Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank [1 ed.] 9783428464142, 9783428064144


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Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank [1 ed.]
 9783428464142, 9783428064144

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Beihefte zu / Supplements to

Heft 10

Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank Herausgegeben und eingeleitet von Werner Ehrlicher und Diethard B. Simmert

Duncker & Humblot · Berlin

Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank

Beihefte zu Kredit und Kapital Heft 10

Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank

Herausgegeben und eingeleitet von Werner Ehrlicher · Diethard B. Simmert

Duncker & Humblot · Berlin

Redaktion: Claudia Albrecht, Freiburg i. Br.

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank / hrsg. u. eingel. von Werner Ehrlicher; Diethard B. Simmert. — Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Beihefte zu Kredit und Kapital; H. 10) ISBN 3-428-06414-3 NE: Ehrlicher, Werner [Hrsg.]; Kredit und Kapital / Beihefte

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06414-3

Inhaltsverzeichnis

Werner Ehrlicher, Freiburg i. Br., und Diethard B. Simmert, Frankfurt a. M.: Einführung

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Α. Geldpolitik in alternativen Konzepten

Helmut Schlesinger, Frankfurt a. M.: Das Konzept der Deutschen Bundesbank

3

Dieter Duwendag, Speyer: Das Konzept der Deutschen Bundesbank: Zwischen Geldmengenzielen und zinspolitischer Flexibilität

21

Rüdiger Pohl, Hagen: Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik: Eine Bestandsaufnahme

..

37

Manfred J. M. Neumann, Bonn: Geldpolitik: Nichtneutralität als Problem

61

B. Die geldpolitischen Instrumente Willy Friedmann, Frankfurt a. M.: Die Mindestreserve im deutschen Finanzsystem

79

Meinhard Carstensen, Frankfurt a. M.: Gedanken zur Mindestreservepolitik aus der Sicht der Geschäftsbanken

93

Karl Thomas, Frankfurt a. M.: Das Verhältnis von Refinanzierungs- und Offenmarktpolitik

109

Inhaltsverzeichnis

VI Helmut Geiger, Bonn:

Das Verhältnis von Refinanzierungs- und Offenmarktpolitik

129

Karl-Heinrich Hansmeyer, Köln: Von der fiskalischen zur staatswirtschaftlichen Komponente

143

Reinhard Pohl, Berlin: Die außenwirtschaftliche Komponente der Geldversorgung

177

C. Ordnungspolitische und wirkungstheoretische Aspekte Otmar Issing, Würzburg: Das geldpolitische Instrumentarium unter dem Aspekt der Wettbewerbsneutralität

219

Robert Schwebler, Karlsruhe: Geldpolitik und Finanzintermediäre, dargestellt am Beispiel sicherungswirtschaft

der Ver241

Hans-Hermann Francke, Hamburg: Der Einfluß von Finanzinnovationen auf die Effizienz der Geldangebotskontrolle und des geldpolitischen Instrumentariums

263

Norbert Kloten und Peter Bofinger, Stuttgart: Geldpolitik in einem europäischen Finanz-Binnenmarkt

Verzeichnis der Autoren

277

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Einführung In der Währungsgeschichte der Nachkriegszeit stellt der definitive Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods im Jahre 1973 eine entscheidende Zäsur dar. Zwar gewannen die Notenbanken im Rahmen des Systems flexibler Wechselkurse nicht den uneingeschränkten Handlungsspielraum für eine autonome binnenwirtschaftlich orientierte Politik, den die Befürworter dieses Systems aus den Kreisen der Wissenschaft und der Politik erwartet hatten. Konzepte und Instrumente der Notenbankpolitik erfuhren in der Folge aber doch in vielen Ländern entscheidende Wandlungen. Die Bundesbank reagierte auf die veränderten Bedingungen relativ bald mit dem Übergang zum Geldmengenkonzept und zur Bekanntgabe von Geldmengenzielen. In der Geldversorgung schlug sich die Aufhebung der Verpflichtung zum Ankauf von Devisen in einer Gewichtsverlagerung von der außenwirtschaftlichen zu den binnenwirtschaftlichen Geldschöpfungskomponenten nieder. Dabei stand zunächst die Rediskont-, später die Offenmarktkomponente im Vordergrund. Die Bundesbank griff dabei nicht auf traditionelle Formen der Offenmarktpolitik zurück, sondern entwickelte neue Instrumente, um den wachsenden Anforderungen an eine flexible Geldpolitik gerecht zu werden. Verfolgt man diese Wandlungen, dann findet man die von Henry C. Wallich in einem früheren Beiheft vertretene These* bestätigt, daß theoretische Ideen, historische Erfahrungen und das Wirken der Marktkräfte die Wandlungen der Währungssysteme bestimmen. In diesem Beiheft soll die jüngere Entwicklung der Geldordnung in der Bundesrepublik, wie sie durch diese drei Einflußfaktoren geprägt wurde, dargestellt werden. Die einzelnen Beiträge sind zu folgenden Themenkomplexen geordnet: A. Geldpolitik in alternativen Konzepten B. Die geldpolitischen Instrumente C. Ordnungspolitische und wirkungstheoretische Aspekte. Der erste Themenbereich „Geldpolitik in alternativen Konzepten" wird von Helmut Schlesinger eingeleitet, der in seinem Aufsatz „Das Konzept der Deutschen Bundesbank" auf die gegenwärtige Position der bundesdeutschen Notenbank und die Bestimmungsgründe ihrer Entwicklung eingeht. Zentraler Grundgedanke dabei ist, daß Konzeptionen ökonomischer Entschei* Wallich, Henry C.: Forces that Drive International Monetary Evolution, in: Geldund Währungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Beiheft 7 zu Kredit und Kapital, hrsg. von W. Ehrlicher und Diethart B. Simmert, Berlin 1982, S. 19 ff.

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Werner Ehrlicher und Diethard B. Simmert

dungsträger wie der Deutschen Bundesbank nicht losgelöst von der sich ständig verändernden gesamtwirtschaftlichen Situation entstehen. Vor diesem Hintergrund wird die Entwicklung der drei wichtigsten Elemente der aktuellen deutschen Geldpolitik beleuchtet: Die Verantwortung für die Geldwertstabilität, die Idee von der monetären Verstetigungsstrategie und die Konstruktion der Zwischenzielgröße „Zentralbankgeldmenge". Bei der anschließenden Erörterung des Wandels im Instrumenteneinsatz wird betont, daß er eher eine situationsbezogene pragmatische Ausrichtung als eine dogmatische theoretische Grundhaltung widerspiegelt. Die dabei praktizierte Kombination von Zins- und Mengenpolitik sowie der seit einigen Jahren verstärkte Einsatz flexibler Feinsteuerungsinstrumente hat einer zielkonformen Geldmengenorientierung nicht widersprochen und mit der Erreichung der Preisniveaustabilität im Jahre 1986 Erfolg gezeigt. I n dem sich anschließenden Beitrag „Das Konzept der Deutschen Bundesbank: Zwischen Geldmengenzielen und zinspolitischer Flexibilität" untersucht Dieter Duwendag, ob trotz der Orientierung der Deutschen Bundesbank an einem Geldmengen-Zwischenziel der zinspolitische Handlungsspielraum der Notenbank aufrecht zu erhalten ist. Zinspolitisch bedingte Verletzungen des Geldmengenzieles lassen sich prinzipiell dadurch gering halten, daß zum einen Zielkorridore eingeführt werden und zum anderen bei der Wahl des monetären Zwischenziels die Kriterien der maximalen Einkommens-Zinselastizitäten-Relation und der minimalen Varianz beachtet werden. In der Analyse kommt Duwendag zu dem Ergebnis, daß die Bundesbank mit der Entscheidung für das Konstrukt der Zentralbankgeldmenge diesen Kriterien Rechnung getragen und sich damit in — verglichen mit anderen Geldmengenkonzeptionen — hohem Maße einen zinspolitischen Handlungsspielraum gesichert hat. Während Schlesinger und Duwendag zu einem Urteil kommen, das insgesamt die aktuelle geldpolitische Konzeption der Deutschen Bundesbank bestätigte, fordert Rüdiger Pohl in einer grundsätzlichen Kritik ein Überdenken der gegenwärtigen Politik. In der Abschottungshypothese des Flexkurssystems, der primären Ausrichtung an der. Preisniveaustabilisierung und einer Strategie der Minimierung des Informationsbedarfs sieht Pohl die drei Grundpfeiler der geldpolitischen Konzeption der siebziger und ersten achtziger Jahre. Er erläutert, warum diese Grundelemente sich nach seiner Auffassung nicht als tragfähig erwiesen haben, und schlägt als entsprechende Alternativen dazu das Postulat der internationalen Kooperation, die Berücksichtigung der Interdependenzen von Preis- und Mengenentwicklungen und die umfassende Ausschöpfung aller Informationen zur Reduzierung der Erwartungsunsicherheiten vor. Demgegenüber begründet Manfred J. M. Neumann in seinem Aufsatz „Geldpolitik: Nichtneutralität als Problem" seine Kritik an der Bundesbank

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von einem politökonomischen Ansatz her. Weil Änderungen der Geldmenge kurzfristig die relativen Preise und die Ressourcenverteilung zwischen privatem Sektor und Staat verändern, erliegt die Geldpolitik dem Anreiz und dem politischen Druck, die Geldwertstabilisierung immer wieder zu Gunsten der Beeinflussung realer Prozesse zurückzustellen. Anhand neuerer theoretischer Entwicklungen wird gezeigt, daß Geldpolitik die gewünschten Realeffekte langfristig nicht erreichen kann, sondern nur Inflation bewirkt. Die politökonomische Sicht dieser Zusammenhänge führt Neumann zu dem Schluß, daß die Kaufkraft des Geldes nur durch eine in der Verfassung des Landes abgesicherte Regelbindung dauerhaft bewahrt werden kann. Der zweite Themenkomplex „Die geldpolitischen Instrumente" behandelt die einzelnen Komponenten der Zentralbankgeldversorgung. Kontrovers diskutiert — einmal aus der Sicht der Deutschen Bundesbank und zum anderen von der Position der privaten Kreditwirtschaft aus — werden die Mindestreservepolitik und das Verhältnis von Refinanzierungs- und Offenmarktpolitik. Daran schließen sich die Behandlung der fiskalischen Komponente der Geldversorgung sowie die Problematisierung der außenwirtschaftlichen Geldschöpfungskomponente an. In seinem Beitrag „Die Mindestreserven im deutschen Finanzsystem" beleuchtet Willy Friedmann die Position der Deutschen Bundesbank, die der Mindestreserve eine Doppelfunktion als kurzfristiger „Liquiditätspuffer" und längerfristige „Geld- und Kreditschöpfungsbremse" zuschreibt. Beides zusammengenommen erlaubt der deutschen Geldpolitik, glättend auf den Geldmarkt und damit verstetigend auf die Zinsentwicklung einzuwirken, ohne dadurch zugleich die Kontrolle über den monetären Expansionsprozeß zu riskieren. Hier liegt aus Sicht der Deutschen Bundesbank der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Mindestreserven, der den Kostenbelastungen der Banken gegenüberzustellen ist und diese in neuem Licht erscheinen läßt. So bezeichnet Friedmann die Mindestreserve in der Bundesrepublik als ein im Ergebnis konstitutives Element eines leistungsfähigen Finanzsystems. Demgegenüber stellt Meinhard Carstensen in seinem Aufsatz „Gedanken zur Mindestreservepolitik aus der Sicht der Geschäftsbanken" die nachteiligen Effekte auf den Finanzplatz Bundesrepublik im internationalen Umfeld heraus. Aus der Sicht der Geschäftsbanken ist ein Mindestreserveabbau auch geldpolitisch akzeptabel, da die Mindestreservepolitik kaum zur monetären Feinsteuerung eingesetzt wird und die Begrenzung des Geldschöpfungsprozesses auch allein durch das Bargeld erfüllt werden kann. Zur Vermeidung abrupter Störungen schlägt Carstensen einen graduellen Reserveabbau über einen längeren Zeitraum hinweg vor und regt an, die Mindestreserven in dieser Übergangszeit zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit angemessen zu verzinsen.

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„Das Verhältnis von Refinanzierungs- und Offenmarktpolitik" wird von Karl Thomas aus der Sicht der Deutschen Bundesbank, von Helmut Geiger aus Sicht der Kreditwirtschaft beleuchtet. Beide heben hervor, daß die Offenmarktpolitik — insbesondere über Wertpapierpensionsgeschäfte — in den letzten Jahren unter dem Einfluß der Devisenmärkte und der Interventionspolitik auf diesen Märkten zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Thomas betont, daß die Offenmarktgeschäfte geldmarktpolitisch prinzipiell ein hohes Maß an Flexibilität gewähren und den besonderen Vorzug haben, daß Initiative und Bemessung der Quantitäten bei der Zentralbank liegen und damit eine Steuerung nach den kurzfristig sehr stark wechselnden Liquiditätsverhältnissen erlauben. Das Volumen des Rediskontkredits, der nach wie vor eine wichtige Stütze der Refinanzierung darstellt, enthält eine hohe innere Liquidität und Zinsreagibilität, die Diskontsatzänderungen rasch effektiv machen. Wechselkredite hätten aber eher Bedeutung als Mittel einer dauerhafteren Geldversorgung, weniger als Instrument der Geldmarktsteuerung. Helmut Geiger hebt hervor, daß der Offenmarktpolitik vor allem deshalb eine wachsende Bedeutung zukommt, weil durch sie zunehmende Störeinflüsse, zu denen insbesondere die instabilen Devisenzuflüsse und der schwankende Bundesbankgewinn gehören, ausgeglichen werden können. Wettbewerbsneutralität, geringer technischer Aufwand und der marktwirtschaftliche Charakter führen zu einer hohen Akzeptanz der Offenmarktpolitik durch die Kreditwirtschaft. In der Diskontpolitik sieht Geiger keine dem heutigen Umfeld mehr angemessene Geldschöpfungskomponente. Unpräzise und verzögerte Wirkungen sowie eine Tendenz zur Wettbewerbsverzerrung führen zu seiner Forderung, als Alternative zum Diskontkredit den flexibleren und mit geringerem technischen Aufwand handhabbaren Lombardkredit auszuweiten und diesen mit den Offenmarktgeschäften zu verknüpfen. Karl-Heinrich Hansmeyer überschreibt seine Untersuchung „Von der fiskalischen zur staatswirtschaftlichen Komponente". Er will damit andeuten, daß die Geldschöpfung der Bundesbank, die auf staatliches Handeln oder die Ausführung staatlicher Normen zurückzuführen ist, heute nicht mehr nur der staatlichen Einnahmeerzielung, sondern einem breiten Zielbündel dient. Hansmeyer stellt zunächst — weit in die Geschichte zurückgreifend — die Herkunft der verschiedenen Elemente der fiskalischen Geldschöpfungskomponente dar. Anschließend untersucht er ihre geldpolitische Problematik, wobei er feststellt, daß die bis Ende der sechziger Jahre im Vordergrund stehende Frage des Kreditplafonds heute kaum noch Bedeutung habe; in der Folge seien als neue Probleme die Offenmarktpolitik mit langfristigen Titeln und die Ausschüttung des Bundesbankgewinns hinzugekommen. Abschließend beschäftigt er sich mit den längerfristigen Strukturwandlungen, die ihn

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zur Uminterpretation der fiskalischen in eine staatswirtschaftliche Komponente anregen; er widmet dabei insbesondere zwei Problemen besondere Aufmerksamkeit: der Anreicherung der Refinanzierungskomponente mit staatswirtschaftlichen Elementen und der Verlagerung von Problemen aus der fiskalischen in die außenwirtschaftliche Komponente. Reinhard Pohl untersucht in seinem Beitrag „Die außenwirtschaftliche Komponente der Geldversorgung" für den Zeitraum seit Einführung der Währungskonvertibilität 1959 bis Mitte der achtziger Jahre die Bedeutung, die die Änderung der Devisenbilanz für die Geldversorgung in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hat. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die außenwirtschaftliche Geldschöpfungskomponente bis zur Freigabe der Wechselkurse 1973 nur deshalb als Störfaktor kaum auftrat, weil die Bundesbank vom geldpolitischen Kurs im Ausland nicht nennenswert abwich. Auch nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems spielte die außenwirtschaftliche Komponente wegen zahlreicher internationaler Währungsabkommen, vor allem aber wegen der ausgeprägten Bewegung des Dollarkurses, weiterhin eine wichtige Rolle bei der Geld Versorgung. Daß sich nach 1973 die inländische Preisniveauentwicklung trotzdem in erheblichem Maße von der Weltinflation abkoppeln konnte, ist besonders der — durch den erhöhten Stabilisierungsspielraum des Flexkurssystems begünstigten — konsequenten Geldwertorientierung der Deutschen Bundesbank zuzuschreiben. Der dritte — und abschließende — Themenkomplex „Ordnungspolitische und wirkungstheoretische Aspekte" ist erst in den letzten Jahren wieder intensiver in Wissenschaft und Politik diskutiert worden. Anstöße kamen dabei durchaus auch aus der Praxis, wie zum Beispiel der Hinweis auf die Wettbewerbswirkungen einzelner geldpolitischer Instrumente. Diese praxisrelevante Fragestellung greift Otmar Issing in seinem Beitrag „Das geldpolitische Instrumentarium unter dem Aspekt der Wettbewerbsneutralität" auf. Seine Analyse macht deutlich, daß die Diskontpolitik wettbewerbsverzerrend wirkt, wenn sie einerseits Kontingente festlegt und andererseits die Rediskontierung zur mit Abstand billigsten Quelle der Zentralbankgeldversorgung macht. Während die klassische Offenmarktpolitik als marktkonforme Maßnahme par exellence zu gelten hat, sind mit der konkreten Ausgestaltung der Feinsteuerungsmaßnahmen der Bundesbank, insbesondere der Wertpapierpensionsgeschäfte, Begünstigungen bzw. Benachteiligungen einzelner Kreditinstitutsgruppen verbunden. Bei der Mindestreservepolitik und erst recht bei der Kreditplafondierung sind Wettbewerbsverzerrungen unvermeidlich und nicht selten sogar beabsichtigt. Auch wenn die Prüfung der „Wettbewerbsneutralität" des Notenbankinstrumentariums nur bei einzelnen Instrumenten ansetzen kann, kommt es letztlich natürlich auf die Gesamtwirkung an. Dem Postulat „Wettbewerbsneutralität" wird die Geldpolitik nach Auffassung von Issing am ehesten gerecht,

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wenn sie mehr auf die klassische Offenmarktpolitik setzt und sich weniger der administrativ-hoheitlichen Instrumente bedient. Nicht um Wettbewerbsneutralität, sondern um einen speziellen Aspekt der Effizienz der Geldpolitik geht es in dem Aufsatz „Geldpolitik und Finanzintermediäre, dargestellt am Beispiel der Versicherungswirtschaft" von Robert Schwebler. Er geht der bereits Anfang der 70er Jahre aufgeworfenen Frage nach, inwiefern Finanzintermediäre, wie z.B. Versicherungen, einen konterkarierenden Einfluß auf geldpolitische Maßnahmen der Bundesbank ausüben können. Ausgehend von der Feststellung, daß Versicherungsunternehmen nicht zu einer multiplen Kreditschöpfung fähig seien, kommt seine Analyse zu einem eindeutigen Ergebnis: Spielräume für Einflüsse, die die Wirkung der Geldpolitik der Bundesbank beeinträchtigen könnten, sind nicht zu identifizieren. Dagegen seien — so Schwebler — durchaus Auswirkungen der Geldpolitik auf Geschäftspolitik und Anlageverhalten der Versicherungswirtschaften nachzuweisen. Er verdeutlicht dies an dem gewachsenen Zinsbewußtsein der Sparer sowie der Geldmarktabhängigkeit des Kapitalmarktes. Über ihren Einfluß auf die Zinshöhe tangiert die Geldpolitik durchaus die Anlageentscheidungen der Versicherer, allerdings begrenzt durch die gesetzlich verankerten Anlagegrundsätze. Verstärkt wurde in letzter Zeit auch die Frage aufgeworfen, welche Konsequenzen Finanzinnovationen für die Geldpolitik haben. In seinem Beitrag „Der Einfluß von Finanzinnovationen auf die Effizienz der Geldangebotskontrolle und des geldpolitischen Instrumentariums" geht Hans-Hermann Francke dieser Frage nach. Als bedeutsamste Konsequenzen für den Geldangebotsprozeß weist Franke auf einen größeren instabilen Multiplikator sowie einen schwieriger zu kontrollierenden Multiplikant Geldbasis hin. Nach Auffassung Franckes legen diese Multiplikatorprobleme eine Neuorientierung der Mindestreservepolitik nahe. Entgegen zahlreichen Vorschlägen, die auf eine Ausweitung der Mindestreservepflicht für innovative Depositenformen abzielen, plädiert er für eine völlige Abschaffung des mindestreservepolitischen Instrumentariums. Francke konzediert, daß damit eine um so sorgfältigere Kontrolle der Geldbasisentstehung erforderlich würde. Anstelle eines weiteren Ausbaus des der Refinanzierungskomponente zuzuordnenden Instrumentariums schlägt Francke Erweiterungen des offenmarktpolitischen Instrumentariums vor, insbesondere auch ein auf innovative Finanzmarkttitel orientiertes eigenes Emissionsrecht der Bundesbank. Erhebliche Implikationen für die instrumentelle Umsetzung der Geldpolitik dürften sich aus dem angestrebten europäischen Finanz-Binnenmarkt ergeben. Aufgrund der hohen Reaktionsgeschwindigkeit und zunehmend geringerer Transaktionskosten könnten dann schon geringe Markteingriffe einzelner Notenbanken erhebliche Ausweichprozesse auslösen. Norbert Kloten und Peter Bofinger befassen sich in ihrem Aufsatz „Geldpolitik in einem

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europäischen Finanz-Binnenmarkt" mit den hierdurch aufgeworfenen Problemen der geldpolitischen Steuerung. Eine Harmonisierung des geldpolitischen Instrumentariums ist nach ihrer Auffassung in dem angestrebten europäischen Binnenmarkt unumgänglich, wobei die Erfahrungen der Bundesrepublik in diesem Fall dafür sprächen, die Mindestreserve auf die EG auszudehnen. Alle dirigistischen Notenbankmaßnahmen, die bei völlig freiem Geld- und Kapitalverkehr in Europa erheblich an Wirkungskraft einbüßten, könnten dann ersatzlos abgeschafft werden. Ein noch weitergehender Zwang zur geldpolitischen Kooperation zwischen den Notenbanken wie zu einer größeren wirtschaftspolitischen Konvergenz ergebe sich durch die zusätzliche Dimension des europäischen Währungssystems, da die Marktkräfte bei voll integrierten Finanzmärkten schnell und wirkungsvoll auf divergente wirtschaftliche Entwicklungen reagieren. Da aufgrund der Anpassungsmodalitäten im EWS sich die Länder mit traditionell schwachen Währungen voraussichtlich einem stärkeren Druck zur Konvergenz in Richtung der deutschen Wirtschaftspolitk ausgesetzt sehen würden, könnte sich dies nach Auffassung von Kloten und Bofinger als ein erhebliches Hemmnis für weitere Liberalisierungsfortschritte erweisen. Integrationspolitisch nicht gering zu schätzen sei aber, wenn sich ein wirklicher Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen entfalte, vor allem dann, wenn dieser Markt von Notenbanken gesteuert würde, die ihre Politik am Ziel der Geldwertstabilität ausrichteten. Die Herausgeber danken den Autoren für ihre Mitwirkung an diesem Sammelband und für ihre Bereitschaft, die Einschränkungen zu akzeptieren, die aus der Mitarbeit im Rahmen eines vorgegebenen Konzepts resultieren. Besonderer Dank sei dem Verlag Duncker & Humblot, Berlin, für das hohe Engagement gesagt, mit dem er die Entstehung dieses Werkes gefördert hat. Freiburg/Frankfurt, Anfang 1988 Werner Ehrlicher, Freiburg i. Br. Diethard B. Simmert, Frankfurt a. M.

Α. Geldpolitik in alternativen Konzepten

Das Konzept der Deutschen Bundesbank Von Helmut Schlesinger, Frankfurt am Main

I. Konzepte und Pragmatismus Konzeptionen ökonomischer Entscheidungsträger entstehen selten am Reißbrett. Es ist deshalb wenig verwunderlich, daß pragmatische Elemente darin eine wesentliche Rolle spielen und akademische Schultheorien in der Praxis kaum in reiner Form Anwendung finden. Nichtsdestoweniger erscheint eine analytische Begründung des wirtschaftspolitischen Handelns unabdingbar. Ohne ein solches Gerüst, das die zu verfolgenden gesamtwirtschaftlichen Ziele ableitet und definiert, Vorstellungen, wie diese Ziele zu erreichen sind, entwickelt und Kriterien für die Auswahl der geeigneten technischen Instrumente liefert, ist eine in sich widerspruchsfreie und erfolgreiche Politik kaum möglich. Im Falle der Deutschen Bundesbank hat der Gesetzgeber (in § 3 BBankG) das primäre Ziel der Geldpolitik und den zu seiner Erreichung einzuschlagenden Weg genau bezeichnet. Nach diesem — nach langen Beratungen vor dreißig Jahren in Kraft getretenen — Gesetz besteht die Aufgabe der Bundesbank vorrangig darin, die Erhaltung kaufkraftstabilen Geldes nach innen und außen zu sichern, indem sie die Geld- und Kreditversorgung der Wirtschaft „regelt". Die Bundesbank muß jedoch selbst darüber befinden, wie sie diesen allgemeinen Gesetzesauftrag mit den vom Gesetz gebilligten Instrumenten konkret ausfüllt und zu einer geldpolitischen Grundlinie entwickelt. Ohne Zweifel spielt die akademische Forschung und Lehre bei der ständigen Überprüfung der geldpolitischen Konzeption eine wichtige Rolle. Sie gewinnt besonders dann an Gewicht, wenn tradierte Vorgehensweisen sich als unbefriedigend erweisen und neue Ansätze gesucht werden müssen. Als sich die Bundesbank Mitte der 70er Jahre zu gewissen Veränderungen im Konzept für ihre Politik entschloß, geschah dies nicht allein unter dem Einfluß der einen oder anderen ökonomischen Denkschule, sondern in erster Linie unter dem Zwang — z. T. aber auch unter den günstigen Vorzeichen — der sich ändernden Verhältnisse. Ein solcher Zwang ging vor allem von der Ende der 60er Jahre einsetzenden und in der Folge des ersten Ölpreisschocks sich dramatisch beschleunigenden Inflation aus. Die dabei aufflammenden Verteilungskämpfe sowohl ι

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zwischen den Tarifparteien als auch zwischen privatem und staatlichem Sektor, der seine Leistungen ausweiten wollte, ließen ein Klima entstehen, in dem die Bereitschaft zu einer stabilitätsgerechten Geldpolitik zunehmend schwand und die Fortdauer hoher Inflationsraten immer mehr in das Kalkül aller Beteiligten im Wirtschaftsablauf einging; sie fand ihren Ausdruck in dem Drang ins „Betongeld", in zweistelligen Lohnsteigerungsraten und in einer Euphorie hinsichtlich der Ausweitung der Staatsausgaben. Dabei spielte die mangelnde Manövrierfähigkeit der Bundesbank, die bis zum Jahre 1973 durch das Festkurssystem von Bretton Woods behindert wurde, eine wesentliche Rolle. Die ersten Versuche der Bundesbank, 1974 nach dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen durch die Eindämmung der monetären Expansion die inflationäre Entwicklung zu dämpfen, wurden von den gesellschaftlichen Gruppen nicht angenommen und hatten daher unvermeidlich Wachstumseinbußen und Arbeitslosigkeit zur Folge. Diese Erfahrung ließ es geraten erscheinen, den Versuch zu unternehmen, mit Blick auf die Erwartungen der Wirtschaft die finanziellen Rahmenbedingungen und Preissteigerungsraten künftig deutlicher zu machen und das Verhalten der am Wirtschaftsleben Beteiligten im Sinne eines stabilitätspolitischen Grundkonsenses zu beeinflussen. Ein weiterer Anlaß, die bis dahin übliche geldpolitische Vorgehensweise zu überdenken, bestand darin, daß ein wesentliches Element im damaligen Konzept der Bundesbank — die Steuerung der sogenannten freien Liquiditätsreserven — als Orientierungspunkt der Geldpolitik zunehmend fragwürdig geworden war. Bis Ende der 60er Jahre konnte sich die Zentralbank darauf verlassen, daß eine Einschränkung oder eine Ausweitung dieser Größe, die im wesentlichen aus unausgenutzten Rediskontkontingenten und den bundesbankfähigen Geldmarktanlagen der Kreditinstitute bestand, entsprechende Reaktionen der Banken am Geldmarkt und in ihrem Kreditvergabeverhalten hervorrufen würden. Diese Zusammenhänge galten aber immer weniger. A n die Stelle einer Liquiditätshaltung in Form von bundesbankfähigen Titeln trat das Vertrauen der Banken, sich notfalls über die im Laufe der Zeit immer besser entwickelten Interbankenmärkte im In- und Ausland die liquiden Mittel besorgen zu können. Die Aufhebung der unbeschränkten Interventionspflicht an den Devisenmärkten im März 1973 bot eine entscheidende Voraussetzung für eine Konzeptionsänderung. Die zeitweilig außerordentlich hohen Ankäufe von Dollars im System von Bretton Woods hatten bis dahin eine effiziente, an den inneren Stabilitätszielen der Geldpolitik ausgerichtete Kontrolle der Geldund Kreditversorgung nicht erlaubt. Obwohl auch danach gewisse Interventionsverpflichtungen — zunächst in der europäischen „Währungsschlange" und später im EWS — bestehen blieben, konnte nun mit mehr Aussicht auf Erfolg ein geldpolitischer Ansatz ins Auge gefaßt werden, bei dem die Ent-

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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wicklung der inländischen monetären Aggregate stärker in den Vordergrund der Urteilsbildung gerückt wurde. A u f dieser Basis konnte Ende 1974 der Versuch gemacht werden, für das geldpolitische Handeln ein „Zwischenziel" — die vertretbare Zunahme der Zentralbankgeldmenge — zu formulieren.

II. Das Geldmengenziel als Zwischenziel Bei dem Versuch, ein quantifiziertes „Zwischenziel" zu formulieren und einzuhalten, standen zweifellos akademische Lehren, wie sie seit einigen Jahren von empirischen Monetaristen vertreten wurden, Pate. Diese Denkschule erschien zunächst vor allem deshalb für die Bundesbank interessant, weil zwischen ihren zentralen Aussagen und dem Bundesbankgesetz sowie den stabilitätspolitischen Überzeugungen in der Zentralbank selbst eine hohe Übereinstimmung bestand: Inflation ist längerfristig ein monetäres Phänomen; die Preisstabilität liegt dementsprechend auf mittlere Sicht in der Verantwortung der Notenbank, die das Geldvolumen kontrollieren kann. Diese Grundgedanken waren gewiß nicht neu. Allerdings waren sie nach dem Zweiten Weltkrieg in den tonangebenden akademischen Kreisen vielfach in Vergessenheit geraten. In dem bekannten Überblick über die Inflationstheorien von Bronfenbrenner und Holzman aus dem Jahre 1963 erschien Milton Friedman mit der von ihm vertretenen Position als ein krasser Außenseiter. 1 Erst als die Inflation als ein schwerwiegendes Problem empfunden wurde, hat die monetaristische Theorie — in den Worten von J. Hicks — „etwas klingeln lassen" und wurde damit ein Erfolg. 2 Heute ist die Verknüpfung von Geldmengen- und Preisentwicklung in der Geldtheorie Gemeingut. Eine Geldpolitik, die sich darauf beruft, ist allein aus diesem Grund nicht einer bestimmten Schule zuzuordnen. Eine stärker vom akademischen Monetarismus beeinflußte Ingredienz war die Einführung und Betonung eines einzelnen Geldaggregates als zentrale Orientierungsgröße der Geldpolitik und — was ja nicht zwangsläufig gewesen wäre — die öffentliche Verkündung von jährlichen Geldmengenzielen. Verschiedene Postulate der Monetaristen gingen in der einen oder anderen Form in das Konzept ein: zum einen die Präferenz für eine sogenannte Zwischenzielstrategie im Unterschied zu einer Politik, die sich unmittelbar an den Endzielen der Wirtschaftspolitik orientiert, zum anderen die Vorstellung, daß ein Geldmengenaggregat ein besseres Zwischenziel abgebe als Marktzinssätze, Wechselkurse oder Konjunkturindikatoren, und schließlich die Überlegung, daß 1

Vgl. Bronfenbrenner, M. und Holzman, F. D.: Survey of inflation theory, in: American Economic Review, Vol. L I I I (1963), S. 593 ff. 2 Vgl. Hicks, J.: The Hayek story, in: ders.: Critical essays in monetary theory, Oxford 1967, S. 203 ff.

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die Geldpolitik stärker mittelfristig auszurichten sei. Naturgemäß hat die Bundesbank diese Prinzipien in den Jahren nach 1975 — den laufenden Erfahrungen Rechnung tragend — in mancher Beziehung in pragmatischer Weise abgewandelt. Die Verwendung einer quantitativen monetären Orientierungsgröße anstelle einer direkten Ausrichtung der Geldpolitik an wirtschaftspolitischen Endzielen empfiehlt sich zum einen, weil der Übertragungsweg zwischen den der Bundesbank unmittelbar zur Verfügung stehenden Instrumenten einerseits und den Endzielen andererseits nicht einfach beobachtbar ist und u. U. erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Handlungsanweisungen für die praktische Geldpolitik wären dementsprechend aus einer solchen Strategie, die z. B. allein auf die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts in jeweiligen Preisen abzielte, nur schwer abzuleiten. Es kommt hinzu, daß die Endziele — Wachstum, Beschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht — einer Vielzahl von Einflüssen unterliegen, die nicht von der Geldpolitik beeinflußt werden können. Eine direkte Orientierung und Ausrichtung der Geldpolitik an diesen Endzielen der Wirtschaftspolitik würde die Verantwortlichkeiten in der Wirtschaftspolitik nicht nur verwischen, sondern die Notenbank mit Aufgaben belasten, die sie gar nicht erfüllen kann. Allerdings hat die Bundesbank seit 1975 nie eine starre, allein an der Geldmenge ausgerichtete Politik betrieben; alle verfügbaren Informationen über die Finanzmärkte und die Wirtschaftsentwicklung sind regelmäßig zu analysieren. Das hat nichts mit einer unstrukturierten Politik des „looking-ateverything" zu tun, vielmehr erscheint ein solches Vorgehen bei der praktischen Anwendung einer Geldmengenpolitik unumgänglich. Die Bundesbank hat ihr Ziel, die Geldmengenentwicklung auf einem vorgegebenen Pfad zu halten, nie ganz kurzfristig verstanden, sie hat es nie auf Wochen- oder Monatsdaten bezogen. Veränderungen an den Güter- und Finanzmärkten waren vor dem Hintergrund des Zwischenzieles zu beurteilen. Darüber hinaus mußte sie überprüfen, ob aufgrund neuer Tendenzen ihr ursprüngliches Geldmengenziel mit den angestrebten Endzielen noch im Einklang stand. Der weite Bereich der finanziellen Innovationen, der in einer Reihe von Ländern die Bedeutung von Zwischenzielgrößen mehr oder weniger relativiert hat, hat die Notwendigkeit für solche Überprüfungen drastisch vor Augen geführt. Die Verwendung eines Geldmengenaggregats als Zwischenziel anstelle von anderen Größen, wie Zinssätzen und Kreditmarktbedingungen, die früher als Indikatoren und intermediäre Kontrollvariablen der Geldpolitik eine prominentere Rolle spielten, ging auf die von der Monetaristenschule hervorgehobene Erfahrung zurück, daß die zuletzt genannten Größen als Indikatoren gravierende Nachteile haben. Sie sind einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt und können deshalb leicht ein falsches Bild von der Wirkungsrich-

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tung der Geldpolitik geben. So können von Zinsen im Inflationsprozeß Fehlurteile über die Geldpolitik ausgehen. Ihr Anstieg in Phasen hoher und steigender Preise hängt nicht notwendigerweise mit restriktiver Geldpolitik zusammen, sondern u. U. mit dem Gegenteil. Erschwerend käme hinzu, daß es bei Fehleinschätzungen über den anzustrebenden Zins kumulative Fehlreaktionen geben könnte, auf die schon Wickseil aufmerksam gemacht hat: Würde der angepeilte Zins etwa zu niedrig gewählt, so würde eine zu expansive Politik verfolgt, die mit der Auslösung steigender Inflationserwartungen den Gleichgewichtszins weiter nach oben treiben und somit die Kluft zwischen angestrebtem und Gleichgewichtszins noch ausweiten statt vermindern würde. Etwas abseits der traditionellen monetaristischen Vorstellungen lag, zumindest auf den ersten Blick, die konkrete Wahl des Zwischenziels in Form der Zentralbankgeldmenge in der Bundesrepublik. Geprägt von den amerikanischen Verhältnissen präferierten führende Monetaristen und ihre Adepten ursprünglich die eng definierte Geldmenge ( M l ) als Zwischenziel der Geldpolitik. Dieses Aggregat wies in den USA eine weitgehende Parallelität zur Entwicklung des Sozialprodukts auf. In der Bundesrepublik erschien es beim Übergang zur Geldmengensteuerung in der Mitte der 70er Jahre nicht angezeigt, dieses Konzept zu übernehmen. Die Geldmenge M l (Bargeld und praktisch kaum verzinste Sichteinlagen von inländischen Nichtbanken) ist in der Bundesrepublik hoch — und zwar negativ — zinselastisch. Daher wird der Zusammenhang zwischen Geldmengenentwicklung und wirtschaftlichem Wachstum stark durch Geldzinsschwankungen überlagert. Dies birgt die Gefahr in sich, daß die Öffentlichkeit die geldpolitischen Impulse, die sich in M l widerspiegeln, größer einschätzt, als sie wirklich sind. Ziehen z. B. die kurzfristigen Geldmarkt- und Termineinlagensätze an, so werden statt Bargeld und Sichteinlagen die liquiden Bestände an kurzfristigen Termingeldern besonders dotiert, und M l wächst deutlich langsamer, ohne daß sich die Liquidität in der Wirtschaft tatsächlich in hohem Maße verringert hätte. Breiter definierte Geldmengenaggregate fangen zu einem guten Teil solche Verlagerungen von Liquidität in sich auf. Ihr Zusammenhang mit dem Wachstum der Wirtschaft ist dementsprechend weit weniger „gestört". Sie erscheinen deshalb als monetäres Zwischenziel der Geldpolitik in der Bundesrepublik besser geeignet.3 Ein solches Aggregat stellt in der Bundesrepublik insbesondere die Geldmenge M3 dar, die neben den in M l enthaltenen Bargeldbeständen und Sichteinlagen auch kurzfristige Termineinlagen und Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist umfaßt. Eine gewisse — negative — Zinsempfindlichkeit weist auch dieses Aggregat auf. Sie spiegelt 3 Diese Vorstellungen haben sich in neuerer Zeit auch führende Monetaristen zu eigen gemacht; vgl. z. B. Cagan, P.: The choice among monetary aggregates as targets and guides for monetary policy, in: Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 14 (1982), S. 661 ff.

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wider, daß nachhaltig steigende kürzerfristige Zinsen an den Märkten sowohl dazu führen, daß die Neubildung von Geldvermögen verstärkt in langfristigen, wenig liquiden Anlagen erfolgt, als auch, daß Umschichtungen bestehender Geldbestände in Geldkapital vorgenommen werden. Der hieraus resultierende Dämpfungseffekt auf das Wachstum der gesamten Geldbestände dürfte vielfach recht gut mit den Wirkungen der Geldpolitik auf den Wirtschaftsablauf korrespondieren. Als breit definiertes Aggregat ist auch die von der Bundesbank als zentrale Orientierungsgröße verwendete Zentralbankgeldmenge anzusehen, die sich weitgehend im Einklang mit der Geldmenge M3 entwickelt. Als Summe aus Bargeld und Reserve-Soll auf Inlandsverbindlichkeiten, berechnet zu konstanten Reservesätzen von Januar 1974, kann sie als eine Art gewichtetes Geldaggregat gesehen werden, wobei das Gewicht der verschiedenen Einlagenkomponenten mit sinkendem Liquiditätsgrad abnimmt. 4 Nach Untersuchungen der Bundesbank schneidet die Zentralbankgeldmenge bei herkömmlichen ökonometrisch-statistischen Prüfverfahren, in denen die Beziehung zwischen Geldmenge und nominalen Ausgabengrößen, Marktzinssätzen usw. untersucht wird, im Vergleich zu anderen Geldmengenaggregaten recht günstig ab. Die Ankündigung jährlicher Geldmengenziele kann, zumindest bis zu einem gewissen Grad, als praktische Umsetzung der Forderung, diskretionäre Geldpolitik zugunsten einer auf Verstetigung angelegten Regelbindung aufzugeben, verstanden werden. Neben der Ankündigung von jährlichen Geldmengenzielen an sich kommt dies vor allem in der Form der Ableitung dieser Ziele zum Ausdruck. Dabei werden von der Bundesbank als wichtigste Orientierungsgrößen der Wachstumsspielraum in Form des jährlichen Potentialwachstums und eine im Planungszeitraum für unvermeidlich gehaltene, aber gleichwohl normativ knappe Inflationsrate zugrundegelegt. Damit ist eine mittelfristige und nicht in erster Linie zyklisch orientierte Geldpolitik vorprogrammiert. Die zeitweilige Bekanntgabe einer als „unvermeidlich" apostrophierten Preissteigerungsrate erschien als ein praktikabler Weg, insbesondere in den Phasen hoher Inflationsraten der Forderung nach einem graduellen Vorgehen bei der Rückgewinnung der Preisstabilität zu entsprechen, ohne daß der Blick für das langfristige Ziel der Preisstabilität selbst verloren ging. Andererseits folgte die Bundesbank dem Verstetigungspostulat nicht doktrinär. Sie hat insbesondere Forderungen, Geldmengenziele für mehrere Jahre im voraus festzulegen und dabei auf eine konkrete Zielableitung aus den jeweils projizierten Eckdaten zu verzichten, nicht entsprochen. 4 Als ein „Schönheitsfehler" muß freilich das im Vergleich zu den Bankeinlagen vergleichsweise hohe Gewicht des Bargeldumlaufs angesehen werden. Es ist deshalb erforderlich, auf mögliche Verzerrungen, die auf diesen „Geburtsfehler" zurückzuführen sind, ständig zu achten und die Öffentlichkeit gegebenenfalls darauf hinzuweisen.

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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Solche Zielsetzungen sind schwerlich bei laufenden Operationen zu berücksichtigen. In all jenen Ländern mit einem so weit gehenden Ehrgeiz ist dies gescheitert: In Kanada, wo ursprünglich ein mehrjähriger Zielpfad verkündet wurde, gibt es heute keine Geldmengenziele mehr, und in Großbritannien, wo im Rahmen der mehrjährigen „Medium-Term Financial Strategy" auch Projektionen für das monetäre Wachstum verkündet wurden, spricht die Erfahrung nicht gerade für ein solches Experiment. Wie weit die Bundesbank bereit war, aktuellen Störeinflüssen Rechnung zu tragen, kann man erkennen, wenn man die Zielableitungen über die Jahre verfolgt. So hat sie verschiedentlich in ihre Ableitungsregeln zusätzliche Größen — wie eine mögliche oder wünschenswerte Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Auslastungsgrades — aufgenommen, wenn sie sich zugetraut hat, den Abbau von Ungleichgewichten nachhaltiger zu fördern, als dies mit der Potentialregel, die ja mäßig antizyklisch ist, möglich gewesen wäre. Bewährt hat sich auch, daß die Bundesbank ihre Ziele seit 1979 in Form von Zielkorridoren festlegt (vgl. Tabelle: Geldmengenziele und ihre Realisierung). Diese Zielspannen sollen einerseits verschiedenen technischen Problemen der Messung und Steuerung der monetären Expansion Rechnung tragen. Andererseits hat sie sich mit diesem Vorgehen zeitweise auch einen begrenzten geldpolitischen Spielraum offengehalten, um auf innere und äußere gesamtwirtschaftliche Fehlentwicklungen im Jahres verlauf reagieren zu können, ohne die Grundidee einer mittelfristigen Steuerung aufgeben zu müssen. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Verwendung von Zielkorridoren und bei der Frage, wie stringent Geldmengenziele überhaupt eingehalten werden müssen, war wiederholt die Entwicklung der Wechselkurse und deren Folgen für die heimische Wirtschaft. Seit der Freigabe der Wechselkurse haben die Industrieländer die Erfahrung gemacht, daß diese sich keineswegs entlang einer von der Kaufkraftparitätentheorie vorgegebenen Leitlinie bewegen; vielmehr können sich auch die realen Kurse über längere Zeiträume massiv verschieben, ja, müssen sich verschieben, wenn über den Markt ein Abbau von strukturellen Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz angestrebt wird. Dies stellt die Geldpolitik zeitweilig freilich vor Probleme, denn oft werden die Wechselkursveränderungen — irrtümlich — der Geldpolitik angelastet. Andererseits erscheint der Verzicht auf eine in erster Linie binnenwirtschaftlich orientierte Geldpolitik zugunsten einer Wechselkursstabilisierung entlang eines Kaufkraftparitätenpfades heute nicht als eine durchweg akzeptierte Alternative. Dies würde weder den unterschiedlichen Ursachen der Wechselkursschwankungen gerecht werden, noch würde dem Umstand Rechnung getragen, daß es zwischen den wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen der wichtigsten Länder weiterhin durchaus bemerkenswerte Unterschiede gibt. 5

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Geldmengenziele und ihre Realisierung in* Tatsächliche Entwicklung

j Z i e l : Wachstun der I Zentralbankgeldnenge im Jahresdurchschnitt

Jahr

j Im VerI lauf des I Jahres 1)

1975

1

1976

1

8

1

8

1

8

1977 197Θ

8

1979

1

6 - 9

-

1980

1

5 - 8

-

1981

1

4 - 7

-

1982

1

4 - 7

-

1983

1

4 - 7

-

1984

1

4 - 6

-

1985 1986 1987

1 1 1 1

3 - 5 3 1/25 1/2 3 - 6

-

-

-

I 1 1 I 1 1 1 1 1

Konkretisierung im Verlauf des Jahres

ι 1 ι 1

ι 1 ι 1

im Jahresdurchschnitt

Ziel erreicht

nein

10,0

ι 1

1 1 1 I 1 1 1 I 1 1 1 1 ι 1 1 1 1 1 1

im Verlauf des Jahres 1)

1 j

j

-

9,2

nein

|

-

9,0

nein

j

-

11,4

nein

|

Untergrenze

6,4

-

Ja

1

Untergrenze

4,9

-

Ja

1

3,6

-

Ja

1

6,2

-

Ja

1

7,0

-

Ja

1

4,6

-

Ja

1

4,5

-

Ja

1

7,7

-

nein

j

untere Hälfte ollere Hälfte obere Hälfte

I 1 I 1 1

1

1

1) Jeweils vom vierten Quartal des Vorjahres bis zun vierten Q j a r t a l des laufenden Jahres; 1975: Dezember 1974 bis Dezember 1975.

| |

5

Vgl. z. B. Frenkel, J. Α.: Monetary policy: Domestic targets and international constraints, in: American Economic Review, Vol. 73 (1983), Nr. 2, Papers and Proceedings, S. 48 ff.; Sachs, J.: Is there a case for more managed exchange rates?, in: Federal Reserve Bank of Kansas City (Hrsg.): The US-Dollar — Recent developments, outlook, and policy options, 1985, S. 185 ff.

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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Die Geldpolitik ist dementsprechend darauf angewiesen, anhand von einigermaßen durchschaubaren Kriterien von Fall zu Fall zu entscheiden, inwieweit sie außenwirtschaftlichem Druck nachgeben soll. Ein wesentlicher Gesichtspunkt sollten dabei die voraussichtlichen Rückwirkungen massiver Wechselkursstörungen auf die Endziele der heimischen Wirtschaftspolitik darstellen. 6 Die in neuerer Zeit entwickelten Vorschläge und Forderungen nach einer stärkeren Koordination und Kooperation in der Geld- und Wirtschaftspolitik können die binnenwirtschaftliche Orientierung — und speziell die Ausrichtung der Geldpolitik am Stabilitätsziel — nicht ersetzen. Allerdings erfordert die immer stärkere Integration der Märkte und Volkswirtschaften eine besondere Beachtung. Das gilt natürlich in erster Linie für die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Entwicklung auf das Inland. Für ein Land von der Größe der Bundesrepublik müssen freilich auch die Folgen unserer Politik für das Ausland betrachtet werden. Ohne Zweifel sind die Rückwirkungen der deutschen Geldpolitik für die Weltwirtschaft im ganzen weniger ausschlaggebend als für einen beschränkten Wirtschaftsraum wie den europäischen. Des öfteren ist die Stabilitätspolitik der Bundesbank in unseren europäischen Nachbarländern als eine notwendige Bedingung dafür genannt worden, daß sie ihre Politik der Inflationsbekämpfung und der Bewahrung der heimischen Stabilität erfolgreich verfolgen konnten. Insofern war das Beharren der Bundesbank auf hohen Stabilitätsstandards für die Bundesrepublik zugleich gute europäische Geldpolitik. Wenn diese Rolle dadurch erleichtert und u. U. überflüssig würde, daß andere europäische Währungen international einen gleichrangigen Standard erreichen und als Anlage- wie Reservewährung ähnlich wichtig würden (was das Pfund Sterling weiterhin ist und der französische Franc wieder werden könnte), so wäre das nur zu begrüßen. Im Jahre 1986 hat die Bundesbank vor allem unter außenwirtschaftlichen Zwängen eine Überschreitung ihres Geldmengenzieles in Kauf genommen. Die über den Zielkorridor (von 3Vi bis 5 Vi %) hinausgehende Ausweitung der Zentralbankgeldmenge (um 7 3A %) konnte sie um so eher hinnehmen, als mit dem drastischen Fall des Ölpreises und der aufwertungsbedingten Verbilligung der Einfuhren von der reichlichen Geldversorgung her keine unmittelbaren Gefahren für die Preisstabilität ausgingen. Die Erfahrung der Jahre 1978 und 1979, in denen sich die D-Mark ebenfalls erheblich aufgewertet und die Bundesbank ein außergewöhnlich starkes Geldmengenwachstum toleriert hatte, lassen es freilich angezeigt erscheinen, nicht zu sehr auf eine primär wechselkursbedingte Sicherung der Preisstabilität zu vertrauen, denn hier kann sich der Wind schnell drehen.

6

Vgl. Dudler, H.-J.: Geldpolitik und ihre theoretischen Grundlagen, Frankfurt 1984, S. 56 ff.

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I I I . Geldpolitisches Instrumentarium und Steuerung der Geldmenge Als die Bundesbank Ende 1974 dazu überging, ihre Politik an jährlichen Zielen für die Ausweitung der Zentralbankgeldmenge auszurichten, mußte zwangsläufig auch der Einsatz der Notenbankinstrumente überdacht werden. I m Ergebnis ergab sich daraus ein mehrstufiges Steuerungsverfahren. In seinem Rahmen steckt die Bundesbank auf der Geldmarktebene kurzfristige Operationsziele für die Entwicklung der Bankenliquidität und der Geldmarktsätze ab, die mit der anvisierten Zunahme der Zentralbankgeldmenge vereinbar erscheinen. Im nächsten Schritt entscheidet sie dann, wie sie mit ihren Instrumenten die gewünschten Geldmarktbedingungen am besten erreichen kann. Dabei hat der Übergang zur Ankündigung von Geldmengenzielen zunächst keinen fundamentalen Wandel in der Steuerungspraxis am Geldmarkt oder in der Auswahl der Instrumente mit sich gebracht. Die Bundesbank ging weder zu einer reinen Zinssteuerung am Geldmarkt noch zu einer reinen Mengensteuerung über, um ihr Zwischenziel zu erreichen. Insbesondere machte sie sich in diesem Zusammenhang nicht die monetaristische Vorstellung eines Geldbasis-Multiplikator-Konzeptes und den damit oftmals verbundenen Vorschlag einer sehr engen und kurzfristigen Steuerung ihres Zwischenzieles zu eigen. Tatsächlich wäre sie, zumindest unter den gegenwärtigen institutionellen Bedingungen und Verhaltensweisen am deutschen Geldmarkt, dazu auch nicht in der Lage. So sieht sich die Bundesbank im Laufe eines Kalendermonats einer wenig elastischen Nachfrage der Kreditinstitute nach Zentralbankguthaben gegenüber, da das Mindestreserve-Soll bereits zur Monatsmitte feststeht. Die Banken sind bei diesem „lagged reserve accounting system" (im Gegensatz zu dem in den USA 1984 eingeführten „contemporaneous reserve accounting") kaum gezwungen, nennenswerte Überschußguthaben zu unterhalten, zumal auch der Bargeldbedarf des Publikums auf kurze Sicht ziemlich gut prognostizierbar ist. Unter diesen Umständen besitzen die Kreditinstitute weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit den nötigen Spielraum, durch Anpassungen in der Höhe oder Zusammensetzung ihrer Aktiv- und Passivgeschäfte ihre monatliche Reserveposition völlig eigenständig und ohne „Mithilfe" des lender-of-last-resort zu regulieren. Die Bundesbank wird daher den monatlichen Zentralbankgeldbedarf der Banken in letzter Instanz decken, aber das heißt nicht, daß eine kürzerfristige Steuerung des Zwischenziels nicht möglich wäre. Über Änderungen in den Regeln über die Reserveerfüllung und bei der ganz kurzfristigen Bereitstellung von Zentralbankgeld könnten die Banken dazu angehalten werden, ein höheres Volumen unverzinslicher Überschußreserven bei der Bundesbank zu unterhalten. Dabei müßten größere Zinsschwankungen an den Geldmärkten hingenommen werden. Bisher drängen sich solche graduellen Veränderungen in der Geldmarktsteuerung nicht auf, zumal die Bundes-

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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bank im Falle einer notwendigen Richtungsänderung ihrer Politik vor drastischen Schritten (Inanspruchnahme von Lombard und „Sonderlombard") nicht zurückschreckte. Kurzfristige Abweichungen von den Zielpfaden waren z. B. in der Bundesrepublik kein Anlaß zu ernsthaften öffentlichen Diskussionen und Verunsicherungen. Daß dies so war, hängt freilich auch damit zusammen, daß sich die Bundesbank mit ihrer über Jahre hinweg betriebenen stabilitätsbewußten Politik eine Glaubwürdigkeit erworben hat, die letztlich nicht aufs Spiel gesetzt werden darf. 7 Die Vorstellungen der Bundesbank über den Steuerungsprozeß der Geldmenge sind als eher „konventionell" einzustufen. Sie beruhen vornehmlich auf zwei Übertragungswegen: M i t der Variation der Notenbankzinsen übt sie einen in etwa voraussehbaren Einfluß auf die Bankzinsen und die Zinsstruktur aus und beeinflußt damit die Geld- und Kreditnachfrage der Nichtbanken. Zusätzlich kann sie mit der Variation ihrer Instrumente auch das Liquiditätsgefühl der Banken und deren Rentabilitätsüberlegungen verändern und auf diesem Weg auf ihre Portfolioentscheidungen und damit ihr Kredit- und Geldangebot einwirken. Neben dieser etwas längerfristigen Orientierung an der Geldmengenentwicklung muß die Geldpolitik in ihrem taktischen Verhalten auch kurzfristigen Überlegungen, wie den mehr zufälligen Schwankungen in der Liquiditätsversorgung der Banken oder unstetigen Entwicklungen an den Devisenmärkten, genügen. Unter Beachtung dieser Zielsetzung verwendet die Bundesbank ein weites Arsenal von Instrumenten, das je nach beabsichtigter Wirkungsdauer einer Notenbankmaßnahme in Mittel der „Grobsteuerung" und der „Feinsteuerung" unterteilt werden kann, obwohl dieser Trennungsstrich nicht immer eindeutig zu ziehen ist. Die liquiditätspolitischen Instrumente der „Grobsteuerung" sind darauf gerichtet, den Zentralbankgeldbedarf der Banken dauerhaft oder zumindest auf längere Sicht zu decken oder ihren Liquiditätsspielraum zu begrenzen. Hierzu dient vor allem die Veränderung der Mindestreservesätze und der Refinanzierungslinien der Banken sowie definitive Anund Verkäufe längerfristiger Anleihen durch die Bundesbank am offenen Markt. Die zinspolitische „Grobsteuerung" setzt längerfristige Orientierungsdaten für die Zinsbildung an den Geld- und Kreditmärkten. Dies gilt insbesondere für Diskont- und Lombardsatzänderungen. „Feinsteuerungsmaßnahmen" verfolgen dagegen in erster Linie den Zweck, temporäre Schwankungen der Bankenliquidität auszugleichen und die Geldmarktsätze „geräuschlos", d.h. ohne unwillkommene Signalwirkungen, in die gewünschte Richtung zu lenken (vgl. Schaubild: Zentralbankgeldmenge und 7 Überlegungen zur Bedeutung der Vertrauenswürdigkeit der Zentralbank haben in neuerer Zeit in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur verstärkt Aufmerksamkeit gefunden. Vgl. z.B. Barro, R. J.: Recent developments in the theory of rules versus discretion, in: The Economic Journal, Vol. 96 (1986), Supplement, S. 23 ff.

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Helmut Schlesinger

·) Bargeldumlauf plus Reserve - Soll auf Inlandsverbmdlichkeiten ( mit konstanten Reservesätzen - Basis Januar 1974 berechnet), ohne mindestreservepflichtige Bankschuklverschreibungen - 1) Vom 4 Quartal des vorangegangenen Jahres bis zum 4 Quartal des laufenden Jahres - 2) Monatsdurchschnitte - 3) Lombardkredit zum Lombardsatz wurde den Kreditinstituten vom 20 2 1981 bis emschl 6 5 1982 nicht zur Verfügung gestellt - 4) OftenmarktgeSchafte in Handelswechseln mit Ruckkaufsvereinbarung, Devisenswap- und - pen sionsge Schafte, § 17 -Verlagerungen von Bundesmitteln sowie kurzfristige Schatzwechselabgaben - + ) Der Zielkorridor wurde erstmals fur 1984 (und nachträglich fur 1983) bis MArz nicht schraffiert, weil das Wachstum der Zentralbankgekjmenge um die Jahreswende i d R stärkeren Zu'allsschwankungen unterliegt Nach Berechnungen der Bundesbank uberschreitet die durchschnittliche Marge dieser Zufallsabweichungen vom Trend die Breite des Konïdors vom Frühjahr an nicht mehr

QQ^

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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Steuerungsgrößen am Geldmarkt). Wie schon erwähnt, mußte freilich auch gelegentlich die „Notbremse" gezogen, „Normallombard" verteuert oder ein gesetzlicher Sonderlombard (zu höheren Sätzen) eingeführt werden u. ä. m., doch sind dies „diskretionäre" Maßnahmen, deren Einsatz zeigt, daß das Verstetigungsziel nicht erreicht worden ist. Seit Ende der 70er Jahre ist im Instrumenteneinsatz der Bundesbank eine Tendenz zu flexibleren Operationstechniken erkennbar. Dies hatte verschiedene, z. T. miteinander verwobene Ursachen. Besonders wichtig war in diesem Zusammenhang das unstetigere Verhalten an den Finanz- und Devisenmärkten. Dieses Phänomen ließ es nicht mehr geraten erscheinen, daß sich die Geldpolitik in erster Linie auf die eher schwerfälligen traditionellen Vorgehensweisen stützte. Die ausgeprägten Veränderungen in den außenwirtschaftlichen Bedingungen in diesem Zeitabschnitt, die Internationalisierung der Finanzmärkte und — im Zusammenhang damit — die wachsende Sensibilität der Devisenmärkte in bezug auf geldpolitische Maßnahmen erforderten die besondere Aufmerksamkeit der deutschen Geldpolitik. Ein kurzer Rückblick auf einige wichtige Erscheinungen dieser Periode mag dies illustrieren. In den ersten Monaten von 1981 geriet die D-Mark unter einen ausgeprägten Abwertungsdruck, obwohl die Bundesbank in den Jahren zuvor schon schrittweise die geldpolitischen Zügel gestrafft hatte. Angesichts der Gefahr eines Teufelskreises aus Abwertung und Inflation — die Preissteigerungsraten beschleunigten sich beunruhigend, und die Lohnforderungen reagierten hierauf — griff die Bundesbank damals zu den erwähnten drastischen Maßnahmen auf dem Gebiet des Lombardkredits. Der Geldmarktsatz wurde in kurzer Zeit massiv in die Höhe getrieben (vgl. Schaubild: Entwicklung kurzfristiger Zinsen von 1979 bis 1981). In der sich anschließenden Phase des schrittweisen Abstiegs vom Zinsgipfel mußte mit großer Vorsicht zu Werke gegangen werden, da die Einschätzungen an den Devisenmärkten und die inländischen Inflationserwartungen noch labil erschienen. Die Bundesbank hat in diesem Zusammenhang ihr Instrument der reversiblen Ausgleichsoperationen aktiv genutzt, um in einer Politik der „Trippelschritte" den jeweiligen Spielraum für Zinssenkungen auszuloten, ohne die Korrektur der Abwertung der D-Mark zu gefährden (vgl. Schaubild: Entwicklung kurzfristiger Zinsen von 1981 bis 1983). Ein zusätzlicher Anlaß, flexiblere Steuerungsinstrumente stärker zu nutzen, resultierte aus der besonderen liquiditätspolitischen Situation in den frühen 80er Jahren. Angesichts der DM-Schwäche hat die Bundesbank damals an den Devisenmärkten stützend interveniert. Es erschien ihr aber geraten, die damit verbundenen Liquiditätsentzüge z. T. nur auf reversibler Basis auszugleichen. Auch ergaben sich einige Probleme für die Liquiditätssteuerung aus internen Gründen. Ab 1982 erzielte die Bundesbank hohe

1) Bankwochendurchschnittswerte.- 2) Vom 20.2.1981 bis zum 6.5.1982 wurde den Banken kein Lombardkredit zum Lombardsatz gewährt.- 3) Festsatz (Mengentender) bzw. Zuteilungssatz (Zinstender) für Offenmarktgeschäfte mit Rückkaufsvereinbarung über Wertpapiere am Gutschriftstag des jeweiligen Geschäfts.

Entwicklung der kurzfristigen Zinsen von 1979 bis 1981 16 Helmut Schlesinger

1) Bankwochendurchschnittswerte.- 2) Vom 20.2.1981 bis zum 6.5.1982 wurde den Banken kein Lombardkredit zum Lombardsatz gewährt3) Festsatz (Mengentender) bzw. Zuteilungssatz (Zinstender) für Offenmarktgeschäfte mit Rückkaufsvereinbarung über Wertpapiere am Gutschriftstag des jeweiligen Geschäfts.

Entwicklung der kurzfristigen Zinsen von 1981 bis 1983

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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Gewinne, die sie an den Bund transferieren mußte. Um bei Einschleusung dieser Gewinne eine Überliquidisierung am Geldmarkt zu vermeiden, war sie gezwungen, in flexibler Weise eine kompensatorische „Liquiditätslücke" zu schaffen. Das gelang dadurch, daß sie im Vorfeld den auflaufenden Liquiditätsbedarf mit Hilfe von Pensionsgeschäften nur auf temporärer Basis befriedigte. Beim Abzug der aus der Gewinnausschüttung resultierenden Kassenguthaben durch den Bund wurden dann in größerem Umfange fällig werdende Pensionsgeschäfte nicht erneuert. Die Flexibilisierung bei der Liquiditätssteuerung durch den verstärkten Einsatz von Wertpapierpensionsgeschäften (etwa seit 1982/83) gewährte zunächst freilich noch nicht mehr Spielraum bei der Zinsgestaltung am Geldmarkt. Die Ursache lag vor allem in der sich damals einbürgernden Praxis der Dauerinanspruchnahme von Lombardkrediten. In der Zeit einer eher auflockernden Geldpolitik, die Ende 1982 einsetzte, war dieser Refinanzierungskredit, der eigentlich nur einer vorübergehenden Befriedigung des Spitzenliquiditätsbedarfs einzelner Kreditinstitute dienen soll, zu einer mehr oder weniger ständigen Refinanzierungsquelle des Bankensystems geworden. Dieser Gewöhnungseffekt führte dazu, daß sich der Zins für Tagesgeld eng am Lombardsatz orientierte. Um hier wieder zu einer größeren Beweglichkeit zu kommen, stellte die Bundesbank im Frühjahr 1985 ihr Steuerungsverfahren um. Die Bereitstellung von Zentralbankguthaben über Offenmarktgeschäfte wurde ausgedehnt, und gleichzeitig wurde der Lombardkredit durch eine Satzanhebung auf seine ursprüngliche Funktion einer letzten, relativ teuren Refinanzierungsquelle zurückgeführt. Diese Technik der Feinsteuerung am Geldmarkt ist der gegenwärtigen Lage angemessen. Der Tagesgeldsatz, der sich heute in der Regel am Pensionssatz orientiert, kann nun zwar etwas stärker im Band zwischen Lombardsatz und einer Untergrenze, die durch den Satz markiert wird, zu dem die Bundesbank kurzfristig Schatzwechsel abgibt, schwanken (vgl. Schaubild: Geldmarktzins in der Bundesrepublik). Bisher konnte die Bundesbank aber anstreben, den Tagesgeldsatz nicht erratisch schwanken zu lassen. Daher wurden — neben dem verstärkten Abschluß von meist vierwöchigen Wertpapierpensionsgeschäften — zum kurzfristigen Liquiditätsausgleich auch reversible Ausgleichsoperationen, wie Verlagerungen von Bundesguthaben bei der Notenbank (gemäß § 17 BBankG) sowie Devisenswap- und -pensionsgeschäfte, im Bedarfsfall weiterhin als Bestandteile des Feinsteuerungsinstrumentariums flexibel eingesetzt. Mitte der 80er Jahre war damit insgesamt ein Zustand erreicht, bei dem kurzfristigen Offenmarkttransaktionen im Steuerungskonzept der Bundesbank eine bedeutsame Rolle zufiel. Eine andere Situation kann freilich eine ganz andere „Mischung" im Einsatz der einzelnen geldpolitischen Elemente angezeigt erscheinen lassen.

Das Konzept der Deutschen Bundesbank

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Geldmarktzins in der Bundesrepublik

1) Festsatz (Mengentender) bzw. Zuteilungssatz (Zinstender) für Offenmarktgeschäfte mit Rückkaufsvereinbarung über Wertpapiere am Gutschriftstag ides jeweiligen Geschäftes.· · = Letzter Stand: 22.07.1987.

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IV. Schlußbemerkungen Rückblickend kann heute festgestellt werden, daß sich die Konzeption einer mittelfristig orientierten Geldmengenpolitik in der Bundesrepublik, gemessen an dem Oberziel der Geldpolitik der Bundesbank, einigermaßen befriedigend beurteilen läßt: Zur Zeit der ersten Zielankündigung (1974) betrug die jährliche Inflationsrate 7 %, im Jahre 1986 wurde Preisstabilität erreicht. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Geldpolitik scheint heute besser gesichert als vor dem Übergang zu Geldmengenzielen. Daß das Vertrauen in die Geldpolitik auch bei einer überschießenden Geldmengenentwicklung nicht verloren ging, sollte nicht als Beweis dafür gelten, daß Geldmengenziele nicht mehr am Platze wären. Es ist sicherlich in erster Linie die Erfahrung einer — an den Endzielen gemessen — erfolgreichen Stabilitätspolitik, die ihre Vertrauenswürdigkeit ausmacht. Doch dieser Erfolg hängt nicht zuletzt mit der weitgehend zielkonformen Geldmengenpolitik in den Jahren davor zusammen. Konzeptionen, die sich in der Praxis dauerhaft bewähren sollen, müssen allerdings ein Mindestmaß an Beweglichkeit aufweisen. Der amerikanische Philosoph William James hat einmal gesagt: „Der Pragmatismus nimmt allen Theorien ihre Steifheit, macht sie geschmeidig und läßt jede arbeiten." Die Bundesbank hat sich in der Tat nicht von theoretischen Extrempositionen leiten lassen. Auch sind ständige Überprüfungen und — falls erforderlich — Revisionen historisch begründeter Konzeptionen der konkret gestalteten Geldpolitik unerläßlich. Aber Pragmatismus und Flexibilität müssen ihre Grenze dort finden, wo die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik auf dem Spiel steht und letztlich an ihrem Fundament, nämlich der Verantwortung der Bundesbank für die Erhaltung kaufkraftstabilen — und das heißt auf längere Sicht auch: knappen — Geldes in der Bundesrepublik, gerüttelt wird.

Das Konzept der Deutschen Bundesbank: Zwischen Geldmengenzielen und zinspolitischer Flexibilität Von Dieter Duwendag, Speyer I. Das Problem Die Politik der Geldmengenziele ist ins Gerede gekommen. Die Kritik richtet sich im Kern auf die Frage, ob Geldmengenziele überhaupt noch eine Funktion haben, wenn sie mit großen Korridoren ausgestattet werden und trotzdem noch des öfteren über- oder unterschritten werden und damit die Glaubwürdigkeit schwächen. Seit dem Übergang der Bundesbank zur Vorankündigung von monetären Wachstumszielen im Jahre 1975 hat es mehrere derartiger kritischer Situationen gegeben. Es wird heute kaum mehr bestritten, daß die Bundesbank im Prinzip in der Lage ist, jedes von ihr gesetzte Zentralbankgeldmengenziel auch tatsächlich zu erreichen — wenn es wirklich und allein darauf ankäme. Schließlich handelt es sich um das Medium, das nur sie allein schaffen kann und dessen (zins- und liquiditätspolitische) Steuerungshebel sie in der Hand hält. Aber die Bundesbank hat ihre Geldmengenziele nie verabsolutiert; weder vollzieht sich Geldmengenpolitik im politischen Tabu-Raum, noch machen Geldmengenziele an den nationalen Grenzen halt. Die Frage ist also nicht, ob die Bundesbank Zielüber- und -unterschreitungen hätte verhindern können, sondern warum sie derartige Abweichungen toleriert hat und wie sie trotzdem noch eine glaubwürdige Geldmengenpolitik fortsetzen kann. Die Frage führt zurück auf das jedem Geldmengenziel inhärente Konfliktpotential mit binnen- und außenwirtschaftlichen Zielen. Jedes Geldmengenziel impliziert bestimmte Grenzen für den zinspolitischen Handlungsspielraum, wie auch umgekehrt ein Zinsziel den geldangebotspolitischen Aktionsradius begrenzt. Wird der durch das Mengenziel vorgegebene zinspolitische Spielraum nicht eingehalten, müssen Einbußen bei der Erreichung der angestrebten monetären Wachstumsrate in Kauf genommen werden. Den Kosten derartiger Zielabweichungen, insbesondere dem Verlust an Glaubwürdigkeit und Orientierung sowie möglichen Inflations- oder Deflationsgefahren, stehen mögliche Vorteile bei der Erreichung anderer gesamtwirtschaftlicher Ziele gegenüber. Beide Aspekte hat eine auf Geldmengenziele ausgerichtete Notenbankpolitik gegeneinander abzuwägen, was

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Dieter Duwendag

natürlich alles andere als ein einfaches Rechenexempel ist.1 Das eine zu tun: Geldmengenziele zu setzen —, und das andere nicht zu lassen: auf eine diskretionäre Zinspolitik nicht zu verzichten —, kann in der praktischen Geldpolitik zu einer Gratwanderung werden. Im folgenden wird versucht, das Konzept der Bundesbank zwischen diesen beiden Polen zu skizzieren und am Beispiel der Wahl des monetären Zwischenziels zu zeigen, wie eine solche Gratwanderung zwischen Geldmengenzielen und zinspolitischer Flexibilität erleichtert werden kann.

II. Zur Wahl des monetären Zwischenziels Die Suche nach dem vergleichsweise „besten" monetären Zwischenziel nimmt in der Literatur einen breiten Raum ein. Monetaristische Geldtheoretiker bevorzugen als Zwischenziel im allgemeinen solche Geldmengenaggregate, die folgende zwei Eigenschaften aufweisen: Erstens eine hinreichend genaue Kontrollierbarkeit über die (bereinigte) Geldbasis, was einen stabilen Geldmultiplikator voraussetzt, zweitens einen engen korrelationsmäßigen Zusammenhang zum endgültigen Ziel, was ein stabiles Verhalten der Umlaufgeschwindigkeit der Zwischenzielvariablen erfordert. Im Ergebnis haben die empirischen Arbeiten der Monetaristen zum engen Geldmengenaggregat M l (zuweilen auch M2) als bevorzugter Zwischenzielgröße geführt. In einer neueren, großangelegten ökonometrischen Untersuchung haben Neumann/ von Hagen für die Bundesrepublik über den Zeitraum 1964-1984 die Nachfragefunktionen für die Geldmengenaggregate M l und M3 sowie für die Zentralbankgeldmenge in der Abgrenzung der Bundesbank und in einer bereinigten Version als Modelle der Umlaufgeschwindigkeit geschätzt.2 Hinsichtlich der Stabilität und der Prognostizierbarkeit gelangen sie zu dem Ergebnis, daß sämtliche genannten vier Geldaggregate diese beiden Kriterien „gleichermaßen erfüllen" (S. 107), während hinsichtlich der Kontrollierbarkeit über den Geldmarkt M3 eine maximale und M l eine „durchaus befriedigende" (S. 104) Genauigkeit erreichen. Alles in allem scheinen die Autoren, insbesondere unter dem Aspekt der Kontrollgenauigkeit, das breite Aggregat M3 als Zwischenziel zu präferieren, während sie für die Verwendung des Konstrukts der Zentralbankgeldmenge keinen Bedarf sehen. Die Zentralbankgeldmenge in ihrer spezifischen Abgrenzung (ZBG) umfaßt den kompletten Bargeldumlauf in der Hand der Nichtbanken und das 1 Vgl. dazu Rohde, Α.: Mengensteuerung und Zinssteuerung — Eine Analyse monetärer Steuerungsstrategien, Berlin 1985, S. 37 ff., S. 91 ff. und S. 145 ff. 2 Vgl. Neumann, M. J. M. und von Hagen, J.: Theoretische und empirische Grundlagen von Geldmengenzielen und ihrer Realisierung, in: Geldpolitische Regelbindung: theoretische Entwicklungen und empirische Befunde, hrsg. von A. Gutowski, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 161, Berlin 1987, S. 63-111. In diesem Beitrag findet sich auch ein Überblick über neuere Untersuchungen zur deutschen Geldnachfrage.

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Mindestreserve-Soll für inländische Verbindlichkeiten der Banken, berechnet mit konstanten Reservesätzen in der Gewichtung von 16,6 % für Sichteinlagen, 12,4 % für Termingelder unter vier Jahren und 8,1 % für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist. 3 Welche Gründe haben die Bundesbank zur „Konstruktion" der ZBG und zu ihrer Einführung als Zwischenziel bewogen? Ökonometrische Tests der Geldnachfragefunktionen für die Aggregate M l , M3 und ZBG, die in der Regel das nominale oder reale Sozialprodukt, einen repräsentativen Zinssatz und die jeweilige Geldmenge der Vorperiode als erklärende Variablen enthalten und in dieser Form auch von der Bundesbank selbst geschätzt wurden, haben für diese Geldbestände allesamt „zu plausiblen Ergebnissen"4 geführt. Trotzdem wird die ZBG favorisiert: „Unter rein technischen Gesichtspunkten erscheinen prinzipiell alle diese Geldaggregate als mögliche Zwischenzielgrößen nicht ungeeignet, wenngleich der Zentralbankgeldmenge auf Grund ihrer besonderen Eigenschaften überlegene Qualitäten als monetärem Indikator und intermediärer Zielvariablen der Geldpolitik zugesprochen werden müssen."5 Schneidet die ZBG also in ökonometrischen Tests nicht besser ab als die konkurrierenden Zwischenziel-„Kandidaten" M l und M3, so sind es letztlich wohl die „besonderen Eigenschaften" (s. o.) der ZBG, die den Ausschlag für ihre Bevorzugung gegeben haben. Dudler 6 nennt in diesem Zusammenhang die folgenden drei Eigenschaften der ZBG: Erstens ihren „politisch-psychologischen Appellcharkter", womit gemeint ist, daß die Bundesbank das Geldmengenziel in Einheiten des von ihr selbstgeschaffenen und für die gesamte Geldschöpfung unabdingbaren Mediums festlegt und damit „eine Selbstverpflichtung der Bundesbank zu stabilitätspolitischem Handeln dokumentiert". Zweitens nennt Dudler die Eigenschaft der ZBG als „unverzerrter Indikator für das Ausmaß der gesamten monetären Expansion" wegen des Rechnens mit konstanten Reservesätzen und wegen des abgestuften Gewichtungsschemas der verschiedenen Einlagearten, die mit unterschiedlichen Reservesätzen, die ihrem — vermuteten — „Geld- und Liquiditätsgrad" entsprechen, in die ZBG eingehen. Der dritte „informationstechnische Vorteil" (Dudler) wird darin gesehen, daß die Komponenten der ZBG statistisch früher verfügbar und mit geringeren Stichtagszufälligkeiten behaftet sind als andere Geldaggregate.7 3 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Deutsche Bundesbank — Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, Sonderdruck Nr. 7, 3. Aufl., 1985, S. 80 ff. 4 Deutsche Bundesbank: Zur längerfristigen Entwicklung und Kontrolle des Geldvolumens, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Nr. 1, 1985, S. 26. 5 Ebenda (im Original nicht kursiv). 6 Vgl. Dudler, H.-J.: Geldpolitik und ihre theoretischen Grundlagen, Frankfurt/M. 1984, S. 102-105 (mit den folgenden wörtlichen Zitaten). 7 Neumann/von Hagen weisen demgegenüber auf die „zeitinkonsistente Summation" von Bargeld- und Mindestreservekomponente der ZBG hin (a. a. O., S. 73).

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Ohne diese „besonderen Eigenschaften" der ZBG zu verkennen, eine strikt theoretische Begründung für die „überlegenen Qualitäten" (Bundesbank; s. o.) der ZBG hinsichtlich ihrer Indikator- und Zwischenzielfunktion lassen diese Argumente nicht erkennen. Das — im Grunde arbiträre — Gewichtungsschema für die in die ZBG eingehenden Bargeld- und Einlagekomponenten, d. h. die Erfassung dessen, was die „relevante" Geldmenge ausmacht, ist z. B. ein solcher theoretisch nach wie vor strittiger Punkt. Im folgenden soll deshalb der Frage nachgegangen werden, ob es weitere Argumente für die Verwendung der ZBG als Zwischenzielgröße gibt. In diesem Zusammenhang folgen wir in bestimmten Bereichen der Argumentationslinie von Hasenbach-Jaenisch,8 der herkömmliche Begründungen der Geldmengentheoretiker einer scharfen Kritik unterzieht.

III. Geldmengenziele und zinspolitischer Spielraum Geldmengenziele, gleichviel in welcher Abgrenzung festgelegt, bedeuten eine Selbstbindung, eine Einengung des geldpolitischen Handlungsspielraums für die Notenbank. Andererseits: „Die Bundesbank hat ... gezeigt, daß sie in den verkündeten Geldmengenzielen ... auch ein Mittel der Selbstbindung für eine vorrangig auf die Erhaltung des Geldwertes verpflichtete Geldpolitik" sieht.9 Auffallend ist zunächst die zweifache Bedeutung des Begriffs „Selbstbindung": Zum einen hinsichtlich der vorrangigen Verfolgung eines bestimmten Ziels der Geldpolitik (Stabilisierung des Preisniveaus), wie es die Bundesbank interpretiert, zum anderen, wie wir es verstehen, mit Bezug auf den Verzicht auf einen „freien" bzw. „diskretionären" Handlungsspielraum, der aus einer Geldmengenregel folgt. Da beide Deutungen inhaltlich nicht unbedingt identisch sind, konzentrieren wir uns auf den zuletzt genannten Begriffsinhalt. Im Prinzip gilt: Um Mengen zu steuern, muß man deren Preise verändern. Soll die Geldmenge mit einer bestimmten Wachstumsrate expandieren, so erfordert dies die Gestaltung bestimmter, dem Geldmengenziel angepaßter Zinsbewegungen. Mit der Festlegung eines Geldmengenziels wird also zugleich ein bestimmter zinspolitischer Spielraum vorgegeben, oder noch schärfer: „Durch die Zwischenzielregel wird ... eine eindeutige Zinspolitik diktiert." 10 Diesen Bereich der zinspolitischen Gestaltung bezeichnen wir als „vorgegebene" oder „implizite" Zinspolitik. 11 Weicht die Notenbank demge8

Vgl. Hasenbach-Jaenisch, K.: Strategien der Geldpolitik — Eine Kritik der Geldmengensteuerung, Hamburg 1985. 9 Deutsche Bundesbank: Zur längerfristigen Entwicklung ..., a. a. O., S. 25 (im Original nicht kursiv). 10 Hasenbach-Jaenisch, K.,a.a.O.,S. 43. 11 Auch als „implizierter Zinsautomatismus" bezeichnet; ebenda, S. 200.

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genüber von der durch das monetäre Zwischenziel vorgegebenen Zinspolitik ab, so bedeutet dies ceteris paribus zugleich auch eine Verletzung des Geldmengenziels. Ein größerer zinspolitischer Handlungsspielraum wird durch Zieleinbußen bei der Geldmengenregel erkauft. Dieser Bereich der zinspolitischen Gestaltung kann als Jreie" bzw. „diskretionäre" Zinspolitik bezeichnet werden.12 Über die Stringenz einer Politik der Geldmengenziele, d. h. wie sie geführt werden sollte, gibt es kontroverse Auffassungen. Den Idealfall hat Pohl im Auge: „Mit der Hinwendung zur Geldmenge verzichtet die Bundesbank gleichzeitig darauf, die Zinsen zu steuern."13 Praktiker der Notenbankpolitik betonen demgegenüber diskretionäre Vorbehalte: „Die Anwendung der Regeln (Geldmengenregeln; D. D.) sollte aber im Grundsatz diskretionäre Flexibilität einschließen. Der Vorbehalt gefährdet weder den konzeptionellen Kern noch die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik." 14 Für Abweichungen der Zinspolitik von der durch das Geldmengenziel vorgegebenen Linie (hinsichtlich Richtung und Ausmaß) kann es in der Tat vielfältige Gründe geben; die wichtigsten sind binnenwirtschaftlich-konjunkturelle und außenwirtschaftliche resp. wechselkursbedingte Anlässe. Besteht z. B. die Chance, während einer Rezession oder bei hoher Arbeitslosigkeit ohne Gefährdung des Ziels der Geldwertstabilität durch zinssenkende Maßnahmen, die über das Ausmaß der durch das Geldmengenziel vorgegebenen Zinspolitik hinausgehen, die Investitionstätigkeit zu stimulieren, so kann die Notenbank unter diskretionären zinspolitischen Handlungsdruck geraten. Oder besteht, um ein anderes Beispiel zu nennen, eine anhaltende reale D-Mark-Aufwertungstendenz infolge massiver Kapitalzuströme aus dem Ausland, so kann die Bundesbank (wie 1978 und 1986/87) gezwungen sein, sich von dem durch die Geldmengenregel implizierten Zinsspielraum zu entfernen und durch diskretionäre zinssenkende Maßnahmen zu versuchen, den Abstand zu den relevanten Auslandszinssätzen zu verringern, um hierdurch weitere reale Aufwertungen der D-Mark und damit Beeinträchtigungen der inländischen Exportwirtschaft abzuwenden oder zumindest abzuschwächen.15 12

Von Hasenbach-Jaenisch (a. a. O., S. 44) auch „antizyklische Zinspolitik" genannt. Pohl, Rüdiger: Monetäre Verstetigung gegen Inflation und Arbeitslosigkeit — Kritische Anmerkungen zur Bilanz der „neuen" Geldpolitik seit 1973, in: Sparkasse, H. 3,1985, S. 97. 14 Kloten, N.: Zur Regelbindung der Geldpolitik: Wie weit soll und kann die Verstetigung gehen?, in: Öffentliche Finanzen, Kredit und Kapital, Festschrift für W. Ehrlicher zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hrsg. von D. Cansier und D. Kath, Berlin 1985, S. 491. 15 Zur „Ankopplung" des deutschen an das ausländische Zinsniveau, insbesondere seit 1978, vgl. Oesterlin, S.: Der Einfluß des internationalen Zinsverbundes auf die Ausgestaltung und Wirksamkeit der Geldpolitik, in: Möglichkeiten einer binnenwirtschaftlich orientierten Geldpolitik bei weltweit hohen Zinsen, Berlin 1985, S. 189 ff., sowie Deutsche 13

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In beiden Fällen — andere sind denkbar — wird das Geldmengenziel verletzt. Bei strikter Auslegung einer auf Verstetigung abzielenden Geldmengenpolitik sollte es derartige Überschreitungen des impliziten zinspolitischen Handlungsspielraums eigentlich nicht geben, die „freie" Zinsgestaltung tabu sein. Man mag es „politische Sachzwänge" oder potentielle Gefahren für die Autonomie der Notenbank nennen — keine Zentralbank läßt sich gern in derartige Gefahrenzonen hineinmanövrieren. Vor die Wahl gestellt, das Geldmengenziel „um jeden Preis" zu erreichen oder Verletzungen des Geldmengenziels hinzunehmen und dadurch politischen Außendruck abzuwenden, wird sich die Notenbank wahrscheinlich für Letzteres entscheiden — sofern keine gravierende Inflationsgefahr damit heraufbeschworen wird. Diesen eher „pragmatischen " Argumenten fügt Bub ein weiteres hinzu, das sich auf die Effizienz der Geldpolitik bei Auftreten unerwarteter, nichtmonetärer Schocks bezieht: Zumindest in solchen Fällen könne „man nicht darauf vertrauen, daß ein bedingungsloses Festhalten an starren Geldmengenzielen die effizienteste unter den geldpolitischen Handlungsalternativen ist". 16 Das Interesse der Notenbanken geht also dahin, trotz Geldmengenziel eine allzu starke Selbstbindung ihres geldpolitischen Aktionsradius zu vermeiden bzw. — anders gewendet — bei gegebenem Geldmengenziel ihren zinspolitischen Handlungsspielraum zu maximieren, um allfälligen Konfliktgefahren wirksam begegnen zu können. Der folgende Abschnitt behandelt einige Möglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Wahl und die Ausgestaltung des monetären Zwischenziels.

IV. Möglichkeiten zur Erhöhung der zinspolitischen Flexibilität 1. Einführung von Zielkorridoren Mit der Wahl eines Zielkorridors werden die Grenzen für die Überschreitung des impliziten Zinsspielraums hinausgeschoben. Dieser Spielraum verschiebt sich direkt proportional zur Ausweitung des Zielkorridors, ohne daß damit, gemessen am Wortlaut der Vorankündigung, eine Verletzung des Geldmengenziels verbunden wäre. Die Bundesbank hat sich dieses „geräuschlosen" Verfahrens zur Erhöhung ihrer zinspolitischen Flexibilität seit 1979 bedient, und zwar mit Bandbreiten bis zu 3 Prozentpunkten: „ . . . it Bundesbank: Geschäftsbericht für das Jahr 1980, S.62ff. Ein signifikanter Einfluß des US-amerikanischen auf das deutsche Zinsniveau wird für den Zeitraum 1964-1982 nachgewiesen in der ökonometrischen Studie von Funke, M.: Nominalzinsen, Realzinsen und internationale Kapitalbewegungen, Discussion Paper des IIMV, Berlin 1986. 16 Bub, N.: Geldpolitik zur Sicherung eines inflationsfreien Wachstums, in: Wirtschaftspolitische Antworten auf die Stagnation, Essays zu Ehren von B. Filusch, hrsg. von H. Tomann, Berlin 1986, S. 140.

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appeared advisable to grant monetary policy from the outset limited room for discretionary maneuver in the form of such target ranges."17 „.Begrenzter Spielraum für diskretionäre (zinspolitische) Manöver"? Die scheinbar enge Bandbreite von bis zu 3 Prozentpunkten darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich dabei — verglichen mit Geldmengen-Punktzielen — um mögliche Erweiterungen der impliziten Zinsgestaltung in der Spitze um bis zu 100% (oberer gegenüber unterem Korridorpunkt; 1987: 3-6%) bzw. ein Drittel (untere und obere Grenze, bezogen jeweils auf den mittleren Korridorpunkt) handelt. Angesichts derart weiter Bandbreiten sind durchaus Zweifel angebracht, ob die ursprünglich angestrebte, auf die Erwartungsbildung der Wirtschaftssubjekte abzielende Führungs- und Orientierungsfunktion von Geldmengenzielen nicht bis zur Bedeutungslosigkeit verwässert wurde. Neumann spricht in diesem Zusammenhang von einer „kunstvoll kaschierten, aber doch drastischen Entwertung der Informationsfunktion der Geldmengenziele".18 Wie die Erfahrung gezeigt hat, haben selbst derart weite Korridore und dadurch vorgegebene große Zinsspielräume verschiedentlich nicht ausgereicht. So kam es 1980 und 1981 im Zuge der Bekämpfung der damaligen hohen Inflationsraten und Leitungsbilanzdefizite zu Unterschreitungen des Zielkorridors und 1986 — voraussichtlich auch 1987 — zu erheblichen Überschreitungen, letztere bedingt durch den starken Verfall des US-DollarWechselkurses und die starken Anspannugnen im EWS vor dem 11. Realignment, die erhebliche Stützungskäufe der Bundesbank mit nachfolgenden zinssenkenden Effekten notwendig machten. Bei einem Festhalten an Punktzielen, etwa in den Größenordnungen der mittleren Korridorpunkte, wären die Geldmengenzielverfehlungen natürlich noch wesentlich drastischer ausgefallen, nämlich mit Abweichungen bis zu +73 % (1986) bzw. - 35 % (1981).

2. Das Kriterium

der Einkommens- und Zinselastizitäten

Die zweite Möglichkeit, Verletzungen des Geldmengenziels zu minimieren bzw. den zinspolitischen Handlungsspielraum möglichst groß zu halten, besteht darin, unter den alternativen Geldmengenaggregaten jenes zur monetären Zwischenzielgröße zu machen, das bei Abweichungen vom impliziten Zinsspielraum die vergleichsweise geringsten Reaktionen aufweist. Mit der Entscheidung für ein bestimmtes Aggregat hat es die Notenbank also in der Hand, gleichzeitig über ihre zukünftige zinspolitische Flexiblität zu bestim17 Schlesinger, H.: The Setting of Monetary Objectives in Germany, in: Central Bank Views on Monetary Targeting, ed. by P. Meek, New York 1983, S. 10. 18 Neumann, M. J. M.: Auf dem Weg zu einer Realtrendorientierung der Geldpolitik, in: Sparkasse, Nr. 3, 1985, S. 89.

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men. Obwohl sich — soweit wir sehen — die Bundesbank bislang dazu nicht explizit geäußert hat, liegt es nahe zu vermuten, daß sie auch diesen Entscheidungsparameter vor Beginn ihrer Geldmengenpolitik geprüft hat. Im folgenden werden hierzu einige Berechnungen und Vergleiche mit den Ergebnissen anderer Autoren angestellt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß als Zwischenziel nur solche Geldmengenaggregate in Frage kommen, die eine negative Zinselastizität aufweisen. Vollkommen zinsunelastische Aggregate scheiden dagegen aus, da sie sich der Grundvoraussetzung für monetäre Zwischenziele, nämlich der zinspolitischen Steuerbarkeit durch die Notenbank, entziehen. Dabei ist klar, daß sich die zinspolitische Steuerung nicht in der Veränderung der Notenbankzinssätze erschöpft (Diskont-, Lombard-, Pensionssätze). Vielmehr wirken auf das Zinsniveau — zunächst am Geldmarkt, später aufgrund der Ausstrahlungseffekte auch an den Kredit- und Kapitalmärkten — auch solche „mengenpolitischen" Maßnahmen, die die Bankenliquidität in Form des disponiblen aktuellen und/oder potentiellen Zentralbankgeldes verändern, wie z. B. durch Offenmarktgeschäfte, Änderungen der Mindestreservesätze und der Rediskontkontingente oder durch nicht-sterilisierte Devisenanoder -Verkäufe im Zuge von Interventionen an den Devisenmärkten. Auch Geldmengenpolitik ist daher, wie jede Art von Geldpolitik, in der Essenz Zinspolitik. Die Voraussetzung einer negativen Zinselastizität gilt durchaus nicht für alle Geldmengenaggregate. So ergeben verschiedene empirische Berechnungen z. B. für das Aggregt M2 eine positive Zinselastizität,19 bedingt durch die spezifische Zusammensetzung dieses Aggregats, hier insbesondere wegen der Rolle der Termineinlagen als „Parkstation" insbesondere in Zeiten der Unsicherheit über die längerfristige Zinsentwicklung. Aggregate mit positiver Zinselastizität scheiden als monetäre Zwischenziele von vornherein aus, da sie die zinspolitische Steuerung durch die Notenbank „auf den Kopf stellen". Aber es verbleiben genügend andere Geldmengenaggregate wie M l , M3 und die ZBG (weitere wären durchaus konstruierbar!), die eine negative Zinselastizität aufweisen und mithin als Zwischenziele in Betracht kommen. Dabei gilt: Je größer die Zinselastizität eines Aggregats dem Betrag nach ist, desto empfindlicher („sensitiver") reagiert es auf zinspolitische Steuerungsmaßnahmen und desto deutlicher treten Verletzungen des Geldmengenziels zutage, wenn die Notenbank vom — durch das Geldmengenziel vorgegebenen — impliziten Zinsspielraum abweicht. Umgekehrt erlauben Aggregate mit niedriger Zinselastizität einen größeren diskretionären zinspolitischen Ak19

Nach Berechnungen von Hasenbach-Jaenisch (a. a. O., S. 37) lag die Zinselastizität von M2 während des Zeitraums von 1961 bis 1978 bei + 0,02, nach eigenen Berechnungen für die Zeit von 1975-1986 sogar bei + 0,06. Beide OLS-Schätzungen sind allerdings bei einem Signifikanzniveau von 5 % nicht verschieden von Null. Die Regression erfogte mit den Zinssätzen für Dreimonatsgelder in der Bundesrepublik Deutschland.

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tionsradius, da sie Verfehlungen des Geldmengenziels relativ schwächer signalisieren. Das bevorzugte Interesse von Notenbanken dürfte daher Aggregaten mit niedriger (betragsmäßiger) Zinselastizität gelten. Im Normalfall trifft diese Eigenschaft für breite Geldmengenabgrenzungen wie M3 zu, aber auch für das Konstrukt ZBG, das ja im wesentlichen ein verkleinertes Abbild von M3 ist. Da sich zinsbedingte Umschichtungen innerhalb der Komponenten dieser Aggregate zu einem großen Teil kompensieren, fällt auch der Geldmengeneffekt von zinspolitischen Steuerungsmaßnahmen seitens der Notenbank entsprechend schwach aus. Aggregate mit ausschließlich nichtverzinslichen Komponenten wie M l (Bargeld + Sichtdepositen) reagieren demgegenüber auf Zinsveränderungen wesentlich stärker, d. h. enge Geldmengenabgrenzungen haben eine deutlich höhere Zinselastizität. Diese Überlegungen, für sich genommen, deuten schon an, daß sich die Bundesbank für ein breites Aggregat, etwa die ZBG oder M3, als monetärer Zwischenzielgröße entscheiden sollte, sofern ihr an einer möglichst großen zinspolitischen Flexibilität gelegen ist. Bevor auf die Ergebnisse der empirischen Berechnungen in Tab. 1 eingegangen wird, soll noch ein Wort zu deren Vergleichbarkeit vorausgeschickt werden. Aus den zahlreichen ökonometrischen Tests von Geldnachfragefunktionen ist bekannt, daß neben „dem" Zinssatz auch das reale und/oder nominale Sozialprodukt (Volkseinkommen) als erklärende Variable eine große Rolle spielt, ferner — bei weiteren Spezifikationen — das Auslandszinsniveau, die Geldmenge der Vorperiode und die Inflationsrate bzw. der Deflator des BSP (sofern das Realeinkommen als eigenständige Determinante betrachtet wird). Uns kommt es im folgenden nicht auf derartige weitgehende Spezifikationen an, wie sie z. B. in den Berechnungen von Neumann/von Hagen und Gaab (vgl. Tab. 1) enthalten sind, d. h. wir beabsichtigen keine möglichst umfassende Schätzung der Geldnachfragefunktion, sondern lediglich eine auf die Zins- und Einkommenselastizität der Geldnachfrage konzentrierte Betrachtung. Damit verbietet sich wegen der hier verkürzten und z. T. andersartigen 20 Spezifikation von vornherein ein direkter Vergleich mit den numerischen Ergebnissen der Berechnungen seitens der eben genannten Autoren. Der Punkt, auf den es vielmehr ankommt, ist zu zeigen, daß innerhalb jeder Berechnungsmethode die verschiedenen Geldmengenaggregate ein ähnliches Verhalten in bezug auf ihre jeweilige Einkommens· und Zinselastizität aufweisen. Das Einkommen, hier betrachtet anhand des nominalen BSP zu Marktpreisen, ist zweifellos die wichtigste Determinante der gewünschten Kassenhaltung, d. h. der Geldnachfrage (Transaktionsmotiv). Gleichzeitig ist es eine 20

So gehen Neumann/von Hagen und Gaab z. B. vom Realeinkommen aus, während hier das nomale Einkommen betrachtet wird.

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Determinante, die über die zinspolitische Steuerung der Notenbank nur indirekt beeinflußt werden kann. Wegen des unterschiedlich hohen Anteils der Transaktionskassenhaltung in den verschiedenen Geldmengenaggregaten werden diese Aggregate auch unterschiedlich stark auf Veränderungen des Einkommens reagieren — breite Aggregate schwächer und enge Aggregate in relativ stärkerem Maße. Diesen Gesichtspunkt muß die Notenbank bei der Wahl und bei der (jährlichen) Kalkulation des monetären Zwischenziels natürlich berücksichtigen. Im Ergebnis werden die Geldpolitiker, um ihren zinspolitischen Handlungsspielraum trotz Geldmengenziel zu maximieren, dahin tendieren, unter den verschiedenen Geldmengenaggregaten jenes als Zwischenziel auszuwählen, das die vergleichsweise niedrigste (absolute) Einkommens- und zugleich Zinselastizität aufweist. Im Normalfall (nicht rein rechnerisch!) läuft diese Bedingung darauf hinaus, dasjenige Aggregat zu wählen, für welches sich die vergleichsweise höchste

Einkommens-/Zins-Elastizitäten-Relation =

*

e (m, r)

ergibt, wobei m9 y und r jeweils die relativen Veränderungen der Geldmenge, des Einkommens und des Zinsniveaus bezeichnen. Unsere emprischen Schätzungen der Einkommens- und Zinselastizität der verschiedenen Geldmengenaggregate erfolgten mittels der OLS-Regression mit unverzögerten Variablen nach dem folgenden Ansatz: Amt = ao + ai Ay t + ai Ar t Am etc. bezeichnet die prozentualen Veränderungsraten der eigentlichen Werte, m steht alternativ für die Geldmengenaggregate M l , M3 und ZBG,y für das nominale BSP zu Marktpreisen und r für den inländischen Zinssatz für Dreimonatsgeld. Der Untersuchungszeitraum umfaßt die Jahre 1975 bis 1986, also exakt die bisherige Periode der Geldmengensteuerung durch die Bundesbank. Um eine gewisse Vergleichbarkeit herzustellen und die Berechnungen fortzuführen, weist der Schätzansatz weitgehend die gleiche Spezifikation wie bei Hasenbach-Jaenisch21 auf (dort ist allerdings noch eine Störvariable berücksichtigt, und der Untersuchungszeitraum läuft von 1961 bis 1978). In obiger Gleichung bedeuten a{ die kurzfristige Einkommenselastizität und a2 die kurzfristige Zinselastizität der Geldnachfrage. Da sich die Vorgabe von Geldmengenzielen durch die Bundesbank jedoch am Produktions21

Vgl. Hasenbach-Jaenisch, K., a.a.O., S. 37.

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potential, also an einer langfristigen, nur geringfügig ändernden Größe orientiert, erscheint es sachgerechter, von der langfristigen (1) Einkommenselastizität auszugehen. Sie wurde kalkuliert gemäß / \1 0 0 I e (m, y) = — + α,

y mit der jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate des nominalen BSP ( y ) von 1975 bis 1986 in Höhe von 5,88 %. Bei der Berechnung der Relation aus Einkommens- und Zinselastizität wurde der Quotient aus der langfristigen Einkommens- (/) und der kurzfristigen Zinselastizität (k) gebildet: e {m, y )' e ( m, rf

ao _ J + a\ ai

Dieser „Mix" aus lang- und kurzfristigen Elastizitäten erscheint deshalb gerechtfertigt, weil sich die Bundesbank — wie schon erwähnt — bei der Kalkulation der Geldmengenziele an der längerfristigen Entwicklung des Produktionspotentials orientiert, während ihr kurzfristiger Handlungsparameter die Steuerung des Zinsniveaus am Geldmarkt darstellt. In Tab. 1 sind die Ergebnisse von drei anderen Autoren unseren Resultaten gegenübergestellt.22 Was die numerischen Ergebnisse betrifft, so sind sie nur zwischen Neumann/von Hagen und Gaab einerseits sowie zwischen Hasenbach-Jaenisch und dem Verfasser andererseits in gewissem Maße vergleichbar, was auch in den recht ähnlichen Größenordnungen zum Ausdruck kommt. Bei der zuerst genannten Autorengruppe stimmen zwar Stützperiode, Datenverwendung und Spezifikation des Schätzansatzes weitgehend überein, jedoch berechnen Neumann/von Hagen (kurzfristige) Prognoseelastizitäten über vier Quartale, während Gaab kurz- und langfristige Elastizitäten der Geldnachfrage schätzt, wobei in Tab. 1 die Ergebnisse seiner langfristigen Elastizitätsberechnungen ausgewiesen sind. Um langfristige Einkommenselastizitäten handelt es sich zwar auch bei der zweiten Autorengruppe, jedoch unterscheiden sich deren Berechnungen von jenen der zuerst genannten Autoren durch die verkürzte Spezifikation des Ansatzes, durch die Wahl des Nominaleinkommens (statt des Realeinkommens) sowie durch Abweichungen in der Datenverwendung und in der statistischen Stützperiode, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen (vgl. Tab. 1). 22

Hinweis: Die Einkommens-/Zins-Elastizitäten-Relationen der anderen Autoren wurden vom Verfasser berechnet.

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Tabelle 1 Einkommens- und Zinselastizitäten der Geldnachfrage a)

Neumann/ von Hagen b)c)

Gaab c) d)

HasenbachJaenisch e)f)

Verfasser f)g)

Einkommenselastizität

Ml ZBG M3

0,69 0,48 0,46

0,42 0,36 0,35

1,094 1,068 1,261

1,244 1,137 1,258

Zinselastizität

Ml ZBG M3

-0,13 -0,05 -0,06

-0,11 -0,05 -0,05

-0,088 -0,027 -0,012*

-0,086 -0,041 -0,014*

Einkommens-/ Zins-Elastizitäten-Relation

Ml ZBG M3

5,3

3,8 7,2 7,0

7,7

12,4 39,6 (105,1)

14,5 27,7 (89,9)

a) Zentralbankgeldmenge (ZBG), Ml und M3 in den Abgrenzungen der Deutschen Bundesbank; Neumann/von Hagen und Gaab verwenden eine bereinigte Version (Zb) der ZBG. b) Untersuchungsperiode: 1962,1 bis 1984, IV. Es handelt sich um kurzfristige „Prognoseelastizitäten" über 4 Quartale. c) Berechnet wurden die Elastizitäten der realen Geldnachfrage in bezug (u. a) auf das reale Volkseinkommen und die inländische Umlaufsrendite öffentlicher Anleihen unter Verwendung von nicht-saisonbereinigten Quartalsdaten. d) Untersuchungsperiode wie b); langfristige Elastizitäten. e) Untersuchungsperiode: 1961-1978. Die Zinselastizität von M3 ist bei einem 5%-Signifikanzniveau nicht verschieden von Null (*). 0 Langfristige Einkommens- und kurzfristige Zinselastizität der nominellen Geldnachfrage in bezug auf das nominelle BSP zu Marktpreisen und den inländischen Zinssatz für Dreimonatsgeld unter Verwendung von saisonbereinigten Ganzjahresdaten bzw. -durchschnitten. g) Untersuchungsperiode: 1975-1986; eigene Berechnungen. Bei einem 5 %-Signifikanzniveau ist die Zinselastizität von M3 nicht verschieden von Null (*). Statistische Quellen: Statistische Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank, Reihe 4, Saisonbereinigte Wirtschaftszahlen, und Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, jeweils div. Jahrgänge. Quellen: M. J. M. Neumann, J. von Hagen, a.a.O., S. 96. — W. Gaab: Diskussion des Beitrags von M. J. M. Neumann und J. von Hagen, Theoretische und empirische Grundlagen von Geldmengenzielen und ihrer Realisierung, in: a. a. O., S. 120. — K. Hasenbach-Jaenisch, a. a. O., S. 37. Es wurde schon betont, daß hier der Blick vor allem auf die Ergebnisse gelenkt werden soll, wie sie sich innerhalb der jeweiligen Berechnungsmethode der Autoren ergeben, und daß der Vergleich — sofern überhaupt möglich — nur in zweiter Linie eine Rolle spielt. Das Kriterium der vergleichsweise niedrigsten Einkommenselastizität wird nach den Berechnungen der ersten Autorengruppe am besten erfüllt von dem Geldmengenaggregat M3, dicht gefolgt von der Z B G , 2 3 während der Abstand zu M l beträchtlich 23 Es sei nochmals betont, daß Neumann/von Hagen und Gaab eine bereinigte Version der ZBG zugrunde legen.

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ist. Die Ergebnisse der zweiten Autorengruppe weisen dagegen für die ZBG die niedrigste Einkommenselastizität auf; danach folgen M l und danach erst mit deutlichem Abstand M3. Hinsichtlich des Kriteriums der Zinselastizität zeigen sämtliche Aggregate das für die Wahl eines monetären Zwischenziels erforderliche negative Vorzeichen. In der Reihung der Ergebnisse ergibt sich bei allen Autoren (und jeder Berechnungsmethode für sich) für die ZBG die niedrigste (betragsmäßige) Zinselastizität (bei Gaab in gleicher Höhe wie für M3), wenn man von den nichtsignifikanten Ergebnissen für M3 bei Hasenbach-Jaenisch und beim Verfasser absieht. Gegenüber der ZBG liegt die Zinselastizität von M l dagegen bei dem 2,1- bis 3,3-fachen Wert. Beide Kriterien lassen sich, wie weiter oben ausgeführt, „verdichten" zu dem Kriterium der vergleichsweise höchsten (absoluten) Einkommens-/ZinsElastizitäten-Relation, welche zugleich die maximale zinspolitische Flexibilität der Notenbank anzeigt. Lassen wir wieder die Ergebnisse für M3 bei Hasenbach-Jaenisch und beim Verfasser wegen nicht ausreichender Signifikanz der Zinselastizität auf dem gewünschten Niveau außer Betracht, so zeigt sich, daß das Aggregat ZBG bei allen Autoren die höchste Relation aufweist. Mit anderen Worten, die Bundesbank hat mit der Entscheidung für die ZBG als monetärer Zwischenzielgröße jenes Aggregat gewählt, das ihr den größtmöglichen zinspolitischen Spielraum eröffnet bzw. das ihr die geringste Verletzung des Geldmengenziels bei Überschreitung der durch die Geldmengenregel „vorgegebenen" Zinspolitik gestattet. Die Annahme, daß sich die Bundesbank bei der Entscheidung für die ZBG auch von den hier genannten Kriterien hat leiten lassen, ist sicher nicht abwegig.

3. Das Kriterium

der geringsten Varianz

Eine weitere Entscheidungshilfe für die Wahl des monetären Zwischenziels könnte das Kriterium der minimalen Varianz sein: Bei welchem Geldmengenaggregat waren in der Vergangenheit die vergleichsweise geringsten Schwankungsbreiten zu beobachten? Für die auf die Verstetigung der Geldmengenentwicklung und damit zugleich auch der Wirtschaftsaktivität abzielende Notenbankpolitik ist dies eine wichtige Information, zeigt sie doch, welches Aggregat in der Vergangenheit am „robustesten" (am wenigsten empfindlich) auf interne und externe Störeinflüsse — natürlich auch seitens der Geldpolitik selbst — reagiert hat. Ohne die strukturellen Eigenschaften der verschiedenen Geldmengenaggregate im einzelnen kennen zu müssen (z. B. deren Zins- und Einkommenselastizitäten), bündelt die Varianz als „catch all" die Wirkungen all dieser Einflüsse auf die Geldmengenentwicklung. In einem Varianzmodell (Optimierungsmodell) „zur Erklärung des Auswahlverhaltens (bezüglich des monetären Zwischenziels; D. D.) bei feh3 Kredit und Kapital, Beiheft 10

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lender Information" 24 der Notenbank über die strukturellen Eigenschaften der verschiedenen Geldmengenaggregate hat Hasenbach-Jaenisch überdies nachgewiesen, daß die Orientierung der Geldpolitik an der kleinsten Varianz exakt zu den gleichen Ergebnissen führt, wie sie im vorigen Abschnitt aufgrund des Kriteriums der Zins- und Einkommenselastizitäten erzielt wurden. Tab. 2 zeigt die numerischen Ergebnisse für die Varianzen der vierteljährlichen Wachstumsraten der verschiedenen Geldmengenaggregate. Das Ergebnis ist eindeutig: Für die ZBG ergibt sich im Vergleich zu den Aggregaten M l und M3 die mit Abstand geringste Varianz, und zwar dies sowohl für den Zeitraum 1960-1973 (Hasenbach-Jaenisch) als auch für die Periode 19751986 (eigene Berechnungen). Hatte sich, wie anzunehmen ist, die Bundesbank bei der Wahl des Zwischenziels schon zu Beginn der Geldmengenpolitik (1975) auf das Kriterium der kleinsten Varianz gestützt, so kann sie sich auch im Rückblick auf die bisherige Phase der Geldmengenpolitik aufgrund dieses Kriteriums in ihrer Entscheidung bestätigt fühlen. Auffallend ist, daß sich die Schwankungsbreite der ZBG im Verlauf dieser beiden Perioden kaum verändert hat, während die Varianz von M l in dieser Zeit um ein Drittel gestiegen ist. Eine ganz andere Frage ist, ob mit dieser Zunahme des unstetigen Verhaltens von M l nicht zugleich auch die Schwankungen der Wirtschaftsaktivität verstärkt worden sind, wie Neumann25 vermutet. In diesem Fall sollte gerade das Aggregat M l zur Zielgröße der Geldmengensteuerung gemacht werden, um über Verringerungen der Varianz von M l auch den Wirtschaftsablauf stetiger zu gestalten.

Tabelle 2 Varianzen der Geldmengenaggregatea)

Autor

Ml

ZBG

M3

HasenbachJaenisch1^

1,38

0,53

0,86

Verfasser 0

1,84

0,55

0,73

a) Varianzen der vierteljährlichen Wachstumsraten in %, berechnet unter Verwendung von saisonbereinigten Quartalsdurchschnitten. Zentralbankgeldmenge (ZBG), Ml und M3 in den Abgrenzungen der Deutschen Bundesbank. b) Untersuchungsperiode: 1960,1 bis 1973, IV. Die numerischen Ergebnisse wurden aus der Abb. Exkurs 2/3 (S. 52) der Untersuchung von Hasenbach-Jaenisch entnommen. c) Untersuchungsperiode: 1975, I bis 1986, IV; eigene Berechnungen. Zu den statistischen Quellen vgl. Tab. 1, Fußnote g). Quelle: K. Hasenbach-Jaenisch, a. a. O., S. 52. 24 25

Hasenbach-Jaenisch, K., a. a. O., S. 50; zum Varianzmodell vgl. S. 50-57. Vgl. Neumann, M. J. M., a. a. O., S. 91.

Zwischen Geldmengenzielen und zinspolitischer Flexibilität

35

V. Zusammenfassung und Perspektiven Für Notenbanken, die eine Politik der Geldmengenziele verfolgen und gleichzeitig aus binnenwirtschaftlichen und welchselkurspolitischen Gründen auf die Erhaltung einer möglichst großen zinspolitischen Flexibilität bedacht sind, ist die Wahl eines breiten Geldmengenaggregats als monetärer Zwischenzielgröße eine rationale Entscheidung. Diese Sichtweise bzw. Intention kann auch für die Bundesbank unterstellt werden. Sie hat mit der Entscheidung für die Zentralbankgeldmenge (ZBG; in der Abgrenzung der Bundesbank) als Zwischenziel ein Aggregat gewählt, das es ihr gestattet, bei allfälligen Abweichungen ihrer Zinspolitik von dem durch die Geldmengenregel vorgegebenen (impliziten) Zinsspielraum die vergleichsweise geringsten Verletzungen des Geldmengenziels hinnehmen zu müssen. Das haben unsere Berechnungen und Resultatsvergleiche mit anderen Autoren hinsichtlich der Kriterien der maximalen Einkommens-/Zins-Elastizitäten-Relation und der minimalen Varianz ergeben. Mit der Wahl dieses Geldmengenaggregats konnte der Schaden der diskretionären Zinspolitik, d. h. die Einbuße an Glaubwürdigkeit und Orientierung aufgrund von Zielverfehlungen, in Grenzen gehalten werden. Werden überdies noch Korridore für die Geldmengenziele eingeführt, so erhöht sich der zinspolitische Spielraum entsprechend, was natürlich unabhängig von der Wahl des jeweiligen Geldmengenaggregats gilt. Die Bundesbank hat beide Wege beschritten: Indem sie weite Bandbreiten (statt Punktziele) festlegte, steigerte sie ihren durch den Geldmengenkorridor vorgegebenen Zinsspielraum; und indem sie sich für die ZBG entschied, erhöhte sie im Vergleich zu alternativen Geldmengenaggregaten (insbesondere M l ) ihren diskretionären zinspolitischen Handlungsspielraum. Damit ist keineswegs gesagt, daß die Bundesbank ihren Aktionsradius für zinspolitische Flexibilität schon voll ausgeschöpft hat, sind doch weitere Konstrukte von Geldmengenaggregaten denkbar (und konstruierbar), die noch robuster als die ZBG auf Störeinflüsse von innen und außen reagieren und damit einen noch größeren Spielraum für die diskretionäre Zinspolitik eröffnen könnten. Fragwürdig wird ein solches Vorgehen, das ja auch schon bei dem Konstrukt der ZBG auf Kritik gestoßen ist, freilich dann, wenn es dazu führt, daß die Beziehungen zwischen dem Geldmengenaggregat und der Wirtschaftsaktivität immer lockerer werden. Denn die Verstetigung des Wirtschaftsablaufs und die Stabilisierung des Preisniveaus sind ja letztlich die eigentlichen Ziele der Geldmengenpolitik. Der bessere Weg wäre, die internationale Koordinierung der Zinspolitik bzw. der monetären Wachstumsraten weiter voranzutreiben, um von daher überhaupt die Notwendigkeit von breiten Zielkorridoren und diskretionären zinspolitischen Maßnahmen zu verringern.

3*

36

Dieter Duwendag

Davon abgesehen, welche Zukunftsperspektiven bestehen für die Geldmengenpolitik? Geldmengenziele bergen häufig Konflikte mit binnen- und außenwirtschaftlichen Zielen. Die Bundesbank kann derartige Konflikte entschärfen, indem sie Verletzungen des Geldmengenziels toleriert, noch breitere Zielkorridore schafft und/oder auf mehrjährige Geldmengenziele übergeht.26 Jede dieser Möglichkeiten beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit. Versucht die Bundesbank andererseits, ihre Geldmengenziele zu jeder Zeit rigoros, d. h. mit 100 %iger „Effizienz" durchzusetzen, läuft sie Gefahr, unter starken politischen Druck zu geraten oder gar ihre Autonomie aufs Spiel zu setzen. Daraus folgt für die künftige Politik der Bundesbank eine Art „Paradoxon", wie es Hansmeyer27 schon 1968 in einem anderen Zusammenhang formuliert hat und hier abgewandelt lautet: Um ihre Politik der Geldmengenziele auf Dauer durchhalten zu können, muß sich die Bundesbank in Konfliktsituationen mit einer „mittleren Effizienz" bei der Erreichung dieser Ziele begnügen. Das ist, wie gesagt, negativ für die Glaubwürdigkeit, aber es erscheint als der einzige Weg, die Politik der Geldmengenziele überhaupt fortführen zu können.

26 Was auf eine „Verrechnung" von Zielüber- und -unterschreitungen im Verlauf mehrerer Jahre hinausläuft. Vgl. dazu Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 1985/86, Auf dem Weg zu mehr Beschäftigung, Stuttgart und Mainz 1985, Ziff. 235-239. 27 Vgl. Hansmeyer, K.-H.: Wandlungen im Handlungsspielraum der Notenbank?, in: Geldtheorie und Geldpolitik, G. Schmölders zum 65. Geburtstag, hrsg. von C. A. Andreae u.a., Berlin 1968, S. 165ff.

Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik: Eine Bestandsaufnahme Von Rüdiger Pohl, Hagen

I. Grundpfeiler der Geldpolitik Die Geldpolitik ist weltweit auf der Suche nach einer neuen Orientierung. Die in den siebziger Jahren entwickelte Konzeption der potentialorientierten Geldmengensteuerung ist brüchig geworden. Verfehlungen und Suspendierungen von Geldmengenzielen sind hierfür allenfalls äußeres Symptom. Sie spiegeln freilich die große Unsicherheit der verantwortlichen Geldpolitiker wider, die von der Instabilität zwischen monetärer und realer Entwicklung irritiert sind.1 Die konzeptionelle Krise geht aber tiefer: Die Grundpfeiler der bisherigen geldpolitischen Konzeption erwiesen sich nicht als tragfähig. Diese Grundpfeiler wurden vornehmlich vom Monetarismus bereitgestellt. Nachdem die keynesianisch orientierte Wirtschaftspolitik auf die zu Beginn der siebziger Jahre aufflammende Inflation keine Antwort wußte, kam die „monetaristische (Konter)Revolution" (Friedman 1970, Brunner 1970) gerade recht, denn ihre wirtschaftspolitische Botschaft schien sie für Inflationsbekämpfung zu prädestinieren. Wenn auch die monetaristische Konzeption der Geldpolitik verschiedene Varianten besaß und nirgendwo in reiner Form umgesetzt wurde, stellten sich doch große Notenbanken auf das monetaristische Kernstück, die Geldmengensteuerung entlang eines mittelfristigen Pfades um. Mit Recht konnte von einer „neuen Ära" der Geldpolitik gesprochen werden (vgl. Duwendag 1977). Drei Grundpfeiler bilden die Basis für die geldpolitische Strategie in den siebziger und ersten achtziger Jahren: das Abschottungspostulat, das arbeitsteilige Assignment und die Minimierung des Informationsbedarfs. Das Abschottungspostulat betrifft die außenwirtschaftliche Absicherung national orientierter Geldpolitik durch flexible Wechselkurse. In der Endphase des Bretton-Woods-Systems hatten anschwellende internationale Ka1 Nahezu übereinstimmend verweisen verantwortliche Zentralbankpolitiker verschiedener Länder auf die nach ihrer Meinung offenbar geänderte Beziehung zwischen der Geldmenge und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Sie ziehen daraus den Schluß, daß eine Weiterführung der bisherigen Geldmengensteuerung (vorerst) nicht möglich sei. Vgl. Volcker, P. (1987), Lusser, M. (1987), Ciampi, C. A. (1986).

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Rüdiger Pohl

pitalströme massive Konflikte zwischen binnenwirtschaftlicher und außenwirtschaftlicher Stabilität verursacht. Durch ihre Interventionspflicht sahen sich viele Notenbanken zu einer Geldpolitik gezwungen, die der binnenwirtschaftlichen Stabilität auf die Dauer nicht förderlich sein würde. Die Notenbanken drängten auf außenwirtschaftliche Entlastung durch die Aufhebung der Interventionspflicht. Sie wurden dabei von vielen Wirtschaftswissenschaftlern unterstützt, die in flexiblen Wechselkursen erhebliche Vorteile sahen (vgl. z.B. Sachverständigenrat, Jg. 1971,Ziff. 257ff.). Den einzelnen Ländern würde so konjunktur- und stabilitätspolitische Autonomie verschafft. Gemäß der Kaufkraftparitätentheorie würden nominale Wechselkurstrends entsprechend dem Inflationsdifferential die realen Austauschverhältnisse stabilisieren. Die Länder würden voneinander unabhängig bleiben, weil es bei flexiblen Wechselkursen keinen Zwang zu einem gemeinsamen Geldwerttrend gäbe. Schließlich werden sich Zinsdifferentiale entsprechend den Wechselkurserwartungen bilden, und die Zinsparität wird ein Gleichgewicht der internationalen Kapitalströme herbeiführen. Kapitalverkehrskontrollen, die bei festen Wechselkursen auf die Dauer unvermeidlich schienen, könnten so vermieden werden. Mit dem Übergang zum Floaten gegenüber dem US-Dollar im Jahre 1973 wurde die geforderte außenwirtschaftliche Absicherung weitgehend realisiert. Die Notenbanken, allen voran die durch Kapitalzuflüsse besonders betroffene Deutsche Bundesbank, sahen sich nunmehr in der Lage, unter dem Schutz flexibler Wechselkurse der binnenwirtschaftlichen Stabilität der Währung Priorität einzuräumen. „Die entscheidende Voraussetzung für eine wirksame Geldpolitik wurde dadurch geschaffen, daß die Bundesbank von der Interventionspflicht zugunsten des US-Dollars befreit wurde" (Deutsche Bundesbank 1973, S. 3). Die Bundesbank stand mit dieser Meinung nicht allein da. „Die von flexiblen Wechselkursen flankierte Geldpolitik ist ein äußerst kraftvolles Instrument". So faßte der Sachverständigenrat (Jg. 1974, Ziff. 396) die herrschende Meinung zusammen. Das arbeitsteilige Assignment betrifft die Zielzuweisung an die Geldpolitik. Die Geldpolitik sollte sich vornehmlich um die Preisniveaustabilisierung kümmern, und sie sollte nicht für Wachstum und Beschäftigung verantwortlich sein (vgl. Sachverständigenrat, Jg. 1974, Ziff. 377). Dieses Assignment kam dem Selbstverständnis der Notenbanken entgegen, die traditionell dem Geldwert unter allen Zielen den höchsten Rang einräumen. Aber es wurde auch durch die geldtheoretische Forschung unterstützt. Die aus den fünfziger Jahren überkommene Trade-off-These von Phillips (1958), die eine Interdependenz von (Lohn-)Inflation und Arbeitslosigkeit behauptete, wurde in den sechziger und siebziger Jahren durch die Non-trade-off-These ersetzt. Zunächst hatte Friedman (1968) den langfristigen Non-trade-off unter Rückgriff auf adaptive Inflationserwartungsbildung begründet. Langfristig

Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik

39

würde Geldpolitik so nur auf die Inflationsrate wirken. Allerdings hat Friedman stets auch darauf hingewiesen, daß monetäre Änderungen „auf kurze Sicht, die allerdings fünf oder gar zehn Jahre betragen mag", hauptsächlich den Output beeinflußt (Friedman 1970). Dies hätte eine Warnung sein können, die realen Effekte der Geldpolitik besser nicht zu vernachlässigen. Doch wurde diese Warnung in dem inflationären Klima der ersten Hälfte der siebziger Jahre wenig beachtet. Andere Monetaristen stellten zudem klar, daß Output-Effekte nur von monetären Akzelerationen und Dezelerationen zu erwarten seien, stetiges monetäres Wachstum dagegen hauptsächlich Preisniveaueffekte haben würde (Brunner 1970). Eine noch viel wirksamere Rechtfertigung erfuhr das arbeitsteilige Assignment durch die Einbeziehung rationaler Inflationserwartung in die Geldtheorie (Sargent / Wallace 1976). Real Wirkungen wurden nur noch unsystematischen Geldmengenvariationen zugeschrieben. Vorangekündigte Geldmengenbewegungen, wie sie mit der potentialorientierten Geldmengenpolitik beabsichtigt waren, hätten dagegen ausschließlich Preisniveaueffekte. Auch Disinflationspolitik könnte — wenn die dazu notwendige Geldmengenkontraktion vorangekündigt wird — ohne Beschäftigungseinbußen durchgeführt werden, weil der Nominallohn an das zu erwartende niedrigere Inflationstempo angepaßt und so beschäftigungsmindernde Reallohnanhebungen vermieden würden. Unterblieben Lohnanpassungen, so würden zwar Beschäftigungseinbußen entstehen — aber diese wären dann dem lohnpolitischen Fehlverhalten der Gewerkschaften zuzuschreiben und nicht der Notenbank. Die Minimierung des Informationsbedarfs bezieht sich auf die informationstheoretischen Grundlagen der Geldpolitik. Die Beziehungen zwischen geldpolitischer Aktivität und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung, so lautet der informationstheoretische Ansatzpunkt, seien zu wenig transparent, zu unsicher und instabil. Dies spräche dagegen, die Geldpolitik diskretionär zu gestalten (Friedman 1970; Brunner 1970; Sachverständigenrat, Jg. 1974, Ziff. 374, 376), denn in diesem Fall müßte eine Vielzahl von Informationen über die Wirtschaftsentwicklung, über Zeitverzögerungen und über Transmissionswege monetärer Maßnahmen herangezogen werden. Widersprüchlichkeiten und Unsicherheiten in der Bewertung der Informationen müßten Fehlurteile der Geldpolitik begünstigen, was die Wirtschaft letztlich destabilisieren würde. Der Ausweg wurde in der Wahl einer geldpolitischen Strategie gesehen, deren Bedarf an aktuellen Informationen so gering wie möglich ist, so daß auf diese Weise die Gefahr von Fehleinschätzungen minimiert wird. Besonders geeignet schien ein mittelfristig angelegtes potentialorientiertes Geldmengenkonzept: „Unsere Kenntnis der kurzfristigen Zusammenhänge zwischen Änderungen der Geldmenge und nachfolgenden Änderungen der Beschäftigung und des Preisniveaus ist unvollkommen. Was die monetäre

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Rüdiger Pohl

Politik auf mittlere Sicht zu erreichen vermag, ist uns genauer bekannt als die kurzfristigen Wirkungen. Von daher ist es sinnvoll zu verlangen, daß die monetäre Politik mittelfristig orientiert ist", und: „Selbstverständlich sind mit einer verstetigten Geldversorgung nicht alle Störungen des Wirtschaftsprozesses beseitigt. Aber es besteht die begründete Hoffnung, daß eine mittelfristig orientierte Geldpolitik gesamtwirtschaftlich bessere Ergebnisse erzielt als eine kurzfristig, nach den mutmaßlichen Erfordernissen des Augenblicks handelnde" (Sachverständigenrat, Jg. 1974, Ziff. 374). Bei strikter Anwendung kommt die potentialorientierte Geldmengenregel mit Informationen über den mittelfristigen Potentialpfad aus. Die Geldmenge ist auf diesem Pfad zu halten, und zwar unabhängig davon, welche aktuellen Einflüsse auf die Wirtschaft wirken mögen. Diese Regel würde zudem Sicherheit schaffen, nämlich über den geldpolitischen Kurs selbst, da der Wirtschaft eindeutige Signale über die künftigen geldpolitischen Aktivitäten vermittelt würden. Eine den Informationsbedarf minimierende Strategie muß nicht notwendig auf ein Geldmengenaggregat gerichtet sein. Auch eine Zins- oder Wechselkursstabilisierung kommt in Frage. Doch sprechen andere Argumente gegen diese Indikatoren. Bei Zinsstabilisierung entsteht das Wickseil-Problem, die Wechselkursstabilisierung würde gegen das Abschottungspostulat verstoßen. So schloß die Bundesbank denn auch aus, „daß sich die Bundesbank gleichzeitig ein bestimmtes Niveau der Zinsen oder des Wechselkurses zum Ziel setzt. Zwar betreibt sie ständig Zinspolitik. Aber diese dient dazu, das monetäre Wachstumsziel zu erreichen. Der Zins ist für die Notenbank also ein Instrument und nicht ein selbständiges Ziel" (Bundesbank 1974, S. 42). Zusammengefaßt folgt für die Geldpolitik aus den drei Grundpfeilern: Unter dem Schutz flexibler Wechselkurse (Abschottungspostulat) übernimmt die Geldpolitik die Hauptverantwortung für die Preisniveaustabilisierung, nicht für Beschäftigung und Wachstum (arbeitsteiliges Assignment). Angesichts der Unsicherheit ökonomischer Wirkungsanalyse wird sie den Anforderungen am besten mit einer Strategie gerecht, die keine komplexe Informationsverarbeitung erfordert (Minimierung des Informationsbedarfs), also mit einer Strategie der potentialorientierten Geldmengensteuerung. Dieses geldpolitische Konzept ist in eine Krise geraten, weil sich seine Grundpfeiler als wenig tragfähig erwiesen haben. Nach mehr als zehn Jahren geldmengenorientierter Notenbankpolitik kann auf Erfahrungen verwiesen werden, die den mit diesem Konzept verbundenen Erwartungen nicht entsprechen. Die Abschottungswirkung flexibler Wechselkurse ist ausgeblieben. Wie bei festen Wechselkursen steht die Notenbank im Konflikt zwischen binnenwirtschaftlichem und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht. Das

Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik

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arbeitsteilige Assignment ist durch die faktische Interdependenz von Preisniveauentwicklung und Beschäftigungsgrad problematisch geworden. Die Stabilisierungspolitik stößt an Grenzen, weil ihr hohe Kosten in Form von Wachstumsschwäche und Beschäftigungseinbußen angelastet werden. Der Informationsbedarf für eine Geldmengensteuerung erwies sich weit größer als erwartet. Der praktische Vollzug der Geldmengensteuerung steht damit vor ähnlichen Abwägungsproblemen und Risiken, wie sie bei herkömmlicher diskretionärer Geldpolitik ebenfalls auftreten. Nicht nur diese Erfahrungen begründen die Suche nach neuen Orientierungen für die Geldpolitik. Auch von der Geld- und Währungstheorie gehen Impulse aus, die es nahelegen, das Konzept der Geldmengensteuerung zu überdenken. Das Verständnis von außenwirtschaftlichen Interdependenzen bei flexiblen Wechselkursen hat sich gewandelt, z. B. durch die Hervorhebung der Rolle hochreagibler Bestandsmärkte bei der Wechselkursbildung und durch die Analyse kooperativer und nicht-kooperativer Strategien in der Währungspolitik. Die Neutralitätsbedingung für die Geldpolitik erscheint heute in einem anderen Licht als noch vor einer Dekade. Preisrigiditäten, die Realeffekte der Geldpolitik bewirken können, müssen nun nicht mehr als ad hoc-Annahme eingeführt werden, sondern lassen sich mit Rationalverhalten bei Unsicherheit begründen; überhaupt hat die Einbeziehung stochastischer Strukturen neue Möglichkeiten einer aktiven Geldpolitik aufgezeigt. Was demgegenüber noch aussteht, ist eine theoretische Neueinschätzung des Informationsbedarfs einer Geldmengenstrategie. Der Blick auf diese Frage scheint vor allem dadurch beschränkt, daß der Geldangebotsteil des Geldmengenkonzepts häufig nicht differenziert genug analysiert wird (zur grundsätzlicheren Kritik an der potentialorientierten Geldmengenpolitik vgl. insbesondere Oberhauser 1987).

II. Abschottungspostulat versus Kooperationspostulat Kaum eine ökonomische These ist in den letzten Jahren so gründlich durch die Erfahrungen widerlegt worden wie die, daß flexible Wechselkurse die Geldpolitik vor Auslandseinflüssen wirksam abschirmen könnten. Erratische Wechselkursbewegungen der D-Mark gegenüber den floatenden Währungen, insbesondere gegenüber dem US-Dollar, haben zu drastischen Abweichungen der Kurse von der Kaufkraftparität geführt. Sowohl das Ausmaß als auch das Tempo von Wechselkursänderungen gehen weit über das hinaus, was bei Einführung des Systems flexibler Wechselkurse erwartet worden war. Nach wenigen Jahren des Floatings konstatierte die Bank für internationalen Zahlungsausgleich, „daß die US-Behörden im Verein mit den Behörden Deutschlands, Japans und der Schweiz ihren seit März 1973 beste-

42

Rüdiger Pohl

henden Glauben an die Rolle der Marktkräfte bei der Herstellung eines Gleichgewichtskurses für den Dollar nicht mehr vorbehaltlos vertreten". Und „daß die Märkte, wenn sie sich selbst überlassen werden, übertriebene, binnenwirtschaftlich schädliche Wechselkursbedingungen hervorbringen können" (BIZ 1979, S. 156 f.). Damit bestätigte sich voll, was Kritiker der flexiblen Wechselkurse früh vorausgesagt hatten, „daß auch bei flexibleren Wechselkursen keine Garantie dafür gegeben ist, daß die binnenwirtschaftliche Entwicklung von außenwirtschaftlichen Einflüssen unberührt bleibt" (Köhler 1970, Ziff. 307). Hierfür lassen sich verschiedene theoretische Erklärungen geben. Die Abschirmwirkung flexibler Wechselkurse bleibt grundsätzlich aus, wenn es sich um die Übertragung realwirtschaftlicher Auslandsstörungen handelt. Bei voll funktionierenden flexiblen Wechselkursen, also bei Gültigkeit der Kaufkraftparitätentheorie und der Zinsparitätentheorie sowie bei korrekter Antizipation der Wechselkurse, passen sich inländische und ausländische Realzinsen unter sonst gleichen Umständen aneinander an.2 Eine realwirtschaftliche Auslandsstörung, d. h. eine Realzinsänderung im Ausland, greift somit auf das Inland über. Das kann geldpolitische Reaktionen notwendig machen, sofern Voraussetzungen für eine aktive Geldpolitik erfüllt sind.3 Die Abschirmwirkung bei nominalen Auslandsstörungen versagt, soweit die Kaufkraftparitätentheorie nicht gilt, also nominale Wechselkursbewegungen nicht den internationalen Inflationsdifferentialen entsprechen. Die wichtigste Begründung hierfür ist die unterschiedliche Preisreaktionsgeschwindigkeit an Bestandsmärkten für Finanzaktiva und an Gütermärkten. Die nach Finanzmarktstörungen notwendig werdenden Güterpreisreaktionen setzen erst allmählich ein. Damit kommt der Ausgleich des Finanzmarktungleichgewichts kurzfristig über zinsreagible Kapitalverlagerungen zwischen den Ländern zustande. Das verstärkt die Wechselkursbewegungen und führt — aus der Sicht der Gütermärkte — zu einem Overshooting (Dornbusch 1976).

2

Aus der Kaufkraftparitätentheorie ê = P-P* und der Zinsparitätentheorie i = i* + êer w folgt bei korrekter Wechselkursantizipation ê = êer w die Übereinstimmung des inländischen und des ausländischen Realzinses r = r*. Hierin sind: ê=Änderungsrate des Devisenkurses (e< 0 Aufwertungsrate der Inlandswährung), Ρ=Inflationsrate, /=Nominalzins, r = Realzins (Z-/*™). Mit * sind Auslandsgrößen gekennzeichnet, x er w bedeutet Erwartungswert von x. 3 Gäbe es keine Realwirkungen der Geldpolitik, so käme es zwar nach wie vor zur Übertragung realer Auslandsstörungen, allerdings wären sie aus der Sicht der Geldpolitik unvermeidlich und insoweit für die konkrete geldpolitische Strategie bedeutungslos. Die Annahme aktiver Geldpolitik wird durch die folgenden Ausführungen zur Kaufkraftparitätentheorie gestützt sowie auch durch die Ausführungen in Abschnitt 3.

Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik

43

Aus der Zinsparitätentheorie erhält man für das Verhältnis des tatsächlichen Devisenkurses zu seinem langfristigen Gleichgewicht d — (1 +/— i*)~ l. Damit es z. B. bei einem ausländischen monetären Impuls zu keinem Overshooting (und auch keinem Undershooting) kommt, d. h. also damit d konstant bleibt, dürfte sich der Zins /* nicht ändern. Betrachtet man das ausländische Geldmarktgleichgewicht M*/P* =L* ( Y *, /*), so wird deutlich, daß der monetäre Impuls (AM*) nur dann den Zins unverändert läßt, wenn sich das Preisniveau ( P*) unverzüglich anpaßt. Ist dagegen das Preisniveau rigide (AP* = o), führt ein monetärer Impuls (ΔΛ/*>ο) zu einer Zinsänderung (Δί*100

120 110 100 90 80 70

Realer Außenwert der D-Mark

1961162l63l64l65l66l67l68l69l 70171172l 73174175l 76177t 78t 79180181182183l 84185186i87 D Gegenüber 12 anderen Industrieländern.2)Auf Basis der Verbraucherpreise3) Veränderung gegenüber gleichem Vorjahrsquartal·— D Nominaler Außenwert bereinigt um Preisgefälle".

Quell·: Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin, aufgrund von Angaben der OECD und der Deutschen Bundesbank. DIW 87

Die außenwirtschaftliche Komponente der Geldversorgung

Abb. 2 AUSLANDSKONJUNKTUR SOWIE PRODUKTION UND AUSFUHR IN DER B U N D E S R E P U B L I K D E U T S C H L A N D 1062 BIS 1086 Prozentual« Abweichungen zweimonatlich safsonbereinigter Werte vom Trend

•10 -

Industrieproduktion im Ausland

ο -10

Inländische Industrieproduktion •10

0 -10

•10

ο -10

_

Industrieproduktion im Ausland

• 10

0 -10

•10

_

Inländische Industrieproduktion

0 -10

Inländische reale Ausfuhr

• 10

0 -10

Hin nlii Hin min lulu inn lulu min In Iii Hin In In nlii hin 974 751 76 77176 179 1 80 1 611 62183' 64' 65 66 Quelle: Reihe 4 der Statistischen Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank, Abb. 42 und 43.

DIW87

212

Reinhard Pohl

Die außenwirtschaftliche Komponente der Geld Versorgung

213

ZINSSÄTZE UND ZAHLUNGSBILANZ 20

Geldmarktzins

USA

Geldmarktzinsgefälle Inland minus Ausland

I 9 6 0 I 6 1 I 6 2 I 6 3 1 1 1 7 2 1 7 3 ΐ τ Ζ ^ ^ 5 ^ 7 6 ΐ 77ΐ7θΙ 7918 0^8 itözte^t e^tssl 8βΙθ7 ' ' Dralmonat sgeld in Frankfurt a M.- 2) Rendite festverzinslicher Wer t papiera im Umlauf - 3 ) / n vH gegen Vorquartalswert auf Jahresbasis·, gleitender Dreiquer t als-Durchschnitt durch die saisonbere/nigten WerteD Monatire Bens (bereinigt um retervepoh tischt Effekte) plus fraie L iquidit ät s rase r ven der Geschäftsbanken — 5) In der Abgrenzung der Bundesbank — & ) Gewogener Durchschnitt aus den Sätzen für DreimonataSchatzwechsel in Amsterdam, Brüssel, London, New York und dem Dreimonatsgeldsatz in Zürich. — 7 ) US-DollarSwapsatz am freien Markt ( Dreimonatt-Kontrakte) 8 ) Gleitender Dreiquar talsDurchschnitt

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Reinhard Pohl

ENTSTEHUNG DES ZENTRALBANKGELDANGEBOTS 1960 BIS 1973 BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Quartalsdurchschnitt·

1

·

1)Aus Monatswerten.— 2)Bargeldumlauf außerhalb der Bundesbank xuxùglich der freien Liquiditätsreserven, der Überschußreserven und der um den Effekt von Mindestreservesatxänderungen bereinigten Mindestreserven der Kreditinstitute — 3) Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank (um kumulierte Bewertungsänderungen bereinigt) sowie — bis Mirx 1973— der liquiden Auslandsanlagen der Kreditinstitute Qutll·: Deutscht Bundesbank sowie Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. DI W 67

Die außenwirtschaftliche Komponente der Geldversorgung

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Abb. Sb

ENTSTEHUNG DES ZENTRALBANKGELDANGEBOTS 1973 BIS 1987 BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Quartalsdurchschnitt·

11

') Aus Monttswerten 2) Bargeldumlauf außerhalb der Bundesbank zuzüglich der freien Liquiditätsreserven, der Überschußreserven und der um den Effekt von MindestreserveSMtzänderungen bereinigten Mindestreserven der Kreditinstitute -3)Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank (um kumulierte Bewertungsänderungen bereinigt) sowie -bis März 1973der liquiden Auslandsanlagen der Kreditinstitute Quelle: Deutscht Bundesbank sowie Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin.

DIW0?

C. Ordnungspolitische und wirkungstheoretische Aspekte

Das geldpolitische Instrumentarium unter dem Aspekt der Wettbewerbsneutralität* Von Otmar Issing, Würzburg

I. Vorbemerkungen Diskussionen über das Instrumentarium der Geldpolitik werden im allgemeinen nur dann geführt, wenn das „Waffenarsenal" der Notenbank in Quantität und/oder Qualität nicht adäquat erscheint, um die gewünschten Ergebnisse herbeizuführen. So forderte z. B. die Deutsche Bundesbank Anfang der siebziger Jahre unter dem Eindruck der Ohnmacht gegenüber der Geldmengenwirkung ihrer — im Regime (prinzipiell) fester Wechselkurse erzwungenen — Interventionen am Devisenmarkt eine Ergänzung ihres Instrumentariums um die Kreditplafondierung bzw. eine Aktivzuwachsreserve. 1 Das Defizit in den Handlungsmöglichkeiten bezog sich auf die Zielsetzung der Geldpolitik, im konkreten Falle also die vom Gesetz vorgegebene Aufgabe, die Währung zu sichern. Im Zentrum der Analyse des geldpolitischen Instrumentariums steht das Ziel-Mittel-Verhältnis, die Frage der Effizienz. Unter den Aspekten, die sich daneben gelegentlich in den Vordergrund drängen, spielt die Wettbewerbsneutralität eine besondere Rolle. Es liegt nahe, daß dieses Problem vor allem dann diskutiert wird, wenn sich bestimmte Kreditinstitute bzw. -institutsgruppen von der Notenbankpolitik generell oder durch einzelne Maßnahmen diskriminiert sehen. Wie noch im Detail dargelegt wird, werden solche „Klagen" zur Zeit in der Bundesrepublik erhoben, doch verdient das Thema über solche aktuellen Anlässe hinaus größeres Interesse, als ihm bisher gewidmet wurde. Die folgenden Ausführungen sind ein Versuch, die Problematik der „Wettbewerbsneutralität" des geldpolitischen Instrumentariums in seinen Dimensionen zu umreißen; grundsätzlich beziehen sich die Darlegungen auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik, Erfahrungen des Auslandes werden * Für Unterstützung bei der Literaturrecherche habe ich dem Universitätsbund Würzburg und Herrn Dipl.-Volkswirt Klaus Masuch zu danken. 1 Dazu: Issing, O.: Die Unabhängigkeit der Bundesbank, in: Klatt, S. und Willms, M. (Hrsg.): Strukturwandel und makroökonomische Steuerung, Festschrift für Fritz Voigt zur Vollendung des 65. Lebensjahres, Berlin 1975, S. 65 ff.

220

Otmar Issing

nur insoweit angesprochen, als sie generellen Charakter besitzen. Die Analyse einzelner Instrumente vorweg verfolgt zugleich den heuristischen Zweck, die verschiedenen Facetten der Wettbewerbsneutralität zu erschließen.

II. Die Wirkung einzelner Instrumente auf den Wettbewerb 7. Die Diskontpolitik A n der Ausgestaltung der Diskontpolitik über die Festlegung des Preises (Diskontsatzes) und der maximal beanspruchbaren Menge (Rediskontkontingente) durch die Bundesbank hat sich im Laufe der Zeit nichts geändert. Erheblich gewandelt hat sich jedoch der quantitative Beitrag dieser Quelle zur Versorgung mit Zentralbankgeld. Viele Jahre spielte die Rediskontierung nur eine vergleichsweise bescheidene Rolle, von zwei ganz kurfristigen Ausnahmen abgesehen lag die Ausnutzung der Rediskontkontingente zwischen 1952 und 1969 meist weit unter 50 %. Anfang der siebziger Jahre stieg dieser Koeffizient zwar stark an, doch hatte die Bundesbank die Möglichkeit der Rediskontierung erheblich reduziert, so daß das tatsächliche Volumen nach wie vor relativ gering blieb. Nach 1976 nahm dann die quantitative Bedeutung dieses Instrumentes stetig zu: Die Rediskontkontingente wurden von 15,7 Mrd. D M (Ende 1976) sukzessive bis auf ihren bisherigen Höchststand von 63,8 Mrd. D M (Ende 1985), also auf (rund) das Vierfache, erhöht. Die Inanspruchnahme dieser Refinanzierungsmöglichkeit durch die Kreditinstitute unterschritt ab 1979 nur noch selten die 90 %-Marge; der Rediskont ist inzwischen zu einer entscheidenden Quelle der Zentralbankgeldversorgung geworden. M i t der erhöhten quantitativen Bedeutung haben auch Überlegungen größeres Gewicht erlangt, die spezifische Handhabung dieses Instrumentes durch die Bundesbank verzerre den Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten. So „ist der Rediskontkredit in der Regel die kostengünstigste Quelle innerhalb des Refinanzierungsspektrums der Notenbank. Deshalb wird der Wettbewerb stark beeinflußt, wenn der Zugang zum Rediskontkredit für die einzelnen Kreditinstitute unterschiedlich leicht ausgestattet ist. Dies kann nicht Sinn der Geldpolitik sein, die ihrer Zielsetzung nach die Versorgung der Wirtschaft mit ausreichender Liquidität sicherstellen soll, nicht aber bestimmte Strukturen zu fördern oder zu behindern hat. Besonders akut wird dieses Problem in geldpolitischen Situationen, bei denen aus politischen Gründen der Diskontsatz — gemessen an der Marktlage — zu niedrig bleibt." 2 2

Geiger, H.: Innovationen im Kreditgewerbe, Sparkasse, April 1986, S. 135.

Das geldpolitische Instrumentarium

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Unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten problematisch ist vor allem eine Konstellation, in der die Bundesbank den einzelnen Kreditinstituten Rediskontkontingente zuweist und diese Form der Refinanzierung gleichzeitig so billig macht, daß selbst der Bundesbankpräsident von einem gewissen „Subventionscharakter" des Diskontsatzes spricht. 3 Ein Abstand zwischen Lombard- und Diskontsatz von 2 bis 2,5 Prozentpunkten, wie er nicht selten zu beobachten war, stellt — auch unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Charakters dieser beiden Refinanzierungsarten — einen nicht unerheblichen Kostenunterschied dar. Dies gilt verstärkt, wenn (wie 1981) Sonderlombard zu einem um 4,5 Prozentpunkte höheren Satz beansprucht werden muß; 4 aber auch die wesentlich geringere Differenz zwischen Pensions- und Diskontsatz ändert an der grundsätzlichen Begünstigung der Rediskontierung nichts — dies bestätigt nicht zuletzt auch die „bekundete Präferenz" der Kreditinstitute in Form der hohen Ausnutzung der Kontingente. Für den Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten wäre nun eine generelle Begünstigung der Rediskontierung durch die Notenbank belanglos, wenn die Festlegung der Rediskontkontingente der Forderung nach Wettbewerbsneutralität entspräche. Dieser Vermutung widersprechen jedoch zunächst einmal alle generellen Erfahrungen mit administrativ verordneten Rationierungssystemen; selbst die differenziertesten Verfahren können nicht Begünstigungen und Benachteiligungen zwischen den Betroffenen verhindern. In ihrem Sonderaufsatz „Regelungen für die Bemessung von RediskontKontingenten" legt die Bundesbank ausführlich dar, nach welchen Grundsätzen die Kontingente bemessen werden und welche Überlegungen dafür maßgebend sind. Dort heißt es bezeichnenderweise: „ I n dem Maße, wie der Rediskontkredit für die einzelnen Banken gegen Ende der sechziger Jahre begehrenswerter wurde, mußten an die Objektivität' der Bemessung entsprechend höhere Anforderungen gestellt werden. In früheren Jahren, als die Ausnutzung der Rediskont-Kontingente . . . bedeutend geringer gewesen war, hatte sich die Bundesbank noch mit verhältnismäßig groben Verfahren begnügen können; nach 1970 sah sich die Bank infolge der Knapphaltung der freien Liquiditätsreserven und damit der erhöhten 'Rentabilitätswertigkeit' 3

So in einem Gespräch, veröffentlicht im Handelsblatt vom 15. 5. 1984, S. 10. Die Wettbewerbsverhältnisse werden hierdurch in zweifacher Weise berührt: Einmal werden die Kreditinstitute in ihrer Gesamtheit begünstigt gegenüber konkurrierenden Finanzinstituten (Kreditvermittlern), die keinen Zugang zu dieser Refinanzierungsquelle bei der Notenbank haben; zweitens treten die im folgenden behandelten Verzerrungen im Bankensektor selbst auf. 4 Zum Problem der Wettbewerbsverzerrung durch die Rediskontpolitik der Bundesbank siehe die eingehende Analyse in der Arbeit von Issing, O. und Rudolph, B., die demnächst erscheint.

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der Rediskont-Kontingente zu verfeinerter, mehr an für alle Banken einheitlichen Kriterien orientierter Bemessung gedrängt." 5 Noch so „verfeinerte" Verfahren können jedoch kaum alle Zweifel an der Wettbewerbsneutralität der Ausgestaltung der Kontingente ausräumen, und zwar schon allein wegen des time lags, dem alle administrativen Verordnungen bei der Anpassung an die sich laufend ändernden Bedingungen nun einmal unterliegen. Im übrigen verfolgt die Bundesbank mit der Methode der Festlegung der Kontingente durchaus auch Absichten, die mit Geldpolitik im engeren Sinne nur bedingt zusammenhängen: „Nach wie vor erschien es zwar wünschenswert, Kapitalaufstockungen bei den Banken durch das Bemessungsverfahren der Rediskont-Kontingente zu fördern." 6 Mit der Berücksichtigung der individuellen Geschäftsstruktur eines Kreditinstitutes, d. h. im wesentlichen des Verhältnisses der kurz- und mittelfristigen Kredite an Nichtbanken zum Geschäftsvolumen, in einer Strukturkomponente, begibt sich die Bundesbank auf ein Feld, auf dem eine gewisse Willkür letztlich nicht zu vermeiden ist. Zweifel in dieser Richtung werden auch durch die folgenden Ausführungen geweckt. „Das Rediskont-Kontingent eines Kreditinstituts wird in Anlehnung an das Norm-Kontingent individuell festgesetzt. Dabei wird auch berücksichtigt, ob das Kreditinstitut die Grundsätze des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute beachtet." 7 Mit der Begünstigung einer spezifischen Form der Refinanzierung, die ein ganz bestimmtes Aktivgeschäft der Kreditinstitute voraussetzt, beeinflußt die Notenbank zwangsläufig auch die Struktur des Kreditgeschäfts zwischen Banken und Nichtbanken. Da die Kreditinstitute (rediskontfähiges) Wechselmaterial benötigen, um die billige Refinanzierungsquelle bei der Notenbank in Anspruch nehmen zu können, werden sie darauf hinwirken, jeweils 5

Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, April 1975, S. 25. Ibid. Diese Aussage wird dort im folgenden zwar eingeschränkt, aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. 7 Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht für das Jahr 1985, S. 103. Soweit der Zugang zum Rediskont als eine Art „Privileg" betrachtet wird, liegt es nahe, daß die Notenbank in der Handhabung des damit verbundenen Spielraums einen Weg sieht, um ihren geldpolitischen Absichten Nachdruck zu verleihen. Wie sich diskretionäre Entscheidungen der Notenbank über die Zulassung bestimmter Papiere und Banken zum Rediskont in einem selektiven Einfluß auf die Kreditvergabe an die Nichtbanken niederschlagen, läßt sich an der Politik der Federal Reserve Bank verfolgen. Siehe: Anderson, C. J.: Evolution of the Role and the Functioning of the Discount Mechanism, in: Board of Governors of the Federal Reserve System (ed.): Reappraisal of the Federal Discount Mechanism, Vol. 1, Washington, D.C., 1971, S. 146. Zur Kritik von Brunner und Meitzer an solchen: „administrative pressures" siehe: Subcommittee on Domestic Finance, Committee on Banking and Currency, House of Representatives, 88th Congress, 2nd Session, An Alternative Approach to the Monetary Mechanism, Washington 1964, S. 34 und S. 89. 6

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Wechselkredit zumindest in dem für die Ausnutzung des Kontingents nötigen Umfang an die Nichtbanken zu gewähren. Typischerweise nimmt das Wechselkreditgeschäft der Kreditinstitute mit mehr oder minder großer Zeitverzögerung nach jeder Kontingenterhöhung schubweise zu, Wechsel werden sozusagen nach Bedarf — der von den Refinanzierungsmöglichkeiten her und damit durch die Notenbank bestimmt wird! — „produziert". 8 Sofern die einzelnen Kreditinstitute in unterschiedlichem Maße in der Lage sind, sich das zusätzliche rediskontfähige Material von ihrer Nichtbankenkundschaft zu verschaffen, treten im übrigen auch auf dieser Stufe Wettbewerbswirkungen auf. Der Wettbewerb im Nichtbankensektor wird unmittelbar beeinflußt, wenn die Notenbank Sonderkonditionen für (Wechsel-)Kredite an bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige festlegt. 9 So hat die Bundesbank z. B. einerseits zeitweise Wechsel zur Zwischenfinanzierung von Bauvorhaben von der Rediskontmöglichkeit ausgeschlossen und andererseits eine besondere Rediskontlinie zugunsten der Kreditanstalt für Wiederaufbau eingeräumt, um die Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern. 10 Mit Diskriminierungen bzw. Begünstigungen dieser Art begibt sich die Bundesbank auf das problematische Feld einer selektiven Kreditpolitik. 1 1

2. Die Lombardpolitik Von der Lombardpolitik der Bundesbank gehen im Regelfall keine Wirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten aus, da diese 8 So schrieb die Bundesbank selbst schon 1975: „Zwar ist der Wechselkredit noch immer weitgehend ein Instrument zur Finanzierung des Warenumschlags, doch hat sich häufig in der kreditgeschäftlichen Praxis gezeigt, daß Wechsel 'produzierbar' sind, wenn ihre stärkere Nutzung als Finanzierungsinstrument vorteilhaft ist." Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, April 1975, S. 22. In der Zwischenzeit hat sich dieser Effekt erheblich verstärkt. Siehe dazu auch Geiger, H.: Instrumentelle Aspekte der Geldpolitik, in: Ehrlicher, W. und Simmert, D. B. (Hrsg.): Geld- und Währungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 7, Berlin 1982, S. 197. 9 Nachdem kaum zu erwarten ist, daß alle Kreditinstitute das betreffende Aktivgeschäft in gleicher Weise pflegen, sind damit indirekt auch die Wettbewerbsverhältnisse im Bankensektor von solchen Sonderregelungen betroffen. 10 Dies stellt gewissermaßen eine Umkehrung der Verhältnisse dar, unter denen die Reichsbank im Wege des Direktgeschäftes im wesentlichen nur Wechsel von Großunternehmen ankaufte. 11 Ihre eigenen Bedenken zur Festlegung von Sonder-Kontingenten bringt die Bundesbank auf folgenden Nenner: „Gleichwohl ist hiermit die Grenze zu einer stärker an Branchen- oder Strukturproblemen orientierten Kreditpolitik berührt, so daß die Bundesbank allen Vorschlägen zu einer stärkeren Ausweitung in dieser Richtung mit größter Zurückhaltung gegenübersteht." Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, April 1975, S. 28.

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Refinanzierungsmöglichkeit normalerweise quantitativ nicht limitiert ist; im übrigen umfaßt das lombardfähige Material eine breite Palette, so daß auch Rückwirkungen auf die Struktur des Aktivgeschäftes der Kreditinstitute kaum auftreten. Dies gilt jedoch nicht mehr, wenn auch der Lombard quantitativ begrenzt wird. Die Bundesbank hat nämlich die Obergrenze für die Lombardierung eines Kreditinstitutes an den jeweiligen Rediskontkontingenten orientiert; 12 etwaige Wettbewerbsverzerrungen auf dieser Ebene setzen sich auf diese Weise dann bei der Lombardierung fort. I m übrigen wurde der Zugang zum Lombard gerade in Zeiten hoher Geldmarktzinsen quantitativ begrenzt (oder auch ganz eingestellt), Vor- und Nachteile bei der Einräumung der Rediskontmöglichkeit wirkten sich in einer solchen Phase daher besonders ausgeprägt aus.

3. Die Offenmarktpolitik a) Traditionelle Formen Im Gegensatz zur Refinanzierungspolitik, die zu einem bilateralen Kontakt zwischen Notenbank und einzelnen Kreditinstituten führt, richtet sich die Offenmarktpolitik grundsätzlich an die Gesamtheit der Marktteilnehmer, gegebenenfalls unter Einschluß von Nichtbanken; die Zuführung (und Abschöpfung) von Zentralbankgeld erfolgt zu Marktbedingungen, und zwar zu einem einheitlichen Preis. 13 Ein Einfluß auf die Wettbewerbsverhältnisse kann von der Offenmarktpolitik folglich nur ausgehen, wenn die Notenbank in der Handhabung dieses Instrumentes von diesen Prinzipien abweicht. Von der eher fiktiv zu nennenden Möglichkeit abgesehen, den einzelnen Kreditinstituten unterschiedliche Konditionen einzuräumen, wäre dabei vor allem an die Bevorzugung bestimmter Papiere zu denken. Hierbei könnte es sich in erster Linie um Begünstigungen des Schuldners durch die Beschränkung auf Staatspapiere handeln; existiert jedoch ein einigermaßen funktionsfähiger Wertpapiermarkt, dürften solche Aspekte aber kaum größere Bedeutung erlangen. 14 12 So durfte z. B. von September 1979 bis Februar 1980 die Inanspruchnahme des Lombards im Monatsdurchschnitt die Marge von 15% des rechnerischen Normkontingents eines Kreditinstitutes nicht überschreiten. 13 „ . . . the main traditional difference between open market operations and other actions affecting liquidity such as changes in the terms on central bank financing has been the fact that open market operations are general and anonymous. They involve many bank and non-bank participants. Moreover, since they are carried on at market rates, questions of subsidisation do not arise. Refinancing operations, however, are direct, bilateral transactions between the central bank and the banks . . . " Bingham, T. R. G.: Banking and Monetary Policy, OECD, Paris 1985, S. 145.

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Lange Zeit spielte die Offenmarktpolitik im Rahmen der Geldpolitik der Bundesbank eine eher untergeordnete Rolle; die wichtigste Aufgabe beim Einsatz dieses Instrumentes lag in der Liquiditätsabschöpfung via Abgabe von Mobilisierungs- und Liquiditätspapieren. Von Wettbewerbswirkungen war in diesem Zusammenhang ebensowenig die Rede wie in den vorübergehenden Situationen der Geschäfte mit langfristigen Titeln.

b) Die Maßnahmen der geldpolitischen Feinsteuerung In den letzten Jahren hat die Bundesbank neue Wege beschritten und den Schwerpunkt ihrer Offenmarktpolitik auf die Wertpapierpensionsgeschäfte verlagert; zur geldpolitischen Feinsteuerung setzt sie ferner Wechselpensionsgeschäfte sowie Devisenswap- und Devisenpensionsgeschäfte ein. 15 Die größte Bedeutung kommt sicherlich den Wertpapierpensionsgeschäften zu, deren kumuliertes Gesamtvolumen im Juli 1985 bei über 40 Mrd. D M lag. Wenn auch der Umfang dieser Geschäfte seitdem wieder etwas zurückgegangen ist, so nehmen diese Transaktionen dennoch inzwischen eine wichtige Position bei der Versorgung der Kreditinstitute mit Zentralbankgeld ein. Inhaltlich hat sich der Charakter dieses Instrumentes ebenfalls gewandelt: Wurden die Wertpapierpensionsgeschäfte zunächst im Sinne einer „Zwischenfinanzierung" eingesetzt — der aufgelaufene Refinanzierungsbedarf wurde anschließend jeweils durch Erhöhungen der Rediskontkontingente und Senkungen der Mindestreservesätze „konsolidiert" —, so leistet dieses Instrument inzwischen einen erheblichen Beitrag zur „dauerhaften" Bereitstellung von Zentralbankgeld. 16 Als Ansatz für selektive Effekte beim Einsatz des neuen Instrumentes findet sich zunächst der Hinweis, die Bundesbank habe die Pensionsgeschäfte auf Wertpapierbasis eingeführt, um den besonderen Liquiditätsbedürfnissen einiger weniger großer Banken und ihrem Mangel an pensionsfähigem Wech14 Sofern die Notenbank — wie etwa die Federal Reserve unter der während des Zweiten Weltkrieges getroffenen Vereinbarung — faktisch eine Kursgarantie für Staatspapiere abgibt, verändert die Offenmarktpolitik ohnehin ihren Charakter und wird primär zu einem Instrument der Staatsfinanzierung. 15 Vor allem bei letzteren handelt es sich nicht um Offenmarktoperationen im strikten Sinne; ihre Wertpapier- und Wechselpensionsgeschäfte bezeichnet die Bundesbank als „Offenmarktgeschäfte auf Zeit". Siehe: Die Deutsche Bundesbank, Sonderdrucke der Deutschen Bundesbank, Nr. 7, 3. Auflage, April 1985, S.65. Wegen ihres in Grundzügen ähnlichen Charakters werden die genannten Geschäfte hier in einem Abschnitt behandelt. 16 Siehe dazu die beiden Sonderaufsätze: Die Wertpapierpensionsgeschäfte, Monatsberichte, Mai 1983, S.27; Neuere Tendenzen bei den Wertpapierpensionsgeschäften der Bundesbank, Monatsberichte, Oktober 1985, S. 20. (Es sei dahingestellt, ob es sich aufgrund dieser Entwicklung noch um Maßnahmen der „Feinsteuerung" handelt oder nicht.)

15 Kredit und Kapital, Beiheft 10

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selmaterial Rechnung zu tragen; zu Beginn seien im übrigen diese Geschäfte innerhalb einer derart kurzen Zeitspanne abgewickelt worden, daß faktisch nur die großen Institute entsprechend schnell reagieren konnten. 17 Mittlerweile sind die Wertpapierpensionsgeschäfte längst etabliert, die Begebung erfolgt über das Tenderverfahren; auf die eben angeführten Vorwürfe sei daher nicht weiter eingegangen.18 Als Faktum bleibt zunächst festzuhalten, daß nur eine relativ kleine Zahl der Kreditinstitute sich an den Ausschreibungen beteiligt, und zwar hat die Teilnehmerzahl zwischen 1980 und 1986 im Schnitt eher ab- als zugenommen. 19 Der Pensionssatz liegt inzwischen deutlich unter dem Lombardsatz; die Wertpapierpensionsgeschäfte sind damit nach der Rediskontierung die billigste Quelle der Zentralbankgeldversorgung über die Notenbank. Inwieweit aber die Kreditinstitute, die sich an den Wertpapierpensionsgeschäften nicht beteiligen, insgesamt tatsächlich höhere Kosten der Zentralbankgeldbeschaffung aufweisen, ließe sich nur aus dem Zusammenwirken aller Faktoren ermitteln. Die Behauptung einer wettbewerbsverzerrenden, selektiven Wirkung der Wertpapierpensionsgeschäfte, und zwar zu Lasten der kleineren Banken, stützt sich im wesentlichen auf folgende Überlegungen. (1) Die großen Kreditinstitute können durch aggressives Verhalten, d. h. hohe Gebote, die kleineren Bieter verdrängen. (2) Nur große Institute verfügen über den zur jeweiligen Anlage überschüssiger Mittel nötigen Kontakt zum Geldmarkt. 2 0 Diese Argumente gilt es zu untersuchen. Bekanntlich bedient sich die Bundesbank der beiden Varianten Zins- und Mengentender. 21 Beim Zinstender ergibt sich der einheitliche Zuteilungssatz aus den eingegangenen Geboten. Zu diesem einheitlichen Satz erhalten alle diejenigen Kreditinstitute die volle Zuteilung, die bei ihrem Gebot höher lagen. Damit gehen gerade kleinere Kreditinstitute mit ihrer Teilnahme im Grunde keinerlei Risiko ein, da sie durchaus einen höheren Zins bieten können, um faktisch die volle Zuteilung zu sichern, während ein tatsächlicher 17

So Seja, J.: Geldpolitische Feinsteuerung wirkt selektiv, Sparkasse, Heft 3, 1983,

S. 85. 18 Zu einer Kritik an den Ausführungen Sejas in diesen Punkten siehe Treutier, H.-J.: Geldpolitische Feinsteuerung wirkt nicht selektiv, Sparkasse, Heft 6, 1983, S.209. Zur nachfolgenden Erwiderung Seja, J.: Selektionswirkungen der geldpolitischen Feinsteuerung, Sparkasse, Heft 7, 1983, S. 249. 19 Von den über 4600 Kreditinstituten waren dies z. B. 1985 im Durchschnitt nicht mehr als 243. Siehe Beckh, S.: Die Wertpapierpensionsgeschäfte der Bundesbank, Sparkasse, Heft 11, 1986, S.487. 20 Seja: Geldpolitische Feinsteuerung . . . , a. a. O., S. 85 f.; ders.: Selektionswirkungen . . . , a. a. O., S. 249. 21 Siehe dazu: Die Wertpapierpensionsgeschäfte der Deutschen Bundesbank, a.a.O., S. 25 f.

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Einfluß auf den Pensionssatz wegen des vergleichsweise geringen Gewichtes nicht zu erwarten ist. 22 Dieses Argument gilt jedoch nicht für große Bieter, die durchaus mit solchen Zinswirkungen rechnen müssen und bei ihren Geboten daher eher das Risiko eingehen, nicht die volle — oder im Extrem — überhaupt keine Zuteilung zu erhalten. Eine Benachteiligung der kleineren Kreditinstitute kann beim Zinstender somit sicher nicht festgestellt werden. 23 Beim Mengentender wird der — ebenfalls einheitliche — Zuteilungssatz dagegen von der Bundesbank vorweg fixiert; die Bundesbank teilt dann eine für alle Bieter einheitliche Quote entsprechend dem gewünschten Gesamtbetrag zu. Hier stehen kleinere Institute nun in der Tat vor dem Problem, wegen der Ungewißheit der tatsächlichen Zuteilung schließlich über Mittel zu verfügen, die sie nicht selbst benötigen und für die sie auch kaum sinnvolle alternative Verwendungsmöglichkeiten besitzen; sie werden sich daher bei der Abgabe von Geboten im Rahmen des Mengentenders zurückhalten. 24 Größere Kreditinstitute können dagegen bei diesem Verfahren ziemlich risikolos „aggressiv bieten", d.h. eine vergleichsweise kleine Repartierungsquote einkalkulieren, da sie wegen ihrer permanenten Präsenz am Geldmarkt vor keinen Problemen bei der Anlage etwaiger überschüssiger Mittel stehen.25 Im Gegensatz zu den Wertpapierpensionsgeschäften werden die Devisenswap- und -pensionsgeschäfte nicht ausgeschrieben. „Die Bundesbank spricht bei diesen Feinsteuerungsmaßnahmen demgegenüber gezielt einzelne 22 Dies trifft zumindest so lange zu, wie die Zahl der bietenden kleineren Institute nicht wesentlich zunimmt. 23 Ganz im Gegenteil spricht einiges dafür, daß bei diesem Verfahren eher die kleineren Institute, soweit sie sich daran beteiligen, gewisse Vorteile genießen. Dies gilt allerdings wiederum nur mit der in der vorangegangenen Fußnote genannten Einschränkung. Zur Argumentation siehe auch: Beckh, a. a. O., S. 485 f. 24 Zum Thema Zins- versus Mengentender war auf einer Tagung der Gesellschaft zur Förderung des Geldmarktes folgende Meinung zu hören: „Während die Bundesbank offenbar eine Präferenz für Zinstender entwickelt hat, plädiert man im Geldhandel für den Mengentender — nicht aus Bequemlichkeit, sondern wegen der Geräuschlosigkeit. Wenn die Bundebank die Satzfindung im Wege eines Mindestsatztenders unbedingt dem Markt überlassen wolle, dann sollte es schon ein 'Zinstender für Erwachsene4 sein. Denn die bisherige Praxis der Gebotsabgabe habe mit Marktnähe sehr wenig zu tun. Im derzeitigen Verfahren können Häuser, die partout eine Vollzuteilung brauchen, 'Mondsätze4 bieten, ohne Gefahr zu laufen, darauf festgenagelt zu werden, weil 4zum niedrigeren Einheitssatz zugeteilt4 wird". Börsen-Zeitung vom 27.2.1987, wiederabgedruckt in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 17, vom 4.3.1987, S. 6. Das Risiko, auf diese Weise den Zuteilungssatz nach oben zu treiben, besteht dabei in erster Linie für die großen Kreditinstitute, aus deren Reihen wohl auch die Präferenz zugunsten des Mengentenders gekommen sein dürfte. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, warum ausgerechnet ein Verfahren das Etikett „für Erwachsene" (gemeint ist wohl „für Könner") verdienen soll, bei dem die Notenbank (Gesamt-)Menge und Zins festlegt. 25 Treutler vertritt allerdings die Ansicht, „daß sich einige große geldmarktaktive Banken nicht oder nur mit geringen Beträgen beteiligen, weil die Tendersätze stets so eng an den Marktsätzen liegen, daß für das Durchhandeln keine befriedigende Marge bleibt". Treutler, a.a.O., S.209.

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Kreditinstitute an und unterbreitet ihr Angebot. Die Selektionswirkungen dieses Verfahrens sind offensichtlich und bedürfen von daher auch keiner weiteren Erläuterung." 26 Diese Argumentation ist schwer von der Hand zu weisen, da die „angesprochenen Banken" kaum auf das Angebot der Bundesbank reagieren werden, wenn sie sich nicht davon Vorteile versprechen; an der selektiven Wirkung ändert sich im Prinzip auch dann nichts, wenn die Bundesbank nicht nur Geschäfte mit einem Transaktionsvolumen abschließt, das von vornherein nur für große Kreditinstitute in Frage kommt. 2 7 Die Höhe der „Sondergewinne" der einzelnen Banken läßt sich nur bei konkreter Kenntnis der Konditionen und der jeweiligen Marktzinsen bestimmen, eine selektive Wirkung wird man aber im Prinzip vermuten müssen.

4. Die Mindestreservepolitik Aufgrund ihres administrativen Zwangscharakters gehen von der Mindestreservepflicht unvermeidlich „unerwünschte Struktureffekte" aus. 28 Als Sonderbelastung bestimmter Geschäfte wirkt die Mindestreservepflicht wie eine Steuer, deren Höhe von den Opportunitätskosten der Reservehaltung und damit von der Höhe der Reservesätze und des Zinses abhängt. 29 In der Bundesrepublik knüpft die Mindestreservepflicht bekanntlich an den Bankeinlagen an; die Reserveguthaben werden nicht verzinst. Auch wenn es nur sehr ungenaue Vorstellungen über den Umfang einer freiwilligen Reservehaltung der Kreditinstitute gibt, so kann man doch davon ausgehen, daß die durch die Reservepflicht erzwungenen Guthaben wesentlich höher 26

Seja: Selektionswirkungen..., S. 249. Siehe auch Seja, J.: Selektive Effekte der global orientierten Geldpolitik der Deutschen Bundesbank auf die Marktstruktur im Bankensektor, Frankfurt 1983, S. 226 ff. Auf der bereits erwähnten Tagung wurde die Ansicht vertreten, daß das von der Bundesbank praktizierte Verfahren durchaus sinnvoll sei, da solche Geschäfte schnell und geräuschlos abgewickelt werden müßten, „die Liquidität verteile sich dann schon über den Markt — im übrigen seien die wenigsten Banken in der Lage, Devisen tagesgleich zu beschaffen". Börsen-Zeitung, a.a.O., s. 6. Ganz davon abgesehen, daß diese Meinung vermutlich nicht gerade von Vertretern kleinerer Kreditinstitute geäußert worden sein dürfte, bleibt dabei völlig offen, ob es des Einsatzes dieses Instrumentes zur Geldmarktsteuerung letztlich überhaupt bedarf. 27 So der Einwand von Treutler, der im übrigen auf die Marktnähe der Sätze und die Besonderheiten der durch die Notenbankmaßnahmen ausgelösten Geschäfte hinweist. Treutler, a.a. O., S.210. 28 Siehe Maier, G.: Die Mindestreserve — eine Störgröße der Geldpolitik, Sparkasse, Heft 7, 1982, S. 302. Es sei dahingestellt, inwieweit diese Aussage auch zuträfe, falls die Mindestreserveguthaben der Kreditinstitute zu Marktsätzen verzinst würden. 29 Der Zwang zur (zinslosen) Reservehaltung verstärkt indirekt eine etwaige wettbewerbsverzerrende Refinanzierungspolitik. Der Charakter der „Sondersteuer Mindestreserve" legt im übrigen den Gedanken an einen „excess burden" nahe.

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liegen. Von diesem Zwang werden die einzelnen Kreditinstitute kaum gleichmäßig getroffen, vielmehr ist anzunehmen, daß die freiwilligen Reserven in Abhängigkeit von der Geschäfts- und Kundenstruktur der einzelnen Banken ein unterschiedliches Ausmaß annehmen würden, das von dem durch die Mindestreservepflicht administrativ verordneten vermutlich deutlich abweichen würde. 30 Die Bundesbank differenziert ihre Sätze nach Einlagearten, doch spielen dabei vor allem geldpolitische Überlegungen eine Rolle — eine innerhalb der reservepflichtigen Einlagen „wettbewerbsneutrale" Belastung wäre zudem auch kaum erreichbar, da sich dafür kaum objektive Kriterien finden ließen. Auch als Folge dieses Effektes werden die einzelnen Kreditinstitute wegen ihrer unterschiedlichen Einlagenstruktur unterschiedlich getroffen. 31 Auslandsgelder hat die Bundesbank in der Vergangenheit zeitweise mit extrem hohen Sätzen belegt; Einflüsse auf den Bankenwettbewerb konnten dabei wegen der in diesem Bereich besonders heterogenen Geschäftsstruktur kaum ausbleiben. Weitere Differenzierungen orientieren sich an den unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen im Sinne eines Ausgleiches für Größen- und Standortnachteile. A u f welche Schwierigkeiten jedoch die Absicht stößt, Wettbewerbsunterschiede durch administrative Bestimmungen auszugleichen, zeigte sich im „Mißbrauch" des Nebenplatzprivilegs, der die Bundesbank 1977 veranlaßte, den entsprechenden Abschlag bei den Mindestreservesätzen für Sicht- und Spareinlagen wesentlich zu reduzieren. 32 Gleichzeitig hat die Bundesbank das Größenklassensystem durch das Progressionsstaffelverfahren abgelöst und damit Benachteiligungen beseitigt, die sich bis dahin beim Übergang an den Grenzwerten ergaben. Die Differenzierung der Sätze nach dem Kriterium der Höhe der Einlagen soll dem Ausgleich für Wettbewerbsnachteile kleinerer Banken dienen. Als Sondersteuer markiert die Mindestreservepflicht eine Grenze: Bestimmte Finanzinstitute und bestimmte Geschäfte sind mit den entsprechenden Kosten belastet, andere nicht. Verlagerungen von den mindestreservepflichtigen weg und hin zu den mindestreservefreien Aktivitäteft sind damit quasi vorprogrammiert; nicht zuletzt wegen der Substituierbarkeit vieler 30 Siehe auch Baltensperger, E.: Alternative Approaches to the Theory of the Banking Firm, Journal of Monetary Economics, 1980, S. 1 ff. Dieser Effekt wird etwas durch die Tatsache gemildert, daß die Kreditinstitute ihre Mindestreserveguthaben vorübergehend als Liquiditätspolster nutzen können. 31 Für eine Übersicht der dabei relevanten Faktoren siehe die Zusammenfassung bei Lacher, Α.: Der Einfluß des Mindestreservesystems der Bundesrepublik Deutschland auf die Stellung von Bankbetrieben im Wettbewerb, Gelsenkirchen 1982, S. 183. 32 Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, März 1977, S. 22 f. Dazu heißt es dort abschließend: „Die Maßnahmen dienen also auch der Wiederherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen.44 Seit die Kassenbestände bei der Ermittlung der Mindestreservepflicht entsprechend angerechnet werden, ist das Nebenplatzprivileg ganz entfallen.

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finanzieller Transaktionen und Instrumente ist die Mindestreservebelastung zudem ein zusätzlicher Anreiz, Finanzinnovationen zu entwickeln, mit denen diese Kosten umgangen werden. 33 Das Vordringen der Sparbriefe und Bankschuldverschreibungen verkörpert zweifelsohne einschlägige Reaktionen im Bankensektor der Bundesrepublik. 34 Wettbewerbsverzerrungen übt die Mindestreservepflicht in zweifacher Hinsicht aus. Zum einen schafft sie eine Diskriminierung zu Lasten der betroffenen Kreditinstitute und zugunsten der nicht-erfaßten Kreditvermittler, soweit sie ähnliche (Einlagen-)Geschäfte tätigen. 35 Zum anderen verfügen Banken in ganz unterschiedlichem Ausmaße über die notwendigen Voraussetzungen, um die angesprochenen Ausweichreaktionen zu praktizieren. Die Vorgänge am Euromarkt bestätigen diese Überlegungen in besonders eindrucksvoller Weise. So ist gerade das Wachstum des Euro-DM-Marktes zu einem wesentlichen Teil auf die Existenz der Mindestreservepflicht auf den Inlandsmärkten zurückzuführen. 36 Nachdem die Möglichkeiten, die Mindestreservepflicht durch die Verlagerung von Transaktionen zu umgehen, aber nicht allen Kreditinstituten in gleicher Weise offen steht, können Wettbewerbsverzerrungen, die letztlich auf die Tatsache dieser Kostenbelastung im Inland zurückgehen, nicht ausbleiben; betroffen sind dabei im übrigen nicht nur Kreditinstitute, sondern auch Nichtbanken. 37

33 Dazu Bingham, a. a. O., S. 104 f.; Issing, Ο.: Innovationen auf den Finanzmärkten, in: Borchert, M. / Fehl, U . / Oberender, P. (Hrsg.): Markt und Wettbewerb, Festschrift für E. Heuß zum 65. Geburtstag, Berlin 1987, S. 350 ff. 34 Die Bundesbank spricht von „stillen Innovationen" — im Gegensatz zu den Neuerungen in den USA und auf den internationalen Finanzmärkten. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Oktober 1985, S.26ff. An die Auseinandersetzung um die Einführung von Einlagenzertifikaten und ihre Einbeziehung in die Mindestreservepflicht sei in diesem Zusammenhang ebenfalls erinnert. 35 Dabei wäre im einzelnen allerdings noch folgender Effekt zu berücksichtigen: Bankverbindlichkeiten gegenüber mindestreservepflichtigen Einlegern sind reservefrei und werden damit im allgemeinen besser verzinst. Im Zusammenhang mit der Einbeziehung der Bausparkassen und der Kreditinstitute mit überwiegend langfristigem Geschäft in die Mindestreservepflicht Anfang 1984 wurde dieser Vorteil dem aus der Reservepflicht resultierenden Nachteil entgegengehalten. 36 Zu dieser Diskussion siehe Issing, O.: Der Euro-DM-Markt und die Deutsche Geldpolitik, in: Gutowski, A. (Hrsg.): Geldpolitische Regelbindung: theoretische Entwicklungen und empirische Befunde, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 161, Berlin 1987, S. 174 ff. 37 So schreibt die Bundesbank selbst: „Schließlich können mit dem Ausweichen auf die Auslandsniederlassungen deutscher Banken unerwünschte Wettbewerbseffekte verbunden sein, da bei einem angestrebten Restriktionsgrad im Inland diejenigen Banken und Unternehmen entsprechend stärker belastet werden, die keinen oder nur einen erschwerten Zugang zum Euromarkt haben, also vor allem die kleinen und mittleren Wirtschaftsunternehmungen und die lokalen Kreditinstitute." Monatsberichte, Mai 1985, S. 33.

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5. Die Kreditplafondierung Nachdem die Bundesbank 1972 dieses Instrument alternativ zur Aktivzuwachsreserve vom Gesetzgeber erbat, sei es hier kurz behandelt, obgleich es nach wie vor nicht zum Arsenal der deutschen Geldpolitik zählt; in vielen anderen Ländern spielt die Kreditplafondierung jedoch eine wichtige Rolle. 38 Nach ihrer ganzen Anlage ist die Kreditplafondierung ein Instrument mit erheblicher Wettbewerbs Wirkung. 39 Je nach Grad der Anwendung und Ausgestaltung wird der Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten mehr oder weniger aufgehoben, die Marktanteile werden zementiert. Einflüsse auf die Wettbewerbssituation im Nichtbankensektor können ebenfalls nicht ausbleiben. Großunternehmen verfügen im allgemeinen nicht nur über die engeren Kontakte zu ihren Hausbanken, sie können auch eher auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten ausweichen. Schließlich werden die Aktivitäten der Kreditvermittler um so stärker begünstigt, je länger und strikter die Kreditplafondierung ausschließlich die Banken betrifft. Während diese Wirkungen auf die Wettbewerbssituation unvermeidbar und grundsätzlich unbeabsichtigt sind, entspricht es im übrigen der inneren Logik dieses Instrumentes, daß seine bewußte selektive Anwendung fast den Regelfall darstellt und — zumindest auf die Dauer — auch unvermeidbar ist. 40 6. Die Einlagenpolitik Verlagerungen von Guthaben öffentlicher Haushalte gemäß § 17 BBankG werfen zwangsläufig die Frage auf, ob dabei bestimmte Kreditinstitute begünstigt werden oder nicht; 4 1 bei den Beratungen dieses Paragraphen war der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität im übrigen ausdrücklich betont worden. 42 Mit einer generellen Einschleusung der öffentlichen Guthaben in den Geldmarkt wäre der Forderung nach wettbewerbsneutraler Ausgestaltung 38

Für eine Übersicht siehe Bingham, a. a. O., S. 121 ff. Dazu Issing, O.: Die Unabhängigkeit der Bundesbank, a. a. O., S. 368 ff. (Ähnliches gilt im übrigen auch für die Aktivzuwachsreserve.) 40 „Credit ceilings are also used selectively to affect the cost and availability of finance, but even general credit ceilings have a selective dimension." Bingham, a. a. O, S. 128. 41 Bejahend Seja, J.: Selektive Effekte der global orientierten Geldpolitik der Deutschen Bundesbank auf die Marktstruktur im Bankensektor, a. a. O., S. 264 ff. 42 Zur Diskussion siehe v. Spindler, J. / Becker, W. / Starke, O. E.: Die Deutsche Bundesbank, 4. Auflage, Stuttgart 1973, S. 356 ff. Mit der Klausel „dabei hat die Bundesbank das Interesse der Länder an der Erhaltung ihrer Staats- und Landesbanken zu berücksichtigen" wurde allerdings eine Bestimmung eingefügt, die zur selektiven Anwendung geradezu zwingt. 39

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dieses Instrumentes wohl am besten Rechnung getragen; 43 allerdings scheint auch die bestehende Regelung keine besonderen Probleme aufzuwerfen. 44

7. Moral Suasion und Gentlemen's Agreements Diese beiden Einflußmöglichkeiten werden hier weniger wegen ihres von der Bundesbank gelegentlich praktizierten Einsatzes als aus prinzipiellen Gründen genannt. Größere Bedeutung erlangen insbesondere die Gentlemen's Agreements nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, deren wichtigste sich — stark vereinfacht — als oligopolistische Struktur im Bankensektor beschreiben läßt. 45 Positiv läßt sich diese Konstellation als „Partnerschaft in der Geldpolitik" charakterisieren — was letztlich u. a. die Erwartung der Kreditinstitute einschließt, die Notenbank werde sich bei Gelegenheit für das Wohlverhalten „erkenntlich" zeigen. 46 Einer solchen Auffassung von Geldpolitik steht der Gedanke der „Wettbewerbsneutralität" völlig fern, selbst wenn die beteiligten Banken „gleichmäßig" benachteiligt bzw. begünstigt werden sollten: Zwischen den Kreditinstituten wird der Wettbewerb in bestimmten Bereichen durch die Vereinbarung mit der Notenbank unmittelbar ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt; inwieweit aus dem durch die Notenbank induzierten Verhalten der Kreditinstitute Folgen für die Nichtbanken resultieren, wäre im Einzelfall zu prüfen.

43 Zur Reform der Einlagenpolitik siehe Dickertmann, D.: Steuerzahlung und Geldkreislauf, Wirtschaftsdienst, Februar 1984, S. 46 ff. 44 So schreibt Treutler in seiner Erwiderung auf Seja, daß die betreffenden Guthaben zwar in der Tat zunächst sog. „Vertrauensadressen" zur Verfügung gestellt, dann aber von diesen im Wege der Kommission am Geldmarkt zu Marktsätzen breit gestreut werden. Die Kommissionäre erhalten lediglich eine geringe Provision. Treutler, a. a. O., S. 209. 45 Aufgrund der eingehenden Schweizer Erfahrungen nennt Tuchtfeldt den Ersatzcharakter dieses Instruments, die Überschaubarkeit der Verhältnisse und den kooperativen Stil in der Wirtschaftspolitik als Bedingungen für den erfolgreichen Einsatz. Tuchtfeldt, E.: Gentlemen's Agreements als Instrument der schweizerischen Geldpolitik, in: Andreae, C. A. / Hansmeyer, K. H. / Scherhorn, G. (Hrsg.): Geldtheorie und Geldpolitik, Berlin 1968, S. 150 ff. Zum Zusammenhang zwischen Konzentrationsgrad im Bankensektor und Wirkung der Moral Suasion (kritisch) siehe Jones, J. C. H. and Laudadio, L.: Canadian Bank Mergers, the Public Interest and Public Policy, Banca Nazionale del Lavoro, Quarterly Review, 1973, S. 133 ff. 46 Zur Idee der „Partnerschaft" siehe Stucken, R.: Notenbank und Banken, Kredit und Kapital, 1973, S. 103 ff.

233

Das geldpolitische Instrumentarium

I I I . Wettbewerbsneutralität als Norm für die Geldpolitik? 1. Wettbewerbswirkungen

des Instrumentariums

im Überblick

Die Analyse der einzelnen Instrumente der Geldpolitik hat eine Vielzahl von Wettbewerbswirkungen ergeben; diese sind in der folgenden Übersicht zusammengefaßt. 47 Ein Eintrag deutet daraufhin, daß von dem betreffenden Instrument Einflüsse auf die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb des Bankensektors, zwischen Kreditinstituten und Kreditvermittlern oder im Nichtbankensektor ausgehen. Typischerweise treten Wettbewerbs- oder Strukturwirkungen um so stärker auf, je ausgeprägter der administrativ/hoheitliche Charakter des Instrumentes ist, während mit der Orientierung an den Marktbedingungen diese Einflüsse zurückgehen. Bei der Offenmarktpolitik im klassischen Sinne, die auf eine öffentliche, allgemein zugängliche Versteigerung von Zentralbankgeld (bzw. Papieren) hinausläuft, bleiben im Idealfall wettbewerbsverzerrende Wirkungen schließlich völlig aus. Bei der Untersuchung der einzelnen Instrumente ist nun aber noch zu prüfen, ob Einflüsse auf die Wettbewerbsverhältnisse untrennbar mit der betreffenden Maßnahme verbunden oder inwieweit diese nur auf die spezielle Ausgestaltung zurückzuführen sind. So wurde etwa bei der Diskussion der Wertpapierpensionsgeschäfte deutlich, daß die Benachteiligung kleiner Kreditinstitute nur im Falle des Mengentenders auftritt, durch eine Verfahrensänderung also beseitigt werden kann. 4 8 Ähnliches gilt für die Diskontpolitik. Mit einer Marktbindung des Diskontsatzes und gleichzeitiger Ausgestaltung als „penalty rate" entfiele der „Subventionscharakter" dieser Refinanzierungsquelle, die (indirekte) Begünstigung des Wechselkredits im Nichtbankensektor wäre beseitigt, Kontingente wären überflüssig. Für eine eigene Lombardpolitik bestünde vor allem dann kein Anlaß, wenn das rediskontfähige Material auf einen breiten Kreis von Wertpapieren ausgedehnt würde. 49 Abschließend sei angemerkt, daß es sicherlich nicht auf die Wirkung einzelner Maßnahmen, sondern die Inzidenz des geldpolitischen Instrumentariums insgesamt ankommt. Nun erscheint es zwar denkbar, daß sich die 47

Wegen ihrer unbestimmten Wirkungen sind Moral Suasion und Gentlemen's Agreements nicht aufgenommen. 48 Die prinzipielle „Reformierbarkeit" ist jeweils durch einen Kreis um den Eintrag + angedeutet (vgl. Übersicht auf S. 234). 49 Siehe dazu die eingehende Diskussion bei Issing / Rudolph. Mit der Verteuerung des Rediskonts über eine penalty rate wäre die Begünstigung der Kreditinstitute gegenüber den Kreditvermittlern, die nicht über den Zugang zur Notenbank als lender of last resort verfügen, allerdings nur verringert, aber nicht völlig beseitigt. Dieses Argument erhielte vor allem dann Gewicht, wenn gleichzeitig die (zinslose) Mindestreservepflicht abgeschafft würde.

+ +

Kreditplafondierung

(+)

Mindestreservepolitik

Εi η 1 ageηρο1 i ti k

D e v i s e n s w a p - und -pensionsgeschäfte

Wertpapierpensionsg e s c h ä f te

Offenmarktpolitik

Diskontpolitik ( L o m b a r d p o l i ti k )

+

\+)

im B a n k e n s e k t o r

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+

+

zwischen Bankensektor und K r e d i t v e r m i t t l e r n

Ο

+

+

im N i c h t b a n k e n s e k t o r

E i n f l ü s s e auf d i e W e t t b e w e r b s v e r h ä l t n i s s e

Wettbewerbswirkungen der geldpol1tisehen Instrumente

Instrument

Übersicht:

234 Otmar Issing

Das geldpolitische Instrumentarium

235

Einflüsse verschiedener Maßnahmen gegenseitig mehr oder weniger aufheben, die Zielsetzung „Wettbewerbsneutralität" ließe sich auf diesem Wege jedoch kaum aussichtsreich verfolgen. Somit bleibt letztlich doch nur der Weg, bei den einzelnen Instrumenten anzusetzen.

2. Inhaltliche Varianten der Wettbewerbsneutralität Die Norm „Wettbewerbsneutralität" für die Geldpolitik bedingt eine (operationale) Definition dieses Begriffes. A u f den ersten Blick scheint dies zu der einfach zu bestimmenden Forderung zu führen, die Geldpolitik sei so zu führen, daß sie die Rentabilitätsverhältnisse im Bankensektor nicht beeinflußt. 5 0 Erste Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieser Definition resultieren aus der Analyse der Instrumente, von denen gegebenenfalls auch Einflüsse auf die Beziehungen zwischen Kreditinstituten und Kreditvermittlern sowie auf den Nichtbankensektor ausgehen. Die Kritik an der durchaus global orientierten Geldpolitik geht im übrigen gerade unter diesem Aspekt teilweise weit über die bisherige Untersuchung hinaus. So ist in praktisch jeder Phase der restriktiven Geldpolitik der Vorwurf zu hören, von dem dadurch bedingten Zinsanstieg würden einzelne Branchen, wie vor allem der Wohnungsbau, unverhältnismäßig hart getroffen, auch eine durchaus global konzipierte Geldpolitik habe in diesem Sinne strukturelle Wirkungen. 51 Kann man diesen letzten Einwand noch relativ leicht zurückweisen, so treten wesentlich größere Schwierigkeiten auf, wenn man den Gesichtskreis der Untersuchung erweitert. Gerade unter dem Aspekt der Wettbewerbsneutralität müssen die Maßahmen der Geldpolitik nämlich auch im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht bzw. den für den Bankensektor gültigen Regulierungen gesehen werden.

50 In diesem Sinne etwa Zimmermann, W.-K.: Wettbewerbsverzerrungen im deutschen Bankensystem, Göttingen 1984, S. 46 ff.; Heubaum, H.: Das kreditpolitische Instrumentarium der Deutschen Bundesbank unter dem Gesichtspunkt seiner Auswirkungen auf den Wettbewerb im Kreditgewerbe, Dissertation Aachen 1964, S. 59 ff. 51 Siehe dazu etwa die eingehende Untersuchung Meyer-Piening, Α.: Die unterschiedlichen Wirkungen der globalen Geldpolitik auf Unternehmensgrößen und Wirtschaftssektoren in der Bundesrepublik Deutschland seit 1948, Diss. Erlangen-Nürnberg 1968. (Einige Anhaltspunkte für gewisse strukturelle Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik ändern nichts Entscheidendes am Gesamteindruck, daß eine wirklich global geführte Geldpolitik in Verbindung mit hinreichendem Wettbewerb im Bankensektor die Wettbewerbsverhältnisse nicht nennenswert beeinflußt.) Für eine kritische Analyse des Arguments von der selektiven Wirkung der restriktiven Geldpolitik siehe auch Bach, G. L.: How Discriminatory is Tight Money?, in: Carson, D. (ed.): Banking and Monetary Studies, Homewood, 111. 1963, S. 254 ff.

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Otmar Issing

So beeinflussen einschlägige Regulierungen unmittelbar sowohl die Wettbewerbsbeziehungen im Bankensektor selbst wie auch im Verhältnis Kreditinstitute — Kreditvermittler. Darüber hinaus hängen auch die Wirkungen einzelner geldpolitischer Instrumente wie der Notenbankpolitik insgesamt entscheidend von der Art und vom Ausmaß dieser Regulierungen ab. Als typisches Beispiel sei hier auf die Zinsregulierungen verwiesen, wie sie faktisch auch in der Bundesrepublik bis 1965 bzw. 1967 bestanden. Unmittelbar betroffen waren davon auch die Nichtbanken; ganz allgemein gesprochen benachteiligte diese Regelung nämlich sowohl bei den Haben- wie bei den Sollzinsen die kleinen Anleger bzw. Kreditnehmer. 52 Die Zinsbeschränkungen für Kreditinstitute (vor allem Sparkassen) in den USA förderten in der Phase hoher Zinsen ganz extrem die Aktivitäten der Kreditvermittler und den Prozeß finanzieller Innovationen zur Umgehung solcher Beschränkungen. 53 Schon diese wenigen Bemerkungen dürften als Beleg dafür genügen, daß die Bestimmungen der Bankenaufsicht und andere relevante Regulierungen in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müssen. Das Problem einer operationalen Definition der Wettbewerbsneutralität wird damit sicherlich nicht einfacher. Zumal im Verhältnis Banken — Kreditvermittler lassen sich die relativen Vor- und Nachteile im übrigen nicht immer leicht bestimmen. So unterliegen z. B. die Banken einerseits der Kostenbelastung durch die Mindestreservepflicht, andererseits steht nur ihnen der Weg zur Refinanzierung bei der Notenbank offen. 54 Dieses „Aufrechnen" von Vor- und Nachteilen führt direkt zum sog. „Ausgleichsargument", d. h. der Forderung, die Kreditinstitute müßten zum Ausgleich für Nachteile, die auf staatliches bzw. geldpolitisches Handeln zurückgehen, einen entsprechenden Ausgleich erhalten — nur dann sei die Wettbewerbsneutralität gewahrt. 55 In typischem Second-best-Denken führt 52 Das Resümee aus der Untersuchung von Zinsregulierungen in den OECD-Ländern lautet bezeichnenderweise: „Although the origins of interest rate controls are often prudential or macroeconomic, the reasons for their persistence are ... frequently distributional." Bingham, a. a. O., S. 133. 53 Siehe dazu etwa Kane, Ε. J.: Impact of Regulation on Economic Behavior, The Journal of Finance, May 1981, S. 359 ff. 54 Nach Johnson kann die Steuer Mindestreserve „als ein Preis angesehen werden, den die Banken der Zentralbank und indirekt dem Staat für die Dienste der Zentralbank sowie für das Privileg, ein Bankgeschäft betreiben zu dürfen, bezahlen müssen". Johnson, H. G.: Alternative Leitprinzipien der Geldpolitik in Kanada, in: Ders.: Beiträge zur Geldtheorie und Geldpolitik, Berlin 1969, S.241. 55 Im Extrem wird in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, die Kreditinstitute seien im Vergleich zu anderen Sektoren als einziger unmittelbarer Adressat der Geldpolitik quasi strukturell benachteiligt. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Ausgleichsargument Seifert, E.: Privilegierung und Regulierung im Bankenwesen, Baden-Baden 1984, S. 109 ff.

Das geldpolitische Instrumentarium

237

das Ausgleichsargument zu solch verstiegenen Ideen wie der, Unvollkommenheiten des Marktes durch die Ausgestaltung der Geldpolitik im wohlfahrtstheoretischen Sinne zu kompensieren. 56 Wie in anderen Bereichen auch, zieht eine Politik, die sich an solchen Kriterien orientiert, beinahe zwangsläufig eine aufeinanderfolgende Kette von Regulierungen nach sich, ohne daß sich auf diese Weise das angestrebte Ziel eines „Ausgleichs" tatsächlich erreichen ließe — von den Verlusten an allokativer Effizienz in diesem Prozeß ganz abgesehen. Als Alternative böte sich immerhin an, einmal zu prüfen, inwieweit nicht Marktunvollkommenheiten überhaupt erst eine Folge staatlicher Regulierungen sind, also an einen Abbau der Primärregulierung statt an einen Ausgleich durch Sekundär-(Tertiär- etc.)Regulierung zu denken. 57 Im Sinne einer Erweiterung des Ausgleichsarguments sind ferner Überlegungen zu sehen, das geldpolitische Instrumentarium so auszugestalten, daß etwaige Wettbewerbsnachteile kleiner Kreditinstitute kompensiert werden, z. B. durch günstigere Refinanzierungsbedingungen etc.; 58 auf entsprechende Differenzierungen bei den Mindestreservesätzen wurde bereits verwiesen. Auffassungen dieser Art befrachten die Geldpolitik mit Aufgaben, die ihr letztlich wesensfremd sind und zudem die Ausrichtung auf ihre eigentlichen Ziele erschweren. 59 Dies wird vor allem deutlich, wenn man den wichtigen Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht einerseits und Bankensystem andererseits berücksichtigt. Sicherlich läßt sich das Problem 56 Siehe dazu Holland, R. C.: The Federal Discount Mechanism as an Instrument for Dealing with Banking Market Imperfections, Journal of Money, Credit and Banking, May 1970, S. 138 ff.; Hester, D. D.: Reflections on the Discount Window, ebenda, S. 154 ff. 57 Das gleiche Problem stellt sich bei der Frage, wie die Geldpolitik auf Ausweichreaktionen reagieren soll — mit der Ausdehnung der Mindestreservepflicht auf die Kreditvermittler, gegebenenfalls unter Einschluß der Euromärkte — oder durch Abbau bzw. Abschaffung dieses Eingriffs? Zur Abwägung Regulierungs- versus Anpassungsstrategie siehe Issing, O.: Der Euro-DM-Markt und die Deutsche Geldpolitik, a. a. O., S. 176ff. 58 So der Vorschlag bei Modigliani, F.: Some Proposals for a Reform of the Discount Window, in: Board of Governors of the Federal Reserve System (ed.): Reappraisal of the Federal Reserve Discount Mechanism, Vol. 2, Washington, D. C. 1971, S. 63. 59 Dieser Einwand ist erst recht gegen eine Geldpolitik gerichtet, die Struktur- bzw. Wettbewerbswirkungen bewußt anstrebt und folglich bestimmte Aktivitäten, Kreditinstitute, Kreditvermittler und/oder Kreditnehmer bzw. Kreditgeber im Nichtbankensektor gezielt begünstigt oder benachteiligt. Zur Befürwortung einer solchen Politik siehe etwa Rao, D. C.: Selective Credit Policy: Is it justified and can it work?, The Journal of Finance, May 1972, S.473ff.; Bräuer, Ν.: Sektorale Geldpolitik — Konzeption eines sektor-monetären Stabilisierungssystems, Frankfurt 1979. (In dieser Arbeit — S. 240 ff. — werden nicht von ungefähr die Kreditplafondierung und die Mindestreservepolitik als geeignet für eine sektorale Steuerung des Kreditangebots hervorgehoben.) Von sonstigen Einwänden einmal ganz abgesehen, geht einer unabhängigen Notenbank jegliche Legitimation für eine derartige selektive Politik ab. Zur Kritik an der selektiven Geldpolitik siehe etwa Hodgman, D. R.: Selective Credit Controls, Journal of Money, Credit and Banking, May 1972, S. 342 ff.

238

Otmar Issing

der Wettbewerbsneutralität konkret nur in bezug auf ein bestimmtes Bankensystem diskutieren, bestimmte Maßnahmen der Geldpolitik sind aus der Perspektive von Universal- oder Spezialbanken ganz unterschiedlich zu beurteilen. Auch in einem Universalbankensystem gibt es (z. T. ganz erhebliche) Unterschiede in der Geschäftsstruktur der einzelnen Kreditinstitute. Daraus nun zu schließen, auch eine global ausgerichtete Geldpolitik müsse zwangsläufig allein schon deshalb die Wettbewerbsverhältnisse im Bankensektor beeinflussen, weil es an der für einen strukturneutralen Einsatz erforderlichen Homogenitätsbedingung fehle, 60 führt den Gedanken der Wettbewerbsneutralität schon im Prinzip ad absurdum. Vorstellungen dieser Art weisen in das unüberschaubare Dickicht des Ausgleicharguments und sind daher wenig hilfreich. 61 Solche Ansätze übersehen auch, daß die bestehenden Geschäftsstrukturen zum einen eine sinnvolle Spezialisierung verkörpern können, die auch in einem Universalbankensystem stattfindet, zum anderen aber auch die Rückwirkungen der Geldpolitik und der Regulierung selbst widerspiegeln. Wettbewerbsneutralität, die eine homogene Geschäftsstruktur begriffsnotwendig voraussetzt, kann es folglich überhaupt nicht geben; 62 und wenn sie denkbar wäre, bliebe sie ökonomisch alles andere als erstrebenswert. Die Orientierung der Geldpolitik am Prinzip „Wettbewerbsneutralität" darf ganz im Gegenteil allokativ sinnvolle Spezialisierungen nicht behindern oder gar verhindern. Entscheidend bleibt jeweils, daß die Maßnahmen der Geldpolitik nicht bestimmte Strukturen sowohl im Bankensystem wie im gesamten Finanzsektor und im Nichtbankenbereich vorbestimmen, sondern vielmehr Spielraum für die Wahl bestehender und die Entwicklung neuer Instrumente lassen. Es muß Aufgabe der einzelnen Kreditinstitute sein, sich an die von der Geldpolitik global gesetzten Bedingungen anzupassen; dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen und wird einigen besser, anderen weniger gut gelingen, ohne daß dies schon als Indiz für eine Verletzung des Prinzips der Wettbewerbsneutralität gelten könnte. Ein an Vorstellungen über die richtige Struktur des Bankensystems oder ähnlichen statischen bzw. 60

So Seja: Selektive Effekte der global orientierten Geldpolitik der Deutschen Bundesbank auf die Marktstruktur im Bankensektor, a. a. O., S. 149. 61 Zur konkreten Situation in der Bundesrepublik und zur Position der Bundesbank schreibt Müller: „Bekanntlich haben die deutschen Kreditinstitute ganz unterschiedliche Strukturen. Aber abgesehen davon, daß sich aus einer einzigen, ganz bestimmten kreditpolitischen Situation heraus nicht beurteilen läßt, ob sich die eine oder andere Struktur längerfristig als Vorteil erweist — die Kreditpolitik der Notenbank kann und will derartige Strukturunterschiede nicht 'neutralisieren 4. Das ist nicht ihre Aufgabe." Müller, L.: Die Notenbank und die Kreditinstitute, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 18, 15.9.1980, S. 858. 62

Siehe dazu auch die allgemeinen Überlegungen bei Hoppmann, E.: Fusionskontrolle, Tübingen 1972, S. 88.

Das geldpolitische Instrumentarium

239

ergebnisbezogenen Kriterien orientiertes Konzept kann diesen Bedingungen jedenfalls nicht genügen. So führt denn wohl kein Weg daran vorbei, die Frage der Wettbewerbsneutralität anhand der konkreten Ausgestaltung jedes einzelnen Instrumentes der Geldpolitik zu klären. A u f eine Wiederholung kann hier verzichtet werden, doch bleibt festzuhalten, daß die Kreditplafondierung den stärksten Verstoß gegen dieses Prinzip darstellt und an nächster Stelle wohl die Mindestreservepolitik und eine in bestimmter Weise ausgestaltete Refinanzierungspolitik zu nennen sind. Dagegen liegt auf der Hand, daß die Geldpolitik um so eher dem Prinzip der Wettbewerbsneutralität genügt, je mehr sie sich auf die (klassische) Offenmarktpolitik stützt.

3. Schlußbemerkungen Wie bereits eingangs hervorgehoben, ist das geldpolitische Instrumentarium in erster Linie vom Effizienzkriterium her zu beurteilen, die Wettbewerbsneutralität hat gewissermaßen nur akzessorischen Charakter. Nun besteht zwischen den beiden Zielen Effizienz und Wettbewerbsneutralität aber keineswegs ein trade-off, vielmehr sprechen alle Überlegungen dafür, daß die Effizienz gerade durch eine Geldpolitik gefördert wird, die gleichzeitig den Bedingungen der Wettbewerbsneutralität am besten genügt und über die Beeinflussung von Angebot und Nachfrage auf den finanziellen Märkten wirkt. 6 3 Zum Schluß noch ein Wort zur Geldpolitik der Deutschen Bundesbank. Im internationalen Vergleich schneidet sie unter dem hier diskutierten Kriterium gewiß nicht schlecht ab. Während andere Notenbanken — im Zusammenwirken mit Regulierungen des Finanzsektors — auf ein ganzes Arsenal selektiv wirkender Maßnahmen zurückgreifen und die Wettbewerbsverhältnisse auf allen Ebenen teilweise massiv beeinflussen, trifft dies für die Bundesbankpolitik nur sehr eingeschränkt zu. 6 4 (Die im Vergleich zu anderen Ländern respektablen makroökonomischen Resultate der deutschen Geldpolitik sprechen im übrigen alles andere als gegen die Richtigkeit der These von der „Harmonie" zwischen Effizienz und Wettbewerbsneutralität.) Nicht 63

Seifert, a. a. O., S. 118, bringt dies auf den kurzen Nenner: „Durchschlagseffekt der Notenbankpolitik und wettbewerbsbestimmte Preisbildung sind zwei Seiten derselben Münze." Auch in diesem Konzept spielen Fragen der Regulierung eine beachtliche Rolle. So wurden etwa Zinsvorschriften lange u. a. auch mit dem Hinweis begründet bzw. verteidigt, sie unterstützten die Geldpolitik. Kritisch dazu Stützel, W.: Bankpolitik — heute und morgen, Frankfurt 1964, S.92ff. (Die Entwicklung seitdem hat wohl auch hier das „Harmonieargument" bestätigt.) 64 Siehe dazu die Übersichten in der bereits mehrfach erwähnten Arbeit von Bingham, a.a.O.

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Otmar Issing

von ungefähr ging die Welle aufsehenerregender Innovationen daher zum größten Teil an den deutschen Finanzmärkten vorbei, da für viele Entwicklungen im Sinne von Ausweichreaktionen kein Anlaß bestand. Die aber auch hierzulande zu beobachtenden Verlagerungen machen die bestehenden Schwachstellen deutlich; für entsprechende Reformen spricht nicht zuletzt wiederum das erwähnte „Harmonieargument".

Geldpolitik und Finanzintermediäre, dargestellt am Beispiel der Versicherungswirtschaft Von Robert Schwebler, Karlsruhe

I. Die Versicherungswirtschaft im Kontext volkswirtschaftlicher Fragestellungen Lange Zeit schien die Thematisierung der Probleme und Wandlungen in den Finanzdienstleistungsmärkten lediglich für die US-amerikanischen Finanzmärkte von Interesse. Inzwischen befindet sich jedoch die Abgrenzung zwischen der Tätigkeit von Kreditinstituten einerseits und den near- und nonbanks andererseits auch in der Bundesrepublik Deutschland in der Diskussion. Einbezogen sind damit nicht nur die Aktivitäten von Banken und Versicherungen, sondern auch von Bausparkassen, Versand- und Warenhäusern, Kreditkartenorganisationen sowie selbst der Post. Zunächst waren Volumen und Verteilung der privaten Geldvermögensbildung Objekte kontroverser Betrachtung, in letzter Zeit richtet sich die Aufmerksamkeit besonders auf Zielrichtung und Intensität der gegenseitigen Marktdurchdringung von Banken und Versicherungen. 1 Bei dieser in erster Linie zwar unter wettbewerbspolitischer Perspektive geführten Diskussion spielen indes auch geldpolitische Aspekte eine große Rolle, denn die durch Konvention, das Kreditwesengesetz ( K W G ) und das Versicherungsaufsichtsgesetz ( V A G ) geregelte Arbeitsteilung zwischen Banken und Nichtbanken stellt zugleich auch eine wesentliche Stütze der Effizienz der Geldpolitik dar, deren erklärtes Ziel es ist, „durch monetäre Impulse im realwirtschaftlichen Bereich bestimmte Wirkungen auszulösen".2 Dabei beeinflussen geldpolitische Dispositionen der Zentralbank das Zinsniveau „vor allem über Maßnahmen, die die Liquiditätsausstattung der Banken verändern". 3 Anfang der 70er Jahre war schon einmal zu konstatieren, daß eine in den USA geführte Diskussion um das Verhältnis von Banken und Finanzintermediären auf die deutsche Literatur übergriff. Die damalige Debatte, die sich 1 2 3

Vgl. hierzu auch Schwebler (1986). Ehrlicher (1981), S. 430. Ebenda, S. 434; vgl. hierzu auch Ketterer & Kloten (1980).

16 Kredit und Kapital, Beiheft 10

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Robert Schwebler

im Kern um einen möglichen konterkarierenden Einfluß der Finanzintermediäre auf geldpolitische Maßnahmen der Bundesbank drehte, endete schließlich in der Einsicht, daß sich Entwicklungen auf den amerikanischen Finanzmärkten einmal aufgrund unterschiedlicher Marktstrukturen und zum anderen wegen der in unserem Land wirksamen gesetzlichen Regelungen nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen. Nun ist die Diskussion um die Markteinbindung der Finanzintermediäre neu aufgeflammt. Die Frage eines engeren Zusammenschlusses von Banken und Versicherungen wird ebenfalls erörtert. Es sollte aber die Erwartung nicht unbegründet sein, daß die neuerliche Diskussion um die angeblich nahezu unbegrenzten Möglichkeiten sogenannter Allfinanzunternehmen nach amerikanischem Muster ebenfalls einen Verlauf nimmt wie diejenige Anfang der 70er Jahre. Die Thematisierung des Verhältnisses von Banken und Versicherungen dürfte für die Versicherungswirtschaft heute allerdings dadurch etwas erleichtert werden, weil Versicherungswissenschaft und Versicherungspraxis durch einige Analysen jüngeren Datums neue wesentliche Erkenntnisse über die Wirkungen gesamtwirtschaftlicher Einflüsse auf die Branche gewonnen haben. Dies gilt einmal hinsichtlich der Position und des Verlaufs der Geschäftstätigkeit der verschiedenen Versicherungszweige im Konjunkturzyklus, zum anderen auch für Volumen und Qualität der Alimentierung des Kapitalmarktes durch Finanzierungsmittel der Assekuranz. Dabei werden auch zunehmend Interdependenzen zwischen Geschäftstätigkeit und Anlageverhalten im gesamtwirtschaftlichen Verlauf erörtert und makroökonomische Einflußfaktoren auf das Neugeschäft der einzelnen Versicherungszweige identifiziert und behandelt. Zudem findet eine komparative Darstellung von Banken und Versicherungen in ihrer Einbindung in die Finanzmärkte wachsende Beachtung. Dies stellt auch Fragen nach den Wirkungen der Geldpolitik auf Finanzintermediäre. Der Einfluß der Geldpolitik auf die Versicherungswirtschaft ist bisher freilich kaum Gegenstand besonderer Betrachtungen gewesen. Hier gilt es noch einiges aufzuarbeiten. Diese Arbeit möchte hierzu einen Beitrag leisten. Zwar hat man bereits in früheren Jahren die Bedeutung der Versicherung in der Gesamtwirtschaft wissenschaftlich behandelt. 4 Neuerdings bemüht man sich jedoch verstärkt, die Einflüsse einer Reihe von gesamtwirtschaftlichen Variablen auf die Branche aufzuzeigen, 5 um in ersten Schritten einer Art makroökonomischem approach gerecht zu werden, der die interdependenten Abhängigkeiten der Assekuranz von ihrer politischen, wirtschaftlichen und 4

Vgl. z. B. Mahr (1951); Hax (1964); Farny (1980). Vgl. Helten (1978); Schwebler (1977 a), (1980) sowie die Arbeiten des Volkswirtschaftlichen Ausschusses des GDV: GDV (1983), (1984), (1986 a). 5

Geldpolitik und Finanzintermediäre

243

gesellschaftlichen Umwelt deutlich macht. Hierzu zählen auch die Wirkungen geldpolitischer Maßahmen auf die Versicherungswirtschaft. Es soll hier deshalb nicht nur dem in der einschlägigen Literatur üblichen Ansatz gefolgt werden, der in der Regel nur die antizyklisch wirkenden Aktivitäten des Finanzintermediärs Versicherung im Kontext der Effizienz der Geldpolitik zum Inhalt hat. Diese Fragestellung ist bereits erörtert worden und soll daher im folgenden nur kurz referiert werden. Es erscheint vielmehr interessant, auch jene Wirkungen in den verschiedenen Sektoren der Assekuranz zu betrachten und darzustellen, die ganz bestimmte geldpolitische Maßnahmen bzw. deren Resultat hervorrufen.

II. Ökonomische Dimension und Wirkung des Finanzintermediärs Versicherung in der Volkswirtschaft Der Begriff Finanzintermediäre wurde in Anlehnung an die amerikanische Literatur 6 in den fünfziger und sechziger Jahren geprägt. Das Interesse galt dem damals besonders deutlichen Wachstum einer Reihe von Geld- und Kapitalmarktinstitutionen, die, obgleich eindeutig Nichtbanken, dennoch sehr stark in das monetäre Geflecht der Volkswirtschaft einbezogen waren. M i t der Zeit hat sich eine relativ einheitliche Terminologie herausgebildet, nach der unter Finanzintermediären diejenigen Institutionen zu verstehen sind, die nicht die Möglichkeit und Fähigkeit zu einer multiplen Geldschöpfung besitzen, also vor allem Versicherungsgesellschaften, Bausparkassen und Kapitalanlagegesellschaften. 7 Häufig wurden auch die Bezeichnungen sekundäre oder paramonetäre Finanzierungsinstitutionen verwendet, 8 die in Anlehnung an die englischen Ausdrücke „non-monetary" und „non-banking" 9 signalisieren, daß die so bezeichneten Institute außerhalb des giralgeldschaffenden Bankensektors stehen. Einer der bedeutendsten Finanzintermediäre ist in der Bundesrepublik ohne Zweifel die Versicherungswirtschaft. Die Branche übernimmt professionell Risiken gegen Entgelt, und zwar in vielerlei Hinsicht. So wird — um etwa die Spannweite der Risikotragung durch die Versicherungswirtschaft deutlich zu machen — der Transfer zahlreicher, erheblicher Risiken von der Industrie auf die Versicherer der industriellen Wirtschaft erst den Weg bereiten, um neue Produkte und Technologien einführen zu können. Andererseits 6

Vgl. insbesondere Goldsmith (1954) sowie Gurley & Shaw (1956). Vgl. z. B. Issing (1981), S. 36; Vogl und Woll (1973), S. 415; Schirmer (1971), S. 20-21; Ebel (1971), S. 21; Brunner & Meitzer (1963). 8 Vgl. z. B. Jäger (1986), S. 13; Meitzer (1970), S. 1-3; Schirmer (1971), S. 20-21; Issing (1981), S. 36. 9 Vgl. z. B. Gurley & Shaw (1960), S. 191-192; Smith (1959), S. 534. 7

16*

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ermöglicht und betreibt die Versicherungswirtschaft als privates Sicherungssystem eigenverantwortliche Daseinsvorsorge für Familie, Alter und Hinterbliebene, sie steht damit in einer Funktion, die das gesetzliche Sozialsystem ergänzt, wohl auch entlastet. Zu den Größenordnungen der Umsätze: Insgesamt sind der Versicherungsbranche 1986 mit einem Plus von 4,5 % gegenüber dem Vorjahr etwa 114 Mrd. D M an Beiträgen zugeflossen. 10 Und um das Wachstumspotential der Branche darzustellen, sei darauf verwiesen, daß im Jahre 1970 lediglich knapp 28 Mrd. D M Beiträge gezahlt wurden — ein Wachstum also auf mehr als das Vierfache. Das Volkseinkommen ist im gleichen Zeitraum nur knapp auf das Dreifache gestiegen. Gemessen in vom Hundert des Sozialprodukts sind die Beitragseinnahmen der Branche gleichzeitig von 4,1% auf 5,9% angewachsen. Nun ist aber die versicherungswirtschaftliche Risikotragung als die eigentliche Produktionsleistung der Assekuranz systembedingt mit einem Prozeß der Kapitalansammlung und der Kapitalanlage verbunden. 11 Er ist zur Abdeckung der aus der Übernahme der Sicherungsfunktion gegenüber den Versicherten resultierenden Verpflichtungen unabdingbar. Kapitalansammlung und Kapitalanlage sind daher ein wichtiger Abschnitt in der Produktion von Versicherungsschutz. Die Anlagemittel überbrücken die Zeitspanne zwischen Beitragseingang und Leistungsfall, die sich in manchen Versicherungszweigen über mehrere Jahrzehnte erstrecken kann. Darüber hinaus dienen sie — insbesondere in der Lebensversicherung — als Quelle der Überschußbeteiligung zur Erhöhung der Versicherungsleistungen. Über Kapitalansammlung und Kapitalanlage ist also die Produktion von Versicherungsschutz eng mit dem volkswirtschaftlichen Kapitalbildungsprozeß verbunden. Die Branche ist damit heute ein wichtiger Finanzier von Wirtschaft, Wohnungsbau, Gemeinwesen und Kreditwirtschaft. 12 Sie alimentiert den Kapitalmarkt in steigendem Umfang mit langfristig verfügbaren Investitionsmitteln. Auch hierzu einige Zahlen: Die Kapitalanlagen der Versicherungswirtschaft haben in 1987 500 Mrd. D M überschritten. A u f die Lebensversicherung entfallen davon rund 320 Mrd. D M . Zum Vergleich: Im Jahre 1970 betrug der gesamte Kapitalanlagenbestand der Versicherungswirtschaft noch 87 Mrd. D M . Die Nettoneuanlage der Versicherer allein im Jahr 1985 belief sich demgegenüber auf knapp 44 Mrd. D M . 1 3

10 11 12 13

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

GDV (1986 b). hierzu Schwebler (1977 b). Kaibaum (1986); von Bargen (1986). GDV (1986 b).

Geldpolitik und Finanzintermediäre

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I I I . Der Einfluß der Finanzintermediäre auf geldpolitische Ziele und Instrumente am Beispiel der Versicherungswirtschaft Mitte der 50er bis etwa Mitte der 70er Jahre wurden vor dem Hintergrund eines deutlichen Wachstums der Finanzintermediäre insbesondere im angelsächsischen Raum, dann allerdings auch in der Bundesrepublik Deutschland, mögliche (konterkarierende) Einflüsse dieser „non-banks" auf die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen erörtert. Obwohl man auch bei uns in einer Reihe von Arbeiten zu sehr konträren Ergebnissen kam, ist diese Frage letztlich vor allem durch eine Art konkludenten Handelns der Bundesbank, die das Thema nicht weiterverfolgte, eindeutig entschieden worden. Gleichwohl findet sich die These vom erheblichen Einfluß der Finanzintermediäre auf die geldpolitische Effizienz nach wie vor in einigen Büchern und Abhandlungen, wobei sie freilich zum Teil ungeprüft in der Art einer verifizierten Aussage wiedergegeben wird. I m folgenden soll auf diese Debatte vor allem auch unter dem Aspekt ihrer Auswirkungen auf die Forderung nach einer Mindestreservepflicht für Versicherungsunternehmen nochmals kurz eingegangen werden, dies erscheint um so mehr erforderlich und möglich, als sich die Belege für die Behauptung, daß von der Versicherungswirtschaft keinerlei, die Geldpolitik der Notenbank konterkarierenden Einflüsse ausgehen, mittlerweile bis zur Unabwendbarkeit verdichtet haben. Initiiert wurde die intensive Beschäftigung mit den Finanzintermediären durch Untersuchungen von Goldsmith, der zu dem Ergebnis kam, daß die Bedeutung der amerikanischen Banken im Vergleich zu den Finanzintermediären zurückgegangen sei. 14 Aufbauend auf diese Arbeiten haben sich vor allem Gurley und Shaw mit der Frage nach den Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Geldpolitik befaßt 15 und damit insbesondere im angelsächsischen Sprachraum eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion ausgelöst. 16 Mit der Einbeziehung der von den Finanzintermediären ausgeübten Vermittlerfunktion in die Analyse von wirtschaftlichen Wachstumsprozessen erweitern die Autoren die bis dato formulierten Wachstumstheorien um den monetären Aspekt, was gleichzeitig auch eine Spezifikation der durch die Chicago-Schule u: a. angeregten Weiterentwicklung der Theorie der Geldnachfrage durch die Einbeziehung finanzieller Vermögenstitel darstellt. 17 Im Kern behandeln diese Arbeiten die These, daß die wachsende Bedeutung der Finanzintermediäre zu einer (ungewollten) Erhöhung der Elastizität 14

Vgl. Goldsmith (1954), (1958). Gurley & Shaw (1955), (1956), (1960); vgl. hierzu auch die parallel publizierte Studie englischer Autoren zum gleichen Thema, die unter dem Namen „Radcliffe-Report" (1959) bekannt wurde. 16 Vgl. z. B. Birnbaum (1957/58); Smith (1959); Aschheim (1961); Patinkin (1961); Tobin & Brainard (1963); Brunner & Meitzer (1963); Lindbeck (1963). 17 Vgl. z. B. Friedman (1956). 15

246

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der Geldnachfrage durch die Schöpfung von „near monies" wie ζ. Β. Krediten führt, die bei unveränderter Geldmenge, aber gestiegener gesamtwirtschaftlicher Liquidität Geld ersetzen. Diese Substitutions- oder Instabilitätshypothese 18 macht somit deutlich, daß durch die Finanzintermediäre die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen beeinträchtigt und eine monetäre Stabilitätspolitik unterlaufen werden könnte. Dies insbesondere dann, wenn die Aktivitäten dieser Institute prozyklisch angelegt sind, also ζ. B. deren Kreditgewährung gerade in Zeiten der Hochkonjunktur intensiviert wird und damit restriktive geldpolitische Maßnahmen konterkariert werden. Anfang der 70er Jahre fand die Instabilitätshypothese auch Eingang in die deutsche geldpolitische Literatur. 1 9 Offensichtlich meinte man, die Ergebnisse aus den USA rasch und eigentlich ungeprüft auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen zu können. Wenig später stellte sich allerdings heraus, daß die Instabilitätshypothese jedoch weder für bestimmte Zeiten monetärer Restriktion noch längerfristig in der deutschen Volkswirtschaft nachgewiesen werden konnte. 2 0 Die Diskussion um die Instabilitätshypothese hatte inzwischen allerdings auch zu der Forderung geführt, den Geltungsbereich des Instrumentariums der Bundesbank explizit auf Finanzintermediäre auszudehnen und sie insbesondere der Mindestreservepflicht zu unterwerfen. Dabei wurde nicht nur für alle in § 1 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes erfaßten Institute eine sogenannte Aktivzuwachsreserve mit einheitlichem Prozentsatz angestreibt, sondern darüber hinaus auch eine Kreditplafondierung durch die Einführung einer Höchstgrenze für den Zuwachs aller erfaßbaren Aktiva. Ein entsprechender Gesetzentwurf fand jedoch keine Befürworter, er wurde nie Gesetz. Das hatte gute Gründe, denn als man sich erst einmal intensiv mit dem Zusammmenhang von Geldpolitik und Anlageverhalten der Versicherer beschäftigte, ist rasch deutlich geworden, daß diese Finanzintermediäre zu einer multiplen Kreditschöpfung nicht fähig sind. I m Gegensatz zu den Geschäftsbanken haben sie keine Verfügungsmöglichkeit über Notenbankgeld, eine Refinanzierungskomponente ist in der Geldordnung durch Rückgriff auf die Notenbank nicht vorgesehen, 21 ebensowenig haben sie — etwa über die Umschichtung von Vermögenswerten im Anlageportefeuille — einen Einfluß auf die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und des weiteren disponieren sie ihre Anlagemittel nicht kurzfristig am Geldmarkt, sondern am Kapitalmarkt. 2 2 Dazu mangelt es ihnen an einer Einlagenpolitik in jeglicher Form, sie kennen auch keine andere Art der Refinanzierung. 18

Vogl& Woll (1973), S. 415. Vgl. ζ. B. Jäger (1968); Ciaassen (1970); Meitzer (1970); Schirmer (1971); Ebel (1971); Glöggler (1972); Pfaffenholz (1972); Dürr (1973); Vogl & Woll (1973); Reitz (1974). 20 Vgl. insbesondere Vogl & Woll (1973); Ebel (1971); Glöggler (1972) sowie auch Schanz (1981). 21 Vgl. Ehrlicher (1981), S. 427 f. 22 Vgl. zusammenfassend Schanz (1981) sowie auch Starke (1976). 19

Geldpolitik und Finanzintermediäre

247

Versicherungsunternehmen erhalten ihre Mittel ausschließlich als Beiträge, häufig auf der Basis langfristiger Verträge, von den Versicherten und betreiben damit gerade im Gegensatz zur Instabilitätshypothese eine Abschöpfungspolitik, die langfristig und kontinuierlich angelegt ist und damit auf eine Stabilitätspolitik nur unterstützend wirken kann. 2 3 Ebensowenig sind relevante Rückstromeffekte denkbar. Schließlich macht auch das gesetzlich reglementierte, stetige Anlageverhalten der Versicherer, insbesondere der Lebensversicherer, größere Umschichtungen der Kapitalanlagen, die eventuell einen Einfluß auf die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes haben könnten, unmöglich. Versicherer machen also weder eine bewußt prozyklische noch eine bewußt antizyklische Anlagepolitik. Sie speisen die Anlagen aus dem laufenden Aufkommen, das sind unverbrauchte Beitragsteile, Kapitalerträge und Kapitalrückflüsse. Völlig losgelöst von geldpolitischen Überlegungen können indessen bestimmte Konjunkturlagen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie preis- und steuerpolitische Einflußfaktoren etwa im Immobilienbereich Entscheidungen auslösen. Insoweit kann die Anlagepolitik durchaus antizyklische Züge annehmen, ohne unmittelbar durch das geldpolitische Instrumentarium beeinflußt zu sein. Versicherer steuern ihre Anlagen nach den jeweiligen Marktchancen unter Berücksichtigung detaillierter gesetzlicher Vorschriften. Dafür steht ihnen eine breite Palette von langfristigen Anlagemöglichkeiten zur Verfügung. In die hauptsächlichen Anlagearten, das sind Grundstücke, Hypotheken, Schuldscheindarlehen und Wertpapiere, sind derzeit 94 % der gesamten Kapitalanlagen investiert. 24 Damit sind hier Spielräume für Einflüsse, die die Geldpolitik der Bundesbank konterkarieren können, nicht zu identifizieren. Der Zeitfaktor — etwa durch Vorkäufe von Anlagen, die allerdings selten sind und nur aus einer technischen Notwendigkeit wegen einer oft zu beobachtenden Marktenge in bescheidenen Volumina vorkommen —, spielt praktisch keine Rolle. Feste Darlehenszusagen bei späterer Valutierung kommen im normalen Geschäft nyr bei Realkrediten vor, wo der Bauherr vor Durchführung seines Bauvorhabens den verständlichen Wunsch haben kann, zunächst die Finanzierung sicherzustellen. Nach alledem war und ist eine Einbeziehung der Versicherungswirtschaft in die Mindestreservepolitik der Bundesbank abzulehnen. Der damalige Entwurf scheiterte freilich nicht nur mangels ausreichender Belege für die Existenz der Instabilitätshypothese, die vorgesehene Regelung hätte auch eine Einschränkung der Autonomie der Bundesbank zur Konsequenz gehabt. 25 Vor allem haben sich jedoch in der Folgezeit (u. a. auch durch den Übergang zu floatenden Wechselkursen) die übrigen Instrumente 23 24 25

Vgl. Schwebler (1975), (1981); Böhme (1976), S. 72-73. Vgl. Tabellen 1 und 2 auf S. 248. Vgl. Schanz (1981), S. 53.

20,3 22,0 23,6 24,8 26,0 27,4 29,3 31,5 33,8 36,0 37,2 39,7

31,0 32,3 33,2 34,1 37,4 43,2 49,9 54,4 60,3 64,5 67,4 70,0

12,6 12,1 11,6 11,0 10,3 9,8 9,3 9,0 8,7 8,4 8,0 7,6

19,2 17,8 16,3 15,1 14,9 15,5 15,8 15,5 15,5 15,1 14,5 13,4

37,2 38,0 38,7 40,9 43,1 43,3 41,9 39,9 39,9 39,9 41,5 42,2

23,6 25,3 27,2 27,3 25,9 25,6 26,8 29,9 30,4 30,9 31,1 30,8

Hypotheken 7,4 6,8 6,2 5,7 5,8 5,8 6,2 5,7 5,5 5,7 4,9 6,0

Schuldscheindarlehen

Quelle: Veröffentlichungen des BAV und Verbandsstatistiken

1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986

Grundstücke 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100

Wertpapiere

(in %)

278,8

161,6 181,8 203,1 226,5

Wertpapiere

315,5 351,2 388,1 427,0 465,3 520,4

251 ,4

Schuldscheindarlehen

60,1 38,1 12,1 69,1 46,1 12,3 78,6 55,3 12,A 92,6 61,9 13,1 108,3 65,0 14,7 120,6 71 ,5 16,1 132,2 84,6 19,5 140,1 104,9 20,3 154,8 117,9 21,3 170,2 131,8 24,5 193,2 144,8 22,7 219,5 160,5 30,7

Hypotheken

Struktur des Vermögensanlagebestandes der Versicherungswirtschaft

1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986

Grundstücke

Übrige

Übrige

Vermögensanlagebestand der Versicherungswirtschaft nach Hauptanlagearten seit 1975 (in Mrd. DM) ohne Bargeldbestand und Bankguthaben

Tabellen 1 und 2

Gesamt

Gesamt

248 Robert Schwebler

249

Geldpolitik und Finanzintermediäre

der Bundesbank als genügend wirksam erwiesen, geldpolitische Zielsetzungen durchzusetzen und somit der Linie treu zu bleiben, die Rolle der Finanzintermediäre pragmatisch und ohne jede dramatische Akzentuierung zu sehen. Nicht zuletzt kann man die damalige Entscheidung der Bundesbank, die Einführung der Mindestreservepflicht für Versicherungsunternehmen nicht weiter zu verfolgen, auch als einen Vorgriff auf die weitere Abschwächung dieses Instrumentes im Maßnahmenkatalog der Bundesbank deuten.

IV. Mögliche Auswirkungen geldpolitischer Maßnahmen auf die Versicherungswirtschaft 1. Wirkungen

der Geldpolitik auf die intervenierenden Kapitalmarkt und Geldvermögensbildung

Einflußgrößen

Im bisherigen Verlauf der Arbeit konnte deutlich gemacht werden, daß die Versicherungswirtschaft nicht dazu in der Lage ist, die Effizienz der Geldpolitik in irgend einer Form zu beeinträchtigen. Aufgrund der weitreichenden Maßnahmen der Geldpolitik stellt sich eher umgekehrt die Frage, inwieweit der Einsatz bestimmter geldpolitischer Instrumentarien direkt oder doch zumindest mittelbar Auswirkungen auf Geschäftspolitik und Anlageverhalten in der Versicherungswirtschaft hat. Das Resultat der im vorigen Punkt geführten Diskussion hat gezeigt, daß hierfür das Instrument Mindestreservepolitik nicht in Frage kommt. Auch wird man davon auszugehen haben, daß die Offenmarktpolitik allein, obgleich in den letzten Jahren deutlich von der Bundesbank forciert, 26 ebenfalls keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Dispositionen der Versicherungswirtschaft hat. Im folgenden stehen deshalb mögliche Einflüsse zinspolitischer Maßnahmen im Vordergrund der Betrachtung. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Zinspolitik der Bundesbank sowohl auf direktem Wege als auch indirekt über andere Wirkungsbereiche, die dem Einfluß des Instrumentariums der Bundesbank unterliegen, Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft hervorrufen kann. Als besonders wichtige intervenierende Einflußgrößen aus der Sicht der Versicherungsbranche sind hier der Kapitalmarkt selbst, auf dem die Versicherer den weitaus größten Teil ihres Vermögens anlegen (siehe Tabellen 1 und 2), sowie die Struktur der Geldvermögensbildung privater Haushalte zu nennen, die in erheblichem Maße sowohl den Zufluß der Mittel (Beiträge der Versicherten) bei den Versicherern als auch die Disposition dieser (Finanzierungs-) Mittel am Kapitalmarkt beeinflussen. 26

Vgl. z. B. Gleske (1986); Duwendag (1982), S. 117-119; Geiger (1982), S. 200-202; Rohde (1985).

250

Robert Schwebler

Von besonderer Bedeutung für den intervenierenden Einfluß des Kapitalmarktes erweist sich auch die von einigen Wissenschaftlern thematisierte Geldmarktabhängigkeit des deutschen Kapitalmarktes. 27 Die führende Rolle des Geldmarktes äußert sich demnach darin, „daß die trendmäßige Entwicklung des Kapitalmarktes hinsichtlich seines Volumens (Emissionen), der Höhe und Struktur seiner Zinsen sowie hinsichtlich der Laufzeiten vornehmlich von der Entwicklung des Geldmarktes abhängt" 28 und damit insbesondere von zinspolitischen Maßnahmen der Bundesbank bestimmt wird. Man verweist in diesem Zusammenhang vor allem auch darauf, daß zu der Begünstigung der Geldmarktabhängigkeit des deutschen Kapitalmarktes hauptsächlich die Vorherrschaft des Rentenmarktes beigetragen hat. Wenngleich sich heute durch die Internationalisierung der Finanzmärkte der Einfluß des Geldmarktes auf den heimischen Kapitalmarkt zunehmend verringert und man nicht mehr so ohne weiteres von einer generellen Geldmarktabhängigkeit des Kapitalmarktes sprechen kann, so haben die zinspolitischen Maßnahmen der Bundesbank nach wie vor erhebliche Signalwirkungen, die über den Geldmarkt das Angebot auf den Kapitalmärkten weiterhin stark beeinflussen. War man in der Vergangenheit noch der Meinung, daß den Zinsen generell ein eher zu großer Einfluß auf Sparentscheidungen beigemessen wird und statt dessen die Erwartungen über die Preisentwicklung sowie die subjektiv wahrgenommene Sicherheit des Einkommens und des Arbeitsplatzes die Entscheidung über Ausmaß und Form des Sparens stärker beeinflussen, so ist diese Annahme aufgrund deutlicher Veränderungen in der Geldvermögensbildung heute nicht mehr haltbar. Vergleicht man die Entwicklung der Geldvermögensbildung der privaten Haushalte in den letzten Jahren (siehe Tabelle 3), so ist nicht zu übersehen, daß einmal zu Lasten der Spareinlagen bei Banken verstärkt in höher rentierliche festverzinsliche Wertpapiere investiert wurde und zum anderen der Anteil der Versicherungswirtschaft ganz allgemein zugenommen hat. Diese Entwicklung ist Ausdruck eines gewachsenen Zinsbewußtseins der Sparer, die eine höher verzinsliche Wertpapieranlage dem „mäßig verzinslichen" Sparkonto vorziehen. Sie ist aber auch sichtbarer Beleg eines gestiegenen Vorsorgebewußtseins der Bevölkerung, das sich vor allem im stetig steigenden Anteil der Lebensversicherung an der privaten Geldvermögensbildung ausdrückt. Allerdings wird häufig bei der Beurteilung der Statistik über die Entwicklung des Geldvermögens der Anteil der Versicherungen nicht differenziert genug betrachtet, was auch für den Ausweis der Deutschen Bundesbank gilt. Denn 27 28

Vgl. u. a. Häuser (1982); von Bargen (1981), S. 58-60. Häuser (1982), S. 309.

Geldpolitik und Finanzintermediäre

251

Tabelle 3: Zusammensetzung der Geldvermögensbildung der privaten Haushalte

Geldvermögensbildung in Milliarden DM

120,3

129,0

124,9

116,5

121,2

127,4

42,5 %

28,6 %

50,2 %

37,3 %

36,9 %

39,9 %

Bausparkassen

5,2 %

4,4 %

3,9 %

4,1 %

0,1 %

-0,8 %

Versicherungen insgesamt

21,2 %

21,5 %

25,4 %

31,1 %

29,1 %

31,8 %

davon Lebensversicherungen

15,2 %

16,5 %

18,6 %

19,2 %

20,2 %

21,1 %

Wertpapieren

20,1 %

35,8 %

13,5 %

17,4 %

22,9 %

19,1 %

betrieblichen Pensionsfonds

11,0 %

9,7 %

7,0 %

10,1 %

11,0 %

10,0 %

1983

1984

1985

davon b e i / i n Banken und Sparkassen

1980

1981

Quelle: Die deutsche Lebensversicherung,

1982

Jahrbuch

1986.

nur der Anteil der Lebensversicherungen stellt eine Bildung von Sparkapital im Sinne einer freiwilligen langfristigen Kapitalakkumulation dar und ist insoweit mit den anderen Sparformen vergleichbar. Natürlich hat die Lebensversicherung ihren Anteil an der privaten Geldvermögensbildung in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessern können. Ihr Gewicht ist jedoch mit rund 21,1 % wesentlich geringer, als man vermuten würde, wenn man die entsprechende Zahl der gesamten Versicherungswirtschaft mit 31,8% anführt. Die Differenz resultiert vor allem aus der Reservenbildung der Schadenversicherer zur Substanzerhaltung und Abdeckung noch nicht abgewickelter Versicherungsfälle sowie aus der Einbeziehung betrieblicher Vorsorgeeinrichtungen in Form von Pensions- und Sterbekassen.

252

Robert Schwebler

Dieser wachsende Anteil an der Geldvermögensbildung in privaten Haushaltungen ist freilich weniger auf die „Zinsausstattung" eines Lebensversicherungsvertrages, die man in einer guten Überschußbeteiligung der Versicherten durchaus sehen könnte, zurückzuführen, als auf den allgemein guten Geschäftsgang der Branche, was einmal auf der Attraktivität der angebotenen Produkte unter Risikodeckungsaspekten und zum anderen auf der Funktion der Lebensversicherung, das gesetzliche Sozialsystem zu entlasten, beruht. Betrachtet man die Entwicklung der Geldvermögensbildung allein in den vergangenen fünf Jahren, so ist es ganz erstaunlich, wie eng die negative Korrelation zwischen dem Sparanteil bei Banken und dem Anteil der privaten Wertpapieranlage an der Geldvermögensbildung bei entsprechenden Schwankungen im Kapitalmarktzinsniveau verläuft. Besonders das Jahr 1981 zeigt, in welchem Umfang der Anteil der Banken an der Geldvermögensbildung inzwischen durch die gewachsene Zinsreagibilität des Sparers beeinflußt wird. Die Lebensversicherungswirtschaft versucht, dieser jüngsten Entwicklung Rechnung zu tragen, indem sie durch eine deutliche Verbesserung der Überschußbeteiligung auch über einen langen Zeitraum hinweg eine vergleichsweise hohe und stabile Rendite anbietet. Natürlich dürfte auch dies mit dazu beigetragen haben, daß ihre Entwicklung weiterhin so positiv verläuft, aber man sollte diese Einflußgröße — wie ausgeführt — nicht überschätzen. Zusammenfassend erscheint es somit nahezu trivial festzuhalten, daß in einem solchermaßen zinssensibel gewordenen Bereich wie der Geldvermögensbildung privater Haushalte zinspolitische Maßnahmen der Bundesbank auf die Absatzchancen von Produkten des Finanz- und Versicherungssektors natürlich etwas Wirkung zeigen, zumal sich ihre Rentabilität quantifizieren läßt.

2. Die Bedeutung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik für Versicherungsnachfrage und -leistung Einer stabilitätsorientierten Geldpolitik kommt also auch und gerade für die Versicherungswirtschaft ein großes Gewicht zu. 2 9 M i t dem Zustrom von Geld in Form der Versicherungsprämien und dem Abfluß von Geld in Form von Versicherungsleistungen nehmen in der Assekuranz monetäre Vorgänge nämlich eine dominierende Rolle ein. Realwirtschaftliche Vorgänge sind dagegen bei aller Bedeutung, die sie auch im Versicherungsbetrieb haben, weniger wichtig. Die Wirkungen der Geldpolitik übertragen sich vor allem über die Entwicklung des Geldwertes auf die Versicherungsnachfrage, die Versicherungs29

Vgl. z. B. Schwebler ( 1975), ( 1981 ); Häuser ( 1975); Kaiwar ( 1981 ); Hagemann ( 1976).

Geldpolitik und Finanzintermediäre

253

leistungen und das Versicherungsangebot. In diesem Zusammenhang sind die Details der Anwendung des geldpolitischen Instrumentariums weniger von Belang als die strategische Konzeption und der Zielerreichungsgrad der Geldpolitik. Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank zielt in den letzten Jahren vor allem darauf ab, durch die Orientierung des Geldmengen Wachstums an der längerfristigen Entwicklung des Produktionspotentials die Stabilität der Währung zu sichern und damit auch eine wichtige Voraussetzung für Beschäftigung und Wachstum zu schaffen. 30 Die jährliche Vorgabe eines Geldmengenziels bewirkt außerdem, daß sich die Erwartungen und Planungshorizonte aller am Wirtschaftsleben Beteiligten verstetigen und von daher den Wirtschaftsablauf stabilisieren. Diese strategische Konzeption ist auch aus Sicht der Assekuranz zu begrüßen. Eine diskretionäre Geldpolitik würde nämlich die Gefahr in sich bergen, daß es auch bei Versicherungsnehmern und Versicherern zu Friktionen und Ungleichgewichten kommt, die bei einer erfolgreichen Verstetigung der Geldpolitik vermieden werden. Eine stetige Geldpolitik wirkt sich über die Stabilisierung der Erwartungen zudem positiv auf die Bereitschaft zur längerfristigen Vorsorge durch Versicherung aus. Ein noch größerer Stellenwert kommt für die Versicherung der Frage zu, in welchem Grad die Geldpolitik insbesondere das Ziel der Geldwertstabilität erreicht. Die über die Geldwertentwicklung vermittelten Auswirkungen der Geldpolitik auf die Versicherungsnachfrage treten in der Lebensversicherung besonders augenfällig zu Tage. Der Einfluß der Geldwertentwicklung auf die Versicherungsleistungen steht dagegen in den Schadenversicherungszweigen im Vordergrund. In allen Versicherungszweigen schließlich tangiert der Stabilitätserfolg der Geldpolitik die grundsätzlichen Bedingungen des Angebots an bzw. der Produktion von Versicherungsschutz. A u f diese Aspekte soll nachfolgend ausführlicher eingegangen werden. Lebensversicherungsschutz wird in der Bundesrepublik Deutschland vor allem zum Zweck der privaten individuellen Altersvorsorge nachgefragt. Die Lebensversicherung ist damit neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung ein integraler Bestandteil des DreiSäulen-Systems der Alterssicherung. Die vorherrschende Form der Lebensversicherung, die gemischte Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall, ist mit einem langfristigen Sparvorgang verbunden. Die Ersparnisbildung, zumal wenn sie langfristigen Charakter hat, ist aber überaus geldwertempfindlich. Tatsächlich ist ein hohes Maß an Geldwertstabilität für das Sparaufkommen in der Lebensversicherung traditionell von noch größerem Gewicht als 30

Vgl. Emminger (1986), S. 440-456.

254

Robert Schwebler

die Höhe der in den Kapitalanlagen erzielten Rendite. Offensichtlich haben Versicherte ein gutes Gespür für die Unterscheidung von Vorsorgen und Versichern einerseits und Sparen andererseits. Dabei hat es in der Vergangenheit nicht an Fehleinschätzungen der Versicherer selbst in der Art gefehlt, daß die Lebensversicherung als eine Art hochrentierlichen Sparvorgangs bewertet wurde, dessen Rentabilität mit der Rendite anderer Formen des Sparens ohne weiteres verglichen werden könnte. Hier hat sich allerdings eine gründliche Korrektur der Einschätzung durchgesetzt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß inflationäre Entwicklungen die Nachfrage nach Lebensversicherungsschutz negativ beeinflussen. 31 Denn Geldentwertung bedeutet auch eine Minderung des Realwerts einer Lebensversicherung. Allerdings ist im Hinblick auf relativ niedrige Inflationsraten zu differenzieren. Durch entsprechende Anpassung der Versicherungssumme (insbesondere in Form der dynamischen Lebensversicherung) und über die Gewinnbeteiligung der Versicherten können leichte Geldentwertungen ausgeglichen werden. Dabei spielt hinsichtlich der Gewinnbeteiligung auch der Umstand eine Rolle, daß eine höhere Geldentwertung über einen höheren Kapitalmarktzins zu einer höheren Rendite neuer Kapitalanlagen der Lebensversicherer führt. Die zuletzt angeführte Relativierung des negativen Einflusses der Geldentwertung auf die Lebensversicherung darf nicht als Verharmlosung der Inflationsgefahr mißverstanden werden. Letztlich können selbst relativ niedrige Inflationsraten zunehmend das Vertrauen in die Geldwertstabilität aushöhlen. Fehlt aber dieses Vertrauen, sind negative Rückwirkungen auf die Bereitschaft zur Altersvorsorge durch langfristige Ersparnisbildung unvermeidlich. Die Folge wäre keineswegs nur eine Verschlechterung des Geschäftsverlaufs der Lebensversicherungsunternehmen. Als wichtiges Kapitalsammelbecken tragen die Lebensversicherer entscheidend zur Bereitstellung der für die Investitionsfinanzierung erforderlichen langfristigen Geldmittel bei. Diese wichtige gesamtwirtschaftliche Funktion könnten die Lebensversicherer zwangsläufig nur noch bedingt erfüllen, wenn im Gefolge der Inflation Beitrags- und Anlagevolumen zurückgehen würden. 32 Unter volkswirtschaftlichen Aspekten ist außerdem zu berücksichtigen, daß angesichts der Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit eine Gewichtsverlagerung auf die individuelle Alters Vorsorge durch Lebensversicherung unerläßlich ist. Eine solche Gewichtsverlagerung ist aber selbstverständlich nur möglich, wenn die Vorsorge durch Lebensversicherung nicht durch die Gefahren der Geldentwertung bedroht ist. 33

31 32 33

Vgl. Nonhoff (1980); Schwebler (1981); Lehnhardt-Ritter (1983). Vgl. Schwebler (1985). Vgl. Leibfritz u. a. (1986).

Geldpolitik und Finanzintermediäre

255

Gerade auch für die Lebensversicherer ist also eine Geldpolitik von größter Bedeutung, die mit Erfolg den Geldwert zu sichern vermag. In der Bundesrepublik Deutschland konnte die Bundesbank die Geldentwertung bislang weitgehend so niedrig halten, daß keine dauerhaft negativen Einflüsse auf die Lebensversicherungsnachfrage in Erscheinung getreten sind. Die wachsende Nachfrage nach Kapitallebensversicherungen und der damit steigende Anteil der Lebensversicherung an der langfristigen Geldvermögensbildung der privaten Haushalte, die in der Bundesrepublik in der Vergangenheit zu verzeichnen waren, wären sonst nicht möglich gewesen. Neben dem Zielerreichungsgrad bei der Geldwertstabilität sind im Prinzip auch andere Aspekte der Geldpolitik für die Nachfrage nach Lebensversicherungsschutz von Bedeutung. Hier ist insbesondere an die bereits angesprochene Zinspolitik der Notenbank zu denken. Die Lebensversicherung steht grundsätzlich in einer gewissen Konkurrenzbeziehung zu anderen Formen der privaten Geldanlage. Sofern sich aufgrund zinspolitischer Maßnahmen der Notenbank das Zinsniveau bestimmter Anlagearten ändert, können Rückwirkungen auf die Lebensversicherungsnachfrage nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Aufgrund des langfristigen Charakters der Lebensversicherung bleiben solche Anpassungsreaktionen vorwiegend auf das Neugeschäft beschränkt. Die beträchtliche und sichere Rendite der Lebensversicherung und ihre primäre Funktion für die Alters- und Hinterbliebenenvorsorge tun ein Übriges, um — wie auch empirische Untersuchungen zeigen — die kurzfristige Zinsreagibilität der Lebensversicherungsnachfrage in engen Grenzen zu halten. 34 Während in der Lebensversicherung primär die Nachfrage von der Geldpolitik tangiert ist, kommen in den Schadenversicherungszweigen die Veränderungen des Geldwertes zunächst vor allem bei den Versicherungsleistungen zum Tragen. Im Gegensatz zur Lebensversicherung, die nominal festgesetzte Summen zu erbringen hat, müssen in der Schadensversicherung im Versicherungsfall in der Regel reale Schäden ausgeglichen werden, welche zu laufenden Preisen zu vergüten sind. Die Risikotragungsfunktion des Schadenversicherers ist in erster Linie auf die Restitution eines Zustandes gerichtet, der einen finanziellen Aufwand erfordert, welcher mit der Preisentwicklung zwangsläufig korrespondiert. Eine eventuelle Teuerung betrifft die Schadenversicherer also ganz direkt. Dabei werfen auch sehr niedrige Geldentwertungsraten bereits erhebliche Probleme auf, da auch sie bereits zu einem beträchtlichen Anstieg der Schadenbelastung führen können. Für den Versicherer stellt sich die Frage, wie er bei zumindest kurzfristig gegebenen Beitragssätzen mit inflationär aufgeblähten Schadenaufwendungen fertig werden kann. Dabei kommt noch hinzu, daß inflationäre Preissteigerungen durchweg auch die Betriebskosten des Versicherers in die Höhe treiben. Aber 34

Vgl. GDV (1983).

256

Robert Schwebler

auch die Versicherten sind unmittelbar betroffen, da inflationäre Entwicklungen zur Unterversicherung führen können, die den realen Versicherungsschutz beeinträchtigt und einen unvollständigen Schadenausgleich im Versicherungsfall zur Folge hat. 3 5 Als Folge eines inflationsbedingten Anpassungsbedarfs können Prämienerhöhungen unvermeidbar werden, um das Gleichgewicht zwischen Versicherungsbeiträgen und Schadenaufwendungen wieder herzustellen. Auch werden die Versicherten durch die Anpassung ihrer Verträge vor der erwähnten Gefahr der Unterversicherung bewahrt. In diesem Zusammenhang haben sich die in der Versicherungswirtschaft üblichen Anpassungsklauseln bewährt. Letztere sind nicht nur kostengünstiger als häufige Neuabschlüsse von Versicherungsverträgen, sondern garantieren auch die rasche Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Außerdem wirken Beitrags- und Summenanpassungen nicht selbst inflationär, sondern kompensieren lediglich die negativen Folgen von Preisniveausteigerungen hinsichtlich des Versicherungsschutzes. Freilich spielt neben der Geldwertstabilität auch hier der Zins eine erhebliche Rolle. Denn die Höhe der Verzinsung eines Anlageportefeuilles bestimmt in entscheidendem Maße die gesamte Ertragslage der Versicherungsunternehmung, sie ist damit neben dem Risikoverlauf, der das „technische Ergebnis" bestimmt, für die Höhe der „nichttechnischen Gewinne" insbesondere in der Schadenversicherung und in der Rückversicherung maßgebend. Damit kommt der Höhe des Kapitalmarktzinses erhebliches Gewicht für die Fähigkeit der VersicherungsWirtschaft zu, technische Verluste durch Vermögenserträge auszugleichen, langfristige Substanzerhaltung zu betreiben, Reserven zu bilden für die „long-term"-Geschäfte und die zwangsläufig unterschiedlichen Fristigkeiten zwischen dem Eingang der Beiträge und dem Eintreten für Schadenfälle zu bewältigen. 36 Wenn also in Phasen höherer Geldentwertung auch die Zinserträge steigen, trägt dies zur Bewältigung des inflationsbedingten Schadenanstiegs bei. Trotz gewisser Möglichkeiten der Versicherungsunternehmen, sich an inflationsbedingte Probleme anzupassen, bleiben generell negative Auswirkungen auf das Angebot bzw. die Produktion von Versicherungsschutz bestehen. Das Wesen der Produktion von Versicherungsschutz, also der Angebotsseite der Versicherung, ist die Übernahme des sogenannten versicherungstechnischen Risikos durch den Versicherer. Dieses versicherungstechnische Risiko resultiert insbesondere daraus, daß zum Zeitpunkt der Prämienfestsetzung die Kosten der Versicherungsproduktion (Schaden- und Betriebskosten) indeterminiert sind und deswegen geschätzt werden müssen. 35 36

Vgl. Haller (1970); Wegmüller (1972); Lipperheide (1973). Vgl. Jannot (1986).

Geldpolitik und Finanzintermediäre

257

Je größer dieses versicherungstechnische Risiko ist, desto schwieriger wird die Produktion von Versicherungsschutz. Letztlich können gewisse Risiken dadurch sogar unversicherbar werden. 37 Fehlender Versicherungsschutz hat aber für die dann ungeschützten Haushalte und Unternehmen ebenso wie für Stabilität und Wachstum der Volkswirtschaft als Ganzes schwerwiegende Nachteile zur Folge. 38 Eine wesentliche Komponente des versicherungstechnischen Risikos stellt aber die monetäre Entwicklung dar. Dementsprechend bedeutet die erfolgreiche Stabilisierung des Geldwertes auch eine entsprechende Verringerung bzw. Beseitigung des monetären Änderungsrisikos. Eine erfolgreiche Stabilisierung des Geldwertes durch die Notenbank berührt also unmittelbar die Angebots- und Produktionsbedingungen von Versicherungsschutz.

3. Der Einfluß geldpolitischer Maßnahmen auf das Kapitalanlageverhalten der Versicherer Die Kapitalanlagen der Versicherer dienen der Überbrückung des Zeitraumes zwischen Beitragszahlung und Versicherungsleistung und insoweit der Bedeckung der Verpflichtungen aus dem Risikogeschäft. Darüber hinaus speisen sie die Überschußbeteiligung in der Lebensversicherung. Die Kapitalanlagen unterscheiden sich damit grundsätzlich von den Investitionen anderer Wirtschaftszweige. Deswegen unterliegen die Kapitalanlagen der Versicherungswirtschaft auch eigenen Dispositionsbedingungen, die zum Teil in Anlagevorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes kodifiziert sind. Damit wird ein fundamentaler Unterschied zu den Investitionen und der Kreditvergabe im Bankensektor deutlich. I m übrigen gibt es zwischen Kreditpolitik der Banken und Anlagepolitik der Versicherer trotz der Operationen in weitgehend den gleichen Märkten sowohl Verbindendes als auch Trennendes. Aber die gesetzlich verankerten Anlagegrundsätze Sicherheit, Rentabilität, Mischung und Streuung der Anlagen sowie die Zulassung nur ganz bestimmter Anlageformen für den sogenannten Deckungsstock beschneiden den Aktionsspielraum der Versicherer recht erheblich. So limitieren sie gewiß Renditespitzen, sie vermeiden freilich auch Verluste aus Kapitalanlagen sehr weitgehend. Nun ist die Anlagepolitik der Versicherer nicht weniger zins- d. h. ertragsorientiert als die anderer Investoren. Ein fundamentaler Unterschied liegt freilich darin, daß die Versicherungswirtschaft ihre Mittel nahezu vollständig in lang- und mittelfristige Titel investiert. Sie ist also prinzipiell nicht am kurzfristigen Geldmarkt präsent, der primär Gegenstand der Geldpolitik der 37 38

Vgl. Albrecht (1987). Vgl. Lampert (1982).

17 Kredit und Kapital, Beiheft 10

258

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Notenbank ist. Dies gilt für die gesamte Branche, wenngleich ein etwas abweichender Liquiditätsbedarf für die verschiedenen Versicherungszweige auch zu einer unterschiedlichen Dotierung der Anlagekategorien führt. Dies hat allerdings keinen so gravierenden Einfluß auf die Struktur der Vermögensanlagen wie man meinen möchte. In der Schaden- wie in der Lebensversicherung sind es gleichermaßen langfristige oder zumindest mittelfristige Ausleihungen und Investitionen. Der höhere Liquiditätsbedarf in der Schadenversicherung führt dort zu einer gewissen Bevorzugung der Rentenpapiere bei einem geringeren Gewicht des Realkreditgeschäfts. Gleiches gilt für die Rückversicherung und die Krankenversicherung (vgl. hierzu Tabelle 4). Damit sind freilich die signifikanteren Unterschiede schon angeführt. Die Versicherer investieren die Mittel stets unter Berücksichtigung der Anlagegrundsätze des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Sichere Anlagen, bei denen eine möglichst hohe Rendite bei geringen außerordentlichen Abschreibungsgefahren anzunehmen ist, werden bevorzugt. Dabei wird auch auf eine Erfüllung des Grundsatzes der Mischung und Streuung geachtet, d. h. Verdichtungen auf zu wenige Anlageformen bei unzureichender Mischung der Schuldneradressen nach Wirtschaftszweigen und nach Regionen werden vermieden. Das bedeutet natürlich auch die Eingrenzung von Risiken, die durch eine „Optimierung" des Portefeuilles allein unter Rentabilitätsaspekten unvermeidlich wären. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Geldpolitik in ihrem unbestreitbaren Einfluß auf die Zinshöhe durchaus die Anlageentscheidungen der Versicherer zu beeinflussen vermag, daß aber die gleichgewichtigen Anlagegrundsätze auf eine ausgewogene Struktur der Anlagen achten lassen. Die Ertragskraft des Anlageportefeuilles hat keine Priorität etwa vor der Sicherheit der Anlagen. Einen noch höheren Rang als die Zinshöhe hat in der Einschätzung der Versicherungswirtschaft das Maß der Geldwertstabilität, denn sie verschafft dem Portefeuille des Versicherers nicht nur eine real höhere Ertragskraft, sie erweitert auch die Spielräume im Versicherungsgeschäft. Durch behördlichen Interventionismus ist freilich dafür gesorgt, daß trotz hoher Preisstabilität in Teilbereichen der Schadenversicherung die Vermögenserträge durch die Begrenzung von Tarifanhebungen limiert sind und häufig eben gerade noch zum Ausgleich der versicherungstechnischen Verluste einer Zeitperiode ausreichen.

17*

7,044

3,914

318,350

0,747

2,2

100,0

0,2

-

100,0

0,157

28,220

1,9

0,259

48,5

0,1

70,194

4,5

Mrd DM

0,5

38,591

1,5

0,2

9,421

0,3

43,6

100,0

0,567

X

Rück-VU

7,1

0,071

22,9

16,822

38,1

0,109

2,759

8,842

2,6

42,4

100,0

1,821

3,5

8,4

X

Schaden- u.

26,719

0,321

29,786

0,9 0,6

5,893

Mrd DM

2,424

3,171

36,9

13,692

3,9

7,8

0,058

0,395 1,4

-

10,402

36,6

1,102

2,213

0,754 1,2

0,0

42,9

23,834

10,7

6,7

Pensions- u. Ktanken-VU Unfall VU Mrd DM % Mrd DM X

100,0

1,235

0,4

0,021

65,085

1,426

1,2

27,933

45,8

6,955

4,354

Quelle: Statistiken des Gesamtverbandes.

Insgesamt

Festgelder

Schuldbuchforderungen

Beteiligungen

Policendarlehen

23,7

75,530

Wertpapiere

18,7

145,879

59,376

Hypotheken

7,7

Lebens-VU Sterbekassen Mrd DM %

Schuldscheine

24,434

Grundbesitz

Kapitalanlagen Bestand 31.12.1986

Tabelle 4

24,4

Geldpolitik und Finanzintermediäre 259

260

Robert Schwebler

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Der Einfluß von Finanzinnovationen auf die Effizienz der Geldangebotskontrolle und des geldpolitischen Instrumentariums Von Hans-Hermann Francke, Hamburg

I. Zur Problemstellung Ursachen und Wirkungen von Finanzinnovationen gehörten in den vergangenen Jahren zu den dominierenden Problemstellungen der geldpolitischen Diskussion. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand dabei die Frage nach möglichen Strukturveränderungen im finanziellen Sektor sowie deren Konsequenzen für die Auswahl geeigneter geldpolitischer Zwischenzielvariablen. Insbesondere wurde kontrovers diskutiert, ob aufgrund von Finanzinnovationen die seit längerem vorherrschenden Geldmengenstrategien der wichtigsten Notenbanken modifiziert oder gar zugunsten einer Zinsorientierung aufgegeben werden sollten. 1 Argumentationsbasis waren vor allem Veränderungen bzw. Probleme der Geldnachfrage, deren Meßbarkeit und Bestimmungsgründe wegen der zahlreichen Finanzinnovationen unsicher geworden sind. 2 Vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit ist dagegen der Frage gewidmet worden, welche Konsequenzen Finanzinnovationen für die Kontrolle des Geldangebotsprozesses haben könnten und ob Art und Einsatz des geldpolitischen Instrumentariums geändert werden müßten. 3 Mit diesen Problemstellungen beschäftigen sich die folgenden Ausführungen. Diese sind in drei Teile gegliedert. Zunächst werden wichtige Ursachen, Konstruktionsmerkmale und Erscheinungsformen von Finanzinnovationen dargestellt und den Bestimmungsgründen des Geldangebotsprozesses zugeordnet. Sodann werden grundsätzliche Kontrollprobleme des durch Finanzinnovationen in seiner Steuerbarkeit eingeschränkten Geldangebotsprozesses diskutiert. Schließlich werden daraus einige Konsequenzen für die Wahl und den Einsatz des geldpolitischen Instrumentariums gezogen.

1 2 3

Vgl. u. a. Tobin 1983; Ketterer/Kloten 1985,1 u. 2; Pierce 1983; Francke 1985 u. 1986. Vgl. Akhtar 1983; Gramley 1982. Ausnahmen sind z. B. Cagan 1979; Akhtar 1983.

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Hans-Hermann Francke

II. Finanzinnovationen und Geldangebotsprozeß 1. Ursachen, Konstruktionsmerkmale und Erscheinungsformen von Finanzinnovationen a) Finanzinnovationen, d. h. neue Transaktions-, Verschuldungs- und Anlageformen auf finanziellen Märkten, sind seit Beginn der 80er Jahre in zunehmendem Maße aufgetreten. Dabei sind nicht nur einzelne nationale Märkte im Zuge staatlicher Deregulierungspolitik — wie etwa in den USA — von der „Innovationswelle" erfaßt worden, sondern ebenso — und in besonders verwirrender Vielfalt — die durch gesetzliche Vorschriften kaum regulierten internationalen Off-shore-Finanzmärkte. Infolgedessen ist auch die häufiger geäußerte Diagnose, daß Finanzinnovationen vor allem als Reaktion auf staatliche Regulierungen der Finanzmärkte begriffen werden müßten, als zu eng zurückzuweisen. Zutreffender erscheint es statt dessen, Finanzinnovationen als das Ergebnis der Bemühungen von Finanzmarktakteuren zu begreifen, effizientere Produkt- und Vertragsgestaltungen durchzusetzen, die gegenüber herkömmlichen ökonomische Vorteile aufweisen. 4 In diesem allgemeinen Sinne weisen daher Finanzinnovationen gegenüber Innovationen auf anderen Märkten keine spezifischen Ursachen auf. Indes, erklärungsbedürftig bleibt der Tatbestand, daß das Tempo des Innovationsprozesses auf den Finanzmärkten in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen hat. Hier ist auf eine Reihe spezifischer Ursachenkomponenten hinzuweisen, die als nachfrage- und angebotsseitig systematisiert werden können. Geht man davon aus, daß die Funktion von Finanzmärkten in der Allokation und Distribution finanzieller Risiken besteht, dann können Innovationen einerseits als Reaktionen auf die Nachfrage der Finanzmarktakteure gedeutet werden, Risiken marktgerechter zu bewerten und anzulasten. Da in den vergangenen Jahren bestimmte Risiken auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten zugenommen haben, fehlallokiert und nicht mehr marktgerecht angelastet wurden, ist ein entsprechender Nachfragedruck entstanden. Hier ist insbesondere auf Liquiditätsrisiken aufgrund weltweit restriktiver Geldpolitiken der wichtigen Notenbanken, auf Wechselkurs- und Zinsänderungsrisiken aufgrund exogener Störimpulse sowie auf Bonitätsrisiken im Zusammenhang mit der internationalen Schuldenkrise hinzuweisen.5 Angebotsseitig entwickelten sich gleichzeitig die Voraussetzungen, die es den institutionellen Trägern, den Finanzintermediären, gestatteten, dem Nachfragedruck nach innovativen Produkten auf den Finanzmärkten nachzukommen. Hier sind drei Entwicklungstrends hervorzuheben, die das zu4 5

Vgl. Francke 1986, 1. Vgl. Francke 1986, 1.

Der Einfluß von Finanzinnovationen

265

nehmende Tempo der Einführung von Finanzinnovationen in den vergangenen Jahren erklären: technologische Fortschritte, die die Transaktions- und Informationskosten durch umfassende Computerisierung gesenkt haben, der Abbau von Marktunvollkommenheiten durch Deregulierungen (vor allem in den USA) und Internationalisierungen sowie eine Intensivierung des Wettbewerbs. 6 b) Bemerkenswert sind die Konstruktionsmerkmale, die für die Mehrzahl der gegenwärtig zu beobachtenden Finanzinnovationen kennzeichnend sind. Sie sind durch die Begriffe Zerlegung („stripping" und „unbundling") sowie Neukomposition („repacking") geprägt. Danach werden die in traditionellen Finanztransaktionen bzw. -Verträgen zusammengefügten Einzelrisiken und Ertragselemente zunächst zerlegt und dann jedes für sich oder in neuer „Bündelung" veräußert. So wird z. B. aus herkömmlichen Festzinskrediten ein begrenztes Zinsänderungsrisiko isoliert und an einen Interessenten veräußert, oder es werden bei Fremdwährungskrediten Optionsmöglichkeiten für Schuldner oder Gläubiger geschaffen, die es diesen gestatten, bei veränderten Wechselkursprognosen ihre Verbindlichkeiten bzw. Forderungen innerhalb festgelegter Zeiträume in anderen Währungen zu erfüllen. 7 Ebenso kann die Zinszahlung für transaktionsfähige Depositen als „repacking" der Vertragselemente von traditionellen Bankverbindlichkeiten begriffen werden. Da eine umfängliche Zerlegung der Risiko- und Ertragselemente traditioneller Finanzverträge eine Vielzahl neuer Kombinationsmöglichkeiten eröffnet, ist die Menge der so konstruierbaren Finanzinnovationen groß, so daß ein Ende des gegenwärtigen Innovationsprozesses noch nicht absehbar ist. A u f jeden Fall wird dadurch die Effizienz der finanziellen Märkte vergrößert, weil Anbieter und Nachfrager finanzieller Dienstleistungen ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechende Verträge abschließen können und Kosten für unerwünschte Risiko- und Ertragselemente, die partiell in unerwünschten traditionellen „Finanzvertragsbündeln" enthalten waren, nun entfallen. c) Trotz der inzwischen verwirrenden Vielfalt von Finanzinnovationen können drei typische Erscheinungsformen systematisiert werden: Typ A:

6

Neue „near moneys", also transaktionsgeeignete monetäre Aktiva, für die Marktzinssätze gezahlt werden, 8

Vgl. Bank for International Settlements 1986. Zur Konstruktion von Finanzinnovationen vgl. Dufey 1986. Eine Übersicht über die an den Euro-Finanzmärkten wichtigen Finanzinnovationen geben Ribe/Schneider 1985. 8 Als Beispiele sind vor allem die in den USA entwickelten neuen Depositenformen und transaktionsfähigen Geldmarktpapiere anzuführen. Vgl. u.a. Francke 1985. 7

266

Hans-Hermann Francke

Typ B:

Aktiva, für deren Substitution geringere Transaktionskosten anfallen, 9

Typ C:

Aktiva bzw. Passiva, durch die Risikoprämien von Schuldnern und/oder Gläubigern gesenkt werden. 10

Während Innovationen des Typs A auf die Liquidisierung von Aktiva sowie die Ökonomisierung der Kassenhaltung gerichtet sind, zielen diejenigen des Typs Β und C auf die marktgerechtere Anlastung von Zinsänderungs-, Wechselkurs- und Bonitätsrisiken. Für die Effizienz und Funktionsfähigkeit der finanziellen Märkte sind dabei drei Merkmale hervorzuheben: Erstens ist die Abwicklung einer gegebenen Menge an Transaktionsbedürfnissen mit einem geringeren Bestand an Basisgeld möglich, zweitens ist die Übernahme einer insgesamt gegebenen Menge an Risiken mit geringeren Kosten verbunden bzw. ermöglicht sie größere Erträge und drittens wird ein größerer Anteil des insgesamt vorhandenen Transaktionsvolumens außerhalb bzw. ohne Mitwirkung traditioneller Finanzintermediäre abgewickelt, d. h. von privaten Nichtbanken durchgeführt.

2. Konsequenzen für den Geldangebotsprozeß a) Bildet man den Geldangebotsprozeß mit Hilfe des Geldschöpfungsmultiplikators ab, dann lassen sich als Konsequenzen der Finanzinnovationen folgende Veränderungen vermuten, die zu Problemen der Geldmengenkontrolle durch die Zentralbanken führen könnten: erstens könnte der Multiplikator größer und instabiler werden; zweitens könnte die Kontrollierbarkeit des Multiplikanden Geldbasis eingeschränkt werden. Beide denkbaren Effekte zusammengenommen würden dann das Geldangebot zum eingangs zitierten „loose cargo" machen; denn eine schwerer kontrollierbare Geldbasis produziert im Zusammenwirken mit einem relativ großen instabilen Multiplikator unvorhersehbare intensive Schwankungen des Geldangebots. b) Die vermuteten Veränderungen des Multiplikators gründen sich auf drei mögliche Wirkungen der Finanzinnovationen. 11 Zum einen wird die Einführung neuer Depositenformen, die gar nicht oder nur in geringem Maße bzw. mit geringeren Sätzen der Reservepflicht unterliegen, zu einem Absinken der Pflichtreserven von Kreditinstituten führen. Dies wird um so mehr der Fall sein, wie die neuen Depositenformen von den Einlegern genutzt werden und je weniger es gleichzeitig den Notenbanken gelingt, diese neuen Depositenformen problemgerecht in die Mindestreserveverpflichtungen ein9» io p ü r Typ g u n c j Q gilt, daß häufiger Mischformen anzutreffen sind. Als Beispiel sei auf die unterschiedlichen „swap"-Instrumente hingewiesen. Ausführliche Darstellungen finden sich im Report der Bank for International Settlements 1986. 11

Vgl. Akhtar 1983, S. 31 f.

Der Einfluß von Finanzinnovationen

267

zubeziehen. Zum anderen wird auch die freiwillige Reservehaltung der Kreditinstitute zurückgehen, wenn auf dem Wege des „unbundling" bestimmte Risiken an Dritte übertragen werden können. Schließlich sind die neuen Transaktions- und Depositenformen geeignet, die Bargeldnachfrage der Nichtbanken einzuschränken. Alle drei Wirkungen würden den Nenner des Geldschöpfungsmultiplikators verringern, d. h. den Multiplikator vergrößern. Die gleichzeitige Instabilität des Multiplikators wird auf zu erwartende häufige Umschichtungen zwischen den neuen Depositenformen durch die Einleger zurückgeführt. Da das Muster derartiger Substitutionsprozesse außerdem solange unbekannt bleiben muß, wie laufend neue Anlageformen entwickelt werden, fehlt es außerdem an der für Prognosen notwendigen empirischen Basis. c) Die aufgrund von Finanzinnovationen vermutete Einschränkung der Kontrollierbarkeit der Geldbasis durch die Notenbanken wird vor allem durch die Internationalisierung des Geldangebotsprozesses sowie die damit einhergehende Währungssubstitution begründet. Zwar wird dadurch die Weltgeldbasis nicht verändert, doch können bei der Steuerung der Geldbasen einzelner Währungsgebiete erhebliche Probleme entstehen. Diese werden dadurch verstärkt, daß potente Nichtbanken und Finanzintermediäre, die keine Kreditinstitute sind, in zunehmendem Umfang an dem durch Finanzinnovationen veränderten Geldangebotsprozeß beteiligt sind. Während Kreditinstitute traditionell in relativ engerer Beziehung zu den Notenbanken stehen, gilt dies für die anderen — in besonderem Maße international disponierenden — Finanzmarktakteure nicht, so daß diese weder durch geldpolitische Maßnahmen noch Eingriffe der Bankenaufsicht unmittelbar betroffen sind.

I I I . Zur Kontrollierbarkeit des Geldangebotsprozesses 1. Mindestreserveprobleme a) Das aufgrund von Finanzinnovationen auftretende Problem eines größer werdenden, instabilen Geldangebotsmultiplikators erfordert, wenn die Kontrollierbarkeit des Geldangebotsprozesses bewahrt werden soll, möglicherweise eine grundsätzliche Neuorientierung der Mindestreservepolitik. Zu dieser These kommt man, wenn die alternativen Ausgestaltungen der Mindestreservepolitik kritisch eingeschätzt werden. Diese bestehen im wesentlichen darin, entweder das gegenwärtige Mindestreservesystem im Kern beizubehalten und dann auf innovative Depositenformen umfassend auszudehnen oder in einem Verzicht auf herkömmliche Mindestreservevorschrif-

268

Hans-Hermann Francke

ten, sei es durch ersatzlose Abschaffung oder durch Einführung neuer Instrumente zur Kontrolle der Reservehaltung von Finanzintermediären. Die Fragwürdigkeit des geltenden Mindestreservesystems ist in den vergangenen Jahren zunehmend deutlich geworden und hat — nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland — bereits zu ersten Reaktionen in Richtung auf eine Einschränkung der Mindestreserveregelung geführt. 12 Während die Bundesbank früher durch häufige Änderungen der umfänglich differenzierten Mindestreservevorschriften Einfluß auf die Reservehaltung genommen hatte, wurden die Reservesätze — nachdem sie seit Oktober 1982 konstant gehalten worden waren — im Dezember 1985 drastisch gesenkt und vereinheitlicht. Die Bundesbank kommentierte diesen Beschluß ausdrücklich mit dem Hinweis auf die neueren Entwicklungen an den internationalen und heimischen Finanzmärkten, denen durch eine geeignete Anpassung der Mindestreserve-Regelungen Rechnung getragen werden sollte, um die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Finanzplätze zu stärken. 13 Hintergrund dieser grundsätzlichen Veränderung in der Einschätzung der Eignung des Mindestreserveinstrumentariums war die Erfahrung, daß mindestreservepolitische Eingriffe in immer stärkerem Umfang zu Ausweichreaktionen der betroffenen Kreditinstitute auf die unregulierten Off-shore-Finanzmärkte führten. Diese „Umlenkeffekte" 14 hatten eine Konterkarierung der intendierten Wirkungen der Mindestreservepolitik auf den heimischen Geld- und Finanzmärkten zur Folge und förderten die Einführung von Finanzinnovationen als Gegenreaktion der Betroffenen, um sich dem unerwünschten Einfluß der Geldpolitik zu entziehen. 15 Insofern scheint sich die Bundesbank zugunsten der Alternative Rückführung der Bedeutung der Mindestreservepolitik entschieden zu haben. b) Allerdings existieren — nicht nur in der akademischen Auseinandersetzung mit diesem Problem — auch gegenteilige Vorschläge, die auf eine umfängliche Ausdehnung des mindestreservepolitischen Instrumentariums hinauslaufen, um auch innovative Depositenformen in die bestehende Mindestreservepflicht einzubeziehen. Derartige Bestrebungen sind insbesondere in den USA zu beobachten, wo inzwischen anstelle der herkömmlichen zeitverzögerten zu einer laufenden Mindestreservepflicht übergegangen wurde. 16 12

Vgl. auch Issing 1986. Deutsche Bundesbank (1986), Monatsbericht für den Januar 1986. 14 Issing 1986. 15 Begreift man die Euro-Geld- und Kapitalmärkte wegen ihrer engen Verflechtung mit dem inländischen Finanzierungssystem als diesem unmittelbar zugehörig, dann ist auch die These zurückzuweisen, daß es im deutschen Finanzierungssystem bisher relativ wenig Finanzinnovationen gegeben habe. Vgl. zu den damit verbundenen Problemen Francke 1987. 16 Vgl. dazu u. a. Coates, W. L. jr., 1976. 13

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Gegen eine Ausdehnung des mindestreservepolitischen Instrumentariums sind jedoch erhebliche Einwendungen vorzutragen. Zunächst ist daraufhinzuweisen, daß die Einbeziehung innovativer Depositenformen immer nur ein nachträgliches Reagieren auf bereits erfolgte Entwicklungen auf den Finanzmärkten bedeutet. Dies gilt jedenfalls solange der Innovationsprozeß noch weiter anhält. Dadurch werden zwei unerwünschte Effekte ausgelöst. Zum einen werden damit immer neue Schocks auf den Geldangebotsprozeß ausgelöst, die die Prognose des Multiplikators weiter erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Zum anderen wird der Innovationsprozeß dadurch beschleunigt, weil sich die von den neuen Depositenformen betroffenen Finanzintermediäre um die erneute Einführung von Innovationen bemühen werden, um der Mindestreservepflicht doch noch zu entgehen. Dabei kann es dazu kommen, daß immer mehr Finanzmarktaktivitäten in die Grauzonen des Nichtbankenbereichs und der Off-shore-Märkte abwandern, die dem kontrollierenden Einfluß der Notenbanken unmittelbar verschlossen bleiben müssen. Begreift man als eine wesentliche Funktion der Notenbanken auch die des „lenders of last resort", dann müssen derartige Abwanderungen als gefährlich erscheinen, weil diese Sicherheitsfunktion von den Notenbanken nur im Zusammenwirken mit einem institutionell abgegrenzten System von Geschäftsbanken ausgeübt werden kann. Für das Finanzierungssystem der Bundesrepublik Deutschland gilt daher — wie für andere kleinere offene Volkswirtschaften auch —, daß geldpolitische Regulierungen solange ineffizient bleiben müssen, wie den davon betroffenen Instituten die Möglichkeit offensteht, auf die Off-shore-Märkte auszuweichen. Eben dies war ja der wesentliche Grund für die Einschränkung der Mindestreservepflicht in der Bundesrepublik, mit der sich die Bundesbank sicherlich auf dem richtigen Wege befindet. c) Damit stellt sich schließlich die Frage nach grundsätzlichen Alternativen zum bisherigen mindestreservepolitischen Instrumentarium. Zwei Extreme mögen kurz angesprochen werden. Denkbar wäre einerseits eine völlige Abschaffung der Mindestreservepflicht und/oder eine Verzinsung der Notenbankreserven der Kreditinstitute. Der Vorschlag einer völligen Abschaffung der Mindestreservepflicht 17 erscheint dabei insofern überzeugend, als davon auszugehen ist, daß die Geschäftsbanken, auch ohne dazu verpflichtet zu sein, Notenbankreserven nachfragen werden; denn solange Geschäftsbanken damit rechnen müssen, daß sie Zahlungen in Form von Notenbankguthaben leisten müssen, sei es z. B. zur Befriedigung der Bargeldnachfrage von Nichtbanken oder im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, werden sie auch Zentralbankgeldreserven unterhalten müssen. Im Gegensatz zu der häufiger geäußerten Vermu17

Vgl. dazu u. a. und neben vielen Pierce 1984, Issing 1986.

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tung, daß die Effizienz der übrigen Notenbankinstrumente, insbesondere der Zins- und Offenmarktpolitik, dann abnehmen würde, ist eher anzunehmen, daß deren Wirksamkeit vergrößert würde. In bezug auf die Zinspolitik gilt, daß der bisher bestehende Zinskorridor zwischen dem heimischen Markt und den Off-shore-Finanzmärkten schmaler werden könnte, so daß der Einfluß der Bundesbank auf den Euromarkt mittelbar stärker würde. Für die Offenmarktpolitik wäre insofern eine Verbesserung der Effizienz zu vermuten, als relativ geringere Volumen von Offenmarktoperationen ausreichen würden, um bestimmte Anpassungen des Geld- und Kreditangebots auszulösen, weil die sonst durch die Mindestreservepflicht auftretenden Aufzehrungen von Überschußreserven wegfallen würden. Mehr Skepsis dagegen erscheint gegenüber dem Vorschlag einer (variablen) Verzinsung von Notenbankreserven angebracht. Zwar ist es unmittelbar einleuchtend, daß die Notenbank damit ein zusätzliches Instrument der Reservekontrolle erhielte, doch sollte dessen Effizienz nicht überschätzt werden. So ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ein derartiges Instrument im wesentlichen bereits in Form der Geldmarktaktivitäten der Notenbank vorhanden ist, jedenfalls insoweit, als dabei jederzeit zur Rückgabe geeignete Titel gehandelt werden. Neu wäre ein derartiges Instrument also nur, wenn es sich um die Verzinsung von Pflichtreserven handeln würde. Die Nutzung eines solchen Instrumentes könnte jedoch durchaus zu „Flaschengeisteffekten" für die Notenbank führen; denn ein effizienter Einsatz dieses Instrumentes würde die Lösung zusätzlicher Informationsprobleme über das Angebotsverhalten der Geschäftsbanken voraussetzen, das gerade während der gegenwärtigen Innovationsphase ausgesprochen unübersichtlich erscheint.

2. Probleme der Geldbasiskontrolle a) Die bisherigen Überlegungen zu den durch Finanzinnovationen aufgeworfenen Kontrollproblemen des Geldangebotsprozesses führten also zu dem Resultat, daß eine Ausdehnung der Mindestreservevorschriften auf innovative Depositenformen wenig erfolgversprechend erscheint und statt dessen eher die völlige Abschaffung, zumindest aber die Einschränkung der Mindestreservepflicht für sinnvoll gehalten wird. Dadurch würde zwar nicht die früher, d. h. vor dem Innovationsprozeß, (vielleicht) vorhandene größere Kontrollierbarkeit des Multiplikatorprozesses wiederhergestellt werden, aber es könnten diejenigen Informationsprobleme vermieden werden, die bei einem umfänglich differenzierten Mindestreservesystem auftreten müssen, wenn innovative Depositenformen zunehmende Bedeutung erlangen. Allerdings hätten die Notenbanken hinzunehmen, daß der reservepolitische Verzicht die Möglichkeiten der Kontrolle der Verwendung der Geldbasis grundsätzlich verringert. Damit erscheint eine um so sorgfältigere Kontrolle der

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Entstehung von Basisgeld notwendig. Finanzinnovationen, so wurde ausgeführt, werfen dabei zunächst wichtige Informationsprobleme auf, die im Zusammenhang mit der Internationalisierung und der Nichtbankenbeteiligung am Geldangebotsprozeß stehen. b) Finanzinnovationen sind einerseits Begleiterscheinung und Konsequenz der Internationalisierung der Finanzmärkte. Andererseits tragen sie selbst auch zur Beschleunigung der Internationalisierung der Finanzmärkte bei. Diese wechselseitige Verknüpfung resultiert aus den Anforderungen und Risiken, denen internationale Finanztransaktionen unterliegen und die von traditionellen Finanzmarktvertragsformen und -Instrumenten nur unvollkommen erfüllt werden können. Neben den technologischen Notwendigkeiten der Informations- und Transaktionsaktivitäten ist hier besonders auf Wechselkursänderungsprobleme hinzuweisen, die im System partiell flexibler Wechselkurse von erheblicher Bedeutung sind. Zahlreiche Finanzinnovationen (vom o. a. Typ C) sind speziell dafür konzipiert, derartige Wechselkursänderungsrisiken für international disponierende Finanzmarktakteure besser handelbar zu machen. Damit fördern sie zugleich den Internationalisierungsprozeß, weil die Kosten und Risiken der Teilnahme an internationalen Finanztransaktionen entscheidend gesenkt werden. Eine unerwünschte Konsequenz der internationalisierten Finanzmarkttransaktionen ist jedoch, daß der Teil der Geldbasis, der auf den heimischen Finanzmärkten für den Kredit- und Geldschöpfungsprozeß wirksam wird, stärkeren unvorhersehbaren Schwankungen unterworfen ist. Dies gilt insbesondere, wenn auch im nationalen Zahlungsverkehr unterschiedliche Währungen benutzt werden, was durch Finanzinnovationen tendenziell begünstigt wird. Die verstärkte Teilnahme finanzstarker Nichtbanken an derartigen Transaktionen erschwert dabei die Information über diesen Vorgang. Vor einem solchen Hintergrund erscheinen dann enge Abgrenzungen der heimischen Finanzmärkte und der im Inland relevanten Geldbasis nicht mehr sinnvoll. c) Indes, die Einsicht, daß nationale und internationale Finanztransaktionen zunehmend vermischt werden, löst die bei der Geldbasissteuerung auftretenden Informationsprobleme für die Notenbanken nicht. Wie die für das nationale Finanzsystem relevante Geldbasis abzugrenzen ist, kann a priori kaum noch entschieden werden und ist der laufenden Beobachtung nicht zugänglich. Wenn diese Informationsprobleme jedoch nicht zu bewältigen sind, dann ist auch eine variable Geldbasissteuerung fragwürdig. Der im Sinne des sogenannten „target-indicator approach" vorgeschlagene strategische Weg der Orientierung der Geldbasissteuerung an Politikindikatoren und Zwischenzielvariablen 18 vermag diese Probleme nur zu lösen, wenn 18

Brunner/Meltzer 1969, Brunner 1983.

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die zu verwendenden Indikatoren und Zwischenzielvariablen zunächst zeitkonstant, abgrenzbar und meßbar sind. Finanzinnovationen stellen diese Voraussetzung jedoch zumindest vorübergehend in Frage, und zwar nicht nur — wie in der Literatur häufig hervorgehoben — für Geldmengenaggregate, deren herkömmliche Abgrenzungen teilweise irrelevant geworden sind, sondern auch für die gelegentlich als Zwischenzielvariable vorgeschlagenen Kreditmengenaggregate. A u f letztere wirken Finanzinnovationen (vom Typ C) nämlich in ähnlicher Weise verändernd, wie auf Geldmengenaggregate. Angesichts derartiger Schwierigkeiten könnte es sinnvoller werden, sich — anstelle einer geldmengenorientierten Geldbasissteuerung — auf eine wachstumskonstante Kontrolle der gesamten Geldbasis zu beschränken. Dabei würden dann die o. a. Informationsprobleme entfallen. Zwar würde auf die Kompensation von Störimpulsen bei der Geldbasisverwendung verzichtet, doch würden auch Fehlsteuerungsentscheidungen aufgrund falscher oder unvollständiger Informationen vermieden. Für welche Länder eine solche Strategieänderung vorgeschlagen werden sollte, hängt von den jeweiligen Schwierigkeiten ab, die bei der Abgrenzung und Messung der üblichen Geldmengenaggregate aufgrund von Finanzinnovationen auftreten werden. Die Verhältnisse in den USA scheinen hier bereits einen solchen Vorschlag nahezulegen. Für die Bundesrepublik Deutschland, in der Finanzinnovationen (vom Typ A) noch in vergleichsweise geringem Umfang erfolgt sind, scheint die Notwendigkeit für einen Strategiewechsel noch nicht akut zu sein; aber ob die Zwischenzielvariable „Zentralbankgeldmenge" noch sinnvoll abgegrenzt ist, wird zunehmend kontrovers diskutiert.

IV. Instrumentelle Konsequenzen 1. Veränderte Bedeutung der Geldversorgungskomponenten a) Bereits seit Mitte der 70er Jahre hat sich die Bedeutung der sogenannten Komponenten der Geldversorgung für die Entstehung der Geldbasis erheblich verschoben. Während früher die Geldversorgung in der Bundesrepublik überwiegend auf der außenwirtschaftlichen Entstehungskomponente beruhte und die beiden anderen Komponenten, die fiskalische und Refinanzierungskomponente, nur zu einem relativ geringen Teil zur Entstehung der Geldbasis beitrugen, ist inzwischen die Refinanzierungskomponente zu immer größerem Gewicht gelangt. Ebenso — obwohl in geringerem Maße — hat die Bedeutung der fiskalischen Komponente zugenommen. Der Rückgang des Beitrags der außenwirtschaftlichen Komponente resultierte aus dem Übergang zum System partiell flexibler Wechselkurse, der die Bundesbank von Interventionspflichten am Devisenmarkt zur Stützung der

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Dollarparität der D M befreite. Der damit — wegen der engen gesetzlichen Grenzen des direkten Notenbankkredits an den Staat in der Bundesrepublik — vorgegebene Bedeutungswandel der Geldversorgungskomponenten zugunsten der Refinanzierungskomponente wurde von der Bundesbank mit bemerkenswertem Geschick und erheblicher Innovationskraft vollzogen. Die relativ „geräuschlose" Steuerung der Geldversorgung über den Geldmarkt scheint öfter „Feinsteuerungsqualität" zu haben. b) Gleichwohl weist die Geldversorgung über die Refinanzierungskomponente systematische Mängel auf, die durch den Prozeß der Einführung von Finanzinnovationen akzentuiert werden. Hingewiesen werden soll auf zwei Schwierigkeiten. Bei der Geldversorgung über die Refinanzierungkomponente treten Volumen- und Wettbewerbsprobleme auf, soweit sie auf dem traditionellen Wechselrediskont beruht. Volumenprobleme resultieren aus der begrenzten Verfügbarkeit rediskontfähigen Wechselmaterials, Wettbewerbsprobleme ergeben sich insoweit, als dieses knappe Wechselmaterial den unterschiedlichen Gruppen von Kreditinstituten in der Bundesrepublik in sehr ungleichem Maße zur Verfügung steht, so daß der Zugang zu dieser Geldversorgungskomponente für bestimmte Institutsgruppen schwieriger ist als für andere. Zwar sollte das Wettbewerbsproblem nicht überschätzt werden, weil — auch deswegen — der Lombardkredit immer wichtiger für die Refinanzierung geworden ist und den Rediskontkredit in seiner dominierenden Funktion abgelöst hat, doch könnten sich hier im Zuge des Innovationsprozesses neue Hindernisse eröffnen. Sofern nämlich innovative Wertpapierformen auch in der Bundesrepublik größere Marktanteile gewinnen sollten, wird sich die Frage stellen, inwieweit sie nachhaltigen Einfluß auf die Zinsstruktur nehmen, die bei der Konditionengestaltung der Lombardpolitik zu berücksichtigen ist. Schließlich mag entschieden werden müssen, inwieweit innovative Wertpapiere selbst lombardfähig werden könnten. c) Anstelle eines Ausbaus der Lombardpolitik liegt es jedoch näher, das Instrument der Offenmarktpolitik zu erweitern. Hier sind m. E. drei Aspekte zu beachten. Zum einen wäre es wünschenswert, das Volumen von Offenmarktpapieren in dem Sinne zu erweitern, daß die Bundesbank selbst in größerem Umfang als Emittent von Titeln auftritt. Zum anderen sollte dann auch die Veräußerung dieser Papiere an Nichtbanken möglich sein, um der wachsenden Beteiligung von Nichtbanken am Finanzmarktgeschehen gerecht zu werden. Schließlich sollte erwogen werden, derartige von der Bundesbank ermittierte Wertpapiere innovativ auszustatten, damit sie auf dem Markt für Finanzinnovationen konkurrenzfähig sind. Gegen eine derartige Reform des offenmarktpolitischen Instrumentariums stehen gegenwärtig bestimmte Regelungen des Bundesbankgesetzes, d. h. es wäre eine Novellierung desselben erforderlich. Grundsätzliche Vorbehalte 18 Kredit und Kapital, Beiheft 10

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gegen eine Novellierung des Bundesbankgesetzes sind ernst zu nehmen, weil sie befürchten, Dämme einzureißen. Aber es bleibt abzuwägen, ob Effizienzgesichtspunkte nicht eng begrenzte Veränderungen rechtfertigen könnten.

2. Verstärkung der fiskalischen Komponente durch direkten Notenbankkredit an den Staat? a) Die Ausweitung des offenmarktpolitischen Instrumentariums würde einen weiteren Bedeutungswandel der Geldversorgungskomponenten fördern, und zwar zugunsten der fiskalischen Komponente, die immer noch den geringsten Geldversorgungsbeitrag leistet. Wird die bisher praktizierte Offenmarktpolitik als Finanzierungsinstrument für den Staatskredit verstanden, dann kann mit Recht von einer zinsgünstigen „Umwegfinanzierung" 19 gesprochen werden. Zwar muß der Staat für die von ihm emittierten und zunächst an in- und ausländische Banken und Nichtbanken veräußerten Schuldtitel Zinszahlungen leisten, doch fließt ein großer Teil dieser Zinslasten an ihn zurück. Denn sofern diese Wertpapiere im Rahmen des Offenmarkt- und Lombardgeschäftes zum Bundesbankgewinn beitragen, werden die Zinskosten des Staates wegen seines Anspruchsrechts auf den Bundesbankgewinn wieder — zumindest teilweise — kompensiert. 20 Dieser Zusammenhang der „Umweg- oder verdeckten Staatsfinanzierung" legt es nahe zu fragen, ob nicht gleich nach neuen Möglichkeiten einer direkten Finanzierung des Staatskredits durch die Notenbank gesucht werden sollte, um dann auch Probleme der Refinanzierungspolitik zu vermeiden. b) Während früher die Ablehnung derartiger Vorschläge relativ einhellig war, weil die negativen historischen Erfahrungen mit einer inflationierenden Finanzierung des Staatskredits in Deutschland nachhaltig wirkten, nimmt gegenwärtig die Zahl der Befürworter des direkten Staatskredits bei der Notenbank zu. 2 1 Deren Argumente sind jedoch überwiegend aus fiskalischer Sicht formuliert. I m Vordergrund steht dabei die Begründung der Zinsersparnis für die öffentlichen Haushalte. Hinzu treten Gesichtspunkte der Gleichbehandlung der Gebietskörperschaften (der Bundesbankgewinn steht nur dem Bund zu) und schließlich der Verstetigung der Geldversorgung über die Bedeutungsverstärkung der fiskalischen Komponente. Allerdings sind jeweils entsprechende Gegenargumente vorzutragen. Gegen das Zinskostenargument kann zunächst die Zinsersparnis des Staates bei der o. a. offenmarktpolitischen „Umwegfinanzierung" eingewendet werden. Zwar werden damit die Zinskosten des Staates nicht vollständig kom19 20 21

Vgl. Kath 1983, Tobin 1963. Vgl. Kath 1983. Dieser Vorschlag findet sich schon bei Oberhauser 1966.

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pensiert, aber doch wesentlich reduziert. Wichtiger ist jedoch, daß steigende Zinslasten der öffentlichen Haushalte sowohl bei Politikern als auch i n der Öffentlichkeit D ä m m e gegen eine ausufernde Staatsverschuldung errichten. D i e Ungleichbehandlung der Gebietskörperschaften wäre leicht zu beseitigen, indem ein entsprechender Aufteilungsschlüssel für den Bundesbankgew i n n beschlossen würde. D i e Stärkung der fiskalischen K o m p o n e n t e der Geldversorgung könnte durch die o. a. A u s w e i t u n g des o f f e n m a r k t p o l i t i schen Instrumentariums der Bundesbank erfolgen, indem diese ein entsprechendes Emissionsrecht erhält. Insgesamt erscheinen daher die grundsätzlichen Einwendungen gegen einen direkten Staatskredit der N o t e n b a n k weiterhin so überzeugend, daß eine derartige „ F i n a n z i n n o v a t i o n " unterbleiben sollte.

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Geldpolitik in einem europäischen Finanz-Binnenmarkt Von Norbert Kloten und Peter Bofinger, Stuttgart

I. Zur Problemstellung Die Internationalisierung der Geld- und Kapitalmärkte hat die Rahmenbedingungen für geldpolitisches Handeln in einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne verändert. War noch mit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen weltweit die Hoffnung verbunden, daß derart eine sehr weitgehende Autonomie der Notenbanken für binnenwirtschaftliche Zielsetzungen geschaffen würde, 1 so ist es heute kaum noch strittig, daß die Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft — auch ohne verbindliche Interventionsverpflichtungen an den Devisenmärkten — nicht umhin kommt, auf außenwirtschaftliche Störfaktoren zu reagieren und zugleich die weltwirtschaftlichen Implikationen der eigenen Maßnahmen in ihr Entscheidungskalkül mit einzubeziehen. In diesem Beitrag soll die allgemeine Problematik der Internationalisierung von Finanzmärkten unter dem besonderen Blickwinkel der Europäischen Währungsintegration analysiert werden, wobei hier zur Integration über die Märkte eine besondere institutionelle Verzahnung der nationalen Geldpolitiken durch das Europäische Währungssystem (EWS) tritt. Insoweit läßt sich dieser Spezialfall nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse zwischen den Ländern mit bedeutenden internationalen Finanzzentren, wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan, die Schweiz und die Bundesrepublik übertragen. Eine weitere Eingrenzung der Thematik ergibt sich daraus, daß diese besondere Einbindung der Geldpolitik in außenwirtschaftliche Bezüge vorrangig auf der Ebene des geldpolitischen Instrumenteneinsatzes erörtert werden soll, so daß die grundsätzlichere Frage nach der konzeptionellen Ausrichtung der nationalen Geldpolitik in einem integrierten europäischen Finanzmarkt und — konkreter — nach der dann angemessenen geldpolitischen Zwischenzielgröße unberücksichtigt bleiben muß. 1

Das mittlerweile schon fast klassische Zitat für dieses Denken stammt von Harry G. Johnson (1972), S. 210: „Flexible rates would allow each country to pursue the mixture of unemployment and price trend objectives it prefers, consistent with international equilibrium, equilibrium being secured by appreciation of the currencies of 'price-stability' countries relative to currencies of 'full employment' countries."

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Norbert Kloten und Peter B o f g e r

II. Die monetäre Integration in Europa 1. Zielsetzung Ein so schillernder Begriff wie der der „monetären Integration" — oder auch der „Währungsintegration" — bedarf zunächst der Konkretisierung. Hält man sich an offizielle Stellungnahmen, dann ist das Fernziel aller Integrationsbemühungen auf dem monetären Felde nach wie vor die „Europäische Währungsunion", ein Begriff, der mit der im Jahr 1986 von den EG-Mitgliedsstaaten unterzeichneten Einheitlichen Europäischen Akte jetzt Eingang in den EWG-Vertrag gefunden hat, doch nur als Klammerausdruck, der die Überschrift eines in den EWG-Vertrag eingefügten neuen Kapitels „Die Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Währungspolitik" ergänzt. Zu einer klaren Inhaltsbestimmung verhalf das jedoch nicht, da in dem dazugehörigen neuen EWG-Vertragsartikel 102a das Ziel der Währungsunion weder angesprochen noch gar erläutert wird. Um eine eindeutige offizielle Festlegung zu finden, müßte man schon bis in das Jahr 1971 zurückgehen, in dem die EG-Mitgliedsländer einen konkreten — auf zehn Jahre befristeten — Stufenplan für die Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion vereinbart hatten. 2 Auf die damaligen Beschlüsse zurückzugreifen, erscheint jedoch wenig zweckdienlich, da es der Verzicht auf eine erneute Konkretisierung des Inhalts einer „Europäischen Währungsunion" in der Einheitlichen Europäischen Akte nunmehr offenläßt, ob diese Vereinbarungen auch heute noch als Endpunkt des Integrationsprozesses anzusehen sind. In Anbetracht der erheblichen Unsicherheit über die anzustrebenden bzw. die tatsächlich angestrebten Ausgestaltungsformen des Endzustandes der monetären Integration wäre es wohl verfrüht, eine intensivere Diskussion über die eventuell erforderlichen geldpolitischen Anpassungen im instrumentellen Bereich zu führen, ohne daß zuvor hinreichend geklärt ist, an welchen Zwischenzielen die Geldpolitik der nationalen Notenbanken ausgerichtet sein soll, sofern es in einer Europäischen Währungsunion überhaupt noch autonome nationale Zentralbanken geben wird. 3 2 Der Stufenplan sah „einen eigenständigen Währungsraum im internationalen System ( . . . ) " vor, „der durch volle und irreversible Konvertierbarkeit der Währungen, die Beseitigung der Bandbreiten der Wechselkurse und die unwiderrufliche Festsetzung der Paritätsverhältnisse" — als „unerläßliche Voraussetzung für die Schaffung einer einheitlichen Währung" — „gekennzeichnet und in dem ein gemeinschaftliches Zentralbanksystem tätig ist". Konstatiert wurde außerdem: „Das gemeinschaftliche Zentralbanksystem trägt unter Wahrung seiner Eigenverantwortlichkeit zur Verwirklichung des Ziels der Stabilität und des Wachstums der Gemeinschaft bei". So die Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten vom 22. März 1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft; abgedruckt in Rainer Hellmann und Bruno Molitor (1973), S. 13 f. 3

Siehe dazu Norbert Kloten (1986).

Geldpolitik in einem europäischen Finanz-Binnenmarkt

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Demgegenüber ist die Geldpolitik schon heute gefordert, sich mit den Implikationen eines sehr viel greifbareren Integrationsziels intensiv auseinanderzusetzen. Nach der Entschließung des Europäischen Rates (Artikel 8 a der Einheitlichen Europäischen Akte) soll bis zum Jahr 1992 in den Ländern der Gemeinschaft ein „großer Binnenmarkt" verwirklicht werden, der auch über eine „finanzielle Dimension" verfügen soll. 4 Nimmt man diese Deklaration wörtlich, dann erforderte dies einen völlig ungehinderten Verkehr „finanzieller Produkte" über die Landesgrenzen hinweg, was wiederum eine uneingeschränkte und zugleich irreversible Beseitigung sämtlicher Kapitalverkehrskontrollen zumindest innerhalb Europas voraussetzte. A u f der Angebotsseite wäre eine Binnenmarktsituation nur dann gegeben, wenn für die Anbieter von Finanzdienstleistungen keine spezifischen Niederlassungsbeschränkungen im Raum der Gemeinschaft bestehen. Was diese Bedingung betrifft, so sind in den meisten EG-Ländern (Ausnahmen: Portugal, Spanien und Irland) schon heute binnenmarktähnliche Verhältnisse gegeben.5 Demgegenüber scheint es vom Status quo bis zu einem wirklich freien Wahlrecht der Nachfrager von Finanzdienstleistungen unter Angeboten aus allen EGLändern noch ein recht beschwerlicher Weg zu sein.

2. Bestandsaufnahme Es ist zwar nicht zu übersehen, daß es gerade im Jahr 1986 in Frankreich und auch in Italien zu einem wesentlichen Abbau der Barrieren für grenzüberschreitende Kapitalströme gekommen ist. Damit entsprechen die Verhältnisse in Frankreich jetzt erstmals seit 1968 wieder dem Liberalisierungskodex der Gemeinschaft, womit Frankreich auf die Inanspruchnahme der Schutzklausel nach Artikel 108 Abs. 3 des EWG-Vertrages vorzeitig verzichten konnte. Allerdings bleibt es sowohl in Frankreich als auch in Italien bei einem harten Kern an Kontrollen, die vor allem den Bereich des kurzfristigen Kapitalverkehrs betreffen. Daß ein Abbau dieser Regelungen noch in weiter Ferne steht, zeigt sich daran, daß in Italien im März 1987 sogar eine neue Reserveverpflichtung in Höhe von 25 % auf den monatlichen Zuwachs der Auslandskreditaufnahme der Banken eingeführt worden ist. 6

4

Die Vorstellungen der EG-Kommission werden in einem Weißbuch „Vollendung des Binnenmarktes" vom Juni 1985 dargestellt. Die Ausführungen über „Finanzdienste" und „Kapitalverkehr" findet man auf S. 27 f. und S. 31 f. Siehe dazu auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft (1986). 5 Eine ausführliche Bestandsaufnahme der entsprechenden Vorschriften findet man in OECD (1983), Annex I I I (Restrictions on foreign bank entry), S. 184 ff. 6 BIS Review vom 31. März 1987, S. 1 („Dr. Ciampi comments on the recent monetary measures introduced in Italy").

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Als einen gewissen Fortschritt mag man es demgegenüber ansehen, daß im März 1987 — erstmals seit 1962 — wieder eine EG-Richtlinie zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs in Kraft trat. Danach wurde der Katalog von Transaktionen, die einer unbedingten Liberalisierungspflicht unterliegen (die sogenannten Listen A und B), erweitert um — langfristige Kredite im Zusammenhang mit Handelsgeschäften, — den Handel mit nicht-börsennotierten Wertpapieren und — die Zulassung von börsennotierten Wertpapieren zum Kapitalmarkt. Die materielle Bedeutung solcher Richtlinien darf jedoch nicht allzu hoch eingeschätzt werden. Dies zeigt sich daran, daß diejenigen EG-Länder, die bereits in der Vergangenheit Schutzklauseln bezüglich der Liberalisierungspflichten in Anspruch genommen haben (Italien, Irland, Griechenland, Spanien und Portugal), diese unmittelbar auf die neu liberalisierungspflichtigen Geschäfte ausgedehnt haben, so daß bei den genannten Transaktionen eine wirkliche Marktöffnung nur im Fall von Frankreich und Dänemark erfolgt. Zu Skepsis geben auch die weitergehenden Liberalisierungspläne der Kommission Anlaß: In einer zweiten Stufe sollen bis 1992 sämtliche verbleibenden Kapitalverkehrskontrollen in der Gemeinschaft beseitigt werden, insbesondere die Beschränkungen für Finanzkredite, für dasFühren von ausländischen Bankkonten und für Transaktionen mit Geldmarktpapieren. Doch scheinen diese geplanten Liberalisierungsrichtlinien für die Mitgliedsländer weder irreversibel noch absolut zwingend zu sein. Für die Kommission, die sich offensichtlich noch nicht zu einem klaren Plädoyer für die Kapitalverkehrsliberalisierung durchgerungen hat, ist es mit einem „Europäischen Binnenmarkt" durchaus vereinbar, daß die Liberalisierungsrichtlinien auch weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen durch Schutzklauseln suspendiert werden können. 7 Und bei den in den Katalog der unbeschränkt liberalisierungspflichtigen Transaktionen erst aufzunehmenden Finanzkrediten und Transaktionen mit Geldmarktpapieren zieht die Kommission für die Inanspruchnahme von Schutzklauseln schon jetzt weniger strenge Kriterien als die bisher angewendeten in Betracht. Insoweit lassen die geplanten Maßnahmen ein klares ordnungspolitisches Bekenntnis zu freien Finanzmärkten vermissen, die die Grundvoraussetzung für eine wirkliche Binnenmarktsituation darstellen.

3. Ein vollkommener europäischer Finanz-Binnenmarkt Um über ein eindeutiges Referenz-System zu verfügen, soll jedoch zunächst nicht von den Planungen der EG-Kommission ausgegangen werden. Statt dessen sollen die Verhältnisse eines Binnenmarktes im strengen Sinne des 7

So die Tz. 128 des Weißbuchs der EG-Kommission.

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Wortes unterstellt werden, so wie sie beispielsweise zwischen den deutschen Bundesländern gegeben sind. Das impliziert einen uneingeschränkten Verzicht auf Schutzklauseln jeder Art und damit eine Irreversibilität der Liberalisierungsschritte wie eine Ausweitung des Liberalisierungsprozesses auf den Bereich des kurzfristigen Kapitalverkehrs. (Die Deutsche Bundesbank hat mit Wirkung vom 16. Juni 1987 eine allgemeine Genehmigung für das Führen von ECU-Konten und die Aufnahme bestimmter ECU-Kredite erteilt. Nach übereinstimmendem Urteil wird diese Maßnahme für sich genommen die deutsche Geldpolitik nicht beeinträchtigen. 8 ) Die Offenheit der europäischen Finanzmärkte wäre dann soweit gediehen, daß die Kapitalströme innerhalb der Gemeinschaft ähnlich ungehindert zirkulieren könnten, wie das im internationalen Bereich zwischen der bereits genannten Gruppe von Ländern mit völlig freien Geld- und Kapitalmärkten möglich ist. Aufgrund der Interventionsverpflichtungen, denen die am Wechselkursverbund des EWS beteiligten Zentralbanken unterliegen, hätte ein solcher europäischer Finanz-Binnenmarkt jedoch eine spezifische geldpolitische Dimension. Diese resultiert daraus, daß die teilnehmenden Notenbanken an den vorgegebenen oberen und unteren Interventionspunkten zu unbegrenzten Devisenmarktinterventionen und zu einer unlimitierten (sehr) kurzfristigen Kreditgewährung untereinander verpflichtet sind. Aus solchen obligatorischen Interventionen ergeben sich in den beteiligten Ländern zumindest als ein Primäreffekt Veränderungen des Geldangebots im Ausmaß des Interventionsbetrags: im Schwachwährungsland sinkt die Geldbasis, im Land mit starker Währung nimmt sie zu. Solche Interventionsverpflichtungen können, wie die beiden ersten Wochen des Jahres 1987 am Beispiel der Bundesrepublik gezeigt haben, ein ganz erhebliches Ausmaß annehmen. Die Zunahme der DM-Geldbasis belief sich in diesem kurzen Zeitraum auf rund 17 M r d D M . Noch größere Liquiditätseffekte ergaben sich in dieser Phase in den „Schwachwährungs-Ländern", die neben den obligatorischen Interventionen, die nur an den Interventionspunkten durchgeführt werden, auch in großem Umfang intramarginale Interventionen vorgenommen haben. Diese erfolgen innerhalb der Interventionspunkte. Dabei werden Devisenguthaben verwendet, die von diesen Notenbanken zuvor auf den Euro-Märkten gehalten wurden, so daß es bei einer Intervention zu einem Rückgang der Geldbasis des intervenierenden „Schwachwährungs-Landes" kommt, ohne daß sich die Geldbasis im Land mit starker Währung verändert.

8

Siehe dazu Norbert Kloten (1985) und Peter Bofinger (1986). Skeptischer äußert sich Helmut W. Mayer (1986).

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I I I . Die instrumenteile Umsetzung der Geldmengensteuerung 1. Direkte versus indirekte

Geldmengensteuerung

Die Implikationen eines europäischen Finanz-Binnenmarktes für den geldpolitischen Instrumenteneinsatz sollen im folgenden vorrangig am konkreten Beispiel der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank erörtert werden. Diese in längerfristiger Perspektive und auch im internationalen Vergleich erfolgreiche Politik ist gekennzeichnet durch eine mittelfristig orientierte Geldmengensteuerung mit gewissen diskretionären Vorbehalten. Eine solche Grundlinie kann nun auf zwei unterschiedlichen Wegen instrumenteil umgesetzt werden. A u f der einen Seite wäre es möglich, die Zentralbankgeldmenge direkt zu steuern. Dies müßte in der Weise geschehen, daß die Notenbank jede Woche oder jeden Monat das zur Realisierung des Geldmengenziels erforderliche Zentralbankgeld dem Markt auf dem Wege der Versteigerung zur Verfügung stellt — beispielsweise über Wertpapierpensionsgeschäfte in der Form eines (Mindest-)Zinstenders. Die dabei resultierenden Zinseffekte wären bei diesem Verfahren von der Notenbank völlig passiv hinzunehmen. Diese direkte Steuerung setzte voraus, daß die Banken im größeren Umfang als bisher Überschußreserven halten, damit dem Bankensystem auch dann eine Erfüllung der Mindestreserveverpflichtungen möglich ist, wenn die zuvor erfolgte Einlagenbildung einen höheren Reservebedarf erfordert, als mit dem zielgerechten Angebot von Zentralbankgeld vereinbar ist. Ein Übergang zu diesem Steuerungskonzept bedingte somit einen gewissen strukturellen Wandel im deutschen Bankensystem, für den die Bundesbank bis heute keine zwingende Notwendigkeit gesehen hat. Statt dessen hat sie — durchaus mit Erfolg — über Jahre hinweg eine indirekte Steuerung der Zentralbankgeldmenge praktiziert, bei der sie auf die Entwicklung der Zentralbankgeldmenge mittelbar über eine Variation der Konditionen am Geldmarkt Einfluß nimmt. 9 Dafür stehen ihr Instrumente unterschiedlichster Ausprägung zur Verfügung, die sich von ihrer mengenmäßigen Flexibilität wie auch den Signal- und Ankündigungseffekten der dabei vorgegebenen Notenbankzinssätze unterscheiden. A u f die spezifische Bedeutung, die den einzelnen Instrumenten in einem integrierten europäischen Finanzmarkt zukommen würde, soll im folgenden exemplarisch eingegangen werden.

9 Zur Diskussion über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Steuerungsverfahren vgl. Horst Bockelmann (1978), S. 39-48.

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2. Das Mindestreserve-Instrument Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zeigt sich derzeit ein sehr breites Spektrum von Mindestreserve-Bestimmungen. Es reicht von Ländern mit nahezu vernachlässigbaren Mindestreserve-Erfordernissen (Großbritannien und die Benelux-Staaten) zu Staaten wie Frankreich und der Bundesrepublik, in denen der Mindestreserve eine wichtige Rolle als geldpolitisches Instrument zukommt. 1 0 Die breite öffentliche Diskussion, die im Jahr 1985 in der Bundesrepublik anläßlich der notwendig gewordenen Neuordnung der Mindestreserve-Bestimmungen geführt worden ist, 1 1 hat offengelegt, daß die Funktion dieses Instruments nicht immer angemessen erfaßt worden ist. So wurde beispielsweise die geringe Variation der Reservesätze durch die Bundesbank als ein Beleg dafür angeführt, daß dieses Instrument ohne allzu große geldpolitische Bedeutung sei. Auch wurde die Mindestreserve als eine „Sondersteuer" kritisiert, die zu Allokationsstörungen auf den Finanzmärkten führe. Beide Argumente gehen jedoch an der eigentlichen Ratio des Instruments vorbei. Es trifft zwar zu, daß die Mindestreserve einen wichtigen Teil der über Banken laufenden Kreditketten belastet und somit einen Anreiz für Ausweichreaktionen der Privaten schafft. Von daher ist die Vermutung berechtigt, daß die tatsächlichen Allokationsergebnisse auf den Finanzmärkten vom theoretischen Ideal des Pareto-Optimums abweichen. Eine derartige Kritik kann jedoch grundsätzlich gegen jede Form der Besteuerung vorgebracht werden. Worauf es ankommt, ist ein Abwägen der damit verbundenen Störeffekte im mikroökonomischen Bereich gegen die Vorteile des Instruments auf dem Felde der makroökonomischen Steuerung. Diese liegen zum einen darin, daß über die Mindestreserve eine unmittelbare und stabile Abhängigkeit des Bankensystems von der Notenbank geschaffen wird. Dieser Gesichtspunkt dürfte in der Zukunft noch an Gewicht gewinnen, da die Automatisierung des Zahlungsverkehrs zu einer erheblichen Verdrängung des Bargeldes führen kann. Aber auch unter den derzeitigen Verhältnissen erweist sich die Mindestreserve als ein unverzichtbarer Bestandteil des „Waffenarsenals" einer Notenbank. Die Besonderheit der Mindestreserve zeigt sich darin, daß sie bei einer verstärkten Expansion des Kreditgeschäfts der Banken automatisch einen zusätzlichen Zentralbankgeldbedarf des gesamten Bankensystems hervorruft. Bleibt die Notenbank auf dem Pfad einer potentialorientierten Geldmengenausweitung, dann ergibt sich daraus ohne ihr Zutun unmittelbar eine Liquiditätsverknappung, die zu einem Anstieg der Geldmarktzinsen führt, durch den die Kreditgewährung der Banken tendenziell gedämpft wird. Die Mindestreserve erweist sich derart als ein „built-in-stabi10

Ausführlicher OECD (1985), S. 105 ff. Siehe dazu u. a. Wolfgang Roller (1985), S. 1076 f., Joachim Starbatty (1985), S. 1081 f. und Franco Reither (1985). 11

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lizer" der monetären Märkte. Diese spezifischen Vorzüge überwiegen u. E. bei weitem die davon ausgelösten allokativen Distorsionen, insbesondere dann, wenn die Notenbank bemüht ist, diese möglichst gering zu halten, was mit der Reform der Mindestreserve-Bestimmungen zum Mai 1986 auch geschehen ist. 1 2 Es ist evident, daß es in einem wirklichen europäischen Finanz-Binnenmarkt für die Bundesbank noch schwieriger als bisher sein dürfte, die Privaten an Ausweichversuchen zu hindern, die die Effizienz des Instruments zwangsläufig mindern. Schon heute ist unverkennbar, daß die Banken die ihnen offenstehenden Ausweichkanäle der Euromärkte zur Umgehung dieser Vorschrift nutzen; allein im Verlauf des Jahres 1986 sind DM-Euroeinlagen der inländischen Unternehmen von 7,7 M r d D M (Dezember 1985) auf 30,8 M r d D M (Dezember 1986) angestiegen. In der Situation eines wirklichen Binnenmarktes ist damit zu rechnen, daß sich die Anbieter von Finanzdienstleistungen — sei es auch nur über Tochterinstitute — bevorzugt in Ländern ohne Mindestreserve-Vorschriften niederlassen und versuchen werden, von dort aus das gesamte Spektrum der Bankenfunktionen für den Bereich der Europäischen Gemeinschaft wahrzunehmen. So könnte man sich ein Szenarium vorstellen, bei dem der Zahlungverkehr von solchen mindestreservefreien Banken weitgehend mittels Kreditkarten und POS-Terminals sowie über BTX-Systeme abgewickelt wird. Unter solchen aus heutiger Sicht noch eher hypothetischen Verhältnissen wäre die Wirkungsmacht der nationalen EG-Notenbanken ganz erheblich beeinträchtigt, da die Banken ihre Reserveguthaben bei der Zentralbank auf das Niveau von „working-balances" zurückführen würden, und sich zugleich der Bargeldumlauf der Wirtschaft drastisch verringerte. Aber man muß nicht so weit gehen, um die grundsätzliche Problematik divergierender Mindestreserve-Vorschriften innerhalb eines europäischen Finanz-Binnenmarktes zu erkennen. Wie kann dieser Konflikt aufgelöst werden? A u f der einen Seite wäre es möglich, daß es dabei zu einem Wettbewerb der EG-Länder um möglichst große Anteile am gemeinsamen Finanzmarkt kommt, bei dem die Mindestreserve-Belastung (und möglicherweise auch andere regulatorische Auflagen) als Wettbewerbsparameter eingesetzt werden. Es wäre nicht auszuschließen, daß es am Ende des Prozesses zu einem europaweiten Verzicht auf die Mindestreserve kommt, wodurch den Notenbanken ein wesentliches Steuerungsinstrument verloren ginge. Die Alternative zu einer solchen „International Competition in Bank Regulat i o n " 1 3 würde darin bestehen, daß sich die EG-Länder auf eine Harmonisierung der Reservevorschriften einigen, bei der die einheitlichen Sätze etwa auf dem Niveau der bereits deutlich reduzierten deutschen Mindestreserve-Anforderungen festgelegt werden. Ob diese europäische Lösung eine wirklich realistische Alternative darstellt, ist in Anbetracht der bisher gescheiterten 12 13

Ausführlich in Deutsche Bundesbank (1986). Siehe dazu D. Allen und I. Giddy (1979), S. 318.

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Versuche, eine Euromarkt-Mindestreserve einzuführen, wie auch des internationalen Wettbewerbsdrucks, dem ein europäischer Finanz-Binnenmarkt ausgesetzt wäre, eine offene Frage.

3. Refinanzierungspolitik Im Rahmen der indirekten Steuerung der Zentralbankgeldmenge kommt den Instrumenten der Refinanzierungspolitik die Aufgabe zu, so auf die Konditionen am Geldmarkt einzuwirken, daß es auf diese Weise zwar nicht unbedingt von Monat zu Monat, aber doch über den Verlauf der Zielperiode hinweg zu einem zielgerechten Verlauf der Zentralbankgeldmenge kommt. Nimmt man das Leitbild eines Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen wirklich ernst, dann stellt sich in diesem Zusammenhang zunächst die Frage, ob dann den Geschäftsbanken eines Mitgliedslandes wie in der Vergangenheit nur der Zugang zur jeweiligen nationalen Notenbank offenstehen soll oder aber auch ein Zugriff auf die Refinanzierungsfazilitäten der übrigen EG-Zentralbanken? Eine europaweite Refinanzierungs-Regelung würde dann vergleichsweise geringe Probleme aufwerfen, wenn die Notenbanken ihr Zentralbankgeld ausschließlich über marktmäßige Zuteilungsverfahren bereitstellen, d. h. also beispielsweise auf dem Wege von Wertpapierpensionsgeschäften vom Typ des (Mindest-)Zinstenders. Die direkte Mittelaufnahme bei der Notenbank bringt dann — sieht man einmal von spekulativen Phasen ab — für die einzelnen Banken keinen wesentlichen Vorteil gegenüber einer Mittelbeschaffung am Bankengeldmarkt, insbesondere dann, wenn dabei Transaktions- und Informationskosten berücksichtigt werden. So wäre es also beispielsweise für eine französische Geschäftsbank unter diesen Umständen kaum besonders lukrativ, sich an einem DM-Tenderverfahren der Bundesbank zu beteiligen und den dabei zugeteilten DM-Betrag über den Devisenmarkt und den französischen Geldmarkt in ein Franc-Zentralbankguthaben zu transformieren. Eine solche EG-weite Öffnung der Refinanzierungsfazilitäten nationaler Notenbanken erweist sich als sehr viel problematischer, wenn Zentralbankgeld auch über nicht marktgemäße Zuteilungsverfahren („Kontingentierung nach Maßgabe bestimmter Kriterien") bereitgestellt wird, die zugleich eine gewisse Subventionierungskomponente aufweisen. Bei solchen Refinanzierungsinstrumenten, insbesondere beim Diskontkredit, könnte es also auch für ausländische Banken von Interesse sein, sich direkt bei der Bundesbank zu verschulden. Spätestens hier werden jedoch die geldpolitischen Grenzen eines Finanz-Binnenmarktes sichtbar, da es für die Notenbanken schon technisch nicht möglich wäre, sich ein eigenes Urteil über die Zahlungsfähigkeit aller EG-Banken zu bilden und — vor allem — auch noch über deren Kreditnehmer, die als Wechselverpflichtete

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haften. Insoweit muß es also auch in einem Binnenmarkt dabei bleiben, daß der Notenbankkredit nur für die inländischen Banken zur Verfügung steht. Man könnte daraus zwar den Schluß ziehen, daß es somit erforderlich sei, ganz auf den Diskontkredit zu verzichten. Dabei würde man jedoch übersehen, daß mit dieser Form der Refinanzierung spezifische Vorzüge vor allem struktureller Natur verbunden sind. So wirkt der Diskontkredit verglichen mit anderen Refinanzierungsinstrumenten „flächendeckend", da er unmittelbar einer Vielzahl von Kreditinstituten zur Verfügung steht, während beispielsweise die Wertpapierpensionsgeschäfte bisher auf die zentralen Bankplätze und auf größere Banken konzentriert geblieben sind. Auch ermöglicht der damit verbundene direkte Kontakt der Notenbank mit den lokalen Kreditinstituten wie mit deren größeren Kreditnehmern einen umfassenden Einblick in das Wirtschaftsgeschehen auf regionaler und struktureller Ebene. Solche spezifischen Vorteile des Diskontkredits können bei einer aggregierten — makroökonomischen — Sicht der Dinge sehr leicht in den Hintergrund geraten. Herausforderungen für die Refinanzierungspolitik der Notenbanken werden sich in einem europäischen Finanz-Binnenmarkt vor allem aufgrund der Interventionsverpflichtungen des EWS ergeben. Schon beim „Status quo" der Kapitalverkehrsliberalisierung haben die zur Einhaltung der Interventionspunkte erforderlichen Transaktionen — wie erwähnt — einen außerordentlich starken Umfang angenommen. In einem wirklich offenen Finanzmarkt, der dann insbesondere durch eine umfassende Freizügigkeit der kurzfristigen Kapitalbewegungen innerhalb Europas gekennzeichnet sein müßte, wäre damit zu rechnen, daß diese spekulativen Gelder ein sehr viel größeres Volumen annehmen könnten. Ein noch höheres „Sterilisationspotential" der nationalen Notenbanken, und insbesondere der Bundesbank wäre auch dann erforderlich, wenn die Bestrebungen einzelner EWS-Notenbanken verwirklicht würden, die darauf abzielen, die „sehr kurzfristige Finanzierung" des EWS in Zukunft nicht nur für die obligatorischen Interventionen zur Verfügung zu stellen, d. h. für Devisenankäufe und -Verkäufe an den Interventionspunkten, sondern auch für die intramarginalen Interventionen, d. h. Geschäfte innerhalb der Interventionspunkte. Da den Notenbanken bei der „sehr kurzfristigen Finanzierung" stets Guthaben in ausländischem Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden, hätte dies zur Folge, daß dann auch die intramarginalen Interventionen unmittelbare Liquiditätswirkungen auf die Länder mit starker Währung ausübten. Die angemessene geldpolitische Reaktion auf spekulative Kapitalbewegungen innerhalb des EWS hängt davon ab, welche Zielsetzungen die Notenbanken verfolgen. In der Vergangenheit war das Agieren der Zentralbanken im großen und ganzen meist davon geprägt, größeren Spekulationswellen durch eine möglichst rasche Anpassung der Paritäten nachzugeben. Es wurde

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also darauf verzichtet, über die unsterilisierten Liquiditätseffekte der Interventionen und die dadurch ausgelösten Zinswirkungen der Spekulation entgegenzutreten und die Paritäten längerfristig zu verteidigen. Bei diesem eher passiven Vorgehen besteht die Aufgabe der Geldpolitik vor allem darin, die bis zum Realignment entstehenden Liquiditäts wirkungen auf den heimischen Geldmarkt zu kompensieren, so daß es bezüglich der heimischen Geldmenge zu sterilisierten Effekten der Devisenmarktinterventionen kommt. Das große Ausmaß der Interventionsbeträge, das in Zukunft aus den genannten Gründen voraussichtlich noch zunehmen wird, bedingt somit, daß die Notenbanken über ein ausreichend flexibles liquiditätspolitisches Instrumentarium verfügen. Betrachtet man die Refinanzierungspolitik, die von der Bundesbank in den letzten Jahren betrieben worden ist, dann zeigt sich, daß hier bereits ein deutlicher Wandel in diese Richtung vollzogen worden ist. 1 4 Bis zum Herbst 1984 hatte sich der Notenbankkredit an die deutschen Kreditinstitute fast ausschließlich aus Wechsel- und Lombardkrediten zusammengesetzt, wobei Wertpapierpensionsgeschäften und anderen zur sogenannten Feinsteuerung gerechneten Instrumenten (Verlagerungen nach § 17 BBankG, Devisenswap- und Devisenpensionsgeschäfte, Abgabe von Schatzwechseln, direkte Offenmarkttransaktionen) nur eine quantitativ und zeitlich eng begrenzte Funktion zugewiesen wurde. 15 Von dieser Zeit an wurde den Wertpapierpensionsgeschäften eine zunehmend gewichtigere Rolle beigemessen. Ihr Anteil an der Refinanzierung im engeren Sinne (Wechselkredite, Lombardkredite, Wertpapierpensionsgeschäfte) erhöhte sich auf durchschnittlich etwa ein Drittel und aus einem Instrument der Zwischenfinanzierung wurde zugleich eine Quelle zur dauerhaften Bereitstellung von Zentralbankgeld. M i t einem Volumen, das sich in Phasen ohne außenwirtschaftliche Störungen bei einem Monatsdurchschnitt von rund 30 M r d D M eingependelt hat und bei einer Zahl von etwa drei zeitlich gestaffelten Geschäften pro Monat (Laufzeit rund vier Wochen, ein Geschäft mit zweimonatiger Laufzeit) hat es die Bundesbank in der Hand, die binnenwirtschaftliche Liquidität sehr rasch (in ein bis zwei Wochen) und sehr massiv zu kompensieren. Bei starken Auslandszuflüssen muß sie lediglich darauf verzichten, für ein auslaufendes Geschäft ein entsprechendes Anschlußgeschäft abzuschließen. Beim herkömmlichen Wechselkredit wäre die Zeitdauer, bis es nach einer Senkung der Rediskont-Kontingente zu einem Abschmelzen des Wechselbestandes kommt, weitaus größer. Die alternative Lösung, Liquidität über eine Anhebung der Mindestreserve „einzufangen", würde zwar ebenfalls relativ schnell greifen, sie hätte jedoch bei einer nennenswerten Erhöhung der Sätze die erwähnten allokativen und zugleich auch wettbewerbspolitischen Nachteile für den „Finanzplatz Bundesrepublik" gegen sich. Insoweit trägt die Umstrukturierung des geldpolitischen Instrumentariums der Bundesbank 14 15

Ausführlich in Deutsche Bundesbank (1985). Zur damaligen Steuerungsphilosophie vgl. Hermann-Josef Dudler (1983).

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schon heute bis zu einem gewissen Grade den Risiken Rechnung, die sich bei einem wirklichen Finanz-Binnenmarkt in Europa in noch verschärftem Maße stellen werden. Allerdings werden die Grenzen eines Vorgehens auf der instrumenteilen Ebene relativ bald erreicht sein, wenn es in einem solchen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen an einer dauerhaften Kooperationsbereitschaft der nationalen Geldpolitiken — ausgerichtet am Ziel der Geldwertstabilität — fehlt.

4. Administrative

Beschränkungen

Es kennzeichnet die geldpolitische Steuerung der Deutschen Bundesbank, daß diese seit vielen Jahren unter Verzicht auf dirigistische Eingriffe in die Finanzmärkte praktiziert wird, sieht man einmal von gewissen Kapitalimportbeschränkungen ab, die bis Anfang der achtziger Jahre bestanden hatten, um einer übermäßigen Reservewährungsrolle der D-Mark entgegenzuwirken. In anderen EG-Ländern spielen demgegenüber nicht nur Kapitalverkehrskontrollen, sondern auch Zinsobergrenzen und Kreditzuwachsbeschränkungen eine nicht unbedeutende Rolle in der Instrumentierung der Geldpolitik, 1 6 wenn auch — vor allem im Falle Frankreichs — nicht zu verkennen ist, daß zunehmend Steuerungsmethoden in den Vordergrund treten, die Raum für marktgerechte Zuteilungsverfahren an den Finanzmärkten lassen. Man muß auf die Technik der vielfältigen administrativen Regelungen, die derzeit in den einzelnen EG-Ländern angewendet werden, nicht im einzelnen eingehen, um zu verdeutlichen, daß sie in einem europäischen Finanz-Binnenmarkt zwangsläufig erheblich an Wirkungskraft verlieren müßten. I m Falle von Zinsobergrenzen für Depositen, die in einem bestimmten Land in der Landeswährung gehalten werden, eröffnete ein Binnenmarkt den betroffenen Anlegern unmittelbar die Ausweichmöglichkeit, diese als „Euro-Einlagen" mit marktmäßiger Verzinsung in einem anderen EG-Mitgliedsland zu halten. Jeder Versuch der nationalen Behörde, dieser Umgehung entgegenzutreten oder die Verwendungsmöglichkeiten dieser Einlagen für Zahlungen im Land zu beschränken, würde dann einen klaren Verstoß gegen das Grundprinzip des Binnenmarktes darstellen. Unter diesen Umständen wäre also eine Politik dirigistischer Zinsobergrenzen von vornherein zum Scheitern verurteilt und würde überdies zu störenden Kapitalbewegungen führen. Gleiches gilt für Kreditzuwachsbeschränkungen, deren Ratio in der Vergangenheit häufig darin gesehen wurde, daß damit im Inland die Kreditexpansion gebremst werden kann, ohne dafür eine Zinsanhebung zu benötigen. In einem integrierten Finanzmarkt würden solche Beschränkungen für das 16

Eine ausführliche, wenn auch im einzelnen nicht mehr ganz aktuelle Darstellung der nationalen Bestimmungen gibt der Bericht der OECD (1985), S. 103 ff.

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inländische Kreditgeschäft der Banken letztlich dazu führen, daß sich die Kreditnehmer die erforderlichen Mittel im Ausland beschaffen, so daß es im Ergebnis zwar nicht zu einer Erhöhung der inländischen Kredite des Bankensystems käme. Statt dessen ergäbe sich eine Zunahme der Nettoforderungsposition der Banken gegenüber dem Ausland. Die angestrebte binnenwirtschaftliche Dämpfung wäre auf diesem Wege dann also nicht mehr zu erreichen, allenfalls würden Kapitalzuströme ins Inland induziert, was allerdings im Falle Italiens als ein spezifisches Ziel der Kreditkontrollen angesehen worden ist.

IV. Das Europäische Währungssystem in einem Finanz-Binnenmarkt Die hier exemplarisch dargestellten Implikationen eines einheitlichen Finanzmarktes in Europa lassen recht deutlich erkennen, daß sich aus dem scheinbar unproblematischen „Nahziel" des europäischen Integrationsprozesses ganz erhebliche Probleme für die instrumentelle Umsetzung der Geldpolitik ergeben können. Aufgrund der hohen Reaktionsgeschwindigkeit und zunehmend geringerer Transaktionskosten könnten dann schon geringe Markteingriffe einzelner Notenbanken massive Ausweichprozesse auslösen; dies gilt sowohl für steuerähnliche Belastungen, wie sie von der Mindestreserve ausgehen, als auch für direkte staatliche Eingriffe in den Allokationsprozeß über die administrative Vorgabe von Preisen oder die Festlegung von insgesamt zuzuteilenden Mengen. In einem Binnenmarkt wird somit eine Harmonisierung des geldpolitischen Instrumentariums unumgänglich sein, wobei die Erfahrungen der Bundesrepublik dafür sprechen, die Mindestreserve auf den Bereich der EG auszudehnen. Alle dirigistischen Notenbankmaßnahmen, die bereits jetzt in einigen Ländern reduziert worden sind, könnten dann ersatzlos abgeschafft werden. Da ein wirklicher europäischer Finanz-Binnenmarkt durch das Europäische Währungssystem eine ganz spezifische Dimension erhielte, zeigt sich auch schon für das integrationspolitische Nahziel des Binnenmarktes ein noch weitergehender Zwang zur geldpolitischen Kooperation zwischen den Notenbanken. Über die Einigung im instrumentellen Bereich hinaus bedürfte es einer sehr viel größeren wirtschaftspolitischen Konvergenz, als dies bisher der Fall ist, da die Marktkräfte bei voll integrierten Finanzmärkten außerordentlich schnell und wirkungsvoll auf divergente wirtschaftliche Entwicklungen reagieren können. In der Situation eines wirklichen Finanz-Binnenmarktes erhielte derart die im EWS wie in jedem Festkurssystem zu lösende Problematik der systemimmanenten Anpassungsverpflichtungen ein besonderes Gewicht. Liegen die vom System ausgehenden Anpassungslasten bei den Ländern mit starker 19 Kredit und Kapital. Beiheft 10

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Währung, dann würden diese in einem solchen Markt noch mehr als bisher in die Pflicht genommen. Insoweit würde dann das Integrationsziel des Binnenmarktes auch auf deutscher Seite auf Vorbehalte stoßen müssen, da es mit dem Stabilitätsauftrag der Bundesbank in Konflikt geriete. Sind die Regeln so konstruiert, daß die stabilitätsschwachen Ländern zur Anpassung an die stabilitätsorientierten Länder gezwungen werden, dann verbesserte eine weitere Integration der Finanzmärkte die makroökonomischen Funktionsbedingungen des Systems — zumindest aus deutscher Sicht. In den europäischen Partnerländern würde bei derart gelagerten Anpassungslasten allerdings die mehr oder weniger offen bekundete Furcht vor einer Hegemonie der D-Mark und damit der Bundesbank eher noch zunehmen. Diese Bedenken gegenüber der Bundesrepublik als der „économie dominante" des Systems wären aber nur dann begründet, wenn die übrigen EWS-Notenbanken auch in Zukunft einen deutlich weniger stabilitätsorientierten Kurs als die Bundesbank ansteuerten. Bei einer wirklichen Konvergenz im wirtschaftspolitischen Handeln aller am Wechselkursverbund beteiligten Zentralbanken verliert das Problem einer dominanten Währung ganz von selbst an Bedeutung. Es sollte immerhin zu denken geben, daß aus der Schweiz eigentlich niemals eine hegemoniale Attitüde der Bundesbank beklagt, sondern eher immer wieder kritisiert wurde, daß die deutsche Geldpolitik in manchen Phasen nicht ausreichend stringent gewesen sei. Nimmt man die Gesamtkonstruktion des EWS, dann zeigt sich, daß das Regelwerk dem Ziel der Wechselkursstabilisierung eindeutig den Vorrang vor dem Ziel der Geldwertstabilität einräumt, für das im EWS-Vertrag keinerlei besondere Vorkehrungen getroffen wurden. Durch den Abweichungsindikator sollte außerdem dafür gesorgt werden, daß ein „Ausreißer" — insbesondere in stabilitätspolitischer Hinsicht — zur Anpassung an den Durchschnitt der übrigen Länder gezwungen wird. Dieser Mechanismus hat in der Folgezeit jedoch keine nennenswerte politische Bedeutung erlangt. Betrachtet man die Einzelregelungen des EWS, dann kommt eine etwas andere Verteilung der Anpassungsverpflichtungen zum Vorschein. Zunächst sind die Interventionspflichten so ausgestaltet, daß beim Erreichen der bilateralen Interventionspunkte sowohl das Land mit starker als auch das Land mit schwacher Währung zur Intervention verpflichtet ist. Dieser symmetrischen Interventionsverpflichtung entspricht jedoch eine asymmetrische Saldenausgleichsregelung. Bei der Intervention des Landes mit schwacher Währung ist es unmittelbar einleuchtend, daß daraus ein Schuldsaldo dieses Landes in der sehr kurzfristigen Finanzierung entsteht, der nach den EWS-Regeln innerhalb von 4 1/2 Monaten (bei Zustimmung der Gläubigernotenbank: von 7 1/2 Monaten) durch effektive Zahlung in der Form von Guthaben in Gläubigerwährung, von ECU-Währungsreserven oder von anderen primären Reserveaktiva zu erfüllen ist. Bei der Intervention durch das Land mit

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starker Währung wäre es zumindest theoretisch denkbar, daß dieses die erworbenen Devisenguthaben selbst hält, ohne dabei über einen Anspruch auf Saldenausgleich zu verfügen. Ein solches Verfahren kennzeichnete das Bretton Woods-System in seiner Spätphase.17 Es hätte zur Folge, daß sich das Land mit starker Währung an die Politik des Landes mit schwacher Währung anpassen muß. I m EWS sind die Verhältnisse jedoch anders gelagert. Erwirbt die Bundesbank im Zuge einer Franc-Stützungsaktion Franc-Guthaben, dann werden diese unmittelbar an den Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) übertragen, was zu einem ECU-Guthaben der Bundesbank führt. Der E F W Z gibt diese Franc-Guthaben an die Banque de France weiter und belastet diese in der sehr kurzfristigen Finanzierung mit dem Interventionsbetrag. Somit werden identische Saldenausgleichsverpflichtungen ausgelöst wie bei einer Intervention durch die französische Notenbank selbst. Insoweit sind die Mechanismen des EWS jedenfalls im Prinzip geeignet, eine Anpassungsverpflichtung der stabilitätsschwachen an die stabilitätsbewußteren Länder zu konstituieren. Da die D M bis heute die stärkste EWS-Währung gewesen ist, bieten diese Regelmechanismen des EWS eine gewisse Erklärung dafür, wieso sich im System letztlich eine gewisse Leitwährungsfunktion der D M herausgebildet hat. Ob dieser Anpassungszwang wirklich durchgreifende Wirkungen erzielt, hängt wesentlich davon ab, wie leicht es den Schwachwährungsländern möglich ist, sich die zum Saldenausgleich erforderlichen Mittel über die Euro-Märkte zu beschaffen. A u f jeden Fall wird dadurch die Offenheit des Systems — über die reichlich bemessenen EWS-Kreditfazilitäten, die größtenteils noch nicht einmal in Anspruch genommen werden mußten, hinaus — erheblich verstärkt. Insoweit muß das Urteil über die Implikationen eines EG-Finanz-Binnenmarktes für die Anpassungsmodalitäten der am Wechselkursverbund beteiligten Länder in der Schwebe bleiben. Die Länder mit traditionell schwachen Währungen werden voraussichtlich den Druck zur Konvergenz in die Richtung der deutschen Wirtschaftspolitik wachsen sehen. Aus deutscher Sicht dürften eher die verbleibenden stabilitätspolitischen Risiken des EWS ins Zentrum gerückt werden. A m deutschen Engagement für freie Finanzmärkte wird sich dadurch jedoch wohl kaum etwas ändern. In einigen der übrigen Länder könnte sich die befürchtete noch größere Abhängigkeit von der D M allerdings als ein erhebliches Hemmnis für weitere Liberalisierungsfortschritte erweisen. V. Ausblick Versucht man also den Prozeß der weiteren Kapitalverkehrsliberalisierung in Europa realistisch einzuschätzen, dann dürfte die für diesen Beitrag ge17

19*

Siehe dazu Peter Bofinger (1985).

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wählte Prämisse eines wirklichen Binnenmarktes für europäische Finanzdienstleistungen wohl kaum die wahrscheinlichste Entwicklung bis zum Jahr 1992 darstellen, zumal trotz der in den letzten Jahren zu beobachtenden Konvergenz nach wie vor erhebliche Unterschiede in den wirtschaftspolitischen Konzeptionen der EG-Mitgliedsländer bestehen. Wenn dem so ist, dann sind die Aussichten für einen echten Binnenmarkt mit „finanzieller Dimension" 1 * in Europa nicht allzu günstig. Realistischer scheint ein Prozedere zu sein, wie es in den Liberalisierungsrichtlinien und Programmen der EG-Kommission wie auch des Europäischen Parlaments schon heute angelegt ist: Der Finanz-Binnenmarkt im Sinne des Wortes würde demnach vorerst nur „auf dem Papier" existieren. Die Freiheit des Kapitalvcrkehrs — insoweit sie überhaupt Realität wird — dürfte sich allenfalls als eine Schönwetterveranstaltung erweisen, die bei allfälligen Diskrepanzen der Wirtschaftspolitik und damit zwangsläufig einhergehenden spekulativen Kapitalbewegungen jederzeit durch „Schutzklauseln" suspendiert werden kann. Insofern werden sich dann die hier abgeleiteten Implikationen für das geldpolitische Instrumentarium, insbesondere der Deutschen Bundesbank, auch nicht in voller Konsequenz zeigen. Man mag dies unter dem Aspekt der Effizienz der deutschen Stabilitätspolitik nicht sonderlich bedauern. Unter dem Gesichtspunkt der europäischen Integration sollte man jedoch die wirtschaftliche Kraft, die ein wirklicher Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen entfalten könnte, nicht gering schätzen, zumindest dann, wenn dieser Markt von Notenbanken gesteuert wird, die ihre Politik am Ziel der Geldwertstabilität ausrichten. Halbherzige Schritte sind schon deshalb wenig ratsam, weil sich ein europäischer Finanz-Binnenmarkt — wie er auch immer definitiv ausgestaltet sein mag — zwangsläufig im Wettbewerb mit anderen internationalen Finanzzentren behaupten muß. 1 9 Die spezifischen Vorteile, die ein gemeinsamer Geld- und Kapitalmarkt in Europa aufweisen könnte, würden sich nur dann auswirken, wenn auf alle Binnengrenzen uneingeschränkt verzichtet wird. Bliebe es im Raum der Europäischen Gemeinschaft bei letztlich doch mehr oder weniger segmentierten Märkten, dann fehlte dem finanziellen „Binnenmarkt" die Tiefe und die Vielfalt, die beispielsweise die Finanzmärkte der Vereinigten Staaten auszeichnen.

EG-Kommission (1985), Ziffer 125. Es wird hierbei unterstellt, daß es in einem europäischen Finanz-Binnenmarkt keine Kapitalverkehrsbeschränkungen gegenüber Drittländern gibt, da dies für jene EG-Länder mit bereits völlig liberalisierten Finanzmärkten einen erheblichen Rückschritt bedeuten würde. ,g

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Verzeichnis der Autoren Bofinger, Peter, Dr., Landeszentralbank in Baden-Württemberg, Postfach 207, 7000 Stuttgart 1 Carstensen, Meinhard, Dresdner Bank A G Frankfurt, Jürgen-Ponto-Platz 1, 6000 Frankfurt 11 Duwendag, Dieter, Prof. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Lehrstuhl für Staatswissenschaften II, Freiherr-vom-Stcin-Str. 2, 6720 Speyer Ehrlicher, Werner, Prof. Dr., Institut für das Spar-, Giro- und Kreditwesen an der Universität Freiburg, Günterstalstr. 49, 7800 Freiburg Francke, Hans-Hermann, Prof. Dr., Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Finanzwissenschaft, Postfach 700822, 2000 Hamburg 70 Friedmann, Willy, Dr., Deutsche Bundesbank, Wilhelm-Epstein-Str. 14,6000 Frankfurt Geiger, Helmut, Dr. h. c., Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., Simrockstr. 4, 5300 Bonn 1 Hansmeyer, Karl-Heinrich, Prof. Dr., Universität zu Köln, Seminar für Finanzwissenschaft, Albertus-Magnus-Platz, 5000 Köln 41 Issing, Otmar, Prof. Dr., Universität Würzburg, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen, Sanderring 2, 8700 Würzburg Kloten, Norbert, Prof. Dr. h. c., Landeszentralbank in Baden-Württemberg, Postfach 207, 7000 Stuttgart 1 Neumann, Manfred J. M., Prof. Dr., Universität Bonn, Institut für Stabilisierungs- und Strukturpolitik, Lennéstr. 37, 5300 Bonn Pohl, Reinhard, Dr., Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, Königin-Luise-Str. 5, 1000 Berlin 33 Pohl, Rüdiger, Prof. Dr., Fernuniversität Gesamthochschule Hagen, Feithstr. 188, 5800 Hagen Schlesinger, Helmut, Prof. Dr., Deutsche Bundesbank, Wilhelm-Epstein-Str. 14, 6000 Frankfurt Schwebler, Robert, Prof. Dr., Karlsruher Lebensversicherung A G , FriedrichScholl-Platz, 7500 Karlsruhe 1

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Simmert, Diethard Β., Dr., Commerzbank A G Frankfurt, Große Gallusstr. 17-19, 6000 Frankfurt 1 Thomas, Karl, Dr., Deutsche Bundesbank, Wilhelm-Epstein-Str. 14, 6000 Frankfurt