen. In die Nähe des Geschicklichen gelangen wir nur durch die Jähe des Augenblickes eines Andenkens. Dies gilt auch für die Erfahrung der jeweiligen Prägung der Differenz von Sein und Seiendem, der eine jeweilige Auslegung des Seienden als solchen entspricht. Das Gesagte gilt vor allem auch für unseren Versuch, im Schritt zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher an diese als den Austrag von entbergender Überkommnis und sich bergender Ankunft zu denken. Zwar bekundet sich einem genaueren Hinhören, daß wir in diesem Sagen vom Austrag bereits das Gewesene zum Wort kommen lassen, insofern wir an Entbergen und Bergen, an Übergang (Transzendenz) und an Ankunft (Anwesen) denken. Vielleicht

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kommt sogar durch diese Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesens etwas Durchgängiges zum Vorschein, was das Geschick des Seins vom Anfang bis in seine Vollendung durchgeht. Doch bleibt es schwierig zu sagen, wie diese Durchgängigkeit zu denken sei, wenn sie weder ein Allgemeines ist, das für alle Fälle gilt, noch ein Gesetz, das die Notwendigkeit eines Prozesses im Sinne des Dialektischen sicherstellt. Worauf es jetzt für unser Vorhaben allein ankommt, ist der Einblick in eine Möglichkeit, die Differenz als Austrag so zu denken, daß deutlicher wird, inwiefern die ontotheologische Verfassung der Metaphysik ihre Wesensherkunft im Austrag hat, der die Geschichte der Metaphysik beginnt, ihre Epochen durchwaltet, jedoch überall als der Austrag verborgen und so vergessen bleibt in einer sich selbst noch entziehenden Vergessenheit. Um den genannten Einblick zu erleichtern, bedenken wir das Sein und in ihm die Differenz und in dieser den Austrag von jener Prägung des Seins her, durch die das Sein sich als LoÂgow, als der Grund gelichtet hat. Das Sein zeigt sich in der entbergenden Überkommnis als das Vorliegenlassen des Ankommenden, als das Gründen in den mannigfaltigen Weisen des Her- und Vorbringens. Das Seiende als solches, die sich in die Unverborgenheit bergende Ankunft ist das Gegründete, das als Gegründetes und so als Erwirktes auf seine Weise gründet, nämlich wirkt, d. h. verursacht. Der Austrag von Gründendem und Gegründetem als solchem hält beide nicht nur auseinander, er hält sie im Zueinander. Die Auseinandergetragenen sind dergestalt in den Austrag verspannt, daß nicht nur Sein als Grund das Seiende gründet, sondern das Seiende seinerseits auf seine Weise das Sein gründet, es verursacht. Solches

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vermag das Seiende nur, insofern es die Fülle des Seins »ist«: als das Seiendste. Hier gelangt unsere Besinnung in einen erregenden Zusammenhang. Sein west als LoÂgow im Sinne des Grundes, des Vorliegenlassens. Derselbe LoÂgow ist als Versammlung das Einende, das ÏEn. Dieses ÏEn jedoch ist zwiefältig: Einmal das Eine Einende im Sinne des überall Ersten und so Allgemeinsten und zugleich das Eine Einende im Sinne des Höchsten (Zeus). Der LoÂgow versammelt, gründend, alles in das Allgemeine und versammelt begründend alles aus dem Einzigen. Daß derselbe LoÂgow überdies die Wesensherkunft der Prägung des Sprachwesens in sich birgt und so die Weise des Sagens als eines logischen im weiteren Sinne bestimmt, sei nur beiläufig vermerkt. Insofern Sein als Sein des Seienden, als die Differenz, als der Austrag west, währt das Aus- und Zueinander von Gründen und Begründen, gründet Sein das Seiende, begründet das Seiende als das Seiendste das Sein. Eines überkommt das Andere, Eines kommt im Anderen an. Überkommnis und Ankunft erscheinen wechselweise ineinander im Widerschein. Von der Differenz her gesprochen, heißt dies: Der Austrag ist ein Kreisen, das Umeinanderkreisen von Sein und Seiendem. Das Gründen selber erscheint innerhalb der Lichtung des Austrags als etwas, das ist, was somit selber, als Seiendes, die entsprechende Begründung durch Seiendes, d. h. die Verursachung und zwar die durch die höchste Ursache verlangt. Einer der klassischen Belege für diesen Sachverhalt in der Geschichte der Metaphysik findet sich in einem kaum beachteten Text von Leibniz, welchen Text wir kurz »Die 24 Thesen der Metaphysik« nennen (Gerh. Phil. VII, 289 ff.; vgl. dazu: Der Satz vom Grund, 1957, S. 51 f.). Die Metaphysik entspricht dem Sein als loÂgow und ist

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demgemäß in ihrem Hauptzug überall Logik, aber Logik, die das Sein des Seienden denkt, demgemäß die vom Differenten der Differenz her bestimmte Logik: Onto-Theo-Logik. Insofern die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen denkt, stellt sie das Seiende aus dem Hinblick auf das Diffe rente der Differenz vor, ohne auf die Differenz als Differenz zu achten. Das Differente zeigt sich als das Sein des Seienden im Allgemeinen und als das Sein des Seienden im Höchsten. Weil Sein als Grund erscheint, ist das Seiende das Gegründete, das höchste Seiende aber das Begründende im Sinne der ersten Ursache. Denkt die Metaphysik das Seiende im Hinblick auf seinen jedem Seienden als solchem gemeinsamen Grund, dann ist sie Logik als Onto-Logik. Denkt die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen, d. h. im Hinblick auf das höchste, alles begründende Seiende, dann ist sie Logik als Theo-Logik. Weil das Denken der Metaphysik in die als solche ungedachte Differenz eingelassen bleibt, ist die Metaphysik aus der einigenden Einheit des Austrags her einheitlich zumal Ontologie und Theologie. Die onto-theologische Verfassung der Metaphysik entstammt dem Walten der Differenz, die Sein als Grund und Seiendes als gegründet-begründendes aus- und zueinanderhält, welches Aushalten der Austrag vollbringt. Was so heißt, verweist unser Denken in den Bereich, den zu sagen die Leitworte der Metaphysik, Sein und Seiendes, Grund – Gegründetes, nicht mehr genügen. Denn was diese Worte nennen, was die von ihnen geleitete Denkweise vorstellt, stammt als das Differente aus der Differenz. Deren Herkunft läßt sich nicht mehr im Gesichtskreis der Metaphysik denken.

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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[71]

Der Einblick in die onto-theologische Verfassung der Metaphysik zeigt einen möglichen Weg, die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? aus dem Wesen der Metaphysik zu beantworten. Der Gott kommt in die Philosophie durch den Austrag, den wir zunächst als den Vorort des Wesens der Differenz von Sein und Seiendem denken. Die Differenz macht den Grundriß im Bau des Wesens der Metaphysik aus. Der Austrag ergibt und vergibt das Sein als her-vor-bringenden Grund, welcher Grund selbst aus dem von ihm Begründeten her der ihm gemäßen Begründung, d. h. der Verursachung durch die ursprünglichste Sache bedarf. Dies ist die Ursache als die Causa sui. So lautet der sachgerechte Name für den Gott in der Philosophie. Zu diesem Gott kann der Mensch weder beten, noch kann er ihm opfern. Vor der Causa sui kann der Mensch weder aus Scheu ins Knie fallen, noch kann er vor diesem Gott musizieren und tanzen. Demgemäß ist das gott-lose Denken, das den Gott der Philosophie, den Gott als Causa sui preisgeben muß, dem göttlichen Gott vielleicht näher. Dies sagt hier nur: Es ist freier für ihn, als es die Onto-Theo-Logik wahrhaben möchte. Durch diese Bemerkung mag ein geringes Licht auf den Weg fallen, zu dem ein Denken unterwegs ist, das den Schritt zurück vollzieht, zurück aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik, zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher in das Geschick der sich entziehenden Verbergung des Austrags. Niemand kann wissen, ob und wann und wo und wie dieser Schritt des Denkens zu einem eigentlichen (im Ereignis gebrauchten) Weg und Gang und Wegebau sich entfaltet. Es könnte sein, daß die Herrschaft der Metaphysik

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sich eher verfestigt, und zwar in der Gestalt der modernen Technik und deren unabsehbaren rasenden Entwicklungen. Es könnte auch sein, daß alles, was sich auf dem Weg des Schrittes zurück ergibt, von der fortbestehenden Metaphysik auf ihre Weise als Ergebnis eines vorstellenden Denkens nur genützt und verarbeitet wird. So bliebe der Schritt zurück selbst unvollzogen und der Weg, den er öffnet und weist, unbegangen. Solche Überlegungen drängen sich leicht auf, aber sie haben kein Gewicht im Verhältnis zu einer ganz anderen Schwierigkeit, durch die der Schritt zurück hindurch muß. Das Schwierige liegt in der Sprache. Unsere abendländischen Sprachen sind in je verschiedener Weise Sprachen des metaphysischen Denkens. Ob das Wesen der abendländischen Sprachen in sich nur metaphysisch und darum endgültig durch die Onto-Theo-Logik geprägt ist, oder ob diese Sprachen andere Möglichkeiten des Sagens, d. h. zugleich des sagenden Nichtsagens gewähren, muß offen bleiben. Oft genug hat sich uns während der Seminarübungen das Schwierige gezeigt, dem das denkende Sagen ausgesetzt bleibt. Das kleine Wort »ist«, das überall in unserer Sprache spricht und vom Sein sagt, auch dort, wo es nicht eigens hervortritt, enthält – vom eÍstin gaÁr eiËnai des Parmenides an bis zum »ist« des spekulativen Satzes bei Hegel und bis zur Auflösung des »ist« in eine Setzung des Willens zur Macht bei Nietzsche – das ganze Geschick des Seins. Der Blick in dieses Schwierige, das aus der Sprache kommt, sollte uns davor behüten, die Sprache des jetzt versuchten Denkens vorschnell in eine Terminologie umzumünzen und morgen schon vom Austrag zu reden, statt alle Anstrengung dem Durchdenken des Gesagten zu widmen. Denn das Gesagte wurde in einem Seminar gesagt. Ein Seminar ist, was das Wort andeutet, ein Ort und eine Ge-

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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[73]

legenheit, hier und dort einen Samen, ein Samenkorn des Nachdenkens auszustreuen, das irgendwann einmal auf seine Weise aufgehen mag und fruchten.

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Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erstausgabe von 1957) Die hier präsentierte Textversion von Identität und Differenz ist identisch mit dem Text der Erstausgabe: Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. Da Heidegger seine beiden Handexemplare der Erstausgabe mit besonders komplexen Kommentaren und zahlreichen Annotationen versehen hat, wurde hier zunächst eine unkommentierte »Lesefassung« der Erstausgabe angeboten, auf die dann die handschriftlich erweiterte komplexe Fassung folgt. In seinem Vorwort vom 9. September 1957 (Erstausgabe S. 9 –10, vgl. in der vorliegenden Ausgabe S. 237 f.) charakterisiert Heidegger die Entstehungsumstände und die philosophische Bedeutung der beiden Texte, die er unter dem Titel Identität und Differenz vereint hat. Später hat Heidegger denselben Titel für Band 11 der Gesamtausgabe gewählt, der außer der beiden ursprünglichen Texte »Der Satz der Identität« und »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« noch weitere Texte enthält, vgl. Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Klostermann (HGA 11), 2006. Den Vortrag »Der Satz der Identität« hielt Heidegger am 27. Juni 1957 anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Universität Freiburg in der Freiburger Stadthalle. Der Vortrag wurde zuerst veröffentlicht in: Gerd Tellenbach

EDITORISCHE NOTIZ

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und Hans Detlef Rösiger (Hrsg.), Die Albert-LudwigsUniversität Freiburg, 1457 – 1957: Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, Band 1, Freiburg i. Br., Schulz, 1957, S. 69–79. »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« ist eine überarbeitete Erörterung zum Abschluss von Heideggers Seminar über Hegel vom Wintersemester 1956/57. Siehe dazu: Martin Heidegger, Seminare Hegel – Schelling, hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 86), 1994, S. 475 – 485, 498– 512 und 827– 886. Den Vortrag »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« hielt Heidegger vor seinen Studenten am 24. Februar 1957 in Todtnauberg. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der hier präsentierten Erstausgabe. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 6 Seiten. Heideggers Trennungen von Wörtern wie Er-eignis, Ge-Stell und Onto-Theo-Logik wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die typischen Heidegger-Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht.

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EDITORISCHE NOTIZ

IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957)

Vorwort [9] DER SATZ DER IDENTITÄT

[11] DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK

[35] HINWEISE

[75]

[7]

VORWORT a

[9]

Der Satz der Identität enthält den unveränderten Text eines Vortrages, der beim fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Freiburg i. Br. zum Tag der Fakultäten am 27. Juni 1957 gehalten wurde. Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik gibt die stellenweise überarbeitete Erörterung wieder, die eine Seminarübung des Wintersemesters 1956 / 57 über Hegels »Wissenschaft der Logik« abschließt. Der Vortrag fand am 24. Februar 1957 in Todtnauberg statt. Der Satz der Identität blickt voraus und blickt zurück: Voraus in den Bereich, von dem her das gesagt ist, was der Vortrag »Das Ding« erörtert (siehe Hinweise)*; zurück in den Bereich der Wesensherkunft der Metaphysik, deren Verfassung durch die Differenz bestimmt ist. Die Zusammengehörigkeit von Identität und Differenz wird in der vorliegenden Veröffentlichung als das zu Denkende gezeigt.** Inwiefern die Differenz dem Wesen der Identität ent-

a

[1] beachte S. 22, 23 –***

VORWORT

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[10]

stammt, soll der Leser selbst finden, indem er auf den Einklanga hört, der zwischen Ereignis und Austrag waltet.* Beweisenb läßt sich in diesem Bereich nichts, aber weisen manches.

Todtnauberg, am 9. September 1957

a b

[1] Einklang [1] argumentieren argumentum**

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DER SATZ DER IDENTITÄT ab

[11]

er Satz der Identität lautet nach einer geläufigen Formel: A = A. Der Satz gilt als das oberste Denkgesetz. Diesem Satz versuchen wir für eine Weile nachzudenken. Denn wir möchten durch den Satz erfahren, was Identität ist.c Wenn das Denken, von einer Sache angesprochen, dieser nachgeht, kann es ihm geschehen, daß es sich unterwegsde wandelt. Darum ist es ratsam, im folgenden auf den Weg zu achten, weniger auf den Inhalt. Beim Inhalt recht zu verweilen, verwehrt uns schon der Fortgang des Vortrages. Was sagt die Formel A = A, in der man den Satz der Identität darzustellen pflegt? Die Formel nennt die Gleichheit von A und A. Zu einer Gleichung gehören wenigstens zwei. Ein A gleicht einem anderen. Will der Satz der Identität solches aussagen? Offenkundig nicht. Das Identische, lateinisch idem, heißt griechisch toÁ ayÆtoÂ. In unsere deut-

D

a b

c d

e

[1] vgl. Anhang* [1] vgl. die Vortragsreihe »Grundsätze des Denkens« Stud[ium] generale S[ommer] S[emester] 1957 versucht, den »geschichtlichen« Horizont für diesen Vortrag zu verdeutlichen.** [1] S. 31 u[nten]*** [1] 〈unterwegs〉 – d. h. aus dem stetig entsprechenden Einblick in die Sache – – vgl. 32**** dann eignet der Sache eine Macht der Verwandlung – inwiefern?

D E R S AT Z D E R I D E N T I T Ä T

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[13]

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[15]

sche Sprache übersetzt, heißt toÁ ayÆto das Selbe. Wenn einer immerfort dasselbe sagt, z. B.: die Pflanze ist Pflanze, spricht er in einer Tautologie. Damit etwas das Selbe sein kann, genügt jeweils eines. Es bedarf nicht ihrer zwei wie bei der Gleichheit. Die Formel A = A spricht von Gleichheit. Sie nennt A nicht als dasselbe. Die geläufige Formel für den Satz der Identität verdeckt somit gerade das, was der Satz sagen möchte: A ist A, d. h. jedes A ist selber dasselbe. Während wir das Identische in dieser Weise umschreiben, klingt ein altes Wort an, wodurch Platon das Identische vernehmlich macht, ein Wort, das auf ein noch älteres zurückdeutet. Platon spricht im Dialog Sophistes 254 d von staÂsiw und kiÂnhsiw, von Stillstand und Umschlag. Platon läßt an dieser Stelle den Fremdling sagen: oyÆkoyÄn ayÆtvÄn eÏkaston toiÄn µeÁn dyoiÄn eÏteroÂn eÆstin, ayÆtoÁ d’eëaytq tayÆtoÂn.* »Nun ist doch von ihnen jedes der beiden ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe.«a b Platon sagt nicht nur: eÏkaston ayÆtoÁ tayÆtoÂn, »jedes selber dasselbe«, sondern: eÏkaston eëaytq tayÆtoÂnc, »jedes selber ihm selbstd dasselbe«. Der Dativ eëaytq bedeutet: jedes etwas selber ist ihm selbst zurückgegeben, jedes selber ist dasselbe – nämlich für es selbst mit ihm selbste. Unsere deutsche Sprache verschenkt hier gleich wie die griechische den Vorzug, das Identische mit demselben Wort, aber dies in einer Fuge seiner verschiedenen Gestalten zu verdeutlichen. a

b

c d e

[1] 〈»Nun ist doch von ihnen jedes den beiden〉 (anderen) zwar 〈ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe.«〉** [2] 〈»Nun ist doch von ihnen jedes ein anderes〉 als die 〈beiden, selber jedoch ihm selbst dasselbe.«〉*** [1] 〈eÆaytq〉 [1] 〈ihm selbst〉 [1] 〈nämlich für es selbst mit ihm selbst〉

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Die gemäßere Formel für den Satz der Identität A ist A sagt demnach nicht nur: Jedes A ist selber dasselbe, sie sagt vielmehr: Mit ihm selbst ist jedes A selber dasselbe. In der Selbigkeit liegt die Beziehung des »mit«, also eine Vermittelung, eine Verbindung, eine Synthesis: die Einung in eine Einheit. Daher kommt es, daß die Identität durch die Geschichte des abendländischen Denkens hindurch im Charakter der Einheit erscheint. Aber diese Einheit ist keineswegs die fade Leere dessen, was, in sich beziehungslos, anhaltend auf einem Einerlei beharrt. Bis jedoch die in der Identität waltende, frühzeitig schon anklingende Beziehung desselben mit ihm selbst als diese Vermittelunga entschieden und geprägt zum Vorschein kommt, bis gar eine Unterkunftb gefunden wird für dieses Hervorscheinen der Vermittelung innerhalb der Identität, braucht das abendländische Denken mehr denn zweitausend Jahre. Denn erst die Philosophie des spekulativen Idealismus stiftet, vorbereitet von Leibniz und Kant, durch Fichte, Schelling und Hegel dem in sich synthetischen Wesen der Identität eine Unterkunft.c Diese kann hier nicht gezeigt werden. Nur eines ist zu behalten: Seit der Epoche des spekulativen Idealismus bleibt es dem Denken untersagt, die Einheit der Identität als das bloße Einerlei vorzustellen und von der in der Einheit waltenden Vermittelung abzusehen. Wo solches geschieht, wird die Identität nur abstrakt vorgestellt. Auch in der verbesserten Formel »A ist A« kommt allein die abstrakte Identität zum Vorschein.d Kommt es a b

c d

[1] 〈als diese Vermittelung〉 [1] 〈Unterkunft〉 weshalb »Unterkunft« – »Ortschaft« – Hingehören zu … (*Bergung [1] (den Be-Reich)** [1] 〈Auch in der verbesserten Formel »A ist A« kommt allein〉 das abstrakt Identische 〈(die abstrakte Identität) zum Vorschein.〉

D E R S AT Z D E R I D E N T I T Ä T

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[16]

[17]

dahin?a Sagt der Satz der Identität etwas über die Identität aus? Nein, wenigstens nicht unmittelbar. Der Satz setzt vielmehr schon voraus, was Identität heißt und wohin sie gehört.* Wie erlangen wir eine Auskunft über diese Voraussetzung? Der Satz der Identität gibt sie uns, wenn wir sorgsam auf seinen Grundton hören, ihm nachsinnen, statt nur leichtsinnigb die Formel »A ist A« daherzusagen. Eigentlich lautet sie: A ist A. Was hören wir? In diesem »ist« sagt der Satz, wie jegliches Seiende ist, nämlich: Es selber mit ihm selbst dasselbe.c Der Satz der Identität spricht vom Sein des Seienden. Als ein Gesetz des Denkens gilt der Satz nur, insofern er ein Gesetz des Seins ist, das lautet: Zu jedem Seienden als solchem gehört die Identität, die Einheit mit ihm selbst. Was der Satz der Identität, aus seinem Grundtond gehört, aussagt, ist genau das, was das gesamte abendländischeuropäische Denken denkt, nämlich dies: Die Einheit der Identität** bildet einen Grundzug im Sein des Seienden.ef Überall, wo und wie wir uns zum Seienden jeglicher Art verhalten, finden wir uns von der Identität angesprochen. Spräche dieser Anspruch nicht, dann vermöchte es – das Seiende –*** niemals, in seinem Sein zu erscheinen. Demzufolge gäbe es auch keine Wissenschaft. Denn wäre ihr nicht zum voraus jeweils die Selbigkeit ihres Gegenstandes a b c d e

f

[1] 〈(Kommt es dahin?)****〉 [1] 〈leicht-sinnig〉 [1] Der Übergang übereilt. [1] Hauptton [1] 〈Die Einheit der Identität〉 die in der Identität waltende »Einheit« (das einigende Eine) 〈bildet einen Grundzug im Sein des Seienden.〉 [1] oÍn – eÏn ÊEn paÂnta

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IDEN T ITÄT U N D D IF F E R E N Z ( E R W . FA S S U N G )

verbürgt, die Wissenschaft könnte nicht sein, was sie ist.a Durch diese Bürgschaft sichert sich die Forschung die Möglichkeit ihrer Arbeit. Gleichwohl bringt die Leitvorstellung der Identität des Gegenstandes den Wissenschaften nie einen greifbaren Nutzen. Demnach beruht das Erfolgreiche und Fruchtbare der wissenschaftlichen Erkenntnis überall auf etwas Nutzlosem. Der Anspruch der Identität des Gegenstandes spricht, gleichviel ob die Wissenschaften diesen Anspruchb hören oder nicht, ob sie das Gehörte in den Wind schlagen oder sich dadurch bestürzen lassen. Der Anspruch der Identität spricht aus dem Sein des Seienden. Wo nun aber das Sein des Seienden im abendländischen Denken am frühesten und eigens zur Sprache kommt, nämlich bei Parmenides, da spricht toÁ ayÆtoÁ, das Identische, in einem fast übermäßigen Sinne. Einer der Sätzec des Parmenides lautet: toÁ gaÁr ayÆtoÁ noeiÄn eÆstiÂn te kaiÁ eiËnai.d

»Das Selbe nämlich ist Vernehmen (Denken) sowohl als auch Sein.«* Hier wird Verschiedenes, Denken und Sein, als das Selbe gedacht. Was sagt dies? Etwas völlig anderes im Vergleich zu dem, was wir sonst als die Lehre der Metaphysik kennen, daß die Identität zum Sein gehört. Parmenides sagt: Das Sein gehört in eine Identität.ef ** Was heißt hier Identia

b c d

e f

[1] Sie könnte nie auf den selben »Gegenstand« zurück kommen und dadurch in der Stetigkeit ihres Fortgangs bleiben. [1] 〈diesen Anspruch〉 eigens als solchen [1] 〈»Sätze«〉 [1] die verschiedenen Übersetzungen, d. h. Auslegungen dieses Satzes [1] 〈Das Sein gehört in〉 die 〈Identität.〉 [2] 〈Das Sein gehört in〉 die 〈Identität.〉

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tät? Was sagt im Satz des Parmenides das Wort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe? Parmenides gibt uns auf diese Frage keine Antwort. Er stellt uns vor ein Rätsel, dem wir nicht ausweichen dürfen. Wir müssen anerkennen: In der Frühzeit des Denkens spricht, längst bevor es zu einem Satz der Identität kommt, die Identität selber und zwar in einem Spruch, der verfügt: Denken und Sein gehören in das Selbe und aus diesem Selben zusammen. Unversehens haben wir jetzt toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, schon gedeutet. Wir legen die Selbigkeit als Zusammengehörigkeit aus. Es liegt nahe, diese Zusammengehörigkeit im Sinne der spä ter gedachten und allgemein bekannten Identität vorzustellen. Was könnte uns daran hindern? Nichts Geringeres als der Satz selbst, den wir bei Parmenides lesen. Denn er sagt anderes, nämlich: Sein gehört – mit dem Denken – in das Selbe. Das Sein ist von der* Identität her als ein Zug dieser Identität bestimmt. Dagegen wird die später in der Metaphysik gedachte Identität als ein Zug im Sein vorgestellt. Also können wir von dieser metaphysisch vorgestellten Identität aus nicht jene bestimmen wollen, die Parmenides nennt. Die Selbigkeit von Denken und Sein, die im Satz des Parmenides spricht, kommt weiter hera als die von der Metaphysik aus dem Sein als dessen Zug bestimmte Identität.b Das Leitwort im Satz des Parmenides, toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, bleibt dunkel. Wir lassen es dunkel. Wir lassen uns aber zugleich von dem Satz, an dessen Beginn es steht, einen Wink geben.

a b

[1] 〈 kommt weiter her 〉 Her-kunft [1] inwiefern?

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Inzwischen haben wir aber die Selbigkeit von Denken und Sein schon als die Zusammengehörigkeit beider festgelegt. Dies war voreilig, vielleicht notgedrungen. Wir müssen das Voreilige rückgängig machen. Wir können dies auch, insofern wir die genannte Zusammengehörigkeit nicht für die endgültige und gar allein maßgebende Auslegung der Selbigkeit von Denken und Sein halten. Denken wir das Zusammengehörena nach der Gewohnheit, dann wird, was schon die Betonung des Wortes andeutet, der Sinn des Gehörens vom Zusammen, d. h. von dessen Einheitb her bestimmt. In diesem Fall heißt »gehören« soviel wie: zugeordnet und eingeordnet in die Ordnung eines Zusammen, eingerichtet in die Einheit eines Mannigfaltigen, zusammengestellt zur Einheit des Systems, vermittelt durch die einigende Mitte einer maßgebenden Synthesis. Die Philosophie stellt dieses Zusammengehören als nexus und connexio vor, als die notwendige Verknüpfung des einen mit dem anderen. Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken.* Dies will sagen: Das Zusammen wird jetzt aus dem Gehören bestimmt. Hier bleibt allerdings zu fragen, was dann »gehören« besage und wie sich aus ihmc erst das ihm eigene Zusammen bestimme. Die Antwort auf diese Fragen liegt uns näher als wir meinen, aber sie liegt nicht auf der Hand. Genug, wenn wir jetzt durch diesen Hinweis auf die Möglichkeit merken, das Gehören nicht mehr aus der Einheit des Zusammen vorzustellen, sondern dieses Zusammen aus dem Gehörend her zu erfahren**. a

b c d

[1] vgl. Leibniz; dazu Vom Wesen d[es] Grundes4 [4. Aufl.] S. 10 f.*** [1] 〈von (dessen)〉 der in ihm spielenden 〈Einheit〉 [1] 〈und wie sich aus〉 diesem [1] 〈Gehören〉

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Allein, erschöpft sich der Hinweis auf diese Möglichkeit nicht in einem leeren Wortspiel, das etwas erkünstelt, dem jeder Anhalt in einem nachprüfbaren Sachverhalt fehlt? So sieht es aus, bis wir schärfer zusehen und die Sache sprechen lassen. Der Gedanke an ein Zusammengehören im Sinne des Zusammengehörens entspringt aus dem Hinblick auf einen Sachverhalt, der schon genannt wurde. Er ist freilich seiner Einfachheit wegen schwer im Blick zu behalten. Indessen kommt uns dieser Sachverhalt sogleich näher, wenn wir folgendes beachten: Bei der Erläuterung des Zusammengehörens als Zusammengehören hatten wir schon, nach dem Wink des Parmenides, Denken sowohl als auch Sein im Sinn, also das, was im Selben zueinandergehört. Verstehen wir das Denken als die Auszeichnung des Menschen, dann besinnen wir uns auf ein Zusammengehören, das Mensch und Sein betrifft. Im Nu sehen wir uns von den Fragen bedrängt: Was heißt Seina? Wer oder was ist der Mensch? Jedermann sieht leicht: Ohne die zureichende Beantwortung dieser Fragen fehlt uns der Boden, auf dem wir etwas Verläßliches über das Zusammengehören von Mensch und Sein ausmachen können.* Solange wir jedoch auf diese Weise fragen, bleiben wir in den Versuch gebannt, das Zu sammen von Mensch und Sein als eine Zuordnung vorzustellen und diese entweder vom Menschen her oder vom Sein aus einzurichten und zu erklären. Hierbei bilden die überlieferten Begriffe vom Menschen und vom Sein die Fußpunkte für die Zuordnung beider.b a b

[1] 〈Sein〉 vgl. S. 25** [1] Der Mensch – das Sein – wie zwei vorhandene für sich bestehende Dinge, die nachträglich zusammengestellt und in eine Zuordnung untergebracht werden sollen.

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Wie wäre es, wenn wir, statt unentwegt nur eine Zusammenordnung beider vorzustellen, um ihre Einheit herzustellen, einmal darauf achteten, ob und wie in diesem Zusammen vor allem ein Zu-einander-Gehören im Spiel ist?ab Nun besteht sogar die Möglichkeit, das Zusammengehören von Mensch und Sein schon in den überlieferten Bestimmungen ihres Wesens, wenngleich nur aus der Ferne zu erblicken. Inwiefern? Offenbar ist der Mensch etwas Seiendes. Als dieses gehört er wie der Stein, der Baum, der Adler in das Ganze des Seinsc. Gehören heißt hier noch: eingeordnet in das Seind. Aber das Auszeichnende des Menschen beruht darin, daß er als das denkende Wesen, offen dem Sein, vor dieses gestellt istef, auf das Sein bezogen bleibt und ihm so entsprichtg. Der Mensch ist h eigentlich dieser Bezugi der Entsprechung, und er ist nur dies. »Nur« – dies meint keine Beschränkung, sondern ein Übermaß. Im Menschen waltet ein Gehören zum Sein, welches Gehören auf das Sein hört, weilj es diesem übereignetkl ist. Und das Sein? a b c d e f g

h

i j

k l

[1] 〈vor allem ein Zu-einander-Gehören〉 spielt 〈im Spiel ist?〉 [2] 〈vor allem ein Zu-einander-Gehören im Spiel ist?〉 [1] 〈»Seins«〉 [1] 〈in das〉 Seiende! 〈Sein〉 [1] 〈vor dieses〉 gebracht und zu Zeiten 〈gestellt ist〉 [2] 〈vor dieses〉 gebracht 〈ist〉 [1] 〈auf das Sein bezogen bleibt (und ihm so)〉, indem er ihm – d. h. dem Seienden entspricht in seinem Menschsein. [1] 〈der Mensch ist (eigentlich)〉 in welcher Weise von Sein? Anwesen zu ... und bei ... und mit ... [1] 〈dieser Bezug〉 [1] 〈hört,〉 insofern 〈es diesem〉 ausgesetzt und zugleich von ihm benötigt wird. 〈(übereignet ist,)〉 [1] 〈(übereignet)〉 () [2] 〈übereignet〉 kurs[iv]

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Denken wir das Sein nach seinem anfänglichen Sinne als Anwesenab. Das Sein west den Menschen weder beiläufig noch ausnahmsweise an. Sein west und währt nur, indem es durch seinen Anspruch den Menschen an-geht. Denn erst der Mensch, offen für das Sein, läßt dieses als Anwesen ankommen. Solches An-wesen brauchtc das Offene einer Lichtung und bleibt so durch diesesd Brauchen dem Menschenwesen übereignetefg.* Dies besagt keineswegs, das Sein werde erst und nur durch den Menschen gesetzth. Dagegen wird deutlich: Mensch und Sein sind einander übereignet.i Sie gehören einander. Aus diesem nicht näher bedachten Zueinandergehörenj haben Mensch und Sein allererst diejenigen Wesensbestimmungen empfangen, in denen sie durch die Philosophie metaphysisch begriffen werden.k a b c d e f

[1] 〈Anwesen〉 [1] S. u. Z. [Sein und Zeit] S. 25/26** [1] 〈(braucht)〉 bedarf und verlangt [1] 〈dieses〉 [1] 〈(übereignet)〉 noch nicht von »eignen« sprechen – zu voreilig. [1] gleichsam überantwortet. Überantwortung des Seins an d[en] Menschen Verantwortung des Menschen für das Sein – was beide be-stimmt, verbietet jedoch eine bloße Gegenstellung ebenso wie eine Vermischung.*** (hier ganz anders zu denken Be-Zug und Ver-Hältnis)**** [2] 〈übereignet〉 kurs[iv] [1] 〈 gesetzt〉 daher Sein weder Thesis (Position) noch Synthesis [1] 〈(übereignet)〉 [2] 〈übereignet〉 E [Ereignis] vgl. S. 27 ×–×***** [1] 〈Aus diesem〉 allerdings bislang 〈nicht näher bedachten Zu-einander-gehören〉 [2] 〈Aus diesem nicht näher bedachten Zueinandergehören haben Mensch und Sein allererst diejenigen Wesensbestimmungen empfangen, in denen sie durch die Philosophie metaphysisch begriffen werden.〉 E [Ereignis]

{

g h i

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k

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Dieses vorwaltendea Zusammengehören von Mensch und Sein verkennen wir hartnäckig, solange wir alles nur in Ordnungen und Vermittlungen, sei es mit oder ohne Dialektikb, vorstellen. Wir finden dann immer nur Verknüpfungen, die entweder vom Sein oder vom Menschen her geknüpftc sind und das Zusammengehören von Mensch und Sein als Verflechtung darstellen.d Wir* kehren noch nicht in das Zusammengehören ein.efgh Wie aber kommt es zu einer solchen Einkehri? Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen.j Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges.k Er springt ab, nämlich weg aus der geläufigen Vorstellung vom Menschen als dem animal rationale, das in

a b c

d

e f

g

h

i j

k

[2] 〈vorwaltende〉 [1] 〈mit oder ohne Dialektik〉 [1] 〈die entweder vom Sein oder vom Menschen her〉 veranstaltet 〈sind〉 [1] So lange wir den Sachverhalt in dieser Weise vorstellen, bleiben »der Mensch« und »das Sein« gleichsam zwei verschiedene »Seiende«, die an einander und mit einander verkoppelt (Kopula) werden sollen. (vgl. »Zur Seinsfrage«, Jünger-Festschr[ift] 1955).** [1] 〈Wir kehren noch nicht in das Zusammengehören ein.〉 [1] Einkehr – spricht so, als seien wir irgendwo außerhalb – statt »Einkehr«: Erwachen!*** vgl. Anhang.**** [1] »Einkehr«: auch dieses noch im Horizont des metaph[ysischen] Vorstellens. [1] das trifft in gewiss[er] Weise für das metaph[ysische] Vorstellen zu – vgl. Hegel – der Mensch und das Absolute »Holzwege«***** [2] 〈Einkehr〉 29! 34! [1] 〈Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen.〉 [1] 〈Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges〉****** 32! S. 28; 33 u[nten]

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der Neuzeit zum Subjekt für seine Objekte geworden ist. Der Absprunga springt zugleich weg vom Sein. Dieses wird jedoch seit der Frühzeit des abendländischen Denkens als der Grundb ausgelegt, worin jedes Seiende als Seiendes gründet. Wohin springt der Absprungc, wenn er vom Grund abspringt? Springtd er in einen Abgrund? Ja, solange wir den Sprung nur vorstellen und zwar im Gesichtskreis des metaphysischen Denkens. Nein, insofern wir springene und uns loslassenf. Wohin? Dahin, wohin wir schon eingelassen sindgh: in das Gehören zum Sein. Das Sein selbst aber gehört zu uns; denn nur bei uns kann es als Sein wesen, d. h. an-wesen.i So wird denn, um das Zusammengehören von Mensch und Sein eigens zu erfahren, ein Sprungj nötig. Dieser Sprung ist das Jähe der brückenlosen Einkehr in jenes Ge-

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[1] 〈Absprung〉 [2] 〈Absprung〉 33 V [1] 〈Grund〉 »Grund« und »An-wesen« [1] 〈Absprung〉 [1] 〈Springt〉 [1] 〈springen〉 [1] 〈uns loslassen〉* das Loslassen sich lösen aus dem Schlaf bedarf keines Verschlafenheit. Sprunges Erwachen aus der anfänglichen Vergessenheit des E. [Ereignisses] (Entz[ieh]en [?]**) S. 28 Einheimisch werden (wohnen), worin wir schon eingelassen sind. S. 34. [1] 〈wohin wir schon eingelassen sind〉 also weder Sprung noch Einkehr [2] 〈wohin wir schon eingelassen sind〉 also keine »Einkehr« nötig; als stünden wir draußen. Aber auch (vgl. 32) kein »Absprung« vgl. 28 u[nten] [1] das Sein west nicht an – sondern »ist«[?]*** An-wesen [1] 〈Sprung〉

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hörena, das erst ein Zueinander von Mensch und Sein und damit die Konstellation beider zu vergeben hat.b Der Sprung ist die jähe Ein fahrt in den Bereich, aus dem her Mensch und Sein einander je schon in ihrem Wesen erreichtc habend, weil beide aus einer Zureichung einander übereignete sind. Die Einfahrtfg in den Bereich dieser Übereignung stimmt und be-stimmt erst die Erfahrung des Denkens.* Seltsamerh Sprung, der uns vermutlich den Einblick erbringt, daß wir uns noch nicht genügend dort aufhalten, wo wir eigentlich schon sind.ij Wo sind wir?k In welcher Konstellation von Sein und Mensch?l Heute benötigen wir, so scheint es wenigstens, nicht mehr wie noch vor Jahren umständliche Hinweisem, damit a b

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[1] 〈brückenlosen Einkehr〉 Erwachen in 〈jenes Gehören〉 [1] 28! weder Einkehr noch Absprung – sondern Andenken  Erwachen in den Aufenthalt im Vorenthalt »wach« [1] 〈erreicht〉 [2] 〈schon in ihrem Wesen erreicht haben〉 [1] 〈über(eignet)〉 über-reicht [1] 〈Einfahrt〉 das Entwachen in das E [Ereignis] [1] ermuntert (er-eignet in das E [Ereignis]) 30** [1] 〈Seltsamer Sprung〉 also kein Sprung. [1] 〈nicht genügend dort aufhalten, wo wir (eigentlich) schon sind〉 [2] 〈wo wir eigentlich schon sind〉*** [1] 〈Wo sind wir?〉 Die Frage ohne zureichenden Übergang. [1] 〈In welcher Konstellation**** von Sein und Mensch?〉 statt »Konstellation«: Zu-Ordnung in das Gehörige bringen. Disposition ob[en] 21***** [1] vgl. Bremer Vorträge 1949 »Einblick in das, was ist****** und Die Frage nach der Technik 1953*******

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wir die Konstellation erblicken, ausa der Mensch und Sein einander angehen. Es genügt, so möchte man meinen, das Wort Atomzeitalter zu nennen, um erfahren zu lassen, wie das Sein heute in der technischen Welt uns an-westb. Aber dürfen wir denn die technische Welt ohne weiteres mit dem Sein in eins setzen? Offenbar nicht, auch dann nicht, wenn wir diese Welt als das Ganze vorstellen, worin Atomenergiec, rechnende Planungd des Menschen und Automatisierung zusammengeschlossen sind. Weshalb bringt ein so gearteter Hinweis auf die technische Welt, mag er diese noch so weitläufig abschildern, keineswegs schon die Konstellatione * von Sein und Mensch in den Blick? Weil jede Analyse der Situationf zu kurz denkt, insofern das erwähnte Ganze der technischen Welt zum voraus nur** vom Menschen her als dessen Gemächte gedeutet wird. Das Technische, im weitesten Sinne und nach seinen vielfältigen Erscheinungen vorgestellt, gilt als der Plan, den der Mensch entwirft, welcher Plan den Menschen schließlich in die Entscheidung drängt, ob er zum Knecht seines Planes werden oder dessen Herr bleiben will. Durch diese Vorstellung vom Ganzen der technischen Welt schraubt man alles auf den Menschen zurück und gelangt, wenn es hoch kommt, zur Forderung einer Ethik der technischen Welt.*** In dieser Vorstellung befangen, bestärkt man sich selber in der Meinungg, die Technik sei a b

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[1] 〈aus〉 [1] 〈wie das Sein heute in der technischen Welt uns an-west〉 unzureichend gesagt [1] »als letzte Realität« [1] Kybernetik!**** [1] 〈Konstellation〉 [1] 〈Analyse der Situation〉 [1] 〈Meinung〉

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nur eine Sache des Menschen. Man überhört den Anspruch des Seins, der im Wesena der Technik spricht.* Setzen wir uns endlich davon ab, das Technische nurb technisch, d. h. vom Menschen und seinen Maschinen her vorzustellen. Achten wir auf den Anspruch, unter dem in unserem Zeitalter nicht nur der Mensch, sondern allesc Seiende, Natur und Geschichte, hinsichtlich ihres Seins stehen. Welchen Anspruch meinen wir? Unser ganzes Dasein findet sich überall – bald spielend, bald drangvoll, bald gehetzt, bald geschoben – , herausgefordert, sich auf das Planen und Berechnen, auf die Steuerung** von allem zu verlegen. Was spricht in dieser Herausforderung? Entspringt sie nur einer selbstgemachtend Laune des Menschen? Oder geht uns dabei schon das Seiende selbst an*** und zwar so, daß es uns auf seine Planbarkeit und Berechenbarkeit hin anspricht? Dann stünde also gar das Sein unter der Herausforderungef, das Seiende im Gesichtskreis der Berechenbarkeit erscheinen zu lassen?g hi In der Tat. Und nicht nur

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[1] [2] 〈Wesen〉 [1] 〈nur〉 [1] 〈alles〉 [1] 〈selbstgemachten〉 [1] 〈Dann stünde〉 gar 〈das Sein unter der Herausforderung〉 [2] 〈Dann stünde〉 sogar 〈das Sein unter der Herausforderung〉 [1] im Geschick wie dies gemäßer zu sagen – Beständigkeit d[es] Bestandes – Gegenständl[ichkeit] d[es] Gegenstandes – Objektivität – Wirklichk[eit] – bis zu Anwesen hin »Sein« geschickt ereignet**** im E. [Ereignis] ÆA-LhÂûeia. [1] 〈erscheinen zu lassen?〉 Anwesenlassen [2] 〈erscheinen zu lassen?〉 Sein unter der Herausforderung als Bestellbarkeit zu Wesen – d. h. geschickt aus dem Ge-stell.*****

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dies.a * Im selben Maße wie das Sein ist der Mensch herausgefordert, d. h. gestelltb, das ihn angehende Seiende als den Bestand seines Planens und Rechnens sicherzustellen und dieses Bestellen ins Unabsehbare zu treiben.c Der Name für die Versammlung des Herausforderns, das Mensch und Sein einander so zu-stelltd, daß sie sich wechselweisee stellenf, lautet: das Ge-Stell. Man hat sich an diesem Wortgebrauch gestoßen. Aber wir sagen statt »stellen« auch »setzen«g und finden nichts dabei, daß wir das Wort Ge-setz gebrauchen. Warum also nicht auch Ge-Stell, wenn der Blick in den Sachverhalt dies verlangth? Dasjenige, worin und woher Mensch und Sein in der technischen Welt einander an-gehen, spricht anijk in der Weise des Ge-Stells.** Im wechselweisen Sichstellen von

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[1] unzureichend gesagt: Anwesenlassen selber angewiesen (woher und wie), das Anwesen – als ständige Bestellbarkeit – zu lassen – ins Freie (welches?) zu geben. [1] 〈 gestellt〉 [1] Planung und Strategie des Friedens – Kybernetik [1] 〈zu-stellt〉 [1] – je nach ihrer Weite – 〈wechselweise〉 vgl. 23 [2] 〈wechselweise stellen〉 vgl. 23*** [1] Sein als Position [1] 〈wenn der Blick in den Sachverhalt dies verlangt?〉 »das Gefels« bei Bettina v. Arnim**** [1] 〈 spricht an 〉 es spricht als dieses gerade nicht an [1] 〈 spricht an 〉 spricht an nur das (das schon aus der Vergessenheit erwachte) ent-sagende Denken im E. [Ereignis] [1] 〈 spricht an 〉 zeigt sich an – freilich kein fragen [?]***** zugestanden und noch weniger bedacht oder gar gedacht –

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Mensch und Seinab hören wir den Anspruch, der die Konstellation unseres Zeitalters bestimmt. Das Ge-Stell geht uns überall unmittelbar an. Das Ge-Stell ist, falls wir jetzt noch so sprechen dürfen, seienderc denn alle Atomenergien und alles Maschinenwesen, seiender als die Wucht der Organisation, Information und Automatisierung. Weil wir das, was Ge-Stell heißt, nicht mehr im Gesichtskreis des Vorstellens antreffen, der uns das Sein des Seienden als Anwesend denken läßt – das Ge-Stell geht uns nicht mehr an wie etwas Anwesendes – , deshalb ist es zunächst befremdlich. Befremdlich bleibt das Ge-Stell vor allem insofern, als es nicht ein Letztes ist, sondern selber uns erst Jenes zuspielt, was die Konstellatione von Sein und Mensch eigentlichfg durchwaltet. Das Zusammengehören von Mensch und Sein in der Weise der wechselseitigen Herausforderung bringt uns bestürzend näher, daß und wie der Mensch dem Sein vereigneth, das Sein aber dem Menschenwesen zugeeigneti ist. Im Ge-Stellj waltet ein seltsames Vereignen und Zueignen. Es gilt, dieses Eignen, worin Mensch und Sein einana

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[1] hier immer noch das Ungemäße, daß »Sein« als das Gegenüber zum Menschen erscheint, während es als Ge-Stell beides – das Wesende von Sein und Mensch samt dem »und« bestimmt. [1] 32. [2] 〈»seiender«〉* [2] in dessen geschicklichen Abwandlungen bis zur Gegenständigkeit [1] 〈Konstellation〉 [1] 〈eigentlich〉 [2] 〈»eigentlich«〉 dies Wort jetzt streng aus dem E. [Ereignis] gedacht. [2] 〈vereignet〉 [2] 〈zugeeignet〉 [1] 〈Ge-Stell〉

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der ge-eigneta sind, schlicht zu erfahrenb, d. h. einzukehrenc d in dase *, was wir das Ereignis nennen. Das Wort Ereignis ist der gewachsenen Sprache entnommen. Er-eignen heißt ursprünglich: er-äugen, d. h. er blicken, im Blicken zu sich rufen,f an-eignen.g Das Wort Ereignis soll jetzt, aus der gewiesenen Sache her gedacht, als Leitwort im Dienst des Denkens sprechen.** Als so gedachtes Leitwort läßt es sich sowenig übersetzen wie das griechische Leitwort loÂgow und das chinesische Tao. Das Wort Ereignis meint hier nicht mehr das, was wir sonst irgendein Geschehnis, ein Vorkommnish nennen. Das Wort ist jetzt als Singulare tantum gebraucht.*** Was es nennt, ereignet sichi nur in der Einzahl, nein, nicht einmal mehr in einer Zahl, sondern einzigj. Was wir im Ge-Stell als der Konstellationk von Sein und Mensch durch die moderne technische Welt erfahren, ist ein Vorspiel**** dessen, was Er-eignis heißt. Dieses verharrt jedoch nicht notwendig in seinem Vorspiel. Denn im

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[2] 〈 ge-eignet〉 [1] 〈schlicht zu erfahren〉 also kein Sprung vgl. 24 ob[en] er-fahren – einheimisch werden, worin wir schon eingelassen sind [1] 〈d. h. einzukehren〉 Einkehr nur aus Verwendung in die Vereignung. Verwendung nur aus Brauch [?]. [2] 〈d. h. einzukehren〉 ? Vgl. ob[en] 24 entwachen [1] 〈einzukehren in das〉 genauer: (ins) E. [Ereignis] einkehren in Es [?]*****. [1] in d[ie] Lichtung 〈aneignen.〉 [1] E [Ereignis] und Blick [1] 〈ein Vorkommnis〉, eine Begebenheit 〈nennen〉. [2] 〈ereignet sich〉 in welchem Sinn? Enteignis zum R. [Ratsal] des V.-H. [Ver-Hältnisses].****** [1] 〈einzig〉 das Einzige [1] 〈Konstellation〉

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Er-eignis spricht die Möglichkeit an, daß esa das bloße Walten des Ge-Stells in ein anfänglicheres Ereignen verwindet.* Eine solche Verwindung des Ge-Stells aus dem Ereignis in diesesb brächtec die ereignishafte, also niemals vom Menschen allein machbare, Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereichesd **, durch den der Mensch eigentlicher in das Ereignis reicht.e Wohin hat der Weg geführt? Zur Einkehrf unseres Denkens in jenes Einfache, das wir im strengen Wortsinne das Er eignis nennen. Es scheint, als gerieten wir jetzt in die Gefahr, unser Denken allzu unbekümmert in etwas abgelegenes Allgemeinesg *** zu richten, während sich uns doch mit dem, was das Wort Er-eignis nennen möchte, nur das Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhaltenh. Denn was könnte uns näher sein als das, was uns dem nähert, dem wir gehören, worini wir Gehörende sind, das Er-eignis? Das Er-eignis ist der in sich schwingende Bereichj,

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[1] 〈es〉 d. h. das E. [Ereignis] [1] [2] 〈aus dem Ereignis in dieses〉 [1] 〈brächte〉 [1] 〈zur Dienstschaft〉 nicht gegenüber dem Menschen sondern im Bez[ug] zum E. [Ereignis] 〈innerhalb des Bereiches〉 [1] die positive Erfahrung der »Idee« und der Natur [2] 〈Einkehr〉 ! 24 [1] auf ein abgelegen Allgemeines [1] 〈nur das Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhalten.〉**** [1] 〈worin〉 [1] 〈 der in sich schwingende Bereich〉 dafür kein ontisches Beispiel so wie schon »Sein« einzig – im Es gibt

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durch den Mensch und Sein einander in ihrem Wesena erreichenb, ihr Wesendes gewinnen, indem sie jene Bestimmungen verlieren, die ihnen die Metaphysik geliehen hat. Das Ereignis als Er-eignis denken, heißt, am Bau dieses in sich schwingenden Bereiches bauenc.* Das Bauzeug zu diesem in sich schwebendend ** Bau empfängt das Denken aus der Sprache. Denn die Sprache ist die zarteste, abere auch die anfälligste, alles verhaltendef Schwingung im schwebendeng Bau des Ereignisses. Insofern unser Wesen in die Sprache vereignet ist, wohnenh wir im Ereignis.i Wir sind jetzt an eine Wegstelle gelangt, wo sich die zwar grobe aber unvermeidliche Frage aufdrängt: Was hat das Ereignis mit der Identität zu tun? Antwort: Nichts. Dagegen hat die Identität vieles, wenn nicht alles mit dem

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[2] 〈Wesen〉 M. [Menschen] als die Sterblichen – gebraucht im E. [Ereignis] S. [Sein] als Austrag –: Lichtung des Sichverbergens – (Wesen d[er] Wahrheit) E [Ereignis] [1] 〈in ihrem Wesen erreichen〉 schon je – aber noch nicht entborgen – sich erreicht haben – einander gereicht bleibt. [1] 〈Das Ereignis als Er-eignis denken, heißt, am Bau dieses in sich schwingenden Bereiches bauen.〉 [1] 〈schwebenden〉 [1] 〈die zarteste,〉 und daher auch 〈auch die anfälligste〉 [2] 〈verhaltende〉 an sich haltend unter-haltend aushaltend. [1] 〈alles verhaltende Schwingung im schwebenden〉 schwingen und schweben – noch ungemäß – [1] 〈wohnen〉 [1] 〈Sprache〉*** die Sage des Eigentums vgl. Unterwegs z[ur] Sprache****

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Ereignis zu tun. Inwiefern? Wir antworten, indem wir den begangenen Weg mit wenigen Schritten zurückgehen. Das Ereignis vereignet Mensch und Seina in ihr wesenhaftesb Zusammen. Ein erstes, bedrängendes Aufblitzencd des Ereignisses erblicken wir im Ge-Stell.* Dieses macht das Wesen der modernen technischen Welt aus. Im Ge-Stell erblicken wir eine Zusammengehörenf von Mensch und Sein, worin das Gehörenlasseng erst die Art des Zusammen und dessen Einheit bestimmt. Das Geleit in die Frage nach einem Zusammengehören, darin das Gehören den Vorrang vor dem Zusammen hat, ließen wir uns durch den Satz des Parmenides geben: »Das Selbe nämlich ist Denken sowohl als auch Sein.«** Die Frage nach dem Sinn dieses Selben ist die Frage nach dem Wesenh der Identität. Die Lehre der Metaphysik stellt die Identität als einen Grundzug im Sein vori. Jetzt zeigt sich: Sein gehörtj mit dem Denken in eine

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[1] 〈»Sein«〉 [1] 〈(wesenhaftes)〉 eigentümliches [1] 〈Aufblitzen〉 vgl. Einblick 1949*** [1] das ferne Leuchten im Einst der ÆA-LhÂûeia vgl. Hegel und die Griechen Gad.[Gadamer]-Festschrift**** [1] 〈ein〉 ausgezeichnetes 〈Zusammengehören〉 [1] Er-eignen als Gehörenlassen ¤  dieses aus der Be-fugnis darin der Brauch (der Sterb[lichen]) hier aber absichtlich das Ge-Viert verhüllt – [2] 〈Gehörenlassen〉 Lassen als Eignen – Gewähren – Reichen – Halten (Hältnis) [1] 〈Wesen〉 Wandlung von »Wesen« in Eigentümlichkeit (E [Ereignis]) [1] 〈stellt die Identität als einen Grundzug im Sein vor〉***** im doppelt[en] Sinn des Vorführens und Auffassens [1] 〈Sein gehört〉 zusammen 〈mit dem Denken〉

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Identitätab, deren Wesen aus jenem Zusammengehörenlassen stammt, das wir das Ereignis nennen. Das Wesenc der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses.def Für den Fall, daß an dem Versuch, unser Denken in den Ortg der Wesensherkunft der Identität zu weisenhi *, etwas Haltbares sein könnte, was wäre dann aus dem Titel des Vortrages ge worden? Der Sinn des Titels »Der Satz der Identität« hätte sich gewandelt. Der Satz gibt sich zunächst in der Form eines Grundsatzes, der die Identität als einen Zug im Sein, d. h. im Grund des Seienden voraussetzt. Aus diesem Satz im Sinne einer Aussage ist unterwegs ein Satz geworden von der Art eines Sprungesj, der sich vom Sein als dem Grund des Seienden absetzt und so in den Abgrund springt.kl ** Doch dieser Abgrund ist weder das leere Nichts noch eine finstere Wirrnis, sondern: das Er-eignis.m Im Er-eignis schwingtn das Weseno dessen, was als Sprache sprichtp, die einmal das a b c d

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[2] 〈Sein gehört mit dem Denken in〉 die 〈Identität〉 [2] vgl. ob[en] 18. 19 [1] 〈(Wesen)〉 Eigentümliche [1] 〈Das Wesen der Identität〉 entstammt dem Eigentum des E. [Ereignisses]. [1] 〈Das Wesen der Identität ist〉 ein × ? nicht deutlich genug 〈Eigentum des Er-eignisses.〉 [2] 〈Das Wesen der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses.〉*** [1] 〈Ort〉 Topo-logie [1] 〈weisen〉 [2] 〈Wesensherkunft der Identität zu weisen〉 [1] [2] 〈Sprunges〉 [1] Met [Metaphysik]! [1] ob[en] 24 [1] 〈das Er-eignis.〉**** [1] 〈schwingt〉***** 30 [2] 〈schwingt das Wesen〉 [1] 〈schwingt das »Wesen« dessen, was als Sprache spricht〉

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Haus des Seins genannt wurde.* Satz der Identität sagt jetzt: Ein Sprunga, den das Wesen der Identität verlangt, weil es ihn braucht, wenn anders das Zusammengehören von Mensch und Sein in das Wesenslicht des Ereignisses gelangen soll. Unterwegsb vom Satz als einer Aussage über die Identität zum Satz als Sprungc in die Wesensherkunft der Identität hat sich das Denken gewandelt. Darum erblickt es, der Gegenwart entgegenblickend, über die Situation des Menschen hinweg die Konstellationd von Sein und Mensch aus dem, was beide einander eignet, aus dem Er-eignis.e Gesetzt, die Möglichkeit warte uns entgegen, daß sich uns das Ge-Stell, die wechselweise Herausforderung von Mensch und Seinf in die Berechnung des Berechenbaren, als das Ereignis zuspricht, das Mensch und Seing erst in ihr Eigentliches enteignethi, dann wäre ein Weg frei, auf dem der Mensch das Seiende, das Ganze der modernen technischen Welt, Natur und Geschichte, allem zuvor ihr Seinj, anfänglicher erfährt. So lange die Besinnung auf die Welt des Atomzeitalters bei allem Ernst der Verantwortung nur dahin drängt, aber auch nur dabei als dem Ziel sich beruhigt, die friedliche Nutzung der Atomenergie zu betreiben, so lange bleibt das Denken auf halbem Wege stehen. Durch diese Halbheit a b c d e f g h i j

[1] 〈Sprung〉 [1] 〈Unterwegs〉 ob[en] 13 [1] 〈Sprung〉 [1] 〈Konstellation〉 [1] 〈was beide einander eignet, aus dem Er-eignis**.〉 28 [1] 〈Sein〉 [1] 〈Sein〉 [1] 〈Eigentliches enteignet〉 [2] 〈Eigentliches enteignet〉 [1] 〈 Natur und Geschichte , allem zuvor ihr »Sein«〉***

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wird die technische Welt in ihrer metaphysischen Vorherrschaft weiterhin und erst recht gesichert.abcd * Allein, wo ist entschieden, daß die Natur als solche für alle Zukunft die Natur der modernene Physik bleiben und die Geschichte sich nur als Gegenstand der Historief darstellen müsse? Zwar können wir die heutige technische Welt weder als Teufelswerk verwerfen, noch dürfen wir sie vernichten, falls sie dies nicht selber besorgt. Wir dürfen aber noch weniger der Meinung nachhängen, die technische Welt sei von einer Art, die einen Absprunggh aus ihr schlechthin verwehre. Diese Meinung hält nämlich das Aktuelle, von ihm besessen, für das allein Wirkliche. Diese Meinung ist allerdings phantastisch, nicht dagegen ein Vordenken, das dem entgegenblickt, was als Zuspruch des Wesensi der Identität von Mensch und Seinj auf uns zukommt.k Mehr denn zweitausend Jahre brauchte das Denken, um eine so einfache Beziehung wie die Vermittelunglm innerhalb der Identität eigens zu begreifen. Dürfen wir da a b c d

[2] 〈metaphysischen Vorherrschaft〉 [1] die Sicherung ihrerseits wird »abgesichert«. [1] – d. h. die Vergessenheit des E. [Ereignisses] bleibt.** [1] Ge-Stell wird nicht als E [Ereignis] erfahren. Was ver-langt dies?

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[1] 〈modernen〉 [1] 〈Historie〉 [1] 〈Absprung〉 [2] 〈Absprung〉 24 [2] 〈Wesens〉 [1] 〈Mensch und Sein〉*** [2] 〈auf uns zukommt〉 [1] 〈Vermittelung〉 Hegel [2] 〈Vermittelung〉

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meinen, die denkende Einkehra in die Wesensherkunft der Identität lasse sich an einem Tage bewerkstelligen? Gerade weil diese Einkehr einen Sprungb verlangt, braucht sie ihre Zeit, die Zeit des Denkens, die eine andere ist als diejenige des Rechnens, das heute überall herc an unserem Denken zerrt. Heute errechnet die Denkmaschine in einer Sekunde Tausende von Beziehungen. Sie sind trotz ihres technischen Nutzens wesenlos. Was immer und wie immer wir zu denkend versuchen, wir denken im Spielraum der Überlieferunge. Sie waltet, wenn sie uns aus dem Nachdenken in ein Vordenken befreit, das kein Planen mehr ist.f Erst wenn wir uns denkend dem schon Gedachten zuwendeng, werden wir verwendet für das noch zu Denkende.h *

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[2] 〈denkende Einkehr〉 [1] 〈Sprung〉** das Bereiten eines Erwachens – dazu S. 24 [1] 〈überallher〉 [2] 〈denken〉 [2] 〈Überlieferung〉 [1] 〈das kein Planen mehr ist〉, aber auch kein Prophezeien. [2] 〈dem schon Gedachten zuwenden〉 im Schritt zurück [1] 〈dem schon Gedachten zuwenden, werden wir ver wendet für das (noch)〉 erst 〈zu Denkende〉

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DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK a

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ieses Seminar versuchte, ein Gespräch mit Hegel zu beginnen. Das Gespräch mit einem Denker kann nur von der Sache des Denkens handeln. »Sache« meint nach der gegebenen Bestimmung den Streitfall, das Strittige, das einzig für das Denken der Fall ist, der das Denken angeht. Der Streit aber dieses Strittigen wird keineswegs erst durch das Denken gleichsam vom Zaun gebrochen. Die Sache des Denkens ist das in sich Strittige eines Streites. Unser Wort Streit (althochdeutsch strit) meint vornehmlich nicht die Zwietracht sondern die Bedrängnisb. Die Sache des Denkens bedrängt das Denken in der Weise, daß sie das Denken erst zu seiner Sache und von dieser her zu ihm selbst bringt.c

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[1] [Notiz vor Beginn des Textes] S. 45/46 »Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück.« S. 47 u[nten] Die Ausdauer und Vorbereitung. – die »gewagt werden muß!« (Diese Bestimmungen sind keine Bekundung einer persönlichen Bescheidenheit – sondern gehören zu der von der Sache bestimmten Not dieses Denkens – (Attitüde der Besch[eidenheit]!)* 47/48 angesichts dessen, was jetzt ist (Ge-Stell) Industrie-Gesellschaft Soziologie – Kybernet[ik] [1] 〈Bedrängnis〉 [1] aber dieses Denken selbst gehört zur Sache.

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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Für Hegel ist die Sache des Denkens: Das Denken als solches. Damit wir diese Umgrenzung der Sache, nämlich das Denken als solches, nicht psychologisch und nicht erkenntnistheoretisch mißdeuten, müssen wir erläuternd beifügen: Das Denken als solches – in der entwickelten Fülle der Gedachtheit des Gedachten. Was hier Gedachtheit des Gedachtena besagt, können wir nur von Kant her verstehen, vom Wesen des Transzendentalenb aus, das Hegel jedoch absolut, und d. h. für ihn spekulativ, denkt. Darauf zielt Hegel ab, wenn er vom Denken des Denkens als solchem sagt, daß es »rein im Elemente des Denkens« entwickelt werde (Enc. Einleitung § 14).* Mit einem knappen, aber nur schwer sachgerecht auszudenkenden Titel benannt, heißt dies: Die Sache des Denkens ist für Hegel »der Gedanke«.c Dieser aber ist, zu seiner höchsten Wesensfreiheit entfaltet, »die absolute Idee«. Von ihr sagt Hegel gegen Ende der »Wissenschaft der Logik« (ed. Lass. Bd. II, 484**): »die absolute Idee allein ist Seind, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit«.*** So gibt denn Hegel selbst und ausdrücklich der Sache seines Denkens denjenigen Namen, der über der ganzen Sache des abendländischen Denkens steht, den Namen: Sein. (Im Seminar wurde der mehrfältige und doch einheitliche Gebrauch des Wortes »Sein« erörtert. Sein besagt für Hegel zunächst, aber niemals nur, die »unbestimmte Unmittelbarkeit«. Sein iste hier gesehen aus dem bestimmenden Vermitteln, d. h. vom absoluten Begriff her und des-

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[1] 〈Gedachtheit des Gedachten〉 [1] 〈Transzendentalen〉 [1] 〈»der Gedanke«〉**** vgl. S. 49. [1] 〈»ist«〉 dial[ektisch] spekul[ativ] [2] 〈ist〉 schon

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halba auf diesen hinb. »Die Wahrheit des Seins ist das Wesen«, d. h. die absolute Reflexion. Die Wahrheit des Wesens ist der Begriff im Sinne des un-endlichen Sichwissens. Sein ist das absolute Sichdenken des Denkens. Das absolute Denken allein ist die Wahrheit des Seins, »ist« Sein. Wahrheit heißt hier überall: die ihrer selbst gewisse Gewußtheit desc Wißbaren als solchen.)d Hegel denkt jedoch die Sache seines Denkens sachgemäß zugleich in einem Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte des Denkens. Hegel ist der erste, der so denken kann und muß.e Hegels Verhältnis zur Geschichte der Philosophie ist das spekulative und nur als dieses ein geschichtliches. Der Charakter der Bewegung der Geschichte ist ein Geschehen im Sinne des dialektischen Prozesses. Hegel schreibt (Enc. § 14): »Dieselbe Entwikkelung des Denkens, welche in der Geschichte der Philosophie dargestellt wird, wird in der Philosophie selbst dargestellt, aber befreit von jener geschichtlichen Äußerlichkeit, rein im Elemente des Denkens.«* Wir stutzen und stocken. Die Philosophie selbst und die Geschichte der Philosophie sollen nach Hegels eigenem Wort im Verhältnis der Äußerlichkeit stehen. Aber die von Hegel gedachte Äußerlichkeit ist keineswegs äußerlich in dem groben Sinne des bloß Oberflächlichen und Gleichgültigen. Äußerlichkeit besagt hier das Außerhalb, darin

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[1] 〈her und deshalb〉 [2] »Sein« –: der Name für die geschickliche Stufe der eiËna Unmittelbarkeit des Vorstellens (noeiÄn) [1] 〈Gewußtheit des〉 Alls des** 〈Wißbaren〉 [2] Vgl. u[nten] S. 53 [1] weshalb? welches Bedürfnis? vgl. die Diff.schrift [Differenzschrift]***

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alle Geschichte und jeder wirkliche Verlauf gegenüber der Bewegung der absoluten Idee sich aufhält. Die erläuterte Äußerlichkeit der Geschichte im Verhältnis zur Idee ergibt sich als Folge der Selbstentäußerung der Idee. Die Außerlichkeit ist selbst eine dialektische Bestimmung. Man bleibt daher weit hinter dem eigentlichen Gedanken Hegels zurück, wenn man feststellt, Hegel habe in der Philosophie das historische Vorstellen und das systematische Denken zu einer Einheit gebracht. Denn für Hegel handelt es sich weder um Historie, noch um das System im Sinne eines Lehrgebäudes. Was sollen diese Bemerkungen über die Philosophie und deren Verhältnis zur Geschichte? Sie möchten andeuten, daß die Sache des Denkens für Hegel in sich geschichtlich ist, dies jedoch im Sinne des Geschehens. Dessen Prozeßcharakter wird durch die Dialektik des Seins bestimmt. Die Sache des Denkens ist für Hegel das Sein als das sich selbst denkende Denken, welches Denken erst im Prozeß seiner spekulativen Entwicklung zu sich selbst kommt und somit Stufen der je verschieden entwickelten und daher zuvor notwendig unentwickelten Gestalten durchläuft. Erst aus der so erfahrenen Sache des Denkens entspringt für Hegel eine eigentümliche Maxime, die Maßgabe für die Art und Weise, wie er mit den voraufgegangenen Denkern spricht. Wenn wir also ein denkendes Gespräch mit Hegel versuchen, dann müssen wir mit ihm nicht nur von derselben Sache, sondern von derselben Sache in derselben Weise sprechen. Allein das Selbe ist nicht das Gleiche. Im Gleichen verschwindet die Verschiedenheit. Im Selben erscheint die Verschiedenheit.a Sie erscheint um so bedräna

[1] 〈Im Selben erscheint〉 das Zusammengehören des Verschiedenen, 〈die Verschiedenheit.〉

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gender, je entschiedener ein Denken von derselben Sache auf dieselbe Weise angegangen wird. Hegel denkt das Sein des Seienden spekulativ-geschichtlich. Insofern nun aber Hegels Denken in eine Epoche der Geschichte gehört (dies meint beileibe nicht zum Vergangenen), versuchen wir, das von Hegel gedachte Sein auf dieselbe Weise, d. h. geschichtlich zu denken. Bei seiner Sache kann das Denken nur dadurch bleiben, daß es im Dabei-bleiben jeweils sachlicher, daß ihm dieselbe Sache strittigera wird. Auf diese Weise verlangt die Sache vom Denken, daß es die Sache in ihrem Sachverhalt aushalte, ihm durch eine Entsprechung standhalte, indem es die Sache zu ihrem Austrag bringt. Das bei seiner Sache bleibende Denken muß, wenn diese Sache das Sein ist, sich auf den Austrag des Seins einlassen. Demgemäß sind wir daran gehalten, im Gespräch mit Hegel und für dieses zum voraus die Selbigkeit derselben Sache deutlicher zu machen. Dies verlangt nach dem Gesagten, mit der Verschiedenheit der Sache des Denkens zugleich die Verschiedenheit des Geschichtlichen im Gespräch mit der Geschichte der Philosophie ans Licht zu heben. Eine solche Verdeutlichung muß hier notgedrungen kurz und umrißweise ausfallen. Wir beachten zum Zwecke einer Verdeutlichung der Verschiedenheit, die zwischen dem Denken Hegels und dem von uns versuchten Denken obwaltet, dreierlei. Wir fragen: 1. Welches ist dort und hier die Sache des Denkens? 2. Welches ist dort und hier die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte des Denkens?

a

[1] 〈strittiger〉 bedrängender (37)

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3. Welches ist dort und hier der Charakter dieses Gespräches? Zur ersten Frage: Für Hegel ist die Sache des Denkens das Sein hinsichtlich der Gedachtheit des Seienden im absoluten Denken und als dieses. Für uns ist die Sache des Denkens das Selbe, somit das Sein, aber das Sein hinsichtlich seiner Differenz zum Seienden. Noch schärfer gefaßt: Für Hegel ist die Sache des Denkens der Gedanke als der absolute Begriff. Für uns ist die Sache des Denkens, vorläufig benannta, die Differenz als Differenz.bcd Zur zweiten Frage: Für Hegel lautet die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte der Philosophie: Eingehen in die Kraft und den Umkreis des von den früheren Denkern Gedachten. Nicht zufällig stellt Hegel seine Maxime im Zuge eines Gespräches mit Spinoza und vor einem Gespräch mit Kant heraus (Wissenschaft der Logik, III. Buch, Lasson Bd. II, S. 216 ff.). Bei Spinoza findet Hegel den vollendeten »Standpunkt der Substanz«, der jedoch nicht der höchste sein kann, weil das Sein noch nicht ebensosehr und entschieden von Grund aus als sich denkendes Denken gedacht ist. Das Sein hat sich als Substanz und Substanzialität noch nicht zum Subjekt in seiner absoluten Subjektität enta b

c

d

[1] 〈vorläufig benannt〉 [1] 〈Für uns ist die Sache des Denkens,〉 d. h. das Fragwürdige – S. 63 Wesensherkunft. 〈vorläufig benannt, die Differenz als Differenz.〉 [2] 〈Für uns ist die Sache des Denkens, vorläufig benannt,〉 d. h. innerhalb des Gesprächs mit dem Wesen der Metaphysik »seinsgeschicklich« gedacht. 〈die Differenz als Differenz.〉 [1] d. h. das »und« a[ls] s[olches] für Sein a[ls] s[olches] und Seiendes a[ls] s[olches]*

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faltet. Gleichwohl spricht Spinoza das gesamte Denken des deutschen Idealismus immer neu an und versetzt es zugleich in den Widerspruch, weil er das Denken mit dem Absoluten anfangen läßta. Dagegen ist der Weg Kants ein anderer und für das Denken des absoluten Idealismus und für die Philosophie überhaupt noch weit entscheidender als das System Spinozas. Hegel sieht in Kants Gedanken der ursprünglichen Synthesis der Apperceptionb »eines der tiefsten Prinzipien für die spekulative Entwicklung« (a. a. O. S. 227).* Die jeweilige Kraft der Denker findet Hegel in dem von ihnen Gedachten, insofern es als jeweilige Stufe in das absolute Denken aufgehoben werden kannc. Dieses ist nur dadurch absolut, daß es sich in seinem dialektischspekulativen Prozeß bewegt und dafür die Stufung verlangt.d Für uns ist die Maßgabe für das Gespräch mit der geschichtlichen Überlieferung dieselbe, insofern es gilt, in die Kraft des früheren Denkens einzugehen. Allein wir suchen die Kraft nicht im schon Gedachten, sondern in einem Ungedachten, von dem her das Gedachte seinen Wesensraum empfängte. Aber das schon Gedachte erst bereitetf das noch Ungedachte, das immer neu in seinen Überfluß einkehrt. Die Maßgabe des Ungedachten führt nicht zum Einbezugg des vormals Gedachten in eine immer noch höhere

a b c

d e f g

[1] 〈mit dem Absoluten anfangen läßt〉** [1] 〈der〉 transzendentalen 〈Apperception〉 [1] 〈in das absolute Denken〉 verweist und darin 〈aufgehoben werden (kann)〉 möchte?*** [1] 〈verlangt.〉 der »Wille« des »Geistes« [1] 〈von dem her das Gedachte seinen Wesensraum empfängt〉 [1] 〈bereitet〉**** [1] 〈Einbezug〉

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und es überholendea Entwicklung und Systematikb, sondern sie verlangt die Freilassungc des überlieferten Denkens in sein noch aufgespartes Gewesenesd.e Dies durchwaltet anfänglich die Über lieferung, west ihr stets voraus, ohne doch eigens und als das Anfangende gedacht zu sein.fg Zur dritten Frage: Für Hegel hat das Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte der Philosophie den Charakter der Aufhebungh, d. h. des vermittelnden Begreifens im Sinne der absoluten Begründung. Für uns ist der Charakter des Gespräches mit der Geschichte des Denkens nicht mehr die Aufhebung, sondern der Schritt zurückij .k Die Aufhebungl führt in den überhöhend-versammelnden Bezirk der absolut gesetzten Wahrheit im Sinne der vollständig entfalteten Gewißheitm des sich wissenden Wissens.n

a b c d e

f

g

h i j k l m n

[1] 〈noch höhere und es überholende〉 [1] keine Dialektik [1] 〈Freilassung〉 [1] 〈Gewesenes〉 (der An-Fang)* [1] schon Wesendes – als Gewährnis – (ÆAlhÂûeia) ≠ Wahrheit – [1] 〈west ihr stets voraus, ohne doch eigens als das An-fangende gedacht zu sein.〉 (An-Fang: E. [Ereignis])** [2] 〈west ihr stets voraus, ohne doch eigens und als das An-fangende gedacht zu sein.〉 [2] 〈Aufhebung〉 [1] 〈sondern der Schritt zurück〉 71 f. [2] 〈sondern der Schritt zurück〉 Vgl. 71 f.! [1] 〈sondern der Schritt zurück.〉 Hu.Br. [Humanismus-Brief]*** [2] 〈Aufhebung〉 [1] 〈Gewißheit〉 [2] »der Gedanke«

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Der Schritt zurück weist in den bisher übersprungenen Bereich, aus dem her das Wesen der Wahrheita allererst denkwürdig wird.bc Nach dieser knappen Kennzeichnung der Verschiedenheit des Hegelschen Denkens und des unsrigen hinsichtlich der Sache, hinsichtlich der Maßgabe und des Charakters eines Gespräches mit der Geschichte des Denkens versuchen wir, das begonnene Gespräch mit Hegel um ein Geringes deutlicher in Gang zu bringen. Dies besagt: Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück.d Der Titel »Schritt zurück« legt mehrfache Mißdeutungen nahe. »Schritt zurück« meint nicht einen vereinzelten Denkschritt, sondern die Art der Bewegung des Denkens und einen langen Wege. Insofern der Schritt zurück den Charakter unseres Gespräches mit der Geschichte des abendländischen Denkens bestimmt, führt er* das Denken aus dem in der Philosophie bisher Gedachten in gewisser Weise a

h

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d e

[1] 〈»Wesen« der Wahrheit〉 vgl. Schluß d[es] Vortrags: Hegel und die Griechen. 1958** Hd. Akad. d. Wiss. [Heidelberger Akademie der Wissenschaften]*** vgl. Zur Sache des Denkens 1969 S. 77 Anmerkung.**** »Wahrheit« – Wahrnis Gewährnis der Lichtung des Sichverbergens. [1] 〈Der Schritt zurück weist in den bisher〉 vergessenen – im Entzug verbliebenen – noch nicht erfahrenen – sich verbergenden 〈Bereich, aus dem her das »Wesen« der Wahrheit〉 i[m] S[inne] der Gewährnis d[er] Lichtung 〈allererst denkwürdig wird.〉 [2] 〈Der Schritt zurück weist in den bisher übersprungenen〉 besser: noch nicht erfahrenen 〈Bereich, aus dem her das Wesen der Wahrheit allererst denkwürdig wird.〉 [1] 〈Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück.〉 [1] 〈des〉 (entsagenden) 〈Denkens und einen langen Weg〉 der Rückweg in den An-Fang

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heraus. Das Denken tritt vor seiner Sache, dem Seina, zurück und bringt so das Gedachte in ein Gegenüber, darin wir das Ganze dieser Geschichte erblickenb und zwar hinsichtlich dessen, was die Quellec dieses ganzen Denkens ausmacht, indem sie ihm überhaupt den Bezirk seines Aufenthaltes bereitstellt.d * Dies ist im Unterschied zu Hegele nicht ein überkommenes, schon gestelltes Problemf, sondern das durch diese Geschichte des Denkens hindurch überall Ungefragte. Wir benennen es vorläufig und unvermeidlich in der Sprache der Überlieferungg. Wir sprechen von der Differenz zwischen dem Sein und dem Seienden.h Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, von der Differenz als solcher, in das zu-Denkendei.jkl Das ist die Vera

b c d e f g h

i j

k

l

[1] 〈das Denken tritt vor seiner Sache, dem Sein〉 d. h. der Diff[erenz] in ihrer Verbergung [1] Lichtung [1] 〈Quelle〉 [1] E [Ereignis] vgl. S. 48 u[nten] »das Wohin« [1] absol[utes] Denken [2] 〈Problem〉 ! [1] 〈Sprache der Überlieferung〉** als vorstellende – setzende – [2] 〈Wir sprechen von der Differenz〉 und zwar derjenigen 〈zwischen dem Sein und dem Seienden.〉 [1] Differenz a[ls] s[olche] [1] 〈Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, (von der Differenz als solcher, in das zu-Denkende.)〉 Schritt zurück vor dem Ganzen des Seinsgeschickes ist in sich Erwachen aus dem E [Ereignis] in das E. [Ereignis] als – Enteignis aus der Fuge. [1] 〈Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, (von der Differenz als solcher, in das zu-Denkende.)〉 besser: von der Diff[erenz] in das zu Denkende: die Diff[erenz] als solche. Zu ihr gehört die Vergessenheit. Sie*** bleibt entzogen, vorenthalten. Verbergung ist Verb[ergun]g d[er] Lichtung a[ls] s[olcher] d. h. des E [Ereignisses]. [2] 〈Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, (von der Differenz als solcher, in das zu Denkende:)〉 besser: von der Diff[erenz] in das zu Denkende: die Diff[erenz] als solche.

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gessenheit der Differenz. Die hier zu denkende Vergessenheit ist die von der LhÂûh (Verbergung) her gedachte Verhüllung der Differenz als solcher, welche Verhüllung ihrerseits sich anfänglich entzogen hat.a Die Vergessenheit gehört zur Differenz, weil diese jener zugehört.* b Die Vergessenheit befällt nicht erst die Differenz nachträglich zufolge einer Vergeßlichkeit des menschlichen Denkens.c Die Differenz von Seiendem und Sein ist der Bezirk, innerhalb dessend die Metaphysik, das abendländische Denken im Ganzen seines Wesens,** das sein kann, was sie ist.*** Der Schritt zurücke bewegt sich daher aus der Metaphysik in das Wesenf der Metaphysik. Die Bemerkung über Hegels Gebrauch des mehrdeutigen Leitwortes »Sein« läßt erkennen, daß die Rede von Sein und Seiendem sich niemals auf eine Epoche der Lichtungsgeschichteg von »Sein« festlegen läßt. Die Rede vom »Sein« versteht diesen Namen auch nie im Sinne einer Gattung, unter deren leere Allgemeinheit die historisch vorgestellten Lehren vom Seienden als einzelne Fälle gehören. »Sein« spricht je und je geschicklichh und deshalb durchwaltet von Überlieferung.**** Zu ihr a[ls] s[olcher] gehört die Vergessenheit. Sie bleibt entzogen, vorenthalten Verbergung ist Verbergung der Lichtung a[ls] s[olcher] d. h. des E [Ereignisses]. a

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[1] [2] vgl. Was heißt Denken?***** der Entzug. V. u. A. [Vorträge und Aufsätze] 135 ob[en] 140****** [2] inwiefern? [1] Die Rede von der Vergessenheit keine Diffamierung der Philosophie – [2] 〈innerhalb dessen〉 als eines ungedachten [1] 〈Schritt zurück〉 [1] [2] 〈Wesen〉 [2] 〈Lichtungsgeschichte〉 d. h. Seins-Geschick [2] 〈 geschicklich〉

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Der Schritt zurücka aus der Metaphysik in ihr Wesen verlangt nun aber eine Dauer und Ausdauer, deren Maße wir nicht kennen. Nur das eine ist deutlich: Der Schritt bedarf einer Vorbereitungb, die jetzt und hier gewagtc werden muß; dies jedoch angesichtsd des Seienden als solchen im Ganzen, wie es jetzte ist und sich zusehends eindeutiger zu zeigen beginnt. Was jetzt ist, wird durch die Herrschaft des Wesensf der modernen Technik geprägt, welche Herrschaft sich bereits auf allen Gebieten des Lebens durch vielfältig benennbare Züge wie Funktionalisierung, Perfektion, Automatisation, Bürokratisierung, Information darstellt.gh So wie wir die Vorstellung vom Lebendigen Biologie nennen, kann die Darstellung und Ausformung des vom Wesen der Technik durchherrschten Seienden Technologie heißen.i Der Ausdruck darf als Bezeichnung für die Metaphysik des Atomzeitalters dienen. Der Schritt zurück aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik ist, von der Gegenwart her gesehen und aus dem Einblick in siej übernommen, der Schritt aus der Technologie und technologischen Beschreibung und Deutung des Zeitalters in das erst zu denkende Wesen k der modernen Technik.* Mit diesem Hinweis sei die andere naheliegende Mißdeutung des Titels »Schritt zurück« ferngehalten, die Meinung nämlich, der Schritt zurück bestehe in einem histoa b c d e f g h i j k

[1] 〈Schritt zurück〉 [1] 〈Vorbereitung〉 [1] 〈 gewagt〉 – 61 u[nten] (45 u[nten]) [1] 〈angesichts〉 [1] 〈 jetzt〉 [1] 〈Wesens〉 [1] 〈Information〉, Kybernetik 〈darstellt.〉 [2] Kybernetik [1] der Mensch die Industriegesellschaft. Soziologie [1] 〈 Einblick in sie 〉 »Einblick in das was ist« 1949.** [1] 〈Wesen〉 das Eigene

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rischen Rückgang zu den frühesten Denkern der abendländischen Philosophie. Das Wohina freilich, dahin der Schritt zurück uns lenkt, entfaltet und zeigt sich erst durch den Vollzug des Schrittes.b Wir wählten, um durch das Seminar einen Blick in das Ganzec der Hegelschen Metaphysik zu gewinnen, als Notbehelf d eine Erörterung des Stückes, mit dem das I. Buch der »Wissenschaft der Logik«, »Die Lehre vom Sein«, beginnt.* Schon der Titel des Stückes gibt in jedem Wort genug zu denken. Er lautet: »Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?« Hegels Beantwortung der Frage besteht in dem Nachweis, daß der Anfang »spekulativer Natur« ist. Dies sagt: Der Anfang ist weder etwas Unmittelbares noch etwas Vermitteltes. Diese Natur des Anfanges versuchten wir in einem spekulativen Satz zu sagen: »Der Anfang ist das Resultat.« Dies besagt nach der dialektischen Mehrdeutigkeit des »ist« mehrfaches. Einmal dies: Der Anfang ist – das resultare beim Wort genommen – der Rückprall aus der Vollendung der dialektischen Bewegung des sich denkenden Denkens.e Die Vollendung dieser Bewegung, die absolute Idee, ist das geschlossen entfaltete Ganze, die Fülle des Seins. Der Rückprall aus dieser Fülle ergibt die Leere des Seins.fg Mit ihr muß in der Wissenschaft (dem absoluten, sich wissenden Wissen) der Anfang gemacht werden. Anfang und Ende der Bewea b c d e f g

[1] 〈Wohin〉 46. [1] der Rückweg in den An-Fang [1] 〈Ganze〉 [1] 〈als Notbehelf〉 [1] wohin? in die Entäußerung zur einf[achen] Abstraktion [1] »Sein« [1] das unbestimmte Unmittelbare – die Bestimmung als Vermittelung aus ihr wird angefangen.

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gung, dem zuvor diese selber, bleibt überall das Seina. Es west als die in sich kreisende Bewegung von der Fülle in die äu ßerste Entäußerung und von dieser in die sich vollendende Fülle. Die Sache des Denkens ist somit für Hegel das sich denkende Denken als das in sich kreisende Sein.b In der nicht nur berechtigten, sondern notwendigen Umkehrung lautet der spekulative Satz über den Anfang: »Das Resultat ist der Anfang.«c Mit dem Resultat muß, insofern aus ihm der Anfang resultiert, eigentlich angefangen werden.d Dies sagt das Selbe wie die Bemerkung, die Hegel im Stück über den Anfang gegen Schluß beiläufig und in Klammern einfügt (Lass. I, 63): »(und das unbestrittenste Recht hätte Gott, daß mit ihm der Anfang gemacht werde)«.* Gemäß der Titelfrage des Stückes handelt es sich um den »Anfang der Wissenschaft«. Wenn sie mit Gott den Anfang machen muß, ist sie die Wissenschaft von Gott: Theologie. Dieser Name spricht hier in seiner späteren Bedeutung. Darnach ist die Theo-logie die Aussage des vorstellenden Denkens über Gott. Zunächst meint ûeoÂlogow, ûeologiÂa das mythisch-dichtende Sagen von den Göttern ohne Beziehung auf eine Glaubenslehre und eine kirchliche Doktrin. Weshalb ist »die Wissenschaft«e, so lautet seit Fichte der a

b

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[1] 〈»das Sein«〉 »das Sein«: der Gedanke – die absolute Vermittelung des Denkens des Denkens. Vgl. ob[en] S. 38 [1] »das Sein«: – die Wirklichkeit – die Actualitas der Tätigkeit – der reinen – vollendeten Vermittelung. keinen Rest zurücklassenden [1] 〈»Das Resultat »ist« der Anfang.«〉 [1] das Resultat die vollendete d. h. nicht aufhörende sondern in ihre volle Bewegtheit gelangte Vermittelung. [1] 〈»Die Wissenschaft«〉

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Name für die Metaphysik, weshalb ist »die Wissenschaft«a Theologie? Antwort: Weil die Wissenschaft die systematischeb Ent wicklung des Wissens ist, als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft istcd. Der schulmäßige, im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit auftauchende Titel für die Wissenschaft vom Sein, d. h. vom Seienden als solchem im allgemeinen, lautet: Ontosophie oder Ontologie. Nun ist aber die abendländische Metaphysik seit ihrem Beginn bei den Griechen und noch ungebunden an diese Titele zumal Ontologie und Theologie. In der Antrittsvorlesung »Was ist Metaphysik?« (1929)* wird daher die Metaphysik als die Frage nach dem Seienden als solchem und im Ganzenfg bestimmt. Die Ganzheit a b

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[1] 〈»Die Wissenschaft«〉 [1] [2] heißt? vgl. Kant, K. d. r. V. [Kritik der reinen Vernunft]. Die Architektonik d[er] reinen Vernunft: »Ich verstehe aber unter einem Systeme die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee. Diese ist der Vernunftbegriff von der Form eines Ganzen, sofern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl, als die Stelle der Teile untereinander, a priori bestimmt wird.«** [1] 〈als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft »ist«〉 das »ist« des spekulativen Satzes und »die Wirklichkeit«. – [2] 〈als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft ist〉 [1] 〈– und noch ungebunden an diese Titel –〉 [1] kaûoÂloy – besagt für A. [Aristoteles] zugleich: koinoÂtatoy und tiµiv  taton oÍn. 55 67. [2] das kaûoÂloy aber meint bei Arist [Aristoteles] zumal das koinoÂtaton und das tiµiv  taton oÍn. kaû’ oÏloy und eÏn eine ausgezeichnete kataÂfasiw – leÂgein ti kata tinow Was läßt sich kaû’ oÏloy sagen – wenn Seiendes taÁ oÍnta – eËinai – 55, 67

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dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt.ab Für den, der lesen kann, heißt dies: Die Metaphysik ist Onto-Theo-Logie. Wer die Theologie, sowohl diejenige des christlichen Glaubens als auch diejenige der Philosophie, aus gewachsener Herkunft erfahren hat, zieht es heute vor, von Gott im Bereich des Denkens zu schweigen.* Denn der onto-theologische Charakter der Metaphysik ist für das Denken fragwürdigc geworden, nicht auf Grund irgendeines Atheismus, sondern aus der Erfahrung eines Denkens, dem sich in der Onto-Theo-Logie die noch ungedachte Einheit des Wesensd der Metaphysik gezeigt hat. Dieses Wesen der Metaphysik bleibt indes immer noch das Denkwürdigste für das Denken, solange es das Gespräch mit seiner geschickhaften Überlieferung nicht willkürlich und darum unschicklich abbricht.** In der 5. Auflage von »Was ist Metaphysik?« (1949)*** gibt die zugefügte Einleitung den ausdrücklichen Hinweis auf das onto-theologische Wesen der Metaphysike (S. 17 f., 7. Aufl. S. 18 f.).**** Indessen wäre es voreilig zu behaupten, die Metaphysik sei Theologie, weil sie Ontologie sei. Zuvor wird man sagen: Die Metaphysik ist deshalb Theologie, ein Aussagen über Gott, weil der Gott in die Philo-

a

b

c d e

[1] 〈Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt〉 oÍn – eÏn aÆrxh Allheit eÏn – PaÂnta Vor. u. Auf. [Vorträge und Aufsätze]***** [2] 〈Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt〉 oÍn – eÏn aÆrxh [2] 〈 fragwürdig〉 [2] 〈ungedachte Einheit des Wesens〉 [1] vgl. Holzwege 1950. S. 179.******

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sophie kommt. So verschärft sich die Frage nach dem ontotheologischen Charakter der Metaphysik zur Frage: Wie kommt der Gottab in die Philosophie, nicht nur in die neuzeitliche, sondern in die Philosophie als solche? Die Frage läßt sich nur beantworten, wenn sie zuvor als Frage hinreichend entfaltet ist. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? können wir nur dann sachgerecht durchdenken, wenn sich dabei dasjenigec genügend aufgehellt hat, wohin denn der Gott kommen soll – die Philosophie selbst. Solange wir die Geschichte der Philosophie nur historisch absuchen, werden wir überall finden, daß der Gott in sie gekommen ist. Gesetzt aber, daß die Philosophie als Denken das freie, von sich aus vollzogene Sicheinlassen auf das Seiende als solches ist, dann kann der Gott nur insofern in die Philosophie gelangen, als diese von sich aus, ihrem Wesen nach, verlangt und bestimmt, daß und wie der Gott in sie komme. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? fällt darum auf die Frage zurück: Woherd stammt die onto-theologische Wesensverfassung der Metaphysik? Die so gestellte Frage übernehmen, heißt jedoch, den Schritt zurücke vollziehen.* In diesem Schritt bedenken wir jetzt die Wesensherkunft der onto-theologischen Struktur aller Metaphysik. Wir fragen: Wie kommt der Gott und ihm entsprechend die Theologie und mit ihr der onto-theologische Grundzug in die Metaphysik? Wir stellen diese Frage in einem Gespräch mit dem Ganzen der Geschichte der Philosophie.

a b c d e

[1] in welchem Sinne von Gottheit (ûejon)? [2] und nach welchem Sinn v[on] Gottheit (ûejon) [1] 〈dasjenige〉 [1] [2] 〈Woher〉 [1] 〈Schritt zurück〉

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Wir fragen aber zugleich aus dem besonderen Blick auf Hegel. Dies veranlaßt uns, zuvor etwas Seltsames zu bedenken. Hegel denkt das Sein in seiner leersten Leere, also im Allgemeinsten.ab Er denkt das Sein zugleich in seiner vollendet vollkommenen Fülle.c * Gleichwohl nennt er die spekulative Philosophie, d. h. die eigentliche Philosophie, nicht Onto-Theologie, sondern »Wissenschaft der Logik«. Mit dieser Namengebung bringt Hegel etwas Entscheidendes zum Vorschein. Man könnte freilich die Benennung der Metaphysik als »Logik« im Handumdrehen durch den Hinweis darauf erklären, daß doch für Hegel die Sache des Denkens »der Gedanke« sei, das Wort als Singulare tantum verstanden. Der Gedanke, das Denken ist offenkundig und nach altem Brauch das Thema der Logik. Gewiß. Aber ebenso unbestreitbar liegt fest, daß Hegel getreu der Überlieferung die Sache des Denkens im Seienden als solchem und im Ganzen, in der Bewegung des Seins von seiner Leere zu seiner entwickelten Fülle findet. Wie kann jedoch »das Sein« überhaupt darauf verfallen, sich als »der Gedanke« darzustellen? Wie anders denn dadurch, daß das Sein als Grund vorgeprägt istde, das Denken jedoch – dieweilen es mit dem Sein zusammengehört – auf das Sein als Grund sich versammelt in der Weise des Ergründens und Begründens?** Das Sein manifestiert sich als der Gedanke. Dies sagt: Das Sein des Seienden entbirgt sich a b c d

e

[1] 38 und ff. [2] Vgl. ob[en] S. 38 und ff. [1] S. 49 u[nten] [1] 〈daß das Sein als Grund*** vorgeprägt ist〉 vgl. 57 Vgl. 66. [2] 〈daß das Sein als〉 der 〈Grund vorgeprägt ist〉 vgl. Der Satz vom Grund.**** vgl. 57

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als der sich selbst ergründende und begründende Grund. Der Grund, die Ratio sind nach ihrer Wesensherkunft: der LoÂgow im Sinne des versammelnden Vorliegenlassens: das ÊEn PaÂnta. So ist denn für Hegel in Wahrheit »die Wissenschaft«, d. h. die Metaphysik, nicht deshalb »Logik«, weil die Wis senschaft das Denken zum Thema hat, sondern weil die Sache des Denkens das Sein bleibt, dieses jedoch seit der Frühe seiner Entbergung im Gepräge des LoÂgow, des gründenden Grundes das Denken als Begründen in seinen Anspruch nimmt. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches,* d. h. im Allgemeinena. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches, d. h. im Ganzenb.** Die Metaphysik denkt das Sein des Seienden sowohl in der ergründenden Einheit des Allgemeinsten, d. h. des überall Gleich-Gültigen, als auch in der begründenden Einheit der Allheitc, d. h. des Höchsten über allem. So wird das Sein des Seienden als der gründende Grund vorausgedacht. Daher ist alle Metaphysik im Grunde vom Grund aus das Gründen, das vom Grund die Rechenschaft gibt, ihm Rede steht und ihn schließlich zur Rede stellt.de Wozu erwähnen wir dies? Damit wir die abgegriffenen Titel Ontologie, Theologie, Onto-Theologie in ihrem eigentlichen Schwergewicht erfahren. Zunächst allerdings und gewöhnlich nehmen sich die Titel Ontologie und a b

c d

e

[2] koinoÂtaton besser: das Gemeinsamste vgl. S. 69 [1] in seiner Ganzheit, denkt aber nicht die Ganzheit a[ls] s[olche] aus deren Herkunft – die nicht mehr durch »das Sein« bestimmt sein kann [1] 〈Allheit〉*** [1] reor ratio [2] ratio im M. A. [Mittelalter] = rede

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Theologie aus wie andere bekannte auch: Psychologie, Biologie, Kosmologie, Archäologie. Die Endsilbe -logie meint ganz im Ungefähren und im Geläufigen, es handle sich um die Wissenschaft von der Seele, vom Lebendigen, vom Kosmos, von den Altertümern. Aber in der -logie verbirgt sich nicht nur das Logische im Sinne des Folgerichtigen und überhaupt des Aussagemäßigen, das alles Wissen der Wissenschaften gliedert und bewegt, in Sicherheit bringt und mitteilt. Die -Logia ist jeweils das Ganze eines Begründungszusammenhanges, worin die Gegenstände der Wissenschaften im Hinblick auf ihren Grund vorgestellt, d. h. begriffen werden. Die Ontologie aber und die Theologie sind »Logien«, insofern sie das Seiende als solches ergründen und im Ganzen begründen. Sie geben vom Sein als dem Grund des Seienden Rechenschaft. Sie stehen dem LoÂgow Rede und sind in einem wesenhaften Sinne LoÂgow-gemäß, d. h. die Logik des LoÂgow. Demgemäß heißen sie genauer Onto-Logik und Theo-Logik. Die Metaphysik ist sachgemäßer und deutlicher gedacht: Onto-Theo-Logik. Wir verstehen jetzt den Namen »Logik« in dem wesentlichen Sinne, der auch den von Hegel gebrauchten Titel einschließt und ihn so erst erläutert, nämlich als den Namen für dasjenige Denken, das überall das Seiende als solches im Ganzen vom Sein als dem Grund (LoÂgow) her ergründet und begründeta. Der Grundzug der Metaphysik heißt Onto-Theo-Logik. Somit wären wir in den Stand gesetzt zu erklären, wie der Gott in die Philosophie kommt. Inwieweit gelingt eine Erklärung? Insoweit wir beachten: Die Sache des Denkens ist das Seiende als solches, d. h. das Seinb. Dieses zeigt sich in der Wesensart des Grundes. a

b

[1] 〈vom Sein als dem Grund (LoÂgow) her ergründet und begründet〉 vgl. Der Satz v[om] Grund* [1] Sein des Seienden.

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Demgemäß wird die Sache des Denkens, das Sein als der Grunda, nur dann gründlich gedacht, wenn der Grund als der erste Grund, prvÂth aÆrxhÂ, vorgestellt wird. Die ursprüngliche Sache des Denkens stellt sich als die Ur-Sache dar, als die causa prima, die dem begründenden Rückgang auf die ultima ratio, die letzte Rechenschaft, entspricht. Das Sein des Seienden wird im Sinne des Grundes gründlich nur als causa sui vorgestellt. Damit ist der metaphysische Begriff von Gott genannt. Die Metaphysik muß auf den Gott hinaus denken, weil die Sache des Denkens das Sein ist, dieses aber in vielfachen Weisen als Grund: als LoÂgow, als yëpokeiµenon, als Substanz, als Subjekt west. Diese Erklärung streift vermutlich etwas Richtiges, aber sie bleibt für die Erörterung des Wesens der Metaphysik durchaus unzureichend. Denn diese ist nicht nur Theo-Logik sondern auch Onto-Logik. Die Metaphysik ist vordem nicht nur das eine oder das andere auch. Vielmehr ist die Metaphysik Theo-Logik, weil sie Onto-Logik ist.* Sie ist dieses, weil sie jenes ist. Die onto-theo-logische Wesensverfassung der Meta physik kann weder von der Theologik noch von der Ontologik her erklärt werden, falls hier jemals ein Erklären dem genügt, was zu bedenken bleibt. Noch ist nämlich ungedacht, aus welcher Einheit die Ontologik und Theologik zusammengehörenb, ungedacht die Herkunft dieser Einheit, ungedacht der Unterschied des Unterschiedenen, das sie einigt. Denn offenkundig handelt es sich nicht erst um einen Zusammenschluß zweier für sich bestehender Disziplinen der Metaphysik, sondern um die Einheit dessen, was in der Ontologik und a b

[2] 〈Sein als der Grund〉 [1] [2] 〈aus welcher Einheit die Ontologik und Theologik zusammengehören〉

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Theologik befragt und gedacht wird: Das Seiende als solches im Allgemeinen und Ersten in Einem mit dem Seienden als solchem im Höchsten und Letzten.* Die Einheit dieses Einen ist von solcher Art, daß das Letzte auf seine Weise das Erste begründet und das Erste auf seine Weise das Letzte. Die Verschiedenheit der beiden Weisen des Begründens fällt selber in den genannten, noch ungedachten Unterschied. In der Einheit des Seienden als solchen im Allgemeinen und im Höchstena beruht die Wesensverfassung der Metaphysik. Es gilt hier, die Frage nach dem onto-theologischen Wesen der Metaphysik zunächst nur als Frage zu erörtern. In den Ort, den die Frage nach der onto-theologischen Verfassung der Metaphysik erörtert, kann uns nur die Sache selbst weisen, dergestalt, daß wir die Sache des Denkens sachlicher zu denken versuchen. Die Sache des Denkens ist dem abendländischen Denken unter dem Namen »Sein« überliefert.** Denken wir diese Sache um ein geringes sachlicher, achten wir sorgfältiger auf das Strittige in der Sache, dann zeigt sich: Sein heißt stets und überall: Sein des Seienden, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus obiectivus zu denken ist. Seiendesb heißt stets und überall: Seiendes des Seins, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus subiectivus zu denken ist. Wir sprechen allerdings mit Vorbehalten von einem Genitiv in der Richtung auf Objekt und Subjekt; denn diese Titel Subjekt und Objekt sind ihrerseits schon einer Prägung des Seins entsprungen. Klar ist nur, daß es sich beim Sein des Seienden und beim Seienden des Seins jedesmal um eine Differenz handelt. a b

[1] 〈im Allgemeinen und〉 des Seienden 〈im Höchsten〉 [1] vgl. Holzw. [Holzwege] 162***

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Sein denken wir demnach nur dann sachlich, wenn wir es in der Differenz mit dem Seienden denkena und dieses in der Differenz mit dem Sein.* So kommt die Differenz eigens in den Blickb. Versuchen wir sie vorzustellenc , dann finden wir uns sogleich dazu verleitet, die Differenz als eine Relation aufzufassend, die unser Vorstellen zum Sein und zum Seienden hinzugetan hat. Dadurch wird die Differenz zu einer Distinktion, zu einem Gemächte unseres Verstandes herabgesetzt. Doch nehmen wir einmal an, die Differenz sei eine Zutat unseres Vorstellens, dann erhebt sich die Frage: eine Zutat wohinzu? Man antwortet: zum Seienden. Gut. Aber was heißt dies: »das Seiende«?e Was heißt es anderes als: solches, das ist?f So bringen wir denn die vermeintliche Zutat, die Vorstellung von der Differenz, beim Sein unter. Aber »Sein« sagt selber: Sein, das Seiendes istg. Wir treffen dort, wohin wir die Differenz als angebliche Zutat erst mitbringen sollen, immer schon Seiendes und Sein in ihrer Differenz an.** Es ist hier wie im Grimmschen Märchen vom Hasen und Igel: »Ick bünn all hier«. Nun könnte man mit diesem seltsamen Sachverhalt, daß Seiendes und Sein je schon aus der Differenz und in ihrh vorgefunden wera

b c d e

f g h

[1] 〈Sein denken wir demnach nur dann sachlich, wenn wir es in der Differenz mit dem Seienden denken〉*** [1] 〈So kommt die Differenz eigens in den Blick.〉**** [1] [2] 〈vozustellen〉 [1] 〈verleitet, die Differenz als eine Relation aufzufassen〉 [1] 〈Aber was heißt dies: »das Seiende«?〉 und wie das hin – zu … ? [1] »ist« intr[ansitiv] [1] 〈»ist«〉 »ist« tr[ansitiv] 62 [1] Austrag Aus – Einander – tragen aber gerade dies »Lichtend«*****

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

339

[60]

[61]

dena, auf eine massive Weise verfahren und ihn so erklären: Unser vorstellendes Denken ist nun einmal so eingerichtet und beschaffen, daß es gleichsam über seinen Kopf hinweg und diesem Kopf entstammend überall zwischen dem Seienden und dem Sein die Differenz zum voraus anbringtb. Zu dieser anscheinend einleuchtenden, aber auch schnell fertigen Erklärung wäre vieles zu sagen und noch mehr zu fragen, allem voran dieses: Woher kommt das »zwischen«c, in das die Differenzd gleichsam eingeschoben werden soll? Wir lassen Meinungen und Erklärungen fahren, beachten statt dessen folgendes: Überall und jederzeit finden wir das, was Differenz genannt wird, in der Sache des Denkens, im Seienden als solcheme vor, so zweifelsfrei, daß wir diesen Befund gar nicht erst eigens* zur Kenntnis nehmen. Auch zwingtf uns nichts, dies zu tun. Unserem Denken steht es frei, die Differenz unbedacht zu lasseng oder sie eigens als solcheh zu bedenken. Aber diese Freiheit gilt nicht für alle Fälle. Unversehens kann der Fall eintreten, daß sich das Denken in die Frage gerufen findet: Was sagt denn dieses vielgenannte Sein? Zeigt sichi hierbei das Sein sogleich als Sein des …, somit im Genitiv der Differenz, dann lautet die

a

b c d e f g h i

[1] 〈daß Seiendes und Sein je schon aus der Differenz und in ihr vorgefunden werden〉** [1] 〈anbringt〉 [1] 〈das »zwischen«〉 »das Zwischen« [1] 〈Differenz × 〉 Differenten [1] 〈im Seienden als solchem〉 [1] 〈zwingt〉 [2] 〈die Differenz〉 als solche 〈unbedacht zu lassen〉 [1] 〈oder sie eigens als solche〉 d. h. als was? [1] 〈Zeigt sich〉 jedoch

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vorige Frage sachlicher: Was haltet ihr von der Differenz, wenn sowohl das Sein als auch das Seiende je auf ihre Weise aus der Differenz her erscheinen?abcd Um dieser Frage zu genügen, müssen wir uns erst zur Differenz in ein sachgemäßes Gegenübere bringen. Dieses Gegenüberf öffnet sich uns*, wenn wir den Schritt zurück vollziehen. Denn durch die von ihm erbrachte Ent-Fernung gibt sich zuerst das Nahe als solches, kommt Nähe zum ersten Scheinen. Durch den Schritt zurück lassen wir die Sache des Denkens, Seingh als Differenz, in ein Gegenüber frei, welches Gegenüber durchaus gegenstandslos bleiben kann.i Immer noch auf die Differenz blickend und sie doch schon durch den Schritt zurück in das zu-Denkende entlassendj, können wir sagen: Sein des Seienden heißt: Sein,

a

b

c

d

e

f g h i

j

[1] 〈Was haltet ihr von der Differenz, wenn sowohl das Sein als auch das Seiende je auf ihre Weise aus der Differenz her erscheinen?〉** Differenz läßt erscheinen – gibt frei – [1] sie erscheinen nicht, sondern werden durch »Differenz« verdeckt in ihrer »Einheit« aus dem E. [Ereignis] [1] und ihr Zusammengehören – wie erfahren? im E. [Ereignis] ent-sagend gebraucht [1] dazu Wes. d. Grundes [Wesen des Grundes]*** Wesen der »Wahrheit«**** – d. h. »Entbergung« (noch von Dasein her!) [1] gegen uns über – kein Gegen stand wir? in das »Gegen« gehörend. [2] gegen uns über – kein Gegen stand [1] 〈Sein〉 (Sein des Seienden) [2] 〈Sein〉 (Sein des Seienden) [1] inwiefern? in einem Sichsagen lassen – ; kein Vorstellen und Begründen. [1] 〈entlassend〉

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

341

[62]

[63]

welches das Seiende ist.a Das »ist« spricht hier transitiv, übergehendb. Sein west hier in der Weise eines Überganges zum Seienden. Sein geht jedoch nicht, seinen Ort verlassend, zum Seienden hinüber, so als könnte Seiendes, zuvor ohne das Sein, von diesem erst angegangen werden.c Sein geht über (das) hin, kommt entbergend über (das), was durch solche Überkommnisd erst als von sich her Unverborgenes ankommt. Ankunft* heißt: sich bergen in Unverborgenheit: also geborgen anwähren: Seiendes sein.e ** Sein zeigt sich als die entbergende Überkommnis.fg Seiendes als solches erscheint in der Weise der in die Unverborgenheit sich bergenden Ankunft. Sein im Sinne der entbergenden Überkommnis und Seiendes als solches im Sinne der sich bergenden Ankunft wesen als die so Unterschiedenen aus dem Selben, dem Unter-Schied.h Dieser vergibt erst und hält auseinander das Zwischen, worin Überkommnis und Ankunft zueinander gehalten, auseinander-zueinander getrageni sind. Die Differenz von Sein und Seiendem ist als der Unter-Schied von a

b

c d e f

g

h i

[1] nicht im ontisch-ontolog[ischen] Sinne Sein als transcendens schlechthin! Dieser Hinweis möchte nur sagen: Sein – »ist« nichts Seiendes – (Sein »ist« in keiner Weise). [1] 〈»transitiv«, übergehend〉 das Transitive: das Lassen, Freigeben. [1] Seiendes sein  〈was〉 in solcher 〈Überkommnis〉 [1]  [1] Seiendes sein [1] 〈Sein zeigt sich als〉 als die Lichtnis d. h. als lichtende Überkommnis. [1] Über-Kommen: es überkommt mich eine Freude. Angst . leicht – schwebend lichtend – freigeben [1] Hier der Rückfall*** [1] 〈 getragen〉

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Überkommnis und Ankunft der entbergend-bergende Austrag beider.a Im Austrag waltet b Lichtung des sich verhüllend Verschließenden, welches Walten das Aus- und Zueinander von Überkommnis und Ankunft vergibt.* Indem wir versuchen, die Differenz als solchec zu bedenken, bringen wir sie nicht zum Verschwindend, sondern folgen ihr in ihre Wesensherkunfte. Unterwegs zu dieser denken wir den Austrag von Überkommnis und Ankunft.f Es ist die um einen Schritt zurück sachlicher gedachte Sache des Denkens: Sein gedacht aus der Differenz.g Hier bedarf es freilich einer Zwischenbemerkung,** die unser Reden von der Sache des Denkens angeht, eine Bemerkung, die immer neuh unser Aufmerken verlangt. Sagen wir »das Sein«, so gebrauchen wir das Wort in der weitesten und unbestimmtesten Allgemeinheit. Aber schon dann, wenn wir nur von einer Allgemeinheiti sprechen, haa

b

c d e f

g h i

[1] 〈Unter-Schied〉 d. h. als das gelichtete Zwischen für 〈Überkommnis und Ankunft: der entbergend-bergende Austrag beider.〉: + ?*** [1] 〈Im Austrag waltet Lichtung des sich verhüllend Verschließenden, welches Walten das Aus- und Zueinander von Überkommnis und Ankunft vergibt.〉 das Walten v[on] Welt: E. d. G-V [Ereignis des Ge-Vierts] das Walten des Austrags: E [Ereignis] – [1] 〈als solche〉 in der Vergessenheit des Austrags als Lichtung [1] 〈bringen wir sie nicht zum Verschwinden〉**** Preisgabe [1] 〈sondern folgen ihr〉 – wohin? 〈in ihre Wesensherkunft〉 S. 43 [1] 〈Unterwegs zu dieser denken wir den Austrag von Überkommnis und Ankunft.〉***** Ankunft: Angekommenheit. Anwähren in die Angekommenheit. [1] 〈»Sein« gedacht aus der Differenz.〉****** ? [1] 〈immer neu〉 Rede vom »Sein« [1] 〈Allgemeinheit〉*******

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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[64]

ben wir das Sein in einer ungemäßen Weise gedacht. Wir stellen das Sein in einer Weise vor, in der Es, das Sein, sich niemals gibt. Die Art, wie die Sache des Denkens, das Sein, sich verhält, bleibt ein ein zigartigera Sachverhalt. Unsere geläufige Denkart kann ihn zunächst immer nur unzureichend verdeutlichen. Dies sei durch ein Beispiel versucht, wobei im voraus zu beachten ist, daß es für das Wesenb des Seins nirgends im Seienden ein Beispielc gibt, vermutlich deshalb, weil das Wesen des Seins das Spiel selber istd.* Hegel erwähnt einmal zur Kennzeichnung der Allgemeinheit des Allgemeinen folgenden Falle: Jemand möchte in einem Geschäft Obst kaufen. Er verlangt Obst. Man reicht ihm Äpfel, Birnen, reicht ihm Pfirsiche, Kirschen, Trauben. Aber der Käufer weist das Dargereichte zurück. Er möchte um jeden Preis Obst haben. Nun ist aber doch das Dargebotene jedesmal Obst und dennoch stellt sich heraus: Obst gibt es nicht zu kaufen.** Unendlich unmöglicher bleibt es, »das Sein« als das Allgemeine zum jeweilig Seienden vorzustellen. Es gibtf Seing nur je und je in dieser und jener geschicklichen Prägung: FyÂsiw, LoÂgow, ÏEn, ÆIdeÂa, ÆEneÂrgeia, Substanzialität, Objektivität, Subjektivität,h Wille, Wille zur Macht, Wille zum Willen. Aber dies Geschickliche gibt es nicht aufgereiht wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche, aufgereiht auf dem Ladentisch des historischen Vorstellens. a b c d e f g

h

[1] 〈ein zigartiger〉 die Einzigkeit des Seins! [1] 〈das Wesen〉 v[erbal] [?] [1] 〈Beispiel〉 [2] 〈weil das Wesen des Seins das Spiel selber ist〉 [1] Enzykl. [Enzyklopädie] § 13*** [1] 〈Es gibt〉**** E [Ereignis] – als das Es – das »gibt« eignend [1] 〈Sein〉 Anwesenlassen – als Anwesen – Lassen – Lassen: Schicken: Geben: Eignen – [1] 〈Subjektivität,〉 abs[olute] Idee

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Doch hörten wir nicht vom Sein in der geschichtlichen Ordnung und Folge des dialektischen Prozesses, den Hegel denkt? Gewiß. Aber das Sein gibt sich auch hier nur in dem Lichte, das sich für Hegels Denken gelichteta hat. Das will sagen: Wie es, das Sein, sich gibt, bestimmt sich je selbst aus der Weise, wie es sich lichtetb. Diese Weise ist jedoch eine geschickliche, eine je epochale Prägung, die für uns als solche nur west, wenn wir sie in das ihr eigene Gewesen freilassenc. In die Nähe des Geschicklichen gelangen wir nur durch die Jähe des Augenblickes eines Andenkens.d Dies gilt auch für die Erfahrung der jeweiligen Prägung der Differenz von Sein und Seiendem, der eine jeweilige Auslegung des Seienden als solchen entspricht.e Das Gesagte gilt vor allem auch für unseren Versuch, im Schritt zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher an diese als den Austrag von entbergender Überkommnis und sich bergender Ankunft zu denken.f Zwar bekundet sich einem genaueren Hinhören, daß wir in diesem Sagen vom Austrag bereits das Gewesene zum Wort kommen lassen, insofern wir an Entbergen und Bergeng, an Übergang

a b

c d e

f

g

[1] 〈 gelichtet〉 Licht und Lichtung [1] 〈wie es sich lichtet〉 sich frei gibt ÆA-lhÂûeia [1] 〈 freilassen〉 [1] [2] S. u. Z. [Sein und Zeit] S. 385* [1] 〈Dies gilt auch für die Erfahrung der jeweiligen Prägung der Differenz von Sein und Seiendem, der eine jeweilige Auslegung des Seienden als solchen entspricht.〉 Met. [Metaphysik] [?]** [1] 〈Das Gesagte gilt vor allem auch für unseren Versuch, im Schritt zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher / an diese als den Austrag von entbergender Überkommnis und sich bergender Ankunft zu denken.〉*** [2] 〈Bergen〉 (ÆA-lhÂûeia)

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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[65]

[66]

(Transzendenz) und an Ankunft (Anwesen) denken.a * Vielleicht kommt sogar durch diese Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesensbc etwas Durchgängiges zum Vorschein, was das Geschick des Seins vom Anfang bis in seine Vollendung durchgeht. Doch bleibt es schwierig zu sagen, wie diese Durchgängigkeit zu denken sei, wenn sie weder ein Allgemeines ist, das für alle Fälle giltd, noch ein Gesetz, das die Notwendigkeit eines Prozesses im Sinne des Dialektischen sicherstellt. Worauf es jetzt für unser Vorhaben allein ankommt, ist der Einblicke in eine Möglichkeit, die Differenz als Austrag so zu denken, daß deutlicher wird, inwiefern die ontotheologische Verfassung der Metaphysik ihre Wesensherkunft im Austragf hat, der die Geschichte, der Metaphysik beginnt, ihre Epochen durchwaltet, jedoch überall als der Austrag verborgen und so vergesseng bleibt in einer sich selbst** noch entziehenden Vergessenheit.h Um den genannten Einblick zu erleichtern, bedenken wir das Sein und in ihm die Differenzi und in dieser den a

b

c

d e f g h i

[1] ÆA-lhÂûeia doch ist Über-Kommnis nicht die umgekehrt gerichtete »Transzendenz« dafür kein metaphys[ischer] Titel verfügbar weil schon aus (E [Ereignis]) gedacht [1] 〈Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesens〉*** [2] 〈Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesens〉 [1] 〈 gilt〉 [1] 〈Einblick〉**** [1] 〈Austrag〉***** [1] 〈so vergessen〉 [1] Svg [Seinsvergessenheit] [?] [1] zunächst nur als Sein nicht Seiendes

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Austraga von jener Prägung des Seins her, durch die das Sein sich als LoÂgow, als der Grundb gelichtet hat. Das Sein zeigt sich in der entbergenden Überkommnis als das Vorliegenlassen des Ankommendenc, als das Gründen in den mannigfaltigen Weisen des Her- und Vorbringens.de Das Seiende als solches, die sich in die Unverborgenheit bergende Ankunft ist das Gegründete, das als Gegründetes und so als Erwirktesfg auf seine Weise gründet, nämlich wirkt, d. h. verursacht. Der Austrag von Gründendem und Gegründetem als solchem hält beide nicht nur auseinander, er hält sie im Zueinander. Die Auseinandergetragenen sind dergestalt in den Austrag verspannth, daß nicht nur Sein als Grundi das Seiende gründet, sondern das Seiende seinerseits auf seine Weise das Sein gründet, es verursacht. Solches vermag das Seiende nur, insofern es die Fülle des Seins »ist«: als das Seiendste.* Hier gelangt unsere Besinnung in einen erregenden Zusammenhang. Sein west als LoÂgow im Sinne des Grundes,

a b

c

d e

f g h i

[1] 〈Austrag〉 das Zusammengehören beider.** [1] 〈der Grund〉 vgl. französ[isch]: »fonds«: Grund; Länderei – Vermögen. fond: vgl. Desc. [Descartes] Discours. ed. Gilson*** p. 15 Z[eile] 6 baˆtir dans un fonds – baˆtir sur des fondements. p. 14 Z[eile] 3 f. [1] 〈als das Vorliegenlassen des Ankommenden〉 und umgekehrt: das Vorliegenlassen zeigt sich von dem Seienden her gesehen – als Überkommnis über dieses – [1] das Bilden: pilon – her-vor-stoßen – holen [2] des ursprünglich gedachten Bildens Bilden – pilon – hervor stoßen. [1] 〈und so als Erwirktes〉 woher »Wirken«? [2] 〈und so als Erwirktes〉 woher »Wirken«? [1] 〈verspannt〉 [2] 〈Sein als〉 der 〈Grund〉

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[67]

a

b

[1] [2] koinoÂtaton tiµiv  taton [1] 〈Der LoÂgow versammelt, gründend, alles in das Allgemeine V und versammelt: begründend alles aus dem Einzigen.〉 [1] 〈überdies〉 besser: vor all dem [2] 〈überdies〉 besser: vor all dem [1] 〈Sprachwesens〉 Aussage – Satz. kejsûai, ûeÂsiw** [2] 〈die Weise des Sagens als eines logischen〉 V

[68]

des Vorliegenlassens. Derselbe LoÂgow ist als Versammlung das Einende, das ÏEn. Dieses ÏEn jedoch ist zwiefältig: Einmal das Eine Einende im Sinne des überall Ersten und so Allgemeinsten und zugleich das Eine Einende im Sinne des Höchsten (Zeus).a Der LoÂgow versammelt, gründend alles in das Allgemeine und versammelt begründend alles aus dem Einzigen.b Daß derselbe LoÂgow überdiescd die Wesensherkunft der Prägung des Sprachwesense in sich birgt und so die Weise des Sagens als eines logischenf im weiteren Sinne bestimmt, sei nur beiläufig vermerkt. Insofern Sein als Sein des Seienden, als die Differenz, als der Austrag west, währt das Aus- und Zueinander von Gründen und Begründen, gründet Sein das Seiende, begründet das Seiende als das Seiendste das Sein. Eines überkommt das Andere, Eines kommt im Anderen an. Überkommnis und Ankunft erscheinen wechselweise ineinander im Widerschein. Von der Differenz her gesprochen, heißt dies: Der Austrag ist ein Kreisen, das Umeinanderkreisen von Sein und Seiendem.* Das Gründen selber erscheint innerhalb der Lichtung des Austrags als etwas, das ist, was somit selber, als Seiendes, die entsprechende Begründung durch Seiendes, d. h. die Verursachung und zwar die durch die höchste Ursache verlangt.

c d e

f

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Einer der klassischen Belege für diesen Sachverhalt in der Geschichte der Metaphysik findet sich in einem kaum beachteten Text von Leibniz, welchen Text wir kurz »Die 24 Thesen der Metaphysik« nennen (Gerh. Phil. VII, 289 ff.*; vgl. dazu: Der Satz vom Grund, 1957, S. 51 f.**)a Die Metaphysik entspricht dem Sein als loÂgow und ist demgemäß in ihrem Hauptzug überall Logik, aber Logik, die das Sein des Seienden denkt, demgemäß die vom Differenten der Differenz her bestimmte Logik: Onto-Theo-Logik.b Insofern die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen denkt, stellt sie das Seiende aus dem Hinblick auf das Diffe rente der Differenz vor, ohne auf die Differenz alsc Differenz zu achten. Das Differente zeigt sich als das Sein des Seienden im Allgemeinen und als das Sein des Seienden im Höchsten.*** Weil Sein als Grund erscheint, ist das Seiende das Gegründete, das höchste Seiende aber das Begründende im Sinne der ersten Ursache. Denkt die Metaphysik das Seiende im Hinblick auf seinen jedem Seienden als solchem gemeinsamend Grund, dann ist sie Logik als Onto-Logik. Denkt die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen, d. h. im Hinblick auf das höchste, alles begründende Seiende, dann ist sie Logik als Theo-Logik. Weil das Denken der Metaphysik in die als solche ungedachte Differenz eingelassen bleibt, ist die Metaphysik aus

a b

c d

[1] vgl. jetzt Nietzsche II.**** S. [?] [1] nicht Logik als Besinnung auf den loÂgow als Sagen – Sprache – [2] 〈als〉 k[ursiv] [2] 〈 gemeinsamen〉*****

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der einigenden Einheit des Austrags her einheitlich zumala Ontologie und Theologie.* Die onto-theologische Verfassung der Metaphysik entstammt dem Walten der Differenzb, die Sein als Grund und Seiendes als gegründet-begründendes aus- und zueinanderhält, welches Aushalten der Austrag vollbringt.c ** Was so heißt, verweist unser Denken in dend Bereich, den zu sagen die Leitworte der Metaphysik, Sein und Seiendes, Grund – Gegründetes, nicht mehr genügen. Denn was diese Worte nennen, was die von ihnen geleitete Denkweise vorstellt, stammt als das Differente aus der Differenz. Deren Herkunft läßt sich nicht mehr im Gesichtskreis der Metaphysik denken.e *** Der Einblick in die onto-theologische Verfassung der Metaphysik zeigt einen möglichen Weg, die Frage: Wief kommt der Gott in die Philosophie? aus dem Wesen der Metaphysik zu beantworten.**** Der Gott kommt in die Philosophie durch den Austrag, den wir zunächst als den Vorortg des Wesens der Differenz von Sein und Seiendem denken. Die Differenz macht den a b c d e

f

g

[2] 〈einheitlich zumal〉 [1] 〈Walten der Differenz〉 [1] Aus-trag: Vorschein (verbergender) des E. [Ereignisses] [1] 〈den〉 [1] Nicht mehr: fragen nach ihrer Herkunft – dies auf dem Holzweg; sondern: fahrenlassen die Diff[erenz] und Transz[endenz]***** sich einlassen auf die »Identität« v[on] S. [Sein] und Sd. [Seiendem] d. h. aber: Identität verwinden in das E. [Ereignis] als Befugnis des Ge-Vierts das Ding – [1] 〈Wie〉 »Wie?« d. h. 1. auf welche Weise? 2. in welcher Gestalt? [2] 〈zunächst als den Vorort〉

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Grundriß im Bau des Wesens der Metaphysik aus. Der Austrag ergibt und vergibt das Sein als her-vor-bringenden Grund, welcher Grund selbst aus dem von ihm Begründeten her der ihm gemäßen Begründung, d. h. der Verursachung durch die ursprünglichste Sache bedarf. Dies ist die Ursachea als die Causa sui. So lautet der sachgerechte Name für den Gott in der Philosophie. Zu diesem Gott kann der Mensch weder beten, noch kann er ihm opfern. Vor der Causa sui kann der Mensch weder aus Scheu ins Knie fallen, noch kann er vor diesem Gott musizieren und tanzen. Demgemäß ist das gott-lose Denken, das den Gott der Philosophie, den Gott als Causa sui preisgeben muß bc , dem göttlichen Gott vielleicht näher. Dies sagt hier nur: Es ist freierd für ihn, als es die Onto-Theo-Logik wahrhaben möchte. Durch diese Bemerkung mag ein geringes Licht auf den Wege fallen, zu dem ein Denken unterwegs ist, das den Schritt zurückf vollzieht, zurück aus der Metaphysik in das Weseng der Metaphysik, zurück aus der Vergessenheith der a b

c d e f g

h

[1] 〈Ur sache〉 [1] in dem Schritt zurück aus der Metaphysik in ihr Wesen  unzureichend! [2] im Schritt zurück aus der Metaphysik in ihr Wesen –* [1] 〈 freier〉 d. h. weiter und breiter[?]** [1] 〈Weg〉?  Aufenthalt [1] 〈Schritt zurück〉 [1] 〈Wesen〉 statt »Wesen« (v[erbal]) währen (gewährend) sage: Eignen Eignis die etwas zu ihm selber bringt (kommen läßt), so daß es als es selbst erscheinen kann. Eignung (trans[itiv]) als Er-eignen. [1] 〈Vergessenheit〉

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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[71]

[72]

Differenz als solcher in das Geschicka der sich entziehenden Verbergung des Austragsb.* Niemand kann wissen, ob und wann und wo und wie dieser Schritt des Denkens zu einem eigentlichen (im Ereignis gebrauchten)c Weg und Gang und Wegebau sich entfaltet. Es könnte sein, daß die Herrschaft der Metaphysik sich eher verfestigt, nämlich** in der Gestaltd der modernen Technik und deren unabsehbaren rasenden Entwicklungen. Es könnte auch sein, daß alles, was sich auf dem Weg des Schrittes zurück ergibt, von der fortbestehenden Metaphysik auf ihre Weise als Ergebnis eines vorstellenden Denkens nur genützt und verarbeitete wird.f So bliebe der Schritt zurück selbst unvollzogeng und der Weg, den er öffnet und weist, unbegangen.*** Solche Überlegungen drängen sich leicht auf, aber sie haben kein Gewicht im Verhältnis zu einer ganz anderen Schwierigkeit, durch die der Schritt zurück hindurch muß.h Das Schwierige liegt in der Sprachei. Unsere abendländischen Sprachen sind in je verschiedener Weise Sprachen a b c d e

f

g h

i

[1] 〈Geschick〉 Ge-Schick als eine Jähe des E. [Ereignisses] [1] 〈der sich entziehenden Verbergung des Austrags〉 [1] 〈(im Ereignis gebrauchten)〉 [1] 〈Gestalt〉 d. h. hier Wesen: d. h. im Ge-Stell [2] 〈verarbeitet〉 und dadurch auf die verfänglichste Weise mißachtet und preisgegeben [1] 〈Es könnte auch sein, daß alles, was sich auf dem Weg des Schrittes zurück ergibt, von der fortbestehenden Metaphysik auf ihre Weise als Ergebnis eines vorstellenden Denkens nur genützt und verarbeitet wird.〉**** [1] 〈So bliebe der Schritt zurück selbst unvollzogen〉 [1] 〈 ganz anderen Schwierigkeit, durch die der Schritt zurück hindurch muß〉.***** [1] [2] 〈Sprache〉

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des metaphysischen Denkensa. Ob das Wesen der abendländischen Sprachen in sich nur metaphysisch und darum endgültig durch die Onto-Theo-Logik geprägt ist, oder ob diese Sprachen andere Möglichkeiten des Sagens, d. h. zugleich des sagenden Nichtsagens,* gewähren, muß offen bleiben.b Oft genug hat sich uns während der Seminarübungen das Schwierige gezeigt, dem das denkende Sagen ausgesetzt bleibt. Das kleine Wort »ist«, das überall in unserer Sprache spricht und vomc Sein sagt, auch dort, wo es nicht eigens hervortritt, enthält – vom eÍstin gaÁr eiËnai des Parmenides an bis zum »ist« des spekulativen Satzes bei Hegel und bis zur Auflösung des »ist« in eine Setzung des Willens zur Macht bei Nietzsche – das ganze Geschick des Seinsd. Der Blick in dieses Schwierige, das aus der Sprachee kommt, sollte uns davor behüten, die Sprache des jetzt versuchten Denkens vorschnell in eine Terminologie umzumünzen und morgen schon vom Austrag zu reden, statt alle Anstrengung dem Durchdenken des Gesagten zu widmen. Denn das Gesagte wurde in einem Seminar gesagt. Ein Seminar ist, was das Wort andeutet, ein Ort und eine Gelegenheit, hier und dort einen Samen, ein Samenkorn des Nachdenkens auszustreuen,f das irgendwann einmal auf seine Weise aufgehen mag und fruchten.

a b c d

e f

[1] 〈Sprachen des metaphysischen Denkens〉 [1] vgl. Unterwegs zur Sprache – S. 267 f.** [2] 〈(vom)〉 [1] 〈Nietzsche〉 und bis in die Formalisierung der Sprache im logisch[en] Positivismus 〈– das ganze Geschick des Seins〉 [2] 〈aus der Sprache〉 [1] Holzw. [Holzwege], 194***

ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG

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[73]

HINWEISE*

[75]

[76]

Zum Versuch, das Ding zu denken, vgl. Vorträge und Aufsätze, Neske, Pfullingen 1954, S. 163 – 181. Der Vortrag »Das Ding« wurde zum erstenmal innerhalb einer Vortragsreihe »Einblick in das, was ist« im Dezember 1949 zu Bremen und im Frühjahr 1950 auf Bühlerhöhe gehalten.a Zur Auslegung des Satzes des Parmenides vgl. a. a. O. S. 231 bis 256. Zum Wesen der modernen Technik und der neuzeitlichen Wissenschaft vgl. a. a. O. S. 13 – 70. Zur Bestimmung des Seins als Grund vgl. a. a. O. S. 207–229 und Der Satz vom Grund, Neske, Pfullingen, 1957. Zur Erörterung der Differenz vgl. Was heißt denken?, Niemeyer, Tübingen 1954 und Zur Seinsfrage, Klostermann, Frankfurt a. M. 1956. Zur Auslegung der Metaphysik Hegels vgl. Holzwege, Klostermann, Frankfurt a. M. 1950, S. 105– 192.b Erst im Zurückdenken aus der vorliegenden Schrift und den hier angeführten Veröffentlichungen wird der Brief über den Humanismus (1947), der überall nur andeutend spricht, ein möglicher Anstoß zu einer Auseinandersetzung der Sache des Denkens.

a b

[1] vgl. V. u. A. [Vorträge und Aufsätze] S. 284 [2] vgl. jetzt Hegel und die Griechen. Gadamer-Festschrift.

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HEIDEGGERS ANHANG ZU »IDENTITÄT UND DIFFERENZ«

[Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat auf dem Nachsatz seines Handexemplars 1 unter dem Titel »Anhang« Notizen eingetragen, die hier wiedergegeben werden. Abkürzungen Heideggers wurden aufgelöst und ausgeschrieben (in eckigen Klammern). Seine Verweisungszeichen werden hier als Fußnoten wiedergegeben.] Anhang Im Vorwort [S.] 9 f. auf den Zusammenhang von Identität d. h. E. [Ereignis] und Ding – d. h. Geviert – gewiesen. nicht absetzen nicht springen 33 u[nten]! sondern: aus dem vergess[en]d[en] Vorstellen in das Ent sagen ent wachen dem Wink der wechselweisen Übereignung folgen. ? brauchenden zwiefältig bedürfen et[was] [?]* in

HEIDEGGERS ANHANG

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Das Unzureichende der noch metaphysischen Verhaftung im »Sprung«1 und »Absprung«* (24. 28. 33 und 34. 45) überspringen. »Einkehr« als Entwachen – in die Lichtung dieses verlangt keinen Sprung.** entwachen*** aus dem Vorstellen und Rechnen in das Entsagen, das die Vierfalt des E. [Ereignisses] sagt.2 Dem Wink der wechselweisen Eignung von Sein und Mensch**** folgen – aber im Ge-Viert.

1

2

356

»Sprung« unverträg[lich] mit Ent-sagen – (»Satz«) Die anfängliche Gestalt des Rechnens mit … und des Begründens. »etwas als etwas«

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HEIDEGGERS NOTIZEN ZU »IDENTITÄT UND DIFFERENZ«

[Anm. d. Hrsg.: In Heideggers Handexemplar 1 fanden sich thematisch in Bündel geordnete Beilageblätter und Einzelblätter mit Notizen und Exzerpten zu Identität und Differenz. Diese werden hier unter Berücksichtigung ihrer graphischen Anordnung veröffentlicht. Hinweise und Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern.]

HEIDEGGERS N OT I Z E N

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Beilageblatt zu Heideggers »Vorwort«

argumentieren (argumentieren anzeigen – nachweisen überzeugen eÆleÂgxv – ) (eÆnargeÂw) arguo =

(vgl. Vortrag 1964 Gad. [Gadamer] Seminar* leuchten lassen, aufhellen. (entbergen)

Meillet. Dict. e´tym. 3 1951, p. 81 f.** (also das Argumentieren noch innerhalb des aÆlhÂûeyÂein) argutus – klar argumentum Cic. Top. 8 ar[gumentum] esse … rationem, quae rei dubiae faciat fidem*** Glauben – Zustimmung, Vertrauen verschaffen einer zweifelhaften Sache

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IDEN T ITÄT U N D D IF F E R E N Z ( E R W . FA S S U N G )

Beilageblätter zu »Der Satz der Identität«

Bündel 1 [Umschlag] Das »eigentlich« Un-zureichende des Vortrages: »Der Satz der Identität« Die Be-wegung des Satzes als Aussage der Identität zum Er-eignen des Ent-wachens.

schon der Hinblick auf »Identität« bringt alles ins notwendig Schiefe.

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[Blatt 1] Grund und Ereignis Im Ab-Grund – wo kein Gründen mehr und doch nicht nichts

das Ereignen Er-eignen und Ge-Viert Er-eignen und der »Austrag« der Gegenden  Erbringen Grund-Sätze Setzungen d[es] Grundes Positionen Sein d[es] Grundes Grund – als »tragend« – unterliegend – worauf etwas »steht« das Stehen auf .. Sub -stanz das Stehen – gegen – durch ein Stellen Stehen – als Getragen Stehen auf Stehen als Gestellt vor-gestellt und zw[ar] nie zu »An-wesen«

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IDEN T ITÄT U N D D IF F E R E N Z ( E R W . FA S S U N G )

[Blatt 2] Vgl. die kritischen Bemerkungen zu »Der Satz der Identität.« Satz und Sprung – hier ungemäß. nicht springen – sondern Erwachen in das E. [Ereignis] – Daher statt »Grundsätze d[es] Denkens« Prinzipien d[es] Denkens Prinzip: aÆrxh – Anfang und An-fang. Den ganzen Text entsprechend um-arbeiten.

* Der An-Fang des Denkens. Das Geheiß –

HEIDEGGERS N OT I Z E N

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[Blatt 3] Die Anlage des Vortrags von Satz als Aussage zum Satz als Sprung* ungemäß

[Blatt 4] Identität aus dem Ereignis vgl. Der Satz d[er] I[dentität] S. 31** Identität:

1.) bekannt durch den »Satz der Identität« »Logik« 2.): Fichte – Schelling – Hegel – – Onto-log[ie] – O[nto] – – Theo[logie] Woher hier bestimmt? Sein als ÏEn! Ich als Identität von S[ubjekt] und O[bjekt] das Absolute und das absol[ute] Wissen. 3.) toÁ gaÁr ayÆto – Parm[enides] Zu-sammen-gehören – und eÏn Ein-heit 3a.) das verwandelte ayÆto kau’ ayÆto tayÆto toÂpow toÁ ayÆto 4. E. [Ereignis] selbst – die Topo logie in ihrer Sage

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[Blatt 5] Fichte Das Entgegensetzen: des Nicht-Ich (ist) Urhandlung, nicht aus dem Setzen abzuleiten. (vielmehr das Setzen aus dem Entgegensetzen isoliert?) Das Entgegenstehenlassen gewährt erst Gegenständlichkeit und damit Möglichkeit der Affektion. »Affektion« »in Wahrheit« bereits eine Tätigkeit des Ich Gegenstände sind Produktion des Ich. Wo der Halt dieses Wissens aus Sichwissen? 3. Buch v[on] Die Bestimmung des Menschen* »Der Grundcharakter des Wissens: aufleuchtende Evidenz zu sein« »Licht« W. Schulz 21.** Einleitung zur Briefveröffentlichung Fichte – Schelling »absolutes Wissen« ist nicht »das Absolute« (dieses ist nur es selbst) zwischen beiden ein dialekt[isches] Verhältnis.

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[Blatt 6] Weder Sprung× noch Einkehr S. 24 »Satz« /  weil schon von E [Ereignis] in E. [Ereignis] »eingelassen« / aber wie? Einheimisch werden in der schon (bewohnten) Heimat  noch nicht eigens bewohnt sondern? ×

vgl. Text S. 24, 28*

[Blatt 7] toÁ gaÁr ayÆto …

erste Kunde des Seinsgeschickes »Sein« an das »Denken« geschickt ––– insgleichen die »Differenz« auch seinsgeschichtlich und darum Preisgabe keine Herkunft zu erdenken

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[Blatt 8] »Identität« als E. [Ereignis] kein »Satz« – aber »Sage«? Sage und Satz keine Einkehr aber Entwachen. (Erheiterung) Lichtung.

[Blatt 9] Die »Identität« als E. [Ereignis] duldet keinen Satz als das ihr gemäße Sagen – welches Sagen selbst zu ihr (zum E [Ereignis]) gehört.

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Bündel 2 [Umschlag] Zum Vortrag (1957) Der Satz der Identität

[Blatt 1] Zu »Der Satz der Identität« 1. Die Rede von der »Konstellation von Sein und Mensch« unzureichend, wenn Sein und M[ensch] je für sich genommen und dann (man weiß nicht in welchem Bereich) zusammengestellt werden. besser: »das Zusammengehören« 2. Der Versuch, das Ge-Stell erfahren zu lassen S. 27 ff.* unterscheidet nicht zwischen dem gewohnten Vorstellen und dem ent-sagenden Hören – deutlich genug. zu unmittelbar und zu vor greifend – siehe S. 70 Fußnote.** Die Metaphysik ist erst überwunden – d. h. ganz ihr selber überlassen, so daß sie im Denken nicht mehr mitsprechen kann, wenn »Transzendenz und Differenz« verwunden sind (Vorläufiges I 35***) – und damit jeder mögliche Ansatz für Onto-Theo-Logik.

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[Blatt 2] Zum Identitätsvortrag Auch dieser noch nicht frei aus dem E. [Ereignis] gesagt, obzwar das zu Sagende und die Weise des Erfahrens erkannt sind. vgl. S. 24. 25. 30*

[Blatt 3] Identitätsvortrag. (vgl. Vortragsreihe S[ommer] S[emester] 1957 Grundsätze d[es] Denkens.) Siehe Abschrift** Zusammen gehören  Zusammen gehören von Sein und Mensch[en]wesen  dies als Ge-Stell  darin – im versammelnden Stellen – das Eignen als sich entziehend  Vorschein für die ereignende Enteignis  E. [Ereignis] und Eigentum. (das un-endl[iche] V[er]-H[ältnis])

Identität:

V

Eignen und Reichen: der Brauch Eignen und Fügung der Fuge; die Be-Fugnis Sprache – als Sage des Eigentums.

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[Blatt 4] Zu Id[entitäts-]Vortrag siehe Anhang z[um] Text* Wie alle öffentlichen Darstellungen nimmt auch er die Rücksicht auf das geläufige metaphysische Vorstellen. Das versuchte Denken bleibt im Übergang von der Metaphysik her in das Entsagen bestimmt. So kommt es nicht zur Wagnis aus der Jähe – d. h. zum Erwachen aus der Vergessenheit als dem Entwachen in das E. [Ereignis] des Ge-V[ierts]. Indes schließt Jähe die Rücksicht in die Überlieferung nicht aus – aber die Beziehung zu dieser bleibt ab-gründig. Im Id[entitäts-]Vortrag zeigt sich das Denken im Übergang schon durch das Thema (Ansatz beim »Satz d[er] Id[entität]« und demzufolge in der Rede von »Einkehr« (aus der Met[aphysik]) in das E. [Ereignis]. Absprung von der Met[aphysik] in den Ab-Grund (Schwingen des E. [Ereignisses]) [Blatt 5] Zu Ident[itäts-]Vortrag Wenngleich noch im Übergang denkend, ist die leitende Einsicht: – Identität nicht im Charakter des Seins, sondern: Wesen v[on] Sein im Geschick der Id[entität] qua Ereignis – keine bloße Umkehr der Art: Identität nicht eine Bestimmung des Seins sondern** Sein eine Bestimmtheit der Identität Es gibt hier keinen Anhalt für Umkehrungen, die das Beständige des Umgekehrten voraussetzen – während gerade alles sich wandelt. 368

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[Blatt 6] Der Satz der Identität* Die Verlegenheit – im »Schritt zurück« – zweideutig und mißverständlich zu sprechen. Das »Zu-einander-gehören von Mensch und Sein« schief gesagt: 1. Sein nicht gegen über sondern E. [Ereignis], das als Brauch[?]** den Menschen als den Wohnenden in die Be-Fugnis verwendet 2. Nicht nur der M[ensch] als Gebrauchter er-eignet – sondern er als ins Ge-Viert gehörend  Dies die eigentliche Verborgenheit des metaphys[ischen] Denkens. Demgemäß auch der Ansatz von »Denken und Sein« sogar: Sein und Zeit? Oder doch anders! mit Z[eit] – der fragende Vorblick in d[as] E [Ereignis].

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[Blatt 7] Zu »Der Satz der Identität« Durch und durch aus übergehendem Schritt zurück und daher zweideutig und eigentlich mißdeutig gesagt – S. 24! Kein »Satz« im Sinne des Sichabsetzens, – des Absprunges eher noch – wenn schon »Satz« – »Setzen« aus E. [Ereignis] in diesem – Dies übereignende Versetzen in das Entwachen. noch mehr: das vereignende Ent-setzen, aus der Vergessenheit heraus-legen, in die Be-Fugnis.*

[Blatt 8] [Anm. d. Hrsg.: Beilageblatt in Maschinenschrift.] Identität / Vortrag Vgl. Text S. 29** daß es das bloße Walten des Ge-Stells in eine anfänglichere aus dem Ereignis her bestimmte Verwindung bringt. So öffnet sich die Möglichkeit einer Verwindung aus dem Ereignis, die niemals vom Menschen selbst her gemacht werden kann, aber eine Zurücknahme ist der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches, durch den der Mensch eigentlicher in das Er-eignis reicht.

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Beilageblätter zu »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik«

Bündel 3

[Umschlag] Hgl. [Hegel]

Hdgg. [Heidegger]

vgl. Beginn und Anfang

Sich sagen lassen.

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[Blatt 1] Hgl [Hegel]



Hdg [Heidegger] der Gedanke

die Sache der Austrag die Maßgabe

Einbezug

d[es] Gesprächs.

Freilassen

der Charakter

Aufhebung

d[es] G[esprächs]

Schritt zurück das Einfache der Vermittlung (Gedachtheit)

die Sachheit der Sache

Strittige –– Bedrängnis das Ratsal d[er] Fuge d[es] V-H. [Ver-Hältnisses]

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[Blatt 2] Hgl [Hegel]

Hdg [Heidegger]

1. Die Vollendung d[er] Philosophie 2. Die Geschichte zu 1) a) Wie vollendet sich die Philos[ophie] in Hegels System? nicht anders als im Sinne Hegels – spekulativ. als der Gedanke – des Denkens – Sache d[er] Philos[ophie] Sein als Denken. Vollendung in d[as] Ende. b) Vollendung i[m] S[inne] der Seinsvergessenheit Nietzsche – Zeitalter d[er] Technik. (das Ge-stell) dessen Doppelgesicht. Vollendung in d[en] An-fang. An-fang des Denkens als Ent-sagen! Der verschiedene Sinn von »Vollenden« 1. Aus-schließen 2. An-fangen zu 2) a. Geschichte – als Geschehen i[m] S[inne] d[es] Pro-zesses Fortschreiten des dialekt[ischen] Denkens b. Geschick – als Ereignis – Anfang.

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[Blatt 3] mehrdeutig Schritt zurück vgl. Gespräch Einkehr E [Ereignis] in den An-fang

[Blatt 4] Der Schritt zurück vgl. Hu. Br. [Humanismus-Brief] ! 29 u. a.* von woher

zurück

wohin

zurück

der Schritt – des Denkens durch den es sich selber wandelt.

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[Blatt 5] Aus dem Kreis heraus

Schritt zurück

 d. h. aus der Subjektität S.[ubjekt] – O.[bjekt] – inwiefern diese in d[er] Vergess[enheit] d[es] U[nterschiedes] gehört – aus ihr herkommt. d. h. aus d[er] Verg[essenheit] d[es] U[nterschiedes] S.[ubjekt] – O.[bjekt] – »Gewißheit« – »Wahrheit« d[es] Seienden! »Sein als Grund« – »Träger«

Begründen – Begreifen – Denken und Sein

to gaÁr ayÆtoÂ

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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS IN SEINEM HANDEXEMPLAR 1 VON »IDENTITÄT UND DIFFERENZ« [Anm. d. Hrsg.: Das Stichwortverzeichnis befindet sich auf dem hinteren Nachsatzblatt. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Paginierung von Heideggers Handexemplar der Erstausgabe (in vorliegender Ausgabe in eckigen Klammern an den Seitenrändern des Haupttextes).] »Allheit« 55 Ereignis und Sprache Bereich

30. (24 f.) 32 (24 f.) LoÂgow und Sprache 67. Eignen, E. [Ereignis] 28. 32. Sprache und Metaphys[ik] 72. Enteignis 33 Vergessenheit – Svg. [Seinsvergessenheit] 66 (33) 45/46 ¦ »Schritt zurück« 46 f. 65 48. (nicht histor[isch]) 53. 61. 71. 72 (vgl. Hu.br. [Humanismusbrief] 29. 37. 47.) »Technik« 26 f.  Ge-Stell – 28 f. 32 ff. »das Transzendentale« 38

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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS IN SEINEM HANDEXEMPLAR 2 VON »IDENTITÄT UND DIFFERENZ« [Anm. d. Hrsg.: Das Stichwortverzeichnis befindet sich auf den beiden Nachsatzblättern. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Paginierung von Heideggers Handexemplar der Erstausgabe (in vorliegender Ausgabe in eckigen Klammern an den Seitenrändern des Haupttextes).]

Einfahrt 24 f. ? Enteignen 33 Einkehr – 24.

34. vgl. Sprung.

Sprache S. 30. 32. Vergessenheit 47. 65 und Diff[erenz] Sprung? 24. 28. 32. 33. 34 Schwingen 30. 32. Schweben Unter-Schied 62

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Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) Die hier präsentierte Textversion von Identität und Differenz ist identisch mit dem von Heidegger handschriftlich erweiterten Text der Erstausgabe: Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. In seinem Vorwort vom 9. September 1957 (Erstausgabe S. 9–10, in vorliegender Ausgabe S. 289– 290) charakterisiert Heidegger die Entstehungsumstände und die philosophische Bedeutung der beiden Texte, die er unter dem Titel Identität und Differenz vereint hat. Später hat Heidegger denselben Titel für Band 11 der Gesamtausgabe gewählt, der außer der beiden ursprünglichen Texte »Der Satz der Identität« und »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« noch weitere Texte enthält, vgl. Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006. Den Vortrag »Der Satz der Identität« hielt Heidegger am 27. Juni 1957 anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Universität Freiburg in der Freiburger Stadthalle. Der Vortrag wurde zuerst veröffentlicht in: Gerd Tellenbach und Hans Detlef Rösiger (Hrsg.), Die Albert-LudwigsUniversität 1457 – 1957, Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, Band 1, Freiburg i. Br., Schulz, 1957, S. 69 – 79. »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« ist eine überarbeitete Erörterung zum Abschluss von Heideg-

378

EDITORISCHE NOTIZ

gers Seminar über Hegel vom Wintersemester 1956/57. Siehe dazu: Martin Heidegger, Seminare Hegel – Schelling, hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 86), 1994, S. 475 – 485, 498– 512 und 827– 886. Den Vortrag »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« hielt Heidegger vor seinen Studenten am 24. Februar 1957 in Todtnauberg. Von Identität und Differenz gibt es zwei Handexemplare mit zahlreichen Annotationen Martin Heideggers. Beide Handexemplare enthalten auf den Nachsatzblättern ein Stichwortverzeichnis mit Seitenverweisen. Handexemplar 1 enthält außerdem unter dem Titel »Anhang« Notizen mit Seitenverweisen. Hinzu kommen in Handexemplar 1 in drei Bündeln geordnete und mit Titeln versehene Beilageblätter sowie ungeordnete Einzelblätter und ein Brief von Heideggers Übersetzer Andre´ Pre´au vom 28. März 1967 sowie ein Brief seiner Übersetzerin Joan Stambaugh vom 27. März 1968. Auch ein unvollständiger Besprechungsbeleg von Richard Wisser, »Probleme der philosophischen Anthropologie, insbesondere der Kulturanthropologie« aus Die Welt der Bücher, Heft 6, 1961, S. 287– 288 ist beigelegt. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe: Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 6 Seiten. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und Seitenverweise, die Heidegger in seinen beiden persönlichen Handexemplaren der Erstaus-

EDITORISCHE NOTIZ

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gabe vermerkt hat. Die Angabe [1] verweist auf Handexemplar 1; die Angabe [2] verweist auf Handexemplar 2. Die Textvarianten sind jeweils unten auf der Seite des Haupttextes wiedergegeben. Ausnahmen bilden Sonderzeichen wie besondere Hervorhebungen oder Zeichen zur Markierung von Querverweisen, die editorischer Kommentare im Anmerkungsteil bedürfen. Diese sind jeweils mit Sternchenmarkierungen versehen. Alle eindeutigen Korrekturen, die Heidegger in seinen beiden Handexemplaren notiert hat, wurden übernommen und im Anhang kommentiert. Unterstreichungen Heideggers in seinen Handexemplaren wurden kursiv wiedergegeben; Doppeltunterstreichungen wurden kursiv mit einfacher Unterstreichung wiedergegeben. Zur Veranschaulichung der Komplexität von Heideggers Annotationen wird ein Faksimile aus Handexemplar 1 von Identität und Differenz (HE [1], S. 24 – 25) zum Herunterladen (als Download, siehe S. 4) zur Verfügung gestellt. Auf der Seite des Impressums (S. 8) von Handexemplar 1 der Erstausgabe hat Heidegger das Erscheinungsdatum »1957« unterstrichen und handschriftlich notiert: »1927 S. u. Z.« [1927 Sein und Zeit]. Heideggers Stichwortverzeichnisse beider Handexemplare sind in dieser Ausgabe erstmals aufgenommen. Ebenfalls aufgenommen wurden ein von Heidegger in Handexemplar 1 handschriftlich eingetragener »Anhang« und mehrere in Handexemplar 1 eingelegte Beilageblätter mit Notizen. Die beiden oben erwähnten Briefe an Heidegger, die er ebenfalls eingelegt hatte, werden in ihren jeweiligen Bezügen zu Heideggers Text im Anmerkungsteil (S. 459 – 461, Anm. * zu S. 348) zitiert. Textergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. 380

EDITORISCHE NOTIZ

Heideggers Schreibweisen von Wörtern wie an-wesen, Unter-Schied, Er-eignis und Ge-Stell wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die typischen Heidegger-Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.

EDITORISCHE NOTIZ

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ANHANG

EDITORISCHE ANMERKUNGEN Editorische Anmerkungen zu »Gelassenheit« S. 11 * Ein Auszug aus dem »Feldweg« wurde 1949 veröffentlicht in: Conradin-Kreutzer-Stadt Meßkirch, Meßkirch, o. J. [1949], S. 1 – 2. Der vollständige Text erschien in 400 Exemplaren 1949 als Privatdruck im Verlag Vittorio Klostermann in Frankfurt a. M. und wurde 1953 im gleichen Verlag erneut veröffentlicht: Martin Heidegger, Der Feldweg, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1953, 112006. In der HeideggerGesamtausgabe (HGA): Martin Heidegger, »Der Feldweg (1949)«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens 1910–1976, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 13), 1983, 2., durchgesehene Auflage 2002, S. 87 – 90, siehe dort auch weitere Informationen S. 247. Eine bebilderte Sonderausgabe erschien im gleichen Verlag: Martin Heidegger, Der Feldweg, bebilderte Sonderausgabe, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1989, 42010. S. 15 * Im Bd. 81 Gedachtes der Heidegger-Gesamtausgabe, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M.,

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Vittorio Klostermann (HGA 81), 2007, finden sich zahlreiche Texte Heideggers zum Thema »Gelassenheit«. In einigen dieser poetischen Texte erläutert er in der Form des Spruchgedichts das Moment des Wartens nach seinem Verständnis der Gelassenheit. Dabei variiert er in verschiedenen Versionen einzelne Wörter oder Verszeilen der Gedichte: Gelassenheit Erst im Warten werden wir uns selbst zu eigen, hüten Menschen, Dingen Rückkehr ins Beruhen. Gleich dem zarten Singen alter Meistergeigen die den Klang empfingen, in verborgnen Truhen. [HGA 81, S. 75] —— Erst im Warten werden wir uns selbst zu eigen, gewähren allem Ding die Rückkehr ins Beruhen. Gleich dem zarten Klange alter Meistergeigen, der ungehört verging den Instrumenten in verborgnen Truhen. [HGA 81, S. 214] Weitere Texte zum Thema »Gelassenheit« siehe z. B. HGA 81, a. a. O., S. 81, 140 – 144, 147, 150, 319; vgl.

386

ANHANG

auch Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942–1948), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 97), 2015, S. 52, 67, 71–74, 78, 86 –89, 119, 132, 183, 295 f., 302 ff., 305 – 317; vgl. besonders Ders., Vigiliae und Notturno (Schwarze Hefte 1952/53 bis 1957), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 100), 2019. S. 16 * Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Bd. 3: Hochdeutsche und lateinische Gedichte, Rätsel, vermischte Prosa, theologische Schriften, Predigten, Zürich /Berlin, Atlantis-Verlag, 1943, S. 314. S. 18 * Die von Heidegger erwähnte Tagung der Nobelpreisträger fand vom 11. bis 15. Juli 1955 in Lindau statt. In der »Mainau Kundgebung« warnten 18 Nobelpreisträger – u. a. Wendell Meredith Stanley, Werner Heisenberg, Hermann Staudinger und Otto Hahn – vor dem Einsatz von Kernwaffen. Vollständig und im exakten Wortlaut lautet die Erklärung: Wir, die Unterzeichnenden, sind Naturforscher aus verschiedenen Ländern, verschiedener Rasse, verschiedenen Glaubens, verschiedener politischer Überzeugung. Äußerlich verbindet uns nur der Nobelpreis, den wir haben entgegennehmen dürfen. Mit Freuden haben wir unser Leben in den Dienst der Wissenschaft gestellt. Sie ist, so glauben wir, ein Weg zu einem glücklicheren Leben der Menschen. Wir se-

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hen mit Entsetzen, dass eben diese Wissenschaft der Menschheit Mittel in die Hand gibt, sich selbst zu zerstören. Voller kriegerischer Einsatz der heute möglichen Waffen kann die Erde so stark radioaktiv verseuchen, dass ganze Länder und Völker vernichtet würden. Dieser Tod kann die Neutralen ebenso treffen wie die Kriegführenden. Wenn ein Krieg zwischen den Großmächten entstünde, wer könnte garantieren, dass er sich nicht zu einem solchen tödlichen Kampf entwickelte? So ruft eine Nation, die sich auf einen totalen Krieg einlässt, ihren eigenen Untergang herbei und gefährdet die ganze Welt. Wir leugnen nicht, dass vielleicht heute der Friede gerade durch die Furcht vor diesen tödlichen Waffen aufrechterhalten wird. Trotzdem halten wir es für eine Selbsttäuschung, wenn Regierungen glauben sollten, sie könnten auf lange Zeit gerade durch die Angst vor diesen Waffen den Krieg vermeiden. In äußerster Gefahr wird keine Nation sich den Gebrauch irgendeiner Waffe versagen, die die wissenschaftliche Technik erzeugen kann. Alle Nationen müssen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhören zu existieren. Kurt Adler, Bonn Max Born, Bad Pyrmont Adolf Butenandt, Tübingen Arthur H. Compton, Saint Louis Gerhard Domagk, Wuppertal H. K. von Euler-Chelpin, Stockholm

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Richard Kuhn, Heidelberg Fritz Lipmann, Boston H. J. Müller, Bloomington Paul Hermann Müller, Basel Leopold Ruzicka, Zürich Frederick Soddy, Brighton W. M. Stanley, Berkeley

ANHANG

Otto Hahn, Göttingen Hermann Staudinger, Werner Heisenberg, Göttingen Freiburg Georg von Hevesy, Stockholm Hideki Yuwaka, Kyoto

Zitiert nach: Werner Stolz: Otto Hahn / Lise Meitner, Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, Bd. 64, Berlin, Teubner Verlagsgesellschaft, 21989, S. 75 f. S. 20 * Wendell Meredith Stanley (1904 – 1971) war ein amerikanischer Chemiker und Virologe; 1946 erhielt er den Nobelpreis für Chemie. Zur Tagung der Nobelpreisträger in Lindau vgl. Anm. * zu S. 18. ** Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die gefährdete Welt. Eine Wissenschaftssoziologie der Atomphysik, München, C. H. Beck, 1964, S. 235. S. 22 * EA: 〈hängenbleiben〉. S. 25 * Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Zürich /Freiburg i. Br., 1940, Bd. III, S. 314.

Editorische Anmerkungen zu »Zur Erörterung der Gelassenheit« S. 27 * Der interne Seitenverweis Heideggers bezieht sich auf die Seitenzahl der »Hinweise« in der Erstausgabe (dort S. 75), in vorliegender Ausgabe S. 71.

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S. 30 * EA: 〈ich〉. S. 34 * Vgl. zum Thema »Gelassenheit« bei Heidegger in Bezug auf Meister Eckhart: Friedrich-Wilhelm von Herrmann, »Gelassenheit im Denken Martin Heideggers«, in: Wolfgang Erb / Norbert Fischer (Hrsg.), Meister Eckhart als Denker, Eckhart-Jahrbuch, Beihefte 4 Stuttgart, Kohlhammer, 2017, S. 455 – 466. S. 35 * EA: ohne Komma. ** Zum Thema »Warten und Gelassenheit« vgl. Anm. * zu S. 15. S. 41 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. S. 45 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. S. 47 * EA: ohne Komma. S. 58 * Martin Heidegger, »Sein und Zeit. Erste Hälfte«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 8, hrsg. von Edmund Husserl, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1927, § 62: »Das existenziell eigentliche Ganzseinkönnen des Daseins als vorlaufende

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Entschlossenheit«. Sein und Zeit erschien auch als Einzelausgabe (Sonderdruck aus dem Jahrbuch). Ab der 7. Auflage von 1953 wurde die Kennzeichnung »Erste Hälfte« gestrichen und eine »Vorbemerkung zur siebenten Auflage« eingefügt. 1977 erschien die 14. Auflage mit den Randbemerkungen aus dem »Hüttenexemplar« des Autors im Anhang. Die 15., durchgesehene Auflage erschien 1979. Die letzte, 19. Auflage, erschien 2006. In der HGA: Martin Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 2), 1977, 2 2018. S. 61 * EA: Komma nach 〈unterlassen〉. S. 67 * Vgl. Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I–III, hrsg. von Walther Kranz, Bd. 1, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, Fragment 122. S. 68 * In Bd. 13 der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA 13, S. 72) wurde »schlagend« durch »treffend« ersetzt. In Heideggers Handexemplar findet sich keine Korrektur an dieser Stelle. In allen späteren Auflagen des Einzelbands »Gelassenheit« wurde »schlagend« beibehalten.

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Editorische Anmerkungen zu »Hinweise« S. 71 * In Heideggers Handexemplar der Erstausgabe befindet sich auf dieser Seite (S. 75) ein Stichwortverzeichnis, das in vorliegender Ausgabe auf S. 73 wiedergegeben wird. ** Conradin Kreutzer (Meßkirch 1780 – Riga 1849) war ein überaus produktiver Musiker und Komponist. Eines seiner bekanntesten Werke ist die romantische Oper »Das Nachtlager in Granada«. Näheres zu Heidegger und Kreutzer siehe Gelassenheit. Zum 125. Geburtstag von Martin Heidegger. Die Meßkircher Rede von 1955. Mit Interpretationen von Alfred Denker und Holger Zaborowski, Freiburg / München, Verlag Karl Alber, 2014. *** Das ganze Gespräch wurde unter dem Titel »›ÆAgxibasiÂh‹. Ein Gespräch selbdritt auf einem Feldweg zwischen einem Forscher, einem Gelehrten und einem Weisen« veröffentlicht in: Martin Heidegger, FeldwegGespräche (1944/45), hrsg. von Ingrid Schüssler, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 77), 1995, S. 1–157. **** Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer, 1954, 51997, S. 135 – 149 und S. 174 f. In der HGA: Martin Heidegger, Was heißt Denken?, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 8), 2002, hier S. 225– 266. Diese Edition ist durch zwei bisher unveröffentlichte Texte ergänzt und mit den aus Heideggers Handexemplar entnommenen Verbesserungen und Randbemerkungen versehen. Bei den zwei dort erstmals edierten Texten handelt es sich um einen nicht vorgetragenen Text-

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abschnitt aus der IX. Vorlesungsstunde im Wintersemester 1951/52 sowie um die letzte, nicht vorgetragene Vorlesung aus dem Sommersemester 1952. ***** In der Erstausgabe von Gelassenheit (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959) hat Heidegger aus dem ganzen Feldweggespräch nur den mittleren Teil unter dem Titel »Zur Erörterung der Gelassenheit – Aus einem Feldweggespräch über das Denken« veröffentlicht. Der erste und der nachfolgende Teil wurden erstmals in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA 77, vgl. Anm. ***) publiziert. ****** Handexemplar 1 der Erstausgabe enthält einen handschriftlichen Brief des Übersetzers Andre´ Pre´au. Pre´au übersetzte Gelassenheit ins Französische: Martin Heidegger, »Se´re´nite´«, in: Questions III, Paris, Gallimard, 1968. Der Brief lautet: Soustons, le 1er septembre 1964. Monsieur, Je m’excuse beaucoup de venir a` nouveau vous de´ranger, surtout au milieu de vos vacances. J’espe´rais pouvoir trouver seul des e´quivalents pour les termes techniques du »Feldweggespräch« (»Gelassenheit«, 2e partie); mais mes conjectures restent finalement des conjectures et je ne puis e´videmment traduire au petit bonheur – surtout un texte de cette importance. Je prends donc l’extreˆme liberte´ de vous adresser ci-joint un petit questionnaire, espe´rant que, cette fois encore, vous aurez la bonte´ d’y re´pondre. Il serait aussi bien inte´ressant de savoir si ce n’est pas le »Feldweggespräch« qui vous a conduit a` e´crire Der Feldweg. E DITORISCH E AN ME R K U N G E N

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J’espe`re que cette lettre vous trouvera en parfaite sante´ et vous prie de vouloir bien agre´er, Monsieur et cher Maıˆtre, avec encore mes excuses et d’avance mes plus vifs remerciements, l’expression de ma tre`s respectueuse et profonde admiration. Pre´au Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« S. 72 * Meister Eckhart, Erste Abtheilung: Predigten und Traktate, hrsg. von Franz Pfeiffer; 3. unveränderte Auflage der Ausgabe von 1857, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1914. ** Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig, Hirzel, 1854.

Editorische Anmerkungen zu »Hebel – der Hausfreund« S. 79 * Johann Peter Hebel, »Die Wiese«, in: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Bd. 1: Alemannische Gedichte, Erzählungen und Betrachtungen des Rheinischen Hausfreudes, 1. Teil, Zürich / Berlin, Atlantis-Verlag, 1943, S. 43 – 52, hier S. 43. Der Gedichtanfang lautet: Wo der Dengle-Geist in mitternächtige Stunde Uffeme silberne Gschirr si goldeni Sägese denglet, (Todtnau’s Chnabe wüsse’s wohl) am waldige Feldberg,

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Wo mit liebligem Gsicht us tief verborgene Chlüfte d’Wiese luegt, und check go Todtnau aben ins Thal springt, schwebt mi muntere Blick, und schwebe mini Gidanke. Feldbergs liebligi Tochter, o Wiese, bis mer Gottwilche! Los, i will di iez mit mine Liederen ehre, und mit Gsang bigleiten uf dine freudige Wege! […] S. 80 * Johann Peter Hebel, Alemannische Gedichte. Für Freunde ländlicher Natur und Sitten, Karlsruhe, Macklots Hofbuchhandlung, 1803 (anonym); 2. Aufl. ebd. 1824 (mit Verfasserangabe). ** HE [21958]: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈Quell jeder gewachsenen Sprache〉. S. 81 * Johann Peter Hebel, Brief an Friedrich David Gräter vom 8. Februar 1802, in: Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, 1939, S. 114. Im Zusammenhang lautet die Stelle: »[…] Ein Bändchen solcher Gedichte von mancherley Metrum, Inhalt u. Ton gedenke ich bald, vielleicht unter dem Titel eines Alemannischen Musenalmanachs herauszugeben. Ich habe in denselben mit den Schwierigkeiten gekämpft, in dieser rohen u. scheinbar regellosen Mundart, wenn die Ausdrücke erlaubt sind, rein und klassisch und doch nicht gemein zu seyn, genau im Charakter und Gesichtskreis des Völkleins zu bleiben, aber eine edle

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Dichtung, so weit sie sonst in meiner Gewalt ist, in denselben hinüberzuziehen und mit ihm zu befreunden.« ** Johann Peter Hebels Briefe, a. a. O., 21957, Bd. 1, S. 121. *** Heidegger verweist hier auf Hebels Briefe Nr. 282 und Nr. 289 der zweiten Auflage, a. a. O. Hebel hat diese Briefe mit »Hausfreund« unterschrieben, vgl. auch Johann Peter Hebels Briefe, hrsg. von Wilhelm Zentner, a. a. O., S. 696 (Brief Nr. 548) und S. 698 (Brief Nr. 551). S. 82 * Der Badische Landkalender wurde vom Karlsruher Gymnasium herausgegeben. Hebel gehörte seit 1802 dem Herausgebergremium an und gab 1806 die Anregung, den Kalender in einer »vorteilhafteren« Ausstattung erscheinen zu lassen. Zwischen 1804 und 1819 schrieb er rund 300 Beiträge für den Badischen Landkalender (späterer Titel Rheinischer Hausfreund). Auf Anregung des Verlegers Cotta stellte Hebel selbst eine Auswahl aus den bis dahin veröffentlichten Beiträgen zusammen, die 1811 unter dem Titel Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes in Tübingen bei Cotta erschien. Ab 1808 war Hebel der Herausgeber des Rheinischen Hausfreunds. ** In der Erstausgabe von Hebel – Der Hausfreund wurde zu dieser Stelle folgende Anmerkung Heideggers auf der letzten Seite abgedruckt: »Die Stelle über die ›schöne Idee, die (Hebel) zur Bearbeitung des Kalenders des rheinischen Hausfreundes begeisterte‹, findet sich in einem Schreiben Hebels vom 17. November 1811 an das ›Großherzogliche, Hochpreisliche Ministerium‹ in Karlsruhe; vgl. Heinrich Funck, Über den Rheinländischen Hausfreund und Johann Peter Hebel. 1886, S. 77.«

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S. 83 * EA: 〈Schließlich scheut sich Hebel nicht, zu gestehen〉. S. 84 * Die folgenden vier Briefstellen werden nach der Nummerierung in Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. von Wilhelm Zentner, a. a. O., 1939, unter Beibehaltung der dortigen Orthographie und Zeichensetzung, zitiert. Brief Nr. 266 [21957: Nr. 278] An Cotta. Cruh [Karlsruhe] d. 18.t. Dec. [180]9. […] Mit Vergnügen stimme ich in Ihren Vorschlag zur Anlegung eines Schatzkästleins für die interessantern Artikels [sic] des Hausfreundes. Ich dachte ebenfalls schon an eine Samlung u. ausgebreitetere Bekanntmachung derselben, u. es konnte sich mir keine willkomenere Hand dazu entgegen bieten. Der Jahrgang 10 ist der dritte. Ich werde Ihnen die zwey vorhergehenden zusenden, die ich selber nicht mehr habe, sobald ich sie habhaft werde. Der laufende war schon im Anfang November 1808 vergriffen. Ich werde einige Jahrgänge des frühern Badischen Landcalenders beilegen, und die Aufsätze die von mir darinn sind, vorstreichen, wiewohl dort die Manier, die im Hausfreund Ihren schätzbaren Beyfall erhielt erst im Werden ist. Eine Revision u. Umarbeitung oder Unterdrückung einzelner Stellen von lokaler Beziehung wird nöthig seyn. Indem ich den von sächsischen Vielschreibern ge-

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machten u. konventionell, aber unrichtig dafür gehaltenen Ton der Popularität und Natur verschmähte, u. den der wirklich existirt, zu erfassen, zu veredeln u. durch Laune zu würzen suchte, ist mir zwar über meine Hoffnung die große Aufgabe gelungen, diese Lektion dem ungebildeten Leser interessant und dem gebildetsten nicht uninteressant zu machen. Doch wird es zu obigem Zweck der Revision nöthig seyn, daß Sie mich gefällig wissen lassen, welche Classe des Publikums Sie vorzüglich ins Auge fassen. Auch zur Auswahl der Stücke selbst. Ich bitte Sie, mir die Exemplare zurück zu schicken, u. die welche Sie nach Ihrem Plan zur Aufnahme geeignet finden, darinn zu bezeichnen. Ihre Wahl und Ihr Urtheil ist mir in ieder Hinsicht wichtig. Wäre es Ihnen nicht gefällig, die im Cal. abgebildeten oder andere Gegenstände etwa in Steindruck oder Holzschnittmanir, oder in sogenannten Leisten wie im K[aiser] Octavianus od. in den 7 weisen Meistern wieder zu geben. Wenig mit Unternehmungen dieser Art, u. mit den Berechnungen, die warscheinlich darauf zu machen sind, bekannt, und gerne dem Mann von Biederkeit vertrauend, bitte ich Sie mich die Überschläge u. Bedingungen wissen zu lassen, unter denen Sie die Ausgabe gerne übernehmen wollen. Ich weiß, mit wem ich zu thun habe. Wären Sie geneigt, etwa zwischen Jahresfrist, vielleicht etwas später meine Beyträge zu den Akten der Lörracher theologischen Gesellschaft in Verlag zu nehmen. Eine Probe davon finden Sie im Decemberstück des Jason. »Sendschreiben an den Sekretär der th. Ges. in L. von J. P. Parm«. zwar das launigste unter allen,

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die übrigen Stücke sind etwas ernsthafter u. mehr eingreifend ins Brodstudium, übrigens eben so leichte Waare. Mit besonderer Hochachtung Euer Wohlgeboren ergebenster Dr. Hebel Brief Nr. 267 [21957: Nr. 279] An Haufe Trauriger Polymeter. […] Cotta in Tübingen wird nächstens ein neues Büchlein von mir drucken, nemlich ein altes, aber keine allemanischen Lieder. Er will mir dafür eine Reise nach Paris frei halten. Aber ich geh’ nicht. […] Brief Nr. 306 [21957: Nr. 323] An Jäck [Juni oder Juli 1811.] Bei Übersendung des Schatzkästleins. […] Der Adiunkt ist der württembergische Gesandtschaftssekretär Kölle dahier, der mir bisweilen Anekdoten für den Hausfreund zuträgt. Die Schwiegermutter ist eine schöne und geistreiche Frau, um deren wunderschönes Töchterlein der Adiunkt einmal gefreit hat, jedoch nur scherzweise, denn er sah sie nur im Portrait und als Kind. Hausfreund, sagte eines Tags die Schwiegermutter,

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seid Ihr im Stand und bringt mich auch in Euern Calender? Der Hausfreund erwiederte: Holdselige Frau, gestattet mir Euch so oft zu küssen, als ich Euch hineinbringen will, oder erlaubt mir lieber es ungezählt so oft zu thun, als ich es wünsche und Eure Schönheit verdient, so will ich Euch vor aller Welt Augen das ganze Schatzkästlein dediciren, so Ihr doch als eitles Weltkind weit und breit bekannt seid, ich aber für einen gar frommen und untadelhaften Schulherrn gehalten werde. Da sagte sie, Hausfreund, wenn Ihr wollet, so mögt Ihr mir das Büchlein wohl dediciren. Dies ist die Schwiegermutter […] Brief Nr. 459 [21957: Nr. 494] An Cotta. 14. Februar 1823. […] Wegen des Schazkästleins plagt mich die alte Grille, ob der Prälat sich noch zu den Schwänken und Spässen des einst mitunter muthwilligen Professors schick[lich] bekennen dürfe. Das Urtheil einer Ihrer würdigen Prälaten, der den Calender des rheinländischen Hausfreundes kennt, würde mir viel Gewicht in die eine oder andre Wagschale legen. Mit Hochachtung u. Ergebenheit der Ihrige Hebel. sten ab d. 22 CR. [Karlsruhe] d. 14. Feb[ruar 18]23 S. 85 * Emil Strauß (1941), Wilhelm Altwegg (1950), Wilhelm Zentner (1955) und Martin Heidegger (1960) sind alle

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vier Träger des Johann-Peter-Hebel-Preises. Emil Strauß hat Hebels Poetische Werke herausgegeben, Leipzig, Tempel-Verlag, o. J. [1911]. Wilhelm Altwegg ist der Herausgeber von Hebels Werken in drei Bänden (Zürich/Berlin, Atlantis, 1943). Er war von 1935 bis 1960 Präsident der Basler Hebelstiftung. Wilhelm Zentner hat die Gesamtausgabe der Briefe Hebels (Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, 1939, 21957) besorgt. S. 86 * Heidegger zitiert (auch im Folgenden) nach folgender Ausgabe: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Bd. I bis III, Zürich / Freiburg i. Br., Atlantis-Verlag, 1940. Die Briefstellen zitiert er nach der Erstausgabe der von Wilhelm Zentner besorgten Gesamtausgabe der Briefe (1939): Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, 1939. S. 87 * EA: 〈Allein sie verkennt durchaus, was Johann Peter Hebel der Hausfreund〉. ** Johann Peter Hebel, »Der Mond«, in: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. 1, S. 326–331. S. 89 * Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. II, S. 99. ** Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. II, S. 164 und S. 172 f. *** Vollständig lautet das Zitat: »Ein großer Theil unsers Lebens ist ein angenehmer oder unangenehmer Irr-

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gang durch Worte und unsre meisten Kriege, den Wachtelkrieg und seinesgleichen ausgenommen, sind WortKriege.« Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. von Wilhelm Zentner, a. a. O., S. 372. S. 90 * Vgl. in vorliegender Ausgabe die erste Notiz von »Heideggers Notizen« S. 100 sowie S. 404 Anm. * zu S. 100. S. 93 * Die zitierten Stellen beziehen sich auf »Das Habermus«, in: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. I, S. 104– 107, hier S. 105; »Der Sommerabend«, in: Ebd., S. 78 – 80, hier S. 78. ** Goethes Rezension der zweiten Auflage (Karlsruhe, Macklot 1804) erschien am 13. Februar 1805 in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 37, S. 289–294. Persönlich lernte Goethe Hebel erst am 3. und 4. Oktober 1815 kennen. Im Original lautet die von Heidegger zitierte Stelle: »Wenn antike oder andere durch plastischen Kunstgeschmack gebildete Dichter das sogenannte Leblose durch idealische Figuren beleben und höhere, göttergleiche Naturen, als Nymphen, Dryaden und Hamadryaden, an die Stelle der Felsen, Quellen, Bäume setzen, so verwandelt der Verfasser diese Naturgegenstände zu Landleuten und verbauert auf die naivste, anmutigste Weise durchaus das Universum; so dass die Landschaft, in der man denn doch den Landmann immer erblickt, mit ihm in unserer erhöhten und erheiterten Phantasie nur eins auszumachen scheint.«

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S. 94 * Friedrich Hölderlin, »In lieblicher Bläue«, in: Ders., Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt von Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot, Sechster Band: Dichtungen – Jugendarbeiten – Dokumente 1806–1843, besorgt durch Ludwig von Pigenot und Friedrich Seebass, Berlin, Propyläen-Verlag, 21923, S. 24–27, hier S. 25. Im Kontext lautet der zitierte Text: […] Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie die Himmel? Dieses Glaub’ ich eher. Des Menschen Maaß ist’s. Voll Verdienst, doch dichterisch wohnet Der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner Ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen, Wenn ich so sagen könnte, als Der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit. Vgl. zum »dichterischen Wohnen« auch Heideggers Aufsatz »… dichterisch wohnet der Mensch …« in: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 187 – 204. Die 9. Auflage erschien 2000 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, dort S. 181–198. In der HGA: Martin Heidegger, »… dichterisch wohnet der Mensch …«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 189– 208.

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S. 98 * Goethes Werke, herausgegeben im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen, 2. Abteilung, Band 11: Zur Naturwissenschaft, allgemeine Naturlehre: 1. Theil, Weimar, Böhlau, 1893, S. 167. ** Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. III, S. 314.

Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« S. 100 * Vgl. Hebels Brief an Justinus Kerner vom 24. Oktober 1817: »Den Hausfreund, unter welchem Namen man freilich herzliches mit dem Leser spricht und ihm ungenirt Bären anbindet, habe ich einstweilen in Calendermann umgetauft. Ich wünschte wohl den Titel Ihres Kalenders zu wissen und daß es ein ähnlicher wäre wie der des Hausfreundes.« Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, a. a. O., Brief Nr. 396, S. 569. Vgl. auch Hebels Brief an Cotta vom 9. Juni 1810: »Hausfreund einer großen Nation klingt ohnehin ein wenig zu eng u. zu weit neben einander. Es müßte eher deutscher Volksfreund oder Bären Anbinder heißen.« Ebd., Brief Nr. 276, S. 435. ** Vgl. nachfolgende Anmerkung. *** Das Zitat stammt aus 2 Samuel 7,18. Hebel zitiert den Bibelspruch in seinem Brief an Friedrich Wilhelm Hitzig vom 13. April 1811, vgl. Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, a. a. O., S. 160.

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Editorische Anmerkungen zu »Aus der Erfahrung des Denkens« S. 109 * In der Heidegger-Gesamtausgabe finden sich Textvarianten zur Neske-Ausgabe, die im Folgenden jeweils aufgeführt werden. Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 13), 1983, 22002, S. 76: »Für die Götter kommen wir zu spät«. Im Folgenden zitiert als HGA 13, a. a. O. ** HGA 13, a. a. O., S. 76: »Auf einen Stern zugehen …«. Vgl. außerdem Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942 – 1948), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 97), 2015, S. 30: »Nur auf einen Stern zugehen, und sonst nichts.« S. 111 * HGA 13, a. a. O., S. 77: »Wenige sind erfahren genug im Unterschied zwischen einem Gegenstand der Wissenschaften und einer Sache des Denkens.« S. 119 * Eine in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA 13, a. a. O., S. 254) zitierte Notiz Heideggers zu dem Satz »Wer groß denkt, muß groß irren«, konnte im hier verwendeten Handexemplar nicht aufgefunden werden. Die Notiz lautet: »nicht persönlich gemeint, sondern bezogen auf die im Wesen der Wahrheit waltende Irre, in die jedes Denken, das dem Geheiß so oder so folgt, geworfen ist (vgl. Vom Wesen der Wahrheit 1930 und Was heißt Den-

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ken?). Statt ›Irre‹ deutlicher: die Irrnis; hier der Bezug zur Eignis angedeutet. Im Seins-Geschick ist die Irrnis verborgen und bereit. Die Irrnis der großen Denker (positiv gedacht) ist noch nicht bemerkt.« Vgl. außerdem folgende Anmerkung: »Wer groß denkt, muß groß irren. Der Irrende muß auch ertragen, daß ihm das Falsche und Verfehlte und Zwei- und Mehrdeutige, worin er steht, indem er es befördert, als das Eigentliche seines ›Wollens‹ vorgerechnet und damit das Ganze seines Denkens dann verworfen wird. Der eigentliche Grund dieser Gefahren und Mißverhältnisse besteht und beruht aber in der wesenhaften Einsamkeit des Denkens. Sie ist und zumal auf dem Weg des seynsgeschichtlichen Denkens eine unbedingte. Sie bleibt darum auch mit moralischen Beurteilungen unversöhnbar.« Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (HGA 97), a. a. O., S. 179. Zu »Vom Wesen der Wahrheit« siehe Anm. * zu S. 160. Zu »Was heißt Denken?« siehe Anm. **** zu S. 71. S. 123 * HGA 13, a. a. O., S. 83: »Solches Unvermögen brächte das Denken vor seine Sache.« S. 126 * HGA 13, a. a. O., S. 85: »seine Stämme umgoldet …«. S. 127 * Das Hölderlin-Zitat stammt aus dem Anhang zu »Empedokles auf dem Aetna«. Vgl. Friedrich Hölderlin, SämtlicheWerke, Bd. III: Gedichte / Empedokles / Phi-

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losophische Fragmente /Briefe, 1798–1800, unter Mitarbeit von Friedrich Seebass besorgt durch Norbert von Hellingrath, München / Leipzig, Müller, 21923, S. 551. Editorische Anmerkungen zu »Editorische Notiz« von »Aus der Erfahrung des Denkens« S. 130 * In Winke (1941 als Privatdruck erschienen) erläutert Heidegger seine Konzeption: »Die ›Winke‹ sind keine Dichtungen. Sie sind auch nicht eine in Verse und Reime gebrachte ›Philosophie‹. Die ›Winke‹ sind Worte eines Denkens, das zu einem Teil dieses Aussagen braucht, aber in ihm sich nicht erfüllt. Dieses Denken hat im Seienden keinen Anhalt, denn es denkt das Seyn. Dieses Denken findet im Gedachten kein Vorbild, denn das Gedachte denkt das Seiende. Das Sagen des Denkens ist im Unterschied zum Wort der Dichtung bildlos. Und wo ein Bild zu sein scheint, ist es weder das Gedichtete einer Dichtung noch das Anschauliche eines ›Sinnes‹, sondern nur der Notanker der gewagten, aber nicht geglückten Bildlosigkeit. Das Denken des Seyns hat das Ende der ›Philosophie‹ verwunden. Die Gegnerschaft zu den ›Philosophen‹ wirft es aber nicht aus der Freundschaft für die Denker. Das Denken des Seyns bestürmt nie die Wahrheit. Doch hilft es ihrem Wesen. Dies Helfen bewirkt keine Erfolge, sondern ist Hilfe als einfaches Da-sein. Das Denken, gehorsam dem Seyn, sucht diesem das Wort. Wenn aber die Sprache des Menschen im Wort ist,

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dann allein ist sie im Lot. Steht sie im Lot, dann winkt ihr die Gewähr der verborgenen Quellen. Sie sind die Nachbarschaften des Anfangs. Das Denken des Seyns ist die Sorge für den Sprach-gebrauch.« Martin Heidegger, »Winke«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens (HGA 13), a. a. O., S. 23 – 33, hier S. 33. ** Martin Heidegger, »Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der Provinz?«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens (HGA 13), a. a. O., S. 9 – 13, hier S. 10. S. 131 * Gemeint ist hier offenbar der Zeitraum von Heideggers Bezug seiner Hütte bei Todtnauberg (9. August 1922) bis zum Erstdruck von Aus der Erfahrung des Denkens 1947. Das im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrte Widmungsexemplar an Hannah Arendt enthält folgende handschriftliche Widmung: »Ein Vierteljahrhundert / Stille und Sturm der Hütte / Hannah / zum Andenken / Martin / den 4. März 1950«. Vgl. auch Hannah Arendt / Martin Heidegger, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse, aus den Nachlässen herausgegeben von Ursula Ludz, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1998, 32002, S. 18 und S. 411.

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Editorische Anmerkungen zu »Die Technik und die Kehre« Editorische Anmerkungen zu »Vorbemerkung« S. 135 * Die vier Vorträge, »Das Ding«, »Das Ge-Stell«, »Die Gefahr« und »Die Kehre«, sind in der HeideggerGesamtausgabe (HGA) erschienen: Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, S. 5–77. ** Martin Heidegger, »Das Ding«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 163–181. Die 9. Auflage erschien 2000 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, dort S. 157 – 179. In der HGA: Martin Heidegger, »Das Ding«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 165–187. Ein Entwurf vom Mai 1950 ist in der HGA Bd. 80.2. veröffentlicht: Martin Heidegger, »Über das Ding (Mai 1950)«, in: Ders., Vorträge. Teil 2: 1935 bis 1967, hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 947– 978. *** HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 8]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈1955〉. **** Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, 1954, a. a. O., S. 9 – 40. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, (HGA 7), a. a. O., S. 5–36. Zuvor in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Ein Jahrbuch, Bd. 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70 – 108. E DITORISCH E AN ME R K U N G E N

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***** Martin Heidegger, »3. Seminar Le Thor — Beitrag zum Seminar in Le Thor vom 2. bis 11. September 1969«. Erstveröffentlichung der Protokolle (in überarbeiteter Fassung und in französischer Sprache) in: Martin Heidegger, Questions IV, Paris, Gallimard, 1976. Auf Deutsch mit einigen in den Text eingefügten Nachweisen und mit Anmerkungen und einem Nachwort des Übersetzers Curd Ochwadt aufgenommen in: Martin Heidegger, »3. Seminar Le Thor – Beitrag zum Seminar in Le Thor vom 2. bis 11. September 1969«, in: Ders., Vier Seminare, hrsg. von Curd Ochwadt, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1977, 21981, S. 64 – 109. Heidegger bezieht sich hier wohl auf die Sitzung vom 6. September 1969, in: Ebd., S. 339– 349. In der HGA: Martin Heidegger, »Seminar in Le Thor 1969«, in: Ders., Seminare, hrsg. von Curd Ochwadt, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 15), 1986, 2., durchgesehene Auflage 2005, S. 326 – 371. Editorische Anmerkungen zu »Die Frage nach der Technik« S. 143 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 77]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈kennzeichen〉 ** Heidegger zitiert und übersetzt Platon nach der folgenden Ausgabe: Platonis Opera, Vol. 2, recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet. Oxonii e typographeo Clarendoniano, 1901. S. 144 * HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈und der Künste〉.

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S. 146 * Heidegger zitiert Aristoteles nach der folgenden Ausgabe: Ethica Nicomachea, recognovit Franciscus Susemihl, Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri, 1882. ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 21]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Das Entscheidende der teÂxnh liegt somit keineswegs im Machen und Hantieren〉. S. 147 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 81] Randmarkierung: Pluszeichen. S. 149 * Friedrich Hölderlin, »Der Rhein«, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800 – 1806, unter Mitarbeit von Friedrich Seebass besorgt durch Norbert von Hellingrath, München / Leipzig, Müller, 21923, S. 172–180. S. 150 * Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Jenenser Realphilosophie I. Die Vorlesungen von 1803/04. Aus dem Manuskript hrsg. von Johannes Hoffmeister, Leipzig, Felix Meiner Verlag, 1932, S. 232: »In der Maschine hebt der Mensch selbst diese seine formale Tätigkeit auf und läßt sie ganz für ihn arbeiten. Aber jener Betrug, den er gegen die Natur ausübt und mit dem er innerhalb ihrer Einzelheit stehen bleibt, rächt sich gegen ihn selbst; was er ihr abgewinnt, je mehr er sie unterjocht, desto niedriger wird er selbst. Indem er die Natur durch mancherlei Maschinen bearbeiten läßt, so hebt er die Notwendigkeit seines Arbeitens nicht auf,

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sondern schiebt es nur hinaus, entfernt es von der Natur und richtet sich nicht lebendig auf sie als eine lebendige; sondern es entflieht diese negative Lebendigkeit, und das Arbeiten, das ihm übrig bleibt, wird selbst maschinenmäßiger; er vermindert sie nur fürs Ganze, aber nicht für den Einzelnen, sondern vergrößert sie vielmehr, denn je maschinenmäßiger die Arbeit wird, desto weniger Wert hat sie, und desto mehr muß er auf diese Weise arbeiten.« S. 151 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 25]; HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86]; HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈hat nicht Platon gemacht〉. ** Der Aufsatz »Zur Seinsfrage« erschien zuerst unter dem Titel »Über ›die Linie‹«, in: Armin Mohler (Hrsg.), Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1955, S. 9 – 45. Als selbständige Schrift erschien der Aufsatz um ein Vorwort ergänzt: Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1956. Die 4., durchgesehene Auflage erschien 1977. Die Schrift wurde unter dem Titel »Zur Seinsfrage« aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 213 – 254; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Zur Seinsfrage«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 3 2004, S. 385 – 426. Heideggers Aufsatz ist eine Antwort auf Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie« zur Fest-

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ANHANG

schrift Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 245 – 284. Siehe zu Martin Heidegger und Ernst Jünger auch: Ernst Jünger / Martin Heidegger, Briefe 1949 – 1975, unter Mitarbeit von Simone Maier, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Günter Figal, Stuttgart, Klett-Cotta / Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2008. S. 153 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze] In diesem Handexemplar findet sich ein Beilageblatt [2], das sich auf diese Stelle bezieht, vgl. Martin Heidegger, Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze, Stuttgart, KlettCotta, 2021, S. 331. ** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Absatz sowie die letzte Zeile des vorangehenden Absatzes. *** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈mit der so Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden〉. HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H.: 〈mit der〉 hier 〈Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden〉. **** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: 〈ÆideÂa〉 ***** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: 〈ÆideÂa〉 ****** Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, 122002. In der HGA: Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 27 – 110.

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S. 155 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈nämlich an jenes Her- und Dar-stellen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende in die Unverborgenheit hervorkommen läßt.〉 ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 28]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Abschnitt und die Annotation »vgl. S. 49«. *** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 91]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. **** Martin Heidegger, »Der Ursprung des Kunstwerkes. Nachwort«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 66 – 68. Später veröffentlicht in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, 92015. Die von Heidegger erwähnte Passage findet sich nicht im Nachwort, sondern im Zusatz, den er 1960 in einer Sonderausgabe aufgenommen hat: Martin Heidegger, »Zusatz«, in: Ders., Der Ursprung des Kunstwerkes, mit einer Einführung von Hans-Georg Gadamer, Stuttgart, Reclam, 1960, 31970, Nachdruck 2010, S. 95 – 101. In der HGA: Martin Heidegger, »Zusatz«, in: Ders., Holzwege (HGA 5), a. a. O., S. 70 – 74. ***** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29]: Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf den zitierten Satzteil. S. 157 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30]: Randmarkierung: Längsstrich mit schließender spitzer Klammer >, bezogen auf 〈nicht der widersinnige Wille, Vergan-

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genes zu erneuern, sondern die nüchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen〉; HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 22]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe von 〈vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen〉; außerdem drei Längsstriche, bezogen auf den ganzen Satz. ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Er ist vom Walten〉 bis 〈verzichten〉. S. 158 * Werner Heisenberg, »Das Naturbild in der heutigen Physik«, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 43–69. Werner Karl Heisenberg (1901 – 1976) wurde 1932 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Martin Heidegger lernte ihn schon Anfang der 1930er Jahre persönlich kennen und war seitdem mit ihm freundschaftlich verbunden. ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31]: Randmarkierung: Kreis. S. 159 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31]: Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf diesen und den vorhergehenden Satz. ** HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24]: Der Querverweis »S. 31 f.« bezieht sich auf folgende Stelle (dort auch Rückverweis auf »ob[en] 24« des HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24]: 〈So sieht es aus, solange wir nicht darauf achten, daß auch das Herausfordern

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in das Bestellen des Wirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt〉. *** Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, Tübingen, Max Niemeyer, 1969, 2 1976, S. 1 – 60. In der HGA: Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens (1962–1964), hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 14), 2007, S. 3 – 66. S. 160 * Martin Heidegger, Vom Wesen der Wahrheit, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1943, S. 16 f.; 8., ergänzte Auflage 1997. Aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, a. a. O., 1967, S. 73 – 98. Die 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage dieser Ausgabe erschien 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Vom Wesen der Wahrheit«, in: Ders., Wegmarken (HGA 9), a. a. O., S. 177– 202. Heidegger hat den Vortrag »Vom Wesen der Wahrheit« in vier verschiedenen Versionen gehalten; (1) am 14. Juli 1930 in Karlsruhe, (2) am 8. Oktober 1930 in Bremen (die erste Ausarbeitung), (3) am 5. Dezember 1930 in Marburg und am 11. Dezember 1930 in Freiburg. An Pfingsten 1940 überarbeitete er den Text (4). Die vier Fassungen dieses Vortrags sind jetzt zugänglich in: Martin Heidegger, Vorträge 1915 – 1932, hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.1), 2016, S. 327 – 428. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Her-vor-bringen, die poiÂhsiw.〉 und den nachfolgenden Satz.

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ANHANG

S. 162 * Martin Heidegger, »Einblick in das was ist. Bremer Vorträge 1949«, in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, 22005, S. 1 – 77, hier S. 67. S. 163 * Siehe Anmerkung * zu S. 158. ** HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz 〈im Ge-stell von diesem〉. *** Die in HE [1962 Die Technik und die Kehre] gedruckte Korrektur wurde hier übernommen. In den anderen Handexemplaren ohne Komma. **** HE [1954 Vorträge und Aufsätze]: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer auf der Höhe der letzten Zeile des Absatzes. ** HE [1]: Ein Beilageblatt bezieht sich auf diese Stelle; vgl. in vorliegender Ausgabe »Beilageblatt zu Heideggers ›Vorwort‹«, S. 358. Editorische Anmerkungen zu »Der Satz der Identität« S. 291 * Heidegger bezieht sich auf den handschriftlichen Anhang auf den Nachsatzpapieren seines ersten Handexemplars [1], in vorliegender Ausgabe S. 355. ** Martin Heidegger, »Grundsätze des Denkens«, in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2005 (HGA 79), S. 79 – 176. *** HE [1]: Randmarkierung: Kreuz, das auf S. 31 der EA zu Beginn des unteren Absatzes wieder aufgenommen wird. **** HE [1]: Randmarkierung: Kreuz hinter der Seitenziffer »32«, das auf S. 32 mit Rückverweis auf »ob[en] 13« wieder aufgenommen wird, dort auf der Höhe von 〈Unterwegs vom Satz als einer Aussage über die Identität〉.

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ANHANG

S. 292 * Platon, Sophistes, 189e. Heidegger zitiert Platon nach der folgenden Ausgabe: Platonis Opera, Vol. 2. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet. Oxonii, e typographeo Clarendoniano, 1901. ** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: wie im Haupttext. *** HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: wie im Haupttext. S. 293 * HE [1]: Im Original: öffnende eckige Klammer [. ** HE [1]: Im Original: öffnende und schließende eckige Klammer [ ]. S. 294 * HE [1] HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Absatz. ** HE [1]: Randmarkierung: Pfeil  in Richtung auf 〈Identität〉. *** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Gedankenstriche. **** HE [1]: Im Original: öffnende und schließende spitze Klammer < >. S. 295 * Heidegger übersetzt Parmenides nach dem Handexemplar aus seiner Bibliothek: Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I–III, hrsg. von Walther Kranz, Bd. I, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, S. 152 (Fragment III). Die Übersetzung von Kranz und Diels lautet: »Denn dasselbe ist Denken und Sein«.

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** HE [1]: Randmarkierung: geschwungenes Verweisungszeichen L, auf der Höhe von 〈Das Sein gehört in eine Identität〉, das auf S. 20 des Handexemplars wieder aufgenommen wird, auf Höhe von 〈Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken.〉 S. 296 * HE [1] HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈einer〉. S. 297 * HE [1]: Randmarkierung: geschwungenes Verweisungszeichen L, auf der Höhe von 〈Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken〉. Vgl. Anm. ** zu S. 295. ** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, auf der Höhe von 〈Einheit des Zusammen vorzustellen, sondern dieses Zusammen aus dem Gehören her zu erfahren〉. *** Martin Heidegger, Vom Wesen des Grundes, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 41955, S. 10 f. Erstveröffentlichung: Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Ergänzungsband: Festschrift für Edmund Husserl zum 70. Geburtstag, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1929, S. 71 – 110. Die dritte, unveränderte, durch ein Vorwort erweiterte Ausgabe erschien 1949 in Frankfurt a. M. im Verlag Vittorio Klostermann, 71983, 81995. Später aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, 21978, 52013, S. 21 – 72. In der HGA: Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von

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Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004, S. 123 – 175. S. 298 * HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Absatz. ** HE [1] Kreuzmarkierung über der Seitenangabe 25 auf der Höhe von 〈Was heißt Sein? Wer oder was ist der Mensch?〉, die dort wieder aufgenommen wird auf der Höhe von 〈Sein und Mensch〉. S. 300 * HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. ** Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen, Max Niemeyer, 71954, S. 25 f. »Seiendes ist in seinem Sein als Anwesenheit gefaßt, d. h. es ist mit Rücksicht auf einen bestimmten Zeitmodus, die Gegenwart, verstanden [ebd., S. 25]«. Erstausgabe: Martin Heidegger, »Sein und Zeit. Erste Hälfte«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 8, hrsg. von Edmund Husserl, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1927. Ab der 7. Auflage von 1953 wurde die Kennzeichnung »Erste Hälfte« gestrichen und eine »Vorbemerkung zur siebenten Auflage« eingefügt. 1977 erschien die 14. Auflage mit den Randbemerkungen aus dem »Hüttenexemplar« des Autors im Anhang. Die 15., durchgesehene Auflage erschien 1979. Die letzte, 19. Auflage, erschien 2006. In der HGA: Martin Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 2), 1977, 22018. *** HE [1]: Verweisungszeichen ×–× ohne identifizierbaren Bezug.

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**** HE [1]: Umrahmung: »(hier ganz anders zu denken Be-Zug und Ver-Hältnis)«. ***** HE [2]: Randmarkierung: Verweisungszeichen ×–×. Das Verweisungszeichen ×–× wird auf S. 27 von HE [2] auf Höhe von 〈wechselweise stellen〉 mit dem Zusatz »vgl. S. 23« wieder aufgenommen. S. 301 * HE [1]: Auf dieser und den folgenden Seiten hat Martin Heidegger insgesamt elf verschiedene Tinten- und Bleistift- bzw. Buntstiftfarben für Notizen, Unterstreichungen und sonstige Hervorhebungen verwendet, in der Regel zur klareren Zuordnung zwischen Randbemerkungen und gedrucktem Text. Eine Ausnahme sind Markierungen in gelber Farbe, die thematische Zusammenhänge innerhalb des gesamten Textes deutlicher hervortreten lassen. EA S. 24: Folgende Textpassage (Zeile 2 – 5) ist mit einem gelben Längsstrich am Rand markiert: 〈Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen. Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges. Er springt ab〉. Hier Kursiviertes ist im Handexemplar gelb unterstrichen. Weitere gelbe Unterstreichungen auf EA S. 24: Z. 7: 〈Absprung〉; Z. 11: 〈Absprung〉; Z. 12: 〈Springt〉; Z. 14: 〈springen〉; Z. 19: 〈Sprung〉. Gelb unterstrichene handschriftliche Annotationen sind links von der gelben Längsstrichmarkierung: »32!«; die auf Z. 14 bezogenen Randnotizen: »Schlaf« und »Sprunges«. EA S. 25: Z. 8: gelbe Umrahmung: 〈Konstellation〉. Letzte Zeile: gelbe Unterstreichung: 〈Konstellation〉. EA S. 26: Z. 1: gelbe Unterstreichung: 〈Analyse der Situation〉.

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ANHANG

EA S. 27: Z. 6: gelbe Umrahmung: 〈unter〉; Z. 2 von

unten: gelbe Unterstreichung: 〈spricht an〉. Randmarkierung: gelber Pfeil , auf folgende Randnotiz gerichtet: »und spricht als dieser gerade nicht an«. EA S. 28: Z. 12 und EA S. 29: Z. 10: gelbe Unterstreichung: 〈Konstellation〉. EA S. 30: gelbe Unterstreichungen: Z. 8: 〈schwingende〉; Z. 10 von unten: 〈schwingenden〉; Z. 9 von unten: 〈schwebenden〉; Z. 7 von unten: 〈Schwingung〉; 〈schwebenden〉; handschriftliche Randnotiz: gelbe Unterstreichungen: »schwingen« und »schweben«. EA S. 32: Z. 7: gelbe Unterstreichung: 〈Sprunges〉; Z. 10: gelbe Umrahmung: 〈schwingt〉; gelbe Unterstreichungen: Z. 12: 〈Sprung〉; 6. Z. von unten: 〈Sprung〉; Z. 3 von unten: 〈Konstellation〉. EA S. 33: gelbe Unterstreichungen: Z. 2: 〈Sein〉; Z. 3: 〈Sein〉; Z. 8 von unten: 〈modernen〉; Z. 7 von unten: 〈der Historie〉; Z. 2 von unten: 〈Absprung〉. EA S. 34: Z. 4: gelbe Umrahmung: 〈Mensch und Sein〉; Z. 10: gelbe Unterstreichung: 〈Sprung〉. EA S. 45: Z. 8 von unten: gelbe Unterstreichung: 〈Wahrheit〉. EA S. 46: Z. 6 von unten: gelbe Umrahmung: 〈Sprache der Überlieferung〉. EA S. 62: Randmarkierung: gelber Längsstrich, bezogen auf die letzten zwei Zeilen. EA S. 63: Z. 9: gelbe Umrahmung: 〈bringen wir sie nicht zum Verschwinden〉. Z. 10 von unten: Randmarkierung: gelber Längsstrich und gelbe Unterstreichung: 〈»Sein« gedacht aus der Differenz〉; Z. 4 von unten: gelbe Unterstreichung: 〈Allgemeinheit〉. Nachsatzpapier links: gelbe Halbumrahmung: »Sprung«; gelbe Unterstreichung: »Absprung«.

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Beilageblatt [3] aus Bündel 1: gelber Längsstrich, auf der Höhe von »des Vortrags / vom Satz als Aussage / zum / Satz als Sprung«. In vorliegender Ausgabe S. 362. Siehe hierzu auch Beilageblatt [6] aus Bündel 1, in vorliegender Ausgabe S. 364. Zu Heideggers Verwendung von Farben siehe Friedrich-Wilhelm von Herrmann, »Die Edition der Vorlesungen Heideggers in seiner Gesamtausgabe letzter Hand«, in: Freiburger Universitätsblätter 21 (1982), Heft 78, S. 85 – 102. Siehe auch Ulrich von Bülow, »Das Hand-Werk des Denkens – Zum Nachlass von Martin Heidegger«, in: Harald Seubert und Klaus Neugebauer (Hrsg.), Auslegungen – Von Parmenides zu den Schwarzen Heften (Schriftenreihe der Martin-Heidegger-Gesellschaft, Bd. 11), Freiburg / München, Karl Alber, 2017, S. 304 – 331, hier S. 315 f. ** Der Aufsatz »Zur Seinsfrage« erschien zuerst unter dem Titel »Über ›die Linie‹«, in: Armin Mohler (Hrsg.), Freundschaftliche Begegnungen: Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1955, S. 9 – 45. Als selbständige Schrift erschien der Aufsatz um ein Vorwort ergänzt: Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1956. Die 4., durchgesehene Auflage erschien 1977. Die Schrift wurde unter dem Titel »Zur Seinsfrage« aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 213 – 254; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Zur Seinsfrage«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 3 2004, S. 385 – 426. Heideggers Aufsatz ist eine Antwort

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auf Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie« zur Festschrift Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 245 – 284. Siehe zu Martin Heidegger und Ernst Jünger auch: Ernst Jünger / Martin Heidegger, Briefe 1949 – 1975, unter Mitarbeit von Simone Maier, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Günter Figal, Stuttgart, Klett-Cotta / Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2008. *** HE [1]: Verbindungspfeil ç™ von dieser Randbemerkung nach unten zu der mit Längsstrich markierten Stelle: 〈Wohin? Dahin, wohin wir schon eingelassen sind: in das Gehören zum Sein〉. **** HE [1]: Heidegger bezieht sich hier auf Notizen, die er unter dem Titel »Anhang« auf den Nachsatzpapieren seines Handexemplars [1] von Identität und Differenz eingetragen hat, vgl. in vorliegender Ausgabe S. 355 f. ***** Martin Heidegger, »Hegels Begriff der Erfahrung«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 105 – 192; 92015. In der HGA: Martin Heidegger, »Hegels Begriff der Erfahrung«, in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, S. 115 – 208. ****** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Fragezeichen, auf der Höhe von 〈Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges〉. S. 302 * HE [1]: doppelseitiger Pfeil zwischen 〈uns loslassen〉 und 〈nicht genügend dort〉 (EA S. 25). ** HE [1]: Entzifferung unklar. *** HE [1]: andere Lesart: »das Sein west nicht an – sondern ist? An-wesen«. E DITORISCH E AN ME R K U N G E N

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S. 303 * HE [1]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Erfahrung des Denkens.〉 ** HE [1]: Verweisungszeichen F–F hinter der Seitenangabe 30, der auf S. 30 in Bezug auf folgende Textstelle wieder aufgenommen wird: 〈nur das Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhalten〉. *** HE [2] Verbindungspfeil zu EA S. 24: 〈wohin wir schon eingelassen sind〉. **** HE [1]: gelbe Umrahmung: 〈Konstellation〉. ***** HE [1]: Hinter der Seitenangabe 21 Kreuzmarkierung, die sich auf folgende Stelle auf S. 21 bezieht: 〈Was heißt Sein? Wer oder was ist der Mensch?〉 Vgl. Anm. ** zu S. 298. ****** Vgl. Martin Heidegger, »Einblick in das was ist: Das Ding. Das Ge-Stell. Die Gefahr. Die Kehre« (Bremer Vorträge am 1. Dezember 1949), in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, 2., durchgesehene Auflage 2005, S. 5 – 77. ******* Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Ein Jahrbuch, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108; Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 13 – 44. Die 9. Auflage erschien 2000 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, dort S. 9–40. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 5 – 36. Im Band 80.2. der Heidegger-Gesamtausgabe

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wurde ein undatierter Entwurf, der dem Vortrag vom 18. November 1953 vorausgeht, veröffentlicht: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik. Entwurf (vor dem 18. November 1953)«, in: Ders., Vorträge. Teil 2: 1935–1967, nach den Handschriften hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 1091– 1111. S. 304 * HE [1]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈keineswegs schon die Konstellation von Sein〉. ** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne »nur«. *** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich auf der Höhe von 〈wenn es hoch kommt, zur Forderung einer Ethik der technischen Welt.〉 **** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, links von der Randnotiz »Kybernetik !«, auf der Höhe von 〈Welt als das Ganze vorstellen, worin Atomenergie, rechnende〉. S. 305 * HE [1]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich mit Kreis, bezogen auf folgenden Satz: 〈Man überhört den Anspruch des Seins, der im Wesen der Technik spricht.〉 ** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne », auf die Steuerung«. *** HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: mit Komma. **** HE [1]: Verbindungslinie zwischen »›Sein‹« und »ereignet«, Pfeil  auf »ereignet«. ***** HE [2]: Pluszeichen hinter »Ge-stell«. S. 306 * HE [1]: Randmarkierung: senkrecht geschlängelte Linie, bezogen auf folgende Passage: 〈Dann stünde gar

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das Sein unter der Herausforderung, das Seiende im Gesichtskreis der Berechenbarkeit erscheinen zu lassen? In der Tat. Und nicht nur dies.〉 Siehe hierzu und im Folgenden Beilageblatt [1] aus Bündel 2 zu »Der Satz der Identität«, in vorliegender Ausgabe S. 366. HE [2]: Verweisungszeichen: ×–× mit Rückbezug zu S. 23 der Erstausgabe; vgl. Anm. ***** zu S. 300. Bettina von Arnim, Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde, in: Dies., Werke und Briefe in vier Bänden, hrsg. von Walter Schmitz und Sibylle von Steinsdorff, Frankfurt a. M., Deutscher Klassiker Verlag, 1992, Bd. 2, S. 544. HE [1]: Andere Lesart: »freilich keinem zugestanden«, oder: »freilich keinem Fragen zugestanden«.

S. 307 * HE [2]: Randmarkierung: Pfeil  auf 〈»seiender«〉. S. 308 * HE [1]: Umrahmung: 〈einzukehren in das〉. ** HE [1]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe des ganzen Satzes. *** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, ab 〈Das Wort Ereignis〉 bis 〈als Singulare tantum gebraucht.〉 **** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Vorspiel〉 kursiv. Andere Deutung: Doppeltbetonung von 〈Vorspiel〉. Ein Brief von Joan Stambaugh bezieht sich auf diese Stelle, siehe in vorliegender Ausgabe S. 460 f., Anm. * zu S. 348. ***** HE [1]: Andere Lesart: »wie Kehre ins Es«. ****** Vgl. Heideggers Notizen, in dieser Ausgabe S. 372 (Bündel 3, Beilageblatt 1 unten).

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S. 309 * HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Verweisungszeichen F–F, bezogen auf den ganzen Satz. In HE [1] findet sich zu dieser Stelle eine Beilage. Siehe in dieser Ausgabe unter »Identität / Vortrag«, S. 370 [Beilageblatt 8]. ** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, auf der Höhe von 〈Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches〉. HE [2]: Randmarkierung: Längsstrich mit unklarer Randbemerkung: »Vo[?]trg« [Vortrag] [?] oder »Vhg« [Verhängnis] [?]. *** HE [1]: Unklare Korrekturanweisung M.H. Der korrigierte Satzteil sollte vermutlich lauten: 〈auf ein abgelegen Allgemeines zu richten〉. **** HE [1]: Randmarkierung: Verweisungszeichen F–F, bezogen auf diesen Satzteil. S. 310 * HE [1]: Randmarkierungen: zwei schließende spitze Klammern, auf der Höhe von 〈Mensch und Sein einander in ihrem Wesen erreichen〉 und 〈sich schwingenden Bereiches bauen.〉 ** HE [1]: Pfeil £ von 〈schwebenden〉 zu〈schwingenden〉. *** HE [1]: Umrahmung: 〈Sprache〉. **** Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, 132003. In der HGA: Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 12), 1985, 22018. HE [1]: Von der Randnotiz ausgehender doppelseitiger Pfeil . ***** HE [1]: Randmarkierung: Kreis. S. 347 * HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈sondern das Seiende seinerseits auf seine Weise das Sein gründet, es verursacht. Solches vermag das Seiende nur, insofern es die Fülle des Seins »ist«: als das Seiendste.〉 ** HE [1]: Kreismarkierung über 〈Austrag〉. *** Rene´ Descartes, Discours de la me´thode, texte et commentaire par Etienne Gilson, Paris, Librairie J. Vrin, 1947, S. 14–15: »Je re´ussirais a` conduire ma vie beaucoup mieux que si je ne baˆtissais que sur de vieux fondements, et que je ne m’appuyasse que sur les principes que je m’e´tais laisse´ persuader en ma jeunesse, sans avoir jamais examine´ s’ils e´taient vrais. […] Jamais mon dessein ne s’est e´tendu plus avant que de taˆcher a` re´former mes propres pense´es, et de baˆtir dans un fonds qui est tout a` moi.«

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S. 348 * HE [1] enthält als Beilagen zwei handschriftliche Briefe des Übersetzers Andre´ Pre´au und der Übersetzerin Joan Stambaugh an Martin Heidegger, die sich auf diese Stelle beziehen. Andre´ Pre´au übersetzte Identität und Differenz ins Französische: Martin Heidegger, Identite´ et diffe´rence, traduit par Andre´ Pre´au, Paris, Gallimard, 1968. Zum ersten Teil des Briefes (hinsichtlich der Übersetzung von »begründen«) von Pre´au siehe Anm. ** zu S. 334. Der Brief lautet: Soustons, le 27 mars 1967 Monsieur, Je m’excuse de venir a` nouveau vous de´ranger; mais j’ai e´te´ charge´ de traduire »Identität und Differenz« et je ne vois pas comment je pourrais me dispenser de vous consulter au sujet des sept points du questionnaire que je prends l’extreˆme liberte´ de vous adresser ci-joint. Pour begründen, la difficulte´ n’est pas tant de trouver un e´quivalent franc¸ais que de saisir la diffe´rence entre gründen et begründen. Quelque mot que j’emploie, il sugge´rera une distinction qui peut-eˆtre ne sera pas la voˆtre. Ge´ne´ralement man begründet etwas, das schon da ist (ein Urteil, z. B., oder einen Gesetzentwurf). »Etablir«, en ce cas, pourrait convenir; mais je doute que ce soit bien la` le sens que vous donnez a` begründen dans votre texte. Pour Austrag, au contraire, mes deux propositions me paraissent acceptables. C’est seulement si vous les rejetiez l’une et l’autre que je ferais appel a` votre grande bonte´ et vous prierais de vouloir bien me donner »einen Wink«.

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Je joins a` cette lettre un coupon-re´ponse international. Il me reste a` vous pre´senter, cher Monsieur, d’avance mes plus vifs remerciements, en vous priant de vouloir bien agre´er e´galement l’expression de mes sentiments de since`re admiration et de respectueux de´vouement. Pre´au Joan Stambaugh übersetzte Identität und Differenz ins Englische: Martin Heidegger, Identity and Difference, translated by Joan Stambaugh, New York / Evanston / London, Harper and Row, 1969. Der Brief lautet: den 8. Dezember 1968 Sehr geehrter Herr Professor, der Austrag bietet immer noch Schwierigkeiten. Mir ist gesagt worden, dass die Hauptbedeutung darin liege, dass etwas entschieden, erledigt, auch vermittelt werde. In dem, was ich gelesen habe, kann ich diese Bedeutung des ein-für-allemal, endgültig Erledigtwerdens nicht finden. So habe ich eine Frage an Sie. In unserem Gespräch im vorigen August erwähnten Sie den Ausdruck »Platzhalter des Nichts« in Zusammenhang mit dem Austrag. (Ich verbinde mit Austrag auch »Inständigkeit«). Ist nicht der Austrag ein (in-)ständiges Austragen [Unterstreichung M.H.] das Überkommnis und Ankunft auseinanderhält, ohne [Unterstreichung M.H.] vorwiegend auf ein Ende (worin etwas entschieden wird) ausgerichtet zu sein? Mir scheint die Möglichkeit einer Entscheidung, wenn überhaupt, eher auf das Ge-Stell »als Vorspiel dessen, was Er-eignis heisst« (S. 29) zuzutreffen. Da460

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gegen scheint mir das Entscheidungselement zu fehlen, wenn Sie z. B. sagen: »Der Austrag ist ein Kreisen, das Umeinanderkreisen von Sein und Seiendem« (S. 68). Vielleicht sind diese beiden Möglichkeiten des Aufeine-Entscheidung Ausgerichtetseins und des ständigen, nie nachlassenden Aus-haltens Ihrem Gedanken nicht ganz angemessen. Aber ich muss mich in der Übersetzung für eine oder die andere Sinnesrichtung entscheiden und wäre Ihnen daher für einige Zeilen sehr dankbar, die mir helfen könnten. Mit freundlichen Grüssen, Joan Stambaugh ** HE [1]: Randmarkierung: senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil  auf diese Randbemerkung. S. 349 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizischen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Bd. VII: Scientia Generalis, Philosophische Abhandlungen, Streitschriften zwischen Leibniz und Clarke, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin, Weidmann’sche Buchhandlung, 1931, S. 289 ff. ** Martin Heidegger, Der Satz vom Grund, a. a. O., 1957, S. 51f. Siehe auch Anm. **** zu S. 334. *** HE [2]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. **** Martin Heidegger, »Die Metaphysik als Geschichte des Seins«, in: Ders., Nietzsche II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, 6., aktualisierte Auflage 1998, S. 363–416, hier S. 414 passim. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Metaphysik als Geschichte des

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Seins«, in: Ders., Nietzsche II, Text der durchgesehenen Einzelausgabe hrsg. von Brigitte Schillbach, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 6.2), 1997, S. 363 – 416, hier S. 414 passim. ***** HE [2]: Randmarkierung: Kreuz. S. 350 * HE [2]: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer 〈〉

Fragezeichen Ausrufezeichen Gleichheitszeichen Ungleichheitszeichen diverse Verbindungslinien öffnende eckige Klammer schließende eckige Klammer öffnende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) schließende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) editorische Klammern zur Markierung von Heideggers gedruckten Texten (von den Herausgebern verwendet)

VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN

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NACHWORT DER HERAUSGEBER »Ich habe einen früheren Standpunkt verlassen, nicht um dagegen einen anderen einzutauschen, sondern weil auch der vormalige Standort nur ein Aufenthalt war in einem Unterwegs. Das Bleibende im Denken ist der Weg. Und Denkwege bergen in sich das Geheimnisvolle, daß wir sie vorwärts und rückwärts gehen können, daß sogar der Weg zurück uns erst vorwärts führt.« Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 98 f.

Grundlage der in dieser vierbändigen Ausgabe aufgenommenen Schriften Martin Heideggers sind die Erstausgaben und die entsprechenden durch dessen Randnotizen erweiterten Handexemplare. Sie reichen von kleineren Einzelpublikationen mit ganz wesentlichen Themen wie Gelassenheit oder Was ist das, die Philosophie? über die Sammlung Vorträge und Aufsätze bis zu den großen Buchpublikationen Der Satz vom Grund und Unterwegs zur Sprache. Sie gelten als Schlüsseltexte nicht nur für das Denken Martin Heideggers, sondern für die Philosophie des 20. Jahrhunderts. Heidegger hatte diese Schriften für ein akademisches wie auch für ein breiteres Publikum bestimmt. Er selbst hat sie ausgewählt und zur Publikation vorbereitet. Sie wurden zu seinen Lebzeiten vom Verlag Günther Neske veröffentlicht. Diese Schriften haben entscheidend zu seinem Weltruhm beigetragen und bieten einen repräsentativen Einblick in die Vielfalt und Vielschichtigkeit seines Denkens, das sich in leicht verständlichen Beiträgen wie Hebel – der Hausfreund ebenso erschließt wie in anspruchsvollen Schriften, beispielsweise Identität und Differenz.

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Die Herausgeber haben sich entschieden, die in diesem Band versammelten kleinen Veröffentlichungen thematisch und nicht chronologisch zu präsentieren, um den Lesern den Einstieg in Heideggers Denkwege zu erleichtern. Da jede der hier versammelten Schriften ursprünglich als Einzelpublikation erschienen ist, wurde jeweils eine eigene Editorische Notiz mit Erläuterungen zum jeweiligen Text und der entsprechenden Handexemplare hinzugefügt. In diesem Band sind alle kleineren Schriften, die Martin Heidegger zwischen 1954 und 1962 im Verlag Günther Neske in Pfullingen veröffentlicht hat, versammelt: Aus der Erfahrung des Denkens (1954) Was ist das – die Philosophie? (1956) Identität und Differenz (1957) Hebel – der Hausfreund (1957) Gelassenheit (1959) Die Technik und die Kehre (1962) Diese Erstausgaben wurden dann in mehreren Auflagen unverändert vom Verlag Günther Neske und ab 1993 vom Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, nachgedruckt. In der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA) im Verlag Vittorio Klostermann sind diese Schriften in folgenden Bänden erschienen: Aus der Erfahrung des Denkens und Hebel – der Hausfreund in HGA Bd. 13: Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., 1983, S. 75 – 86 und S. 133–150. Was ist das – die Philosophie? und Identität und Differenz in HGA Bd. 11: Identität und Differenz, hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., 2006, S. 3 – 26 und S. 27 –110. Der erste Text des Einzelbandes Gelassenheit mit dem

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Titel »Gelassenheit« erschien in HGA Bd. 16: Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., 2000, S. 517 – 529. Der zweite Text mit dem Titel »Zur Erörterung der Gelassenheit. Aus einem Feldweggespräch über das Denken« erschien in HGA Bd. 13: Aus der Erfahrung des Denkens, a. a. O., S. 37 – 74. Der erste Text des Einzelbandes Die Technik und die Kehre mit dem Titel »Die Frage nach der Technik« erschien in HGA Bd. 7: Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., 2000, S. 5 – 36. Der zweite Text mit dem Titel »Die Kehre« erschien in HGA Bd. 79: Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., 1994, S. 68 – 77. Folgende Texte wurden in der Heidegger-Gesamtausgabe erweitert um die Ergänzungen und Korrekturen, die Heidegger in verschiedenen Handexemplaren seiner Veröffentlichungen angebracht hatte: Was ist das – die Philosophie?, Identität und Differenz und Die Technik und die Kehre. Die anderen kleinen Schriften wurden in der HGA ohne Heideggers Annotationen veröffentlicht. In Heideggers Handexemplaren befinden sich die Ergänzungen und Korrekturen meist am Rand des gedruckten Textes oder auf eingelegten Blättern. Sie enthalten zusammenhängende Reflexionen und Kommentare, Exzerpte, stichwortartige Bemerkungen sowie Seitenangaben oder durch besondere Zeichen markierte Hervorhebungen und Verweise. Für die hier vorliegende Ausgabe unter dem Titel Kleine Schriften wurden Heideggers Beilageblätter, Korrekturen und Randnotizen in allen Schriften anhand der annotierten Handexemplare überprüft und gegebenenfalls vervollständigt. Erstmals aufgenommen wurden Heideggers auf den

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Nachsatzpapieren seiner Handexemplare notierten Stichwortverzeichnisse. Auch einige Notizen und Briefe, die Heidegger in seinen Handexemplaren eingelegt hat, wurden erstmals aufgenommen. Ebenfalls zum ersten Mal erfasst wurden Heideggers handschriftliche Seitenverweise seiner Handexemplare. Sie beziehen sich überwiegend auf die Seitenzahlen der Erstausgaben bei Neske, auf deren Paginierung sich auch ein Großteil der Forschung bibliographisch bezieht. In der vorliegenden Ausgabe wird daher die ursprüngliche Paginierung der Erstausgaben an den Seitenrändern des Haupttextes in eckigen Klammern [ ] wiedergegeben. Die Seitenumbrüche sind jeweils durch einen Mittelstrich gekennzeichnet. Auf diese Weise lassen sich auch die Bezüge, die Heidegger mittels interner Seitenverweise und anderer Verweisungszeichen hergestellt hat, leichter auffinden. Außerdem wurden Heideggers Randmarkierungen, Unterstreichungen und durch besondere Zeichen markierte Textstellen erstmals berücksichtigt. Sie heben bestimmte Textstellen hervor und verweisen auf Zusammenhänge innerhalb des Textes. Sie sind für die Rezeption von Interesse, weil Martin Heidegger selbst diese Bezüge hergestellt hat. Heideggers Annotationen verdeutlichen innere Zusammenhänge seiner Philosophie und belegen, dass er sein Denken fortwährend überdacht hat: »ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage«. Mit diesen Worten charakterisierte er in einem Entwurf zum Vorwort der Gesamtausgabe den »Wegcharakter des Denkens«: »Die Gesamtausgabe soll auf verschiedene Weisen zeigen: ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage. Die Gesamtausgabe soll dadurch anleiten, die Frage aufzunehmen, mitzufragen und vor

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allem dann fragender zu fragen. Fragender fragen – d. h. den Schritt zurück vollziehen; zurück vor den Vorenthalt; zurück in das nennende Sagen (›zu-rück‹ als Wegcharakter des Denkens, nicht zeitlich-historisch).«1 Im Haupttext der vorliegenden Ausgabe werden Heideggers Annotationen mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht und auf derselben Seite als Fußnoten des Haupttextes präsentiert. Die arabisch nummerierten Fußnoten stammen von Martin Heidegger. Der Wortlaut der Erstausgaben wird im Haupttext exakt wiedergegeben – mit Ausnahme von abgekürzten Namen und von eindeutigen und eigenhändigen Korrekturanweisungen Martin Heideggers, die sich auf Druckfehler in den Erstausgaben und den Nachauflagen beziehen. In diesen eindeutigen Fällen wurden Heideggers Korrekturen auch im Haupttext übernommen. In den Editorischen Anmerkungen – im Haupttext mit Sternchen (z. B. *) markiert – wird jeweils auf die Änderungen hingewiesen. Die Herausgeber haben sich im Bemühen um eine philologisch exakte Wiedergabe der Texte, die in diese vierbändige Kassette aufgenommen wurden, an folgende Richtlinien gehalten: – Heideggers Annotationen sind mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht. – Sternchenmarkierungen (z. B. *) verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare der Herausgeber, die im editorischen Anhang zu finden sind. 1

Martin Heidegger, Gesamtausgabe, I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914–1970, Band 1: Frühe Schriften (1912 – 1916), hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 1), 1978, 22018, S. 437.

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– Alle Texte wurden unverändert in der Rechtschreibung und Zeichensetzung der Erstausgaben wiedergegeben. – Abweichungen in der Orthographie und Zeichensetzung wurden im editorischen Anhang kommentiert. – Handschriftliche Korrekturzeichen Heideggers wurden berücksichtigt und im editorischen Anhang ausgewiesen. – Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie »Her-vor-bringen« oder »Ge-stell«, »In-sichberuhen« oder »In-die-Nähe-hinein-sich-einlassen« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesen Fällen wurden die für Martin Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. – Im Unterschied zu den gedruckten Erstausgaben wurden im Haupttext zum besseren Verständnis alle Namen ausgeschrieben. – Spruchzitate aus antiken Quellen sowie Gedichtzitate wurden – wenn sie vom Text abgesetzt sind – kursiviert. – Gesperrt Gedrucktes wurde kursiviert bzw. innerhalb von kursiv Gedrucktem recte gesetzt. – Handschriftliche Unterstreichungen Heideggers wurden kursiv gesetzt. – Handschriftliche Doppeltunterstreichungen Heideggers wurden mit einfacher Unterstreichung und kursiv wiedergegeben. – Handschriftliche Durchstreichungen Heideggers (z. B. Sein × ) wurden als solche dargestellt. – Hervorhebungen anderer Art werden in den Editorischen Anmerkungen beschrieben. – Textvarianten, die durch Heideggers Ergänzungen, Tilgungen, Markierungen u. ä. in seinen Handexemplaren hinzugekommen sind, wurden in den Fußnotenteil aufgenommen. In besonderen Fällen weisen die Heraus-

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geber im editorischen Anhang ausdrücklich auf die Art der Varianten hin. Um die handschriftlichen Varianten nachvollziehbar zuordnen zu können, wurden – wenn nötig – einzelne Wörter oder Satzteile des gedruckten Haupttextes im Fußnotenteil wieder aufgenommen. Diese Wörter oder Satzteile werden in editorischen Klammern 〈 〉 eingefasst, wobei gegebenenfalls handschriftliche Annotationen wie Kursivierung, Anführungszeichen, Doppelpunkte, Klammern oder Divis einbezogen werden. Bei handschriftlichen Zeichen Heideggers wie doppelter Längsstrich, Kreis, Kreuz oder Pluszeichen wird in den Editorischen Anmerkungen (Sternchenmarkierung) im Anhang die Art der Hervorhebung beschrieben. Dabei werden gegebenenfalls die markierten Textteile in editorischen Klammern 〈 〉 wieder aufgenommen. Auf Heideggers Markierungszeichen (wie Kreis, durchstrichener oder durchkreuzter Kreis, Kreuz, Längsoder Querstrich sowie Pluszeichen) wird nur dann eigens hingewiesen, wenn das Zeichen keine Zuordnungsfunktion zu einer Randbemerkung hat. Heidegger hat in seinen Handexemplaren gelegentlich verschiedene Farben verwendet, was auf thematische Zuordnungen oder verschiedene Phasen der Bearbeitung hinweisen könnte. Jeder farblichen Differenzierung wird in den vorliegenden Bänden dieser Kassette eine eigene Fußnote zugeordnet. Ausnahmen bilden verschiedenfarbige Hervorhebungen innerhalb eines Satzes oder unmittelbar aufeinanderfolgender Sätze, für die in der Regel nur eine Fußnote verwendet wird. Auf besondere Hervorhebungen wird in den Editorischen Anmerkungen eigens hingewiesen. Soweit möglich wurden die von Heidegger zitierten

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Texte anhand der von ihm verwendeten Ausgaben seiner Bibliothek überprüft und im editorischen Anhang dieser Ausgabe in ihrem jeweiligen Kontext zitiert und ergänzt. Zusätze in eckigen Klammern [ ] im Haupttext dieser Ausgabe stammen von Martin Heidegger. Zusätze in eckigen Klammern im Fußnotenteil des Haupttextes sowie in den Abschnitten »Heideggers Notizen« und »Heideggers Stichwortverzeichnisse« stammen – falls nicht anders angemerkt – von den Herausgebern. Abkürzungen in handschriftlichen Texten Heideggers wurden in eckigen Klammern von den Herausgebern vervollständigt. Nur die Abkürzung »u.« wurde in »und« aufgelöst. Unsichere Lesarten wurden mit [?] gekennzeichnet und gegebenenfalls im editorischen Anhang (Sternchenmarkierung) kommentiert. Wichtige Abkürzungen und weitere Zeichen, die in dieser vierbändigen Ausgabe verwendet werden, finden sich unmittelbar vor diesem Nachwort im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen.

Den Nachlassverwaltern, Dr. Hermann Heidegger (1920 – 2020) und Arnulf Heidegger, möchten wir für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen und Detlev Heidegger sind wir überdies für die Bereitstellung von Handexemplaren sowie für ihre Hilfe bei der Entzifferung der handschriftlichen Notizen von Martin Heidegger zu Dank verpflichtet. Für ihr sorgfältiges Korrekturlesen sprechen wir Jutta Heidegger (1929– 2020) unseren besonderen Dank aus. Prof. Dr. Dr. Günther Neumann danken wir für die Durchsicht und Korrektur der griechischen Zitate. 484

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Für ihre Hilfe bei der Durchsicht und Bereitstellung des Archivmaterials aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach danken wir Gudrun Bernhardt, Dr. Julia Maas und M. A. Simone Waidmann. Ganz besonderen Dank schulden wir Marion Winter (Esslingen) und Thomas Ziegler (pagina, Tübingen) für ihre aufmerksame Hilfe bei den Korrekturen und für die unermüdliche Zusammenarbeit. Ebenso danken wir dem Verlag Klett-Cotta, dem Verleger Dr. h. c. Michael Klett, dem verlegerischen Geschäftsführer Tom Kraushaar und dem Lektor Dr. Johannes Czaja. Wir hoffen, dass diese Ausgabe die Erforschung des Denkens von Martin Heidegger erweitert und vertieft. Alfred Denker (Sevilla, Messkirch) Dorothea Scholl (Kiel, Tübingen) Stuttgart, den 26. Mai 2021