338 128 12MB
German Pages 1692 [1694] Year 2023
Großkommentare der Praxis
BRUCK/MÖLLER
Versicherungsvertragsgesetz
Großkommentar 10., völlig neu bearbeitete Auflage herausgegeben von Roland Michael Beckmann und Robert Koch vormals mit herausgegeben von Horst Baumann (†), Katharina Johannsen (†) und Ralf Johannsen (†) Fünfter Band Haftpflichtversicherung AHB 2016; Privat-, Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflicht; Umweltschaden; Rückrufkosten; Cyberversicherung; BBR IT-Dienstleister; BetrH IT Bearbeiter: Robert Koch Sachregister: Christian Klie
Stand der Bearbeitung: September 2022 Zitiervorschläge: Bruck/Moller/Koch Bd. 5 AHB 2016 Ziff. 1 Rn. 11 Bruck/Möller/Koch Bd. 5 A1-6 AVB PHV Rn. 2
ISBN 978-3-11-052039-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-052268-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-052085-9 Library of Congress Control Number: 2022942174 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: C.H. Beck www.degruyter.com
Verzeichnis der Bearbeiter der 10. Auflage Erwin Abele, ehem. Rechtsanwalt in München Dr. Christian Armbrüster, Professor an der Freien Universität Berlin, Richter am Kammergericht a.D. Dr. Frank Baumann, LL.M., Rechtanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hamm Dr. Horst Baumann (†), emeritierter Professor an der Technischen Universität Berlin Dr. Roland Michael Beckmann, Professor an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Dr. Oliver Brand, LL.M. (Cambridge), Professor an der Universität Mannheim Dr. Alexander Bruns, LL.M. (Duke Univ.), Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Dr. Christoph Brömmelmeyer, Professor an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Charlotte Echarti, Bereichsleiterin Run Off Solutions, E+S Rückversicherung AG, Hannover Christiane Eifler, LL.M., Rechtsanwältin in Nürnberg Anne Fischer, LL.M., Rechtsanwältin in Düsseldorf Dr. Alexander Figl, Rechtsanwaltsanwärter in Wien Dr. Thomas Gädtke, Rechtsanwalt in München und Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians Universität München Dr. Jens Gal, Maître en droit (Lyon 2), Privatdozent und Lehrstuhlvertreter an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main Dr. Maximilian Guth, LL.M. (Southampton), Rechtsanwalt in Hamburg, Solicitor of England & Wales Dr. Olaf Hartenstein, D.E.A. (Sorbonne), LL.M. (Assas), Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Dr. h.c. Helmut Heiss, LL.M., Professor an der Universität Zürich und Rechtsanwalt in Zürich Dr. Jörg Henzler, Rechtsanwalt in Stuttgart Dr. Harald Herrmann, emeritierter Professor an der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg Dr. Detlef A. Huber, Rechtsanwalt in Freiburg i.Br. Jens Jaeger, Rechtsanwalt in Hamburg, Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg Dr. Ralf Johannsen (†), Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Katharina Johannsen (†), Vorsitzende Richterin am Hanseatischen OLG a.D., Hamburg Dr. Rocco Jula, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Berlin Dr. Kai-Oliver Knops, Professor an der Universität Hamburg Dr. Robert Koch, LL.M. (McGill), Professor an der Universität Hamburg Dr. Hubertus W. Labes, Rechtsanwalt in Hamburg, Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg Dr. Mark Makowsky, Professor an der Universität Mannheim Dr. Annemarie Matusche-Beckmann, Professorin an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Dr. Ernst Niederleithinger, Ministerialdirektor beim Bundesministerium der Justiz a.D., Honorarprofessor der Ruhr-Universität Bochum Dr. Stefan Perner, Professor und Vorstand am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien Jürgen Raab, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Jens-Berghe Riemer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie Transport- und Speditionsrecht in München Dr. Claus von Rintelen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hamburg Dr. Christian Rolfs, Professor an der Universität zu Köln Dr. Christian Schneider, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Köln Dr. Winfried Schnepp, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Köln Arno Schubach, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Frankfurt am Main Dr. Dieter Schwampe, Professor an der Universität Hamburg, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Ansgar Staudinger, Professor an der Universität Bielefeld V https://doi.org/10.1515/9783110522686-001
Verzeichnis der Bearbeiter der 10. Auflage
Dr. Wolfgang Voit, Professor an der Philipps-Universität Marburg Dr. Isabelle Vonkilch, Universitätsassistentin an der Wirtschaftsuniversität Wien Dr. Conrad Waldkirch, akademischer Rat a.Z. an der Universität Mannheim Dr. Gerrit Winter (†), emeritierter Professor an der Universität Hamburg Dr. Moritz Zoppel, LL.M. (Cambridge), Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien
VI
Vorwort Mit der 10. Auflage des Bruck/Möller geht eine Anpassung der Bandzuschnitte einher, die zum einen sachlichen Gesichtspunkten geschuldet ist und zum anderen dazu dient, den Seitenumfang der einzelnen Bände zu vereinheitlichen. Deshalb haben die in der Vorauflage im Band 4 zusammen mit den gesetzlichen Vorschriften über die Haftpflichtversicherung kommentierten Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB) und die Bedingungswerke der Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung sowie der Umweltschadensversicherung Eingang in Band 5 gefunden. Erweitert wurde die Kommentierung um die Bedingungswerke der Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung sowie der Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung für Hersteller- und Handelsbetriebe (ProdRückRM) und Kfz-Teile-Zulieferer (KfzRückRM). Sie werden auf Basis der unverbindlichen Musterbedingungen des GDV – jeweils unter Einschluss der neu strukturierten durchgeschriebenen AHB-losen Musterbedingungen, die gesondert behandelt werden – kommentiert. Darüber hinaus werden die IT-Dienstleisterhaftpflichtversicherung und die Betriebshaftpflichtversicherung für die Nutzer von Internet-Technologien (BetrH IT) sowie die Cyberversicherung (AVB Cyber) auf Basis der unverbindlichen Musterbedingungen des GDV kommentiert. Damit deckt Band 5 alle wesentlichen Haftpflichtsparten außerhalb der Berufshaftpflicht und die Cyberversicherung ab. Alleiniger Autor ist Robert Koch. Rechtsprechung und Schrifttum sind auf dem Stand September 2022. Soweit möglich, wurden auch spätere Entscheidungen und Aufsätze berücksichtigt. Für Kritik und Verbesserungsvorschläge sind Verlag und Herausgeber dankbar. Saarbrücken und Hamburg im November 2022 Roland Michael Beckmann
VII https://doi.org/10.1515/9783110522686-002
Robert Koch
Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Bearbeiter der 10. Auflage V VII Vorwort Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Teil 1 Einleitung
XXI
1
Teil 2 29 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB 2016) 34 Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall 92 Ziff. 2 Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen 99 Ziff. 3 Versichertes Risiko 109 Ziff. 4 Vorsorgeversicherung 126 Ziff. 5 Leistungen der Versicherung 205 Ziff. 6 Begrenzung der Leistungen 229 Ziff. 7 Ausschlüsse 374 Ziff. 8 Beginn des Versicherungsschutzes 376 Ziff. 9 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag 378 Ziff. 10 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag 380 Ziff. 11 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat 382 Ziff. 12 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung 384 Ziff. 13 Beitragsregulierung 391 Ziff. 14 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung 392 Ziff. 15 Beitragsangleichung 396 Ziff. 16 Dauer und Ende des Vertrages 398 Ziff. 17 Wegfall des versicherten Risikos 401 Ziff. 18 Kündigung nach Beitragsangleichung 402 Ziff. 19 Kündigung nach Versicherungsfall 407 Ziff. 20 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen Ziff. 21 Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvor409 schriften 411 Ziff. 22 Mehrfachversicherung 413 Ziff. 23 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN 418 Ziff. 24 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles 423 Ziff. 25 Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles 448 Ziff. 26 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 450 Ziff. 27 Mitversicherte Person 457 Ziff. 28 Abtretungsverbot 459 Ziff. 29 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung 461 Ziff. 30 Verjährung 463 Ziff. 31 Zuständiges Gericht 465 Ziff. 32 Anzuwendendes Recht 467 Ziff. 33 Begriffsbestimmung Teil 3 Privathaftpflichtversicherung A. Tarifstruktur IX – Privathaftpflicht (BBR PHV) 469 Vorbemerkung Ziff. 1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) IX
471
Inhaltsverzeichnis
Ziff. 2 Ziff. 3 Ziff. 4 Ziff. 5 Ziff. 6 Ziff. 7 Ziff. 8 Ziff. 9 Ziff. 10
Mitversicherte Personen 514 521 Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge 543 Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung Versicherungsfälle im Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod des 551 VN 560 Mitversicherung von Vermögensschäden Öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden 563 gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG) 568 Forderungsausfalldeckung 576 Beitrag 577 Zusatzbaustein für Ansprüche aus Benachteiligungen für Privatpersonen
B. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung 586 (AVB PHV) 588 Vorbemerkung Teil A A1 Privathaftpflichtrisiko 589 A1-1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versi590 cherten (VN und mitversicherten Personen) 594 A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall 596 A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR A1-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, 597 Serienschaden, Selbstbeteiligung) A1-6 Besondere Regelungen für einzelne private Risiken (Versicherungsschutz, Risiko599 begrenzungen und besondere Ausschlüsse) 616 A1-7 Allgemeine Ausschlüsse 626 A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) 627 A1-9 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) 629 A1-10 Fortsetzung der Privathaftpflichtversicherung nach dem Tod des VN 630 A2 Besondere Umweltrisiken 631 A2-1 Gewässerschäden 635 A2-2 Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG) 637 A3 Forderungsausfallrisiko Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A 640 A(GB)-1 Abtretungsverbot A(GB)-2 Veränderungen des versicherten Risikos und Auswirkung auf den Beitrag (Bei641 tragsregulierung) 642 A(GB)-3 Beitragsangleichung und Kündigungsrecht nach Beitragsangleichung 644 A(GB)-4 Schiedsgerichtsvereinbarungen (gilt nicht für private Haftpflichtrisiken) Teil B Allgemeiner Teil 645 B1-1 Beginn des Versicherungsschutzes 646 B1-2 Beitragszahlung, Versicherungsperiode B1-3 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags, Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzah647 lung 649 B1-4 Folgebeitrag 651 B1-5 Lastschriftverfahren 652 B1-6 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung 654 B2-1 Dauer und Ende des Vertrags 655 B2-2 Kündigung nach Versicherungsfall 656 B2-3 Veräußerung und deren Rechtsfolgen 658 B3-1 Anzeigepflichten des VN oder seines Vertreters bis zum Vertragsschluss X
Inhaltsverzeichnis
B3-2 B3-3 B4-1 B4-2 B4-3 B4-4 B4-5 B4-6 B4-7
Gefahrerhöhung (gilt nur für die Sachversicherung) 661 661 Obliegenheiten des VN 664 Mehrere VR, Mehrfachversicherung 665 Erklärungen und Anzeigen, Anschriftenänderung 666 Vollmacht des Versicherungsvertreters 667 Verjährung 668 Örtlich zuständiges Gericht 669 Anzuwendendes Recht 669 Embargobestimmung
Teil 4 Betriebshaftpflichtversicherung 671 A. Tarifstruktur Allgemeiner Teil AT – Betriebshaftpflicht (BBR BHV) 672 Vorbemerkung Ziff. 7 Deckungsumfang 673 Ziff. 7.1 Betriebshaftpflichtversicherung 704 Ziff. 7.2 Berufshaftpflichtversicherung 705 Ziff. 7.3 Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung 709 Ziff. 7.4 Nicht versicherte Risiken 721 Ziff. 7.5 Mitversicherung des Kfz-Haftpflichtrisikos 724 Ziff. 7.6 Weitere Regelungen Ziff. 7.7 Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung Ziff. 7.8 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Ziff. 7.9 Nachhaftungsversicherung für Betriebs- und Berufshaftpflichtversiche757 rung 760 Ziff. 7.10 Gewässerschaden- und Umweltrisiko
748 757
B. A1 AVB BHV (Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebshaftpflichtversicherung 761 (AVB BHV) 763 Hinweise [des Musterbedingungsgebers] zum Aufbau und zur Anwendung 763 Vorbemerkung Teil A A1 Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-1 Versicherte Eigenschaften, Rechtsverhältnisse, Tätigkeiten, Betriebsstät765 ten A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versi766 cherten 769 A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall 771 A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR 772 A1-5 Begrenzung der Leistungen 774 A1-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken 775 A1-6.1 Sozial- und Sicherheitseinrichtungen 776 A1-6.2 Haus- und Grundbesitz 777 A1-6.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht 778 A1-6.4 Abhandenkommen von Sachen 780 A1-6.5 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger 781 A1-6.6 Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen 783 A1-6.7 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen 787 A1-6.8 Schäden im Ausland XI
Inhaltsverzeichnis
A1-6.9 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden 788 789 A1-6.10 Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften 791 A1-6.11 Schäden durch Strahlen 792 A1-6.12 Vermögensschäden A1-6.13 Schäden durch Verletzung von Datenschutzgesetzen sowie durch Übertragung 794 elektronischer Daten 798 A1-6.14 Geothermie 799 A1-7 Allgemeine Ausschlüsse 799 A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Arbeiten und sonstigen Leis800 tungen 800 A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander A1-7.4 Schadensfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers, gesetzlichen Vertre801 tern, Gesellschaftern und anderen Personen 802 A1-7.5 Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leis803 tungen 804 A1-7.7 Asbest 804 A1-7.8 Gentechnik 805 A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen 805 A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen 806 A1-7.11 Übertragung von Krankheiten 807 A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen 807 A1-7.13 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb 808 A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger 809 A1-7.15 Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze 810 A1-7.16 Wasserfahrzeuge 811 A1-7.17 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb 811 A1-7.18 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt 812 A1-7.19 Entschädigungen mit Strafcharakter 812 A1-7.20 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen 813 A1-7.21 Arzneimittel 813 A1-7.22 Sprengstoffe, Feuerwerke 814 A1-7.23 Brennbare und explosible Stoffe 814 A1-7.24 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen 815 A1-7.25 Umweltrisiko 817 A1-7.26 Produkthaftpflichtrisiko 817 A1-7.27 Kommissionsware 818 A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos 819 A1-9 Neu hinzukommende Risiken 821 A1-10 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe 822 Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A 823 Teil B Allgemeiner Teil Teil 5 Produkthaftpflichtversicherung A. Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell) (ProdHM) 825 Inhaltsverzeichnis 827 Vorbemerkung 830 Einleitung XII
Inhaltsverzeichnis
Ziff. 1 Ziff. 2 Ziff. 3 Ziff. 4 Ziff. 5 Ziff. 6 Ziff. 7 Ziff. 8 Ziff. 9 Ziff. 10
Gegenstand der Versicherung 832 843 Versichertes Risiko 845 Mitversicherte Personen 846 Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes 918 Auslandsdeckung 919 Risikoabgrenzungen 939 Zeitliche Begrenzung 942 Versicherungsfall und Serienschaden 947 Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt 949 Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken
B. A3 AVB BHV (Produkthaftpflichtrisiko) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung 951 (AVB BHV) 952 Vorbemerkung 953 Präambel 954 A3-1 Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko A3-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versi955 cherten 957 A3-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall 959 A3-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des Versicherers 960 A3-5 Begrenzung der Leistungen A3-6 Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken, deren Risikobegren962 zungen und besondere Ausschlüsse 968 A3-7 Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen 976 A3-8 Allgemeine Ausschlüsse 976 A3-8.1 Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden A3-8.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und 977 sonstigen Leistungen 977 A3-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander A3-8.4 Schadensfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers, gesetzlichen Vertre978 tern, Gesellschaftern und anderen Personen A3-8.5 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leis979 tungen 979 A3-8.6 Asbest 980 A3-8.7 Gentechnik 980 A3-8.8 Rechtsmängel 980 A3-8.9 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen 981 A3-8.10 Abwässer, Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen 981 A3-8.11 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb 982 A3-8.12 Übertragung von Krankheiten 982 A3-8.13 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger 983 A3-8.14 Luft- und Raumfahrzeuge 984 A3-8.15 Wasserfahrzeuge 984 A3-8.16 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb 985 A3-8.17 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt 985 A3-8.18 Entschädigungen mit Strafcharakter 986 A3-8.19 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen 986 A3-8.20 Arzneimittel 987 A3-8.21 Sprengstoffe, Feuerwerke 987 A3-8.22 Brennbare und explosible Stoffe XIII
Inhaltsverzeichnis
A3-8.23 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen 988 989 A3-8.24 Ansprüche nach Umweltschadensgesetz A3-8.25 Schäden im Zusammenhang mit dem Austausch, der Übermittlung und der Bereit990 stellung elektronischer Daten 990 A3-8.26 Erprobungsklausel 991 A3-8.27 Kommissionsware 991 A3-8.28 Umweltrisiko 992 A3-9 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) 994 A3-10 Neu hinzukommende Risiken 996 A3-11 Zeitliche Begrenzung 998 Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A 998 Teil B Allgemeiner Teil Teil 6 Umwelthaftpflichtversicherung A. Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Modell) 999 (UmweltHM) 1000 Vorbemerkung 1002 Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1010 Ziff. 2 Versicherte Risiken Ziff. 3 Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risi1031 ken 1036 Ziff. 4 Versicherungsfall 1038 Ziff. 5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 1050 Ziff. 6 Nicht versicherte Tatbestände 1065 Ziff. 7 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt 1069 Ziff. 8 Nachhaftung 1075 Ziff. 9 Versicherungsfälle im Ausland 1080 Ziff. 10 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden B.
UHV-Basis
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung im Rahmen der Betriebs- und Berufs-Haftpflichtversicherung (Umwelthaftpflicht-Basisversicherung)(UHV Basis) 1081 Vorbemerkung 1083 Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1084 Ziff. 2 Versicherte Risiken Ziff. 3 Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risi1085 ken 1085 Ziff. 4 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Risiken 1085 Ziff. 5 Versicherungsfall 1086 Ziff. 6 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 1088 Ziff. 7 Nicht versicherte Tatbestände 1090 Ziff. 8 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt 1091 Ziff. 9 Nachhaftung 1091 Ziff. 10 Versicherungsfälle im Ausland 1092 Ziff. 11 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden
XIV
Inhaltsverzeichnis
C.
A2-1 AVB BHV Umwelthaftpflichtversicherung 1093 Vorbemerkung 1094 A2-1.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz 1099 A2-1.2 Versicherungsfall 1100 A2-1.3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls 1102 A2-1.4 Begrenzung der Leistungen 1103 A2-1.5 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken 1106 A2-1.6 Ausschlüsse für Schäden durch Umwelteinwirkung 1108 A2-1.7 Veränderungen des versicherten Risikos 1108 A2-1.8 Neu hinzukommende Risiken 1109 A2-1.9 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe
D.
A2 AVB BHV (Umweltrisikoversicherung) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung 1110 (AVB BHV) 1111 Vorbemerkung 1112 Begriffsbestimmungen 1114 A2-1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicher1118 ten 1119 A2-3 Versicherungsfall 1120 A2-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR 1122 A2-5 Begrenzung der Leistungen 1125 A2-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken 1134 A2-7 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls 1137 A2-8 Allgemeine Ausschlüsse 1147 A2-9 Veränderungen des versicherten Risikos 1149 A2-10 Neu hinzukommende Risiken 1151 A2-11 Nachhaftung A2-12 Obliegenheiten des VN bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Ein1152 tritt eines solchen 1154 A2-13 Zusatzbaustein 1 zum Umweltschadens-Risiko 1156 A2-14 Zusatzbaustein 2 zum Umweltschadens-Risiko
Teil 7 Umweltschadensversicherung A.
XV
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung 1159 (USV) 1160 Vorbemerkung 1162 Hinweise zur Struktur der USV I. Grunddeckung 1163 Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1170 Ziff. 2 Umfang der Versicherung/Versicherte Risiken 1174 Ziff. 3 Betriebsstörung 1179 Ziff. 4 Leistungen der Versicherung 1181 Ziff. 5 Versicherte Kosten 1184 Ziff. 6 Erhöhungen und Erweiterungen 1187 Ziff. 7 Neue Risiken 1188 Ziff. 8 Versicherungsfall 1189 Ziff. 9 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 1193 Ziff. 10 Nicht versicherte Tatbestände
Inhaltsverzeichnis
Ziff. 11 Ziff. 12 Ziff. 13 Ziff. 14 Ziff. 15 Ziff. 16 Ziff. 17 Ziff. 18 Ziff. 19 Ziff. 20 Ziff. 21 Ziff. 22 Ziff. 23 Ziff. 24 Ziff. 25 Ziff. 26 Ziff. 27 Ziff. 28 Ziff. 29 Ziff. 30 Ziff. 31 Ziff. 32 Ziff. 33 Ziff. 34 Ziff. 35 Ziff. 36 II. III. B.
Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt 1202 1204 Nachhaftung 1205 Versicherungsfälle im Ausland 1207 Beginn des Versicherungsschutzes 1207 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag 1208 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag 1208 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat 1209 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung 1209 Beitragsregulierung 1209 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung 1210 Dauer und Ende des Vertrages 1210 Wegfall des versicherten Risikos 1210 Kündigung nach Versicherungsfall 1211 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschrif1212 ten 1212 Mehrfachversicherung 1213 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN 1214 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles Obliegenheiten bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt 1215 eines solchen 1216 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 1217 Mitversicherte Personen 1217 Abtretungsverbot 1217 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung 1218 Verjährung 1218 Zuständiges Gericht 1218 Anzuwendendes Recht 1219 USV-Zusatzbaustein 1 1224 USV-Zusatzbaustein 2
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadens-Basisversicherung 1227 (USV Basis) 1228 Vorbemerkung 1229 Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1230 Ziff. 2 Risikobegrenzung 1230 Ziff. 3 Betriebsstörung 1231 Ziff. 4 Leistungen der Versicherung 1232 Ziff. 5 Versicherte Kosten 1233 Ziff. 6 Erhöhungen und Erweiterungen 1233 Ziff. 7 Neue Risiken 1234 Ziff. 8 Versicherungsfall 1234 Ziff. 9 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 1236 Ziff. 10 Nicht versicherte Tatbestände 1238 Ziff. 11 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt 1238 Ziff. 12 Nachhaftung 1239 Ziff. 13 Versicherungsfälle im Ausland 1240 Ziff. 14 Beginn des Versicherungsschutzes 1240 Ziff. 15 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag 1241 Ziff. 16 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag 1241 Ziff. 17 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei Lastschriftermächtigung 1241 Ziff. 18 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung XVI
Inhaltsverzeichnis
Ziff. 19 Ziff. 20 Ziff. 21 Ziff. 22 Ziff. 23 Ziff. 24 Ziff. 25
Beitragsregulierung 1242 1242 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung 1243 Dauer und Ende des Vertrages 1243 Wegfall des versicherten Risikos 1243 Kündigung nach Versicherungsfall 1244 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschrif1244 ten 1245 Ziff. 26 Mehrfachversicherung 1246 Ziff. 27 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN 1248 Ziff. 28 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 29 Obliegenheiten bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt ei1248 nes solchen 1249 Ziff. 30 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 1250 Ziff. 31 Mitversicherte Personen 1250 Ziff. 32 Abtretungsverbot 1250 Ziff. 33 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung 1250 Ziff. 34 Verjährung 1251 Ziff. 35 Zuständiges Gericht 1251 Ziff. 36 Anzuwendendes Recht 1251 Hinweise zu UHV Basis C.
A2-2 AVB BHV Umweltschadensversicherung 1252 Vorbemerkung 1253 A2-2.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-2.2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicher1255 ten 1256 A2-2.3 Betriebsstörung 1256 A2-2.4 Versicherungsfall 1257 A2-2.5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls 1259 A2-2.6 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR 1260 A2-2.7 Versicherte Kosten 1262 A2-2.8 Begrenzung der Leistungen 1264 A2-2.9 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken 1267 A2-2.10 Ausschlüsse für Umweltschäden 1272 A2-2.11 Veränderungen des versicherten Risikos 1273 A2-2.12 Neu hinzukommende Risiken 1274 A2-2.13 Nachhaftung A2-2.14 Obliegenheiten des VN bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach 1275 Eintritt eines solchen 1277 A2-2.15 USV-Zusatzbaustein I 1279 A2-2.16 USV-Zusatzbaustein 2
D.
A2 AVB BHV (Umweltrisikoversicherung) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung 1281 (AVB BHV) 1282 Vorbemerkung 1321 Hinweise
XVII
Inhaltsverzeichnis
Teil 8 Rückrufkostenversicherung Vorbemerkung zur Rückrufkostenversicherung
1323
A.
Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung für Hersteller- und Handelsbetriebe (ProdRückRM) 1325 Einleitung zum ProdRückRM 1327 Ziff. 1 Gegenstand des Versicherungsschutzes 1331 Ziff. 2 Versicherungsfall 1335 Ziff. 3 Umfang des Versicherungsschutzes 1344 Ziff. 4 Versichertes Risiko 1344 Ziff. 5 Mitversicherte Personen 1345 Ziff. 6 Risikobegrenzungen/Ausschlüsse 1348 Ziff. 7 Versicherungssumme 1348 Ziff. 8 Serienschaden 1348 Ziff. 9 Selbstbehalt 1348 Ziff. 10 Zeitliche Begrenzung 1349 Ziff. 11 Auslandsrisiken 1349 Ziff. 12 Vorsorgeversicherung 1349 Ziff. 13 Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos 1350 Ziff. 14 Vertragsdauer
B.
A4 AVB BHV Rückrufkostenrisiko für Hersteller- und Handelsbetriebe Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung 1351 (AVB BHV) 1363 Hinweise
C.
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung für Kfz-Teile-Zulieferer (KfzRückRM) 1364 Vorbemerkung 1366 Ziff. 1 Gegenstand des Versicherungsschutzes 1367 Ziff. 2 Versicherungsfall 1369 Ziff. 3 Umfang des Versicherungsschutzes 1374 Ziff. 4 Versichertes Risiko 1374 Ziff. 5 Mitversicherte Personen 1375 Ziff. 6 Risikobegrenzungen/Ausschlüsse Ziff. 7 Maßnahmen und Kosten im Vorfeld der Gefahrenabwehr (Vorfeldschäden) 1376 (fakultativ) 1379 Ziff. 8 Aus- und Einbaukosten außerhalb der Gefahrenabwehr (fakultativ) 1383 Ziff. 9 Versicherungssumme 1383 Ziff. 10 Serienschaden 1383 Ziff. 11 Selbstbehalt 1383 Ziff. 12 Zeitliche Begrenzung 1384 Ziff. 13 Auslandsrisiken 1384 Ziff. 14 Vorsorgeversicherung 1385 Ziff. 15 Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos 1385 Ziff. 16 Vertragsdauer
D.
A5 AVB BHV Rückrufkostenrisiko für Kfz-Teile-Zulieferer Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung 1386 (AVB BHV) 1404 Hinweise
XVIII
Inhaltsverzeichnis
Teil 9 IT-Risiken A.
Zusatzbedingungen zur Betriebshaftpflichtversicherung für die Nutzer von Internet-Technolo1405 gien (BetrH IT) 1406 Ziff. 1 Vertragsgrundlagen 1407 Ziff. 2 Versichertes Risiko 1409 Ziff. 3 Mitversicherte Personen 1409 Ziff. 4 Versicherungssumme/Serienschaden 1410 Ziff. 5 Auslandsschäden 1410 Ziff. 6 Nicht versicherte Risiken 1411 Ziff. 7 Ausschlüsse/Risikoabgrenzungen
B.
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung von IT1412 Dienstleistern 1414 Vorbemerkung 1415 Ziff. 1 Allgemeine Vereinbarungen 1436 Ziff. 2. Betriebsstättenrisiko 1439 Ziff. 3. Produkt-/Leistungsrisiko 1458 Ziff. 4. Umweltrisiko
Teil 10 Cyberversicherung A.
XIX
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Cyberrisiko-Versicherung 1459 (AVB Cyber) 1463 Vorbemerkung 1471 A1 Basis-Baustein 1471 A1-1 Gegenstand der Versicherung 1472 A1-2 Informationssicherheitsverletzung 1481 A.1-3 Vermögensschaden 1484 A1-4 Versicherungsfall/Versicherter Zeitraum 1486 A1-5 Nachhaftung 1488 A1-6 Rückwärtsdeckung 1490 A1-7 Versicherungsnehmer/Mitversicherte A1-8 Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Mitversicherten/Ausübung der Rechte 1491 aus diesem Versicherungsvertrag/Erfüllung von Obliegenheiten 1492 A1-9 Repräsentantenbegriff 1494 A1-10 Versicherungsort, Betriebsstätten 1495 A1-11 Geltungsbereich 1496 A1-12 Vorrangige Versicherung 1507 A1-13 Fälligkeit der Entschädigungsleistung 1510 A1-14 Abtretung des Entschädigungsanspruchs 1512 A1-15 Selbstbeteiligungen, Serienschaden A1-16 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles zur Gewährleistung der IT-Sicher1514 heit 1519 A1-17 Allgemeine Ausschlüsse 1533 A2 Service und Kosten-Baustein 1537 A2-1 Forensik/Schadenfeststellungskosten 1540 A2-2 Versicherte Kosten im Versicherungsfall 1543 A.2-3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls
Inhaltsverzeichnis
A3 A3-1 A3-2 A3-3 A3-4 A3-5 A3-6 A3-7 A4 A4-1 A4-2
Drittschaden-Baustein 1546 1546 Gegenstand der Versicherung 1548 Vertragserfüllung 1548 Ansprüche außerhalb der gesetzlichen Haftpflicht 1549 Erweiterte Deckungsbausteine 1554 Leistung der Versicherung/Vollmacht des VR 1555 Begrenzung der Leistung 1557 Besondere Ausschlüsse 1559 Eigenschaden-Baustein 1560 Betriebsunterbrechung/Ertragsausfall 1566 Wiederherstellung von Daten
1570 Teil B Allgemeiner Teil der Cyberrisiko-Versicherung B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung 1571 B1-1 Beginn des Versicherungsschutzes 1571 B1-2 Beitragszahlung, Versicherungsperiode B1-3 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags, Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzah1571 lung 1572 B1-4 Folgebeitrag 1572 B1-5 Lastschriftverfahren 1573 B1-6 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung B2 Dauer und Ende des Vertrags/Kündigung 1574 B2-1 Dauer und Ende des Vertrags 1574 B2-2 Kündigung nach Versicherungsfall 1575 B2-3 Veräußerung und deren Rechtsfolgen B3 Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten B3-1 Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers oder seines Vertreters bis zum Vertrags1577 schluss 1579 B3-2 Gefahrerhöhung 1581 B3-3 Obliegenheiten bei und nach Eintritt des Versicherungsfalls 1582 B3-4 Rechtsfolgen bei Obliegenheitsverletzung B4 Weitere Regelungen 1584 B4-1 Mehrere Versicherer, Mehrfachversicherung 1584 B4-2 Erklärungen und Anzeigen, Anschriftenänderung 1585 B4-3 Vollmacht des Versicherungsvertreters 1585 B4-4 Verjährung 1586 B4-5 Örtlich zuständiges Gericht 1586 B4-6 Anzuwendendes Recht 1586 B4-7 Embargobestimmung B.
Cyber-Assistanceleistungen (CyberAss) 1587 Vorbemerkung 1587 Ziff. 1 Cyber-Mobbing 1589 Ziff. 2 Identitätsmissbrauch Ziff. 3 Datenwiederherstellung nach Datenverlust
Sachregister
1590
1595
XX
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur a.A. a.a.O. ABBV ABE ABG ABGB abgedr. ABGF Abk. abl. ABl. ABMG ABN ABRK ABRV ABS Abs. Abschlussbericht Abschn. ABU ABVerm abw. AcP a.E. AEB ÄndG ÄndVO AERB AEUV AFB a.F. AG AGG AGBG AGlB AHagB AHB AKB AktG ALB allg. allg.M. Alt. AltZertG a.M. AMB AMBUB AMG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeine Bedingungen für die Baubestandsversicherung Allgemeine Bedingungen für die Elektronikversicherung Allgemeine Bedingungen für die Kaskoversicherung von Baugeräten Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) abgedruckt Allgemeine Bedingungen für die dynamische Sachversicherung des Gewerbes und der Freien Berufe Abkommen ablehnend Amtsblatt Allgemeine Bedingungen für die Maschinen- und Kasko-Versicherung von fahrbaren und transportablen Geräten Allgemeine Bedingungen für die Bauleistungsversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber Allgemeine Bedingungen für die Reparaturkosten von Kraftwagen Allgemeine Bedingungen für die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung Allgemeine Bedingungen für die Sachversicherung (Österreich) Absatz siehe KomE Abschnitt Allgemeine Bedingungen für die Bauleistungsversicherung von Unternehmerleistungen Allgemeine Bedingungen für die Vermögenshaftpflichtversicherung abweichend Archiv für civilistische Praxis (zit. nach Band, Jahr u. Seite) am Ende Allgemeine Einbruchdiebstahlversicherungsbedingungen Änderungsgesetz Änderungsverordnung Allgemeine Bedingungen für die Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung alte Fassung Amtsgericht; Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBGesetz) Allgemeine Bedingungen für die Glasversicherung Allgemeine Hagelversicherungs-Bedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung allgemein allgemeine Meinung Alternative Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen anderer Meinung Allgemeine Maschinen-Versicherungsbedingungen; ab 2008: Allgemeine Bedingungen für die Maschinenversicherung von stationären Maschinen Allgemeine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Arzneimittelgesetz
XXI https://doi.org/10.1515/9783110522686-003
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
AMoB amtl.Begr. Anh. Anl. Anm. AnwBl. AnwKom ao AO ARB Art. Armbrüster AStB AT AtomG AUB Auff. Aufl. AuR ausdrückl. ausführl. AusfVO ausl. AuslG AuslKfzPflVV AuslPflVG AusnVO ausschl. Ausschussbericht AV AVB AVB-AVG AVB BU AVB BUZ AVB MaV AVBR AVBSP AVB Vermögen AVBW AVFE AVFEBU AVFEM AVG AVP AVR
Allgemeine Montageversicherungsbedingungen amtliche Begründung Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt siehe NK-BGB außerordentlich Abgabenordnung Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung Artikel Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. (2019) Allgemeine Bedingungen für die Sturmversicherung Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen Auffassung Auflage Arbeit und Recht ausdrücklich ausführlich Ausführungsverordnung ausländisch Ausländergesetz Verordnung über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ausländischer Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger Ausnahmeverordnung ausschließlich Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BTDrucks. 16/5862) Allgemeine Verfügung Allgemeine Versicherungsbedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die VermögensschadenHaftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Maschinen, maschinellen Einrichtungen und Apparaten Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Juwelen, Schmuck- und Pelzsachen im Privatbesitz Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden Allgemeine Bedingungen für die Kasko-Versicherung von Wassersportfahrzeugen Allgemeine Versicherungsbedingungen für Fernmelde- und sonstige elektronische Anlagen Allgemeine Betriebsunterbrechungs-Bedingungen bei Fernmelde- und sonstigen elektrotechnischen Anlagen Allgemeine Bedingungen für die Mehrkostenversicherung bei Fernmeldeanlagen und sonstigen elektrotechnischen Anlagen Angestelltenversicherungsgesetz Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Pferden und anderen Einhufern Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Rindern
XXII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
AVSZ AVTHK AWaB AWB AWG Az.
Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Schweinen, Schafen und Ziegen Allgemeine Bedingungen für die Tierkrankenversicherung von Hunden und Katzen Allgemeine Versicherungs-Bedingungen für die Waldbrandversicherung Allgemeine Bedingungen für die Leitungswasserversicherung Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen
Bach/Moser/Bearbeiter BaFin BAG
Private Krankenversicherung, MB/KK- und MB/KT-Kommentar, 5. Aufl. (2015) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 1. Bundesarbeitsgericht 2. Bundesamt für Güterverkehr Handbuch des Versicherungsaufsichtsrechts: VAG-Handbuch, hrsg. v. Bähr (2011) Bundesanzeiger Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. I–III (2002/03) Die Kraftfahrtversicherung, 6. Aufl. (2010) Baugesetzbuch Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- (bis 1973) und Bausparwesen (bis 2001) Bayerische Garagen- und Stellplatzverordnung Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung von IT-Dienstleistern Band Bundesdatenschutzgesetz Bearbeitung Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. (2015)
Bähr BAnz. Basedow/Fock Bauer BauGB BAV (BAA) BayGaStellv BayObLG BB BBG BBR BBR ITD Bd. BDSG Bearb. Beckmann/MatuscheBeckmann/Bearbeiter BeckOGK-AktG/Bearbeiter BeckOGK-BGB/Bearbeiter BeckOK-BGB/Bearbeiter BeckOK-GG/Bearbeiter BeckOK-HGB/Bearbeiter BeckOK IT-Recht/Bearbeiter BeckOK-ZPO/Bearbeiter BeckOK-VVG/Bearbeiter BeckRS begl. Begr. Bek. Bekl. Bem. Benkel/Hirschberg ber. Berliner Kommentar/ Bearbeiter Berz/Burmann/Bearbeiter bes.
XXIII
beck-online.GROSSKOMMENTAR zum Aktienrecht, hrsg. von Spindler/Stilz (Stand: 1.7.2022) beck-online.GROSSKOMMENTAR zum Zivilrecht, hrsg. von Gsell/Krüger/Lorenz/ Reymann (Stand: 1.7.2022) Beck’scher Online-Kommentar BGB, hrsg. von Hau/Poseck (Stand: 1.8.2022) Beck’scher Online-Kommentar GG, hrsg. von Epping/Hillgruber (Stand 15.8.2022) Beck’scher Online-Kommentar Transportrecht, hrsg. von Henssler/Paschke (2021) Beck’scher Online-Kommentar IT-Recht, hrsg. von Borges/Hilber (Stand: 1.7.2022) Beck’scher Online-Kommentar ZPO, hrsg. von Vorwerk/Wolf (Stand: 1.9.2022) Beck’scher Online-Kommentar VVG, hrsg. von Marlow/Spuhl (Stand: 1.8.2022) Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online (zitiert mit Jahrgang und lfd. Nummer) beglaubigt Begründung Bekanntmachung Beklagter Bemerkung Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, ALB- und BUZ-Kommentar, 2. Aufl. (2011) berichtigt Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz: Kommentar zum deutschen und österreichischen VVG, hrsg. von H. Honsell (1999) Handbuch des Straßenverkehrsrechts, hrsg. von Berz/Burmann, 44. EL August 2021 besonders
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
BBR PHV Beschl. Beschw. Bespr. Best. bestr. betr. BeurkG BFH BGB BGBl. BGH BGHGrS BGHR BGHSt BGHZ BHHJ/Bearbeiter BMI BMJ Böhme/Biela/Tomson BR BRAK Brand/Baroch Castellvi/ Bearbeiter BRAO BRDrucks. BReg. BRProt. BRRG Bruck Bruck Bruck/Möller/Bearbeiter8
Bruck/Möller/Bearbeiter9
Bruck/Möller/Bearbeiter
BSG BSHG Bsp. BStBl. BT BTDrucks. BU Buchst. BuVAB van Bühren/Bearbeiter Hdb van Bühren van Bühren/Plote/Bearbeiter Buschbell/Hering/Bearbeiter
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung Beschluss Beschwerde Besprechung Bestimmung bestritten betreffend Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Großer Senat BGH-Rechtsprechung Zivilsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. (2022) Bundesminister(ium) des Inneren Bundesminister(ium) der Justiz Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Handbuch für die Praxis, 26. Aufl. (2018) Bundesrat Bundesrechtsanwaltskammer Versicherungsaufsichtsgesetz (2018) Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Protokolle des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Das Privatversicherungsrecht (1930) Kommentar zum Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 7. Aufl. (1932) Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluss des Versicherungsvermittlerrechtes, 8. Aufl. (1961–2002) Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, herausgegeben von Horst Baumann/Roland Michael Beckmann/Katharina Johannsen/Ralf Johannsen/Robert Koch, 9. Aufl. (2008–2020) Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, geschäftsführend herausgegeben von Roland Michael Beckmann und Robert Koch, weitere Herausgeber Horst Baumann und Katharina Johannsen, 10. Aufl. (2021 ff.) Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Bundessteuerblatt Besonderer Teil, Bundestag Bundestagsdrucksache Betriebsunterbrechung Buchstabe AVB Berufsunfähigkeitsversicherung Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. (2017) Das versicherungsrechtliche Mandat, 5. Aufl. (2015) Allg. Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung: ARB, 3. Aufl. (2013) Handbuch Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl. (2015)
XXIV
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE bzgl. bzw.
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) bezüglich beziehungsweise
ca. CR
circa Computer und Recht
dagg. DAR DAV Dauses/Ludwigs/Bearbeiter DB DBGK Derleder/Knops/Bamberger/ Bearbeiter ders. Deutsch/Iversen dgl. d.h. dies. Diff., diff. Dig. DIN Diss. DJ DJT DöV Dörner D&O DR
dagegen Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein; Deutsche Aktuarvereinigung Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (Loseblattsammlung) Der Betrieb Deutsches Büro Grüne Karte e.V. Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. (2017)
DRechtsw. DRiB DRiG DRiZ Drucks. DS DSB DStrR dt. DTV-VHV DVBl. DVO DZWIR E ebd. EBJS/Bearbeiter ebso. ECB
XXV
derselbe Versicherungsvertragsrecht, 7. Aufl. (2015) dergleichen das heißt dieselbe(n) Differenzierung, differenzierend Digesta Deutsche Industrie Norm Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche öffentlich-rechtliche Versicherung AVB Allgemeine Versicherungsbedingungen, Textausgabe, 6. Aufl. (2009) Directors and Officers (Liability Insurance) Deutsches Recht, Wochenausgabe (vereinigt mit Juristische Wochenschrift) (1931– 1945) Deutsche Rechtswissenschaft (1936–1943) Deutscher Richterbund Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache Der Sachverständige Datenschutzberater Deutsches Steuerrecht deutsch DTV-Verkehrshaftungsversicherung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf bzw. Entscheidung ebenda Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, hrsg. Jost/Strohn, 4. Aufl. (2020) ebenso Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuerversicherung für Industrie- und Handelsbetriebe
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
ECBUB ED ed(s) EG EGBGB EGGVG EGV EGVVG ehem. Einf. eingeh. einschl. einschr. Einl. EL entgg. Entsch. entspr. Entw. ErfK/Bearbeiter Erg. ErgBd. Erl. Erdmann/Kaulbach Erman/Bearbeiter Erw. EStG etc. EU EuGH EuGHE EuGVVO
EuR europ. EUV EuZW evtl. EWG EWGV EWiR EWR f., ff. FAG FamRZ FAO Farny FBUB
Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur FeuerBetriebsunterbrechungs-Versicherung für Industrie- und Handelsbetriebe Einbruchdiebstahl editor(s) Einführungsgesetz bzw. Europäische Gemeinschaft(en) bzw. Erinnerungsgabe Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum VVG ehemalig Einführung eingehend einschließlich einschränkend Einleitung Ergänzungslieferung entgegen Entscheidung entsprechend Entwurf Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, hrsg. von Müller-Glöge/Preis/Schmidt, 22. Aufl. (2022) Ergebnis bzw. Ergänzung Ergänzungsband Erläuterung Grundzüge des Versicherungsaufsichtsrechts, 2. Aufl. (2019) Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Grunewald, 16. Aufl. (2020) Erwiderung Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – Amtliche Sammlung Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europarecht europäisch Vertrag über die Europäische Union (Lissabon-Vertrag) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum folgende Gesetz über Fernmeldeanlagen Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung Versicherungsbetriebslehre, 5. Aufl. (2011) Allgemeine Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen
XXVI
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
Fenyves/Perner/Riedler/ Bearbeiter FeV FG FGG FGO FHB FinDAG Feyock/Jacobsen/Lemor/ Bearbeiter Fn. fragl. FS v. Fürstenwerth/Weiß/ Consten/Präve FZV G Gabler Versicherungslexikon GB BAV GB GDV GBl. GbR GDV GE Geigel/Bearbeiter gem. GenG GeschO gesetzl. GewArch GewO gg. GG ggf. GI aktuell GKG GKV gl. GmbHG GmbHR grdl. grds. Grigoleit/Bearbeiter Grimm/Kloth GrS GrSZ Grüneberg/Bearbeiter GRUR GS GüKG GVBl. GVG GWB
XXVII
VersVG – Versicherungsvertragsgesetz, Loseblattwerk mit 9. Aktualisierung (bis zur 4. Aktualisierung Fenyves/Schauer/Bearbeiter), hrsg. v. Fenyves/Perner/ Riedler (2014 ff.) Fahrerlaubnis-Verordnung Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Feuerhaftungs-Versicherungsbedingung Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. (2009) Fußnote fraglich Festschrift VersicherungsAlphabet (VA), 11. Aufl. (2019) Fahrzeug-Zulassungsverordnung Gesetz Gabler Versicherungslexikon, hrsg. von Wagner, 2. Aufl. (2017) Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Geschäftsbericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Geschäftsplanmäßige Erklärung Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl. (2020) gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Geschäftsordnung gesetzlich Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- u. Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung gegen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Informationen für wirtschaftsprüfende, rechts- und steuerberatende Berufe Gerichtskostengesetz Gesetzliche Krankenversicherung gleich Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau grundlegend grundsätzlich Aktiengesetz, Kommentar, 2. Aufl. (2020) Unfallversicherung: AUB, 6. Aufl. (2021) Großer Senat Großer Senat in Zivilsachen Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl. (2022) (vormals Palandt) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Güterkraftverkehrsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
Halbs. Halm/Engelbrecht/Krahe Halm/Kreuter/Schwab/ Bearbeiter Hansen Beweislast HansRGZ HansRZ Harbauer HbgGarVO Hdb. HdV Hentschel/König/Dauer/ Bearbeiter HGB hins. Hinw. HK-BGB/Bearbeiter
Halbsatz Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht, 6. Aufl. (2018) Allgemeine Kraftfahrtbedingungen (AKB), hrsg. von Halm/Kreuter/Schwab, 2. Aufl. (2015) Beweislast und Beweiswürdigung im Versicherungsrecht (1990) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Hanseatische Rechtszeitschrift Rechtsschutzversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB), 9. Aufl. (2018) Hamburger Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und offenen Stellplätzen Handbuch Handwörterbuch der Versicherung, hrsg. von Farny/Helten/Koch/Schmidt (1988) Straßenverkehrsrecht, hrsg. von Hentschel/König/Dauer, 46. Aufl. (2021)
HK-VVG h.A. h.L. h.M. Hofmann Hofmann Hölters/Weber/Bearbeiter Hopt/Bearbeiter Hrsg./hrsg. h.Rspr.
Handelsgesetzbuch hinsichtlich Hinweis Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar, hrsg. von Schulze/Dörner/Ebert et al., 11. Aufl. (2022) Zivilprozessordnung Handkommentar, hrsg. von Saenger, 9. Aufl. (2021) Berufsunfähigkeitsversicherung Handkommentar, hrsg. von Ernst/Rogler (2018) siehe Rüffer/Halbach/Schimikowski herrschende Ansicht, herrschende Auffassung herrschende Lehre herrschende Meinung Privatversicherungsrecht, 4. Aufl. (1998) Schutzbriefversicherung (1996) Aktiengesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2022) Handelsgesetzbuch, 41. Aufl. (2022) Herausgeber/herausgegeben herrschende Rechtsprechung
i.Allg. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. IFG i.gl.S. i.Grds. IHK i.H.v. InfoV inl. insbes. insges. InsO inzw. i.R.d. i.R.v. i.S. i.S.d.
im Allgemeinen in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne Informationsfreiheitsgesetz im gleichen Sinne im Grundsatz Industrie- und Handelskammer in Höhe von siehe VVG-InfoV inländisch insbesondere insgesamt Insolvenzordnung inzwischen im Rahmen der/des im Rahmen von im Sinne im Sinne der/des
HK-ZPO/Bearbeiter HK-BU/Bearbeiter
XXVIII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
i.S.e. i.S.v. i.techn.S. i.U. i.Üb. i.V.m. i.W. i.w.S. i.Z.m.
im Sinne einer(s) im Sinne von im technischen Sinne im Unterschied im Übrigen in Verbindung mit im Wesentlichen im weiteren Sinne im Zusammenhang mit
JA Jauernig/Bearbeiter jew. Jura JurBüro jurisPK/Bearbeiter
Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 18. Aufl. (2021) jeweils Juristische Ausbildung Das Juristische Büro juris Praxiskommentar BGB, hrsg. von Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, 9. Aufl. (Stand: 31.3.2022) juris PraxisReport Juristische Schulung. Zeitschrift für Studium und Ausbildung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
jurisPR JuS JW JZ KalV
Kap. Kaulbach/Bähr/Pohlmann Kfz KfzEFondsV KfzPflVV KfzSBHH KG KH KHVG KK-OWiG/Bearbeiter Kl. KomE
Knorre/Demuth/Schmid/ Bearbeiter KO Koch K&R krit. KritVj KSchG KStG KVAV
Lackner/Kühl/Bearbeiter Langheid/Rixecker/ Bearbeiter
XXIX
Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung (Kalkulationsverordnung – KalV) (aufgehoben m.W.v. 1.1.2016) Kapitel Versicherungsaufsichtsgesetz, 6. Aufl. (2019) (bis zur 4. Aufl. Fahr/Kaulbach/Bähr) Kraftfahrzeug Verordnung über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung Sonderbedingungen zur Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung für Kfz-Handel und -Handwerk Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kraftfahrzeug-Haftpflicht Österreichisches Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz (1994) Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 5. Aufl. (2018) 1. Klausel 2. Kläger/in Kommissionsentwurf zur Reform des Versicherungsvertragsrechts; zitiert nach: Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April (2004), hrsg. von Egon Lorenz (2004) Handbuch des Transportrechts, 3. Aufl. (2022) Konkursordnung Aktiengesetz, 16. Aufl. (2022) (vormals Hüffer/Koch) Kommunikation und Recht kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung Österreichisches Konsumentenschutzgesetz (1979) Körperschaftsteuergesetz Verordnung betreffend die Aufsicht über die Geschäftstätigkeit in der privaten Krankenversicherung (Krankenversicherungsaufsichtsverordnung – KVAV) StGB, 29. Aufl. (2018) Versicherungsvertragsgesetz, 7. Aufl. (2022) (vormals Römer/Langheid)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
Langheid/Wandt/Bearbeiter
LG lit. Lit. LM LMK Looschelders/Pohlmann/ Bearbeiter LPK-SGB VI LS lt. Littbarski AHB LugÜ
Lutter/Hommelhoff/ Bearbeiter m. MAH Versicherungsrecht/ Bearbeiter Martin/Reusch/ Schimikowski/Wandt Maunz/Dürig/Bearbeiter m.a.W. m.Bespr. MB/KK MB/KT MB/PPV MBUB MdB MDR MedR Meixner/Steinbeck missverst. m.krit.Anm. MMR MMW MontÜG Motive MÜ
MüKoAktG/Bearbeiter MüKoBGB/Bearbeiter MüKoGmbHG
Münchener Kommentar Versicherungsvertragsgesetz: VVG; Band 1: §§ 1–99 VVG und VVG-InfoV, 3. Auflage (2022); Band 2: §§ 100–216 VVG, 2. Auflage (2017); Band 3: Nebengesetze, Systematische Darstellungen, 2. Auflage (2017) Landgericht littera (Buchstabe) Literatur Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier/Möhring u.a. (zit. nach Paragraph u. Nummer) Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring VVG Versicherungsvertragsgesetz, Kommentar, 3. Aufl. (2016) Sozialgesetzbuch VI: SGB VI. Gesetzliche Rentenversicherung. Lehr- und Praxiskommentar, hrsg. von Reinhardt/Silber, 5. Aufl. (2021) Leitsatz laut Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (2001) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LuganoÜbereinkommen) GmbH-Gesetz, Kommentar, 20. Aufl. (2020)
mit Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, hrsg. von Höra, 4. Auflage (2017) Sachversicherungsrecht, Kommentar, 4. Aufl. (2022) Grundgesetz, Loseblatt-Kommentar, 95. EL (7/2021) mit anderen Worten mit Besprechung Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung Musterbedingungen für die private Pflegeversicherung Allgemeine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Mitglied des Bundestags Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. (2011) missverständlich mit kritischer Anmerkung (von) MultiMedia und Recht Münchner Medizinische Wochenschrift Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz vom 6.4.2004 Motive zum VVG, Nachdruck (1963) Montrealer Übereinkommen (Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.5.1999) Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. von Goette/Habersack/Kalss, Band 2, 5. Aufl. (2019); Band 3, 5. Aufl. (2022) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Rebmann/Säcker/ Rixecker: Band 1, 9. Aufl. (2021); Band 5, 8. Aufl. (2020); Band 7, 8. Aufl. (2020) Münchener Kommentar zum Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, hrsg. von Fleischer/Goette: Band 1, 4. Aufl. (2022), Band 2, 3. Aufl. (2019), Band 3, 4. Aufl. (2022)
XXX
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
MüKoHGB/Bearbeiter MüKoInsO MüKoStGB/Bearbeiter MüKoStVR/Bearbeiter MüKoZPO/Bearbeiter MünchHdbGesR Musielak/Voit/Bearbeiter m.w.N. m.W.v. m.zust.Anm. N. Nachtr. Neuhaus n.F. Niederleithinger NJ NJOZ NJW NJWE-VHR NJW-RR NK-BGB/Bearbeiter Noack/Servatius/Haas/ Bearbeiter Nr. NStZ NTS-ZA NVersZ NVwZ NZA NZG NZI NZS NZV o. o.ä. ob.dict. Oetker/Bearbeiter ÖBGBl öffentl. o.g. ÖOGH OHG OLG OLGZ OVG OWiG
XXXI
Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hrsg. von Herber/Schmid, 4. Aufl. (2020) Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. von Stürner/Eidenmüller/ Schoppmeyer, 4. Aufl. (2019 ff.) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Joecks/Miebach, 3. Aufl. (2016 ff.), 4. Aufl. (2020 ff.) Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, hrsg. von Bender/König, Bd. 1 (2016 ff.) Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, hrsg. von Rauscher/Wax/Wenzel, Band 1 und 2, 6. Aufl. (2020 ff.) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 7: Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, 6. Aufl. (2020) Kommentar zur Zivilprozessordnung, 19. Aufl. (2022) mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom mit zustimmender Anmerkung Nachweise Nachtrag Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. (2020) neue Fassung Das neue VVG. Erläuterungen, Texte, Synopse, 1. Aufl. (2007) Neue Justiz Neue Juristische Online Zeitung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs-/Haftungsrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NomosKommentar BGB, hrsg. von Dauner-Lieb/Heidel/Ring, 6 Bände (2022 ff.) (ehemaliger AnwaltKommentar BGB) GmbHG, Kommentar, 23. Aufl. (2022) Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommen Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht oben oder ähnlich obiter dictum Handelsgesetzbuch, 7. Aufl. (2021) Österreichisches Bundesgesetzblatt öffentlich oben genannt Österreichischer Oberster Gerichtshof Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen, einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
PartGG PflVG PfP-Truppenstatut
PHi PKV polit. ProdHM Prölss/Martin/Bearbeiter Prölss/Dreher/Bearbeiter PStG psych. PsyErkr. PWW/Bearbeiter RAA RBerG RdA RdErl. RDG RdK RDV RdW rechtspol. rechtsvergl. RefE
ReformG Reg. RegE RegBl. rel. RG RGBl. RGRK/Bearbeiter RGZ RHG RL Rn. RNotZ Rom I-VO Rom II-Verordnung Römer/Langheid Rpfleger RpflG
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Pflichtversicherungsgesetz Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (PfP-Truppenstatut) Haftpflicht international (vormals Produkthaftpflicht international) Private Krankenversicherung politisch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben Versicherungsvertragsgesetz, 31. Aufl. (2021) Versicherungsaufsichtsgesetz, hrsg. von Dreher, 13. Aufl. (2018) Personenstandsgesetz psychisch Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, hrsg. von Schneider/Henningsen/Dohrenbusch/Freyberger/Irle/Köllner/Widder, 2. Aufl. (2016) BGB-Kommentar, hrsg. von Prütting/Wegen/Weinreich, 16. Aufl. (2021) Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung Rechtsberatungsgesetz (bis 1962: Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung) Recht der Arbeit Runderlaß/Runderlass Rechtsdienstleistungsgesetz Das Recht des Kraftfahrers, Unabhängige Monatsschrift des Kraftverkehrsrechts (1926–43, 1949–55) Recht der Datenverarbeitung Recht der Wirtschaft (Österreich) rechtspolitisch rechtsvergleichend Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts mit Begründung (nicht veröffentlicht; zitiert nach der vom BMJ online zur Verfügung gestellten PDF-Datei) Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) (siehe auch VVG-Reform 2008) Regierung Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BTDrucks. 16/3945); siehe auch Ausschussbericht Regierungsblatt relativ Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar – Das Bürgerliche Gesetzbuch. Kommentar, hrsg. von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, 12. Aufl. (1975 ff.) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Reichshaftpflichtgesetz Richtlinie Randnummer(n) Rheinische Notarzeitschrift Rom I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) Rom II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) siehe Langheid/Rixecker Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz
XXXII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
Rspr. RStBl. RT RTDrucks. RuS Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Bearbeiter RVerkBl. RVG RVO
Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Drucksachen des Reichstags Recht und Schaden Versicherungsvertragsgesetz Handkommentar, hrsg. von Rüffer/Halbach/ Schimikowski, 4. Aufl. (2020) Reichsverkehrsblatt Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Reichsversicherungsordnung
s. S. s.a. Sachs/Bearbeiter SB ScheckG SchiedsVZ Schimikowski Schmidt/Bearbeiter Schmidt/Lutter/Bearbeiter Schönke/Schröder/ Bearbeiter Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ebers/ Bearbeiter Sen. Seuff. Arch.
siehe Satz, Seite siehe auch Grundgesetz, Kommentar, hrsg. von Sachs, 9. Aufl. (2021) Selbstbeteiligung Scheckgesetz Zeitschrift für Schiedsverfahren – German Arbitration Journal Versicherungsvertragsrecht, 6. Aufl. (2017) COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Aufl. (2021) Aktiengesetz, Kommentar, hrsg. von Schmidt/Lutter, 4. Aufl. (2020) Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl. (2019)
SF SGB I, IV, V, VIII, X, XI
SGb. SGG SGlN SkAufG s.o. Soergel/Bearbeiter sog. SP Späte/Schimikowski/ Bearbeiter spez. SpV Stadler/Gail Staudinger/Bearbeiter Staudinger/Halm/Wendt/ Bearbeiter Stein/Jonas/Bearbeiter
XXXIII
Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 4. Aufl. (2021)
Senat Seuffert's Archiv für die Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (8.1855) Schadensfreiheit I: Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil IV: Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung V: Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung VIII: Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe X: Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehung zu Dritten XI: Soziale Pflegeversicherung Sozialgerichtsbarkeit/Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Sozialgerichtsgesetz Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung von Wohn-, Geschäftsund landwirtschaftlichen Gebäuden Streitkräfteaufenthaltsgesetz siehe oben Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl. (2000 ff.) sogenannt(e) Schaden-Praxis Haftpflichtversicherung, 2. Aufl. (2015) speziell Spektrum für Versicherungsrecht Die Kfz-Versicherung (2015) Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung (1993 ff.) Versicherungsrecht, 3. Aufl. (2023) Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Aufl. (2013 ff.)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
StGB Stiefel/Maier
StPO str. st.Rspr. StuR StVG StVj StVO SLVS SVS SVS/RVS StVZO s.u. SV SZ
Strafgesetzbuch Kraftfahrtversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung – AKB sowie zu weiteren Gesetzes- und Regelwerken in der Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. (2017) Strafprozessordnung strittig, streitig ständige Rechtsprechung Staat und Recht Straßenverkehrsgesetz Steuerliche Vierteljahresschrift Straßenverkehrsordnung Speditions-, Logistik- und Lagerversicherungsschein Speditions-Versicherungsschein Speditions- und Rollfuhr-Versicherungsschein Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten Sachverhalt Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen
t TarifVO TB TDG Tit. TKG TranspR TumSchG TV Tz.
Tonne Verordnung über die Tarife in der Kfz-Haftpflichtversicherung Tarifbestimmung Gesetz über die Nutzung von Telediensten Titel Telekommunikationsgesetz Transportrecht Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12.5.1920 Truppenvertrag Textzahl
u. u.a. u.ä. u.a.m. Üb. ÜbergangsAO Übk. ü.M. Ulmer/Brandner/Hensen/ Bearbeiter umstr. UmweltHM
unten unter anderem und ähnlich und anderes mehr Überblick, Übersicht Übergangsanordnung Übereinkommen überwiegende Meinung AGB-Recht, 13. Aufl. (2022)
UN/UNO unv. u.ö. UrhG UStG USV usw. u.U. UWG VA
umstritten Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung United Nations Organization (Vereinte Nationen) unveröffentlicht und öfter Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung, ab 1947: … des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Hamburg)
XXXIV
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
VAG v.A.w. VD VE Veith/Gräfe/Gebert/ Bearbeiter VerBAV/VerBaFin
VerfGH VerglO Verh. VerkMitt vermitt. VersG VersAG VersArch VersM VersPrax, VP VersR VersRAI VersRdsch. VersVermV VersVG VersWissArch VersWiss. Stud. VerwArch. VG VGB VGB 2008, 2010 VGH vgl. VGS VHB
VHB 2008 VHV VN VO VOBl. VomVO vorangeh. Voraufl. Vorbem. vorgen. VRR VR VRS VU
XXXV
Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) von Amts wegen Verkehrsdienst Vorentwurf Der Versicherungsprozess, 4. Aufl. (2020) Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen, ab 1973: … des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, ab Mai 2002: VerBAFin = Veröffentlichungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Versicherungsbereich) Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. Verkehrsrechtliche Mitteilungen vermittelnd Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) Versicherungsaktiengesellschaft Versicherungsarchiv Versicherungsmedizin Die Versicherungspraxis Versicherungsrecht, Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht Versicherungsrecht, Beilage Ausland Versicherungsrundschau (Österreich) Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung österreichisches Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswissenschaftliches Archiv Versicherungswissenschaftliche Studien, hrsg. von Brömmelmeyer et al. Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vereinigter Großer Senat Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung des Hausrats gegen Feuer-, Einbruchdiebstahl-, Beraubungs-, Leitungswasser-, Sturm- und Glasbruchschäden/ Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen Allgemeine Hausrat-Versicherungsbedingungen 2008 Verkehrshaftungsversicherung Versicherungsnehmer/in Verordnung Verordnungsblatt Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns vorangehend Vorauflage Vorbemerkung vorgenannt Verkehrsrechtliche Rundschau Versicherer Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts (zit. nach Band u. Seite) Versicherungsunternehmen
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
VuR VVaG VVG VVG-InfoV VVGE
VVG-Kommission VVGRefG bzw. VVG-Reform 2008 VVV VW VwGO VwV VwVfG VwVG VwZG
Verbraucher und Recht Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen Entscheidungssammlung zum Versicherungsvertragsrecht (VVGE): Entscheidungen zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), hrsg. von Dietrich Müller Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 siehe ReformG Versicherungswissenschaft, Versicherungspraxis, insbesondere Versicherungsmedizin; später DVZ Versicherungswirtschaft Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsvorschrift Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz
Wandt WaffG weitergeh. WM Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Bearbeiter WRP WuM Wussow
Versicherungsrecht, 6. Aufl. (2016) Waffengesetz weitergehend Wertpapier-Mitteilungen AGB-Recht, Kommentar, 7. Aufl. (2020)
(Z) z.B. ZEuP ZflR ZfRV ZfS/zfs ZfV ZGR Ziff. ZIP zit. ZMR ZNotP Zöller/Bearbeiter
Entscheidung in Zivilsachen zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht u. Europarecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für die Notarpraxis ZPO: Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, 34. Aufl. (2022) Zollgesetz Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen zum Teil Zusatzbedingungen zur Betriebshaftpflichtversicherung für die Nutzer von InternetTechnologien zusammenfassend zustimmend Zustimmungsgesetz zutreffend zur Veröffentlichung bestimmt
ZollG ZPO ZRP ZSW z.T. ZusBedIT zusf. zust. ZustG zutr. z.V.b.
Wettbewerb in Recht und Praxis Wohnungswirtschaft und Mietrecht Unfallhaftpflichtrecht, 17. Aufl. (2021)
XXXVI
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
ZVersWiss ZVG zw. zz. ZZP ZZPInt
XXXVII
Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (zitiert nach Jahr und Seite) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zweifelhaft zurzeit Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
Teil 1 Einleitung Schrifttum Armbrüster Nanotechnologie – Rechtliche Aspekte zur Versicherbarkeit von Produkten am Anfang wissenschaftlicher Erkenntnisse, ZVersWiss 2013 102; ders. Prozessuale Besonderheiten in der Haftpflichtversicherung, RuS 2010 441; ders. Auswirkungen von Versicherungsschutz auf die Haftung, NJW 2009 18; ders. Prozessuale Besonderheiten in der Haftpflichtversicherung, RuS 2010 441; Armbrüster/Schilbach Nichtigkeit von Versicherungsverträgen wegen Verbots- oder Sittenverstoßes, RuS 2016 109; v. Bar Das „Trennungsprinzip“ und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, AcP 181 (1981) 289; Bartosch-Koch Regressschutz des Mieters – Ausgleichsansprüche der beteiligten Versicherungen, NJW 2011 484; Basedow Der Gemeinsame Referenzrahmen und das Versicherungsvertragsrecht, ZEuP 2007 280; Basedow/Fock (Hrsg.) Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bde. 1–3 (2002–2003); Baumann Haftungsersetzung und Haftungsfondsersetzung durch Versicherungsschutz im Gesellschaftsrecht, GmbHR 2014 953; ders. Zur unmittelbaren Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Dritten – Folgerungen aus dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz –, VersR 2004 944; ders. Zur Überwindung des „Trennungsprinzips“ im System von Haftpflicht und Haftpflichtversicherung – Die Bedeutung des Abtretungsverbots gemäß § 7 Ziff. 3 AHB, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935 (1999) 13; ders. Der Regress kollektiver Schadensträger im freiheitlichen Sozialstaat (1977); Becker Der Einfluss der Haftpflichtversicherung auf die Haftung (1996); Marschall v. Bieberstein Zum Einfluß von Versicherungsschutz auf die Haftpflicht, BB 1983 467; Bruns Unentgeltliche Verträge und Gefälligkeitsverhältnisse, VersR 2018 789; Dallwig Deckungsbegrenzungen in der Pflichtversicherung (2011); ders. Versicherungsrechtliche Konsequenzen des Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, VersR 2014 19; Dancz Sowiesokosten – Haftung und Deckung im Rahmen der Bauversicherungen, VersR 2012 688; Dickmann Versicherungsschutz und Haftung für ehrenamtliche Tätigkeit, VersR 2016 489; Diller Fallstricke in der Berufs-Haftpflichtversicherung der Steuerberater, DStR 2016 2305; Dißars Die E&O-Versicherung, VersR 2009 1340; Erne/Buksch D&O-Versicherung – unbeschränkte Arbeitnehmerhaftung aufgrund der jüngsten BGH-Rechtsprechung zur Direktinanspruchnahme des Versicherers? GWR 2017 371; Fausten Stand und Entwicklungsmöglichkeiten der privaten Haftpflichtversicherung, VersR 1996 1057; Fleming/Hellner/v. Hippel Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz (1980); Franck Der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer (2014); Fuchs Versicherungsschutz und Versicherbarkeit als Argumente bei der Schadensverteilung, AcP 191 (1991) 318; ders. Gewillkürte Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz, BB 1992 1217; Gärtner Wechselwirkungen zwischen Haftung und Versicherung bei Kfz-Schäden, BB 1993 1454; Großfeld Haftpflichtversicherung im Wandel, VW 1974 693; Hammel Haftung und Versicherung bei Personenkraftwagen mit Fahrerassistenzsystemen, VersR 2016 1414; Hanau Rückwirkung der Haftpflichtversicherung auf die Haftung? Das Beispiel der Innenhaftung leitender Angestellter unter D&O-Versicherung, Festschrift E. Lorenz (2004) 283; ders. Rückwirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung, VersR 1969 291; Harzenetter Der Selbstbehalt in der D&O-Versicherung nach dem VorstAG und der Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), DStR 2010 653; Hauer Die Haftungsrelevanz der Haftpflichtversicherung (2015); ders. Die Bedeutung der Haftpflichtversicherung für die Annahme konkludenter Haftungsausschlüsse, ZVersWiss 2013 102; Heiss Europäischer Versicherungsvertrag, VersR 2005 1; Hoffmann Die Umsetzung des EuGH-Urteils „Test Achats“ in Deutschland, VersR 2012 1073; Hohlbein Ein Plädoyer für erweiterten Haftpflichtversicherungsschutz, VersR 2021 682; Hübsch Arbeitnehmerhaftung bei Versicherbarkeit des Schadensrisikos und bei grober Fahrlässigkeit, BB 1998 690; Hüpers Der Regress der Sozialversicherungsträger bei Gesundheitsschäden aus Industrieimmissionen (1995); Jox Zum Haftungsausschluß bei Probefahrten, NZV 1990 53; Kagelmacher Die Beschränkungen der Privatversicherungsfreiheit im Hinblick auf das Allgemeininteresse sowie auf Rechte Dritter (1997); Kassing/Richters Der Deckungsanspruch in der Haftpflichtversicherung, VersR 2015 293; Katzenmeier Überlagerungen des Schadensrechts durch das Versicherungsrecht, VersR 2002 1449; Klimke Auswirkungen des Wegfalls des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes in der Haftpflichtversicherung, RuS 2014 105; R. Koch Herausforderungen für die Haftpflichtversicherung autonomer Systeme und der Sharing Economy, VersR 2020 741; ders. Opferschutzlücke bei E-Scooter- und E-Bike-Unfällen? NJW 2020 183; ders. OGH schränkt Schutz der (Privat-)Haftpflichtversicherung ein, VbR 2019 171; ders. Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ im Rahmen der D&O-Versicherung, ZIP 2018 301; ders. Ersatzfähigkeit von Kartellbußen, VersR 2015 655; ders. Versicherung im IT-Bereich, Karlsruher Forum 2011 (2012) 113; ders. Versicherung von Haftungsrisiken nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, VersR 2007 288; Kummer jurisPR-BGHZivilR 23/2008 Anm. 2; Kunte Zur Anwendbarkeit von Teilungsabkommen, VersR 2011 307; Lange Die D&O-Selbstbehalt-Versicherung, RuS 2010 92; Lattwein/Dettler Industrieversicherung D&O: Das Selbstbehalts-Modell des GDV, VW 2010 1352; Lehnertz Die Bedeutung des Bestehens einer Haftpflichtversicherung für den Billigkeitsanspruch gemäß § 829 BGB, VersR 1974 940; Littbarski Interdependenz zwischen 1 https://doi.org/10.1515/9783110522686-004
Koch
Einleitung
Einleitung
Gefälligkeit, Haftung und Haftpflichtversicherung? VersR 2004 950; ders. Zur Versicherbarkeit des „Unternehmerrisikos“ (1980); Looschelders Aktuelle Auswirkungen des EU-Rechts auf das deutsche Versicherungsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Tarifierung, VersR 2011 421; E. Lorenz Einfluß der Haftpflichtversicherungen auf die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB, Festschrift Medicus (1999) 353; ders. Billigkeitshaftung und Haftpflichtversicherung – Ein Harmonisierungsvorschlag, VersR 1980 697; H. Marburger Anwendung von Teilungsabkommen bei Verkehrsunfällen, NZV 2012 521; Makowsky Der Einfluss von Versicherungsschutz auf die außervertragliche Haftung (2013); P. Marburger Grundsatzfragen des Haftungsrechts unter dem Einfluß der gesetzlichen Regelungen zur Produzenten- und zur Umwelthaftung, AcP 192 (1992) 1; Olbrich/ Kassing Der Selbstbehalt in der D&O-Versicherung: Gesetzliche Neuregelung lässt viele Fragen offen, BB 2009 1659; Otto Neujustierung der Risikoverteilung bei der Arbeitnehmerhaftung – Insbesondere Arbeitnehmerverschulden und Versicherung, Festschrift 50 Jahre BAG (2004) 97; Plagemann/Schafhausen Teilungsabkommen mit Sozialversicherungsträgern und ihre Auswirkung auf Dritte, NZV 1991 49; Präve Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, VersR 2004 39; Prelinger Teilungsabkommen in der Regulierungspraxis zwischen SVT und Haftpflichtversicherern, VersR 2021 12; Rodopoulos Kritische Studie der Reflexwirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung (1981); Rolfs Die Neuregelung der Arbeitgeberund Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII, NJW 1996 3177; Rolfs/Binz EuGH erzwingt ab Ende 2012 Unisex-Tarife für alle neuen Versicherungsverträge, VersR 2011 714; Ruttmann Die Versicherbarkeit von Geldstrafen, Geldbußen, Strafschadensersatz und Regressansprüchen in der D&O-Versicherung (2014); Schimikowski Die neuen Musterbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung, RuS 2015 373; Schlöpke Interdependenzen von Haftung und Versicherung (2005); Schneider Wie „privat“ muss es sein? VersR 2020 667; Schrank Prozessuales Trennungsprinzip in der Haftpflichtversicherung nach dem neuen VVG, VersPrax 2009 129; Schreier Zögerliches Regulierungsverhalten von Versicherern – Eine Bestandsaufnahme der Schadensregulierung nach geltendem Recht, VersR 2013 1232; Schwintowski Schutzfunktion und wichtiger Grund in § 843 Abs. 3 BGB, VersR 2010 149; Seybold/Wendt Schafft Deckung doch Haftung? – Eine Erinnerung an das Trennungsprinzip, VersR 2009 455; K. Sieg Haftpflichtversicherung, in: Farny/Helten/Koch/Schmidt (Hrsg.) Handwörterbuch der Versicherung (1988) 261; ders. Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz? ZHR 113 (1950) 95; ders. Überlagerung der bürgerlichrechtlichen Haftung durch kollektive Ausgleichssysteme, VersR 1980 1085; ders. Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung (1952); Sigulla/Visser Künstliche Intelligenz und Versicherung, PHI 2018 198; Sinn Gedanken zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Versicherungswesens, ZVersWiss 77 (1988) 1; Sitte/Lattwein AGG: Haftungsfalle für den Haftpflichtversicherer? VW 2007 1141; Sohn Anspruchsberechtigung und Fälligkeit des Deckungsanspruchs in der Architektenhaftpflichtversicherung, BauR 2014 465; Sommer Risiken des Arbeitskampfes und Versicherungsschutz (2017); Spallino Haftungsmaßstab bei Gefälligkeit. Eine Studie unter ausführlicher Betrachtung gesetzlicher und richterrechtlicher Haftungsmilderungen, der Praxis „stillschweigender“ Haftungsausschlüsse und des Einflusses der Haftpflichtversicherung auf die Haftung (2016); Spindler Roboter, Automaten, künstliche Intelligenz, selbst-steuernde Kfz – Braucht das Recht neue Haftungskategorien? CR 2015 766; Stoffels/Lohmann Risikobeherrschung und Versicherbarkeit als Beurteilungsfaktoren im Vertragsrecht, VersR 2003 1343; Tehrani Das Wesen der Bindungswirkung im Haftpflichtversicherungsvertrag, VersR 2018 1166; Teschabai-Oglu Die Versicherbarkeit von Emerging Risks in der Haftpflichtversicherung (2012); Thomas Haftungs- und Versicherungsrecht bei Kartellverstößen, VersR 2017 596; Thüsing/Hoff Private Versicherungen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, VersR 2007 1; Thüsing/Traut Angemessener Selbstbehalt bei D&O-Versicherungen – Ein Blick auf die Neuerungen nach dem VorstAG, NZA 2010 140; Vatter Der Regress der Sozialversicherungsträger gemäß § 110 SGB VII in den Fällen der Entsperrung der Haftungsprivilegierung, RuS (Sonderheft zum 75. Geburtstag von Hermann Lemcke) 2011 122; Wagner Verantwortlichkeit im Zeichen digitaler Techniken, VersR 2020 717; ders. Produkthaftung für autonome Systeme, AcP 217 (2017) 707; ders. Haftung und Versicherung als Instrumente der Techniksteuerung, VersR 1999 1441; Waltermann Risikozuweisung nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, RdA 2005 98; Weimar Die Billigkeitshaftung gemäß § 829 BGB, VP 1981 234; Wessel Stillschweigende Haftungsbeschränkungen im Straßenverkehr – insbesondere bei Gefälligkeits- und Probefahrten sowie Auslandsunfällen und im Sport, VersR 2011 569; Wilke Versicherungsschutz für private Halter und Steuerer von Drohnen im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung, DAR 2018 288; ders. Privathaftpflichtversicherung und Kraftfahrzeuge, DAR 2016 482; Witschen Haftung und Versicherung bei Gefälligkeiten, AcP 219 (2019) 300; Wolf Billigkeitshaftung statt überzogener elterlicher Aufsichtspflichten – ein erneutes Plädoyer für die Anwendung des § 829 BGB auf Grund einer Haftpflichtversicherung, VersR 1998 812.
Koch
2
Einleitung
A. Wesen der Haftpflichtversicherung
Übersicht 1
5.
A.
Wesen der Haftpflichtversicherung
B.
Systematische Einordnung der Haftpflicht4 versicherung
6.
C.
Erscheinungsformen der Haftpflichtversiche7 rung
III.
D.
Rechtsquellen zur Haftpflichtversicherung
I.
VAG
II. 1.
Privatrechtliche Rechtsgrundlagen Gesetzliche Grundlagen 12 a) VVG 13 b) HGB 14 c) BGB 15 d) AGG 16 Vertragliche Grundlagen
2. E.
9
1. 2. 3. 4.
Zur Technik der Risikobegrenzung in der 20 Haftpflichtversicherung 21
Unwirksamkeit von Haftungsfreizeichnungs40 klauseln Vertragliche Verpflichtung zum Abschluss einer 41 Haftpflichtversicherung Haftungsausfüllende Wirkung von Haftpflichtversicherungsschutz 42 Billigkeitshaftung (§ 829 BGB) Kapitalabfindung statt Rente (§ 843 Abs. 3 43 BGB) Bemessung immateriellen Schadens (§ 253 45 BGB) 47 Mitverschulden (§ 254 BGB)
IV.
Auswirkungen der Versicherbarkeit eines Haft48 pflichtrisikos auf die Haftung
G.
Trennungsprinzip
I.
Materielles Trennungsprinzip
II. 1. 2. 3.
Prozessuales Trennungsprinzip 51 Herleitung und Zweck 53 (Vorweggenommener) Deckungsprozess Ausnahmen vom Trennungsprinzip a) Fehlende Voraussetzungsidentität nach unstreitigem Vortrag des Geschädig57 ten b) Umwandlung des Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Zahlungsan58 spruch
50
I.
Primäre Risikoabgrenzung
II.
Sekundäre Risikoabgrenzung
III.
Tertiäre Risikoabgrenzung
F.
Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
I.
Grundsatz: Dichotomie zwischen Haftung und 25 Deckung
H.
Haftpflichtversicherung und Prozesskosten59 hilfe (PKH)
II.
Haftungsbegründende Wirkung von Haftpflichtversicherungsschutz 27 Billigkeitshaftung (§ 829 BGB) Wegfall der Haftungsfreistellung/-beschränkung des Arbeitnehmers bei Schäden infolge betrieb29 lich veranlasster Tätigkeit Wegfall des Haftungsausschlusses bei leichter 35 Fahrlässigkeit Kein Wegfall der Haftungsbeschränkung nach 38 § 104 SGB VII
I.
Rechtsstellung des geschädigten Dritten
I.
Grundsatz: Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs gegen den Versicherer nur als Rechts60 nachfolger des Versicherungsnehmers
II.
Anwendung des Trennungsprinzips
III.
Feststellungsklage des Dritten
1. 2.
3. 4.
22 24
65 66
A. Wesen der Haftpflichtversicherung Die Haftpflichtversicherung bietet Schutz gegen Vermögensschäden, welche dem VN (und/ 1 oder dem VR) dadurch erwachsen, dass er einem Dritten haftpflichtig wird.1 Mit dem Begriff 1 Motive 201; vgl. auch BGH 18.11.2020 – IV ZR 217/19, ZIP 2020 2510 Rn. 28; RG 31.1.1911 – VII 180/10, RGZ 75 173, 175; Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100 bis 112 VVG Rn. 63 ff.; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 8. 3
Koch
Einleitung
B. Systematische Einordnung der Haftpflichtversicherung
der Haftpflicht ist gemeint, dass der VN von einem Dritten wegen eines von ihm verursachten Personen-, Sach- und/oder Vermögensschadens kraft gesetzlicher Vorschrift oder aufgrund eines Vertrages auf (nicht notwendigerweise Schadens-)Ersatz in Anspruch genommen wird.2 Dass der Haftpflichtversicherung ein solches Begriffsverständnis zugrundeliegt, findet u.a. ihren Ausdruck in den gesetzlichen Bestimmungen zur freiwilligen und obligatorischen Haftpflichtversicherung. Nach § 103 VVG ist der VR nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der VN vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat. § 107 Abs. 1 VVG betrifft den Fall, dass der VN dem Geschädigten Schadensersatz in Form einer Geldrente zu gewähren hat.3 § 115 Abs. 1 VVG gibt dem Geschädigten auf Grund eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitritts in der Person des VR einen weiteren Schuldner für seinen Schadensersatzanspruch gegen den VN. 2 Haftpflichtig ist nur derjenige, der das Integritätsinteresse eines anderen verletzt hat. Demzufolge bietet die Haftpflichtversicherung nur Schutz gegen Ansprüche, die auf den Ausgleich des Integritätsinteresses des Geschädigten gerichtet sind. Vermögensnachteile, die der Geschädigte in seiner Eigenschaft als Gläubiger innerhalb eines Vertragsverhältnisses mit dem VN wegen nicht ordnungsmäßiger Erfüllung erleidet, begründen keine Haftpflicht des VN. Für Erfüllungsansprüche besteht vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen deshalb auch kein Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung. Solchen Schäden, die das Erfüllungs-/Äquivalenzinteresse betreffen, fehlt das für jede Versicherung erforderliche Element des Zufälligen.4 Die Trennlinie zwischen dem nicht versicherten Äquivalenz-/Erfüllungsinteresse und dem versicherten Integritätsinteresse verläuft im Grundsatz parallel zur Abgrenzung des Schadens statt und des Schadens neben der Leistung (§ 1 AHB 2016 Rn. 87 ff.). 3 Zu den Wesensmerkmalen der Haftpflichtversicherung gehört – wie in § 100 VVG positivrechtlich geregelt –, dass sie erstens Schutz bei Fremdschäden (Sach-, Personen- oder Vermögensschäden) bietet. Zweitens ist Schutzobjekt nicht ein bestimmter Gegenstand, sondern das jeweilige Vermögen des VN (oder Versicherten). Drittens ist der Versicherungsanspruch nicht auf Zahlung, sondern auf Befreiung (Freistellung i.w.S.) von der auf dem VN lastenden Haftverbindlichkeit gerichtet, welche die Freistellung (i.e.S.) von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen umfasst. Den Schuldner eines Befreiungsanspruchs trifft die Pflicht, den Befreiungsgläubiger von dem Risiko seiner Inanspruchnahme durch die Drittgläubiger freizustellen, d.h. ihn so zu stellen, wie er ohne die Belastung mit den Drittschulden stünde.5
B. Systematische Einordnung der Haftpflichtversicherung 4 Die Haftpflichtversicherung zählt zur Gruppe der Nichtpersonenversicherungen6 und ist (deshalb) ein Zweig der Schadensversicherung.7 Der VR übernimmt bei ihr die Verpflichtung, dem 2 Motive 201; vgl. auch BGH 18.11.2020 – IV ZR 217/19, ZIP 2020 2510 Rn. 28; RG 31.1.1911 – VII 180/10, RGZ 75 173, 175; Späte Vorbem. Rn. 1 (keine Beschränkung auf Schäden); Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100 bis 112 VVG Rn. 85 ff. (entscheidend ist das Einstehenmüssen des Schuldners); enger Heimbücher Einführung in die Haftpflichtversicherung 5. Aufl. (2003) 21 (Verpflichtung zum Ersatz eines Schadens). 3 Vgl. § 843 Abs. 1 BGB, § 8 HPflG, § 13 StVG, § 38 LuftVG, § 9 ProdHaftG, § 89 AMG, § 14 UmweltHG, § 32 Abs. 6 GenTG, § 30 AtG. 4 Vgl. BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026; OLG Köln 31.1.2019 – 9 U 72/18, RuS 2019 387, 388 („Echte vertragliche Erfüllungsansprüche sind nicht versicherbar, weil ihnen das Element der Ungewissheit fehlt.“). 5 Vgl. BGH 11.4.1984 – VIII ZR 302/82, BGHZ 91 73, 76 f. = NJW 1984 2151; Staudinger/Bittner/Kolbe (2019) § 257 BGB Rn. 7. 6 Wandt Versicherungsrecht Rn. 1050; Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 155. 7 Allg. Ansicht, vgl. BGH 30.10.1954 – II ZR 131/53, BGHZ 15 154, 158 = NJW 1955 101; Berliner Kommentar/Baumann Vorbem. §§ 149–158k VVG Rn. 6; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 8; Prölss/Martin/Lücke Vorbem. §§ 100–112 VVG Rn. 1; Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 148. Koch
4
C. Erscheinungsformen der Haftpflichtversicherung
Einleitung
VN den durch den Versicherungsfall verursachten Vermögensschaden bis zur Höchstgrenze der Versicherungssumme zu ersetzen. Da es an einer besonderen Beziehung zu einem Bestandteil des Aktivvermögens (Sachen, Forderungen und sonstige Rechte) fehlt, ist sie Passivenversicherung.8 Versichert ist das Interesse des VN, nicht mit Haftpflichtverbindlichkeiten und den Aufwendungen, die zur Anspruchsabwehr geboten sind, belastet zu werden.9 Ob der VN überhaupt (Aktiv-)Vermögen hat, ist unerheblich, da es infolge der Belastung mit einer Verbindlichkeit zu einer Vermehrung der Passiva und damit einer Vermögensbeeinträchtigung kommt. Auch ein Vermögensloser oder Überschuldeter kann sich deshalb gegen Haftpflicht versichern.10 Aufgrund des fehlenden Bezugspunkts zu einem Bestandteil des Aktivvermögens lässt sich 5 der Wert des versicherten Interesses in der Haftpflichtversicherung nicht bestimmen. Es fehlt daher an einer mit § 88 VVG vergleichbaren Regelung, die den Versicherungswert für die Sachversicherung definiert. Diejenigen Vorschriften des ersten Abschnitts des VVG zur Schadensversicherung (§§ 74–87 VVG), die sich auf den Wert des versicherten Interesses beziehen, finden deshalb keine Anwendung in der Haftpflichtversicherung. Es geht um die Regelungen zur Überversicherung (§ 74), zur Unterversicherung (§ 75 VVG) und zur Taxe (§ 76 VVG).11 Eingeschränkte Anwendung finden die Vorschriften zur Mehrfachversicherung, nämlich soweit die Summe der Entschädigungen, die von jedem VR ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden übersteigt (§ 78 Abs. 1 Alt. 2 VVG) und der VN Beseitigung der Mehrfachversicherung verlangen kann (§ 79 Abs. 1 VVG). Eine Kürzung des Rettungskostenersatzes gem. § 83 Abs. 2 VVG oder der Schadensermittlungskosten nach § 85 Abs. 3 VVG wegen Unterversicherung ist nicht möglich. Soweit die auf die Haftpflichtversicherung anwendbaren Vorschriften des ersten Abschnitts 6 des VVG zur Schadensversicherung an den Begriff des versicherten Interesses anknüpfen, z.B. zur Bestimmung, wessen Interesse versichert ist (§ 48 VVG), ob eine Neben-/Mehrfachversicherung vorliegt (§§ 77, 78 VVG) oder das Interesse besteht oder weggefallen ist (§ 80 VVG), stellt die Rechtsprechung in der Haftpflichtversicherung auf das versicherte Risiko ab, so wie es in der Risikobeschreibung des Versicherungsvertrags festgelegt ist (z.B. Gefahren des täglichen Lebens in der Privathaftpflichtversicherung, Gefahren aus bestimmter unternehmerischer Tätigkeit in der Betriebshaftpflichtversicherung). In der Haftpflichtversicherung tritt somit das versicherte Risiko an die Stelle des Aktivguts als Anknüpfungspunkt für das versicherte Interesse.12
C. Erscheinungsformen der Haftpflichtversicherung In der Praxis der Haftpflichtversicherung wird zunächst unterschieden zwischen der Privat- und 7 der Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung. Die Privathaftpflichtversicherung schützt natürliche Personen vor der Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen eines Tuns, Duldens oder
8 BGH 18.11.2029 – IV ZR 217/19, ZIP 2020 2510 Rn. 28; Berliner Kommentar/Baumann Vorbem. §§ 149–158k VVG Rn. 8 f.; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 8; Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 154. 9 BGH 24.1.1951 – II ZR 12/50, VersR 1951 76; vgl. auch BGH 18.12.1979 – VI ZR 27/78, NJW 1980 1623, 1624; BGH 22.9.1958 – II ZR 87/57, BGHZ 28 137, 140; BGH 30.10.1954 – II ZR 131/53, BGHZ 15 154, 158 = NJW 1955 101; RG 31.1.1911 – VII 180/10, RGZ 75 173, 175; RG 5.2.1909 – VII 186/08, RGZ 70 257, 260; OLG Stuttgart 12.3.2008 – 4 U 58/ 07, NZV 2009 191, 193. 10 Bruck/Möller/H. Baumann/Koch § 1 VVG Rn. 74. 11 Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 151; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 2. 12 Vgl. BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, RuS 1991 224, 225 = VersR 1991 172; BGH 20.3.1974 – IV ZR 94/73, VersR 1974 535, 536 = NJW 1974 1139; BGH 22.9.1958 – II ZR 87/57, BGHZ 28 137, 140 f. = NJW 1958 1872; OLG Stuttgart 12.3.2008 – 4 U 58/07, NZV 2009 191, 193; OLG Frankfurt/M. 11.3.2004 – 3 U 89/03, NJW-RR 2004 1333, 1335; OLG Nürnberg 26.5.1995 – 6 U 409/95, RuS 1996 395; LG München I 24.6.2003 – 28 O 21783/02, NJOZ 2003 2613, 2614; LG Düsseldorf 9.12.1983 – 11 O 406/83, VersR 1984 477, 478. 5
Koch
Einleitung
D. Rechtsquellen zur Haftpflichtversicherung
Unterlassens, das weder einer selbständigen oder unselbständigen beruflichen Tätigkeit noch einer gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 8 Die Betriebshaftpflichtversicherung schützt natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften vor der Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen eines Tuns, Duldens oder Unterlassens, das ihrer selbständigen oder unselbstständigen (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 VVG) beruflichen oder ihrer gewerblichen versicherten Tätigkeit zugerechnet werden kann. Sie wird ergänzt durch die Produkt-, Umwelthaftpflicht-, Umweltschadens-, Produkt- und Kfz-Rückrufversicherung. Diese Zusatzdeckungen erweitern den nach der Betriebshaftpflichtversicherung bestehenden Schutz (Produkthaftpflichtrisiko) oder stellen den in der Betriebshaftpflichtversicherung ausgenommenen Schutz für Umwelthaftpflicht-, Umweltschadens-, Produktund Kfz-Rückrufkostenrisiken sicher.
D. Rechtsquellen zur Haftpflichtversicherung I. VAG 9 Zum Betrieb der Haftpflichtversicherung bedarf es der Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde (§ 8 Abs. 1 VAG). Die Erlaubnis darf grundsätzlich nur AG, VVaG sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts erteilt werden (§ 8 Abs. 2 VAG). Insoweit bestehen in der Haftpflichtversicherung keine Besonderheiten. § 3 Nr. 4 VAG erweitert für den Bereich der Haftpflichtversicherung jedoch den Kreis der nach § 8 Abs. 2 VAG vorgesehenen Unternehmensformen um den „Kommunalen Schadensausgleich“. Bei diesem handelt es sich um einen „nicht rechtsfähigen Zusammenschluss von Gemeinden und Gemeindeverbänden“ zu dem Zweck, durch Umlegung Schäden, u.a. „für welche die Mitglieder oder ihre Bediensteten auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen von Dritten verantwortlich gemacht werden“ (§ 3 Nr. 4 lit. a) VAG) oder aus der „Haltung von Kraftfahrzeugen“, auszugleichen (§ 3 Nr. 4 lit. b) VAG).13 Darüber hinaus können landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften eine Versicherung gegen Haftpflicht für die Unternehmer und die ihnen in der Haftpflicht Gleichstehenden betreiben (§ 1 Abs. 4 VAG i.V.m. § 140 Abs. 1 SGB VII). Bei den kommunalen Schadensausgleichen handelt es sich um nicht rechtsfähige Vereine, die keiner Aufsicht unterliegen. Die Berufsgenossenschaften sind öffentlich-rechtliche Anstalten mit Fachaufsicht durch die BaFin, sofern sie über den Bereich eines Landes hinaus tätig sind (§ 320 Abs. 3 VAG). 10 Die Anlage 1 zum VAG unterscheidet zwischen der Haftpflicht für Landfahrzeuge mit eigenem Antrieb (Nr. 10), der Luftfahrzeughaftpflicht (Nr. 11), der See-, Binnensee- und Flussschifffahrtshaftpflicht (Nr. 12) und der allgemeinen Haftpflicht für alle sonstigen Haftpflichtfälle (Nr. 13). Die Einteilung ist von Bedeutung für die Angaben über die zu betreibenden Versicherungssparten und -risiken (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 VAG) sowie die Bestimmung von Großrisiken i.S.v. § 210 Abs. 2 VVG. 11 Mittelbar von Bedeutung für den Betrieb der Haftpflichtversicherung ist § 164 Abs. 1 und Abs. 2 VAG. Danach muss ein VR, der die Rechtsschutzversicherung zusammen mit anderen Versicherungssparten anbietet, zum Zwecke der Vermeidung von Interessenkollisionen die Leistungsbearbeitung in der Rechtsschutzversicherung einem Schadensabwicklungsunternehmen übertragen, das in einer der in § 8 Abs. 2 VAG für den Betrieb von Versicherungsgeschäften genannten Rechtsform oder der Rechtsform einer sonstigen Kapitalgesellschaft ausgeübt wird. Eine solche Interessenkollision kommt in Betracht, weil – wie Lars anschaulich beschreibt – ein Dritter „Freund“ (d.h. rechtsschutzversicherter VN, dem der VR helfen will) und „Feind“ (d.h. Geschädigter, dessen Schadensersatzansprüche der gleiche VR nach Kräften abwehren will) zugleich sein kann.14 Des Weiteren schließen gem. § 8 Abs. 4 VAG die Erlaubnis zum Betrieb der 13 Vgl. auch OLG Köln 21.10.2008 – 9 U 59/08, NJOZ 2009 2054 f.; BFH 8.12.2010 – II R 12/08, DStRE 2011 573 f. 14 Lars VAG 4. Aufl. (2017) § 164 VAG Rn. 1. Koch
6
D. Rechtsquellen zur Haftpflichtversicherung
Einleitung
Lebensversicherung sowie der Krankenversicherung und die Erlaubnis zum Betrieb der Haftpflichtversicherung einander aus. Für die Berechnung der Deckungsrückstellung von Renten in der Haftpflichtversicherung ist gem. § 142 VAG ein Verantwortlicher Aktuar zu bestellen, der die korrekte Ermittlung dieser Rückstellung sicherstellt.
II. Privatrechtliche Rechtsgrundlagen 1. Gesetzliche Grundlagen a) VVG. Primäre Rechtsquelle der freiwilligen Haftpflichtversicherung sind die Sonderregelun- 12 gen der §§ 100–112 VVG. Daneben kommen zur Anwendung die allgemeinen Regelungen zur Schadensversicherung (§§ 74 bis 87 VVG), soweit sie nicht an den Versicherungswert anknüpfen (Rn. 5), und die für alle Versicherungszweige geltenden Vorschriften (§§ 1–73 VVG), sofern sich aus §§ 100 bis 112 VVG nichts anderes ergibt. § 102 Abs. 1 S. 2 VVG begründet eine gesetzliche Vermutung dafür, dass eine Betriebshaftpflichtversicherung als Versicherung für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. VVG ausgestaltet ist.15 § 103 VVG (Leistungsbefreiung des VR bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens durch den VN) geht § 81 VVG vor. § 104 VVG präzisiert die in § 30 Abs. 1 VVG normierte Anzeigeobliegenheit. Die Fälligkeitsregelung des § 106 VVG verdrängt § 14 Abs. 1 VVG. Das Recht des VR gem. § 35 VVG zur Aufrechnung einer fälligen Prämienforderung ist gegenüber dem Geschädigten, in dessen Hand sich der Freistellungsanspruch des VN in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, wegen § 108 Abs. 1 VVG nur mit Prämien möglich, die bereits zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles fällig waren.16 b) HGB. Handelsrechtliche Normen sind grundsätzlich neben den VVG-Vorschriften anwend- 13 bar, soweit es sich bei dem Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages für den oder die hieran Beteiligten um ein Handelsgeschäft (§ 343 HGB) handelt17 oder der Vertrag durch einen Versicherungsvertreter (vgl. § 92 HGB) vermittelt worden ist.
c) BGB. Bei einem Versicherungsvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, auf 14 den die allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Rechts anwendbar sind, soweit keine versicherungsvertragsrechtlichen oder handelsrechtlichen Spezialregelungen eingreifen. Besonders bedeutsam sind die Regelungen über Rechtsgeschäfte (§§ 104 ff. BGB), zur Verjährung (§§ 195 ff. BGB) und zum AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB).
d) AGG. Für Haftpflichtversicherungsverträge sind die Regelungen zum zivilrechtlichen Be- 15 nachteiligungsverbot (§§ 19 bis 22 AGG) von Bedeutung. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG ist eine Benachteiligung bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, unzulässig, wenn sie aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung kommt diesen Diskriminierungsmerkmalen bei der Einschätzung des Risikos keine Bedeu15 Looschelders/Pohlmann/R. Koch § 43 VVG Rn. 29. 16 Vgl. BGH 8.4.1987 – IV a ZR 12/86, RuS 1987 219 f. = VersR 1987 655 zu § 156 VVG a.F. 17 Vgl. BGH 6.5.1975 – VI ZR 120/74, NJW 1975 1358 (zur Geltung der Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens); OLG Köln 13.11.2007 – 9 U 204/06, RuS 2008 239, 240 (zur Anwendbarkeit des § 354a HGB); OLG Frankfurt/M. 3.3.2006 – 31 C 3136/05, 23 ADAJUR Dok.Nr. 69666 (zum Ersatz des Folgeschadens durch Haftpflichtversicherung – Regelzinsanspruch aus § 352 HGB). 7
Koch
Einleitung
D. Rechtsquellen zur Haftpflichtversicherung
tung zu.18 Bei einem Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG können dem diskriminierten (potenziellen) VN nicht nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 21 Abs. 1 AGG), sondern auch Schadensersatzansprüche wegen entstandener materieller und immaterieller Schäden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und 3 AGG) zustehen. Umstritten ist, ob aus dem Beseitigungsanspruch in § 21 Abs. 1 Satz 1 AGG ein Anspruch auf Abschluss eines Versicherungsvertrages folgt, wenn der VR in diskriminierender Weise einen Vertragsschluss verweigert.19
2. Vertragliche Grundlagen 16 Hinsichtlich der Ausgestaltung des Haftpflichtversicherungsvertrages hat sich in den verschiedenen Zweigen der Haftpflichtversicherung ein Marktstandard herausgebildet, der sich – wenn der GDV Versicherungsbedingungen entwickelt hat – an diesen (unverbindlichen) Musterbedingungen orientiert und insoweit eine Vergleichbarkeit der angebotenen Deckungen erleichtert.20 Im Grundsatz ist zu unterscheiden zwischen solchen Haftpflichtversicherungsverträgen, die in erster Linie Deckung gegen die Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen eines Sach- oder Personenschadens bieten, und solchen, die Schutz gegen die Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen Vermögensschäden gewähren. Zur ersten Gruppe zählen sämtliche Bedingungswerke, die auf den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflicht (AHB) basieren (z.B. Privat-, Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung, Rückrufkostenversicherung). Sie werden ergänzt durch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR), die jeweils auf das versicherte Risiko zugeschnitten sind (z.B. Muster-Bedingungsstruktur I: Industrie, Handel und Gewerbe; Muster-Bedingungsstruktur IX: Privathaftpflichtversicherung etc.). Seit 2014 hat der GDV damit begonnen, sog. „durchgeschriebene Musterbedingungen“ u.a. für die Betriebsund Berufshaftpflichtversicherung und die Privathaftpflichtversicherung zu veröffentlichen, in die die AHB und die BBR integriert werden. Das Zusammenspiel aus mehreren Musterbedingungen (z.B. für die Betriebshaftpflichtversicherung: AHB und Muster-Bedingungsstruktur AT, UHVBasis und ProdHM) wird abgeschafft und das bisherige „Ausschluss (AHB) – Einschluss (BBR) – System“ durch positive Leistungsbeschreibungen ersetzt. Hierdurch verspricht sich der GDV eine bessere Verständlichkeit der Bedingungswerke.21 Die zweite Gruppe der Vermögensschadensdeckungen lässt sich weiter unterteilen in Bedin17 gungswerke, die lediglich zur Voraussetzung haben, dass der zur Haftung führende Verstoß während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetreten ist („occurence“), und in solche Bedingungswerke, nach denen nicht nur der Verstoß, sondern auch die Geltendmachung des Anspruchs während der Dauer des Versicherungsvertrages erfolgen muss („claims made and occurence“). Zur ersten Untergruppe zählen sämtliche Bedingungswerke, die auf den AVB-Vermögen basieren (z.B. Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Angehörige der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe22). Die AVB Vermögen sind in der Musterbedingungsstruktur des GDV nicht berücksichtigt, weil diese Sparten vom Gesamtverband nicht betreut werden.23 Zur zweiten Untergruppe zählen neugeschaffene De18 Vgl. Sittle/Lattwein VW 2007 1141. 19 Bejahend MüKoBGB/Thüsing § 21 AGG Rn. 17 ff.; BeckOGK-BGB/Mörsdorf, 15.2.2020, AGG § 21 Rn. 31 f.; BeckOK/ Wendtland AGG § 21 Rn. 13 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 5. Aufl. (2018) § 21 Rn. 6; a.A. Grüneberg/Grüneberg § 21 AGG Rn. 7; Staudinger/Rolfs (2018) § 21 AGG Rn. 2; Armbrüster VersR 2006 1298, 1303; ders. NJW 2007 1494, 1498; R. Koch VersR 2007 288, 299; vgl. auch Bachmann ZBB 2006 257, 265 f.; Maier-Reimer NJW 2006 2577, 2582. 20 Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/de/ueber-uns/unsere-services/musterbedingungen-23924 (zuletzt abgerufen am 27.8.2022). 21 Erläuterungen zur Strukturreform und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV), S. 2, https://www.gdv.de/resource/blob/6238/1381db76f87bca203bf853d 1821c249a/01-erlaeuterungen-strukturreform-und-avb-bhv-2014-08-data.pdf (zuletzt abgerufen am 27.8.2022). 22 Hierzu Dißars VersR 2009 1340 ff. 23 Prölss/Martin/Lücke Vorbem. §§ 1 ff. AVB Verm Rn. 3. Koch
8
E. Zur Technik der Risikobegrenzung in der Haftpflichtversicherung
Einleitung
ckungskonzepte z.B. zur Abdeckung von D&O-Risiken,24 IT-/Cyberrisiken,25 AGG-Risiken.26 Die Vertragspraxis lässt es hierbei oftmals genügen, dass der Anspruch während der Laufzeit des Vertrages geltend gemacht wird (vgl. A-5.2 AVB D&O). Versicherungsschutz wird somit auch für unbekannte Pflichtverletzungen gewährt, die vor Abschluss des Versicherungsvertrages begangen worden sind (sog. Rückwärtsdeckung). Eine Kombination der Deckung von Ansprüchen aus Personen-, Sach- und Vermögensschä- 18 den sehen die Haftpflichtversicherungen der Konstruktionsberufe (Architekten, Ingenieure, Statiker, Bauunternehmer) vor. So unterscheiden z.B. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Objekt-Haftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieure (AVB Objekt-Arch./Ing.) nur zwischen Personen- und sonstigen Schäden (A1-3.1 AVB Objekt-Arch./Ing.).27 Allen Deckungskonzepten gemein ist, dass die Regelungen der Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. 19 VVG) abbedungen/modifiziert werden, der Kreis der versicherten Personen i.S.v. § 43 VVG konkretisiert und – bei der Versicherung beruflicher/betrieblicher Risiken – der subjektive Risikoausschluss des § 103 VVG (vorsätzliche Herbeiführung des Schadens) in der Weise verschärft wird, dass es genügt, wenn der VN die haftungsbegründende Pflichtverletzung wissentlich begeht (vgl. Ziff. 7.2 AHB 2016, A1-7.2 AVB BHV/PHV; Ziff. 6.2.4 ProdHM 2008/2015).
E. Zur Technik der Risikobegrenzung in der Haftpflichtversicherung Die Technik der Risikobegrenzung in der Haftpflichtversicherung unterscheidet sich nicht von 20 der anderer Versicherungszweige. Um das Risiko kalkulierbar zu machen, bedient sich der VR eines hierarchischen Systems, das in mehrere Ebenen aufgegliedert ist, die Regeln, Ausnahmen und Gegenausnahmen vorsehen.28
I. Primäre Risikoabgrenzung Auf der Primärebene beschreibt und begrenzt der VR zugleich sein Eintrittsrisiko durch die 21 Festlegung des versicherten Risikos (vgl. Ziff. 3 AHB 2016, A1-1 AVB BHV/PHV), die Definition des Versicherungsfalles, mit dem regelmäßig die versicherten Gefahren und die Art der ersatzfähigen Schäden des Dritten festgelegt werden (vgl. Ziff. 1.1 AHB 2016, A1-3.1 AVB BHV/PHV), sowie die Vereinbarung der Versicherungssumme je Versicherungsfall und der Höchstersatzleistung für die Versicherungsperiode (vgl. Ziff. 6.1 AHB 2016, A1-5.1 und A1-5.2 AVB BHV/PHV). Die 24 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB D&O), https://www.gdv.de/resource/blob/6044/aff62dda6ec6fb4e1b9998b76 5de435d/05-allgemeine-versicherungsbedingungen-fuer-die-vermoegensschaden-haftpflichtversicherung-von-aufsi chtsraeten-vorstaenden-und-geschaeftsfuehrern-avb-d-o-data.pdf (zuletzt abgerufen am 27.8.2022). 25 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Cyberrisiko-Versicherung (AVB Cyber), https://www.gdv.de/re source/blob/6100/d4c013232e8b0a5722b7655b8c0cc207/01-allgemeine-versicherungsbedingungen-fuer-die-cyberrisi ko-versicherung-avb-cyber-data.pdf (zuletzt abgerufen am 27.8.2022). 26 Allgemeine Bedingungen zur Haftpflichtversicherung von Ansprüchen aus Benachteiligungen – AVB Benachteiligungen, https://www.gdv.de/resource/blob/5914/94bef4f5ecf39adcfde361a3f95bf3ca/04-allgemeine-bedingungenzur-haftpflichtversicherung-von-anspruechen-aus-benachteiligungen-avb-benachteiligungen-data.pdf (zuletzt abgerufen am 27.8.2022); vgl. hierzu R. Koch VersR 2007 288 ff. 27 Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/56652/a4820917ff41a34e3e2cdccfc6ad4bc0/30avb-objekt-arch-ing-allgemeine-versicherungsbedingungen-fuer-die-objekt-haftpflichtversicherung-von-architekten -bauingenieuren-und-beratenden-ingenieuren-data.pdf (zuletzt abgerufen am 27.8.2022). 28 Vgl. Bruck/Möller/H. Baumann/Koch § 1 VVG Rn. 65 f.; Langheid/Wandt/Looschelders § 1 VVG Rn. 13; Bach/Moser/Staudinger Teil A Einleitung Rn. 57 ff.; Berliner Kommentar/Schauer Vorbem. §§ 49–68a VVG Rn. 6; Dreher 168 f.; K. Sieg BB 1970 106 ff. 9
Koch
Einleitung
E. Zur Technik der Risikobegrenzung in der Haftpflichtversicherung
Eintrittspflicht ist begrenzt auf den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN (Ziff. 1.1 AHB 2016, A1-3.1 AVB BHV/PHV). Keine Deckung besteht für Haftpflichtansprüche, die aufgrund Vertrages oder Zusagen darüber hinausgehen (vgl. auch Ziff. 7.3 AHB 2016, A1—5.1 AVB BHV/PHV). Für Risiken, die nach Abschluss der Versicherung neu entstehen, besteht Deckung im Rahmen der Vorsorgeversicherung, jedoch mit weitaus niedrigeren Versicherungssummen (Sublimit)(vgl. Ziff. 4 AHB 2016, A1-9 AVB BHV/PHV, Ziff. 10.1 ProdHM 2008/2015/A3-10.2 AVB BHV). Dem Frequenzschadensrisiko (Kleinschäden) begegnen VR – wie auch außerhalb der Haftpflichtversicherung – mit Selbstbehalten (vgl. Ziff. 6.4 AHB 2016, A1-5.4 AVB BHV/PHV, Ziff. 9.3 ProdHM 2008/2015). Bei „Long tail“-Risiken (Spätentdeckungsrisiko) wird der Versicherungsschutz für den Fall der Beendigung des Versicherungsvertrages zeitlich begrenzt auf Versicherungsfälle, die dem VR innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Vertragsende gemeldet werden (vgl. Ziff. 7.1 ProdHM 2008/2015, A3-11 AVB BHV). Um Kumulrisiken entgegenzuwirken, enthalten alle Bedingungswerke Serienschadensklauseln, die vorsehen, dass mehrere Versicherungsfälle als ein Versicherungsfall behandelt werden, sodass hierfür auch nur einmal die Versicherungssumme zur Verfügung steht (vgl. Ziff. 6.3 AHB 2016, A1-5.3 AVB BHV/PHV, Ziff. 8.3 ProdHM 2008/2015, A3-5.3 AVB BHV). Für Auslandsrisiken wird standardmäßig nur eingeschränkt Versicherungsschutz gewährt (vgl. Ziff. 7.9 AHB 2016, A3-6.3 AVB BHV).29
II. Sekundäre Risikoabgrenzung 22 Auf der Sekundärebene begrenzt der VR sein Eintrittsrisiko dadurch, dass er unkalkulierbare, vom VN nicht beherrschbare und somit von dessen Verhalten unabhängige Risiken von vornherein ausschließt (z.B. Haftpflichtansprüche wegen Asbestschäden oder wegen Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen, vgl. Ziff. 7.11 und Ziff. 7.12 AHB 2016, A1-7.7 und A1-7.8 AVB BHV/PHV). Für vom VN beherrschbare und von seinem Verhalten abhängige Risiken tritt der VR nur unter der Voraussetzung ein, dass sich kein „Moral Hazard“ (moralisches Risiko) verwirklicht hat (z.B. Haftpflichtansprüche wegen Schäden an gemieteten Sachen oder wegen Bearbeitungsschäden (vgl. Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 AHB 2016, A1-7.5 AVB BHV/PHV und A3-6.1 AVB BHV), sowie Schäden durch nicht hinreichend erprobte Produkte (vgl. Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008/2015, A3-8.26 AVB BHV)). Hierbei geht es speziell darum, dass sich das Risikoverhalten des VN im Hinblick auf das Bestehen des Versicherungsvertrages ändert, etwa weil er weniger Vorsicht walten lässt, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles erhöht, oder zu geringe Mühe aufwendet, den Versicherungsfall in seinen Auswirkungen zu begrenzen. Das moralische Risiko reicht in der Haftpflichtversicherung vom Eingehen unverantwortlicher Risiken über den Versuch des VN, seine privaten, beruflichen oder unternehmerischen Risiken zulasten der VR und damit der Versichertengemeinschaft zu externalisieren bis hin zu bewusster Manipulation und Versicherungsbetrug.30 Bei Vermögensschadensdeckungen (D&O-Versicherung, Berufshaftpflichtversicherung) besteht abweichend von § 103 VVG bereits bei einer nur wissentlichen Pflichtverletzung keine Deckung, um den Organmitgliedern und Berufsträgern aus Gründen der Verhaltenssteuerung und zur Verminderung des subjektiven Risikos den Einwand abzuschneiden, sie hätten darauf vertraut, dass kein Schaden eintreten würde. Sämtliche formularmäßige Beschränkungen der Eintrittspflicht unterliegen der AGB-Einbe23 ziehungs- und -Inhaltskontrolle; sie dürfen den VN nicht überraschen (§ 305c Abs. 1 BGB), müssen klar und verständlich sein (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dürfen nicht von wesentlichen Grundgedanken gesetzlicher Regelungen abweichen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder den Vertragszweck gefährden (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und den VN auch in sonstiger Weise nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).31 29 Vgl. auch Wagner VersR 1999 1441, 1445. 30 Koch Karlsruher Forum 2010, 113. 31 Vgl. Bruck/Möller/Beckmann Einf. C Rn. 174 ff. und 244 ff. Koch
10
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
Einleitung
III. Tertiäre Risikoabgrenzung Die Tertiärebene schließt bestimmte Sachverhalte wieder in die Deckung ein, die Gegenstand 24 eines Ausschlusses sind (z.B. Ziff. 7.7 (3) AHB 2016: „[D]ieser Ausschluss gilt nicht, wenn der VN beweist, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte.“ oder Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008/2015, A3-8.26 Satz 2 AVB BHV: „Dies[er Ausschluss] gilt nicht für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen.“).
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung I. Grundsatz: Dichotomie zwischen Haftung und Deckung Der Anspruch des VN auf Haftpflichtversicherungsschutz entsteht, wenn er von einem Dritten 25 für einen (behaupteten) Schaden verantwortlich gemacht wird, der in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 14 ff.). Ist der Haftpflichtanspruch des Dritten begründet, muss der VR den VN nach § 100 VVG freistellen. Die Pflicht des VR zur Freistellung knüpft insoweit gleichsam akzessorisch an die ihr vorgelagerte Haftpflicht des VN an („Deckung folgt Haftung“).32 Aus dieser Dichotomie zwischen Haftung und Deckung wird das (materielle) Trennungsprinzip hergeleitet, demzufolge sich die Versicherung nach der Haftung und nicht umgekehrt die Haftung nach der Versicherung richtet.33 Es kommt deshalb für Grund und Höhe eines Haftpflichtanspruchs nicht darauf an, ob der Schädiger über Versicherungsschutz verfügt.34 Diese Dichotomie wird freilich zwangsläufig in den Fällen durchbrochen, in denen das für die Haftpflichtigkeit des VN maßgebliche Haftungsrecht als Vorfrage daran anknüpft, ob der Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genießt.35 Hier kann Haftpflichtversicherungsschutz nach der Rechtsprechung haftungsbegründende, -ausfüllende und -begrenzende Wirkung entfalten (dazu sogleich Rn. 27 ff.).36 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Versicherbarkeit eines Risikos im versicherungsuntechnischen Sinne Auswirkungen auf die Haftung dem Grund und der Höhe nach hat. Entgegen Littbarski vermischt die Rechtsprechung nicht in unzulässiger Weise Haftung und 26 Versicherung,37 weil das dem allgemeinen Bürgerlichen Recht entspringende Haftungsrecht selbstverständlich nicht dem von der Rechtsprechung aus dem Haftpflichtversicherungsrecht entwickelten Trennungsgrundsatz folgen muss. Soweit das Haftungsrecht die Berücksichtigung wirtschaftlicher Verhältnisse zulässt oder sogar fordert, ist deshalb auch der Bestand von Haftpflichtversicherungsschutz zu berücksichtigen,38 mag hierdurch auch die Abwicklung von Schadensersatzansprüchen zusätzlich belastet werden, weil die Antwort auf die (Vor-)Frage, ob der VR eintrittspflichtig ist, dem Versicherungsvertrag zu entnehmen ist.39 Geht es um die Frage der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Wirkung von Haftpflichtversicherungs32 Vgl. Seybold/Wendt VersR 2009 455, 461; Schirmer Zwangshaftpflichtversicherung für Kinder? DAR 2004 509. 33 BGH 27.10.2009 – VI ZR 296/08, RuS 2010 33, 34: „Das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes vermag das fehlende Verschulden des Beklagten nicht zu ersetzen“. 34 Armbrüster RuS 2010 441, 442; Harsdorf-Gebhardt RuS 2012 162, 262, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des RG und des BGH. 35 Vgl. Schlöpke 62 f., 70 f.; Makowsky 165 ff. 36 Vgl. Makowsky 148 ff.; Hauer 18 ff. 37 Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 138 ff.; Littbarski VersR 2004 950, 954. 38 Vgl. BGH 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18 149, 165 f. = NJW 1955 1675; BGH 18.12.1979 – VI ZR 27/78, BGHZ 76 279, 286 f. = NJW 1980 1623; MüKoBGB/Wagner § 829 Rn. 21; a.A. OLG Koblenz 7.7.2015 – 3 U 1446/14, VersR 2016 124, 126 m. krit. Anm. Makowsky VersR 2016 127, 128. 39 Vgl. Seybold/Wendt VersR 2009 455, 463 f. 11
Koch
Einleitung
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
schutz, bietet sich als Ausweg sowohl für den VN als auch für den Geschädigten die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Geschädigten an, weil Haftung und Deckung dann vor ein und demselben Gericht im Rahmen des Verfahrens gegen den VR festgestellt werden. In diesem einheitlichen Verfahren hat das Gericht dann zu klären, ob dem Leistungsversprechen des VR zu entnehmen ist, den VN von Ansprüchen freizustellen, die ihre Entstehung oder Höhe dem Versicherungsvertrag verdanken.40
II. Haftungsbegründende Wirkung von Haftpflichtversicherungsschutz 1. Billigkeitshaftung (§ 829 BGB) 27 Bei der Billigkeitshaftung nach § 829 BGB geht es um die Frage, ob und ggf. wie eine Haftpflichtversicherung, die zugunsten eines aufgrund der §§ 827, 828 BGB deliktisch nicht verantwortlichen Schädigers abgeschlossen worden ist, in die Billigkeitserwägungen einzustellen ist. Die Rechtsprechung differenziert zwischen freiwilliger Haftpflichtversicherung und obligatorischer Kfz-Haftpflichtversicherung. Nach Ansicht des BGH41 rechtfertigt die besondere Zweckbestimmung der Kfz-Haftpflichtversicherung, „dem Geschädigten auch im Rahmen des § 829 BGB einen bestehenden Versicherungsschutz des Schädigers schon für das,Ob‘ des Anspruchs zugute kommen zu lassen“. Dem stehe nicht entgegen, dass damit das Trennungsprinzip, wonach die Eintrittspflicht des VR dem Anspruch folge und nicht umgekehrt, durchbrochen werde. Für den besonderen Anspruch des § 829 BGB müsse sich der auf den Opferschutz gerichtete Zweck der Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber diesem Prinzip durchsetzen.42 Allerdings könne das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung nicht allein den Anspruch aus § 829 BGB begründen, vielmehr müssten die gesamten Umstände des Einzelfalls den Ausgleich erfordern.43 Diese Einschränkung zielt bei Kfz-Unfällen, bei denen der materielle Schaden des Unfallopfers bereits über die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nach § 7 StVG abgedeckt wird, auf das Schmerzensgeld ab, dessen Zubilligung mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter des § 829 BGB nur in Betracht kommt, wenn seine Versagung im Einzelfall dem Billigkeitsempfinden krass widerspricht.44 Soweit das für Kfz geltende Haftungsregime wegen § 8 Nr. 1 StVG keine Anwendung findet (z.B. bei E-Scootern, die bauartbedingt nicht schneller als 20 km/h fahren können), gilt diese Einschränkung auch für den materiellen Schaden.45 Für den Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung wirkt die Tatsache, dass der 28 Schädiger über den Schutz einer Haftpflichtversicherung verfügt, hingegen nicht haftungsbegründend,46 sondern kann lediglich – auf der Ebene der Haftungsausfüllung – Anlass zu einer
40 Vgl. Hanau FS E. Lorenz (2004) 294; ders., VersR 1969 291, 293; vgl. auch E. Lorenz VersR 1980 697, 700; Seybold/ Wendt VersR 2009 455, 459.
41 BGH 11.10.1994 – VI ZR 303/93, BGHZ 127 186, 192 = VersR 1995 96; vgl. auch BGH 29.11.2016 – VI ZR 606/15, RuS 2017 160 Rn. 10.
42 BGH 11.10.1994 – VI ZR 303/93, BGHZ 127 186, 191 f. = VersR 1995 96; diese Unterscheidung ablehnend MüKoBGB/Wagner § 829 Rn. 20; Soergel/Spickhoff § 829 Rn. 20; Hauer 91 ff.
43 BGH 11.10.1994 – VI ZR 303/93, BGHZ 127 186, 191 f. = VersR 1995 96; vgl. auch BGH 29.11.2016 – VI ZR 606/15, RuS 2017 160 Rn. 10; Staudinger/Oechsler (2018) § 829 Rn. 47. 44 BGH 11.10.1994 – VI ZR 303/93, BGHZ 127 186, 192 = VersR 1995 96; vgl. auch BGH 29.11.2016 – VI ZR 606/15, RuS 2017 160 Rn. 11. 45 R. Koch NJW 2020 183, 184. 46 BGH 11.10.1994 – VI ZR 303/93, BGHZ 127 186, 191 = VersR 1995 96; OLG Celle 24.9.2015 – 5 U 48/15, BeckRS 2015 116500; LG Frankfurt/M. 24.10.2013 – 2-13 O 86/10, NJW 2014 408; Armbrüster NJW 2009 187, 188; Seybold/ Wendt VersR 2009 455, 459. Koch
12
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
Einleitung
Korrektur hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Betrages geben.47 Voraussetzung hierfür ist, dass der VR tatsächlich eintrittspflichtig ist. Allein der Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages für das in Rede stehende Risiko genügt nicht.
2. Wegfall der Haftungsfreistellung/-beschränkung des Arbeitnehmers bei Schäden infolge betrieblich veranlasster Tätigkeit Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des innerbetrieblichen Scha- 29 densausgleichs haftet der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber bei leichtester Fahrlässigkeit nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit in der Regel anteilig und bei grober Fahrlässigkeit voll. Nach der Rechtsprechung des BAG48 und des BGH49 kommen Haftungserleichterungen jedoch auch bei grober Fahrlässigkeit nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in Betracht, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und dem Schadensrisiko besteht, das sich verwirklicht hat.50 Grob ist das Missverhältnis dann, wenn es zu einer Existenzgefährdung des Arbeitnehmers führen kann,51 weil er den Schadensersatzbetrag auch nicht bei einer einschneidenden Beschränkung seiner Lebensführung aus seinem laufenden Arbeitseinkommen bestreiten kann.52 Hinsichtlich des Umfangs lehnt das BAG eine Beschränkung der Haftung auf eine Höchstsumme oder eine bestimmte Anzahl von Monatsverdiensten ab, weil die Festlegung einer solchen Haftungsbeschränkung allein dem Gesetzgeber vorbehalten sei.53 Bei leitenden Angestellten kann sich die Haftung auf bis zu zwei Jahresgehälter erstrecken und in den Fällen, in denen es um Arbeitnehmer ging, die weniger qualifizierte Tätigkeiten ausüben und deshalb einen eher geringen Verdienst haben, beschränken die Gerichte die Haftung auf bis zu sechs Monatsbruttovergütungen.54 Lässt die Rechtsprechung das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für sich allein 30 nicht genügen, um den Anspruch aus § 829 BGB zu begründen, so geht der BGH bei der Arbeitnehmerhaftung einen Schritt weiter. Die Haftungsfreistellung für leichteste Fahrlässigkeit und die Beschränkung der Haftung für mittlere und grobe Fahrlässigkeit entfällt, wenn zu Gunsten des Arbeitnehmers eine obligatorische Haftpflichtversicherung, etwa eine Kfz-Haftpflichtversi-
47 BGH 18.12.1979 – VI ZR 27/78, BGHZ 76 279, 286 f. = NJW 1980 1623, 1625; BGH 24.4.1979 – VI ZR 8/78, VersR 1979 645; OLG Frankfurt/M. 24.6.2020 – 16 U 265/19, BeckRS 2020 17162; OLG Köln 4.9.2017 – 5 U 40/17, BeckRS 2017 145913; OLG Frankfurt/M. 16.8.2000 – 7 U 142/99, OLGR Frankfurt 2001 18; OLG Köln 8.12.1999 – 11 U 233/95, OLGR Köln 2000 293, 294; OLG Düsseldorf 18.7.1997 – 22 U 5–97, NJW-RR 1998 98, 99; LG Dortmund 2.5.1995 – 1 S 313/94, zfs 1995 366. 48 Vgl. nur BAG 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NJW 2011 1096 Rn. 17; BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NJW 2004 2469, 2470; BAG 18.4.2002 – 8 AZR 348/01, NJW 2003 377, 378 f.; BAG 12.10.1989 – 8 AZR 276/88, NZA 1990 97, 98 ff. 49 BGH 25.6.2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148 167, 172 = NJW 2001 3123; BGH 11.11.1969 – VI ZR 71/68, BeckRS 1969 30375561. 50 Hübsch NZA-RR 1999 393, 394. 51 BAG 12.10.1989 – 8 AZR 276/88, NZA 1990 97, 98 = NJW 1990 46 m.w.N. auf die Rspr. des BAG und des BGH. 52 Hübsch NZA-RR 1999 393, 394. 53 BAG 23.1.1997 – 8 AZR 893/95, NZA 1998 140, 141; BAG 12.10.1989 – 8 AZR 276/88, NZA 1990 97. 54 Vgl. BAG, 15.11.2012 – 8 AZR 705/11, NJOZ 2013 709; BAG, 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011 345; BAG, 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007 1230; LAG Sachsen, 13.6.2017 – 3 Sa 556/16, BeckRS 2017 127707; LAG Berlin Brandenburg, 28.2.2017 – 7 Sa 1010/16 –, juris; LAG Sachsen-Anhalt, 31.3.2015 – 6 Sa 351/13, BeckRS 2015 72680; LAG Niedersachsen, 18.2.2015 – 16 Sa 664/14 –, juris; LAG Rheinland-Pfalz, 8.1.2014 – 7 Sa 84/13, BeckRS 2014 68454; LAG Schleswig-Holstein, 6.3.2014 – 4 Sa 295/13 –, juris; LAG Schleswig-Holstein, 14.9.2011 – 3 Sa 241/11, BeckRS 2011 78465; LAG Niedersachsen, 27.5.2009 – 17 Sa 1424/08, VersR 2010 1599; ArbG Madgdeburg, 7.12.2016 – 11 Ca 1707/16 –, juris. 13
Koch
Einleitung
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
cherung, eingreift.55 Eine (freiwillig abgeschlossene) Privathaftpflichtversicherung, so das BAG, wirkt sich „dagegen grundsätzlich auf die interne Betriebsrisikoverteilung nicht aus. Insbesondere darf auch beim Bestehen einer solchen Privathaftpflichtversicherung zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass das gezahlte Entgelt im Verhältnis zu dem von ihm zu tragenden Risiko unangemessen gering ist. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitgeber vor Einstellung des Arbeitnehmers wegen der Risiken der gefahrgeneigten Tätigkeit den Abschluss einer solchen privaten Haftpflichtversicherung verlangt und zur Einstellungsbedingung gemacht hatte, erst recht, wenn dafür zusätzliche Vergütungsbestandteile vereinbart wurden. Wie bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung kann auch zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrags wegen bestehender Risiken der Abschluss einer Haftpflichtversicherung zwingend vereinbart werden mit der Folge, dass bei einem Schadenseintritt das Bestehen einer solchen Versicherung für Schäden im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist.“56
31 Bei einer freiwilligen (Privat-, Betriebs- oder Berufs-)Haftpflichtversicherung bleibt es somit im Grundsatz bei der Anwendung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs und einer daraus resultierenden Haftungsfreistellung oder -beschränkung des Arbeitnehmers im Falle seiner Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber. Handelt es sich bei dem Geschädigten um einen außenstehenden Dritten, hat der Arbeitnehmer einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber, der auf gänzliche oder anteilige Freistellung von der Schadensersatzpflicht gegenüber dem Dritten gerichtet ist. Soweit der Haftpflicht-VR den Arbeitnehmer freistellt, kann er deshalb nach § 86 Abs. 1 Satz 1 – vorausgesetzt, das Interesse des Arbeitgebers ist nicht mitversichert – Regress beim Arbeitgeber in der Höhe nehmen, in dem die Außenhaftung des Arbeitnehmers die Haftung im Innenverhältnis zum Arbeitgeber übersteigt. 32 Zu beachten ist, dass nach der Rechtsprechung etwas anderes gelten „kann“, wenn die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Haftpflichtversicherung zum Schutz des Arbeitnehmers zwingend vereinbart haben. Selbst in den Fällen, in denen eine entsprechende Vereinbarung zum Inhalt des Arbeitsvertrages gemacht worden ist, findet die Versicherung somit nicht zwangsläufig Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtbetrachtung bei der Prüfung der Beteiligung des (grob) fahrlässig handelnden Arbeitnehmers an den Schadensfolgen und führt zu einer höheren Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die richterrechtlichen Regeln über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung „einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht“ sind.57 33 Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung im Anstellungsvertrag über den Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages oder den Einschluss in einen bereits bestehenden Vertrag getroffen, ist die Haftpflichtversicherung nur dann zu berücksichtigen, wenn stets und generell sichergestellt ist, dass der durch die Haftpflichtversicherung gebotene Schutz für den Arbeitnehmer nicht hinter dem Standard zurückbleibt, den die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gewähren. Da der Arbeitgeber die Gleichwertigkeit des Schutzes durch die Versicherung – sei es hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Deckungs-
55 BAG 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NJW 2011 1096 Rn. 28; BAG 25.9.1997 – 8 AZR 288/96, NZA 1998 310, 311; BGH 3.12.1991 – VI ZR 378/90, BGHZ 116 200, 209 = RuS 1992 185; vgl. auch BGH 8.12.1971 – IV ZR 102/70, VersR 1972 166, 167; OLG Köln 4.9.2017 – 5 U 40/17, BeckRS 2017 145913; OLG Hamm 11.11.2011 – I-20 U 3/11, RuS 2012 284, 287; OLG Koblenz 14.3.2011 – 12 U 1528/09, BeckRS 2011 05944. 56 BAG 28.10.2010 – NJW 2011 1096, NJW 2011 1096 Rn. 29; vgl. auch bereits BAG 14.10.1993 – 8 AZR 242/92, BeckRS 1993 30916228; So auch die hLit vgl. Reichhold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Aufl. (2018) § 57 Rn. 38; Hanau FS E. Lorenz (2004) 283, 288 ff.; ErfK/Preis20 § 619a Rn. 20; MüKoBGB/Henssler8 § 619a Rn. 42; Walker JuS 2002 736, 739; Waltermann RdA 2005 98, 107; a.A. Otto FS 50 Jahre BAG 97, 117 ff.; ihm folgend Henssler/Willemsen/Kalb/Krause Arbeitsrecht 7. Aufl. (2016) § 619a Rn. 39; Hauer 170 ff. 57 BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NJW 2004, 2469, 2470 f.; BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715, 716; BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999 141, 144. Koch
14
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
Einleitung
summe, sei es wegen des möglichen Eingreifens von Ausschlüssen – in der Regel nicht sicherstellen kann, muss die Vereinbarung im Anstellungsvertrag deshalb vorsorglich eine Beschränkung der Haftung auf den Betrag vorsehen, den der Arbeitnehmer ohne Bestehen der Versicherung zu zahlen hätte. Fehlt es an einer solchen Abrede, kann deshalb nicht „etwas anderes“ im Sinne der Rechtsprechung des BAG gelten und kann die Haftpflichtversicherung nicht im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigt werden. Auch eine Betriebshaftpflichtversicherung, bei der die Arbeitnehmer mitversichert sind 34 (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 2), kann eine solche Vereinbarung nicht ersetzen. So sind beispielsweise in der Betriebshaftpflichtversicherung Haftpflichtansprüche des VN gegen die versicherten Personen von der Deckung nach Ziff. 7.4 (1) AHB 2016 ausgeschlossen.
3. Wegfall des Haftungsausschlusses bei leichter Fahrlässigkeit Haftungsbegründend wirkt Haftpflichtversicherungsschutz bei leicht fahrlässig herbeigeführten 35 Schäden im Rahmen von sportlichen Wettbewerben (z.B. beim Motorsport,58 bei Gesellschaftsjagden59) sowie im Rahmen von Gefahrgemeinschaften60 oder Gefälligkeitsverhältnissen (Übernahme einer Autofahrt, Nachbarschaftshilfe, sonstige Freundschaftsdienste wie Hilfe beim Umzug, Zurverfügungstellung eines Pferds zum Reiten).61 Hier geht die Rechtsprechung zwar von einem Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit aus stillschweigender Vereinbarung oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung aus.62 Bereits das RG hatte in ständiger Rechtsprechung jedoch den Standpunkt vertreten, es sei nicht zu beanstanden, wenn vom Tatrichter angenommen werde, dass das Bestehen einer Haftpflichtversicherung gegen einen stillschweigenden Haftungsausschluss spreche.63 Der BGH hat diese Rechtsprechung übernommen und in seinem Urteil vom 29.1.2008 verdeutlicht, „dass es dort, wo der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist, insb. eine Pflichtversicherung besteht, weder dem gesetzlichen Anliegen der Versicherungspflicht noch dem Willen der Beteiligten entspricht, den Haftpflichtversicherer zu entlasten und dass das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für den Schädiger in aller Regel gegen eine stillschweigende Haftungsbeschränkung spricht. Unter besonderen Umständen kann das Bestehen einer Pflichtversicherung sogar Grund und Umfang eines Haftungsanspruchs bestimmen. […] Dass durch die Inanspruchnahme evtl. ein teilweiser Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bewirkt wird, vermag die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens nicht zu rechtfertigen, weil dies keine unzumutbare Belastung darstellt“.64
In diesem Urteil, dem ein Auffahrunfall während einer motorsportlichen Veranstaltung auf 36 dem Hockenheimring zugrunde lag, hat der BGH festgestellt, dass im Regelfall weder von 58 Vgl. BGH 29.1.2008 – VI ZR 98/07, RuS 2008 256, 257; BGH 5.3.1963 – VI ZR 123/62, NJW 1963 1099, 110; OLG Karlsruhe 23.2.2012 – 9 U 97/11, NJW 2012, 3447. 59 BGH 21.10.1958 – VI ZR 190/57, BeckRS 1958 31197518. 60 Vgl. OLG Stuttgart 7.1.2008 – 5 U 161/07, NJOZ 2008 2798, 2799. 61 Vgl. BGH 26.4.2016 – VI ZR 467/15, RuS 2016 424 Rn. 10; BGH 9.6.1992 – VI ZR 49/91, NJW 1992 2474, 2475; BGH 15.1.1980 – VI ZR 191/78, VersR 1980 384, 385; OLG Hamm 14.5.2007 – 13 U 34/07, VersR 2008 1219; OLG Frankfurt/ M. 18.11.1997 – 17 U 103–96, NJW 1998 1232; LG München I 9.4.2019 – 17 O 4345/14, BeckRS 2019 13184. 62 S. nur BGH 26.4.2016 – VI ZR 467/15, RuS 2016 424 Rn. 10; BGH 10.2.2009 – VI ZR 28/08, VersR 2009 558 Rn. 13; BGH 15.1.1980 – VI ZR 191/78, VersR 1980 384, 385; OLG Saarbrücken 2.8.2010 – 5 U 492/09, NJW-RR 2011 109; OLG Hamm 14.5.2007 – 13 U 34/07, VersR 2008 1219; OLG Frankfurt/M. 18.11.1997 – 17 U 103/96, NJW 1998 1232. 63 S. Nachweise Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 72. 64 BGH 29.1.2008 – VI ZR 98/07, RuS 2008 256, 257; vgl. auch BGH 27.10.2009 – VI ZR 296/08, RuS 2010 33, 34; BGH 13.7.1993 – VI ZR 278/92, RuS 1993 363, 364 = VersR 1993 1092; BGH 9.5.1992 – VI ZR 49/91, RuS 1992 373 = VersR 1992 1145; BGH 15.1.1980 – VI ZR 191/78, VersR 1980 384, 385; BGH 10.7.1974 – IV ZR 212/72, BGHZ 63 51, 59; BGH 26.10.1965 – VI ZR 102/64, VersR 1966 40, 41; BGH 5.3.1963 – VI ZR 123/62, BGHZ 39 156, 158. 15
Koch
Einleitung
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
einem konkludenten Haftungsausschluss ausgegangen noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als treuwidrig angesehen werden kann, wenn für die aufgrund des besonderen Gefahrenpotentials einer Sportveranstaltung zu erwartenden bzw. eintretenden Schäden für die Teilnehmer Versicherungsschutz besteht. In seiner Entscheidung vom 27.10.200965 hat der BGH diese Feststellungen aufgegriffen und dahingehend auf den Punkt gebracht, dass er in seinem Urteil vom 29.1.2008 „dem Bestehen eines Versicherungsschutzes […] eine anspruchserhaltende Funktion beigemessen [habe]“. Diese Formulierung verwundert, weil es bei der Frage, ob der Schädiger für einfach fahrlässig verursachte Schäden haftet, nicht nur um die Erhaltung, sondern um die Begründung eines Haftpflichtanspruchs geht. Möglicherweise deutet sich eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung an. Freilich kam es in dem Urteil vom 27.10.2009 auf diese Frage auch nicht an, weil der BGH eine Haftung des Schädigers mangels Verschuldens – daran fehlt es, wenn es sich um Verletzungen handelt, die sich ein Sportler bei einem regelgerechten und dem Fairnessgebot entsprechenden Einsatz seines Gegners zuzieht – verneinte.66 Im Unterschied zur Billigkeitshaftung und zum Wegfall der Haftungsfreistellung bei betrieb37 lich veranlasster Tätigkeit wird das Trennungsprinzip bei Haftungsausschlüssen für leicht fahrlässig verursachte Schäden nicht nur bei Bestehen einer obligatorischen Haftpflichtversicherung durchbrochen. Haftungsbegründend wirkt auch die freiwillige Haftpflichtversicherung.67 Die Einbeziehung der freiwilligen Haftpflichtversicherung rechtfertigt sich aus der Herleitung des Ausschlusses der Haftung bei leichter Fahrlässigkeit aus stillschweigender Vereinbarung oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Beide Rechtskonstruktionen lassen Raum für die Annahme, dass die Beteiligten im Fall des Bestehens sowohl einer obligatorischen als auch einer freiwilligen Haftpflichtversicherung nicht auf ihre Ansprüche bei nur leichter Fahrlässigkeit verzichtet haben (stillschweigender Haftungsausschluss) bzw. sich auf ein entsprechendes Ansinnen billigerweise nicht hätten einlassen müssen (ergänzende Vertragsauslegung). Dass die Haftung bei Gefälligkeitsverhältnissen insoweit strenger ist als die Haftung von Schenker, Verleiher oder Nothelfer, steht diesem im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung gewonnenen Ergebnis nicht entgegen.68 Weiterhin bleibt Raum für die Annahme, dass im Umfang eines vereinbarten Selbstbehalts, bei ausgeschöpfter Versicherungssumme oder Eingreifen eines Risikoausschlusses ein Haftungsausschluss anzunehmen ist.69 Gleiches gilt, wenn der VN oder der VR den Versicherungsvertrag vor Eintritt des Versicherungsfalles kündigt. Lediglich in den Fällen, in denen der VR wegen einer nach Eintritt des Versicherungsfalles begangenen Obliegenheitsverletzung (teilweise) leistungsfrei ist, besteht kein Anlass, den VN durch einen Haftungsausschluss zu begünstigen.70
4. Kein Wegfall der Haftungsbeschränkung nach § 104 SGB VII 38 Keinen Einfluss hat die Haftpflichtversicherung auf die Haftungsbeschränkung gem. § 104 Abs. 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer den in ihren Unternehmen tätigen Versicherten nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, der auf
65 BGH 27.10.2009 – VI ZR 296/08, RuS 2010 33. 66 BGH 27.10.2009 – VI ZR 296/08, RuS 2010 33. 67 BGH 26.4.2016 – VI ZR 467/15, RuS 2016 424 – Privathaftpflichtversicherung; BGH 9.6.1992 – VI ZR 49/91, RuS 1992 373 – Tierhalterhaftpflichtversicherung; OLG München 16.6.2010 – 20 U 5105/09, RuS 2010 390; OLG Stuttgart 8.5.2008 – 13 U 223/07, RuS 2008 304, 306; LG Magdeburg 25.7.2012 – 10 O 81/12 (juris); LG Nürnberg-Fürth 21.11.2014 – 10 O 552/13 (juris); OLG Hamm 7.11.2000 – 29 U 47/00, VersR 2002 705; a.A. OLG Koblenz 7.7.2015 – 3 U 1446/14, VersR 2016 124, 126 m. krit. Anm. Makowsky VersR 2016 127, 128; OLG Celle 3.4.2014 – 5 U 168/13, MDR 2014 775. 68 A.A. Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 80; Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100 bis 112 VVG Rn. 124. 69 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter Vorbem. §§ 100–112 VVG Rn. 11. 70 Vgl. Armbrüster NJW 2009 187. Koch
16
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
Einleitung
einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist, nur dann verpflichtet, wenn sie den Unfall vorsätzlich herbeigeführt haben oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Das Bestehen einer (Kfz-)Haftpflichtversicherung ändert daran nichts.71 Unternehmer i.S.d. SGB VII ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Soweit die Beschränkung gem. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht eingreift, kann der Sozi- 39 alversicherungsträger bei der Entscheidung, ob er beim Unternehmer Rückgriff nach § 110 Abs. 1 SGB VII nimmt, etwaigen Haftpflichtversicherungsschutz im Rahmen des ihm gem. § 110 Abs. 2 SGB VII eingeräumten billigen Ermessens berücksichtigen, das sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners zu orientieren hat.72 Da ein Verzicht (ganz oder zum Teil) nicht nur zulässig, sondern bei Ermessensreduzierung auf Null auch rechtlich geboten ist,73 kann der Bestand von Haftpflichtversicherungsschutz für Regressansprüche (vgl. Ziff. 7.9 AHB 2016) insoweit haftungsbegründend wirken.74
5. Unwirksamkeit von Haftungsfreizeichnungsklauseln Haftungsbegründende Wirkung kommt einer bestehenden Haftpflichtversicherung auch in den 40 Fällen zu, in denen ein formularvertraglich vereinbarter Haftungsausschluss für Sach- und Vermögensschäden wegen der Existenz der Versicherung unwirksam ist. Insoweit ist der Hinweis geboten, dass die Rechtsprechung die Angemessenheit eines solchen Ausschlusses u.a. danach beurteilt, ob die Risiken besser vom Verwender solcher Klauseln (im Rahmen einer Haftpflichtversicherung) oder von seinem Vertragspartner (im Rahmen einer Sachversicherung) unter Versicherungsschutz gebracht werden können oder typischerweise gebracht werden.75 Im erstgenannten Fall hat die Rechtsprechung die Freizeichnungsklausel für unwirksam nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB gehalten.76 Dies muss erst recht für den Fall gelten, dass der Verwender tatsächlich eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat.77
6. Vertragliche Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung Hat sich der Geschädigte (Bauherr) dazu verpflichtet, zugunsten des Schädigers (Architekt) eine 41 Haftpflichtversicherung abzuschließen, und kommt der Geschädigte dieser Verpflichtung nach, liegt kein stillschweigender Ausschluss der Haftung vor, weil anderenfalls die Haftpflichtversicherung sinnlos wäre.78
71 BAG 14.12.2000 – 8 AZR 92/00, VersR 2001 720; BAG 18.1.1966 – 1 AZR 247/63, VersR 1966 881, 883; BGH 29.1.1963 – VI ZR 67/62, NJW 1963 654, 655 f.; OLG Koblenz 20.2.2003 – 10 U 883/02, NJW 2003 2100, 2104 f. = VersR 2003 658; Berliner Kommentar/Baumann Vorbem. §§ 149–158k VVG Rn. 43. 72 BGH 28.9.1971 – VI ZR 216/69, NJW 1972 107, 110; Berliner Kommentar/Baumann Vorbem. §§ 149–158k VVG Rn. 43; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter Vorbem. §§ 100–112 VVG Rn. 15. 73 BGH 27.6.2006 – VI ZR 143/05, BGHZ 168 161 Rn. 19. 74 Hauer 218 ff. 75 BGH 1.4.1992 – XII ZR 100/91, NJW 1992 1761, 1762. 76 BGH 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, BGHZ 149 89, 99 = NJW 2002 673; KG 14.11.1990 – 23 U 5029/89, NJW-RR 1991 698, 699; Hans. OLG Hamburg 10.2.1984 – 11 U 184/83, DAR 1984 260, 262; Stoffels/Lohmann VersR 2003 1343, 1345 f. 77 Vgl. auch Armbrüster RuS 2010 441, 442. 78 BGH 8.12.2005 – VII ZR 138/04, NZBau 2006 254, 255. 17
Koch
Einleitung
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
III. Haftungsausfüllende Wirkung von Haftpflichtversicherungsschutz 1. Billigkeitshaftung (§ 829 BGB) 42 Für den Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung kann das Bestehen von Haftpflichtversicherungsschutz – wie zuvor ausgeführt (Rn. 28) – Anlass zu einer Korrektur hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Betrages geben.79
2. Kapitalabfindung statt Rente (§ 843 Abs. 3 BGB) 43 Die Existenz von Haftpflichtversicherungsschutz hat auch Auswirkungen auf den Anspruch des Geschädigten auf Kapitalabfindung statt Rente. Einen solchen Anspruch hat der Geschädigte nach § 843 Abs. 3 BGB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Wichtige Gründe können sowohl in der Sphäre des Ersatzpflichtigen als auch in der Sphäre des Geschädigten gegeben sein. Aus der Sphäre des Schädigers kommen vor allem Zahlungsschwierigkeiten oder eine drohende Insolvenz80 sowie die sachlich begründete Sorge, der Schädiger werde in der Zukunft nicht mehr dazu in der Lage sein, seinen Verpflichtungen zur Rentenzahlung nachzukommen oder sich ihnen durch ständige Umzüge oder einen Wohnsitzwechsel ins Ausland zu entziehen suchen, als wichtiger Grund in Betracht.81 Diese Risiken bestehen nicht, wenn Haftpflichtversicherungsschutz besteht. Deshalb hat die Rechtsprechung einen wichtigen Grund trotz Zahlungsschwierigkeiten des Schädigers nicht angenommen, wenn hinter dem Schädiger eine Versicherungsgesellschaft steht, die zur Regulierung des Versicherungsfalles bereit ist.82 Ebenso wie bei der Bemessung von Schmerzensgeld spielt bei § 843 Abs. 3 BGB auch das 44 Regulierungsverhalten des VR eine Rolle und kann ein wichtiger Grund für die Zubilligung einer Kapitalabfindung nach § 843 Abs. 3 BGB anstelle einer Rente nach § 843 Abs. 1 BGB sein.83
3. Bemessung immateriellen Schadens (§ 253 BGB) 45 Ein weiteres Beispiel für den Einfluss von Haftpflichtversicherungsschutz auf der Ebene der Haftungsausfüllung bildet die Bemessung des Schmerzensgeldes (§ 253 BGB). Hier ist seit der Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 6.7.195584 fester Auslegungsgrundsatz, dass bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auch der Umstand zu berücksichtigen ist, dass der Schädiger gegen den VR einen Anspruch auf Freistellung hat, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um eine freiwillige oder obligatorische Haftpflichtversicherung handelt.85 Zu beachten ist jedoch, dass das Bestehen einer Haftpflichtversicherung die Haftung des Schädigers nicht erhöht, sondern nur dazu führt, dass es für die Frage der Leistungsfähigkeit, die bei der Schmer79 BGH 18.12.1979 – VI ZR 27/78, BGHZ 76 279, 286 f. = NJW 1980 1623, 1625; BGH 24.4.1979 – VI ZR 8/78, VersR 1979 645.
80 Vgl. RG 21.6.1918 – VII 140/18, RGZ 93 209, 210; LG Hamburg 26.7.2011 – 302 O 192/08, BeckRS 2011 78634. 81 Vgl. MüKoBGB/Wagner § 843 Rn. 77; weiter gehend Schwintowski VersR 2010 140, der die Erforderlichkeit einer Kapitalabfindung zur Disposition des Geschädigten stellen will.
82 RG 21.6.1918 – Rep. VII. 140/18, RGZ 93 209, 210 f.; LG Hamburg 26.7.2011 – 302 O 192/08, BeckRS 2011 78634; BeckOK-BGB /Spindler § 843 Rn. 32; a.A. OLG Nürnberg 19.12.1967 – 7 U 143/67, FamRZ 1968 476, 478.
83 OLG Köln 11.8.2011 – 5 U 74/11, VersR 2012 907; vgl. auch LG Coburg 19.1.2011 – 12 O 541/08, BeckRS 2011 2789. 84 BGH 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18 149, 165 f. = NJW 1955 1675. 85 Vgl. auch BGH 16.2.1993 – VI ZR 29/92, NJW 1993 1531, 1532; BGH 1.2.1966 – VI ZR 196/64, VersR 1966 368; OLG Hamm 1.10.1998 – 6 U 92/98, NJW-RR 2000 1193 (Revision nicht angenommen von BGH 27.7.1999 – VI ZR 14/99); OLG Köln 5.5.1993 – 11 U 5/93, NJW-RR 1993 1498, 1500; OLG Düsseldorf 10.2.1992 – 1 U 218/90, NJW-RR 1993 156, 158; OLG Frankfurt/M. 21.3.1990 – 7 U 126/88, VersR 1990 1287, 1288; zur hiervon abweichenden Rechtsprechung des RG vgl. Nachweise Voraufl. Bd. IV Anm. B 70. Koch
18
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
Einleitung
zensgeldzumessung zugunsten des Geschädigten berücksichtigt werden kann,86 nicht mehr auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers ankommt.87 Das Schädigervermögen wird also nicht durch die Deckungssumme substituiert mit der Folge, dass der VN als „Millionär“ fingiert würde.88 Umgekehrt kann das Nichtbestehen von Haftpflichtversicherungsschutz zu einer Reduktion des Schmerzensgeldanspruchs führen.89 Nach Ansicht des BGH soll das nicht gelten, wenn der VN den Versicherungsschutz durch eigenes schuldhaftes Verhalten verloren hat.90 Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als es um (teilweise) Leistungsfreiheit des VR wegen einer Verletzung einer Obliegenheit geht, die nach Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten ist.91 Ferner ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes das Regulierungsverhalten des VR 46 zu berücksichtigen, das sich der VN analog § 166 BGB zurechnen lassen muss, weil der VR die Regulierung üblicherweise im Namen des VN, in der Kfz-Haftpflichtversicherung darüber hinaus auch im eigenen Namen im Rahmen der ihm durch den Versicherungsvertrag begründeten Geschäftsführungsbefugnis vornimmt.92 Ein zögerliches oder kleinliches Regulierungsverhalten wirkt nach der Rechtsprechung dann schmerzensgelderhöhend (Größenordnung ca. 10-20 %),93 wenn es sich um ein vorwerfbares oder jedenfalls nicht nachvollziehbares Verhalten handelt, welches sich niederschlägt in unangemessen niedrigen vorprozessualen Leistungen,94 unverständlich verzögerter Regulierung, insbesondere, wenn die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist und trotzdem keine Abschlagszahlung erfolgt95 oder unvertretbarem (vor-)pro-
86 87 88 89 90 91 92
Vgl. BGH 16.2.1993 – VI ZR 29/92, NJW 1993 1531, 1532. OLG Düsseldorf 25.5.2009 – 1 U 130/08, BeckRS 2010 03031. Berliner Kommentar/Baumann Vorbem. §§ 149–158k VVG Rn. 50; Makowsky 254 f. LG Dresden 17.12.2009 – 7 O 1942/09, BeckRS 2010 00724. BGH 13.11.1962 – VI ZR 12/62, VersR 1963 185, 187. Krit. Auch Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 78. Vgl. BGH 23.1.1991 – IV ZR 284/89, VersR 1991 462, 463; OLG Frankfurt/M. 7.1.1999 – 12 U 7/98, NJW 1999 2447; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter Vorbem. §§ 100–112 VVG Rn. 12. 93 Vgl. OLG Frankfurt/M. 4.6.2020 – 22 U 34/19, BeckRS 2020 16309; OLG Frankfurt/M 22.9.1993 – 9 U 75/92, NZV 1994 363. 94 Vgl. etwa OLG Naumburg 21.8.2017 – 1 U 58/17, DAR 2018 631; OLG München 13.8.2010 – 10 U 3928/09, SP 2011 107; OLG München 24.9.2010 – 10 U 2671/10, BeckRS 2010 23467; OLG München 19.1.2009 – 10 U 4917/08 (A 177.387,56 mit vorgeschlagener Gesamtabfindung bei inkompletter Querschnittslähmung und schwersten Folgeerkrankungen statt angemessener A 350.000); OLG Naumburg 15.10.2007 – 1 U 46/07, NJW-RR 2008 693; OLG Hamm 11.9.2002 – 9 W 7/02, VersR 2003 780; OLG Naumburg 25.9.2001 – 9 U 121/00, VersR 2002 1569: offensichtlich unzureichende vorprozessuale Leistung (DM 50.000 von insgesamt DM 225.000) und dann unzutreffende verfahrensverzögernde Einwendungen gegen die Schmerzensgeldhöhe – Revision vom BGH nicht angenommen (18.6.2002 – VI ZR 380/ 01); OLG Köln 16.3.2001 – 19 U 130/00, NJW-RR 2002 962, 963: Zahlung eines „lächerlich geringen Betrages“; OLG Frankfurt/M. 7.1.1999 – 12 U 7/98, NJW 1999 2447; OLG Nürnberg 25.4.1997 – 6 U 4215/96, VersR 1998 731, 732; OLG Nürnberg 11.7.1995 – 11 U 267/95, zfs 1995 452. 95 Vgl. BGH 2.12.1966 – VI ZR 88/66, VersR 1967 256, 257; BGH 23.6.1964 – VI ZR 90/63, VersR 1964 1103; OLG Hamm 15.2.2019 – 11 U 136/16, BeckRS 2019 8485; OLG Dresden 28.4.2017 – 6 U 1780/16, BeckRS 2017 120487; OLG München 21.3.2014 – 10 U 1750/13, NZV 2014 577, 578; OLG Schleswig 23.2.2011 – 7 U 106/09 (juris); OLG Köln 7.12.2010 – 4 U 9/09, MDR 2011 290; OLG Saarbrücken 27.7.2010 – 4 U 585/09, NJW 2011 933, 936; OLG München 13.8.2010 – 10 U 3928/09, SP 2011 107; OLG Brandenburg 8.3.2007 – 12 U 154/06 (juris); OLG Nürnberg 22.12.2006 – 5 U 1921/06, NZV 2007 301, 303; OLG München 2.6.2006 – 10 U 1685/06, VersR 2008 799; OLG Rostock 14.6.2002 – 8 U 79/00, BeckRS 2009 17810; OLG Naumburg 28.11.2001 – 1 U 161/99, NJW-RR 2002 672; OLG Köln 9.3.2001 – 19 U 130/00, NJW-RR 2002 962; OLG Köln 16.11.2000 – 7 U 64/00, VersR 2001 1396; OLG Köln 26.4.1995 – 2 U 161/94, NZV 1995 399, 400; OLG Frankfurt/M. 19.1.1994 – 7 U 189/92, zfs 1994 82; OLG München 24.11.1992 – 5 U 2599/91, NZV 1993 434; OLG München 14.4.1992 – 5 U 7176/91, NZV 1993 232; OLG München 11.12.1979 – 5 U 4231/78, VersR 1981 560; OLG Celle 7.12.1978 – 5 U 35/78, VersR 1980 632; OLG Karlsruhe 2.11.1972 – 4 U 149/71, NJW 1973 851, 852; KG 15.12.1969 – 12 U 1304/69, VersR 1970 379; LG Gera 6.5.2009 – 2 O 15/05, VersR 2009 1232; LG Saarbrücken 13.8.2000 – 15 O 121/97, zfs 2001 255; vgl. auch OLG Köln 27.6.2012 – 5 U 38/10, BeckRS 2012 14534; offengelassen von BGH 12.7.2005 – VI ZR 83/04, BGHZ 163 351 = RuS 2005 528, 530 bei zögerlichem Regulierungsverhalten; krit. Makowsky 256 ff. 19
Koch
Einleitung
F. Interdependenzen von Haftung und Haftpflichtversicherung
zessualen Verhalten, wenn es über die verständliche Rechtsverteidigung hinausgeht96 und von einem Geschädigten als herabwürdigend empfunden werden muss,97 etwa der Versuch, einen Abfindungsvergleich zu erzwingen.98 Erforderlich ist, dass die verzögerte Zahlung das gemäß § 253 BGB geschützte Interesse des Gläubigers beeinträchtigt.99
4. Mitverschulden (§ 254 BGB) 47 Armbrüster hat als weiteren Anwendungsbereich für die Durchbrechung des Trennungsprinzips die mögliche Berücksichtigung von Haftpflichtversicherungsschutz beim Mitverschulden ausgemacht.100 In der Tat würde sich die Existenz von Versicherungsschutz haftungserweiternd für den Schädiger auswirken, wenn ein Mitverschulden des Geschädigten unberücksichtigt bliebe, weil der Schädiger für einen Teil des Schadens haftete, für den er bei Anrechnung eines Mitverschuldens nicht einstandspflichtig gewesen wäre. Jedoch ist bislang keine Rechtsprechung bekannt, die ein Mitverschulden des Geschädigten unberücksichtigt gelassen hat, weil der Schädiger haftpflichtversichert war. Insbesondere bei Verkehrsunfallschäden, bei denen es über die Anrechnung der Betriebsgefahr regelmäßig zu einer Anspruchskürzung kommt,101 wird kein Abzug mit der Begründung vorgenommen, dass dieser nicht dem Schädiger, sondern dessen VR nutze. Gegen eine Mitberücksichtigung von Versicherungsschutz auf Seiten des Schädigers bei der Verschuldensabwägung spricht, dass weder § 254 BGB selbst einen billigen Ausgleich verlangt, noch die Ersatzpflicht auf dem Fehlen eines Verschuldens oder deren Umfang auf der Unwägbarkeit immaterieller Interessen beruht.102
IV. Auswirkungen der Versicherbarkeit eines Haftpflichtrisikos auf die Haftung 48 Im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs misst die Rechtsprechung bei der im Rahmen der entsprechenden Anwendung von § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung der Gesamtumstände neben dem Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens insbesondere einem vom Arbeitgeber einkalkulierten oder durch Versicherung abdeckbaren Risiko besondere Bedeutung zu.103 Nach Ansicht des BAG ist ein durch das schädigende Ereignis eingetretener Vermögensverlust umso mehr dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen, als dieser einkalkuliert oder durch Ver-
96 OLG München 9.10.2009 – 10 U 2309/09 (juris); OLG Brandenburg 17.9.2009 – 12 U 26/09, NZV 2010 154; OLG Köln 11.8.2011 – 5 U 74/11, VersR 2012 907.
97 OLG München 24.9.2010 – 10 U 2671/10 (juris); OLG Schleswig 15.1.09 – 7 U 76/07, NZV 2010 96; OLG Karlsruhe 14.11.2007 – 7 U 251/06, VersR 2008 545; OLG München 2.6.2006 – 10 U 1685/06 (juris); LG Frankfurt/O. 18.5.2006 – 17 O 524/03, DAR 2008 29. 98 Vgl. OLG Naumburg 15.10.2007 – 1 U 46/07, NJW-RR 2008 693, 694; OLG Naumburg 25.9.2001 – 9 U 121/00, NZV 2002 459 (Revision nicht angenommen von BGH 18.6.2002 – VI ZR 380/01); LG Berlin 6.12.2005 –10 O 415/05, NJW 2006 702 f.; OLG Frankfurt/M. 7.1.1999 – 12 U 7–98, NJW 1999 2447, 2247 f. 99 Vgl. nur OLG Frankfurt/M. 31.1.2017 – 8 U 155/16, BeckRS 2017 139887. 100 Armbrüster NJW 2009 187, 188. 101 Vgl. BGH 13.5.1956 – VI ZR 347/54, BGHZ 20 259, 262 = NJW 1956 1067; BGH 9.6.1952 – III ZR 297/51, BGHZ 6 319, 322 f. = NJW 1952 1015; vgl. auch MüKoBGB/Oetker § 254 Rn. 114 f. 102 Staudinger/Höpfner (2021) § 254 BGB Rn. 111; vgl. auch MüKoBGB/Oetker § 254 Rn. 116; BeckOK-BGB/Lorenz § 254 Rn. 56. 103 Vgl. BAG 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007 1230, 1235; BAG 27.1.2000 – 8 AZR 876/98, NZA 2000 727, 729; BAG 12.11.1998 – 8 AZR 221/97, NZA 1999 263, 264; LAG Köln 7.5.1992 – 5 Sa 448/91, NZA 1992 1032 ff.; LAG Bremen 26.7.1999 – 4 Sa 116/99, NZA-RR 2000 126, 127; s. auch Hübsch BB 1998 690, 691; v. Bar AcP 181 (1981) 289, 322. Koch
20
G. Trennungsprinzip
Einleitung
sicherungen – ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer – abdeckbar ist.104 Diese Voraussetzungen sind bei einer Betriebshaftpflichtversicherung gegeben, bei der nicht nur die gesetzlichen Vertreter des VN mitversichert sind, sondern auch sämtliche Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen (vgl. Ziff. 7.1.2.3 und 7.1.2.4 BBR BHV). Soweit das eingetretene Schadensrisiko durch eine Betriebshaftpflichtversicherung abdeck- 49 bar ist, haftet der Arbeitnehmer, der den Schaden beim Dritten mit mittlerer Fahrlässigkeit verursacht hat, im Innenverhältnis gegenüber seinem Arbeitgeber deshalb nur bis zur Höhe eines vereinbarten Selbstbehalts, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitgeber tatsächlich eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.105 Wird der Arbeitnehmer von dem Geschädigten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, muss der Arbeitgeber ihn von seiner Verpflichtung gegenüber dem Geschädigten in Höhe des über den vereinbarten Selbstbehalt hinausgehenden Betrags freistellen.106 Hat der Arbeitnehmer bereits den Schaden ersetzt, so wandelt er sich in einen Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber um.107 Da nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs eine Entlastung selbst bei grober Fahrlässigkeit vorgesehen ist (Rn. 29), kommt auch bei diesem Verschuldensgrad eine Beschränkung der Haftung im Innenverhältnis auf einen vereinbarten Selbstbehalt in Betracht.108
G. Trennungsprinzip I. Materielles Trennungsprinzip Das bereits vom RG109 anerkannte und vom BGH110 übernommene versicherungsrechtliche 50 materielle Trennungsprinzip (hierzu bereits Rn. 25) folgt zwangsläufig daraus, dass die Leistungspflichten des VR gemäß § 100 daran anknüpfen, ob der von einem Dritten geltend gemachte Haftpflichtanspruch begründet ist. Das macht eine zweistufige Prüfung der Eintrittspflicht des VR erforderlich.111 Zunächst bedarf es der Feststellung, ob der VN dem geschädigten Dritten gegenüber haftet (Haftpflichtverhältnis). Anschließend erfolgt die Prüfung, ob der VR dem VN Freistellung von dessen zuvor im Haftungsverhältnis ermittelten Zahlungspflicht zu gewähren hat (Deckungsverhältnis). Dabei gilt – abgesehen von den soeben erörterten Ausnahmen – der Grundsatz, dass sich die Versicherung nach der Haftung 104 BAG 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007 1230, 1235; LAG Rheinland-Pfalz 29.10.2015 – 3 Sa 464/14, BeckRS 2016 67460; LAG Rheinland-Pfalz 4.11.2013 – 5 Sa 222/13, BeckRS 2014 66819; LAG Rheinland-Pfalz 26.3.2012 – 5 Sa 655/11, BeckRS 2012 70133; LAG Köln 27.1.2011 – 7 Sa 802/10, BeckRS 2011 69961. 105 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz 29.10.2015 – 3 Sa 464/14, BeckRS 2016 67460; LAG Rheinland-Pfalz 4.11.2013 – 5 Sa 222/13, BeckRS 2014 66819; LAG Rheinland-Pfalz 26.3.2012 – 5 Sa 655/11, BeckRS 2012 70133; LAG Bremen 26.7.1999 – 4 Sa 116/99, NZA-RR 2000 126, 127. 106 Vgl. allgemein zum Anspruch auf Freistellung BGH 14.11.2002 – III ZR 87/02, NJW 2003 578, 580; BAG 14.12.1995 – 8 AZR 875/94, NJW 1996 1301, 1302; BAG 23.6.1988 – 8 AZR 300/85, NZA 1989 181, 182; BAG 5.12.1969 – 1 AZR 239/69, NJW 1970 775. 107 ErfK/Preis § 619a BGB Rn. 26. 108 A.A. LAG Sachsen-Anhalt 31.3.2015 – 6 Sa 351/13, BeckRS 2015, 72680. 109 Erstmals RG 22.3.1904 – VII 516/03, VA 1904 180 Nr. 85; RG 27.4.1926 – VI 3/26, RGZ 113 286, 290; RG 15.3.1932 – VII 371/31, RGZ 135 368, 369; RG 16.6.1933 – VII 24/33, RGZ 141 185, 187; RG 22.9.1933 – VII 66/33, RGZ 141 410, 414; RG 2.8.1935 – VII 76/35, RGZ 148 282, 285; RG 23.4.1937 – VII 296/36, RGZ 154 340, 341. 110 BGH 18.5.2011 – IV ZR 168/09, RuS 2011 430, 431; BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, RuS 2011 66 = VersR 2011 203, 150; BGH 24.1.2007 – IV ZR 208/03, RuS 2007 241, 242 = VersR 2007 641; BGH 28.9.2005 – IV ZR 255/04, RuS 2006 149 = VersR 2006 106; BGH 18.2.2004 – IV ZR 126/02, RuS 2004 232, 233 = VersR 2004 590; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, RuS 2001 408, 409 = VersR 2001 1103; jeweils m.w.N. 111 Vgl. Stiefel/Maier Vorbem. § 113 VVG Rn. 16. 21
Koch
Einleitung
G. Trennungsprinzip
und nicht umgekehrt die Haftung nach der Versicherung richtet. Das materielle Trennungsprinzip bleibt auch in den Fällen bestehen, in denen der VR von Seiten des VN, der den Geschädigten befriedigt hat, auf Zahlung in Anspruch genommen wird, weil die Entstehung dieses Direktanspruches von der Begründung des Haftpflichtanspruches gegen den VN abhängig ist.112 Dies gilt auch für den Fall, dass der VR von Seiten des Geschädigten nach Abtretung oder Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs auf Zahlung in Anspruch genommen wird. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand mehr Rechte geltend machen oder übertragen kann, als er selbst innehat.113 In beiden Konstellationen wird lediglich das prozessuale Trennungsprinzip durchbrochen.
II. Prozessuales Trennungsprinzip 1. Herleitung und Zweck 51 Die Trennung zwischen Haftung und Deckung findet ihr prozessuales Gegenstück darin, dass die Frage der Haftpflicht des VN gegenüber dem Geschädigten und die der versicherungsrechtlichen Deckungspflicht des VR gegenüber dem VN grundsätzlich in getrennten Prozessen zu klären sind.114 Zum Wesen des Haftpflichtversicherungsschutzes gehört – wie nunmehr in § 100 positiv-rechtlich geregelt – gerade auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche durch den VR. Da der VN einen fälligen Anspruch auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz deshalb bereits dann hat, wenn der vom Dritten geltend gemachte Anspruch in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 14 ff.), kommt dem prozessualen Trennungsprinzip im Verhältnis zum materiellen Trennungsprinzip versicherungsrechtlich die weitaus größere Bedeutung zu. 52 Ergänzt – und nicht etwa durchbrochen115 – wird das Trennungsprinzip durch die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden.116 Die Bindungswirkung ist zudem nach § 106 Voraussetzung für die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs des VN. Zu Begriff und Umfang der Bindungswirkung s. die Kommentierung zu Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 132 ff. Der Trennungsgrundsatz gilt auch in den Fällen, in denen in Bezug auf die zwischen den Parteien des Haftpflichtversicherungsprozesses strittigen Punkte keine Identität zwischen den Voraussetzungen des Haftpflichtanspruchs und des Versicherungsanspruchs besteht, sog. Voraussetzungsidentität. Auch in dieser Konstellation ist der VR zur Anspruchsabwehr verpflichtet (vgl. Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 24).
112 Zum Direktanspruch in der Kfz-Haftpflichtversicherung vgl. BGH 5.12.1978 – VI ZR 233/77, NJW 1979 983, 984. 113 Vgl. Seybold/Wendt VersR 2009 455, 462. 114 Vgl. nur BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90; OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/14, RuS 2016 32; OLG Hamm 25.1.2012 – 20 U 120/11, VersR 2012 985; OLG Karlsruhe 24.3.2005 – 12 U 432/04, VersR 2005 781; Langheid/ Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 102. 115 Missverständlich Harsdorf-Gebhardt RuS 2012 261, 262 und Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 9. 116 BGH 18.1.2022 – VI ZB 36/21, RuS 2022 148 Rn. 13; BGH 18.5.2011 – IV ZR 168/09, RuS 2011 430, 431; BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, RuS 2011 66 = VersR 2011 203, 204; BGH 24.1.2007 – IV ZR 208/03, RuS 2007 241, 242= VersR 2007 641; BGH 28.9.2005 – IV ZR 255/04, RuS 2006 149, 150 = VersR 2006 106; BGH 18.2.2004 – IV ZR 126/ 02, RuS 2004 232, 233 = VersR 2004 590; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, RuS 2001 408, 409 = VersR 2001 1103; jeweils m.w.N. Koch
22
G. Trennungsprinzip
Einleitung
2. (Vorweggenommener) Deckungsprozess Aus dem prozessualen Trennungsprinzip folgt, dass in denjenigen Fällen, in denen der Schadensersatzanspruch des Dritten (u.a.) auf ein Ereignis gestützt wird, das in den Schutzbereich des Vertrages fällt, im Deckungsprozess nicht geprüft werden darf, ob dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden hat oder nicht.117 Anderenfalls bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen, etwa wenn später im Haftpflichtprozess der Anwalt wegen Verletzung seiner Anwaltspflichten zum Schadensersatz verurteilt wird, nachdem vorher rechtskräftig im Deckungsprozess die Deckung für den betreffenden Schadensfall verneint worden ist, oder im Deckungsprozess die Haltereigenschaft des VN rechtskräftig verneint und im Haftpflichtprozess diese Haltereigenschaft später doch bejaht wird. Die Rechtskraft der Entscheidung im Deckungsprozess wird durch die spätere Entscheidung im Haftpflichtprozess nämlich nicht berührt.118 Ändert der Dritte seinen (dem Deckungsprozess zugrunde gelegten) Sachvortrag im Haftpflichtprozess in einem für den Deckungsschutz entscheidenden Punkt und wird die neue Darstellung für richtig befunden, so steht, da im vorausgegangenen Deckungsprozess über den neuen Sachverhalt nicht entschieden wurde, einem neuen Deckungsprozess die Rechtskraft des früheren nicht entgegen.119 So liegt der Fall, wenn der Geschädigte und der VN annehmen, die Schäden seien auf asbesthaltige Substanzen zurückzuführen, und die Deckungsklage deshalb wegen Ziff. 7.11 AHB 2016 abgewiesen wird, später im Haftpflichtprozess aber durch Sachverständige festgestellt wird, dass die Schäden auf einer anderen, versicherten Ursache beruhen. Anders liegt der Fall, wenn der VR aufgrund des vom Dritten behaupteten Sachverhalts in einem vorweggenommenen Deckungsprozess verpflichtet wurde, der Dritte den Sachverhalt im Haftpflichtprozess jedoch ändert und obsiegt. In diesem Fall kann der VR weder die Kosten des Deckungsprozesses noch die durch die Entscheidung im Haftpflichtprozess verursachten Kosten vom VN erstattet verlangen, weil er den Anspruch abzuwehren hatte.120 Ein Anspruch auf Freistellung des VN besteht nicht, da über den Deckungsanspruch wegen des Anspruchs aus dem geänderten Sachverhalt noch nicht entschieden ist. Die Rechtskraft des früheren Deckungsurteils hindert den VR jedoch nicht daran, seine Leistungspflicht wegen dieses neuen Anspruchs zu bestreiten.121 Ergibt sich im Haftpflichtprozess, dass im Deckungsprozess Kollusion vorgelegen hat (z.B. gemeinschaftliche Vortäuschung eines Unfalls), kommt § 826 BGB zum Tragen, sodass es einer Einschränkung der Rechtskraft nicht bedarf.122 Aus dem Trennungsprinzip folgt auch zwingend, dass der Versicherungsschutzprozess grundsätzlich nicht mit der Begründung nach § 148 ZPO ausgesetzt werden darf, dass zurzeit noch ungewiss sei, ob der Haftpflichtanspruch begründet sei oder nicht (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 98). Nur soweit es um die Frage geht, ob der geltend gemachte Anspruch in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt oder ein Ausschluss eingreift, kommt ein vorweggenommener Deckungsprozess in Betracht.123 Hängen die sachliche Begründetheit eines geltend gemachten Anspruchs und die Frage der Deckung von dem in tatsächlicher Hinsicht streitigen Vorliegen derselben Eigenschaft oder desselben Rechtsverhältnisses ab und liegt somit ein Fall der Voraussetzungsidentität vor (zu Einzelheiten s. Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 140 ff.), bleibt es jedoch 117 Vgl. nur BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90; OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/14, RuS 2016 32; OLG Hamm 25.1.2012 – 20 U 120/11, VersR 2012 985; OLG Karlsruhe 24.3.2005 – 12 U 432/04, VersR 2005 781; Langheid/ Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–124 VVG Rn. 102. 118 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 54. 119 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 54. 120 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 55. 121 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 55. 122 Vgl. BGH 18.1.2022 – VI ZB 36/21, RuS 2022 148 Rn. 17; Krämer RuS 2001 177, 182; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 55. 123 OLG Düsseldorf 10.12.2021 – 4 U 252/20, BeckRS 2021 48922; OLG München 8.8.2008 – 25 U 5188/07, NJW-RR 2008 1560, 1561; OLG Hamm 21.3.2007 – 20 U 29/06, RuS 2007 321; OLG Hamm 7.2.2007 – 20 U 118/06, RuS 2007 152, 153. 23
Koch
53
54
55
56
Einleitung
H. Haftpflichtversicherung und Prozesskostenhilfe (PKH)
dabei, dass die Entscheidung des Haftpflichtprozesses nicht im Deckungsprozess vorweggenommen werden darf.
3. Ausnahmen vom Trennungsprinzip 57 a) Fehlende Voraussetzungsidentität nach unstreitigem Vortrag des Geschädigten. Von dem Grundsatz, dass im vorweggenommenen Deckungsprozess nicht geprüft werden darf, ob der geltend gemachte Haftpflichtanspruch begründet ist oder nicht, ist eine Ausnahme zu machen, wenn es nach unstreitigem Vortrag des Geschädigten an der Voraussetzungsidentität fehlt und deshalb ausgeschlossen ist, dass im Haftpflichtprozess über eine für den Versicherungsschutz maßgebliche Frage mit Bindungswirkung entschieden wird. Es leuchtet ein, dass es prozessökonomisch ist, in einem derartigen Ausnahmefall, in dem die Gefahr divergierender Urteile nicht besteht, den geschilderten Trennungsgrundsatz zu durchbrechen. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass die VN in der D&O-Versicherung ihren Anspruch mit einem von dem versicherten Geschäftsführer nicht bestrittenen Sachverhalt begründet, der eine wissentliche Pflichtverletzung nahelegt. Lehnt der VR die Deckung deshalb ab und wird von dem Geschäftsführer auf Feststellung des Bestehens von Versicherungsschutz verklagt, kann das mit der Klage befasste Gericht, über die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung entscheiden. Es muss nicht erst das Urteil des über die Haftung entscheidenden Gerichts abwarten, weil Feststellungen des Haftpflichtrichters zur Wissentlichkeit der Pflichtverletzung mangels Voraussetzungsidentität keine Bindungswirkung für das mit dem Deckungsprozess befasste Gericht entfalten.
58 b) Umwandlung des Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch. Eine Durchbrechung des prozessualen Trennungsprinzips findet stets statt, wenn sich der Haftpflichtversicherungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Dies ist der Fall, wenn – der geschädigte Dritte sich den Freistellungsanspruch des VN pfänden und überweisen lässt (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 68), – der VN den Freistellungsanspruch an den Dritten abtritt (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 69 f.), – der VN den Haftpflichtanspruch des Dritten anerkennt und/oder befriedigt (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 71), – der Dritte infolge der Insolvenz des VN ein Einziehungsrecht entsprechend § 1282 BGB erwirbt (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 72), – dem VR eine wirksame Abwehr des Zugriffs des geschädigten Dritten auf das Vermögen des VN nicht mehr möglich ist (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 73 ff.), – der VR auf einen Aktivprozess verzichtet, wenn der Geschädigte mit der bestrittenen Haftpflichtforderung aufrechnet (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 78) oder – der Haftpflichtanspruch infolge der Vereinigung von Haftpflichtanspruch und Haftpflichtschuld in einer Person untergeht (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 79).
H. Haftpflichtversicherung und Prozesskostenhilfe (PKH) 59 Wird der VN auf Schadensersatz in Anspruch genommen, schuldet der VR gem. § 100 die Abwehr des Anspruchs, soweit er den VN nicht von dem Anspruch freistellt. Kommt der VR dieser Pflicht nach, fehlt es an der Bedürftigkeit des VN i.S.v. § 114 ZPO.124 Ein Anspruch auf PKH 124 Vgl. BFH 30.1.2004 – VII S 22/03; OLG Karlsruhe 24.3.2011 – 1 U 19/11, NZV 2011 260, 261; KG 29.3.1979 – 12 U 35/79, VersR 1979 449; Zöller/Schultzky § 115 ZPO Rn. 49. Koch
24
I. Rechtsstellung des geschädigten Dritten
Einleitung
besteht nicht. Lehnt der VR die Deckung ab, hat der VN gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO zur Bestreitung der Prozesskosten auch sein verwertbares Vermögen einzusetzen.125
I. Rechtsstellung des geschädigten Dritten I. Grundsatz: Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs gegen den Versicherer nur als Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers Die Rechtsstellung des geschädigten Dritten (zur Person und zum Begriff des geschädigten Drit- 60 ten s. Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 78) ist in der (freiwilligen) Haftpflichtversicherung dadurch gekennzeichnet, dass er nicht in Rechtsbeziehungen zu dem VR steht und er deshalb kein eigenes Forderungsrecht gegen den VR hat. Dieser Grundsatz ist vor der Reform des VVG von Rechtsprechung126 und Literatur nahezu einmütig vertreten worden.127 Die von Bruck128 für einen Sonderfall vertretene Auffassung, dass dem Dritten, wenn der VN nach § 156 Satz 3 VVG i.d.F. von 1908 (= § 156 Abs. 2 VVG a.F.) Zahlung an ihn verlange, aufgrund eines Vertrages zugunsten eines Dritten i.S.v. § 328 BGB ein unmittelbares Forderungsrecht zustehe, hat sich ebenso wenig durchsetzen können129 wie die Ansichten, die einen Direktanspruch aus der Übernahme einer Garantie des VR gegenüber dem Dritten oder einem „Reihenschuldverhältnis“ herleiten wollten.130 Andere Einordnungsversuche der Haftpflichtversicherung als Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 BGB oder als Schuldverhältnis „sui generis“131 sind für die Frage, ob dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht zusteht, ohne Bedeutung. Dies gilt auch für die von K. Sieg vorgenommene Deutung des durch § 156 Abs. 1 VVG a.F. (= § 108 Abs. 1) ausgesprochenen relativen Veräußerungsverbots i.S.v. § 135 BGB als „Obligation mit Drittwirkung“.132 In jüngerer Zeit, allerdings noch vor der Reform des VVG, hat Baumann diese Deutung 61 aufgegriffen und zum Anlass genommen, den Haftpflichtversicherungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier also des geschädigten Dritten, zu qualifizieren. Im Hinblick auf die sechsmonatige Klagefrist des VN gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. nach Ablehnung der Deckung hat Baumann den VR gegenüber dem Dritten als nach § 311 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB zur Aufklärung verpflichtet angesehen.133 Nach seiner Ansicht erfährt die „mehr abstrakte Schutzposition des Dritten […] mit Eintritt des Haftpflichtversicherungsfalles eine Konkretisierung dahin gehend, dass nunmehr die Versicherungsentschädigung für den konkret Geschädigten ‚verfangen‘ ist. Er hat zwar keinen unmittelbaren Leistungsanspruch gegen den Versicherer. Aber die Versicherungsentschädigung soll ihm […] nach dem gesetzlichen Konzept der §§ 156, 157 VVG [§§ 108, 110 VVG] ‚unter allen Umständen zugute kommen‘. […] Diese, sich gleichsam wie ein Anwartschaftsrecht dynamisch fortentwickelnde Rechtsposition soll durch die hier bejahte Aufklärungspflicht des Versicherers geschützt werden“.134 Verletzt der VR seine Aufklärungspflicht, sei er gegenüber dem Dritten nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.135 125 OLG Karlsruhe 24.3.2011 – 1 U 19/11, NZV 2011 260, 261. 126 Vgl. nur BGH 8.10.1952 – II ZR 309/51, BGHZ 7 244, 246 = NJW 1952 1333; RG 5.2.1909 – VII 186/08, RGZ 70 257, 261. 127 Vgl. Späte § 1 VVG Rn. 195 ff.; K. Sieg Ausstrahlungen 85; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 79 m.Nachw. zum älteren Schrifttum. 128 Bruck Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz 7. Aufl. (1932) § 156 VVG Anm. 15. 129 Vgl. Nachw. bei Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 79; K. Sieg Ausstrahlungen 183. 130 Vgl. Nachw. bei Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 81; K. Sieg Ausstrahlungen 249 ff. 131 Vgl. die Hinweise auf die ältere Literatur bei K. Sieg Ausstrahlungen 248 f. 132 K. Sieg Ausstrahlungen 260 f. 133 Baumann VersR 2004 944, 946. 134 Baumann VersR 2004 944, 946; vgl. auch Berliner Kommentar/Baumann § 149 VVG Rn. 145 f. 135 Baumann VersR 2004 944, 947. 25
Koch
Einleitung
I. Rechtsstellung des geschädigten Dritten
Die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. ist der VVG-Reform ersatzlos zum Opfer gefallen und scheidet somit als Anknüpfungspunkt für eine Aufklärungspflicht des VR aus. Über den Eintritt der Verjährung des Versicherungsanspruchs muss der VR den Dritten weder aufklären noch Auskunft erteilen, da dieses Rechtsinstitut allgemein bekannt ist und der Dritte den Eintritt selbst ermitteln kann.136 Eine Auskunftspflicht ließe sich allenfalls mit Blick auf eine mögliche Hemmung nach § 15 VVG bejahen. Es ist jedoch fraglich, ob sich die Zubilligung eines Schadensersatzanspruches wegen Verletzung der Auskunftspflicht in Einklang mit der Dogmatik der Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bringen lässt. Nach der Rechtsprechung können die Rechte des Dritten aus dem zwischen dem Gläubiger (= VN) und dem Schuldner (= VR) geschlossenen Vertrag grundsätzlich nicht weiter gehen als die Rechte des Gläubigers als des Vertragspartners des Schädigers (= VR).137 Dem VN als Gläubiger des VR stehen jedoch im Hinblick auf etwaige Ausschluss- oder Verjährungsfristen keine Auskunftsansprüche zu und der VR ist nach allgemeinen Grundsätzen (kein Wissensvorsprung) auch nicht verpflichtet, den VN über diese Fristen zu informieren. 63 Auch wenn es sich bei der Begrenzung des Drittschutzes, die sowohl dem Rechtsgedanken des § 334 BGB als auch dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entnommen wird,138 nur um einen Grundsatz139 und nicht um ein unverrückbares Prinzip handelt, wird man nicht ohne Weiteres eine konkludente Abbedingung des § 334 BGB annehmen können. Eine solche kann nach der Rechtsprechung bei gegenläufigen Interessen von Gläubiger und Drittem zwar vorliegen.140 Jedoch besteht hinsichtlich der Sicherstellung der Leistungspflicht des VR eher ein Interessengleichlauf zwischen Schädiger und Geschädigtem, mag auch der VN mehr an Abwehr und der Dritte mehr an der Befriedigung der Haftpflichtansprüche interessiert sein. Erst wenn der VN untätig bleibt und ein Verlust des Versicherungsschutzes droht, sind die Interessen gegenläufiger Natur. In solchen Fällen billigt die Rechtsprechung dem Dritten jedoch nur ein Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz und auf Auskunft zu (dazu sogleich Rn. 65). Ebendiese Möglichkeit lässt im Übrigen die Schutzbedürftigkeit des Dritten als fraglich erscheinen, die Voraussetzung für die Annahme einer Schutzwirkung ist.141 64 Auch nach der Reform besteht deshalb kein Anlass, die Rechtsprechung zu § 149 VVG a.F. infrage zu stellen. Es bleibt somit dabei, dass der Dritte – abgesehen von den Besonderheiten des § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG – nur im Umweg über die Rechtsstellung des VN ein Forderungsrecht gegen den VR erhält, also abgesehen vom Fall der Insolvenz des VN (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 26, 72) erst nach Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs oder nach einer Abtretung. Für eine analoge Anwendung von § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG oder wenigstens § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 VVG besteht kein Raum. Ein individualvertraglich vereinbartes Abtretungsverbot steht nur bis zur endgültigen Feststellung der Haftpflichtforderung i.S.v. § 106 S. 1 VVG entgegen (vgl. § 851 Abs. 2 ZPO), also nicht mehr z.B. nach rechtskräftigem Abschluss des Haftpflichtprozesses. Dazu, dass dem Dritten bei Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses das Recht zuzubilligen ist, auf Feststellung des zwischen dem VN und dem VR bestehenden Rechtsverhältnisses zu klagen, vgl. die Ausführungen in Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 100 ff. 62
136 Vgl. BGH 27.11.1958 – II ZR 90/57, NJW 1959 241 = VersR 1959 22. 137 St. Rspr., vgl. BGH 14.6.2012 – IX ZR 145/11, NZG 2012 866, 870; BGH 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127 378, 384 f. = NJW 1995 392; BGH 13.11.1997 – X ZR 144/94, NJW 1998 1059; BGH 15.6.1971 – VI ZR 262/69, NJW 1971 1931, 1932; BGH 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965 1757, 1759; BGH 7.11.1960 – VII ZR 148/59, BGHZ 33 247, 250 = NJW 1961 211. 138 BGH 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127 378, 384 f. = NJW 1995 392. 139 So ausdrücklich BGH 15.6.1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 56 269, 272 = NJW 1971 1931. 140 BGH 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127 378, 385 f. = NJW 1995 392. 141 Vgl. nur BGH 12.1.2011 – VIII ZR 346/09, NZV 2011 183, 184; BGH 2.7.1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133 168, 173 f. = NJW 1996 2927. Koch
26
I. Rechtsstellung des geschädigten Dritten
Einleitung
II. Anwendung des Trennungsprinzips Bei der Durchsetzung des Freistellungsanspruchs, der auf den Dritten durch einen staatlichen 65 Hoheitsakt (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss) oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des VN übergegangen oder durch Abtretung übertragen worden ist, ist wiederum das Trennungsprinzip zu beachten. Dessen Anwendung bedeutet, dass der VR auch gegenüber dem Dritten grundsätzlich nicht einwenden kann, dass der Haftpflichtprozess unrichtig entschieden sei. Die hier im übertragenen Sinne „im Deckungsstreit“ stehenden Parteien sind außerhalb der geschriebenen Regeln der Rechtskraft an die Entscheidung im Haftpflichtprozess und auch an die außergerichtliche Feststellung der Haftpflichtforderung gebunden. Der VR kann dem Dritten gem. § 404 BGB nur die versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegensetzen. Damit wird ein anschließender Rechtsstreit zwischen dem Dritten und dem VR auf die Frage beschränkt, ob Haftpflichtversicherungsschutz besteht.142
III. Feststellungsklage des Dritten Vorstehende Ausführungen zu I. (Rn. 60 ff.) beziehen sich nur auf ein Zahlungsverlangen des 66 geschädigten Dritten, dagegen nicht auf eine Feststellungsklage, die dieser erhebt, um Rechtsnachteilen vorzubeugen, die sich aus einer Untätigkeit des VN ergeben können. Nach der Rechtsprechung143 und einhelliger Meinung in der Literatur144 ist der Geschädigte berechtigt, Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu erheben, wenn der VR seine Eintrittspflicht aus dem Vertrag ablehnt und außerdem der VN untätig bleibt.145 Ein Feststellungsinteresse des Geschädigten ist ferner gegeben, wenn der VR auf Anfrage 67 des Geschädigten, ob Versicherungsschutz bestehe, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 102).146 Insoweit ist der Hinweis geboten, dass der Dritte gegen den VR des Schädigers einen Anspruch auf Auskunft über den Gegenstand und den Umfang des Versicherungsschutzes hat.147 Schließlich besteht ein Interesse des Geschädigten an einer gerichtlichen Feststellung der Deckung gegenüber dem VR, wenn über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet ist und der Geschädigte entsprechend § 1282 BGB ein Einziehungsrecht unmittelbar gegenüber dem VR erwirbt, sobald der Anspruch fällig geworden ist.148 Der Dritte kann auch nach Maßgabe der §§ 66 f. ZPO einem Deckungsprozess zwischen VN und VR beitreten (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 103).
142 Vgl. BGH 7.7.1993 – IV ZR 131/92, RuS 1993 370, 371. 143 Vgl. BGH 5.4.2017 – IV ZR 360/15, BGHZ 214 314 Rn. 24 m. Anm. R. Koch LMK 2017 392034; BGH 22.7.2009 – IV ZR 256/06, VersR 2009 1485 Rn. 2; BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90, 91; OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12 (juris). 144 Vgl. nur Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 21; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 54; Berliner Kommentar/Baumann § 149 VVG Rn. 149; Armbrüster RuS 2010 441, 447; R. Johannsen RuS 1997 309, 313. 145 BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90, 91. 146 BGH 22.7.2009 – IV ZR 265/06, VersR 2009 1485 Rn. 2; OLG München 18.12.2015 – 25 U 1668/15, VersR 2016 1363, 1364; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 21; Berliner Kommentar/Baumann § 149 VVG Rn. 149. 147 OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, NVersZ 2002 135. 148 Vgl. BGH 25.9.2014 – IX ZB 117/12, VersR 2015 487 Rn. 10; OLG Köln 29.1.2008 – 9 U 71/07, VersR 2008 1345. 27
Koch
Teil 2 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB 2016) (inkl. Alternativen für die echte unterjährige Beitragszahlung) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Inhaltsverzeichnis Hinweise zur Kommentierung der AHB Umfang des Versicherungsschutzes Ziff. 1 Ziff. 2 Ziff. 3 Ziff. 4 Ziff. 5 Ziff. 6 Ziff. 7
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall Vermögensschäden, Abhandenkommen von Sachen Versichertes Risiko Vorsorgeversicherung Leistungen der Versicherung Begrenzung der Leistungen Ausschlüsse
Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung Ziff. 8 Ziff. 9 Ziff. 10 Ziff. 11 Ziff. 12 Ziff. 13 Ziff. 14 Ziff. 15
Beginn des Versicherungsschutzes Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag Rechtzeitigkeit der Zahlung bei Lastschriftermächtigung Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung Beitragsregulierung Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Beitragsangleichung
Dauer und Ende des Vertrages/Kündigung Ziff. 16 Ziff. 17 Ziff. 18 Ziff. 19 Ziff. 20 Ziff. 21
Dauer und Ende des Vertrages Wegfall des versicherten Risikos Kündigung nach Beitragsangleichung Kündigung nach Versicherungsfall Kündigung nach Veräußerung vericherter Unternehmen Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften Ziff. 22 Mehrfachversicherung
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Ziff. 23 Ziff. 24 Ziff. 25 Ziff. 26
Vorvertragliche Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten
Weitere Bestimmungen Ziff. 27 Mitversicherte Personen Ziff. 28 Abtretungsverbot 29 https://doi.org/10.1515/9783110522686-005
Koch
AHB 2016
Ziff. Ziff. Ziff. Ziff. Ziff.
29 30 31 32 33
Schrifttum
Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung Verjährung Zuständiges Gericht Anzuwendendes Recht Begriffsbestimmung
Schrifttum Bähr Sinn und Zweck des Ausschlusses von Allmählichkeitsschäden in der allgemeinen Haftpflichtversicherung, VersR 1994 530; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Zölch Umwelthaftpflicht – Haftung und Versicherungsschutz, 2. Aufl. (2002); Bechert Neue AHB: Viele warten erst noch die VVG-Reform ab, VW 2006 1175; Birke/Isenbart Sanktionsklausel ersetzt Beratung nicht, VW 2012 513; A. Bruns Unentgeltliche Verträge und Gefälligkeitsverhältnisse, VersR 2018 789; P. Bruns Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch im Spiegel der BGH-Rechtsprechung, NJW 2020 3493; v. Bühren Interessenkollision im Haftpflichtprozess, RuS 2019 6; Büsken Voraussetzungen und Wirksamkeit der Serienschadensklausel der AHB, NJW 2003 1715; Buschbel Radfahrer im Straßenverkehr: Haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte, NJW 2011 3605; Chab Abgrenzung zwischen Erfüllungsansprüchen und Haftpflichtansprüchen, AnwBl. 2012 922; Cordes § 10 II Nr. 2 VOB/B – eine Haftungsfalle für Auftragnehmer, NZBau 2018 8; Dickmann Haftpflichtversicherung; Ehrenamtliche Tätigkeit, VersR 2016 48; Dancz Sowiesokosten – Haftung und Deckung im Rahmen der Bauversicherungen, VersR 2012 688; Diedrichsen Die Deckung des Produkthaftpflichtrisikos im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1971 1077; Döring/Meinke Risikoausschluss im Rahmen des § 4 AHB bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften, VersR 1988 228; Dötsch Bauherrenhaftpflichtversicherung – im Wohnungseigentum geboten? NZM 2014 296; Eiselt Zur Abgrenzung der von der Betriebshaftpflichtversicherung nicht erfassten Erfüllungspflicht des Werkunternehmers, NJW 1984 899; Faust Der Schutz vor reinen Vermögensschäden – illustriert am Beispiel der Expertenhaftung, AcP 210 (2010) 555; Fenyves Anmerkungen zur „Herstellungs- bzw. Lieferklausel“, VersR 1991 1; ders. Die rechtliche Behandlung von Serienschäden in der Haftpflichtversicherung (1988); Filthaut/Piontek/Kayser Haftpflichtgesetz 10. Aufl. (2019); Fischer Strafgesetzbuch und Nebengesetze 68. Aufl. (2021); v. Forstner Zum Ausschluss nach AHB § 4 Ziff. 1 Abs. 6 Buchstabe b, VersR 1984 750; Fortmann Cyber-/Datenrisiken: Erhebliche Gefahr für Geschäftsleiter und D&O-Versicherer? RuS 2019 688; ders. Cyberversicherung: ein gutes Produkt mit noch einigen offenen Fragen, RuS 2019 429; Franz Das Versicherungsvertragsrecht im neuen Gewand, VersR 2008 298; Fricke Wen oder was schützt § 215 VVG? VersR 2009 15; ders. Das Internationale Privatrecht der Versicherungsverträge nach Inkrafttreten der RomI-Verordnung, VersR 2008 443; Garbes Die Haftpflichtversicherung der Architekten/Ingenieure 4. Aufl. (2010); Gebauer Grenzen der Ausgestaltung weicher Tarifmerkmale, NVersZ 2000 7; Genz Haftung, Regress und Versicherungsschutz bei Virusübertragungen? – Eine Übersicht zum Fall Covid-19, VersR 2020 1481; Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Erläuterungen zu den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Modell) (zit. GDV-Erläuterungen); Glimpel Die Abtretung von Deckungsansprüchen nach § 108 Abs. 2 VVG (2022); Graf von Westphalen Änderungsbedarf in der Haftpflichtversicherung (AHB) auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts? NVersZ 2002 241; ders. Das Kondensator-Urteil des BGH – Mangelbeseitigungsaufwendungen und Versicherungsschutz, ZIP 1992 532; Grigoleit/Riehm Die Kategorien des Schadensersatzes im Leistungsstörungsrecht, AcP 203 (2003) 727; Grote/Schneider VVG 2008: Das neue Versicherungsvertragsrecht, BB 2007 2689; Gruber Der Anspruch auf Ersatz von Nutzungs- und Betriebsausfall bei Lieferung einer mangelhaften Sache, ZGS 2003 130; Günther/Piontek Die Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf das Versicherungsrecht – Eine erste Bestandsaufnahme, RuS 2020 242; Harsdorf-Gebhardt Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Haftpflichtversicherung, RuS 2016 489; RuS 2014 439; RuS 2012 261; Heidemann Asbest und Schimmelpilze – derzeitiger Stand, VP 2003 92; Heinisch Compliance mit EU-Sanktionen in der Versicherungswirtschaft, CCZ 2012 102; ders. Die praktische Umsetzung von Sanktionen in der (Rück-)Versicherungswirtschaft, CCZ 2012 136; Hersch/Hersch Die Haftpflichtversicherung der Heilberufe als Pflichthaftpflichtversicherung, RuS 2016 541; Hinsch Eigentumsverletzungen an neu hergestellten und an vorbestehenden Sachen durch mangelhafte Einzelteile, VersR 1992 1053; Hönig Sind Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung (BGB § 839; GG Art. 34) Gegenstand des Versicherungsschutzes in Haftpflicht- u. Rechtsschutz-Versicherung? VersR 1966 514; Huber Der Nacherfüllungsanspruch im neuen Kaufrecht, NJW 2002 1004; Hübner Zu Ausschluss und Definition des Nutzungsausfalls bei der Lieferklausel (§ 4 II 5 AHB), VersR 1985 810; Jenssen Der Ereignisbegriff in der Haftpflichtversicherung – eine kritische Würdigung der neueren Entwicklung, ZVersWiss 1987 425; R. Johannsen Bemerkungen zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflicht-Versicherung 2004, ZVersWiss 2005 179; ders. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in der Haftpflichtversicherung, RuS 2000 133; ders. Haftpflichtversicherungsschutz gegen Umweltschä-
Koch
30
Schrifttum
AHB 2016
den durch Verunreinigungen des Erdbodens und der Gewässer (1987); ders. Bemerkungen zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, ZVersWiss 1971 51; Karczewski Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Versicherungsrecht – Lebens-, Forderungsausfall- und Reiseabbruchversicherung, RuS 2018, 397; Klingmüller Zum Begriff des Ereignisses in AHB § 1 Ziff. 1, VersR 1981 421; Klimke Haftung des Verwalters für den baulichen Zustand – welche Versicherung ist die richtige? ZWE 2017 297; ders. Versicherungsschutz für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche unter Wohnungseigentümern, ZWE 2015 3; ders. Auswirkungen des Wegfalls des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes in der Haftpflichtversicherung, RuS 2014 105; Knappmann Alkoholbeeinträchtigung und Versicherungsschutz, VersR 2000 11; Koch Opferschutzlücke bei EScooter- und E-Bike-Unfällen? NJW 2020 183; ders. Abschied von der Rechtsfigur der verhüllten Obliegenheit, Festschrift Fenyves (2013) 541; ders. Kollisions- und versicherungsvertragsrechtliche Probleme bei internationalen D&O-Haftungsfällen, VersR 2009 141; ders. Versicherung von Haftpflichtrisiken nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, VersR 2007 288; ders. Nullstellung und Wiedereinschluss von IT-Risiken in der Betriebshaftpflichtversicherung (AHB 2004/BHV-IT), RuS 2005 181; ders. Versicherbarkeit von IT-Risiken (2005); ders. Haftung für die Weiterverbreitung von Viren durch E-Mails, NJW 2004 801; Krause Das neue Produkthaftpflicht-Versicherungsmodell für Produktions- und Handelsbetriebe (Verbandsmodell des GDV vom März 2000), NVersZ 2001 103; ders. Deckung von Rückrufkosten und Unternehmerrisiko, NVersZ 1999 153; Krause-Allenstein Aktuelle Entscheidungen zum Bauversicherungsrecht, NZBau 2013 613; ders. Pro Bauvorhaben nur eine Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung der Architekten? NZBau 2011 217; Kretschmer Der Schadensereignisbegriff in der allgemeinen Haftpflichtversicherung – Mehrdeutigkeit und Intransparenz des § 1 Ziff. 1 AHB, VersR 2004 1376; Küppersbusch Der Anspruch des Sozialversicherungsträgers auf den Kapitalwert einer Rente nach § 110 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, RuS-Beil. 2011 60; Kullmann Die Rechtsprechung des BGH zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1991/92, NJW 1992 2669; Kuwert Allgemeine Haftpflichtversicherung 4. Aufl. (1990); Kuwert/Erdbrügger Privathaftpflichtversicherung 2. Aufl. (2005); Langheid Uneingeschränkte Haftpflichtdeckung trotz Vorsatz, NVersZ 1999 253; Littbarski Das neue Geräte- und Produktsicherheitsgesetz: Grundzüge und Auswirkungen auf die Haftungslandschaft, VersR 2005 448; ders. Betriebshaftpflicht und Anhängerschaden, NVersZ 2001 397; ders. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (2001); ders. Der Folgeschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1982 915; ders. Produkthaftpflichtversicherung (1999); Looschelders/Smarows Das Internationale Versicherungsvertragsrecht nach Inkrafttreten der Rom-I-Verordnung, VersR 2010 1; Looschelders/ Heinig Der Gerichtsstand am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers nach § 215 VVG, JR 2008 265; E. Lorenz Der subjektive Risikoausschluss durch § 61 VVG und die Sonderregelung in § 152 VVG, VersR 2000 2; Lübben Versicherungsschutz für sog. „Nachbesserungsbegleitschäden“ in der Betrieblichen Haftpflichtversicherung, VersR 2020 1226; Malek/Schütz Cyberversicherung: Rechtliche und praktische Herausforderungen, RuS 2019 421; Meckling-Geis Außergerichtliche Streitbeilegung in der Schadensregulierung des Haftpflichtversicherers, VersR 2016 79; Meyer-Kahlen Der Serienschaden in der Produkthaftpflichtversicherung, VersR 1976 8; Müller-Frank/Langheid Rechtsprechungsübersicht zum Versicherungsvertragsrecht im ersten Halbjahr 2012, NJW 2012 2324; Müller-Hengstenberg/Kirn Vertragscharakter des Application Service Providing-Vertrags, NJW 2007 2370; dies. Rechtsprechungsübersicht zum Versicherungsvertragsrecht 2011, NJW 2012 358; Neuhaus Die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung im neuen VVG, RuS 2008 45; Nickel Der Tätigkeitsschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1987 965; Nickel/Nickel-Fiedler Technische Verträge – Deckungsschädlich in der Betriebs-Haftpflichtversicherung? RuS 2011 459; dies. Die Herstellungs- und Lieferungsklausel in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 2011 41; Nowak-Over Auslegung und rechtliche Zulässigkeit von Serienschadensklauseln in der Haftpflicht- und Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (1991); Pardey Die Waffenklausel in der Privat- und Jagdhaftpflichtversicherung, VersR 1989 681; Pütz/Maier Haftung und Versicherungsschutz bei Cyber-Angriffen auf ein Kfz, RuS 2019 444; Richter „Gebrauch“ und „Betrieb“ eines Kfz, SVR 2011 13; Rolfes Der Versicherungsfall nach den AHB 02 und den AHB 04 am Beispiel der Arzthaftpflichtversicherung, VersR 2006 1162; Rottmüller Zur Anwendung der „Tätigkeitsklausel“ in § 4 I Ziff. 6b AHB, VersR 1986 843; Salzmann-Hennersdorf Zur Problematik des Haftpflichtversicherungsschutzes eines Zahnarztes für von ihm verursachte Erfüllungsschäden, VersR 2012 1101; Schacht Die Problematik der Gewässerschadenhaftpflicht nach 22 WHG in der Kommunalversicherung, VersR 1986 1045; Schamir Kein Versicherungsschutz für Asbestschäden, Der Sachverständige 2005 10; Schilbach Versicherungsschutz für Hersteller fehlerverdächtiger Medizinimplantate – Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Produkthaftpflicht- und Rückrufkostenversicherung, RuS 2019 561; ders. Update zur Medizinprodukteverordnung – Einführung einer gesetzlichen Produkthaftung für den „bevollmächtigten Vertreter“? MPR 2016 82; Schimikowski Nacherfüllung und Mangelfolgeschaden in der BHV – Schäden an fremdem Material durch Lohnbe- und -verarbeitung, RuS 2020 191; ders. Die Erprobungsklausel in der Kfz-Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung, RuS 2019 301; dersders. Der Versicherungsfall in der Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, RuS 2017 393; ders. Deckungsfragen bei Schäden durch oberflächennahe Geothermiebohrungen, RuS 2017 113; ders.
31
Koch
AHB 2016
Schrifttum
Die „Benzinklausel“ in der Privathaftpflichtversicherung, RuS 2016 1; ders. Die neuen Musterbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung, RuS 2015 373; ders. Aktuelle Fragen zum Abschluss des Versicherungsvertrags, RuS 2012 577; ders. Mangelbeseitigung und Mangelfolgeschäden – Anmerkungen zu einem „Dauerthema“ der Haftpflichtversicherung, RuS 2012 105; ders. Vorvertragliche Informationspflichten des Versicherers und des Versicherungsnehmers – Ausgewählte Fragen, RuS-Beil. 2011 96; ders. Die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung nach dem neuen VVG, VersR 2009 1304; ders. Die vorvertragliche Anzeigepflicht, RuS 2009 353; ders. Einbeziehung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen in den Vertrag, RuS 2007 309; ders. Privathaftpflichtversicherung – aktuelle Themen und Rechtsprechung, RuS 2006 7; ders. Der Erfüllungsschadenausschluss in der Haftpflichtversicherung – Rechtscharakter, Reichweite, Transparenz, RuS 2005 445; ders. Zins- und Kostenklauseln in der Haftpflichtversicherung, VersR 2005 861; ders. Ansprüche wegen abhanden gekommener Sachen in der Haftpflichtversicherung – Ausschluss, Abgrenzungsfragen, Einschlussmöglichkeiten, RuS 2004, 397; ders. Umwelthaftungsrecht und Umwelthaftpflichtversicherung 6. Aufl. (2002); ders. Das rechtliche Gebot zu transparenter und inhaltlich angemessener Gestaltung von AVB, RuS 1998 353; Schirmer/Marlow Die versicherungsrechtliche Behandlung sogenannter weicher Tarifmerkmale, VersR 1997 782; Schlenker Nanotechnologie in der Industriehaftpflichtversicherung (2010); Schmalzl/Krause-Allenstein Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und Bauunternehmers 2. Aufl. (2006); Schmidt-Salzer Produkthaftung, Bd. IV Produkthaftpflichtversicherung, Teil 1, 2. Aufl. (1990); ders. Revolution der Betriebshaftpflichtversicherung durch Neudefinition des Ereignisbegriffs? BB 1981 459; Schramm Das Anspruchserhebungsprinzip – ein Deckungskonzept in der Haftpflichtversicherung mit Zukunft? ZVersWiss Supplement Jahrestagung 2006 285; Schreier Versicherungsschutz für Seuchen am Beispiel der COVID-19-Pandemie, VersR 2020 513; Siedler/Zeitler/ Dahme/Knopp Wasserhaushaltsgesetz/Abwasserabgabengesetz 56. Ergänzungslieferung, 1.7.2021;Schumacher Organhaftung und D&O-Versicherung im Schiedsverfahren, NZG 2016 969; Seybold/Wendt Schafft Deckung doch Haftung? Eine Erinnerung an das Trennungsprinzip, VersR 2009 455; Späth Probleme der wissentlichen Pflichtverletzung in der Berufshaftpflichtversicherung nach § 4 Ziff. 6 AVB-WB, VersR 2000 825; Steinkühler/Kassing Das Claims-Made-Prinzip in der D&O-Versicherung, VersR 2009 643; Stockmeier Die kleine Benzinklausel, VersR 2013 823; ders. Die Haftpflichtversicherung des Internet-Nutzers (2005); Syré Handelt es sich bei dem Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB um einen solchen, der unter die Bestimmungen des § 1 AHB fällt? VersR 1973 116; Teichler Verstoß, Ereignis oder claims made? Gedanken zu einer Reform der Versicherungsfalldefinition für die Haftpflichtversicherung in Deutschland, ZfV 1984 643; Terno Abgrenzungsprobleme zwischen KH-Versicherung und Allgemeiner Haftpflichtversicherung, RuS 2011 361; Theda Der Begriff „Ausland“ nach § 4 Abs. 1 Ziffer 3, AHB ZfV 1968 266; Thomas Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern (2010); Thürmann Rückruf und Haftpflichtversicherung nach AHB und ProdHB, NVersZ 1999 145; Thürmann/Kettler Produkthaftpflichtversicherung und ausgewählte Fragen der Produkthaftpflicht 6. Aufl. (2009); Vogel/Stockmeier Umwelthaftpflichtversicherung 2. Aufl. (2009); Voit Zum Ausschluss der Haftpflichtdeckung bei Krankheitsübertragung und Tierkrankheiten nach § 4 II Ziff. 4 AHB, VersR 1989 8; Vrzal Zur Beurteilung vorgerichtlicher Erklärungen des Haftpflichtversicherers im Rahmen der Schadensregulierung, VersR 2012 694; G. Wagner Das neue Umweltschadengesetz, VersR 2008 565; ders. Die gemeinschaftsrechtliche Umwelthaftung aus der Sicht des Zivilrechts, VersR 2005 117; O. Wagner Der richtige Gerichtsstand für Klagen des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer nach der VVG-Reform, VersR 2009 1589; Wandt Gedanken zur Serienschadenklausel Ziff. 6.3 AHB 2008, Festschrift Fenyves (2013) 781; ders. Versicherungsverbote im Rahmen von Embargomaßnahmen, VersR 2013 257; ders. Zum Sachschadensbegriff in der Haftpflichtversicherung, Festschrift Schirmer (2005) 619; Weidinger Die Versicherung der Arzt- und Krankenhaushaftpflicht, MedR 2012 238; Weitzel Beweislast des Versicherers für vorsätzliches und widerrechtliches Handeln des VN, VersR 2006 783; Wendt Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsschutzversicherung – Der Rechtsschutzversicherer und sein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, RuS 2012 209; Werber Haftungsverschärfendes Gesetz und Haftpflichtversicherung, VersR 1991 522; Graf von Westphalen Waren- oder Rückrufaktion bei nicht sicheren Produkten: §§ 8, 9 ProdSG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB – rechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen, DB 1999 1369; Wilting 4 II Ziff. 4 AHB – eine Ausschlussklausel für AIDS? VersR 1988 115; Wussow Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung 8. Aufl. (1976); Zeller Versicherungsfall in der Produkt-Haftpflichtversicherung: Verstoß, Ereignis oder Anspruchserhebung, VW 1981 376.
Koch
32
Hinweise zur Kommentierung der AHB
AHB 2016
Hinweise zur Kommentierung der AHB Der nachstehenden Kommentierung liegen die (unverbindlichen) Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) i.d.F. vom April 2016 zugrunde.1 1 Der GDV hat die AHB ständig an die Rechtsentwicklung angepasst. Diese wurde vor allem durch die Rechtsprechung geprägt, die eine Änderung und Ergänzung einzelner Klauseln erforderlich machte. Im Jahre 2004 änderte der GDV die bis dato durch Paragraphen gekennzeichneten Klauseln und führte ein numerisches System ein. Zudem wurden zahlreiche Klauseln umgruppiert, um die Transparenz der AHB insgesamt zu verbessern. Die Reform des VVG hatte eine umfängliche Überarbeitung der AHB zur Folge. Um die Fortentwicklung der AHB besser nachvollziehen und Rechtsprechung und Literatur 2 zu den AHB vor Einführung des numerischen Systems besser einordnen zu können, werden die aktuelle Fassung sowie die Fassung mit §§-Bezeichnungen aus dem Jahre 1999 (Stand: März 1999)2 synoptisch dargestellt. Auf sonstige Fassungen wird nur näher eingegangen, soweit die hierzu ergangene Rechtsprechung für die Auslegung der aktuellen Fassung bedeutsam ist. Abweichend von sonstigen Darstellungen wird zum besseren Verständnis nicht auf Absätze, 3 sondern auf die Sätze in den jeweiligen Klauseln Bezug genommen, die durchnummeriert und durch hochgestellte Ziffern gekennzeichnet werden. Beispiel: Statt Ziff. 1.1 Abs. 2 AHB heißt es somit Ziff. 1.1 Satz 3 AHB.
1 https://www.gdv.de/resource/blob/6132/3206ded4f5f7698cc9df23383aecd6d6/01-allgemeine-versicherungsbeding ungen-fuer-die-haftpflichtversicherung-ahb-data.pdf (zuletzt abgerufen am 27.8.2022). 2 Abgedruckt und kommentiert in Littbarski, AHB, 1. Aufl. (2001). 33
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
§ 1 Gegenstand der Versicherung § 5 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, Verfahren § 4 Ausschlüsse
1.1 1Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadensereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2 Schadensereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadensereignis geführt hat, kommt es nicht an.
§1 1. Der VR gewährt dem VN Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hat, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. §5 1. Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Schadenereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den VN zur Folge haben könnte.
1.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, (1) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; (2) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; (3) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; (4) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; (5) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; (6) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
§ 4 I 6 Abs. 3 I. Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf: Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung ist nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung, auch dann nicht, wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, desgleichen nicht der Anspruch aus der gesetzlichen Gefahrtragung (für zufälligen Untergang und zufällige Verschlechterung).
1.3 1Es besteht – unbeschadet der übrigen Vertragsbestimmungen – Versicherungsschutz nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handelsoder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. 2 Dies gilt auch für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos, die durch die Vereinigten Staaten von Amerika in Hinblick auf den Iran erlassen werden, soweit dem nicht europäische oder deutsche Rechtsvorschriften entgegenstehen.
Fehlanzeige
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-006
34
Ziff. 1 AHB 2016
Übersicht
Übersicht 1
b)
A.
Ziff. 1 AHB
B.
Ziff. 1.1 AHB
I.
Inhalt und Zweck
II.
Versicherungsschutz im Rahmen des versicher3 ten Risikos
III.
Eintritt des Schadensereignisses während der Wirksamkeit der Versicherung Begriff und Bedeutung des Schadensereignis4 ses Während der Wirksamkeit der Versiche10 rung
1. 2.
IV. 1. 2.
V.
1.
2.
35
2
11 Personen- und/oder Sach(folge)schaden 12 Personenschäden Sachschäden 18 a) Sachbegriff 23 b) Vorliegen eines Sachschadens c) Einzelfragen zur Qualifikation als Sachschaden aa) Lieferung oder Herstellung mangel28 hafter Ware bb) Qualifizierung von sog. „Weiterfresser29 schäden“ 31 cc) Produktionsschäden dd) Bearbeitungs-/ 32 Reparaturschäden ee) Abgrenzung der Sachschadensdeckung zur Mitversicherung von Schä33 den durch Abhandenkommen ff) Beschädigung eigener Sachen des Ver39 sicherungsnehmers 41 gg) Flora und Fauna Inanspruchnahme auf Schadensersatz aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmung a) Maßgeblichkeit des Normzwecks der Haftpflichtbestimmung aa) Ausgleich des Integritätsinteresses als 43 Normzweck bb) Ausgleich des Äquivalenzinteresses 48 als Normzweck b) Ausländische Haftpflichtbestimmun49 gen Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers auf Schadensersatz a) Zum Begriff des vom Versicherungsschutz erfassten Schadensersatzan50 spruchs
3.
Einordnung von Anspruchsgrundlagen 53 aa) Schadensersatzansprüche bb) Freistellungs- und Ausgleichsansprü54 che cc) Beseitigungsansprüche und Unterlas56 sungsansprüche dd) Aufwendungsersatzansprüche 57 (1) § 284 BGB 58 (2) § 536 Abs. 2 BGB 59 (3) § 670 BGB 61 (4) § 667 BGB 62 ee) Bereicherungsansprüche ff) Nachbarrechtlicher Ausgleichsan63 spruch 66 gg) § 179 Abs. 1 BGB 67 hh) § 14 Abs. 3 WEG ii) Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer68 Verhältnis Privatrechtlicher Inhalt der Haftpflichtbestimmung 70 a) Abgrenzung b) Einordnung von Anspruchsgrundla74 gen
VI. 1. 2. 3. 4.
Inanspruchnahme durch einen Dritten 78 Eigen-/Fremdversicherung 79 Mehrere Versicherungsnehmer Mittelbar Geschädigte/Rechtsnachfolger 81 Beteiligung als Gesellschafter
C.
Ziff. 1.2 AHB
I.
Sinn und Zweck
II.
Rechtsnatur
III. 1.
Reichweite von Ziff. 1.2 AHB Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche, Schadensersatz statt der Leistung (Ziff. 1.2 (1) AHB) a) Anknüpfung an die vertragsrechtliche Einordnung der namentlich aufgeführten 84 Rechtsbehelfe aa) Abgrenzung zwischen Anspruch auf Schadensersatz statt und neben der 87 Leistung (1) Schutz des Integritätsinteresses als vertragliche Hauptleistungspflicht/leistungsbezogene Ne88 benpflicht (2) Weiterfresserschäden und Nacherfüllungsbegleitsach90 schäden 91 (3) Nutzungsausfall
80
82 83
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
2.
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
bb) Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Kauf- und Werkver92 trag 93 (1) Kaufvertrag (2) Werkvertrag (a) Ermittlung des geschuldeten Vertragsleis96 tung (b) Abgrenzung zwischen Schadensersatz statt und neben der Leistung am Beispiel des Wartungsvertra99 ges (c) Beispiele für als Schadensersatz neben der Leistung ersatzfähige Schä101 den b) Ansatz der Rechtsprechung: Autonom-versicherungsrechtliche Auslegung der Erfüllungsschadensregelung aa) Ausgangspunkt für die autonom-versicherungsrechtliche Ausle103 gung bb) Kritik (1) Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Auslegung von 106 AVB (2) Kein Bedarf mehr an eigenständiger versicherungsrechtlicher Begrifflichkeit infolge der 107 Schuldrechtsreform (3) Autonome versicherungsrechtliche und vertragsrechtliche Ein110 ordnung im Vergleich Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.e.S. (Ziff. 1.2 (2) AHB) 111 a) Inhalt b) Deckungserweiterung Mangelbeseitigungs112 nebenkostenklausel 113 aa) AVB BHV-BauNG
6.
118 bb) Formularpraxis cc) Reichweite der Mangelbeseitigungsnebenkostenklausel in Betriebshaftpflichtversicherungsverträgen für Ge119 neral-/Hauptunternehmer c) Deckungserweiterung Nachbesserungsbe123 gleitschäden Nutzungsausfall und Ausbleiben des geschulde126 ten Erfolgs (Ziff. 1.2 (3) AHB) a) Ausfall der Nutzung des Vertragsgegenstan127 des (Alt. 1) b) Ausbleiben des mit der Vertragsleistung ge130 schuldeten Erfolges (Alt. 2) Vergebliche Aufwendungen (Ziff. 1.2 (4) 131 AHB) Verzögerung der Leistung (Ziff. 1.2 (5) 134 AHB) 135 Ersatzleistungen (Ziff. 1.2 (6) AHB)
D.
Ziff. 1.3 AHB
I.
Sinn und Zweck
II.
Anwendungsbereich
III.
Rechtsnatur
E.
AGB-Recht
I.
Einbeziehungskontrolle
II. 1. 2.
Inhaltskontrolle 150 Ziff. 1.1 und 1.2 AHB Ziff. 1.3 AHB 155 a) Transparenzkontrolle b) Sanktionsbestimmungen der EU und 157 Deutschlands c) Sanktionsbestimmungen der USA
3.
4. 5.
F.
Beweislast
138 142
147
149
159
165
A. Ziff. 1 AHB 1 Ziff. 1 AHB bestimmt und begrenzt zugleich den Schutzbereich des Versicherungsvertrages in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht.1 Abschließend lässt sich der Schutzbereich nur im Zusammenhang mit der individuellen (z.B. Betriebsbeschreibung in der Betriebshaftpflichtversicherung) oder formularmäßigen (z.B. Privathaftpflichtversicherung) Umschreibung des versicherten Risikos (Ziff. 3 AHB), der Festlegung des Kreises der versicherten Personen (Ziff. 27 AHB) und des zeitlichen Umfangs des Versicherungsschutzes (materielle Versicherungsdauer) (Ziff. 8 ff. AHB) bestimmen. Die hierzu in den AHB getroffenen Regelungen werden durch die jeweils vereinbarten besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen
1 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 1. Koch
36
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
(z.B. BBR PHV, BBR BHV, ProdHM, UmweltHM, AVB PHV und AVB BHV) konkretisiert. Zur teilweisen Betroffenheit des Schutzbereichs s. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 23 ff.
B. Ziff. 1.1 AHB I. Inhalt und Zweck Ziff. 1.1 AHB definiert den Versicherungsfall und legt positiv die Voraussetzungen fest, unter 2 denen der VN Anspruch auf die Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz hat. Insoweit füllt Ziff. 1.1 AHB den Rahmen aus, den der Gesetzgeber den VR durch die offen gehaltene Fassung des § 100 VVG gegeben hat.2 Die Leistungspflichten des VR sind in Ziff. 5 AHB festgelegt. Die im Vergleich zur § 1 Ziff. 1 AHB a.F. zusätzlich aufgenommenen Sätze 2 und 3 dienen der Klarstellung, dass nicht die den Schaden verursachende Handlung, sondern der Eintritt des Personen- oder Sachschadens den Versicherungsfall auslöst (Rn. 6).3
II. Versicherungsschutz im Rahmen des versicherten Risikos Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB im Rahmen des versicherten Risikos. Hier- 3 zu zählt nach Ziff. 3 AHB die gesetzliche Haftpflicht (1) aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken des VN, (2) aus Risikoerhöhungen oder -erweiterungen sowie (3) aus Risiken, die für den VN nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung). Zu den weiteren Einzelheiten s. die Kommentierung zu Ziff. 3 und Ziff. 4 AHB.
III. Eintritt des Schadensereignisses während der Wirksamkeit der Versicherung 1. Begriff und Bedeutung des Schadensereignisses Nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ist der Eintritt des Schadensereignisses während der Wirksamkeit der 4 Versicherung Voraussetzung für den Anspruch auf Versicherungsschutz. Das Schadensereignis ist definiert in Ziff. 1.1 Satz 2 AHB als „Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist“. Klarstellend heißt es in Satz 3, dass es auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadensereignis geführt hat, nicht ankomme. Teile der Literatur halten diese Formulierung für intransparent, weil nicht klar sei, was mit Unmittelbarkeit gemeint sei.4 Es sei z.B. unklar, ob bei der Lieferung einer fehlerhaften Maschine auf den Zeitpunkt der Lieferung oder erst der Inbetriebnahme abzustellen sei. Dieser Ansicht ist der BGH in seiner Entscheidung vom 26.3.2014 zu Recht nicht gefolgt.5 Die Literaturstimmen knüpfen nur an den Wortsinn an und berücksichtigen nicht hinreichend das Zusammenspiel mit Ziff. 1.1 Satz 3 sowie den Zweck der Haftpflichtversicherung. Keine Zustimmung verdient allerdings die vom BGH in der vorbezeichneten Entscheidung vorgenommene Auslegung von Ziff. 1.1 Satz 2 AHB.
2 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 7. 3 Zur Auslegung von § 1 Ziff. 1 AHB a.F. s. LG Hannover 18.3.2015 – 6 O 205/14, RuS 2015 499, 500. 4 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 42; so auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 61; Rolfes VersR 2006 1162, 1167.
5 BGH 26.3.2014 – IV ZR 422/12, VersR 2014 625 Rn. 33 ff.; vgl. auch OLG Karlsruhe 31.3 2015 – 12 U 289/14, VersR 2015 971; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 12; Langheid/Wandt/Littbarski § 100 VVG Rn. 117 ff.; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 62; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 135. 37
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Nach Ansicht des BGH wird der durchschnittliche VN
5
„S. 3 der Nr. 1 AHB 08 zunächst entnehmen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung ankommt, da diese erst noch zum Schadensereignis führen muss… Umgekehrt wird er aufgrund der Regelung der Nr. 1.1 S. 2 AHB 08 erkennen, dass das Schadensereignis zeitlich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss, da die Schädigung als Folge des Schadensereignisses bezeichnet ist. Dabei muss der zeitliche Abstand allerdings nicht groß sein, da die Schädigung des Dritten „unmittelbar“ aus dem Schadensereignis entstanden sein soll […]. Die letzte Tatsache, die den Schaden an den Sachen des Auftraggebers ausgelöst hat, ist jedoch erst der Austritt des Wassers selbst. Erst für diesen Umstand wird der Kl. hier von seinem Auftraggeber haftbar gemacht. Schadensereignis kann aber nur ein solches Ereignis sein, das zur Auslösung des gegen den VN gerichteten Haftpflichtanspruchs geeignet ist […]. Der durchschnittliche VN wird die Klausel daher aufgrund des in ihr verwendeten Begriffs der Unmittelbarkeit so verstehen, dass ihm gerade für den Eintritt dieser Tatsache Haftpflichtversicherungsschutz gewährt werden soll.“6 [Hervorhebung durch den Verfasser]
6 Das Auslegungsergebnis des BGH ist fernliegend und deshalb unbeachtlich. Der BGH lässt unberücksichtigt, dass der VR zur Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz (in Form der Freistellung oder Anspruchsabwehr) nur dann verpflichtet ist, wenn der Geschädigte einen Personen- oder Sachschaden bereits erlitten hat oder einen solchen behauptet. Daran fehlt es, wenn man auf einen Zeitpunkt abstellt, zu dem noch kein Personen- oder Sachschaden eingetreten ist. 7 Der VN wird der Formulierung „unmittelbar“ deshalb keine weitere zeitliche Ausdifferenzierung zwischen seinem Verhalten und dem Eintritt des Erfolgs zur Bestimmung des Versicherungsfalles beimessen, die weder für seine Haftung noch für seinen Versicherungsschutz bedeutsam ist. Er wird diese Formulierung vielmehr dahingehend verstehen, dass sie sich auf die in der Person des Opfers eingetretenen Person- und Sachschäden bezieht. Für ein solches Verständnis des VN spricht die in der Haftpflichtversicherung (sowohl vom VN als auch vom VR) angestrebte Kongruenz zwischen Haftung und Deckung. Der VN wird deshalb unter Schadensereignis nicht bereits den Sturz wegen eines defekten Treppengeländers bis kurz vor dem Aufschlagen auf den Fußboden oder den Austritt des Wassers aus dem Hahn oder Schlauch verstehen, sondern den Eintritt der (ersten) Rechtsgutsverletzung (Aufschlagen auf dem Fußboden und Einwirkung des Wassers auf die Sachsubstanz und die Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache infolge des Wasseraustritts),7 die auch als „Primärverletzung“ bezeichnet wird.8 Unter „Schädigung“ wird der VN die nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu ersetzenden Schäden verstehen, die in der Person des Geschädigten unmittelbar entstanden sind („Sekundärschäden“).9 Soweit Vermögensschäden mitversichert sind (Ziff. 2 AHB Rn. 6 ff.), ist der Beginn des Schadenseintritts maßgeblich. Gegen die vom BGH vorgenommene Auslegung spricht im Übrigen auch der Sinnzusam8 menhang mit dem subjektiven Risikoausschluss in Ziff. 7.1 AHB und den Rettungsobliegenheiten in Ziff. 25 AHB. Stellt man mit dem BGH in dem obigen Fall auf den Wasseraustritt als Versicherungsfall ab, trifft den VN die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden z.B. am Estrich zu vermeiden. Ergreift der VN grob fahrlässig keine Maßnahmen und kommt es deshalb zu Schäden am Parkett, wäre der VR bereits je nach Grad der groben Fahrlässigkeit des VN (teilweise) leistungsfrei (Ziff. 26.2 AHB). Der Ausschluss gem. Ziff. 7.1 AHB sieht (völlige) Leistungsfreiheit des VR jedoch erst dann vor, wenn der VN vorsätz-
6 BGH 26.3.2014 – IV ZR 422/12, VersR 2014 625 Rn. 39 f. 7 Vgl auch Beispiele bei Stockmeier AVB PHV A1-3 Rn. 11 ff.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 24.
8 BGH 24.5.2022 – VI ZR 206/21, BeckRS 2022 16857 Rn. 33; BGH 29.1.2019 – VI ZR 113/17, BGHZ 221 43 Rn. 12. 9 BGH 24.5.2022 – VI ZR 206/21, BeckRS 2022 16857 Rn. 33; BGH 29.1.2019 – VI ZR 113/17, BGHZ 221 43 Rn. 12; zu dieser Terminologie s. v. Pentz zfs 2021 64, 65; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 24 Rn. 36. Koch
38
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
lich den Schaden am Parkett herbeiführen will.10 Der VN darf deshalb aufgrund von Ziff. 7.1 AHB erwarten, dass er nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens keinen Anspruch auf Versicherungsschutz hat und wird auch deshalb erst den Eintritt des Personen- oder Sachschadens als Schadensereignis verstehen. Um die vorstehend aufgezeigten Diskussionen über die Auslegung von Ziff. 1.1 AHB im 9 Streitfall zu vermeiden, sollten die VR in Erwägung ziehen, die Musterbedingungen nicht eins zu eins zu übernehmen, sondern den Versicherungsfall ohne Verwendung des Begriffs des Schadensereignisses in Anlehnung an Ziff. 1.1 AHB (so oder so ähnlich) formulieren:11 Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadensereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (Versicherungsfall). 2Schadensereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadensereignis geführt hat, kommt es nicht an.
2. Während der Wirksamkeit der Versicherung Nach dem Wortlaut von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB muss das Schadensereignis, d.h. die Rechtsgutsver- 10 letzung, „während der Wirksamkeit der Versicherung“ eingetreten sein. Gemeint ist hiermit die materielle Versicherungsdauer, also der Zeitraum, für den Versicherungsschutz besteht (vgl. Ziff. 8 ff. AHB).12 Im Hinblick auf die Definition des Versicherungsfalles ist die materielle Versicherungsdauer in der Regel identisch mit der formellen Vertragsdauer, die durch den Abschluss und die Beendigung des Vertrages markiert wird. Zur Einbeziehung von Personen- und/oder Sachschäden, die vor Abschluss des Versicherungsvertrages eingetreten sind und für die bislang kein Versicherungsschutz bestanden hat, bedarf es der Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung (§ 2 Abs. 1 VVG). Für Schäden, die nach der Beendigung eintreten, bedarf es der Vereinbarung einer Nachhaftungsversicherung (vgl. Ziff. 7.9 BBR BHV), wenn das versicherte Risiko nicht vollständig wegfällt und der VR keine Anschlussversicherung mit einem anderen VR abschließt. Über die Notwendigkeit der Anschlussversicherung muss der VR den (maklerlosen) VN nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 VVG belehren. Die bloße Kündigung des Versicherungsvertrages ist kein Anlass des VR zur Nachfrage und Beratung.13
IV. Personen- und/oder Sach(folge)schaden Der VN muss wegen eines Personen- oder Sachschadens und/oder eines sich daraus ergebenden 11 Vermögensschadens in Anspruch genommen werden. Die AHB vollziehen insoweit die auf haftungsrechtlicher Ebene getroffene Differenzierung zwischen haftungsbegründendem Tatbestand (Rechtsgutsverletzung) und haftungsausfüllendem Tatbestand (Schaden) nach. In dem Umfang, in dem der VN für den Ersatz der Folgeschäden aus einem Personen- oder Sachschaden nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB haftet, besteht grundsätzlich Deckung.14 10 Vgl. OLG Köln 30.9.2014 – 9 U 22/14, RuS 2015 602, 604 (zur Nichtanwendbarkeit von § 90 VVG wegen des Eingriffs in den Regelungsgehalt von § 103 VVG).
11 Zur Notwendigkeit einer verbesserten Versicherungsfalldefinition s. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 68 ff. 12 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 5; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 123; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 5. 13 A.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 111; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 3. 14 Vgl. OLG Düsseldorf 19.10.2018 – I-4 U 10/18, VersR 2019 475, 478 (Sachfolgeschaden). 39
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
1. Personenschäden 12 Der Begriff „Personenschaden“ ist dem BGB fremd. §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 842 BGB (amtliche Überschrift) sprechen von „Verletzung einer Person“. In § 843 BGB ist die Rede von Verletzung des Köpers oder der Gesundheit. § 823 Abs. 1 BGB differenziert zwischen der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit. Nach Schiemann erfasst die Formulierung „Verletzung einer Person“ nicht nur Eingriffe in die körperliche Integrität, sondern auch in die Freiheit und das Persönlichkeitsrecht.15 Der Begriff „Personenschaden“ hat – ohne nähere Bestimmung – Eingang in zahlreiche 13 Sondergesetze (z.B. § 1 PflVG, § 45 LuftVG) sowie in das Sozialversicherungsrecht (z.B. § 104 SGB VII) gefunden. Zum Teil geben die amtlichen Überschriften Aufschluss über das Verständnis des Gesetzgebers. So statuiert § 45 LuftVG unter der Überschrift „Haftung für Personenschäden“ die Verpflichtung des Luftfrachtführers zum Ersatz des Schadens, der daraus resultiert, dass ein Fluggast durch einen Unfall an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen „getötet, körperlich verletzt oder gesundheitlich geschädigt“ wird. Bis zur Fassung 2002 haben die AHB-Musterbedingungen den Personenschaden definiert 14 als Schadensereignis, „das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsbeschädigung von Menschen“ zur Folge hatte (vgl. § 1 Ziff. 1 Satz 1 AHB 2002). Seither verzichtet der Musterbedingungsgeber auf eine Definition. Gleichwohl ist die früher verwandte Definition weiterhin als Ausgangspunkt für die Auslegung maßgebend, weil sie im Einklang mit dem Verständnis des durchschnittlichen VN steht. Der Verzicht auf eine Definition gibt jedoch Spielraum für eine weitergehende Auslegung, 15 die nicht nur Ansprüche wegen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließt, sondern auch Eingriffe in die körperliche Freiheit umfasst, ohne dass zugleich ein Personenschaden vorliegen muss.16 Insoweit sei auch auf die – für die Auslegung nach Ansicht der Rechtsprechung allerdings unbeachtliche (s. Ziff. 7 AHB Rn. 2) – Begründung verwiesen, die der GDV für den Verzicht auf die Definition gegeben hat. Der GDV führt die „eher fließende Rechtsprechung in diesem Bereich“ an, weshalb „eine offene Formulierung als geeigneter anzusehen [sei], umfassend zu greifen“.17 Es soll so weit wie möglich eine Kongruenz zwischen der Haftung für Personenschäden und Deckung sichergestellt werden.18 Selbst die tatsächliche oder nur potenzielle Gefährdung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit kann somit ausreichen, wenn und soweit dadurch eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB und/oder § 1 ProdHaftG19 ausgelöst wird.20 Bezogen auf Verletzungen des Persönlichkeitsrechts hat der GDV seit der Neufassung der AHB im Jahre 2004 in Ziff. 7.16 AHB jedoch ausdrücklich einen Ausschluss für Persönlichkeitsschäden vorgesehen. Der Streit über die Einbeziehung solcher Ansprüche21 hat sich also praktisch erledigt, da gegen die Wirksamkeit dieses Ausschlusses, selbst wenn er konstitutiv sein sollte, keine Bedenken bestehen.22 Zum Wiedereinschluss bei IT-Risiken in der Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung s. Ziff. 4 BBR PHV und Ziff. 2 BetrH IT. 15 Vgl. Staudinger/Schiemann (2017) § 249 Rn. 217. 16 A.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 130 f., 137; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 25; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 34; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 28; Stockmeier AVB PHV A1-3 Rn. 18. 17 Vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 25/04 M v. 17.6.2004, Synopse, Hinweise zu Ziff. 1.1 (Hervorhebung durch den Verfasser). 18 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 132. 19 Vgl. BGH 9. 6. 2015 – IV ZR 70/15, VersR 2015 1038 Rn. 22 ff.; EuGH 5.3.2015 – C-503/13 u. C-504/13, VersR 2015 900 ff. 20 Koch VersR 2015 1467, 1473; vgl. auch Rudkowski VersR 2018 65, 67; a.A. Schilbach 261 ff. 21 S. hierzu Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 32 f.; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 24; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 137; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 36; Littbarski AHB § 1 Rn. 18; Wussow § 1 Rn. 80. 22 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 33. Koch
40
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
Im Übrigen kann ein Personenschaden nicht nur bei einer physischen, sondern selbstver- 16 ständlich auch bei einer psychischen Beeinträchtigung gegeben sein. Voraussetzung für die Deckung ist jedoch, dass die Beeinträchtigung geeignet ist, Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auszulösen. Die Schädigung des ungeborenen oder noch nicht gezeugten mitversicherten Kindes ist ebenfalls als Personenschaden zu qualifizieren, wenn es deswegen später krank zur Welt kommt.23 Dabei reicht es aus, wenn die psychische Schädigung der Mutter zu einem Schaden beim Kind führt.24 Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht nur auf die Personenschäden selbst, sondern 17 auch auf alle daraus resultierenden Personenfolgeschäden, auch „unechte“ Vermögensschäden oder Vermögensfolgeschäden genannt, die aus den finanziellen Nachteilen für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten resultieren (vgl. § 842 BGB).25 Neben den Heilungskosten zählen der Erwerbsausfallschaden, die Minderung der Erwerbsfähigkeit, vermehrte Bedürfnisse (vgl. § 843 Abs. 1 BGB) sowie das Schmerzensgeld dazu.26 Zu den versicherten Folgeschäden zählt auch das Abhandenkommen von Sachen infolge eines Personenschadens (Ziff. 2 AHB Rn. 24).
2. Sachschäden a) Sachbegriff. Bis zur Fassung 2002 haben die AHB-Musterbedingungen den Begriff des Sach- 18 schadens definiert als Schadensereignis, das „die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen zur Folge hatte“. Seither verzichtet der Musterbedingungsgeber – wie bei den Personenschäden – auf eine Definition. Von einem Sachschaden i.S.v. Ziff. 1.1. Satz 1 AHB lässt sich begrifflich nur sprechen, wenn der Schaden an einer „Sache“ eingetreten ist. Im Hinblick auf die in der Haftpflichtversicherung (sowohl vom VN als auch vom VR) angestrebte Kongruenz zwischen Haftung und Deckung27 ist ausgehend von dem Verständnis und der Interessenlage des (durchschnittlichen Haftpflicht-)VN, die sich am Wortlaut der Klausel und an deren Sinn und Zweck orientieren,28 die bürgerlich-rechtliche Definition der Sache gem. § 90 BGB für die Auslegung der AHB maßgebend.29
23 BGH 12.11.1952 – IV ZB 93/52, BGHZ 8 23, 24; BGH 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54 45, 48; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 26; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 134 f.; Littbarski AHB § 1 Rn. 16; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 36 und 91. 24 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 30. 25 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 138. 26 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 36; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 27; Littbarski AHB § 1 AHB Rn. 19; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 36; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 138, der den „Schmerzensgeldanspruch“ nicht als Personenfolgeschaden, sondern als Personenschaden qualifiziert. § 253 BGB begründet jedoch keinen Anspruch, sondern bestimmt den Haftungsumfang (vgl. MüKoBGB/Oetker § 253 Rn. 15 f.). 27 Vgl. OLG München 27.5.1998 – 15 U 5947/97, RuS 1999 146, 147. 28 Vgl. BGH 18.6.2008 – IV ZR 87/07, RuS 2008 381 f.; BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, NJW 2007 2544, 2545; BGH 11.12.2002 – IV ZR 226/01, RuS 2003 149, 150; BGH 8.12.1999 – IV ZR 40/99, NJW 2000 1194, 1195 f.; OLG München 9.2.1999 – 11 W 3176–98, NJW-RR 1999 1303, 1304; BGH 23.6.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123 83, 85; BGH 18.3.1992 – IV ZR 87/91, NJW-RR 1992 793 f.; BGH 5.2.1992 – IV ZR 94/91, NJW 1992 1511, 1512; BGH 26.3.1986 – IVa ZR 86/84, NJW-RR 1986 900, 901. 29 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 29; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 143; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 31; Wussow § 1 Anm. 34; weitergehend Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 73, der aus der Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs die Sacheigenschaft bei körperlichen, aber nicht beherrschbaren Sachen herleiten will (bezogen auf Gewässerschäden); wohl auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 28. 41
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Sachen im bürgerlich-rechtlichen Sinne sind abgrenzbare und beherrschbare körperliche Gegenstände.30 Ohne Bedeutung ist der Aggregatzustand, sodass auch Gas und Wasser unter den Sachbegriff fallen, sofern sie in einem Raume, Behälter oder einem geschlossenen (Leitungs-)Wassersystem (z.B. Stausee, Teich) abgegrenzt (und deshalb beherrschbar) sind.31 Keine Sachqualität weist deshalb Grundwasser auf (soweit es sich nicht in abgeschlossenen Grundwasserseen befindet32).33 Zur Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht für unmittelbare oder mittelbare Folgen von Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit eines Gewässers einschließlich des Grundwassers s. Ziff. 7.10 BBR BHV. Der menschliche Leichnam ist als Sache anzusehen.34 Vom lebenden Körper abgeschnitte20 ne Haare und gezogene Zähne haben ebenso wie herausoperierte Gallensteine, gespendetes Blut, Gewebe oder zur Transplantation entnommene Organe Sachqualität.35 Künstliche Körperteile verlieren mit der Einfügung in den menschlichen Körper ihre Sacheigenschaft.36 Ebenso soll die Vernichtung zum Zwecke späterer Verwendung tiefgekühlten Spermas einen Personenschaden begründen.37 Elektrizität ist keine Sache im bürgerlich-rechtlichen Sinne, da sie keine körperliche Exis21 tenz hat.38 Tiere sind weder nach dem Gesetz (§ 90a Satz 1 BGB) noch nach der Verkehrsanschauung als Sachen anzusehen. Nach § 90a Satz 3 BGB finden auf sie die für Sachen geltenden Vorschriften jedoch entsprechend Anwendung. Deshalb liegt ein Sachschaden auch dann vor, wenn ein (anderes) Tier verletzt wird.39 Im Hinblick auf die durch die Haftpflichtversicherung angestrebte Kongruenz von Haftung und Deckung sind sie versicherungsrechtlich deshalb als Sache zu qualifizieren.40 Dies gilt auch für herrenlose Tiere (Wild).41 Umstritten ist die Einordnung von Daten und Programmen. Für deren Qualifikation als 22 Sachen i.S.d. § 90 BGB spricht, dass die danach vorausgesetzte Körperlichkeit nach der Verkehrsanschauung nur sinnliche Wahrnehmbarkeit und Beherrschbarkeit des Gegenstandes verlangt,42 mögen diese auch erst durch eine technische Einrichtung ermöglicht werden.43 Beide Voraussetzungen sind bezüglich solcher Daten und Programme gegeben, die auf einem Datenträger gespeichert sind.44 Der Anwender kann sie mit Hilfe des Bildschirms, der Tastatur oder der Maus abrufen, bearbeiten, speichern, löschen oder per E-Mail versenden. Nur solchen Daten und Programmen, die bei Ausfall der Energiezufuhr (Strom, Akku) oder bei einem Programmab19
30 Vgl. auch BGH 14.7.1993 – VIII ZR 147/92, NJW 1993 2436, 2437; OLG Hamm 5.10.2012 – 20 U 55/10, BeckRS 2012 23275; OLG München 14.11.1966 – 12 U 1738, 1739/65, NJW 1967 1326, 1328. 31 Vgl. KG 29.10.2010 – 6 U 204/09, NJW-RR 2011 468, 469; OLG Brandenburg 19.12.2001 – 3 U 44/01, RdE 2004 20, 23; MüKoBGB/Stresemann § 90 Rn. 9; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 143, 147. 32 BGH 22.12.1976 – III ZR 62/74, BGHZ 69 1, 3 ff. = NJW 1977 1770. 33 Vgl. OLG Hamm 5.10.2012 – 20 U 55/10, RuS 2013 68, 69 = BeckRS 2012 23275; LG Berlin 23.10.2001 – 7 O 285/ 01, RuS 2003 234, 236. 34 H.M., vgl. Staudinger/Stieper (2021) § 90 Rn. 39; Grüneberg/Ellenberger Üb. vor § 90 Rn. 11; Erman/Schmidt § 90 Rn. 6; a.A. MüKoBGB/Stresemann § 90 Rn. 19; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 35. 35 Vgl. BGH 9.11.1993 – VI ZR 62/93, NJW 1994 127; Staudinger/Stieper (2021) § 90 Rn. 29; MüKoBGB/Stresemann § 90 Rn. 26; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 34. 36 H.M., vgl. Staudinger/Stieper (2021) § 90 Rn. 35; MüKoBGB/Stresemann § 90 Rn. 28; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 147; a.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 34. 37 BGH 9.11.1993 – VI ZR 62/93, NJW 1994 127; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 136. 38 BGH 8.7.1981 – VIII ZR 222/80, NJW 1982 930, 931 f.; BGH 10.11.1960 – VIII ZR 167/59, NJW 1961 453, 455; RG 16.12.1907 – VI 106/07, RGZ 67 229, 232; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 146. 39 Vgl. BGH 24.4.2018 – VI ZR 25/17, RuS 2019 48 Rn. 9. 40 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 35; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 29; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 146. 41 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 146; a.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 35. 42 Vgl. RG 2.6.1915 – V 19/15, RGZ 87 43, 45; Staudinger/Stieper (2021) Vorbem zu §§ 90 ff Rn. 9 und § 90 Rn. 1; BeckOGK/Mössner BGB § 90 Rn. 58; BeckOK BGB/Fritzsche § 90 Rn. 5 ff.; MüKoBGB/Holch § 90 Rn. 8. 43 MüKoBGB/Holch § 90 Rn. 8. 44 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 40; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 44. Koch
42
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
sturz (abnormal program termination) verloren gehen, weil sie noch nicht durch die automatische Sicherung gespeichert sind, ist deshalb die Sachqualität abzusprechen. Der Musterbedingungsgeber hat die Unsicherheit über die Qualifikation seit der AHB-Neufassung 2004 insoweit beseitigt, als es um die Haftpflichtrisiken aus dem elektronischen Datenaustausch geht (vgl. Ziff. 7.15 AHB).
b) Vorliegen eines Sachschadens. Bei dem Begriff des Sachschadens handelt es sich nicht 23 um einen festumrissenen Begriff der Rechtssprache. Nach der Rechtsprechung zu § 1 Ziff. 1 AHB a.F. liegt ein Sachschaden immer dann vor, wenn auf die Substanz einer bereits bestehenden Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch die Brauchbarkeit zur Erfüllung des ihr eigentümlichen Zwecks wirtschaftlich beeinträchtigt wird.45 Eine Verletzung der Sachsubstanz selbst ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht eine körperliche Einwirkung ohne eine solche aus.46 Damit unterscheidet sich der deckungsrechtliche Begriff des Sachschadens i.S.v. § 1 Ziff. 1 AHB a.F. von der für das Haftungsrecht maßgebenden Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB und der Sachbeschädigung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdhaftG und § 1 Abs. 1 HaftPflG vor allem darin, dass letztere auch die Beeinträchtigung des Rechts an einer Sache oder deren Nutzungsmöglichkeit umfassen, ohne dass es darauf ankommt, ob eine körperliche Einwirkung auf die Sachsubstanz stattgefunden hat.47 Ausreichend für die Annahme einer Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ist bereits 24 die Beeinträchtigung des Eigentümers in dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache, wenn und soweit sich die Beeinträchtigung auf die Benutzbarkeit der Sache und nicht nur auf die Dispositionsmöglichkeit des Eigentümers auswirkt, m.a.W. der bestimmungsgemäße Gebrauch der Sache unmittelbar entzogen wird und nicht lediglich eine vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit vorliegt.48 Der BGH hat eine Gebrauchsbeeinträchtigung im vorgenannten Sinn bejaht für ein Schiff, das durch ein Schifffahrtshindernis derart in einem Kanal eingeschlossen war, dass es jede Bewegungsmöglichkeit verlor, eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des ausgesperrten Schiffs dagegen verneint.49 Ferner hat er eine Eigentumsverletzung angenommen bei einer mehrtätigen Blockade von Baumaschinen50 und bei der polizeilichen Absperrung eines Betriebsgrundstücks wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Explosionsgefahr.51 Auch im Rahmen der Haftung nach § 1 ProdHaftG, die keine Eigentumsverletzung voraus- 25 setzt, sondern die Beschädigung einer Sache, hat der BGH festgestellt, dass die Sachbeschädigung
45 Vgl. BGH 21.9.1983 – IVa ZR 154/81, VersR 1983 1169 f.; BGH 27.6.1979 – IV ZR 174/77, VersR 1979 853, 854; BGH 14.4.1976 – IV ZR 60/75, VersR 1976 629, 631; BGH 28.5.1969 – IV ZR 615/68, VersR 1969 726; BGH 26.1.1961 – II ZR 218/58, VersR 1961 265, 266; BGH 24.10.1960 – II ZR 142/58, NJW 1961 269 f.; OLG Hamm 11.11.1992 – 20 U 133/92, VersR 1993 823; OLG Saarbrücken 29.11.1995 – 5 U 300/95-20, VersR 1996 1356, 1357; OLG Hamm 3.5.1989 – 20 U 297/88, RuS 1989 334, 335; OLG Hamm 21.5.1976 – 20 U 220/75, VersR 1978 28, 29. 46 BGH 27.6.1979 – IV ZR 174/77, VersR 1979 853, 854 f.; OLG Hamm 11.11.1992 – 20 U 133/92, VersR 1993 823; OLG Hamm 21.5.1976 – 20 U 220/75, VersR 1978 28; Späte § 1 Rn. 55 ff.; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 1 AHB Rn. 12; Littbarski AHB § 1 Rn. 18. 47 Vgl. Thürmann/Kettler/Thürmann 55 ff. 48 Vgl. BGH 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55 153, 159 f. – Fleet-Fall; BGH 31.10.1974 – III ZR 85/73, BGHZ 63 203, 207 – Kfz-Papiere; vgl. auch Staudinger/Hager (2017) § 823 Rn. B 96 ff.; MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 274 ff.; MüKoBGB/Mertens3 § 823 Rn. 113 ff.; Möschel JuS 1977 1, 2 f.; Grunewald JZ 1987 1098, 1100; Franzen JZ 1999 702, 707 f. 49 Vgl. BGH 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55 153, 159 – Fleet-Fall. 50 Vgl. BGH 4.11.1997 – VI ZR 348/96, BGHZ 137 89, 97 f. 51 Vgl. BGH 21.6.1977 – VI ZR 58/76, NJW 1977 2264 ff. 43
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
„nicht eine Substanzveränderung im physikalischen Sinne voraus[setze]. Es genügt hierfür ebenso wie für die Erfüllung des in § 303 StGB aufgenommenen Straftatbestandes der Sachbeschädigung (…) und der Haftungsvoraussetzung der Beschädigung einer Sache in § 1 ProdHaftG eine Einwirkung auf die Sache, durch die ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird.“52
Gleiches gilt für das Vorliegen einer Sachbeschädigung i.S.v. § 1 Abs. 1 HaftPflG.53 26 Die Neufassung des Ziff. 1.1 AHB verzichtet – wie beim Personenschaden – auf die Definition des Begriffs des Sachschadens. Damit stellt sich die Frage, ob nicht der Begriff der Eigentumsverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB/Sachbeschädigung i.S.v. § 1 Abs. 1 ProdHaftG und § 1 Abs. 1 HaftPflG zur Auslegung dieses Begriffs herangezogen werden kann.54 Diese Frage ist im Hinblick auf die in der Haftpflichtversicherung angestrebte Kongruenz zwischen Haftung und Deckung zu bejahen. Die Verschlechterung der Gebrauchstauglichkeit reicht deshalb für die Annahme eines Sachschadens aus, ohne dass es einer Einwirkung körperlicher Art bedarf.55 Der Begriff des Sachschadens umfasst somit nicht nur Beeinträchtigungen der Sachsubstanz,56 sondern auch nicht unerhebliche Beeinträchtigungen der bestimmungsgemäßen Nutzung.57 27 Die Differenzierung zwischen Eigentumsverletzung und Sachschaden ist – abgesehen vom Abhandenkommen – nur insoweit noch von Bedeutung, als es für die Deckung keine Rolle spielt, ob der Geschädigte Eigentümer der beschädigten oder zerstörten Sache ist (oder war).58 Versicherungsschutz besteht deshalb auch für die Ansprüche von Inhabern beschränkt dinglicher Rechte oder von Anwartschaftsrechten sowie für die Ansprüche von rechtmäßigen Besitzern.
c) Einzelfragen zur Qualifikation als Sachschaden 28 aa) Lieferung oder Herstellung mangelhafter Ware. Die Lieferung oder Herstellung mangelhafter Ware stellt keinen Sachschaden i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB dar. Eine Eigentumsverletzung/ein Sachschaden scheidet aus, weil der Erwerber zu keiner Zeit mangelfreies Eigentum an der Sache hatte.59 Soweit die Verwendung der fehlerhaften Sache Schäden an anderen Sachen verursacht, besteht für die daraus resultierenden vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüche Deckung. Bloße Umbaukosten als Folge fehlerhafter Lieferung/Herstellung stel-
52 Vgl. BGH 6.12.1994 – VI ZR 229/93, NJW-RR 1995 342, 343. 53 Vgl. LG Cottbus 3.5.2016 – 2 O 209/15, RdTW 2016 458, 460; Filthaut/Piontek/Kayser/Piontek HPflG § 1 Rn. 132; BeckOGK/M. Vogeler HPflG § 1 Rn. 10. 54 Ablehnend Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 29, der auf § 303 StGB als Bezugsnorm zurückgreifen will; für einen Rückgriff auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 155 ff. 55 Vgl. OLG Düsseldorf 19.10.2018 – I-4 U 10/18, VersR 2019 475, 477 f.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 153; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 22; Stockmeier AVB PHV A1-3 Rn. 32. 56 OLG Hamm 18.11.2016 – 20 U 48/16, VersR 2017 811, 813. 57 Vgl. BGH 31.3.1998 – VI ZR 109/97, NJW 1998 1942, 1943; BGH 7.12.1993 – VI ZR 74/93, NJW 1994 517, 518; OLG Düsseldorf 19.10.2018 – I-4 U 10/18, VersR 2019 475, 477 f.; MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 186 und § 1 ProdHaftG Rn. 6; Staudinger/Oechsler (2018) § 1 ProdHaftG Rn. 8. 58 Vgl. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 179 f.; Littbarski AHB § 1 Rn. 22. 59 Vgl. zum Begriff des Sachschadens i.S.d. AHB BGH 29.9.2004 – IV ZR 162/02, RuS 2004 499, 500 = VersR 2005 110 f.; BGH 27.6.1979 – IV ZR 174/77, VersR 1979 853, 854; BGH 14.4.1976 – IV ZR 60/75, VersR 1976 629, 631; OLG Karlsruhe 15.1.2009 – 12 U 197/08, NJOZ 2009 1934, 1936; OLG Düsseldorf 3.3.1998 – 4 U 36/97, RuS 1999 18, 19; OLG Saarbrücken 29.11.1995 – 5 U 300/95-20, VersR 1996 1356, 1357; OLG Hamm 21.4.1989 – 20 U 279/88, VersR 1990 376, 377; ÖOGH 17.10.2007 – 7 Ob 147/07d, VersR 2008 1671; ÖOGH 24.3.1988 – 7 Ob 9/88, VersR 1989 423 f.; ÖOGH 3.2.1977 – 7 Ob 5/77, VersR 1978 477; zur Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 BGB s. BGH 27.1.2005 – VII ZR 158/03, NJW 2005 1423, 1425; BGH 12.12.2000 – VI ZR 242/99, NJW 2001 1346, 1347; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 31; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 23; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 200; Stockmeier AVB PHV A1-3 Rn. 37. Koch
44
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
len dagegen einen nicht versicherten (reinen) Vermögensschaden dar.60 Eine Eigentumsverletzung61/Sachbeschädigung kann auch darin liegen, dass mit einer Infektion einzelner Rinder eines größeren Viehbestandes und der hieraus folgenden Aufhebung der Zuchtvieheigenschaft eine auf jedes einzelne Tier des Bestandes sich auswirkende Wertminderung eintritt.62
bb) Qualifizierung von sog. „Weiterfresserschäden“. Von der Lieferung oder Herstellung 29 einer mangelhaften Sache sind die sog. „Weiterfresserschäden“ abzugrenzen. Hierbei handelt es sich um die Fälle, in denen bei einem aus mehreren Einzelteilen bestehenden Erzeugnis – einer zusammengesetzten Sache – ein funktionell abgrenzbares Einzelteil mit einem Mangel behaftet ist, der nach einer gewissen Zeit zur Beschädigung oder Zerstörung der zusammengesetzten Sache oder Teilen dieser Gesamtsache führt. Die Rechtsprechung bejaht in solchen Konstellationen eine Eigentumsverletzung an der Restsache, sofern nicht der Mangelunwert der Sache bei Eigentumsübergang und der später eingetretene Schaden „stoffgleich“ sind.63 Da nach hier vertretener Ansicht der Schutzbereich des Sachschadens nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB – mit Ausnahme des Abhandenkommens – nicht anders zu bestimmen ist als derjenige der Eigentumsverletzung in § 823 Abs. 1 BGB, stellt sich die Beeinträchtigung der Restsache durch weiterfressende Mängel grundsätzlich auch als Sachschaden i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB dar.64 Weiterfresserschäden sind auch bei der Erbringung von Werkleistungen möglich, etwa 30 wenn spätere mangelhafte Leistungsteile solche vorangehenden Leistungsteile schädigen, die schon mangelfrei in das Eigentum des Bestellers übergegangen waren.65 Auch hier bemüht die Rechtsprechung das Kriterium der Stoffgleichheit zur Feststellung eines Sachschadens/einer Eigentumsverletzung. Stoffgleichheit liegt vor, „wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz begehrt wird, ergreift, etwa weil die Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar war. Hierher gehören auch die Fälle, bei denen eine Beseitigung des (wenn auch nur einem Teil der Sache anhaftenden) Fehlers technisch nicht möglich ist; eine gleiche Beurteilung greift dann Platz, wenn ein Mangel nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise behoben werden kann. Ist hingegen der Mangel zunächst nur auf einen Teil der Sache beschränkt und entsprechend den genannten Grundsätzen behebbar und führt er erst später zu einer Zerstörung der Sache oder zur Beschädigung anderer Teile derselben, dann hat der von dem Fehler zunächst nicht erfasste Teil der Sache einen eigenen Wert; der Mangelunwert deckt sich dann nicht mit dem Schaden.“66
Für Weiterfresserschäden besteht jedoch innerhalb von Vertragsbeziehungen kein Versicherungsschutz, weil diese auch als Schadensersatz statt der Leistung ersatzfähig sind (vgl. Rn. 45). Außerhalb von Vertragsbeziehungen besteht gem. Ziff. 7.8 S. 2 AHB (Ziff. 7.8 AHB Rn. 297 ff.) kein Versicherungsschutz. 60 61 62 63
BGH 29.9.2004 – IV ZR 162/02, RuS 2004 499, 500 = VersR 2005 110 f. Vgl. BGH 25.10.1988 – VI ZR 344/87, NJW 1989 707, 708. OLG Celle 6.2.1961 – 1 U 155/60, VersR 1962 1050, 1051 (Verseuchung mit Brucellose). St. Rspr., BGH 12.12.2000 – VI ZR 242/99, NJW 2001 1346, 1347; BGH 3.2.1998 – X ZR 27/96, NJW 1998 2282, 2283 f.; BGH 14.5.1985 – VI ZR 168/83, NJW 1985 2420 f; BGH 18.1.1983 – VI ZR 310/79, BGHZ 86 256, 259 ff. = NJW 1983 812. 64 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 32; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 204; Stockmeier AVB PHV A1-3 Rn. 37; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 1 Rn. 36; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 34; Wandt FS Schirmer 629; Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.174; Thürmann/Kettler/Thürmann 51 f.; MAH VersR/ Stempfle § 15 Rn. 67 (bezogen auf Ziff. 1.1 ProdHM); vgl. auch Littbarski AHB § 1 Rn. 29, § 4 Rn. 506 ff. 65 Vgl. nur BGH 27.1.2005 – VII ZR 158/03, BGHZ 162 86, 93 = NZBau 2005 287; Staudinger/Peters (2019) § 634 Rn. 168; MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 294, 297; vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 210. 66 BGH 23.2.2021 – VI ZR 21/20, NJW 2021 1883 Rn. 16. 45
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
31 cc) Produktionsschäden. Von der Fallgruppe der „Weiterfresserschäden“ sind wiederum die Sachverhalte abzugrenzen, in denen im Rahmen des Herstellungsprozesses einwandfreie Sachen mit fehlerhaften Sachen verbunden, vermischt oder be-/verarbeitet werden. In solchen Fällen liegt haftungsrechtlich eine Eigentumsverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB und deckungsrechtlich ein Sachschaden i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB67 an jenen Einzelteilen vor, die zuvor unversehrt im Eigentum des Herstellers der Gesamtsache standen, soweit sie durch ihr unauflösliches Zusammenfügen mit fehlerhaften Teilen des Zulieferers nicht nur in ihrer Verwendbarkeit, sondern erheblich in ihrem Wert beeinträchtigt oder gar wertlos geworden sind.68 Daneben ist eine Eigentumsverletzung/ein Sachschaden an den zuvor unversehrten Teilen des Herstellers zu bejahen, wenn der Ausbau der defekten Teile zur Beschädigung oder Zerstörung der zuvor unversehrten Teile führt.69
32 dd) Bearbeitungs-/Reparaturschäden. Ein Sachschaden liegt ferner vor, wenn eine zur Reparatur oder sonstigen Bearbeitung gegebene Sache durch die Werkleistung in Integrität und Wert gemindert wird.70 Schäden, die im Rahmen der Nacherfüllung in Form der Nachbesserung an anderen Sachen (etwa ein durch den Wassereintritt zu Schaden gekommenes Baugerät) oder an einem anderen Gewerk71 bei Gelegenheit entstanden sind, stellen ebenfalls einen Sachschaden dar (Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.w.S.).72 Gleiches gilt, wenn der im Rahmen der Ersatzlieferung (Kaufvertrag) oder Neuherstellung (Werkvertrag) erforderliche Ausbau der defekten Sache zwangsläufig zu einer Beschädigung anderer Sachen führt. Bei solchen Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.e.S. haftet der VN in seiner Eigenschaft als Verkäufer/Werkunternehmer allerdings mangels Rechtswidrigkeit nicht wegen einer Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB, sondern auf Schadensersatz statt der Leistung. Für diesen Schaden besteht deshalb kein Versicherungsschutz (Rn. 48). Bei Bearbeitungs-/Reparaturschäden, die nicht zwangsläufig mit Nacherfüllung entstehen, kommt regelmäßig der Ausschluss gemäß Ziff. 7.7 AHB (Ziff. 7.7 AHB Rn. 257) zum Tragen (soweit er nicht abbedungen worden ist).
33 ee) Abgrenzung der Sachschadensdeckung zur Mitversicherung von Schäden durch Abhandenkommen. Aus Ziff. 2.2 AHB folgt, dass das Abhandenkommen (hierzu Ziff. 2 AHB Rn. 19 ff.) von Sachen nach dem Willen des Bedingungsgebers nicht als Sachschaden i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB anzusehen ist. Es gilt jedoch zu beachten, dass zur Bestimmung des Sachschadenbegriffs auf die Auslegung der Begriffe Vermögensschaden und Abhandenkommen nicht zurückgegriffen werden kann, weil für Sachschäden nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB grundsätzlich immer – für Ansprüche wegen Vermögensschäden und Abhandenkommen dagegen gem. Ziff. 2 AHB nur bei besonderer Vereinbarung – Deckung besteht. Der Begriff des Sachschadens muss deshalb eigenständig aus sich selbst heraus bestimmt werden, was im Verhältnis zum Vermögensschaden auch durch dessen negative Abgrenzung in Ziff. 2.1 AHB deutlich wird. Gleiches gilt für das Abhandenkommen. Nicht nur aus dem für den VN erkennbaren Willen des VR, sondern auch aus dem Sinnzusammenhang zwischen Ziff. 1.1 Satz 1 und Ziff. 2.2 AHB wird klar,
67 Vgl. MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 290; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 216 ff.0; Wussow § 1 Rn. 45; Krause NVersZ 2001 103, 107; Thürmann PHI 2000 163, 169; differenzierend Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.550. 68 Vgl. BGH 31.3.1998 – VI ZR 109/97, NJW 1998 1942, 1943 – Transistor. 69 Vgl. BGH 12.2.1992 – VIII ZR 276/90, BGHZ 117 183, 188 = VersR 1992, 837, 838 – Kondensator; Staudinger/Peters (2019) § 634 Rn. 166; Thürmann/Kettler/Thürmann 54 f.; Späte § 1 Rn. 71; Schmidt-Salzer/Hinsch/Thürmann Rn. 7.550. 70 MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 292; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 215, 231; Staudinger/Peters (2019) § 634 Rn. 167. 71 Vgl. BGH 20.9.1962 – II ZR 171/61, NJW 1962 2106 f. 72 Vgl. BGH 16.6.2010 – IV ZR 92/09, RuS 2011 284, 286; BGH 20.11.1990 – IV ZR 229/89, RuS 1991 83; OLG Karlsruhe 15.1.2009 – 12 U 197/08, NJOZ 2009 1934, 1936. Koch
46
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
dass der Begriff des Sachschadens inhaltlich nicht mithilfe des Begriffs des Abhandenkommens bestimmt werden kann. Vielmehr gilt umgekehrt, dass Schäden durch Abhandenkommen i.S.v. Ziff. 2.2. nur bejaht werden können, wenn kein Sachschaden i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB vorliegt. Ein Sachschaden i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ist stets gegeben, wenn die Sache mit dem Ab- 34 handenkommen zugleich vernichtet oder danach zerstört oder beschädigt wird.73 Hierzu folgende Beispiele: Werden Eltern wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht verantwortlich gemacht (§ 832 BGB), genießen sie keinen Versicherungsschutz, wenn ihre Kinder etwas gestohlen haben. Deckung besteht jedoch, wenn die Kinder die gestohlenen Sachen vernichtet haben.74 Treibt der VN irrig eine fremde Herde von der Weide und lässt sie schlachten, besteht für die Haftpflichtansprüche wegen des Schlachtens der Tiere Versicherungsschutz.75 Darüber hinaus liegt ein Sachschaden i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB nach herrschender Ansicht 35 auch dann vor, wenn eine Sache in ihrer Substanz und ihrer Funktionsfähigkeit zwar unbeeinträchtigt bleibt, jedoch dem Berechtigten endgültig entzogen wird, weil sie mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln nicht wiedererlangt werden kann.76 Mit dieser Begründung hat die Rechtsprechung einen Sachschaden angenommen hinsichtlich einer Taucherausrüstung, die über Bord gegangen und deren kurzfristige Bergung infolge der Wassertiefe nicht möglich war, so dass mit ihrer baldigen Zerstörung durch Salzwasser zu rechnen war,77 und einer Uhr, die im Wasser des Hafens von Martinique versank.78 Die Rechtsprechung stellt das Abhandenkommen einer Vernichtung – und damit einem Sachschaden – auch dann gleich, wenn „eine Wiedererlangung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist“.79 Dies ist der Fall, wenn ein Gemälde irrig mit einem Bündel Altpapier in den Papiercontainer der öffentlichen Müllabfuhr geworfen wird,80 eine Kette nach einem Zusammenprall und Sturz im Tiefschnee verlorengeht,81 eine Zahnprothese versehentlich die Toilette herunter gespült wird82 oder eine Hirschkuh in den Wald entkommt und auch nach mehr als 18 Monaten nicht wieder aufgefunden worden ist.83 In nahezu allen vorstehend aufgeführten Fällen lässt sich eine der Eigentumsverletzung 36 gleichstehende Sachbeschädigung mit der Begründung bejahen, dass dem Berechtigten der bestimmungsgemäße Gebrauch der Sache dauerhaft entzogen worden ist.84 Für die Abgrenzung zwischen stets versichertem Sachschaden und nur durch besondere Vereinbarung versicherbaren Schäden durch Abhandenkommen ist mit dieser Feststellung jedoch nichts gewonnen, weil
73 Vgl. BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499; KG 29.10.2010 – 6 U 204/09, NJW-RR 2011 468, 469; OLG München 27.11.1979 – 5 U 2653/79, VersR 1980 1138, 1139; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 5; Späte § 1 Rn. 120; Wussow AHB 1. 60; Kuwert Rn. 1061; Rüffer/Halbach/Schimikowski//Schimikowski AHB Ziff. 1 Rn. 35 und Ziff. 2 Rn. 14. 74 RG 8.3.1940 DR 1940 988, 989. 75 BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499. 76 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 44; Rüffer/Halbach/Schimikowski//Schimikowski AHB Ziff. 1 Rn. 16; Späte § 1 Rn. 124; a.A. Kuwert Rn. 1060. 77 Vgl. LG Passau 14.3.2000 – 3 S 256/99, NVersZ 2000 396, 397. 78 OLG Karlsruhe 19.10.1995 – 12 U 91/95, RuS 1996 302. 79 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 25; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 43; ablehnend Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 50. 80 Vgl. LG Berlin 29.10.2002 – 7 S 24/02, NJW-RR 2003 460, 461. 81 OLG München 27.11.1979 – 5 U 2653/79, VersR 1980 1138, 1139. 82 LG Paderborn 7.3.1991 – 1 S 381/90, NJW-RR 1991 1182, 1183; a.A. AG Limburg 28.9.1989 – 4 C 885/89, zfs 1990 65: kein Sachschaden, wenn ein Kleinkind einen Brillantring in eine Klosettschüssel wirft und er daraufhin in die Kanalisation gelangt. 83 AG Neuwied 24.4.1986 – 4 C 2252/85, RuS 1986 202, 203; Späte § 1 Rn. 124; a.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 8; Rn. 6; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 2 Rn. 48. 84 A.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 50. 47
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
jede Art des Abhandenkommens i.S.v. § 935 Abs. 1 BGB (unfreiwilliger Besitzverlust)85 sich als eine der Eigentumsverletzung gleichstehende Sachbeschädigung qualifizieren lässt. 37 Betrachtet man die Beispiele aus der Rechtsprechung, so sind diese dadurch gekennzeichnet, dass die Sachen verloren gingen und besitzlos i.S.v. § 856 BGB wurden (und deshalb bei Wiederauffinden durch einen anderen als den Verlierer als Fundsache i.S.d. §§ 965 ff. BGB zu qualifizieren gewesen wären). Im Hinblick auf die in § 935 Abs. 1 BGB für abhandengekommene Sachen getroffene Unterscheidung zwischen „gestohlenen“, „verloren gegangenen“ oder „sonst abhanden gekommenen“ Sachen, ist somit nur der Verlust des Besitzes von Sachen durch Zufall, also gegen den Willen des Berechtigten und ohne eine hierauf gerichtete Tätigkeit eines anderen, als Sachschaden einzuordnen. Die Fälle, in denen der VN dafür in Anspruch genommen wird, dass die Sachen gestohlen oder sonstwie abhanden gekommen sind, sind dagegen nicht als Sachschaden, sondern als Schäden durch Abhandenkommen i.S.v. Ziff. 2.2 AHB einzuordnen, für die nur bei entsprechender Vereinbarung Deckung besteht. 38 Umstritten ist, ob ein Sachschaden vorliegt, wenn wegen Verlust eines Schlüssels Schlösser oder eine ganze Schlüsselanlage ausgewechselt werden müssen. Die Instanzgerichte86 und die ganz überwiegende Literatur87 verneinen einen Sachschaden mit der Begründung, die Gebrauchstauglichkeit der Hausschließanlage sei weder gemindert noch aufgehoben worden. Diese Überlegung verdient zwar Zustimmung, trifft aber nicht den Kern, weil entscheidend ist, ob der Verlust der Schlüssel einem Sachschaden an den Schlüsseln gleichkommt. Eine Beschädigung oder Zerstörung des Schlüssels wird nur selten vorliegen. Dagegen dürfte eine wirtschaftliche Entwertung jedoch oftmals gegeben sein, weil eine Wiedererlangung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist oder nur mit wirtschaftlich unvertretbarem Aufwand möglich wäre.88 In A1-6.4 AVB BHV besteht nunmehr ausdrücklich Deckung für die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen des Abhandenkommens fremder mechanischer oder elektronischer Schlüssel für Gebäude und Räume. Der Versicherungsschutz beschränkt sich auf die Inanspruchnahme des VN für die Kosten des Auswechselns oder Programmierens von Schlössern und Schließanlagen sowie für vorübergehende Sicherungsmaßnahmen (Notschloss) und einen Objektschutz.
39 ff) Beschädigung eigener Sachen des Versicherungsnehmers. Nach dem Wortlaut von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ist nicht erforderlich, dass der Schaden an einer für den VN fremden Sache eingetreten ist. Die Sache kann auch dem VN selbst gehören.89 Ansprüche des zum Besitz der Sache Berechtigten wegen Beschädigung der Sache gegen den VN fallen deshalb grundsätzlich unter Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. In der Regel wird dem VN jedoch kein Versicherungsschutz zustehen. Der Anspruch des Besitzers wird, soweit er sich aus Vertrag ergibt, das nicht versicherte Äquivalenzinteresse betreffen, z.B. wenn der Mieter vom Vermieter Ersatz für die Beseitigung von Mängeln der Mietsache nach § 536a Abs. 2 BGB fordert.90 Ausnahmen sind denkbar, etwa wenn der VN einem Dritten eine wertvolle Maschine unter Eigentumsvorbehalt liefert und diese bei einem späteren Besuch fahrlässig beschädigt. Bedenkenswert scheint ferner der Fall, dass der VN dem Dritten Geschäftsräume vermietet mit der Auflage, diese zu Mietbeginn zu renovieren und ständig
85 Vgl. nur BGH 13.12.2013 – V ZR 58/13, NJW 2014 1524 Rn. 8 m.w.N. 86 LG Heidelberg 18.2.1975 – O 245/74 KfH I, RuS 1975 70 f.; AG Bremen 4.10.1991 – 14 C 196/91, VersR 1992 1257; AG Hamburg 13.5.1993 – 22a C 402/93, RuS 1994 250 f.; a.A. OLG Karlsruhe 12.11.1975 – 12 U 49/75, RuS 1976 6 f. (Rechtsmittelinstanz zu RuS 1975 70). 87 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 2 AHB Rn. 61; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 45; Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Schimikowski AHB Ziff. 2 Rn. 16. 88 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 7; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 2 AHB Rn. 61 f. 89 OLG Frankfurt 29.10.1981 – 16 U 46/81, VersR 1982 790; ÖOGH 17.2.1977 – 7 Ob 1/77, VersR 1978 456; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 26. 90 Vgl. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 181. Koch
48
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
für einen ordnungsgemäßen Zustand zu sorgen. Wenn hier der VN schuldhaft die Innendekoration beschädigt, so kann der Dritte von ihm nicht den vertragsgemäßen Zustand als „Erfüllungsleistung“ verlangen (da ein solcher nicht geschuldet wird), sondern lediglich Schadensersatz neben der Leistung aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB oder aus § 823 Abs. 1 BGB. Für einen solchen Anspruch besteht Deckung.91 Wichtiger und bedeutsamer sind daneben die Fälle, in denen gegen den VN wegen des 40 eigentlichen Sachschadens kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann, wohl aber wegen der sich daraus ergebenden Folgen. Als Beispiel ist der Fall zu nennen, dass ein Dritter einen Vermögensnachteil durch den Brand von Sachen des VN erleidet, weil er z.B. eine wichtige Besprechung verpasst. Dieser unechte Vermögensschaden ist gedeckt.92
gg) Flora und Fauna. Bei Pflanzen und Tieren liegt eine Sachbeschädigung vor, wenn deren 41 zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch die Brauchbarkeit zur Erfüllung des ihr eigentümlichen Zwecks wirtschaftlich beeinträchtigt wird. Kommt es aufgrund eines mangelhaften Ausdruschs zu einem Weizenaufwuchs, nachdem das Stroh auf Erdbeerfelder verteilt worden ist, und führt dies dazu, dass die Erdbeerpflanzen nicht bestimmungsgemäß aufwachsen und die Früchte nicht ausreifen können, so ist der durch den Ernteausfall entstandene Schaden als Sachschaden anzusehen.93 Ein Sachschaden liegt auch vor, wenn durch ungeeignete Blumenerde eine starke Wachstumshemmung bei Pflanzen eintritt94 oder ein Schädlingsbekämpfungsmittel wirkungslos ist und daraufhin die Pflanzen durch einen Schädlingsbefall geschädigt werden.95 Werden die von einem Stier des VN gedeckten weiblichen Kälber eines Dritten infolge einer 42 zu frühen Deckung für die Zucht untauglich, so liegt hierin ein Sachschaden.96 Eine Eigentumsverletzung und somit eine Sachbeschädigung liegt nach der Rechtsprechung auch beim ungewollten Decken eines weiblichen Tieres vor.97 Wird infolge der Verabreichung eines Antibiotikums die Gesundheit eines Tieres beeinträchtigt, so liegt darin noch keine Sachbeschädigung. Entgegen der Rechtsprechung98 genügt allein die Störung der Befindlichkeit der Tiere nicht aus, um eine der Sachbeschädigung gleichstehende Eigentumsverletzung anzunehmen. Erfolgt daraufhin ein behördliches Vermarktungsverbot, liegt dagegen eine Sachbeschädigung am gesamten davon betroffenen Bestand vor, wenn dieser nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet oder verwertet werden kann.99
91 A.A. Heimbücher VW 1967 531. 92 Vgl. OLG Karlsruhe 20.3.1957 – 1 U 147/56, VersR 1957 526; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 30; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 26.
93 OLG Hamm 11.11.1992 – 20 U 133/92, VersR 1993 823; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 191. 94 BGH 27.2.1992 –VI ZR 252/92, VersR 1993 1367. 95 Vgl. BGH 17.3.1981 – VI ZR 191/79, NJW 1981 1603 f.; BGH 17.3.1981 – VI ZR 286/78, NJW 1981 1606; vgl. auch OLG Rostock 20.7.2006 – 7 U 117/04, NJW 2006 3650. 96 OGH 18.1.1995 – 7 Ob 36/94, VersR 1995 1515; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 198. 97 BGH 6.7.1976 – VI ZR 177/75, BGHZ 67 129, 134 = NJW 1976 2130; OLG Hamm 7.2.1990 – 13 U 62/88, NJW-RR 1990 1052 f.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 198. 98 BGH 25.10.1988 – VI ZR 344/87, NJW 1989 707, 708: „Soweit die Forellen durch das CAP-haltige Futter mit diesem Antibiotikum kontaminiert waren, hatte sich ihre Befindlichkeit in einer Weise verändert, die ohne weiteres als Eigentumsverletzung angesehen werden kann.“; OLG Koblenz 3.11.2005 – 2 U 1487/04, VersR 2007 73: „Von einer Gesundheitsbeeinträchtigung oder Befindlichkeitsstörung kann nicht ausgegangen werden, wenn der gelieferte Futtermittelzusatz nicht geeignet war, eine BSE-Erkrankung der Kälber auszulösen und diese letztlich einer Schlachtung und bestimmungsgemäßen Verwertung zugeführt werden konnten.“. 99 BGH 25.10.1988 – VI ZR 344/87, NJW 1989 707, 708; OLG Koblenz 3.11.2005 – 2 U 1487/04, VersR 2007 73, 74; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 197. 49
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
V. Inanspruchnahme auf Schadensersatz aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts 1. Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmung a) Maßgeblichkeit des Normzwecks der Haftpflichtbestimmung 43 aa) Ausgleich des Integritätsinteresses als Normzweck. Versicherungsschutz besteht für Ansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen. Der Begriff der „gesetzlichen Haftpflichtbestimmung“ ist weder im BGB noch im VVG gesetzlich definiert. Jedoch ergibt sich aus dem für den VN erkennbaren Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung und aus dem Sinnzusammenhang mit Ziff. 1.2 AHB, dass es sich hierbei um solche Normen handelt, die unabhängig vom Willen der Beteiligten zum Ausgleich des Integritätsinteresses des Geschädigten den Ersatz von Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden als Rechtsfolge vorsehen (Einleitung Rn. 2).100 Treffend bemerkt der BGH in seinem Urteil aus dem Jahre 1964, dass „Versicherung gegen die Folgen eines Ungewissen, nicht mit Sicherheit vorauszusehenden Ereignisses schützen soll. Nichts weiß aber ein Schuldner sicherer und bestimmter, als daß er eine eingegangene Verpflichtung erfüllen muß (vgl. RGZ 86, 1; Oberbach, Allgemeine Versicherungs-Bedingungen für Haftpflichtversicherung I [1938], 92). Dies trifft auch noch für die unmittelbaren Rechtsfolgen zu, die bei nicht ordnungsmäßiger Erfüllung eintreten. Denn der Schuldner weiß auch, daß er einwandfrei erfüllen und eine schlechte Leistung nachbessern oder dafür Ersatz leisten muß. Sein dadurch unter Umständen höherer Leistungsaufwand ist nur die zwangsläufige Folge nicht gehöriger Erfüllung; sie ist vorauszusehen und vorauszuberechnen (vgl. Mahr, NeumannsZ 12, 60). Pfuscharbeit ist nicht versicherbar. Die sonst mögliche Abwälzung des Unternehmerrisikos auf den Versicherer wäre auch volkswirtschaftlich unerwünscht, weil hierdurch ein Anreiz zu nachlässigem Arbeiten gegeben würde.“101
44 Diese aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung folgenden Zusammenhänge sind auch für den nicht juristisch oder versicherungsrechtlich vorgebildeten VN verständlich. Der VN wird sich bei der Qualifikation einer Norm als gesetzliche Haftpflichtbestimmung i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB vor allem am Zweck der jeweiligen Anspruchsgrundlage orientieren und den Begriff nur auf solche Schäden beziehen, „die außerhalb der regelmäßigen Abwicklung eines Vertragsverhältnisses – einschließlich der zu vertretenden Leistungsstörungen – entstehen oder darüber hinausgehen“.102 Für die Einordnung als gesetzliche Haftpflichtbestimmung macht es im Übrigen keinen Un45 terschied, ob sie auf Gesetz, Verordnung oder Richterrecht beruhen; deliktischen, quasideliktischen oder vertraglichen Ursprungs sind.103 Dass ein Schadensersatzanspruch sich auch auf vertragliche Grundlagen stützt und deshalb notwendigerweise an den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung anknüpft, steht seiner Einordnung als gesetzliche Haftpflichtbestimmung nicht
100 St.Rspr., vgl. nur BGH 18.11.2020 – IV ZR 217/19, VersR 2021 113 Rn. 13; BGH 11.12.2002 – IV ZR 226/01, RuS 2003 149 = VersR 2003 236 f.; BGH 8.12.1999 – IV ZR 40/99, RuS 2000 100, 101 ff. = VersR 2000 311 f.; BGH 20.11.1970 – IV ZR 1188/68, VersR 1971 144 = NJW 1971 429, 430; BGH 8.12.1999 – IV ZR 40/99, NJW 2000 1194 ff; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 261 hält die Formulierung „gesetzliche Haftpflichtbestimmungen“ für intransparent. 101 BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026; vgl. auch OLG Köln 31.1.2019 – 9 U 72/18, RuS 2019 387, 388 („Echte vertragliche Erfüllungsansprüche sind nicht versicherbar, weil ihnen das Element der Ungewissheit fehlt.“). 102 Vgl. BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026 (Hervorhebung durch den Verfasser). 103 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 6; Späte § 1 Rn. 126; Schmidt-Salzer/Hinsch/Thürmann Rn. 7.216. Koch
50
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
entgegen.104 Entscheidend ist, dass er nicht auf den Ausgleich des Äquivalenz-/Leistungs-/ Erfüllungsinteresses gerichtet ist, sondern darüber hinausgeht.105 Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB sind stets als gesetzliche Haftpflichtbestimmung i.S.v. 46 Ziff. 1.1 Satz 1 AHB zu qualifizieren. Soweit in Ausnahmefällen im Rahmen von Vertragsverhältnissen einzelne Schadensposten im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung zugleich auch dem Ausgleich des Integritätsinteresses dienen, besteht jedoch keine Deckung nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. So liegt der Fall bei Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.e.S. (Rn. 32) oder Weiterfresserschäden (Rn. 29 f.). Vorschriften, die wie z.B. §§ 437 Nr. 3/634 Nr. 4 i.V.m. 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz neben der Leistung)106 oder § 618 Abs. 3 BGB (Schadensersatz wegen Verletzung einer Schutzpflicht)107 den Schutz des Integritätsinteresses bezwecken, sind als gesetzliche Haftpflichtbestimmungen einzuordnen. Normen, die wie z.B. § 536a Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen eines (anfänglichen) Mangels der vermieteten Sache)108 oder § 651i Nr. 7 i.V.m. § 651n BGB (Schadensersatz wegen eines Reisemangels)109 sowohl dem Ausgleich des Äquivalenz- auch des Integritätsinteresses dienen, sind nur insoweit als gesetzliche Haftpflichtbestimmungen zu qualifizieren, als der Vertragspartner darüber Ersatz von Integritätsschäden verlangt. Nicht unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen fallen Schadensersatzan- 47 sprüche, die zwar auf den Ausgleich des Integritätsinteresses gerichtet sind, jedoch nur aufgrund einer die gesetzliche Haftpflicht erweiternden vertraglichen Vereinbarung durchgesetzt werden können, etwa weil der VN aufgrund der Vereinbarung verschuldensunabhängig haftet, die Beweislast zugunsten des Geschädigten verändert oder die Verjährung verlängert wird (vgl. Ziff. 7 AHB Rn. 140 ff.).110
bb) Ausgleich des Äquivalenzinteresses als Normzweck. Die Haftpflichtversicherung bie- 48 tet keine Schutz für Ansprüche gegen den VN auf Ersatz von Schäden, die von seinem Gläubiger innerhalb von Vertragverhältnissen bei nicht ordnungsmäßiger Erfüllung eintreten. Solchen Schäden, die auf den Ausgleich des Äquivalenzinteresses gerichtet sind, fehlt das jeder Versicherung innewohnende Element des Zufälligen (Rn. 43).111 Normen, die anknüpfend an das Bestehen eines Vertragsverhältnisses ausschließlich den Ausgleich des Äquivalenzinteresses bezwecken, sind somit keine gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. Zu solchen Ansprüchen zählen nicht nur der Anspruch auf Erfüllung, sondern auch diejenigen, die an die nicht ordnungsgemäße Erfüllung anknüpfen, wie z.B. Ansprüche auf Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, aus Rücktritt, aus Minderung, auf Aufwendungsersatz, wegen Verzugs und Schadensersatz statt der Leistung (§§ 437 Nr. 3/634 Nr. 4, 280 Abs. 1 und 3, 282, 283 sowie nach § 311a Abs. 2 BGB).112 Zwar umfasst der Anspruch auf Schadensersatz statt der 104 Vgl. nur BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434, 435; BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026; BGH 20.9.1962 – II ZR 171/61, NJW 1962 2106 f.; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 8; Beuck VersR 2003 1097, 1099. 105 Vgl. BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026 („[Unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmung fallen] insbesondere Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die ihre Ursache in einer nicht gehörigen Vertragserfüllung haben, aber erst durch ein hinzutretendes außervertragliches Ereignis eine nicht vorhersehbare, über das Erfüllungsinteresse hinausgehende Entwicklung nehmen.“); OLG Köln 31.1.2019 – 9 U 72/18, RuS 2019 387, 388. 106 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 266; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7. 107 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 12; Späte § 1 Rn. 162; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 284. 108 Vgl. Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus Miete 6. Aufl. (2020) BGB § 536a Rn. 1 (Begriff „Schadensersatz“ in § 536a Abs. 1 BGB ist als Oberbegriff zu verstehen, der auch den Schadensersatz statt der Leistung umfasst). 109 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 52. 110 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 257. 111 Vgl. BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026. 112 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 273; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7. 51
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Leistung bei Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.e.S. oder Weiterfresserschäden auch den Ersatz von Schadensposten, die das Integritätsinteresse des Gläubigers betreffen. Diese Überschneidungen ändern jedoch nichts an der Zweckrichtung des Anspruchs Schadensersatz statt der Leistung (vgl. Rn. 87 ff.).
49 b) Ausländische Haftpflichtbestimmungen. Grundsätzlich fallen auch Haftpflichtansprüche, die auf ausländisches Recht gestützt – und ggf. vor ausländischen Gerichten geltend gemacht – werden, unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmung, soweit sie auf den Ausgleich des Integritätsinteresses gerichtet sind.113 Ist das Schadensereignis im Ausland eingetreten, gilt es jedoch die Beschränkungen nach Ziff. 7.9 AHB und die Wiedereinschlüsse in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen und den durchgeschriebenen Bedingungswerken insbesondere der Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung zu beachten (Ziff. 7.9 AHB Rn. 313 ff.).
2. Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers auf Schadensersatz 50 a) Zum Begriff des vom Versicherungsschutz erfassten Schadensersatzanspruchs. Nach dem Wortlaut von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB muss der VN von dem Geschädigten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Nach Ansicht des BGH114 „führt der Ausdruck Schadensersatz [den VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse] nicht eindeutig in den Bereich der Rechtssprache, weil es dort keinen, in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadensersatzbegriff gibt; in der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck Schadensersatz allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils. Dementsprechend kann der VN unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, nach § 1 Ziff. 1 AHB Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der Anspruch auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadensereignis gerichtet ist“. [Hervorhebung durch Verfasser]
Es ist somit nicht erforderlich, dass die Anspruchsgrundlage, auf die der Geschädigte seinen Anspruch stützt, Schadensersatz als Rechtsfolge vorsieht. Nach Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung ist für die Bestimmung des Schadensersatzanspruchs i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB vielmehr entscheidend, dass sich die Haftpflichtbestimmung auf den Ausgleich für erlittene Nachteile richtet.115 Ob die Haftpflichtbestimmung an ein Verschulden anknüpft oder nicht, ist unerheblich.116 51 Versicherungsschutz kann somit auch für Ausgleichsansprüche, privatrechtliche Aufopferungsansprüche, Wertersatzansprüche oder Beseitigungsansprüche bestehen. Darüber hinaus sind auch Unterlassungsansprüche auf Ausgleich eines Nachteils gerichtet, wenn der VN bereits einmal Pflichten aus dem – fortbestehenden – Vertragsverhältnis verletzt hat und die Vertragsverletzung teilweise noch andauert.117 Für Ansprüche, die auf Erfüllung von Verträgen, z.B. auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB), auf Nacherfüllung
113 OLG Düsseldorf 19.10.2018 – I-4 U 10/18, VersR 2019 475, 476. 114 BGH 11.12.2002 – IV ZR 226/01, RuS 2003 149, 150 = VersR 2003 236 f.; vgl. auch BGH 18.11.2020 – IV ZR 217/ 19; VersR 2021 113 Rn. 18; BGH 8.12.99 – IV ZR 40/99, RuS 2000 100, 101 ff. = VersR 2000 311 f.
115 So bereits BGH 20.11.1970 – IV ZR 1188/68, VersR 1971 144 = NJW 1971 429; Späte § 1 Rn. 127; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 263. 116 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 258. 117 Vgl. BGH 29.7.2021 – III ZR 179/20 –, NJW 2021 3179 Rn. 102; OLG Celle 20.1.2022 – 13 U 84/19, GRUR-RS 2022 1200; a.A. Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 1 AHB Rn. 7 (zu Unterlassungsansprüchen nach §§ 862, 1004 BGB). Koch
52
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
(§§ 439, 635 BGB)118 oder aus Minderung (§§ 441, 638 BGB) gerichtet sind, besteht somit auch unter diesem Gesichtspunkt keine Deckung (mag Nacherfüllung auch auf die Beseitigumg eines Nachteils in Form der mangelhaften Lieferung oder Werkerstellung gerichtet sein).119 Kein Versicherungsschutz besteht für Geldstrafen oder Geldbußen, da diese nicht auf den 52 Ausgleich für erlittene Nachteile (des Staates) gerichtet sind.120 Sie haben entsprechend ihrer general- und spezialpräventiven Zielrichtung eine ahnende (und ggf. abschöpfende) Funktion (vgl. §§ 73–73e StGB).121 Ansprüche auf Strafschadensersatz („punitive damages“) sind nur insoweit vom Versicherungsschutz umfasst, als sie dem Ausgleich des erlittenenen (immateriellen) Schadens dienen.122
b) Einordnung von Anspruchsgrundlagen aa) Schadensersatzansprüche. Auf Schadensersatz i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB sind alle delikti- 53 schen, quasideliktischen und sonstigen Ansprüche gerichtet, die den Ausgleich eines Schadens gewähren. Hierzu zählen nicht nur §§ 823 ff.,123 832,124 833 BGB,125 sondern auch Schadensersatzansprüche aus gerechtfertigten Eingriffen des VN in Rechte des Geschädigten (§§ 228, 231 und 904 BGB).126 Da ein Verschulden des VN keine Voraussetzung für die Einordnung als gesetzliche Haftpflichtbestimmung ist, sind Schadensersatzansprüche aus Gefährdungshaftung (z.B. §§ 22 WHG, 7 StVG, 33 LuftVG, 1 HPflG, 25 ff. AtG, 1 ff. UmweltHG, 1 Abs. 1 ProdhaftG) versichert.127 Auf Schadensersatz i.S.v. Ziff. 1.1 S. 1 AHB gerichtet sind ferner Ansprüche wegen der Verletzung sonstiger (vor-)vertraglicher Pflichten.128 Für solche Ansprüche besteht allerdings mangels Vorliegens einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung nur insoweit Versicherungsschutz, als sie nicht auf den Ersatz des Äquivalenzinteresses gericht sind (wie z.B. §§ 437 Nr. 3/ 634 Nr. 3, 280 Abs. 1 oder i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB). bb) Freistellungs- und Ausgleichsansprüche. Auf Schadensersatz i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 54 sind nicht nur deliktische und vertragliche Schadensersatzansprüche, sondern auch die wegen solcher Schadensersatzansprüche unter Gesamtschuldnern bestehenden Freistellungs- und Aus-
118 Vgl. Späte § 1 Rn. 152; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 282 f. 119 Vgl. BeckOGK-BGB/Looschelders § 254 Rn. 67; MüKo-BGB/Oetker BGB § 254 Rn. 23 (zur Anwendbarkeit von § 254 BGB auf Erfüllungsansprüche, die eine ähnliche Funktion wie Schadensersatzansprüche haben). 120 Ruttmann Die Versicherbarkeit von Geldstrafen, Geldbußen, Strafschadensersatz und Regressansprüchen in der D&O-Versicherung (2014) 22 f. 121 Vgl. Lackner/Kühl/Kühl Vorbem. §§ 40–43a StGB Rn. 4; KK-OWiG/Mitsch § 17 Rn. 4, 10. 122 Zur dogmatischen Einordnung von „punitive damages“ s. BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91, NJW 1992 3096, 3101 ff.; OLG Düsseldorf 28.5.1991 – 4 U 119/90, RuS 1991 339, 340; OLG München 9.5.1989 – 9 VA 3/89, NJW 1989 3102, 3103. 123 Vgl. Nachweise bei Späte § 1 Rn. 128; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 265. 124 BGH 12.5.1960 – II ZR 212/58, VersR 1960 554 f. = NJW 1960 1346, 1347; OLG Stuttgart 12.3.2008 – 4 U 58/07, VersR 2009 206, 208. 125 OLG Celle 30.12.1952 – 4 U 183/52, VersR 1953 81, 82; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 51. 126 Späte § 1 Rn. 171; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 304 f; differenzierend K. Sieg VersR 1984 1105 (keine Deckung gegen den Anspruch des Eigentümers, wenn der VN selbst hilfsbedürftig war); Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 15 (keine Deckung, wenn der VN aus der Beeinträchtigung des Dritten einen dauernden Vorteil zieht). 127 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 51. 128 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 268; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 52. 53
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
gleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 und 2 BGB gerichtet.129 Soweit bei „unechter Gesamtschuldnerschaft“ ein Ausgleichsanspruch zugebilligt oder jedenfalls geltend gemacht wird, liegt ebenfalls ein Schadensersatzanspruch i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB vor.130 Letzteres gilt auch, wenn der VN in der Weise in Anspruch genommen wird, dass ein Dritter von ihm die Freihaltung von Schadensersatzansprüchen eines Vierten verlangt.131 Solche Situationen können sich z.B. ergeben, wenn der VN gegenüber einem Dritten die Verkehrssicherungspflicht übernommen hat. 55 Freistellungsansprüche gegen den VN kommen daneben auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen in Betracht, wenn Mitarbeiter des VN Schäden bei Dritten verursachen oder ein mitversicherter Mitarbeiter einem anderen Mitarbeiter einen Sachschaden zugefügt hat, da der Ausschluss gem. Ziff. 7.4 (3) AHB nicht eingreift.132 Solange die Mitarbeiter im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung des VN mitversichert sind (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 2 VVG), spielt der Freistellungsanspruch in der Praxis keine Rolle, weil er durch die Befriedigung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten durch den VR erlischt. Anders liegt der Fall, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles verlassen hat, weil dann der Mitversicherungsschutz nicht mehr besteht (anders nunmehr in A1-2.1.4 AVB BHV).133 Verlangt der ehemalige Mitarbeiter vom VN, ihn von den Ansprüchen des Geschädigten freizustellen, besteht für diesen Anspruch gegen den VN Deckung.
56 cc) Beseitigungsansprüche und Unterlassungsansprüche. Beseitigungsansprüche nach §§ 541,134 862, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB sind als Schadensersatzansprüche i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB zu qualifizieren, soweit sie dieselbe wiederherstellende Wirkung haben wie ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch (vgl. § 249 Abs. 1 BGB).135 Daran fehlt es, wenn sich das Beseitigungsbegehren der Sache nach darauf beschränkt, dass der VN weitere Beeinträchtigungen unterlässt.136 Unterlassungsansprüche, die sich aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben, sind als Schadensersatzanspruch i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB einzuordnen.137
dd) Aufwendungsersatzansprüche 57 (1) § 284 BGB. Aufwendungsersatzansprüche nach § 437 Nr. 3/§ 634 Nr. 4 i.V.m. § 284 BGB wegen Lieferung/Herstellung einer mangelhaften Sache bzw. eines mangelhaften Werks sind zwar
129 Zu § 426 Abs. 1 BGB s. BGH 21.5.2003 – IV ZR 209/02, VersR 2003 900, 901; BGH 17.5.1956 – II ZR 96/55, VersR 1956, 364; LG Hamburg 21.7.1992 – 403 O 128/91, VersR 1994 299 mit Anm. Harms; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 12; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 54; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 291. 130 Eine unechte Gesamtschuld liegt vor, wenn mehrere Schuldner aus verschiedenen Rechtsgründen zu derselben Leistung verpflichtet, mangels Gleichstufigkeit aber nicht Gesamtschuldner sind; vgl. OLG Hamm 4.1.2001 – 27 U 109/00, NJOZ 2001 1007, 1011; LG Koblenz 4.8.2003 – 16 O 388/02, BeckRS 2003 152944. 131 Vgl. dazu BGH 7.1.1965 – II ZR 115/62, BGHZ 43 42, 44 = NJW 1965 758 f.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 291. 132 A.A. Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 153; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 76 (unter Hinweis auf den sozialrechtlichen Charakter des arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruches und den Ausschluss gem. Ziff. 7.4 (3) AHB). 133 Vgl. auch Bruck/Möller/Koch § 102 VVG Rn. 42. 134 Vgl. dazu BGH 17.4.2007 – VIII ZB 93/06, NJW 2007 2180 (im Wohnraummietverhältnis kann ein Beseitigungsanspruch nicht auf § 1004 BGB, sondern allein auf § 541 BGB gestützt werden); Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 293. 135 BGH 8.12.1999 – IV ZR 40/99, VersR 2000 311 f. = NJW 2000 1194; vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 293; Schimikowski RuS 2005 329; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 53. 136 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 13; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 53; Späte/Schimikowski/ v. Rintelen AHB § 1 Rn. 293; Späte § 1 Rn. 166. 137 Vgl. BGH 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021 3179 Rn. 102; OLG Celle 20.1.2022 – 13 U 84/19, GRUR-RS 2022 1200; Grüneberg/Grüneberg § 280 Rn. 33. Koch
54
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
auf den Ausgleich eines erlittenen Nachteils gerichtet. Es handelt sich jedoch nicht um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. Da es sich bei § 284 BGB um einen Fall der Erstattung eines Teils des Nichterfüllungsschadens handelt,138 ist er auf den Ausgleich des Äquivalenzinteresses gerichtet, was nicht zuletzt dadurch deutlich wird, dass er anstelle des Anspruchs auf Schadensersatzes statt der Leistung geltend gemacht werden kann.
(2) § 536 Abs. 2 BGB. Gleiches gilt für die Ansprüche des Mieters auf Aufwendungsersatz 58 wegen Sachmängeln der Mietsache gem. §§ 536, 536a Abs. 2 BGB.139 Nach § 536a Abs. 2 BGB kann der Mieter in zwei Fällen den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen vom Vermieter verlangen, nämlich erstens, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist, sowie zweitens, wenn die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist. Diese Befugnis gehört in den Bereich der Erfüllung des Mietvertrages. Dem Mieter wird ein Mittel zur Behebung der Äquivalenzstörung in die Hand gegeben.140 Der Anspruch ist somit auf den Ausgleich des Äquivalenzinteresses gerichtet. Es handelt sich nicht um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB (Rn. 48).
(3) § 670 BGB. Ansprüche des Beauftragten nach § 670 BGB oder des Geschäftsführers ohne 59 Auftrag gem. §§ 670, 677, 683 Satz 1 BGB auf Aufwendungsersatz sind auf die Erstattung von Kosten gerichtet, die der Beauftragte oder der Geschäftsführer ohne Auftrag für den Geschäftsherrn aufgewendet hat. Sie stehen insoweit Erfüllungsansprüchen gleich, für die keine Deckung besteht.141 Etwas anderes gilt, wenn eine in den Deckungsbereich der Haftpflichtversicherung fallende Verbindlichkeit des VN getilgt worden ist. Dann tritt der Anspruch des Beauftragten/Geschäftsführers ohne Auftrag an die Stelle des Anspruchs des Geschädigten gegen den VN, was eine Einordnung als Schadensersatzanspruch i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB rechtfertigt.142 Widerspricht der VN der Geschäftsführung, wird man in der Konsequenz auch den Bereicherungsanspruch gem. §§ 684 Satz 1, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (Befreiung von einer Verbindlichkeit) als vom Anwendungsbereich des Ziff. 1.1 Satz 1 AHB umfasst ansehen können. Im Hinblick auf den schadensersatzähnlichen Charakter von unfreilligen Aufwendun- 60 gen des Beauftragten oder Geschäftsführers ohne Auftrag besteht Versicherungsschutz zudem, wenn der Beauftragte oder Geschäftsführer Ansprüche geltend macht, weil er bei seiner Tätigkeit selbst einen Personen- oder Sachschaden erlitten hat, ohne dass es darauf ankommt, ob der VN (Auftraggeber/Geschäftsherr) den Schaden zu vertreten hat.143 Als unfreiwillig qualifiziert der BGH auch Aufwendungen des Geschäftsführers, zu denen er aufgrund ihn treffenden öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Pflichten zur Gefahrenabwehr bzw. Verkehrssicherung verpflichtet ist. Zwar erfolge in einem solchen Fall das Vermögensopfer freiwillig, es werde aber durch die den Geschäftsführer treffenden öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Pflichten erzwungen. Der Geschäftsführer „opfere“ sich insoweit auf. Es vermag keinen Unter-
138 BeckOK BGB/Lorenz § 284 Rn. 1; Grüneberg/Grüneberg § 284 Rn. 2; Erman/Westermann § 284 Rn. 3; MüKoBGB/ Ernst § 284 Rn. 6; BeckOGK-BGB/Dornis § 284 Rn. 17; Staudinger/Schwarze (2019) § 284 Rn. 12. 139 Vgl. Schimikowski RuS 2005 445, 446. 140 BeckOGK-BGB/Bieder § 536a Rn. 2. 141 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 13; Späte § 1 Rn. 163; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 286; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 54. 142 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 13; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 54; offengelassen in BGH 20.12.2006 – IV ZR 325/05, RuS 2007 94, 95; BGH 4.7.1978 – VI ZR 96/77, VersR 1978 962. 143 LG Köln 24.4.2003 – 24 O 431/02, RuS 2004 183, 184; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 13; Späte/ Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 288; Späte § 1 Rn. 165. 55
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
schied zu begründen, so der BGH, „ob der Geschäftsführer von vornherein ein unfreiwilliges Vermögensopfer erleidet oder dies durch eine gesetzliche Pflicht zum Handeln veranlasst ist“.144
61 (4) § 667 BGB. Der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB fällt nicht unter den Versicherungsschutz.145 Wird die vom VN herauszugebende Sache zerstört oder beschädigt, so ist der auf Ersatz dieses Schadens gerichtete Anspruch des Dritten dagegen gedeckt, soweit kein Ausschluss eingreift.146
62 ee) Bereicherungsansprüche. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nicht als Schadensersatzanspruch i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB zu qualifizieren, weil sie nur auf den Ausgleich einer vorhandenen Bereicherung gerichtet sind.147 Etwas anderes gilt, wenn die Bereicherung des VN darin liegt, dass er aufgrund der Leistung eines Vierten von einem unter den Versicherungsschutz fallenden Schadensersatzanspruch eines geschädigten Dritten befreit wurde.148 Ist das Eigentum des Dritten ohne Verschulden des VN infolge von Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung untergegangen, besteht für den Anspruch auf Entschädigung aus § 951 Abs. 1 i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Versicherungsschutz, da § 951 Abs. 1 BGB dem Güterschutz dient und (Vermögens-)Ausgleich für erlittene Nachteile bietet.149
63 ff) Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch. Ansprüche aus zu duldenden Eigentums- oder Besitzverletzungen gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB150 oder § 14 Satz 2 BImschG,151 die auf den Ausgleich des Schadens (z.B. Beseitigungskosten, verbleibender Minderwert) gerichtet sind, sind ohne Weiteres als Schadensersatzansprüche i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB zu qualifizieren.152 In dem Umfang, in dem dem Minderwert des Eigentümers/Besitzers ein Mehrwert des VN gegenübersteht (z.B. weil sich der Nutzungswert des Grundstücks erhöht), ist der vom VN auszugleichende Minderwert nicht versichert. Der Ausgleichsanspruch steht insoweit einem Erfüllungsanspruch gleich, für den kein Versicherungsschutz besteht. Zu Recht hat K. Sieg darauf hingewiesen, dass der VN aus seinem Verhalten Vorteile ziehe, die er sich durch Zahlung des Ausgleichs quasi erkaufe.153 Dagegen sind die vom VN auszugleichenden Beseitigungskosten versichert.154 Dasselbe gilt für den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog.155
144 BGH 28.9.2011 – VI ZR 294/10, VersR 2011 1509 Rn. 18 (Anspruch für Sicherungs- und Absperrmaßnahmen der Autobahnmeisterei bei einem auf dem Verzögerungsstreifen einer Autobahnausfahrt liegen gebliebenen Lastzug, der teilweise in die rechte Fahrbahn ragt). 145 Hans. OLG Hamburg 23.5.1962 – 6 U 218/61, VersR 1963 226; vgl. auch Chab AnwBl. 2012 922 f. 146 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 286. 147 Vgl. KG 16.10.1937 – 24 U 2848/37, JRPV 1938 7; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 13; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 54; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 302; Späte § 1 Rn. 176. 148 Vgl. BGH 5.3.1964 – II ZR 220/62, VersR 1964 474; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 303. 149 Vgl. MüKoBGB/Füller § 951 Rn. 1; Staudinger/Heinze (2020) § 951 Rn. 1. 150 BGH 11.6.1999 – V ZR 377/98, RuS 1999 407, 408 = VersR 1999 1139 f. (zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB); vgl. auch K. Sieg VersR 1984 1105, 1106; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 296; a.A. LG Stuttgart 24.10.1963 – 14 O 12/62, VersR 1964 156. 151 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 15; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 297. 152 Vgl. auch BAV VerBAV 1979 48: bei Ansprüchen aus § 906 BGB und § 14 BImSchG handelt es sich um Schadensersatzansprüche i.S.v. § 1 AHB. 153 Vgl. K. Sieg VersR 1984 1105, 1106. 154 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 15; Späte § 1 Rn. 168; K. Sieg VersR 1984 1105, 1106; für Österreich vgl. ÖOGH 19.10.1989 – 7 Ob 37/89, VersR 1990 445, 446. 155 Späte § 1 Rn. 167; K. Sieg VersR 1984 1105, 1106. Koch
56
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
Der Anspruch auf eine Überbau- oder Notwegrente (§§ 912 Abs. 2, 917 Abs. 2 BGB) ist 64 ebenfalls nicht als Schadensersatzanspruch i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB anzusehen. Diese Renten werden zwar nach dem Schaden des Dritten bemessen. Da sie jedoch zugleich einen Ausgleich für den Vermögensvorteil darstellen, den der VN aus dem Überbau und dem Notwege zieht, wirkt sich auch hier wieder die Erwägung aus, dass die Rentenzahlung das Gegenstück für einen Vorteil darstellt, also Erfüllungscharakter hat.156 Für Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Verletzung der als Schutzgesetze i.S.v. 65 § 823 Abs. 2 BGB anzusehenden §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 907 bis 909 BGB und § 14 BImschG besteht dagegen in vollem Umfang Deckung, soweit nicht Ausschlüsse eingreifen.157
gg) § 179 Abs. 1 BGB. Hat der VN als vollmachtloser Vertreter gehandelt und nimmt ihn der 66 andere Teil nach § 179 Abs. 1 BGB in Anspruch, ist dieser Anspruch auch dann als Schadensersatz i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB zu qualifizieren, wenn der andere Teil Erfüllung verlangt.158 Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass die in § 179 Abs. 1 BGB gewährten Rechte dem anderen Teil einen Ausgleich für den Vermögensschaden schaffen, den er dadurch erleidet, dass der VN ihm mangels Vertretungsmacht nicht die gewollten und erstrebten Vertragsansprüche gegenüber dem Vertretenen verschafft hat. Da der Haftpflichtanspruch nicht vom VN persönlich übernommenen Vertragspflichten entspringt, greifen die Ausschlüsse gem. Ziff. 1.2 (1) oder (6) AHB nicht ein.159
hh) § 14 Abs. 3 WEG. Hat ein Wohnungseigentümer eine Einwirkung auf sein Sondereigentum 67 durch die anderen Wohnungseigentümer, die über das zumutbare Maß hinausgeht, zu dulden, kann er gem. § 14 Abs. 3 WEG einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen. Die Vorschrift ist an die Stelle des § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG a.F. getreten und bestätigt dessen Charakter als Aufopferungsanspruch.160 Wortlaut und Auslegung des § 14 Abs. 3 WEG n.F. orientieren sich an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB,161 sodass die Norm weiterhin als Schadensersatzanspruch i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB zu qualifizieren ist (Rn. 63).
ii) Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Der Herausgabeanspruch nach § 985 68 BGB ist kein Schadensersatzanspruch i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB.162 Dagegen ist der Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer aus § 989 BGB auf Schadensersatz gerichtet. Soweit die Sache aus einem anderen Grunde als der Beschädigung oder Zerstörung nicht herausgegeben werden kann, wird man diesen Anspruch mit Späte jedoch nur insoweit als gedeckt ansehen können,
156 Vgl. LG Heidelberg 16.11.1982 – 4 O 89/82, VersR 1983 526; K. Sieg VersR 1984 1105, 1106; Prölss/Martin/ Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 15; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 54; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 300 f.; a.A. Wussow § 1 Rn. 76. 157 Vgl. K. Sieg VersR 1984 1105, 1106; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 15; Späte § 1 Rn. 169; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 53; Littbarski Bauwesen Rn. 446; Wussow § 1 Anm. 76. 158 Vgl. BGH 20.11.1970 – IV ZR 1188/68, VersR 1971 144 = NJW 1971 429, 430; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 12; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 290; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 54; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 9; a.A. Prölss VersR 1971 538: gesetzlicher Erfüllungsanspruch; vgl. auch Chab AnwBl. 2012 922 f. 159 Vgl. BGH 20.11.1970 – IV ZR 1188/68, VersR 1971 144 = NJW 1971 429, 430 zu § 4 I 6 Abs. 3 AHB a.F. 160 Vgl. BTDrucks. 19/18791 S. 53 f.; s. zu § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG a.F. BGH 11.12.2002 – IV ZR 226/01, BGHZ 153 182, 187 = RuS 2003 149 f.; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 12; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 9. 161 BTDrucks. 19/18791 S. 53. 162 Späte § 1 Rn. 177; vgl. auch BGH 30.9.1964 – VIII ZR 302/62, VersR 1965 131 = NJW 1964 2414, 2415. 57
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
als der Versicherungsschutz auf Ansprüche wegen reiner Vermögensschäden und wegen des Abhandenkommens von Sachen (s. Ziff. 2 Rn. 25 ff.) erweitert wurde.163 69 Fraglich ist, ob Ansprüche des Eigentümers gegen den bösgläubigen Besitzer nach § 990 BGB versichert sind.164 Deckung für diese Ansprüche kann jedenfalls nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es handele sich nicht um Schadensersatzansprüche. Sie kann deshalb nur versagt werden, soweit ein Risikoausschluss eingreift. Dies ist gem. Ziff. 7.6 AHB (Ausschluss bei verbotener Eigenmacht) der Fall, wenn der VN Diebesgut fahrlässig beschädigt oder zerstört.165
3. Privatrechtlicher Inhalt der Haftpflichtbestimmung 70 a) Abgrenzung. Die von Dritten gegenüber dem VN geltend gemachten Haftpflichtansprüche müssen privatrechtlichen Inhalts sein. Haftpflichtansprüche aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften sind deshalb im Grundsatz vom Versicherungsschutz ausgenommen. Ob eine Norm privatrechtlichen Inhalts vorliegt, bestimmt sich im Verhältnis zwischen dem VN und dem Geschädigten. Es ist deshalb für die Einordnung als privatrechtlich unerheblich, ob der Geschädigte, gestützt auf eine privatrechtliche Anspruchsgrundlage (§ 414 Abs. 1 Nr. 1 HGB), den VN wegen (Haftungs-)Schäden in Regress nimmt, die auf einem öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch (z.B. Bescheid aufgrund öffentlichen Polizeirechts) beruhen.166 In älteren Bedingungswerken der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ist ebenfalls 71 noch von Haftungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts die Rede (mittlerweile ist diese Formulierung gestrichen).167 Gleichwohl sind Angehörige des öffentlichen Dienstes gegen Regressansprüche des Dienstherrn versichert.168 Ebenso sind Ansprüche aus § 19 BNotO gedeckt, obwohl der Notar gem. § 1 BNotO unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes ist.169 Eine privatrechtliche Anspruchsnorm i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB stellt bei der Haftpflichtversicherung eines Insolvenzverwalters § 60 Abs. 1 InsO dar.170 Nach R. Johannsen erfährt der Begriff des Anspruchs privatrechtlichen Inhalts in all diesen Fällen eine „Sinneswandlung aus der primären Umschreibung des versicherten Risikos“.171 Unter Anlegung heutiger AGB-rechtlicher Auslegungsmaßstäbe lässt sich diese „Sinneswandlung“ ohne Weiteres damit erklären, dass der Begriff „Ansprüche privatrechtlichen Inhalts“ erstens nicht fest umrissen ist, zweitens Versicherungsschutz gem. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB im Rahmen des versicherten Risikos gewährt wird und drittens der Vertragszweck bei der Auslegung nicht außer Betracht gelassen werden darf. 72 Im Übrigen ist bei der Auslegung die Rechtsschutzverpflichtung in den Blick zu nehmen, die Gegenstand des Leistungsversprechens des VR in Ziff. 5.1 AHB ist. Diese geht erkennbar davon aus, dass Ansprüche gegen den VN vor ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden können. Deshalb sind Haftpflichtansprüche, für die keine Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht, weil der Hoheitsträger kraft seiner Hoheitsgewalt zwar berechtigt ist, den Eingriff vorzunehmen, nicht aber die Entschädigungsforderung geltend zu machen, im Grundsatz vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.172 Es gibt jedoch Ausnahmen. Soweit (versicherte) privatrecht163 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 294. 164 Bejahend Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 294; Wussow § 1 Anm. 81; ablehnend Späte § 1 Rn. 177. 165 Vgl. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 294. 166 OLG Saarbrücken 21.1.2015 – 5 U 20/14, BeckRS 2015 8873. 167 Vgl. Kommentierung von Prölss/Martin/Lücke28 in der 28. Aufl. und in der 31. Aufl. zu § 1 I Satz 1 AVB Vermögen/P. 168 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 18; Späte § 1 Rn. 182. 169 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 18; Späte § 1 Rn. 182. 170 Vgl. OLG Hamm – 4 U 472/74, 11.2.1935 JRPV 1935 Zusatzheft 59 f. zu § 82 KO; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 310; Späte § 1 Rn. 182. 171 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 66. 172 Vgl. Späte § 1 Rn. 178; Hönig VersR 1966 514, 516; Weber VersR 1951 192. Koch
58
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
liche Ansprüche mit (nicht versicherten) öffentlich-rechtlichen Ansprüchen konkurrieren, besteht auch in diesen Fällen Versicherungsschutz.173 Für diese Auslegung des Leistungsversprechens des VR spricht der Gedanke, dass es anderenfalls der Geschädigte in der Hand hätte, dem VN den Versicherungsanspruch zu nehmen. Aus Sicht des VN steht das schädigende Ereignis sowie seine daraus folgende Inanspruchnahme im Vordergrund. Er darf deshalb das Leistungsversprechen so verstehen, dass es genügt, wenn ein Sachverhalt gegeben ist, aus dem gesetzliche Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts erwachsen können, ohne dass es darauf ankommt, ob der Dritte seine Ansprüche auf diesen oder einen anderen Rechtsgrund stützt.174 Deshalb ist stets zu prüfen, ob der auf Basis des öffentlichen Rechts geltend gemachte Anspruch auch nach dem Zivilrecht bestünde.175 Abzulehnen ist die Ansicht Spätes176 und der ihm folgenden Literatur,177 der Versicherungs- 73 schutz für Ansprüche aus öffentlichem Recht wegen der unterschiedlichen verfahrensmäßigen Durchsetzung (Urteil, Verwaltungsakt) ablehnt, wenn daneben ein gedeckter, auf gleiche Leistung gerichteter privatrechtlicher Anspruch besteht.178 Ebenso wenig wird eine Beschränkung des Versicherungsschutzes dadurch gerechtfertigt, dass der VR häufig außerstande ist, hypothetisch zu überprüfen, ob daneben auch ein zivilrechtlicher Anspruch begründet gewesen wäre, den der Staat aber gar nicht erhoben hat.179 Diese Gesichtspunkte tragen den von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätzen, die auf das Verständnis des durchschnittlichen Haftpflicht-VN abstellen,180 nicht hinreichend Rechnung.
b) Einordnung von Anspruchsgrundlagen. Ansprüche auf Ersatz der Kosten einer behörd- 74 lich angeordneten Ersatzvornahme,181 auf Ersatz der Kosten für Maßnahmen im öffentlichen Interesse, die der VN aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu ersetzen hat,182 sowie der Anspruch aus § 49 GKG183 sind öffentlich-rechtlicher Natur. Öffentlich-rechtlicher Natur sind ferner Strafprozesskosten, soweit sie aufgrund strafprozessualer Vorschriften (§§ 464 ff. StPO) ersetzt verlangt werden.184 Gleiches gilt nach Ansicht des LG Tübingen für die dem VN als Schädiger im Strafverfahren gem. § 153a StPO auferlegte Schmerzensgeldzahlung an den Geschädigten sowie die dem Schädiger für das Aushandeln des vom Strafgericht festgesetzten Betrags angefallenen Rechtsanwaltskosten.185 Soweit die Zahlungen im Zivilprozess auf das dort einge173 Vgl. BGH 20.12.2006 – IV ZR 325/05, VersR 2007 200 Rn. 26 ff. (zu AKB); Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 20. 174 Vgl. BGH 20.12.2006 – IV ZR 325/05, RuS 2007 94, 96 f. = VersR 2007 200. 175 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 15; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 324 ff. 176 Späte § 1 Rn. 188. 177 Langheid/Wandt/Littbarski § 100 VVG Rn. 70; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 97. 178 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 326; vgl. auch Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 97, der für den Einzelfall in entsprechender Anwendung des § 242 BGB prüfen will, ob nicht bereits die öffentliche Hand verpflichtet sei, die für den Schadensersatzpflichtigen letztlich mildere Reaktion zu wählen, nämlich eine Inanspruchnahme auf privatrechtlicher Grundlage. 179 Späte § 1 Rn. 188. 180 Hierzu Bruck/Möller/Beckmann Einf. C Rn. 204 ff. 181 OLG Oldenburg 15.9.1999 – 2 U 111/99, NVersZ 2000 536 = VersR 2001 229 f.; OLG Nürnberg 5.8.1999 – 8 U 875/99, NVersZ 2000 537; OLG Düsseldorf 13.10.1965 – 3 U 50/65, NJW 1966 738 f.; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 16. 182 ÖOGH 19.9.1974 – 7 Ob 179/74, VersR 1975 552. 183 OLG Köln 9.7.2002 – 9 U 169/01, NVersZ 2002 475 = VersR 2003 55; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 16. 184 BGH 23.1.1958 – II ZR 28/57, BGHZ 26 261, 264 = VersR 1958 106; BGH 16.4.1959 – II ZR 181/57, VersR 1959 361; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 316. 185 LG Tübingen 31.12.1987 – 20 U 353/87, VersR 1988 1172; vgl. auch AG Köln 11.12.2006 – 147 C 258/06, BeckRS 2008 24965. 59
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
klagte Schmerzensgeld angerechnet werden, sind sie jedoch ersatzfähig.186 Insoweit kommen hier die gleichen Überlegungen zum Tragen, die für die Ersatzfähigkeit öffentlich-rechtlicher Schadensersatzansprüche gelten, die mit (versicherten) privatrechtlichen Ansprüchen konkurrieren (Rn. 72). 75 Geldstrafen oder Geldbußen sind schon keine auf Schadensersatz gerichteten Verpflichtungen (Rn. 52).187 Zudem werden sie nicht von den Behörden aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen geltend gemacht. Bußgeldansprüche beruhen auf einem Bußgeldbescheid, der aufgrund des OWiG verhängt wird. Der Bußgeldbescheid stellt – wie ein Verwaltungsakt – eine vom Willen der zuständigen Verwaltungsbehörde abhängige und insoweit einseitige staatliche Sanktionsmaßnahme dar.188 Die Verhängung einer Geldstrafe erfolgt durch strafgerichtliches Urteil oder per Strafbefehl als Rechtsfolge der Begehung einer Straftat (§§ 40 ff. StGB). Wird eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft oder ein sonstiger öffentlich-rechtlicher 76 Verband versichert, so fallen auch Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG unter den Versicherungsschutz,189 ebenso Aufopferungsansprüche auf der Grundlage der §§ 74, 75 Einl. ALR.190 Privatrechtlichen Inhalts sind die Schadensersatzansprüche nach § 839 a BGB gegen den Gerichtssachverständigen bei grob fahrlässiger Gutachtenerstellung.191 Kein Versicherungsschutz besteht hingegen für Ansprüche auf Entschädigung wegen Enteignung i.S.v. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, weil sie Erfüllungsansprüchen gleichstehen.192 Der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers aus § 110 SGB VII ist als „bürgerlich77 rechtlicher Anspruch eigener Art auf Ersatz mittelbaren Schadens“ privatrechtlichen Inhalts.193
VI. Inanspruchnahme durch einen Dritten 1. Eigen-/Fremdversicherung 78 Der VN muss von einem Dritten194 auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.195 Dritter i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ist in der Eigenversicherung jede nicht mit dem VN und in der Fremdversicherung jede nicht mit der versicherten Person identische (natürliche oder juristische) Person, die gegen den VN oder die versicherte Person Schadensersatzansprüche erhebt.196
186 Vgl. OLG Düsseldorf 12.7.1996 – 22 U 31/96, NJW 1997 1643. 187 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 316. 188 Vgl. OLG Frankfurt/M. 29.9.1969 – 3 Ws (B) 91/69 OWiG, NJW 1970 159, 160 f.; Hans. OLG Hamburg 6.7.1970 – 2 Ss 89/70 OWi, NJW 1970 1616 f.; Ruttmann Die Versicherbarkeit von Geldstrafen, Geldbußen, Strafschadensersatz und Regressansprüchen in der D&O-Versicherung (2014) 39. 189 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 18; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 49; Späte/Schimikowski/ v. Rintelen AHB § 1 Rn. 312; Hönig VersR 1966 514, 515. 190 BGH 11.6.1999 – V ZR 377/98, VersR 1999 1139 f. = RuS 1999 407 f.; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 49; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 319; Späte § 1 Rn. 184; vgl. auch KG 19.8.2008 – 6 U 67/07, NJOZ 2009 1704, 1708. 191 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 312. 192 I.E. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 317; Späte § 1 Rn. 184; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 49; Hönig VersR 1966 515, 516. 193 BGH 21.12.1971 – VI ZR 137/70, VersR 1972 271 f.; BGH 7.11.1967 – VI ZR 79/66, VersR 1968 64 f. = NJW 1968 251 f.; vgl. BGH 30.4.1968 – VI ZR 32/67, VersR 1968 641 f. = NJW 1968 1429 f.; BGH 24.6.1969 – VI ZR 36/68, VersR 1969 848; BAG 19.12.1967 – 1 AZR 185/67, VersR 1968 296 f. = NJW 1968 908; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 19; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 309. 194 Zur Person des Dritten s. ergänzend Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 148 ff. 195 Zum Begriff der Inanspruchnahme s. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 25 ff. 196 Vgl. BGH 10.6.1986 – VI ZR 113/85, RuS 1986 222, 223 = VersR 1986 1010; BGH 17.5.1956 – II ZR 96/55, BGHZ 20 371, 376 = VersR 1956 364; OLG Hamm 4.6.1993 – 20 U 62/93, RuS 1993 326, 327; ÖOGH 13.10.1977 – 7 Ob 53/77, VersR 1978 727, 728; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 329; Späte § 1 Rn. 191. Koch
60
B. Ziff. 1.1 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
Auch der VN kann somit in einer kombinierten Eigen- und Fremdversicherung (wie z.B. Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung) Dritter sein, wenn er durch eine versicherte Person geschädigt wird.197 Umgekehrt kann die versicherte Person im Rahmen einer kombinierten Eigen- und Fremdversicherung Dritte sein, wenn der VN sie schädigt.
2. Mehrere Versicherungsnehmer Soweit mehrere VN in einem Versicherungsvertrag zusammengefasst sind, gilt das Gesagte 79 in gleichem Maße. Auch hier ist davon auszugehen, dass ein VN im Verhältnis zum anderen als Dritter angesehen werden kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn über eine solche Aufspaltung auch ein Eigenschaden desjenigen VN ersetzt wird, der von dem anderen VN haftpflichtig gemacht wird. Das bezieht sich auf einen Eigenschaden am Aktivvermögen des schädigenden VN, wenn nämlich z.B. eine Sache beschädigt wird, die im gemeinsamen Eigentum zweier VN steht. Der Versicherungsanspruch ist in diesem Fall um den Umfang des Miteigentumsteils des Schädigers zu kürzen.198 Entsteht einer nicht rechtsfähigen oder nicht teilrechtsfähigen Personenmehrheit (z.B. Ehegatten oder Erbengemeinschaften), an welcher der Schädiger selbst beteiligt ist, ein Schaden, hat er im Umfang seiner Beteiligung einen Schaden in seinem eigenen Vermögen erlitten und wird in seiner Eigenschaft als VN insoweit – quotenmäßig – nicht „von einem Dritten” in Anspruch genommen.199 Ergänzend ist festzuhalten, dass auch ein Versicherter im Verhältnis zu einem anderen Versicherten Dritter i.S.d. Haftpflichtversicherungsrechts ist.
3. Mittelbar Geschädigte/Rechtsnachfolger Ohne Belang ist es dabei, ob es sich um unmittelbar oder mittelbar Geschädigte handelt. So 80 kann gemäß §§ 844, 845 BGB im Falle eines Personenschadens auch der Unterhaltsberechtigte, Dienstberechtigte oder Träger der Beerdigungskosten anspruchstellender Dritter sein. Auch in denjenigen Fällen, in denen ausnahmsweise ein Dritter, der nicht zu den in §§ 844, 845 BGB aufgeführten Personen gehört, aus der Körperverletzung eines Geschädigten mit Rücksicht auf eine in dieser Körperverletzung zu sehende schuldhafte Vertragsverletzung begründete Schadensersatzansprüche erheben kann, besteht Versicherungsschutz.200 Es macht demgemäß keinen Unterschied, ob es sich um den ursprünglich Geschädigten selbst oder um seine Rechtsnachfolger (z.B. § 1922 Abs. 1 BGB) handelt und ob diese die Forderung derivativ (durch Abtretung nach § 398 BGB oder kraft Gesetzes nach § 86 Abs. 1 Satz 1, § 116 SGB X oder § 268 Abs. 3 BGB) oder originär (z.B. nach § 110 SGB VII bzw. nach §§ 426, 683 und 670 BGB) erworben haben.201
4. Beteiligung als Gesellschafter Der Geschädigte verliert auch nicht dadurch seine Eigenschaft als Dritter i.S.v. § 100, dass er 81 (geschäftsführender Allein-)Gesellschafter der VN ist oder es sich bei der Geschädigten um 197 Vgl. auch BGH 7.1.1965 – II ZR 115/62, BGHZ 43 42 = NJW 1965 758; Schirmer FS K. Sieg 464 f.; Späte § 7 Rn. 11; a.A. Langheid/Wandt/Littbarski § 100 VVG Rn. 75.
198 Vgl. Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 38; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 331. 199 Vgl. OLG Koblenz 11.12.1992 – 10 U 464/91, RuS 1993 411; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 331. 200 Vgl. dazu RG 19.2.1937 – VII 231/36, JW 1937 1496 und (für einen ähnlich gelagerten Fall einer Sachbeschädigung) RG 7.3.1939 – VII 162/38, RGZ 160 48, 49; Späte § 1 Rn. 194.
201 Langheid/Wandt/Littbarski § 100 VVG Rn. 73; Späte § 1 Rn. 191; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 330; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 115. 61
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
die Konzernmutter handelt, die von einer Tochtergesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.202 Umgekehrt kann auch die Gesellschaft Dritte sein, wenn sie einen Schaden durch den (geschäftsführenden Allein-)Gesellschafter erleidet.203 Keine Zustimmung verdient ein Urteil des LG Magdeburg, in dem einer GmbH die Eigenschaft als Dritte i.S.v. § 100 abgesprochen wird, weil ihr Allein-Gesellschafter identisch mit dem Allein-Gesellschafter der VN (ebenfalls eine GmbH) gewesen ist. Haftungsrechtlich sei die in ihrem Eigentum geschädigte GmbH nur ein in besonderer Form verwalteter Teil des Vermögens des Alleingesellschafters, weshalb bei wirtschaftlicher Betrachtung Personenidentität von Schädiger und Geschädigtem bestehe.204 Dass der Sachschaden, den die VN verursacht hat, ihren Alleingesellschafter aufgrund seiner Stellung als Alleingesellschafter der Geschädigten auch persönlich trifft, rechtfertigt nicht, die gesellschaftsrechtliche Selbstständigkeit von Schädiger und Geschädigtem bei der Bestimmung des Dritten unberücksichtigt zu lassen. Gleiches gilt für den an einer teilrechtsfähigen Personengesellschaft beteiligten Geschädigten.205 Insoweit unterscheidet sich diese Konstellation von derjenigen, in denen der Schädiger an einer nicht rechtsfähigen Personenmehrheit beteiligt ist (Rn. 79).206
C. Ziff. 1.2 AHB I. Sinn und Zweck 82 Die Erfüllungsschadensregelung in Ziff. 1.2 AHB dient in den Fällen, in denen zwischen dem VN und dem Geschädigten Vertragsbeziehungen bestehen, der Abgrenzung zwischen dem nicht versicherten Äquivalenzinteresse und dem versicherten Integritätsinteresse. Ziff. 1.2 AHB stellt zugleich klar, dass die Haftpflichtversicherung den VN nicht vor Ansprüchen schützen soll, die auf Ausgleich des Äquivalenzinteresses gerichtet sind, sondern nur vor solchen, die ausschließlich dem Ausgleich des Integritätsinteresses dienen.207 Dementsprechend werden in Ziff. 1.2 (1) bis (6) alle vertraglichen und gesetzlichen Schadensersatzforderungen vom Versicherungsschutz ausgenommen, die auch ein unmittelbares Interesse am vertraglichen Leistungsgegenstand selbst umfassen.208
II. Rechtsnatur 83 Ausgehend von dem zuvor beschriebenen Zweck der Erfüllungsschadensregelung handelt es sich bei Ziff. 1.2 AHB nicht um eine sekundäre Risikobegrenzung in Form eines Ausschlusses, sondern um eine Regelung auf der Ebene der primären Risikobegrenzung, die Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ergänzt209 Folgerichtig hat die Klausel Eingang in Ziff. 1 AHB („Gegenstand der Versiche202 Vgl. Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 124. 203 Vgl. LG Erfurt 16.12.1999 – 1 S 282/99, BeckRS 2008 14747; LG Oldenburg 23.7.1996 – 9 S 496/96, VersR 1997 869, 870; LG Coburg 14.10.1994 – 3 S 93/94, NZV 1995 195; AG Bayreuth 25.11.1985 – 1 C 364/85, NJW-RR 1986 459; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 331. 204 LG Magdeburg 20.12 2016 – 2 S 227/16, RuS 2017 97, 98. 205 Langheid/Wandt/Littbarski § 100 VVG Rn. 74; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 331. 206 Für die Frage, wie die Rechtslage ist, wenn nachträglich eine Identität zwischen VN und geschädigtem Dritten eintritt (Konfusion), s. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 144 ff. 207 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 51; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 63. 208 St. Rspr., vgl. BGH 28.9.2011 – IV ZR 170/10, NJW-RR 2012 103, 104; BGH 19.11.2008 – V ZR 277/05, NJW-RR 2009 381, 382. 209 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 60; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 47; Thürmann/Kettler/ Kettler 212; so bereits zu § 4 I Ziff. 6 Abs. 3 AHB a.F. Späte § 4 Rn. 170; Littbarski AHB § 1 Rn. 37; Kuwert Rn. 4210; Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.057; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 59 und G 259; a.A. Rüffer/Halbach/ Koch
62
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
rung“) und nicht unter Ziff. 7 AHB („Ausschlüsse“) gefunden. Die Unterscheidung ist vor allem von Bedeutung für die Beweislast, da diese von Ebene zu Ebene wechselt. Der VN hat zu beweisen, dass der Sachverhalt, aus dem er seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung herleitet, unter die primäre Risikoabgrenzung fällt.210 Demgegenüber hat der VR den Beweis für das Eingreifen eines Risikoausschlusses zu führen.211
III. Reichweite von Ziff. 1.2 AHB 1. Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche, Schadensersatz statt der Leistung (Ziff. 1.2 (1) AHB) a) Anknüpfung an die vertragsrechtliche Einordnung der namentlich aufgeführten 84 Rechtsbehelfe. Gem. Ziff. 1.2 (1) AHB besteht kein Versicherungsschutz für Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung sowie auf Schadensersatz statt der Leistung. Bei diesen Rechtsbehelfen handelt es sich um – für den VN erkennbar – festumrissene Begriffe der Rechtssprache,212 die im Allgemeinen und Besonderen Schuldrecht verankert sind, so dass anzunehmen ist, „dass darunter auch die AVB nichts anderes verstehen wollen und der VN hinnimmt, was ihm über die Rechtssprache vorgegeben wird.“213 Dies gilt insbesondere auch für den Begriff „Schadensersatz statt der Leistung“, der im Gegensatz zu dem in Ziff. 1.1 Satz 1 AHB verwendeten Begriff „Schadensersatz“ in seinen Konturen festgelegt ist.214 Die Begriffe Nacherfüllung, Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz statt der Leistung beziehen sich vor allem auf die Regelungskonzepte des Kauf- und Werkvertragsrechts (§§ 437 und 634 BGB). Für Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen,215 Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, 85 Rücktritt und Minderung besteht nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB von vornherein kein Versicherungsschutz, weil es sich nicht um gesetzliche Haftpflichtbestimmungen handelt.216 Zudem sind sie nicht auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadensereignis gerichtet. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung hat der Gläubiger gem. § 280 Abs. 3 BGB 86 nur unter den Voraussetzungen der §§ 281 Abs. 1, 282, 283 BGB sowie nach § 311a Abs. 2 BGB.217 § 281 Abs. 1 BGB kommt zur Anwendung bei im Wege der Nacherfüllung behebbaren Leistungsstörungen (Nichtleistung, Schlechtleistung, Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten). Bei unbehebbaren Leistungsstörungen (Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit i.S.v. § 275 BGB) kommt es auf den Zeitpunkt ihres Auftretens an: War das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 39 f.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 447 (nur Ausschluss von Erfüllungsansprüchen ist deklaratorisch); Beckmann/MatuscheBeckmann/Schneider § 30 Rn. 28 („vornehmlich deklaratorisch[.]“); bereits zu § 4 I Ziff. 6 Abs. 3 AHB a.F. Wussow § 1 Anm. 68; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 57; Schimikowski RuS 2005 445, 446. 210 Vgl. nur Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 56; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 449. 211 Vgl. z.B. BGH 16.6.1999 – IV ZR 44/98, NVersZ 1999 476, 477; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 56; Späte/ Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 449. 212 A.A. Schimikowski RuS 2020 191, 193; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 462: „Die dort verwandten Begriffe der Rechts- oder Alltagssprache können nicht zulasten des VN über ihren Wortsinn ausgelegt werden.“. 213 BGH 8.5.2013 – IV ZR 174/12, RuS 2013 334 Rn. 12; vgl. auch BGH 25.5.2011 – IV ZR 17/10, VersR 2011 1179 Rn. 14; BGH 29.10.2008 – IV ZR 128/07, VersR 2009 216 Rn. 13; BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, VersR 2007 939 Rn. 12; BGH 17.1.2007 – IV ZR 124/06, VersR 2007 535 Rn. 14. 214 A.A. Schimikowski RuS 2020 191, 193. 215 Vgl. auch LG Köln 12.3.2008 – 20 O 214/07, RuS 2009 107 (zum nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB fortbestehenden Werklohnanspruch trotz Ausbleibens der Gegenleistung). 216 Vgl. OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 23; OLG Karlsruhe 31.10.2013 – 9 U 84/12, RuS 2014 170. 217 A.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 1 Rn. 407. 63
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
unbehebbar, gilt § 311a Abs. 2 BGB. Wird das Leistungshindernis zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang unbehebbar, gilt § 283 BGB. § 282 BGB betrifft die Fälle, in welchen der Schuldner eine Schutzpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die (für sich genommen fehlerfreie) Leistung des Schuldners nicht zugemutet werden kann.218 Wie die Formulierung Schadensersatz „statt der Leistung“ zum Ausdruck bringt, bezweckt der Anspruch den Ausgleich des Äquivalenzinteresses, so dass es sich bei den vorgenannten Anspruchsgrundlagen ebenfalls nicht um gesetzliche Haftpflichtbestimmungen handelt
87 aa) Abgrenzung zwischen Anspruch auf Schadensersatz statt und neben der Leistung. Die Trennlinie zwischen dem nicht versicherten Äquivalenz-/Erfüllungsinteresse und dem versicherten Integritätsinteresse verläuft im Grundsatz parallel zur Abgrenzung des Schadens statt und des Schadens neben der Leistung. Welche Schadenspositionen statt und neben der Leistung ersatzfähig sind, soll anhand nachstehender Haftungsszenarien in den Blick genommen werden.
88 (1) Schutz des Integritätsinteresses als vertragliche Hauptleistungspflicht/leistungsbezogene Nebenpflicht. Der Anspruch auf Schadensersatz (neben der Leistung) nach § 280 Abs. 1 BGB, zu dem der Gläubiger bei Verletzung einer Schutzpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB (z.B. in Verbindung mit § 437 Nr. 3 oder § 634 Nr. 4 BGB) berechtigt ist, umfasst Schäden, die aufgrund eines Sach- oder Werkmangels entstanden sind und die durch eine (gedachte) Nacherfüllung nicht hätten verhindert werden können. Hierzu zählen sowohl mangelbedingte Personen- und Sach(folge)schäden als auch reine Vermögensschäden des Gläubigers.219 In den Fällen, in denen die Pflicht zum Schutz des Integritätsinteresses die Hauptleistungs89 pflicht (z.B. Vertrag über Bewachung eines Gebäudes, Vertrag über ärztliche Behandlung, Beratungsvertrag) oder eine leistungsbezogene Nebenpflicht ist (z.B. Malermeister, der vertraglich dazu verpflichtet ist, die Wohnungseinrichtung vor Beginn der Malerarbeiten mit Planen abzudecken), bestimmt sich im Fall der Schlechtleistung der Anspruch nach § 281 Abs. 1 BGB,220 weil es auch hier um den Ausgleich des Äquivalenzinteresses innerhalb einer bestehenden Vertragsbeziehung geht und eine Nacherfüllung auch in diesen Fällen nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Für diese aus der Verletzung der Pflicht zum Schutz des Integritätsinteresses resultierenden Schäden besteht nach Ziff. 1.2 (3) AHB kein Versicherungsschutz (Rn. 130).
90 (2) Weiterfresserschäden und Nacherfüllungsbegleitsachschäden. Sachschäden an der Kaufsache/am Gewerk infolge von Weiterfressermängeln („Weiterfresserschäden“) sind als Schaden statt der Leistung ersatzfähig.221 In diesem Fall kann es zu einer Überschneidung mit dem Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB kommen, der jedoch nicht von Ziff. 1.2 (1) AHB, sondern von Ziff. 1.2 (6) AHB (Rn. 135 f.) erfasst wird. Werden dem Käufer oder Besteller gehörende Gegenstände oder Gewerke anderer Unternehmer bei den Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels bei Gelegenheit beschädigt, ohne dass dies zur Mangelbeseitigung unver218 Zur systematischen Bedeutung der §§ 281–283 und des Verhältnisses der Vorschriften untereinander s. MüKoBGB/Ernst § 281 Rn. 1 ff. 219 Vgl. BGH 7.2.2019 – VII ZR 63/18, VersR 2019, 833 Rn. 32 (zum Werkvertrag); BGH 22.2.2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 224 271 Rn. 58; BGH 16.2.2017 – VII ZR 242/13, NJW 2017 1669 Rn. 23 (jew. zum Architektenvertrag); vgl. auch BGH 28.2.2018 – VIII ZR 157/17, NJW 2018 1746 Rn. 21 (zum Mietvertrag); BGH 19.6.2009 – V ZR 93/08, BGHZ 181 317 = NJW 2009 2674 Rn. 12 ff. (zum Nutzungsausfall beim Kaufvertrag). 220 A.A. RegE BTDrucks. 14/6040 S. 225; Staudinger/Schwarze (2019) § 282 Rn. 12 § 280 Rn. C39; § 281 Rn. A22. 221 BeckOK BGB/Faust BGB § 439 Rn. 37; MüKoBGB/Westermann § 439 Rn. 11 f.; Erman/Grunewald § 439 Rn. 3; Staudinger/Matusche-Beckmann (2014) § 439 Rn. 38 ff. Koch
64
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
meidlich war (Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.w.S.), handelt es sich um Schäden neben der Leistung, deren Ersatz nach § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB geschuldet wird.222 Der Ausschluss gem. Ziff. 1.2 (1) AHB greift nicht ein. Dagegen fallen Sachschäden an der Kaufsache/ am Gewerk oder am sonstigen Eigentum des Käufers/Bestellers, die zwangsläufig im Zuge der Nacherfüllung entstehen, weil sie zur Durchführung der Mangelbeseitigung unvermeidlich sind (Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.e.S.), unter Ziff. 1.2 (1) AHB.223 So liegt der Fall, wenn – der Putz und der Anstrich beschädigt werden, um unter Putz verlegte Leitungen auszutauschen; – beim Austausch mangelhafter Kondensatoren, die auf Leiterplatten montiert sind, benachbarte an sich mangelfreie weitere Bauteile beschädigt werden und mit ersetzt werden müssen; – Außenanlagen abgerissen werden müssen, um die Kellerabdichtung zu erneuern.224 In diesen Konstellationen haftet der Verkäufer/Werkunternehmer nicht wegen einer Eigentumsverletzung, wenn der Käufer/Besteller Nacherfüllung verlangt hat. Es fehlt an der Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung/des Sachschadens.
(3) Nutzungsausfall. Bei Schäden wegen Nutzungsausfalls (z.B. entgangener Gewinn) ist zu 91 unterscheiden: Treten sie zu einer Zeit ein, zu der eine Nacherfüllung möglich ist und ein Nacherfüllungsanspruch noch besteht, handelt es sich der Sache nach um Schäden wegen Verzögerung der geschuldeten Leistung (Lieferung der mangelfreien Sache, Herstellung des mangelfreien Werkes).225 Die Ersatzfähigkeit solcher Schäden soll nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch nicht vom Erfordernis des Verzuges abhängig sein und fällt deshalb nicht unter § 286 BGB, sondern als Schadensersatz neben der Leistung unter § 280 Abs. 1 BGB.226 Nach dem Ausbleiben der Nacherfüllung entstehende Nutzungsausfallschäden sind nach § 281 Abs. 1 BGB ersatzfähig, weil sie im Wege der Nacherfüllung hätten beseitigt werden können.227 Unabhängig von der dogmatischen Einordnung ändert dieser Befund aber nichts daran, dass auch die aus der mangelhaften Lieferung/Leistung resultierenden Nutzungsausfallschäden nur dem Ausgleich des Äquivalenzinteresses dienen und es insoweit an einer Inanspruchnahme von einem Dritten aufgrund einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung i.S.v von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB fehlt. Im Übrigen lassen sich solche Schäden unter Ziff. 1.2 (3) AHB und/oder unter Ziff. 1.2 (5) AHB subsumieren.
bb) Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Kauf- und Werkvertrag. Am 92 Beispiel von Kauf- und Werkverträgen, die für den typischen VN in der Betriebshaftpflichtversicherung besonders bedeutsam sind, sollen die als Schadensersatz statt oder neben der Leistung ersatzfähigen Schäden näher in den Blick genommen werden. (1) Kaufvertrag. Zu den Schäden, die im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz statt der 93 Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB ersatzfähig sind, zählen beim Kaufvertrag der mangelbedingte
222 Vgl. BeckOGK-BGB/Preisser § 635 Rn. 50, 57. 223 BeckOK BGB/Faust § 439 Rn. 78; BeckOGK-BGB/Höpfner § 439 Rn. 89; BeckOGK-BGB/Preisser § 635 Rn. 50, 57; a.A. OLG Saarbrücken – 4 U 52/12, NJW-RR 2013 1388; OLG Saarbrücken – 1 U 467/06, NJW 2007 3503, 3505. 224 Beispiele von Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 154. 225 BGH 19.6.2009 – V ZR 93/08, BGHZ 181 317 = NJW 2009 2674 Rn. 12 ff.; BeckOK BGB/Faust BGB § 437 Rn. 81. 226 BTDrucks. 14/6040 S. 225. 227 BeckOK BGB/Faust § 437 Rn. 78. 65
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Minderwert, die Kosten der (fiktiven)228 Mangelbeseitigung sowie etwa nach dem Ausbleiben der Nacherfüllung verbleibende Nutzungsausfallschäden. Ersatzfähig sind die Kosten für das Ausbauen, Abnehmen, Freilegen oder Entfernen mangelhafter Erzeugnisse, nicht hingegen die Kosten des Wiedereinbauens, Anbringens, Verlegens oder Auftragens mangelfreier Sachen, da der Verkäufer hierzu im Rahmen der Nacherfüllung nicht vertraglich verpflichtet ist.229 Diese Kosten sind nur als Schadensersatz neben der Leistung ersatzfähig, wenn der Verkäufer seine Vertragspflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache verletzt und dies zu vertreten hat (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB).230 Da es sich bei diesen Kosten nur um einen Vermögensschaden handelt, besteht nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB jedoch kein Versicherungsschutz. Im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung sind ferner die in § 439 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit der Mangelfeststellung (z.B. Einschaltung eines Gutachters, eines Sachverständigen oder einer Reparaturwerkstatt) ersatzfähig.231 Hat sich der Mangel seit Gefahrübergang verschlimmert oder auf andere Teile der Kaufsa94 che ausgedehnt („Weiterfresserschaden“), so sind die daraus resultierenden Schäden im Rahmen der Nacherfüllung zu beseitigen232 und somit im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung ersatzfähig. Ein solcher Fall der Überschneidung von Äquivalenz- und Integritätsinteresse liegt auch bei den zwangsläufig mit der Nacherfüllung verbundenen (Begleit-)Sachschäden vor (Rn. 90). Zu den Schäden statt der Leistung zählen auch die Kosten eines Deckungsgeschäfts.233 95 Bei mangelhaften Sachen, die der Käufer verarbeitet oder mit deren Hilfe er andere Sachen herstellt, zählen zu den Schäden statt der Leistung die nutzlos aufgewendeten Kosten für die Verarbeitung oder Herstellung. Hat der Käufer die mangelhaften Sachen weiterveräußert und wird von seinem Abkäufer deswegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen, ist dieser Haftungsschaden als Schaden neben der Leistung ersatzfähig.234 Da es sich nur um einen Vermögensschaden handelt, besteht nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB jedoch kein Versicherungsschutz.
(2) Werkvertrag 96 (a) Ermittlung des geschuldeten Vertragsleistung. Beim Werkvertrag muss für die Unterscheidung zwischen den vom Schadensersatz statt der Leistung erfassten Schäden und den im Wege des Schadensersatzes neben der Leistung zu ersetzenden Schäden zunächst die geschuldete Vertragsleistung durch Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt werden.235 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich bei Werkverträgen (§ 631 BGB) – anders als bei Kaufverträgen (§ 433 BGB) und bei Verträgen über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (§ 650 BGB) – der vertraglich geschuldete Erfolg nicht allein nach der zu 228 Vgl. BGH 13.3.2020 – V ZR 33/19, ZIP 2020 1073 Rn. 7; BGH 11.12.2015 – V ZR 26/15, BauR 2016 1035 Rn. 21; BGH 29.4.2015 – VIII ZR 104/14, zfs 2015 625 Rn. 12; BGH 15.6.2012 – V ZR 198/11, BGHZ 193 326 Rn. 31; BGH 4.4.2014 – V ZR 275/12, BGHZ 200 350 Rn. 33; a.A. für das Werkvertragsrecht BGH 8.10.2020 – VII ARZ 1/20, NJW 2021 53 Rn. 20 ff.; BGH 22.2.2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218 1 Rn. 31 ff. 229 BGH 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014 2183 Rn. 27. 230 BGH 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014 2183 Rn. 29; BGH 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195 135 = NJW 2013 220 Rn. 11; Grüneberg/Weidenkaff § 437 Rn. 12. 231 Vgl. BGH 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, NJW 2019 299 Rn. 87; BGH 30.4.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201 83 = NJW 2014 2351 Rn. 16; vgl. auch BeckOGK-BGB/Höpfner § 439 Rn. 51.1; Erman/Grunewald § 439 Rn. 8. 232 OLG Karlsruhe – 12 U 22/20, RuS 2020 570, 572; BeckOK BGB/Faust § 439 Rn. 34; BeckOGK-BGB/Höpfner § 439 Rn. 85; BeckOGK-BGB/Riehm § 280 Rn. 301; Erman/Grunewald § 439 Rn. 3; MüKoBGB/Westermann § 439 Rn. 11 f.; Staudinger/Matusche-Beckmann (2014) § 439 Rn. 38 ff. 233 BGH 3.7.2013 – VIII ZR 169/12, NJW 2013 2959 Rn. 27; OLG München 5.12.2019 – 23 U 2136/18, BB 2020 592, 596. 234 A.A. BeckOK BGB/Lorenz § 281 Rn. 43. 235 BGH 7.2.2019 – VII ZR 63/18, BGHZ 224 271 Rn. 32. Koch
66
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart bestimmen lässt, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Der BGH hat deshalb einen Mangel bejaht, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Herstellung eines Werks nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt.236 Das gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden sind. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit.237 Nach Ermittlung der geschuldeten Leistung ist wiederum zu untersuchen, ob der Schaden 97 durch eine (gedachte) Nacherfüllung hätte beseitigt oder abgewendet werden können.238 Als Schaden statt der Leistung ersatzfähig sind somit die für die ordnungsgemäße Mängelbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten oder der mangelbedingte Minderwert des Werkes, der sich bei nicht durchgeführter oder (teilweise) fehlgeschlagener Mängelbeseitigung ergibt.239 Zu den Mangelbeseitigungskosten zählen auch Kosten für Vorbereitungs-, Neben- und Nacharbeiten, wie z.B. Erdarbeiten, Maurer-, Putz-, Maler- oder Reinigungsarbeiten, die erforderlich sind, um den vor der Mangelbeseitigung bestehenden Zustand wieder herzustellen.240 Entsprechendes kann für zusätzlichen Aufwand gelten, der durch eine erneute Ausschreibung und die infolge der Mängelbeseitigung erforderliche Koordination von Arbeiten entsteht.241 Nach Ansicht des VII. Zivilsenats des BGH darf der Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden.242 Ähnlich wie beim Kaufvertrag (Rn. 93) werden vom Anspruch auf Schadensersatz statt der 98 Leistung auch solche Schäden umfasst, die im Zuge der Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung am Gewerk oder am sonstigen Eigentum des Bestellers entstehen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Unternehmer ein neues Werk hergestellt oder Reparaturarbeiten an einem bereits im Eigentum des Bestellers stehenden Vertragsgegenstand ausgeführt hat. Zu den Schäden statt der Leistung zählen auch solche, die dadurch entstehen, dass im Rahmen eines Gesamtauftrages einzelne, schon abgenommene Teilgewerke bei Ausführung bzw. Nachbesserung eines späteren Gewerks beschädigt werden.
(b) Abgrenzung zwischen Schadensersatz statt und neben der Leistung am Beispiel 99 des Wartungsvertrages. Sehr instruktiv zur Abgrenzung von Schäden statt und Schäden neben der Leistung ist das Urteil des Werkvertragssenats des BGH vom 7.2.2019, das Wartungsarbeiten zum Gegenstand hatte.243 Der Besteller beauftragte den Betreiber einer Kfz-Werkstatt mit der Wartung seines Kfz. Im Zuge dieser Wartung tauschte der Unternehmer den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen aus. Als kurz darauf Probleme an der Lenkung auftraten, ließ der Besteller den Wagen in eine andere Werkstatt abschleppen, weil die War-
236 237 238 239 240
BGH 8.11.2007 – VII ZR 183/05, NJW 2008 511 Rn. 15. BGH 8.11.2007 – VII ZR 183/05, NJW 2008 511 Rn. 15. BGH 7.2.2019 – VII ZR 63/18, BGHZ 224 271 Rn. 18. Vgl. nur BGH 22.7.2010 – VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 11 = NJW 2010, 3085. BGH 7.11.1985 – VII ZR 270/83, BGHZ 96 221, 224 f. = NJW 1986 922; BGH 10.4.2003 – VII ZR 251/02, NJW-RR 2003 878, 879. 241 KG 1.2.2019 – 21 U 70/18, NJW-RR 2019, 917 Rn. 35. 242 BGH 22.2.2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218 1 Rn. 31 ff.; vgl auch BGH 8.10.2020 – VII ARZ 1/20, NJW 2021 53 Rn. 20 ff. 243 BGH 7.2.2019 – VII ZR 63/18, BGHZ 224 271 Rn. 21 ff. 67
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
tungswerkstatt Betriebsferien hatte. Dort wurde festgestellt, dass der Keilrippenriemen gerissen war, weil der Wartungsunternehmer diesen nicht richtig gespannt hatte. Der aus diesem Grund gerissene Riemen hatte sich um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Der Besteller ließ Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine in der anderen Werkstatt ersetzen, ohne vorher den Wartungsunternehmer zur Nacherfüllung aufgefordert zu haben und verlangte von ihm die Kosten ersetzt. 100 Der BGH stellte fest, dass die Werkstatt nach dem Inhalt des Wartungsvertrages neben der Überprüfung des Kfz auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit im vereinbarten Umfang auch die Aufdeckung etwaiger Schäden der geprüften Bereiche schuldete. Hierzu zählte auch der Austausch von Verschleißteilen (Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen). Deshalb könne Ersatz für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens nur als Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 634, 280 Abs. 1, 281 BGB verlangt werden. Der erforderliche erneute Austausch wäre von der Nacherfüllungspflicht erfasst gewesen.244 Anders stelle sich die Rechtslage hinsichtlich der (vor der Wartung unbeschädigten) Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe dar. Hier gehe es nicht um die Nacherfüllung der Wartung oder der vereinbarten Austauscharbeiten und hierdurch erforderlich werdende Maßnahmen, sondern um die Beseitigung weiterer, aufgrund der mangelhaften Werkleistung eingetretener Schäden am Kfz. Diese Schäden seien ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung als Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig.245
101 (c) Beispiele für als Schadensersatz neben der Leistung ersatzfähige Schäden. Im Rahmen des Schadensersatzes neben der Leistung ersatzfähig sind z.B. Schäden am Holzfußboden wegen undicht ausgeführtem Rohrleitungseinbau bei einer Heizungsinstallation,246 Nässeschäden an Tapete und Teppichboden wegen mangelhafter Außenisolierung eines Bungalows,247 Wasserschäden wegen eines nicht ordnungsgemäß abgedichteten Flachdachs in den darunter liegenden Räumen,248 Wasserschäden in Böden, Wänden und Decken nach Bruch fehlerhaft installierter Heizkörper,249 oder infolge Dichtungsmangels an dem eingebauten Heizungs- und Warmwassergerät.250 Bei dem gegen den Architekten gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Mängeln des Bauwerks, die auf seine Planungs- oder Überwachungsfehler zurückzuführen sind, handelt es sich ebenfalls um einen Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, denn die Mängel des Bauwerks können nicht durch Nacherfüllung der Architektenleistung noch beseitigt werden.251 102 Weitere Beispiele für Schäden neben der Leistung sind Brandschäden an einem Fabrikgebäude nach mangelhaft installiertem Brennofen infolge eines Bruchs der Ölzuleitung,252 Brandund Löschwasserschäden auf einem Binnenschiff nach fehlerhaftem Einbau einer Heizung,253 Beschädigung von Gegenständen nach Absturz eines fehlerhaft befestigten Hängeregals,254 Datenverlust infolge fehlerhafter Installation der Datensicherungsroutine,255 Folgen eines Ein-
244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 Koch
BGH 7.2.2019 – VII ZR 63/18, BGHZ 224 271 Rn. 34 ff. Staudinger/Peters (2019) § 634 Rn. 121. BGH 13.12.1962 – II ZR 197/60, NJW 1963 811, 812. BGH 15.3.1990 – VII ZR 311/88, NJW-RR 1990 786, 787. OLG Hamm 24.4.1990 – 26 U 171/89, NJW-RR 1990 981. BGH 22.2.1962 –VII ZR 205/60, BeckRS 1962 31189816. BGH 25.1.2018 – VII ZR 74/15, NJW 2018 944 Rn. 58. BGH 22.2.2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218 1 Rn. 24. BGH 13.4.1972 – VII ZR 4/71, NJW 1972 1195, 1196. BGH 17.5.1982 – VII ZR 199/81, NJW 1982 2244, 2245 f. BGH 22.3.1979 – VII ZR 133/78, NJW 1979 1651. BGH 2.7.1996 – X ZR 64/94, NJW 1996 2924, 2925. 68
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
bruchs nach fehlerhaftem Einbau einer Alarmanlage,256 Beschädigung eines Flugzeugs bei Notlandung, verursacht durch mangelhafte Reparatur der Tankanzeige257 und Mietausfall für den Vermieter einer mangelhaft errichteten Klinik.258
b) Ansatz der Rechtsprechung: Autonom-versicherungsrechtliche Auslegung der Erfüllungsschadensregelung aa) Ausgangspunkt für die autonom-versicherungsrechtliche Auslegung. Der Versiche- 103 rungssenat des BGH und die ihm folgenden Instanzgerichte haben die in § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB i.d.F. vor 2002 verwendeten Begriffe „Erfüllung von Verträgen“ und „an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung“, die Eingang in Ziff. 1.2 (1) und (6) AHB gefunden haben, als „eigenständige versicherungsrechtliche Begriffe“ qualifiziert, die losgelöst davon seien, wie die vom Geschädigten erhobenen Ansprüche vertraglich einzuordnen seien.259 Deshalb bestehe auch keine Voraussetzungsidentität. Eine Bindungswirkung des Haftpflichturteils könne es insoweit nicht geben.260 Was unter der vertraglichen Erfüllungsleistung und der an deren Stelle tretenden Ersatzleistung zu verstehen ist, sei danach zu beurteilen, „ob der Vertragspartner des VN sein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend macht (…). Dieses Interesse wird durch den Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmt (…).“261
Anlass für die eigenständige Begriffsbildung war die damalige Rechtsprechung des Werkvertragssenat des BGH, der zwischen Mangelschäden sowie „engen und entfernten“ Mangelfolgeschäden differenzierte. Enge Mangelfolgeschäden waren als Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung im Sinne von § 635 BGB a.F., entfernte Mangelfolgeschäden nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung ersatzfähig.262 Diese werkvertragliche Differenzierung, die vor allem für die kurze Verjährung gem. § 638 104 Abs. 1 BGB a.F. bedeutsam war, wollte der Versicherungssenat für die Deckung nicht mittragen, weil nach seiner Ansicht der Versicherungsschutz weitgehend wertlos wäre, wenn mit dem Werkmangel eng zusammenhängende Folgeschäden, die sich erst bei der Verwertung oder Durchführung des fehlerhaften Werkes durch den Besteller ergeben, als an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen wären. Der Versicherungssenat des BGH lehnte deshalb für die Haftpflichtversicherung eine an § 635 BGB a.F. anknüpfende Unterscheidung zwischen dem nicht versicherten Äquivalenz-/Erfüllungsinteresse und dem versicherten Integritätsinteresse ab.263
256 257 258 259
BGH 25.6.1991 – X ZR 4/90, NJW 1991 2418, 2419. BGH 8.12.1992 – X ZR 85/91, NJW 1993 923, 924 f. BGH 27.9.2007 – VII ZR 80/05, NZBau 2008 55 Rn. 22. BGH 28.9.2011 – IV ZR 170/10, VersR 2012 96 Rn. 9; BGH 19.11.2008 – IV ZR 277/05, NJW-RR 2009 381 Rn. 15; vgl. auch BGH 25.9.1985 – IVa ZR 183/83, BGHZ 96 29, 30 = RuS 1985 290; BGH 13.5.1981 – IVa ZR 96/80, BGHZ 80 284, 287 ff. = NJW 1981 1780; OLG Braunschweig 2.11.2020 – 11 U 191/19, BeckRS 2020 48363; OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 23; OLG Düsseldorf 19.10.2018 – I-4 U 10/18, VersR 2019 475, 479; OLG Zweibrücken 23.6.2014 – 1 U 120/13 RuS 2015 290; OLG München 16.4.2010 – 25 U 3436/09, BeckRS 2010 9797; OLG Karlsruhe 15.1.2009 – 12 U 197/08, VersR 2009 1218; wohl auch OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, VersR 2016 983. 260 BGH 19.11.2008 – IV ZR 277/05, NJW-RR 2009 381 Rn. 15. 261 BGH 29.9.2004 – IV ZR 162/02, RuS 2004 499, 501 = VersR 2005 110; vgl. auch BGH 28.9.2011 – IV ZR 170/10, VersR 2012 96 Rn. 10; BGH 19.11.2008 – IV ZR 277/05, NJW-RR 2009 381 Rn. 17; OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 23 f. 262 Vgl. dazu BGH 22.7.2010 – VII ZR 77/08, NJW-RR 2010 1604 Rn. 32 m.w.N. 263 BGH 13.5.1981 – IVa ZR 96/80, BGHZ 80 284, 287 ff. = NJW 1981 1780; vgl. auch BGH 25.9.1985 – IVa ZR 183/ 83, BGHZ 96 29, 30 = BGH RuS 1985 290. 69
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
105
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Ungeachtet des von § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB a.F. abweichenden Wortlauts und der Aufnahme des Rechtsbehelfs des Schadensersatzes statt der Leistung in Ziff. 1.2 (1) AHB knüpfen sowohl die Instanzgerichte264 als auch die versicherungsrechtliche Literatur265 weiterhin an die Rechtsprechung des BGH zu § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB a.F. – und damit einhergehend an das Gewährleistungsrecht vor der Schuldrechtsreform – zum Zwecke der Abgrenzung des nicht versicherten Äquivalenzinteresses vom versicherten Integritätsinteresse an.
bb) Kritik 106 (1) Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Auslegung von AVB. Die Herangehensweise der Rechtsprechung lässt sich mit den Grundsätzen der Auslegung von AVB nicht in Einklang bringen. Bei der Formulierung „Schadensersatz statt der Leistung“ handelt es sich um einen festumrissenen Begriff der Rechtssprache (Rn. 84), der nicht losgelöst davon ist, wie die vom Gläubiger erhobenen Ansprüche vertraglich einzuordnen sind. Die Abgrenzung zwischen dem nicht versicherten Äquivalenz-/Erfüllungsinteresse und dem versicherten Integritätsinteresse hat deshalb an dem Begriff des „Schadensersatzes statt der Leistung“ anzuknüpfen (Rn. 87 ff.).
107 (2) Kein Bedarf mehr an eigenständiger versicherungsrechtlicher Begrifflichkeit infolge der Schuldrechtsreform. Es besteht darüber hinaus infolge der Schuldrechtsreform auch kein Bedürfnis mehr dafür, auf eigenständige versicherungsrechtliche Begrifflichkeiten zurückzugreifen, weil die für die Abgrenzung zur positiven Vertragsverletzung bedeutsame Unterscheidung zwischen „engen“ und „entfernten“ Mangelfolgeschäden obsolet geworden ist. 108 Der Werkvertragssenat des BGH hat in seiner oben (Rn. 99 f.) erwähnten Grundsatzentscheidung vom 7.2.2019 hierzu festgestellt, dass nach der Reform des Schuldrechts, mit dem das Leistungsstörungsrecht vereinfacht und vereinheitlicht werden sollte, bei einer Pflichtverletzung in Form einer mangelhaften Werkleistung nur noch zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu unterscheiden ist. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB, so der BGH, „tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst damit das Leistungsinteresse des Bestellers. Er erfordert zunächst – vorbehaltlich der geregelten Ausnahmen – eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, um dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung, also zur Herstellung des mangelfreien Werks, zu geben. Demgegenüber sind gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB die über das Leistungsinteresse hinausgehenden Vermögensnachteile, insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst oder an dessen Vermögen, zu ersetzen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 225, 263).“
Nach diesem Urteil sind die nach früherem Recht als „entfernte“ und „nahe“ Mangelfolgeschäden behandelten Fälle nunmehr als Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig und werden von Ziff. 1.2 AHB nicht erfasst. Es besteht somit kein Grund mehr, an dem Dogma der Eigenständigkeit der versicherungsrechtlichen Begriffe „Erfüllung“ und „an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistung” festzuhalten. Stattdessen sollte die Rechtsprechung – wie hier vorgeschlagen – dem Wortlaut von Ziff. 1.2 (1) AHB Rechnung tragen und die Deckung (unter Berücksichtigung der Besonderheit bei Nutzungsausfallschäden, vgl. 264 Nicht so OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, VersR 2016 983. 265 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 51; vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 477 ff.; Piontek RuS 2019 388; Schimikowski RuS 2014 232, 233; OGH 26.1.2022 – 7 Ob 186/21k, BeckRS 2022 5416; OGH 25.1.2017 – 7 Ob 190/16s, VersR 2017 1361, 1362. Koch
70
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
Rn. 91) davon abhängig machen, ob der geltend gemachte Schaden statt oder neben der Leistung ersatzfähig ist. Hierdurch würde die Voraussetzungsidentität zwischen der Entscheidung im Schadensersatzprozess und der Entscheidung im Deckungsprozess (wieder-)hergestellt mit der Folge, dass die Entscheidung im Schadensersatzprozess Bindungswirkung entfaltet. Dies entspräche auch der Erwartungshaltung des VN. Wie sogleich anhand der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Erfüllungsschadensrege- 109 lung aufgezeigt wird, führt die autonom versicherungsrechtliche Einordnung der Begriffe „Erfüllung“ und „an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistung” im Vergleich zum Abstellen auf die vertraglichen Anspruchsgrundlagen im Übrigen nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das kann nicht verwundern, weil beide Ansätze die vertraglich geschuldete Leistung zum Ausgangspunkt ihrer Abgrenzung machen. Die Feststellung v. Rintelens, wonach ein Ausschluss nach Anspruchsgrundlagen viel zu weit führen und den Versicherungsschutz in diesem Bereich weitgehend entwerten würde,266 kann deshalb nicht bestätigt werden.
(3) Autonome versicherungsrechtliche und vertragsrechtliche Einordnung im Ver- 110 gleich. Die nachstehenden, chronologisch angeführten Urteile sind sämtlichst auf Basis der Rechtslage nach der Schuldrechtsreform (2002) ergangen. OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22: Die VN schuldete die komplette und funktionsfähige Errichtung einer altengerechten Wohnanlage nebst Tiefgarage. Aufgrund mangelhafter Abdichtung der Garagendecke kam es zu erheblichen Durchfeuchtungsschäden an der Bausubstanz der Tiefgarage, die das Gericht dem nach Ziff. 1.2 AHB nicht versicherten vertraglichen Erfüllungsbereich zuordnet. Anders verhält es sich bei den Leckageschäden an den in der Tiefgarage eingestellten Kfz. Diese, so das Gericht, liegen jenseits des Erfüllungsinteresses und sind daher als Mangelfolgeschäden grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfasst. Deren Beseitigung bedinge jedoch nicht die Nachbesserung bzw. Neuherstellung der undichten Abdichtungsfolie der Tiefgaragendecke einschließlich Vor- und Nacharbeiten. Nach werkvertragsrechtlicher Einordnung wären die mit der Nachbesserung bzw. Neuherstellung der undichten Abdichtungsfolie verbundenen Kosten als Schaden statt der Leistung nach Ziff. 1.2 (2) AHB ebenfalls nicht versichert. Bei den Leckageschäden an den Kfz geht es dagegen nicht um die Beseitigung von Mängeln der Tiefgarage. Es handelt sich um Schäden (der Eigentümer) neben der Leistung an ihren Kfz, für die vorbehaltlich des Eingreifens von Ausschlüssen Deckung besteht. OLG Köln 31.1.2019 – 9 U 72/18, RuS 2019 387: Die VN hatte den Auftrag, von ihrem Vertragspartner angelieferte Fassadenplatten zu lackieren. Nach der Lackierung verpackte sie die Platten bevor diese duchgetrocknet waren, weshalb die Platten verklebten. Beim Trennen der Platten lösten sich die Farboberflächen mit Holzfasern. Die Platten waren unbrauchbar. Das Gericht stellt fest, dass die ordnungsgemäße Trocknung der bearbeiteten Fassadenplatten zu den vertraglich geschuldeten Leistungen zählt, und ordnet die geltend gemachten Ansprüche, auch soweit sie die Schäden an den Platten betreffen, allesamt als Erfüllungsschäden ein.267 Wendet man die werkvertragsrechtliche Einordnung auf die gegen die VN geltend gemachten Ansprüche an, so hätte die VN, die die Lackierung der Platten schuldete, diese im Rahmen der Nacherfüllung erneut lackieren müssen, so dass es sich hinsichtlich dieser Schadensposition um einen Schaden statt der Leistung handelt. Gleiches gilt hinsichtlich der Substanzschäden, da diese durch die Trennung der verklebten Platten entstanden sind, die wiederum erforderlich war, um die Platten neuzulackieren. Bei den Substanzschäden handelt es sich insoweit um Schäden, die im Zuge der Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung zwangsläufig am Gewerk entstehen und deshalb als Schaden statt der Leistung zu qualifizieren sind, für die nach Ziff. 1.2 (1) AHB kein Versicherungsschutz besteht. 266 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 464. 267 A.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 51; Piontek RuS 2019 388. 71
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
OLG Düsseldorf 19.10.2018 – I-4 U 10/18, VersR 2019 475: Im Zuge der Errichtung eines Wasserkraftwerks wurde ein 6 km langer Zuflusstunnel zwischen dem Oberwasserbecken und dem Krafthaus gebaut. Nach Auftreten von Leistungsschwankungen wurde festgestellt, dass der Tunnel auf einer Länge von 70 m vollständig blockiert und die Tunnelkrone in einem Abschnitt von 8–10 m eingestürzt war. In der Folge wurde ein neuer Zuflusstunnel gebaut („Bypass-Tunnel“). Die mitversicherte GmbH, die mit der Herstellung, Lieferung und Montage der elektromechanischen Ausrüstung des Kraftwerks einschließlich der Installation eines Kontrollsystems und der Einweisung und Schulung des Betriebspersonals beauftragt war, wurde für die Kosten des „Bypass-Tunnels“ auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klägerin macht geltend, dass die GmbH es pflichtwidrig unterlassen habe, eine Wasserdruckanzeige bzw. Nettofallhöhenanzeige im Kontrollzentrum und einen Wasserdruckalarm bzw. Nettofallhöhenalarm im Kontrollraum vorzusehen, zu installieren und in Betrieb zu nehmen. Außerdem habe sie eine Untersuchung bei Inbetriebnahme des Kraftwerks pflichtwidrig unterlassen, sowie Untersuchungen nach einer Durchführung von Stromnetz-Konformitätsprüfungen pflichtwidrig unterlassen, die Betriebsanleitung mangelhaft erstellt, das Personal mangelhaft ausgebildet und die Ursachen einer Fehlermeldung vom Juni 2009 pflichtwidrig nicht aufgeklärt. Nach Ansicht des Gerichts sollten die von der GmbH zu erbringenden Leistungen nicht dazu bestimmt sein, einen Einbruch des Zuflusstunnels zu verhindern bzw. vorherzusagen. Deshalb gehe das von der Klägerin geltend gemachte Interesse weit über das Interesse am unmittelbaren Leistungsgegenstand hinaus. Nach werkvertragsrechtlicher Einordnung gilt nichts anderes, da die von der GmbH geschuldeten Serviceleistungen nicht die Errichtung des Zuflusstunnels zum Gegenstand hatten. OLG Köln 4.8.2015 – 9 U 91/14, VersR 2016 656: Nach Ansicht des Gerichts ist der Zahnarzt bei mangelhafter Einbringung des Zahnes auf das Implantat nicht zum Ausgleich der Kosten einer Ersatzvornahme nach §§ 280, 281 BGB verpflichtet, weil er keinen Werkerfolg schulde und ihn deshalb im Gegensatz zum Werkunternehmer auch keine Nacherfüllungspflicht treffe. Folglich sei das Erfüllungsinteresse nicht berührt und der VR eintrittspflichtig. Die Einordnung als Dienstvertrag entspricht § 630b BGB.268 Da § 281 BGB auch auf den Dienstvertrag Anwendung findet (§ 281 Abs 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 3 BGB), kommt es darauf an, ob der Schaden im Wege der Nacherfüllung beseitigt werden könnte. Diese Frage ist unabhängig davon, ob sich der Patient auf eine Nacherfüllung einlassen muss,269 zu bejahen, so dass bei dienstvertraglicher Einordnung ein nicht versicherter Schaden statt der Leistung vorliegt.270 OLG Zweibrücken 23.6.2014 – 1 U 120/13, RuS 2015 290: Das Gericht sieht den auf die zahnprothetische Behandlung gerichteten Vertrag zwischen Patient und Zahnarzt als Dienstvertrag an, behandelt aber die Erstattung der dem Geschädigten tatsächlich entstandenen Kosten für die Beseitigung und die anderweitige Neuherstellung des Zahnersatzes als eine an die Stelle der Erfüllungsleistung getretene Ersatzleistung, die vom Versicherungsschutz ausgenommen sei. Denn damit begehre der Krankenversicherer des Geschädigten, den Geschädigten wirtschaftlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der VN den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Es handele sich bei diesen Schadenspositionen nicht um Verlangen nach Schadensersatz neben, sondern statt der Leistung des VN, die dieser nicht wie geschuldet erbracht haben soll. Dieses vom Gericht auf Grundlage des „eigenständigen versicherungsrechtlichen Begriffs“ („an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung“) gefundene Ergebnis ist identisch mit dem Ergebnis der dienstvertraglichen Einordnung, da § 281 BGB auf den Dienstvertrag bei Schlechtleistung Anwendung findet. 268 Vgl. auch BGH 13.9.2018 – III ZR 294/16, BGHZ 219 298 = NJW 2018 3513 Rn. 15. 269 Verneinend OLG Jena 29. 5.2012 – 4 U 549/11, NJW 2012 2357, 2358; OLG Koblenz 21.11.2012 – 5 U 623/12, NJOZ 2013 1774. 270 OLG Koblenz 18.6.2009 – 5 U 318/09, VersR 2009 1542; Staudinger/Schwarze (2019) § 281 Rn. A24 und B118; Spickhoff/Spickhoff Medizinrecht 3. Aufl. (2018) BGB § 630b Rn. 3; nicht erörtert in BGH 13.9.2018 – III ZR 294/16, BGHZ 219 298 = NJW 2018 3513 Rn. 15. Koch
72
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
OLG Dresden 23.10.2013 – 7 U 548/13, VersR 2014 867:271 Die VN wurde mit der Heizungsund Trinkwasserinstallation in einem Gebäude beauftragt. Als die Heizungsinstallation bereits übergeben, abgenommen, in Betrieb genommen und bezahlt worden war, kam es zu Schäden bei Arbeiten an der Trinkwasserinstallation. Bei dem Schadensfall stand das Wasser im gesamten Gebäudeteil etwa 5 cm hoch. Der komplette Fußboden inklusive Fußbodenheizung und Dämmung musste entfernt werden, um den Schaden zu beseitigen. Der VR trug die Beseitigungskosten für den durch den Wasseraustritt entstandenen Schaden, nicht hingegen die Kosten für die Erneuerung der Fußbodenheizung. Nach Ansicht des Gerichts greift die Erfüllungsklausel nur für das die Trinkwasserinstallation betreffende Gewerk ein. Die durch das ausgetretene Wasser an dem Fußboden entstandenen Schäden seien ebenso wie die zur Schadensbeseitigung notwendig gewordene Erneuerung der Fußbodenheizung als Mangelfolgeschäden anzusehen und deshalb nicht von dem Risikoausschluss erfasst. Zwar seien die Fußbodenheizung und die Trinkwasserinstallation zeitgleich bei der VN in Auftrag gegeben worden. Es fehle jedoch an einem inneren Funktionszusammenhang zwischen den Leistungsgegenständen „Fußbodenheizung“ und „Trinkwasserinstallation“. Da die Arbeiten an der Fußbodenheizung mangelfrei erbracht und auch abgenommen worden seien, greife die Erfüllungsklausel nicht ein. Im Werkvertragsrecht beschränkt sich nach der (Teil-)Abnahme der Erfüllungsanspruch auf die Nacherfüllung der abgenommenen Werkleistung. Da zur Beseitigung der Mängel an der Trinkwasserinstallation die Erneuerung der Fußbodenheizung nicht erforderlich war, liegt kein Nacherfüllungsbegleitsachschaden i.e.S. vor. Es liegt auch kein Weiterfresserschaden vor, da es an der Stoffgleichheit (Rn. 93) fehlt. Insoweit ist der Schaden an der Fußbodenheizung nach Werkvertragsrecht als Schaden neben der Leistung zu qualifizieren und es bestünde Versicherungsschutz für den Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. BGH 28.9.2011 – IV ZR 170/10, VersR 2012 96: Die VN hatte gemeinsam mit einem anderen Unternehmen den Zuschlag u.a. für Brückenbauarbeiten im Zuge der Bundesstraße 269 erhalten. Beide Unternehmen schlossen sich daraufhin in Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zusammen und vereinbarten intern, dass im Rahmen jeweils selbständiger Nachunternehmerverträge die VN den Erd- und die Mitgesellschafterin den Betonbau übernehmen sollte. Nachfolgend beschädigte ein Mitarbeiter einer von der VN beauftragten Subunternehmerin bei Nassbaggerarbeiten eine Bohrpfahlwand, die nach der Behauptung der VN von der Mitgesellschafterin errichtet worden war. Unter anderem wegen dieses Schadens verweigerte der Auftraggeber die Abnahme des Gesamtbauwerks. Die VN beseitigte den Schaden an der Bohrpfahlwand selbst und verlangte von dem VR Ersatz der ihr dabei entstandenen Kosten. Der VR verweigerte Versicherungsleistungen u.a. unter Berufung auf die Erfüllungsschadensklausel. Der BGH gab dem VR Recht. Die von der VN vorgenommene Reparatur der Bohrpfahlwand erweise sich als Erfüllungsleistung. Nach werkvertraglicher Einordnung wären diese Kosten als Schaden statt der Leistung ebenfalls nicht gedeckt, da der Unternehmer nach § 633 BGB zur mängelfreien Herstellung des Werks verpflichtet ist. Diese Pflicht schließt bis zur Abnahme die Nachbesserung von Schäden ein. Hätte der Unternehmer seine Nachbesserungsbefugnis nach den §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 636 BGB verloren, hätte der Besteller – vor der Abnahme – Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB.272 OLG Frankfurt/M. 23.4.2010 – 7 U 271/08, RuS 2010 325:273 Der Geschädigte bestellte bei dem VN die Lieferung eines Fertigteilschwimmbeckens. Das Schwimmbecken wurde angeliefert. Die erforderliche Baugrube hatte der Geschädigte von einem lokalen Bauunternehmer ausheben lassen. Den anschließenden Einbau ließ der Geschädigte durch den von ihm beauftragten Bauunternehmer auf der Grundlage der seitens des VN erteilten Einbauanleitung – nämlich durch Verfüllen mit Schlämmsand – ausführen. Diese Verfüllmethode entsprach nicht den aner271 Vgl. auch OLG Karlsruhe 15.1.2009 – 12 U 197/08, VersR 2009 128; OLG Koblenz 10.10.1999 – 10 U 1052/98, RuS 2000 279. 272 Vgl. Staudinger/Peters (2019) § 633 BGB Rn. 103. 273 Vgl. auch LG Köln 9.7.1980 – 19 S 17/80, VersR 1981 177. 73
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
kannten Regeln der Technik. Sie führte dazu, dass am Schwimmbecken Schäden in Form eines Risses und Aufwölbungen entstanden. Der Geschädigte nahm daraufhin den VN u.a. auf Ersatz der Kosten für den Einbau eines neuen Schwimmbeckens in Anspruch. Das Gericht bejaht einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB und ordnet den Schaden als nicht gedeckten Erfüllungsschaden ein.274 Dies entspricht der aktuellen kaufrechtlichen Rechtslage. Nach § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen, wenn die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an diese angebracht wurde. OLG Köln 16.2.2010 – 9 U 127/09, BeckRS 2010 27715: Niederdruck-Ölkabel, deren Isolierumhüllung ölgetränkt ist, sollten von der VN bzw. eines ihrer mitversicherten Tochterunternehmen auf dem Gelände einer Firma verlegt werden. Die Kabel wurden von der Auftraggeberin auf drei Trommeln zu je 1000 m und einer Trommel zu 500 m bereitgestellt. Aufgrund von Fehlern beim Verlegen kam es nach Abschluss der Arbeiten zum Austritt von Öl. Die Isolierung war beschädigt und die Kabel waren deshalb unbrauchbar. Das Gericht lehnt Deckung ab, weil sich die Nacherfüllungsverpflichtung nicht nur darauf beziehe, die eigene mit Mängeln versehene Leistung nachträglich in einen mangelfreien Zustand zu versetzen. Sie umfasse auch alle Leistungen, die vorbereitend erforderlich sind, um die Mangelbehebung erst zu ermöglichen, sowie alle Leistungen, die notwendig werden, um nach durchgeführter Mangelbehebung den zuvor bestehenden Zustand wiederherzustellen. Vor Beginn der Werkleistung standen der Werkunternehmerin funktionsfähige Kabel zur Verarbeitung zur Verfügung, danach hingegen nicht mehr. Nach werkvertragsrechtlicher Einordnung wären die Kosten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes als Schaden statt der Leistung zu qualifizieren. BGH, 19.11.2008 – IV ZR 277/05, VersR 2009 107: Die VN hatte die B. GmbH bei dem Vorhaben zur Errichtung des zweiten Dienstsitzes des Bundesministeriums der Verteidigung als Generalplaner beauftragt. Aufgrund fehlerhafter Planung wurden Umplanungen notwendig, für die der Bauherr die VN in Anspruch nahm. Der VR ersetzte nur die durch die Fehlplanung erforderlich gewordenen Umbaumaßnahmen, also die Kosten für die Beseitigung der Schäden am Bauwerk selbst, nicht hingegen die Kosten für die Neu- und Umplanung. Bei der Neu- und Umplanung sei es allein darum gegangen, das Ziel der ursprünglichen Planungsleistungen zu erreichen, nämlich in allen drei von der Fehlplanung betroffenen Bereichen ein funktionsfähiges Gebäude. Damit mache die VN ihr unmittelbares Interesse am eigentlichen, vertraglich geschuldeten Leistungsgegenstand geltend. Die Entscheidung wäre aus den zuvor zum Urteil des BGH vom 28.9.2011 genannten Gründen nicht anders ausgefallen, wenn der BGH die werkvertragliche Einordnung vorgenommen hätte.
2. Nacherfüllungsbegleitsachschäden i.e.S. (Ziff. 1.2 (2) AHB) 111 a) Inhalt. Nach Ziff. 1.2 (2) AHB besteht kein Versicherungsschutz für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können. Es geht hier somit um Schäden an anderen Sachen, die zwangsläufig durch die Nacherfüllung eintreten.275 Zu diesen Schäden zählen auch Such-,276 Freilegungs-277 und Wiederherstellungskosten.278 Insoweit ist Ziff. 1.2 (2) AHB nach dem zuvor Gesagten überflüssig, weil für diese Schadenspositionen bereits nach Ziff. 1.2 (1) AHB keine De274 275 276 277 278 Koch
A.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 53. Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 516. OLG Koblenz 21.12.1998 – 10 W 841/98, RuS 2000 147. OLG Karlsruhe 31.10.2013 – 9 U 84/12, RuS 2014 170. BGH 20.11.1990 – IV ZR 229/89, RuS 1991 83. 74
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
ckung besteht. Folgeschäden an anderen Sachen oder Gewerken, die nicht zwangsläufig, sondern nur bei Gelegenheit bei der Nacherfüllung entstehen und für die der Verkäufer/Unternehmer nicht nach § 281 Abs. 1 und 3 BGB, sondern nach § 280 Abs. 1 und § 823 Abs. 1 BGB haftet (Rn. 90), werden nicht von Ziff. 1.2 (2) AHB erfasst.
b) Deckungserweiterung Mangelbeseitigungsnebenkostenklausel. Die Mangelbeseiti- 112 gungsnebenkostenklausel versichert im Wege der Deckungserweiterung bestimmte Schäden, die dem Ausgleich des Äquivalenzinteresses dienen und Gegenstand des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 BGB sind.279
aa) AVB BHV-BauNG. Beispielhaft sei die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für 113 die Betriebshaftpflichtversicherung für Baunebengewerbe (AVB BHV-BauNG)280 verwendete Klausel im Wortlaut wiedergegeben: A1-6.16 Mängelbeseitigungsnebenkosten 1
Versichert sind Ansprüche gegen den VN wegen Sachschäden, die als Folge eines mangelhaften Werkes auftreten. 2Versichert sind insoweit auch die Kosten, die erforderlich sind, um die mangelhafte Werkleistung zum Zwecke der Schadenbeseitigung zugänglich zu machen und um nach erfolgter Nachbesserung den vorherigen Zustand wiederherzustellen. 3Kein Versicherungsschutz besteht insofern für Kosten, die aufgewendet werden –
ausschließlich zur Nachbesserung, ohne dass ein Folgeschaden eingetreten ist oder
–
zur Beseitigung des Mangels an der Werkleistung selbst.
Für Ansprüche, die auf den Ersatz von Sachschäden gerichtet sind, besteht bereits nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB grundsätzlich Versicherungsschutz, so dass A1-6.16 Satz 1 AVB BHV-BauNG keine Erweiterung beinhaltet. Dagegen stellt A1-6.16 Satz 2 AVB BHV-BauNG eine Erweiterung dar, weil für diese als Schaden statt der Leistung ersatzfähigen Schadenspositionen nach Ziff. 1.2 (1) AHB keine Deckung besteht. Der VR hat ein Interesse daran, dass der Mangel, der Ursache für die Sachschäden ist, schnell beseitigt wird, um weitere (versicherte Sach-)Schäden zu vermeiden.281 Diesem Zweck dient A1-6.16 Satz 2 AVB BHV-BauNG. In der Praxis werden diese Kosten unter dem Stichwort „Mangelbeseitigungsnebenkosten“ schon immer als Versicherungsleistung erstattet, wenn ein Schaden vorliegt, der sinnvoll nur dann dauerhaft beseitigt werden kann, wenn zuvor das mangelhafte Gewerk des VN so repariert wird, dass kein weiterer Schaden entsteht.282 Es geht vor allem um solche Konstellationen, wie sie z.B. Gegenstand des Urteils des OLG 114 Rostock vom 31.5.2019 gewesen sind (Rn. 110). Infolge der mangelhaften Abdichtung der Tiefgaragendecke kam es dort zu Leckageschäden an den in der Tiefgarage eingestellten Kfz. Für die Schäden an den Kfz (neben der Leistung) besteht Deckung gem. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. Ersatzfähig sind nach A1-6.16 Satz 2 AVB BHV-BauNG auch die Kosten der Freilegung oberhalb der Tiefgarage für die Nachbesserung/Neuherstellung der undichten Abdichtungsfolie sowie die Kosten für die Wiederherstellung der oberhalb der Folie befindlichen Aufbauten und Bepflanzungen, weil
279 Vgl. BGH 20.11.1990 – IV ZR 229/89, RuS 1991 83; Schimikowski RuS 2012 105, 107; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 521 ff.; Lübben VersR 2020 1226. 280 Stand: Mai 2020, https://www.gdv.de/resource/blob/6162/a0ce454aeadec26ff87ae971355f107e/16-musterbedin gung-betriebshaftpflichtversicherung-baunebengewerbe-avb-bhv-baung-2020-data.pdf. Nach Beckmann/MatuscheBeckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 168 ist diese Klausel auch im Bauhauptgewerbe verbreitet. 281 Lübben VersR 2020 1226. 282 Lübben VersR 2020 1226; vgl. auch BGH 20.11.1990 – IV ZR 229/89, RuS 1992 83; OLG Hamm 28.1.2021 – 20 U 215/20, RuS 2021 393, 394; OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 23. 75
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
die undichte Folie die Leckageschäden verursacht hatte.283 Führt eine fehlerhafte Leitungsverlegung zu Rohrbrüchen, die eine Durchfeuchtung der Wände zur Folge haben, ist der (Sach)Schaden neben der Leistung ersatzfähig ist. Die Kosten für Wand- und Deckendurchbrüche, Wandschlitze, Verlegung von Fliesen, Maler- und Tapezierarbeiten, um an die schadhaften Leitungen zu gelangen und Wände sowie Decken anschließend wieder ordnungsgemäß zu verschließen, sind als Schaden statt der Leistung versichert.284 Ohne diese Klausel wären die Kosten als Bestandteil des Schadens statt der Leistung nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Ausgeschlossen sind nur die Kosten „zur Beseitigung des Mangels an der Werkleistung selbst“ (A1-6.16 Satz 3 AVB BHV-BauNG). 115 Ohne Bedeutung ist A1-6.16 AVB BHV-BauNG für den Fall, dass es zu Schäden an vom Werk verschiedenen Sachen kommt, die im Zuge der Nacherfüllung der geschuldeten Leistung bei Gelegenheit entstehen (Rn. 111). Bei diesen Schäden handelt es sich nicht um Schäden, die als Folge eines Mangels, sondern erst im Zuge der Beseitigung des Mangels eingetreten sind.285 Fraglich ist, ob die Klausel auch dann eingreift, wenn kein versicherter Sachfolgescha116 den eingetreten ist. Man denke an den Fall, dass sich die vertraglich geschuldete Werkleistung des VN (auch) auf den Schutz der von der Werkleistung betroffenen fremden Sache vor Schäden als Folge eines mangelhaften Werkes bezieht. Beispielhaft sei die fehlerhafte Installation einer Sicherheits- und Alarmanlage genannt. Gelingt der Einbruch, weil die Sicherheits- und Alarmanlage wegen des Fehlers versagt, umfasst der Anspruch des Bestellers gegen den VN auf Schadensersatz neben der Leistung auch die Schäden, die aus dem Diebstahl der Einrichtungsgegenstände resultieren. Sind Schäden durch Abhandenkommen von Sachen nicht versichert, besteht für diese Schäden keine Deckung. 117 Es stellt sich zudem die Frage, ob aufgrund der Klausel zumindest für die Kosten der Fehlersuche, der Freilegung von Leitungen und des erneuten Verputzens freigelegter Leitungen Versicherungsschutz besteht, die der VN im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung schuldet. Der Wortlaut der Klausel hat keinen versicherten Folgesachschaden zur Voraussetzung. Sinn und Zweck lassen eine Auslegung in beide Richtungen zu. An der Vermeidung weiterer Sachschäden hat der VR nur ein Interesse, wenn er erneut leisten müsste, was für das Erfordernis eines versicherten Sachfolgeschadens spricht. Andererseits hat der VN ein besonderes Interesse und Bedürfnis an der Fehlersuche, wenn der Sachfolgeschaden nicht versichert ist. Diese Unklarheit geht nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des VR, so dass für die Mangelbeseitigungsnebenkosten auch denn Deckung besteht, wenn der Sachfolgeschaden nicht versichert ist. Schäden an eigenen Sachen des VN müssen dabei unberücksichtigt bleiben.
118 bb) Formularpraxis. In der Formularpraxis wird oftmals vereinbart, dass Ansprüche gegen den VN versichert sind „wegen Schäden, die als Folge eines mangelhaften Werkes auftreten“.286 Abweichend von A1-6.16 Satz 1 AVB BHV-BauNG ist bei dieser Klauselfassung nicht Voraussetzung, dass es sich bei den Schäden, die als Folge eines mangelhaften Werkes auftreten, um einen Sachschaden handeln muss. Es genügt, wenn es zu einem Folgeschaden gekommen ist, der eine Mängelbeseitigung erforderlich macht. Gedacht sei an den Fall des unberechtigten Zugriffs auf persönliche Daten, der ermöglicht wurde durch fehlerhafte Wartung eines Rechenzent283 OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 25. 284 BGH 16.6.2010 – IV ZR 92/09, RuS 2011 284, 286; BGH 20.11.1990 – IV ZR 229/89, RuS 1991 83. 285 OLG Karlsruhe 31.10.2013 – 9 U 84/12, RuS 2014 170, 171; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_4 Ziff. 7.6.4 Rn. 6. 286 Vgl. Klauselfassung in BGH 19.12.2012 – IV ZR 258/12, zit. n. Harsdorf-Gebhardt, RuS 2014 440 f.; BGH 20.11.1990 – IV ZR 229/89, RuS 1991 83; OLG Hamm 28.1.2021 – 20 U 215/20, RuS 2021 393, 394; OLG Karlsruhe 16.7.2020 – 12 U 22/20, VersR 2020 1174, 1176; OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 24; KG 5.7.2019 – 6 U 113/17, VersR 2019 1418; OLG Karlsruhe 1.7.2004 – 12 U 117/04, VersR 2005 297; zu weitergehenden Klauseln s. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 534 ff. Koch
76
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
rums. Wird der Betreiber des Rechenzentrums von Kunden, für die er Datenverarbeitungsleistungen durchführt, deshalb auf Schadensersatz in Anspruch genommen, besteht für die Schadensersatzansprüche des Rechenzentrumsbetreibers gegen das Wartungsunternehmen (VN) gem. §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281 BGB Versicherungsschutz. Zudem sind Such-, Freilegungs- und Gutachterkosten zur Fehlerermittlung etc. gedeckt.287 Versichert ist auch möglicher Nutzungsausfall, der durch die Reparaturarbeiten des Wartungsunternehmers entsteht.288 Wie bei A1-6.16 AVB BHV-BauNG ist nicht Voraussetzung, dass es sich um einen versicherten Folgeschaden handeln muss.
cc) Reichweite der Mangelbeseitigungsnebenkostenklausel in Betriebshaftpflichtver- 119 sicherungsverträgen für General-/Hauptunternehmer. Höchstrichterlich ist bislang ungeklärt, ob der (Sach-)Schaden an Teilen außerhalb der Werkleistung des VN eintreten muss oder nicht. Bejahte man diese Frage, wäre die Klausel in Betriebshaftpflichtversicherungsverträgen für General-/Hauptunternehmer entwertet, weil mangelhafte Werkleistungen von Subunternehmern regelmäßig im eigenen Leistungsbereich des General-/Hauptunternehmers auftreten. Das LG Berlin hält einen (Sach-)Schaden an Teilen außerhalb der Werkleistung für erforderlich, weil die Formulierung „Folge eines mangelhaften Werkes“ Mangelfolgeschäden und nicht Mangelschäden erfasse und Mangelfolgeschäden sich nicht auf das Werk und dessen Mangelfreiheit bezögen, sondern weitere Gegenstände beträfen, die nicht Gegenstand der Werkleistung gewesen seien.289 Für diese Auslegung spricht, dass nach Satz 3 kein Versicherungsschutz besteht für Kosten, die zur Beseitigung des Mangels an der Werkleistung selbst aufgewendet werden. Da sich eine Beschränkung auf die Werkleistung des Subunternehmers dem Wortlaut nicht entnehmen lässt, muss sich die Beschränkung auf die Gesamtleistung des General-/Hauptunternehmers beziehen. Dagegen vertritt das OLG Rostock die Ansicht, dass sich dem Wortlaut der Mangelbeseiti- 120 gungsnebenkostenklausel nicht entnehmen lässt, dass der Schaden außerhalb der Werkleistung des VN auftreten muss und nur Freilegungs- und Wiederherstellungskosten in anderen Gewerken ersatzfähig sind.290 Ergänzend weist es auf § 305c Abs. 2 BGB und die mit einer einschränkenden Auslegung verbundene Entwertung der Klausel hin. Das OLG Karlsruhe legt in seinem Urteil vom 16.7.2020 die Mangelbeseitigungsnebenkostenklausel dahingehend aus, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung für Generalunternehmer mitversicherte Folgeschäden jedenfalls auch solche Mangelschäden an einem Gewerk innerhalb seiner Werkleistung seien, die durch einen Mangel in einem anderen, damit nicht in funktionalem Zusammenhang stehenden Gewerk des Unternehmers nach dem Zeitpunkt der Abnahme bzw. Abnahmereife hervorgerufen worden seien.291 Der Begriff des „Folgeschadens“, so das OLG Karlsruhe, sei weit gefasst und differenziere 121 nicht zwischen Vermögensschäden und Sachschäden und nehme keine bestimmten Folgeschäden wie z.B aus Betriebsunterbrechung, Produktionsausfall oder Mietausfall explizit vom Versicherungsschutz aus. Auch aus der Überschrift „Mangelnebenkosten“ ergebe sich nicht, dass die Erweiterung des Versicherungsschutzes durch die Bauunternehmerpolice auf Mangelfolgeschäden beschränkt sei. Bei der Herstellung eines Gebäudes seien alle Mängel, die infolge eines Anfangsmangels am Gebäude entstehen, „Weiterfressermängel“ in diesem Sinne, die im Rah287 OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16 RuS 2020 22, 24; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 1 AHB Rn. 44.
288 Vgl. OLG Karlsruhe VersR 2005 397, 399; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 1 AHB Rn. 47; ders. RuS 2012 105, 107 f.
289 LG Berlin 13.12.2011 – 7 O 446/10, BeckRS 2012 19702. 290 OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22, 25; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 527; Dancz VersR 2012 688, 691 f.; Krause-Allenstein IBR 2019 644. 291 OLG Karlsruhe 16.7.2020 – 12 U 22/20, VersR 2020 1174, 1176. 77
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
men des Nacherfüllungsanspruchs zu beseitigen seien. Unterfielen die dabei entstehenden Kosten dem Ausschlusstatbestand der „Mängelbeseitigung“, würde dies für den Versicherungsvertrag mit einem Generalunternehmer bedeuten, dass die durch die Mangelnebenkostenklausel bezweckte Erweiterung des Versicherungsschutzes weitgehend leerliefe, weil Schäden regelmäßig nur in dessen Leistungsbereich entstehen. Der Generalunternehmer dürfe deshalb die einschränkende Formulierung „des Mangels an der Werkleistung selbst“ dahin gehend verstehen, „dass der Versicherungsschutz nicht die (Nach-)Erfüllung zur Beseitigung der von ihm gesetzten Mangelursache umfasst, sich aber auf Mängel erstreckt, die an im Abnahmezeitpunkt als der maßgeblichen Zäsur zwischen Erfüllungsstadium und Gewährleistungsphase (…) mangelfreien Gewerken entstehen. Aus Sicht eines verständigen VN, der Generalunternehmer ist, tritt die Zusammenfassung der Gewerke in einem Werkvertrag jedenfalls in den Hintergrund, wenn zwischen diesen Gewerken bei natürlicher Lebensanschauung unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ein funktionaler Zusammenhang nicht gegeben ist.“292
122 An einem solchen funktionalen Zusammenhang fehle es bei den Gewerken „Sanitär“ und „Wärmedämmung“, so dass Versicherungsschutz für die Mangelnebenkosten besteht, wenn es zu einem Wasserschaden in der Hohlraumdämmschicht kommt. Die Verlegung der Wasserleitung und die Einbringung einer Hohlraumdämmung unterfielen unterschiedlichen Abschnitten der Bauleistung und bauten nicht aufeinander auf. Die anfallenden Kosten für Trocknung und Strom seien deshalb vom Deckungsschutz umfasst, weil sie der Beseitigung dieses Folgeschadens dienten.293 Nicht zuletzt mit Blick auf das Restriktionsprinzip294 lässt sich die vom OLG Karlsruhe vorgenommene Auslegung von Satz 3, der die Reichweite der Mangelbeseitigungsnebenkostenklausel einschränkt, vertreten, so dass zugunsten des VN § 305c Abs. 2 BGB eingreift.295
123 c) Deckungserweiterung Nachbesserungsbegleitschäden. Unabhängig vom Eintritt eines Folgeschadens bietet die Nachbesserungsbegleitschädenklausel im Wege der Deckungserweiterung Ersatz für Kosten, die erforderlich sind, um die mangelhafte Werkleistung zum Zwecke der Nachbesserung zugänglich zu machen und um nach erfolgter Nachbesserung den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Nutzungsausfallschäden sind nicht versichert. In der Praxis wird die Höchstersatzleitung begrenzt. Ziff. 1-6.17 AVB BHV-BauNG hat folgenden Wortlaut:296 A1-6.17 Nachbesserungsbegleitschäden 1 Versichert sind im Folgenden bestimmte Kosten, die nur zur gesetzlich geschuldeten Nachbesserung aufgewendet werden, ohne dass ein Sachschaden als Folge eines mangelhaften Werkes eingetreten ist. 2Versichert sind ausschließlich die Kosten, die erforderlich sind, um die mangelhafte Werkleistung zum Zwecke der Nachbesserung zugänglich zu machen und um nach erfolgter Nachbesserung den vorherigen Zustand wiederherzustellen. 3A1-3.2 a) findet insoweit keine Anwendung. 4Als Schadenereignis gem. A1-3.1 gilt der Zeitpunkt, in dem die Arbeiten abgeschlossen sind, die später die Nachbesserung erforderlich machen. 5Kein Versicherungsschutz besteht für diese Kosten, sofern – die Sachen, die zur Durchführbarkeit der Nachbesserungsarbeiten beschädigt oder beseitigt werden müssen, ursprünglich vom VN selbst oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten verlegt oder angebracht worden sind,
292 OLG Karlsruhe 16.7.2020 – 12 U 22/20, VersR 2020 1174, 1176. 293 OLG Karlsruhe 16.7.2020 – 12 U 22/20, VersR 2020 1174, 1176. 294 Vgl. BGH 26.2.2020 – IV ZR 235/19, NJW 2020 1743 Rn. 9, 14; BGH 20.7.2016 – IV ZR 245/15, VersR 2016 1184 Rn. 24. 295 Krit. Schimikowski RuS 2020 570, 574. 296 Zu weitergehenden Klauseln s. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 534 ff.; Lübben VersR 2020 1228, 1232; vgl. auch OLG Hamm 28.1.2021 – 20 U 215/20, RuS 2021 393, 394. Koch
78
C. Ziff. 1.2 AHB
– –
Ziff. 1 AHB 2016
sie sich auf sonstige Leistungen beziehen, die ursprünglich vom VN geschuldet waren, oder sie zur Beseitigung des Mangels an der Werkleistung selbst aufgewendet werden.
Abweichend von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB wird nach Ziff. 1-6.17 Satz 4 AVB BHV-BauNG als Versiche- 124 rungsfall nicht auf den Eintritt des Schadens abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Arbeiten abgeschlossen sind, die später die Nachbesserung erforderlich machen. Eine solche Regelung hat den Vorteil, dass – bei erfolgtem Versichererwechsel – eine klare Zuordnung möglich ist. Außerdem kann „Zweckabschlüssen“ begegnet werden: Die Vereinbarung der Nachbesserungsbegleitschadenklausel nach Durchführung (mangelhafter) Arbeiten nutzt dem VN nichts, weil der Versicherungsfall außerhalb der Vertragslaufzeit liegt.297 Wie sich im Umkehrschluss aus Ziff. 1-6.17 Satz 5 Spiegelstrich 1 AVB BHV-BauNG ergibt, 125 sind Schäden an Sachen, die zur Durchführbarkeit der Nachbesserungsarbeiten beschädigt oder beseitigt werden müssen, versichert, soweit diese Sachen nicht vom VN selbst oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten verlegt oder angebracht worden sind. Durch die Nachbesserungsbegleitschädenklausel werden somit Schäden statt der Leistung ersetzt, weshalb A1-3.2 a) AVB BHV-BauNG, der Ziff. 1.2 (1) AHB entspricht, „insoweit“ keine Anwendung findet. Aus Ziff. 1-6.17 Satz 5 AVB BHV-BauNG folgt zudem, dass nur Kosten versichert sind, die außerhalb der ursprünglichen eigenen Leistung anfallen.298
3. Nutzungsausfall und Ausbleiben des geschuldeten Erfolgs (Ziff. 1.2 (3) AHB) Für Ansprüche wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes (Alt. 1) oder we- 126 gen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges (Alt. 2) besteht gemäß Ziff. 1.2 (3) AHB kein Versicherungsschutz.
a) Ausfall der Nutzung des Vertragsgegenstandes (Alt. 1). Ziff. 1.2 (3) Alt. 1 AHB kommt 127 klarstellende Funktion zu, soweit sie den Ausfall der Nutzung des Vertragsgegenstandes betrifft. Treten Nutzungsausfall und entgangener Gewinn in dem Zeitraum ein, in dem keine Nacherfüllung mehr möglich ist, fallen die daraus resultierenden Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung unter Ziff. 1.2 (1) AHB und beruhen als solche bereits nicht auf einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB.299 Ansprüche auf Nutzungsausfall und entgangenem Gewinn, die zu einer Zeit eintreten, zu der eine Nacherfüllung noch möglich ist, sind zwar als Schadensersatz neben der Leistung ersatzfähig (Rn. 91). Diese Einordnung ist jedoch allein dem Umstand geschuldet, dass solche Schäden nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vom Erfordernis des Verzuges abhängig sein sollen. Da Nutzungsausfall und entgangener Gewinn nicht auf den Ausgleich des Integritätsinteresses, sondern des Äquivalenz-/Erfüllungsinteresses gerichtet sind, besteht für diesen Schaden keine Deckung. Zu beachten ist, dass Nutzungsausfall Im Rahmen der Mangelbeseitigungsnebenkostenklausel gedeckt sein kann (Rn. 118). Klauseln über Nachbesserungsbegleitschäden sehen hierfür zumeist keine Deckung vor. Zum Nutzungsausfall gehören Produktionsausfallschäden,300 Kosten für die Anmietung 128 von Ersatzgerät,301 aber auch die Mehrkosten, die durch die Gebrauchsbeeinträchtigung
297 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 45. 298 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 171, der darauf hinweist, dass in der Marktpraxis auch Freilegungs- und Wiederherstellungskosten auch für das eigene Gewerk versichert werden. 299 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 539. 300 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 541. 301 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 541. 79
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
entstehen, z.B. zusätzlicher Personalaufwand.302 Hierbei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob es sich um einen dem Gläubiger selbst unmittelbar entgangenen Gebrauchsvorteil und Gewinn handelt oder um einen Schaden desjenigen, dem er die Nutzung gegen Entgelt überlassen hat und dessen Ersatzanspruch er sich nun ausgesetzt sieht (z.B. Ersatzansprüche des mietenden Supermarktbetreibers gegen den Bauherrn – Gläubiger des VN – wegen der Auslagerung des Geschäftsbetriebes während Nachbesserungsarbeiten des Bauunternehmers).303 Verursacht die mangelhafte Sache oder die fehlerhafte Vertragsleistung Schäden an ande129 ren Sachen, sind die daraus resultierenden Ansprüche auf Schadensersatz neben der Leistung und aus Delikt wegen der entgangenen Nutzungsmöglichkeit der anderen Sachen versichert.304 Zu den versicherten Schäden zählen auch die Kosten für die Begutachtung der Schäden an den anderen Sachen sowie Personalkosten, die trotz der nicht möglichen Nutzung der anderen Sache entstanden sind.305
130 b) Ausbleiben des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges (Alt. 2). Das Ausbleiben des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges bezieht sich auf Mängel eines Werks (bzw. das Ausbleiben des vertraglich geschuldeten Werkerfolges, vgl. § 631 Abs. 2 BGB). Soweit dies den Besteller zum Schadensersatz statt der Leistung berechtigt, kommt Ziff. 1.2 (3) Alt. 2 AHB neben Ziff. 1.2 (1) AHB nur deklaratorische Bedeutung zu. Deklaratorisch wirkt Ziff. 1.2 (3) Alt. 2 AHB auch in den Fällen, in denen das Erfüllungsinteresse das Integritätsinteresse umfasst, weil der Schutz des Integritätsinteresses Hauptleistungspflicht oder leistungsbezogene Nebenpflicht des Werkvertrages ist. Beispielhaft sei auf das zuvor erörterte Beispiel der fehlerhaften Sicherheits- und Alarmanlage verwiesen (Rn. 115). Hier liegt auch eine Verletzung des Erfüllungsinteresses vor, weil der Schutz vor Diebstahl gerade der Inhalt der vertraglichen Leistungspflicht war.306 Zum anderen können auch Weiterfresserschäden bei mangelhafter Errichtung eines Werkes, unter Ziff. 1.2 (3) Alt. 2 AHB fallen (s. auch Ausführungen zu Ziff. 1.2 (6) AHB, Rn. 135).
4. Vergebliche Aufwendungen (Ziff. 1.2 (4) AHB) 131 Nach Ziff. 1.2 (4) AHB besteht kein Versicherungsschutz für Ansprüche auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung. Diese Klausel orientiert sich erkennbar an § 284 BGB. Da der Anspruch auf Aufwendungsersatz nur anstelle des Anspruchs auf Schadensersatzes statt der Leistung geltend gemacht werden kann und letzterer auf den Ausgleich des Äquivalenzinteresses gerichtet ist, kann aus rechtssystematischen Gründen für den Anspruch aus § 284 BGB nichts anderes gelten.307 Im Hinblick auf das Erfordernis
302 OLG Stuttgart 30.11.2000 – 7 U 130/00, VersR 2001 187; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 541; 541; Hübner VersR 1985 810, 815 m.w.N. 303 Vgl. BGH 25.9.1985 – IVa ZR 183/83, VersR 1985 1153 f.; OLG Köln 30.10.2001 – 9 U 32/01, RuS 2002 58 ff.; OLG Stuttgart 30.11.2000 – 7 U 130/00, VersR 2001 187; OLG Naumburg 20.2.1995 – 1 U 218/94, VersR 1997 179 f.; OLG Frankfurt 5.11.1981 – 3 U 36/81, VersR 1982 790, 791. 304 OLG München 16.4.2010 – 25 U 3436/09, BeckRS 2010 09797; OLG Karlsruhe 19.7.2007 – 12 U 21/07, VersR 2007 1551 f. = RuS 2007 455; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 55; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 47; vgl. auch Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 44; Krause-Allenstein RuS 2006 372; v. Rintelen NZBau 2006 401, 403 f. 305 OLG München 16.4.2010 – 25 U 3436/09, BeckRS 2010 09797. 306 Vgl. BeckOGK-BGB/Riehm § 280 Rn. 220.3. 307 Vgl. Landheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 67; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 548. Koch
80
C. Ziff. 1.2 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
einer Leistungspflichtverletzung handelt es sich der Sache nach um eine besondere Form der Entschädigung wegen der Nicht- oder Schlechterfüllung.308 Gleiches gilt für die Ansprüche des Mieters auf Aufwendungsersatz wegen Sachmängeln 132 der Mietsache gem. §§ 536, 536a Abs. 2 BGB.309 Nach § 536a Abs 2 BGB kann der Mieter in zwei Fällen den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen vom Vermieter verlangen, nämlich wenn erstens der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist sowie zweitens die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist. Diese Befugnis gehört in den Bereich der Erfüllung des Mietvertrages. Dem Mieter wird ein Mittel zur Behebung der Äquivalenzstörung in die Hand gegeben.310 Der Anspruch ist somit auf den Ausgleich des Äquivalenzinteresses gerichtet. Es handelt sich um keinen gesetzlichen Haftpflichanspruch i.S.d. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. Ziff. 1.2 (4) AHB ist folglich nur deklaratorischer Natur.311 Soweit es zu Begleitschäden an Sachen des Gläubigers kommt, die er im Vertrauen auf 133 den Erhalt der Leistung erleidet, handelt es sich nicht um nach § 284 BGB ersatzfähige Aufwendungen, sondern um einen nach §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Schaden, für den gem. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB Versicherungsschutz besteht.312 Zu denken ist hier an solche Fälle, in denen z.B. der Käufer Umbaumaßnahmen getätigt hat, die nicht ohne Zerstörung der zum Umbau eingesetzten Sachen rückgängig gemacht werden können.
5. Verzögerung der Leistung (Ziff. 1.2 (5) AHB) Kein Versicherungsschutz besteht gem. Ziff. 1.2 (5) AHB für Ansprüche auf Ersatz von Vermö- 134 gensschäden wegen Verzögerung der Leistung. Die Klausel stellt nicht ausdrücklich auf Verzug ab. Jedoch kann nach § 280 Abs. 2 BGB der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB verlangen. Ist somit nur das Äquivalenzinteresse durch die Verzögerung der Leistung betroffen,313 fehlt es selbst bei Mitversicherung von Vermögensschäden bereits an einer Inanspruchnahme aufgrund einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. Die Klausel ist somit von deklaratorischer Bedeutung. Unberührt von Ziff. 1.2 (5) AHB bleiben Personen- und Sachschäden, die durch die Verzögerung beim Abnehmer eintreten (z.B. Personenschäden wegen verspäteter Lieferung von Medikamenten, Sachschäden durch Regen wegen verspätet gedeckten Daches), die nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB gedeckt sind.314
6. Ersatzleistungen (Ziff. 1.2 (6) AHB) Schließlich besteht gem. Ziff. 1.2 (6) AHB kein Versicherungsschutz für vertragliche und gesetzli- 135 che Ansprüche wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB a.F. ist das, was unter der vertraglichen
308 Zur Rechtsnatur des Aufwendungsersatzanspruchs aus § 284 BGB BeckOK BGB/Lorenz § 284 Rn. 1; Grüneberg/ Grüneberg § 284 Rn. 2; Erman/Westermann § 284 Rn. 3; MüKoBGB/Ernst 3 284 Rn. 6; BeckOGK-BGB/Dornis § 284 Rn. 14 ff.; Staudinger/Schwarze (2019) § 284 Rn. 12. 309 Vgl. Schimikowski RuS 2005 445, 446. 310 BeckOGK-BGB/Bieder § 536a Rn. 2. 311 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 549; Landheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 67, a.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 56. 312 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 56; Staudinger/Schwarze (2019) § 284 Rn. 30. 313 Landheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 68; Thürmann/Kettler/Kettler 220; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 1 Rn. 49; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 555. 314 Vgl. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 AHB Rn. 57. 81
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Erfüllungsleistung und an deren Stelle tretenden Ersatzleistung zu verstehen ist, danach zu beurteilen, ob der Vertragspartner des VN sein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend macht.315 Dieses Interesse wird durch den Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmt. Beim Kaufvertrag schuldet der Verkäufer die Lieferung einer mangelfreien Sache, beim Werkvertrag schuldet der Unternehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk, das insbesondere eine ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit oder zugesicherte Eigenschaft aufweisen muss.316 Erreicht die Leistung die vereinbarte Beschaffenheit oder Eigenschaft nicht, ist sie mangelhaft und löst Gewährleistungsansprüche aus, die dem nicht versicherten vertraglichen Erfüllungsbereich zuzuordnen sind.317 Nach der Rechtsprechung sind alle in §§ 437, 634 BGB aufgeführten Gewährleistungsansprüche vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, so dass Ziff. 1.2 (6) AHB keine über den Inhalt des Ziff. 1.2 (1) AHB hinausgehende Bedeutung hat. 136 Eigenständige Bedeutung kommt Ziff. 1.2 (6) AHB bei deliktischen Schadensersatzansprüchen zu, die nicht von Ziff. 1.2 (1) AHB erfasst werden. Wiederum sei das Beispiel Schäden infolge von Weiterfressermängeln genannt. Da das Äquivalenz-/Erfüllungsinteresse des Käufers/Bestellers sich stets auf die Gesamtsache oder das Gesamtwerk bezieht, tritt bei Lieferung einer mangelhaften Sache oder Herstellung eines mangelhaften Werks auch bei nur fehlerhaften Teilen der Anspruch auf Nacherfüllung an die Stelle des Erfüllungsansprüchs und unter den Voraussetzungen des §§ 440, 636 BGB tritt an die Stelle des Nacherfüllungsanspruchs der Anspruch des Käufers/Bestellers auf Schadensersatz statt der Leistung. Mit diesem Anspruch konkurriert der Anspruch des Käufers/Bestellers nach § 823 Abs. 1 BGB. Die Eigentumsverletzung an der fehlerfreien Restsache/des fehlerfreien Restwerks berechtigt den Käufer/Besteller zum Schadensersatz, der nach § 249 BGB auf den Ersatz des Schadens für die Mängelbeseitigung gerichtet ist. Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 stellt sich damit aus der Sicht des VN als gesetzlicher Anspruch dar, der ebenso wie der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung als Ersatzleistung an die Stelle der Erfüllung tritt.318 Dies gilt umso mehr, als der Käufer/Besteller zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 1. BGB erst nach Ablauf der Frist zur Nacherfüllung berechtigt ist.319 Außerhalb von Vertragsbeziehungen ist Ziff. 1.2 (6) AHB ohne Bedeutung. Zu prüfen ist 137 jedoch, ob der Ausschluss nach Ziff. 7.8 Satz 1 und 2 AHB eingreift (Ziff. 7 AHB Rn. 297 ff.).
D. Ziff. 1.3 AHB Schrifttum Armbrüster/Schilbach Nichtigkeit von Versicherungsverträgen wegen Verbots- oder Sittenverstoßes, RuS 2016 109; Heinisch Compliance mit EU-Sanktionen in der Versicherungswirtschaft, CCZ 2012 102; ders. Die praktische Umsetzung von Sanktionen in der (Rück-)Versicherungswirtschaft, CCZ 2012 136; ders. Aktuelle Probleme des Sanktionsrechts für die Erst- und Rückversicherung, RdTW 2014 309; Wandt Versicherungsverbote im Rahmen von Embargomaßnahmen, VersR 2013 257.
315 BGH 29.9.2004 – IV ZR 162/02, NJW-RR 2004 1675, 1676; BGH 25.9.1985 – IVa ZR 183/83, BGHZ 96 29, 31 = NJW 1986 1346 m.w.N. 316 Vgl. BGH 29.9.2004 – IV ZR 162/02, NJW-RR 2004 1675, 1676; BGH 9.7.2002 – X ZR 242/99, NJW-RR 2002 1533 m.w.N. 317 BGH 29.9.2004 – IV ZR 162/02, NJW-RR 2004 1675, 1676. 318 Landheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 69; Thürmann/Kettler/Kettler 222; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 560. 319 Vgl. BGH 7.11.1985 – VII ZR 270/83, BGHZ 96 221, 229 f. = NJW 1986 922 zum Werkvertragsrecht; MüKoBGB/ Westermann § 437 Rn. 64; BeckOGK-BGB/Höpfner § 437 Rn. 55; Staudinger/Matusche-Beckmann (2013) § 437 Rn. 70; Grigoleit ZGS 2002 78, 79; Masch/Herwig ZGS 2005 24, 25 u. 30. Koch
82
D. Ziff. 1.3 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
I. Sinn und Zweck Gem. Ziff. 1.3 Satz 1 AHB besteht Versicherungsschutz nur, „soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen“. Dies gilt nach Ziff. 1.3 Satz 2 AHB auch „für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos, die durch die USA in Hinblick auf den Iran erlassen werden, soweit dem nicht europäische oder deutsche Rechtsvorschriften entgegenstehen“. Mit dieser Regelung, die erstmalig in der Fassung der AHB-Musterbedingungen vom April 2012 enthalten ist, soll nationalen und vor allem unionssrechtlichen Sanktionsmaßnahmen Rechnung getragen werden.320 Anlass für die Klausel gaben die EU-Sanktionen gegen den Iran.321 Die Verordnung (EU) Nr. 267/2012 v. 23.3.2012,322 die am 24.3.2012 in Kraft getreten ist und die Verordnung (EU) Nr. 961/2010323 vollständig ersetzt hat, verbietet die Bereitstellung von Versicherungen für iranische Personen, die keine natürlichen Personen sind, Organisationen oder Einrichtungen (Art. 35 Abs. 1 EU-VO Nr. 267/2012).324 Hiervon ausgenommen ist die Bereitstellung von Haftpflichtversicherungen für iranische Personen, Organisationen und Einrichtungen in der EU (Art. 35 Abs. 2 EU-VO Nr. 267/2012). Ein ähnliches Versicherungsverbot besteht seit Januar 2012 auch für Syrien.325 Dieses gilt für den syrischen Staat, seine Regierung, öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen und gegenüber solchen (natürlichen oder juristischen) Personen, die im Namen oder auf Anweisung der Erstgenannten handeln (Art. 26 Abs. 1 lit. a) EU-VO Nr. 36/2012). Die Bereitstellung von Versicherungsdeckung für in Privatbesitz befindliche syrische Unternehmen ist somit noch möglich (sofern sie nicht von Finanzsanktionen betroffen sind oder ihre Eigentümer Sanktionen unterliegen).326 Ziff. 1.3 Satz 2 AHB trägt dem Umstand Rechnung, dass die EU durch Verordnung (EG) Nr. 2271/96 v. 22.11.1996327 sogenannte „blocking statutes“ erlassen hat, durch die ihren Bürgern und Unternehmen die Befolgung bestimmter US-Sanktionen untersagt wird.328 Die von der Verordnung erfassten Gesetze, Verordnungen und anderen Rechtsakte von Drittstaaten werden dort im Anhang im Einzelnen aufgeführt. Art. 1 Abs. 2 EG-VO Nr. 2271/96 ermächtigt den Rat, dem Anhang der Verordnung Gesetze hinzuzufügen oder zu streichen.
320 Hierzu Heinisch CCZ 2012 102; ders. CCZ 2012 136. 321 Hierzu Birke/Isenbart VW 2012 513; eine aktuelle Übersicht gegenüber welchen Ländern welche Embargomaßnahmen bestehen, findet sich auf der Übersicht über die länderbezogenen Embargos (Stand: 8.12.2020) des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/ embargos_node.html). 322 ABl. L 88 v. 24.3.2012 S. 1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2020/1695, Abl. L 381 v. 13.11.2020 S. 6. 323 ABl. L. 281 v. 27.10.2010 S. 1. 324 Gem. Art. 1 lit. o) EU-VO Nr. 267/2012 umfasst der Begriff „iranische Person, Organisation oder Einrichtung“: „i) den iranischen Staat und jede Behörde dieses Staates, ii) jede natürliche Person mit Aufenthaltsort oder Wohnsitz in Iran, iii) jede juristische Person, Organisation oder Einrichtung mit Sitz in Iran, iv) jede juristische Person, Organisation oder Einrichtung innerhalb oder außerhalb Irans, die sich im Eigentum oder unter der direkten oder indirekten Kontrolle einer oder mehrerer der vorgenannten Personen oder Einrichtungen befinden“. 325 Verordnung (EU) Ziff. 36/2012 v. 18.1.2012 ABl. L 16 v. 19.1.2012 S. 1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2020/1649, Abl. L 370 v. 6.11.2020 S. 7. 326 Heinisch CCZ 2012 102, 104. 327 ABl. L 309 v. 29.11.1996 S. 1; mit der Delegierten Verordnung (EU) 2018/1100 (ABl. L 199 v. 7.8.2018 S. 1) wurde der Anhang der Blocking-Verordnung ergänzt. Danach sind auch diejenigen US-amerikanischen Sanktionen gegen den Iran erfasst, die nach der Unterzeichnung des Atomabkommens suspendiert worden waren und nunmehr wieder in zwei Schritten, nämlich am 7. August und am 5. November 2018, in Kraft treten. Weitere U.S.-Sanktionen, etwa gegen Russland, sind nicht Gegenstand der Blocking-Verordnung. 328 Heinisch CCZ 2012 136, 137. 83
Koch
138
139
140
141
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
II. Anwendungsbereich 142 Ziff. 1.3 AHB zielt nicht auf den Abschluss von Versicherungsverträgen mit den vorgenannten iranischen und syrischen Sanktionsadressaten ab. Solche Verträge sind nach § 134 BGB unwirksam.329 Vielmehr geht es um das Schicksal der aus Ziff. 5.1 AHB resultierenden Verpflichtungen des VR im Rahmen eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages mit einem (z.B. deutschen) VN, der nicht Sanktionsadressat ist, soweit es sich bei dem Geschädigten um einen Sanktionsadressaten (zB. ein iranisches Unternehmen) handelt. Dieser Frage soll auf der Grundlage des nachstehenden Beispiels nachgegangen werden. Beispiel: Ein deutscher Maschinenhersteller (VN) wird wegen eines Konstruktionsfehlers einer vor Jahren ausgelieferten Maschine von seinem iranischen Abnehmer wegen Sach- und Personenschäden vor einem Schiedsgericht auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der VN verlangt von seinem VR Gewährung von Versicherungsschutz.
143 Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 11 Abs. 1 lit. d), Art. 13 Abs. 1 lit. d) EU-VO Nr. 267/2012 sowie Art. 10a Abs. 1 lit. b), Art. 14a Abs. 1 lit. c) und Art. 15b Abs. 1 lit. b) EU-VO Nr. 1263/2012330 ist es verboten, für iranische Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder zur Verwendung im Iran unmittelbar oder mittelbar Finanzmittel oder Finanzhilfen bereitzustellen. Ob auch Zahlungen des Haftpflicht-VR an den Geschädigten als Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen anzusehen sind, ist allerdings ungeklärt und eher zweifelhaft. Näher liegt es, solche Zahlungen als nach Art. 30 EU-VO Nr. 267/2012 genehmigungspflichtige und -fähige Geldtransfers i.S.v. Art. 1 lit. t) EU-VO Nr. 267/2012331 zu qualifizieren. Jedoch ist Art. 23 Abs. 3) EU-VO Nr. 267/2012 zu beachten. Nach dieser Vorschrift dürfen 144 den in Anhang VIII und IX der Verordnung aufgeführten natürlichen und juristischen Personen (hierunter fallen auch zahlreiche Banken), Organisationen und Einrichtungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder i.S.v. Art. 1 lit. l) EU-VO Nr. 267/2012332 oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. Zählen die Geschädigten zu diesem Kreis
329 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 566, 572; Heinisch CCZ 2012 102, 103 (zweifelnd für Verträge, die vor dem Inkrafttreten der (ersten) EU-Verordnung Nr. 961/2010 geschlossen wurden); Birke/Isenbart VW 2012 513; Wandt VersR 2013 261, 262; Armbrüster/Schilbach RuS 2016 109, 114. 330 ABl. L 356 v. 22.12.2012 S. 34. 331 „Geldtransfer“ ist „i) jede Transaktion, die im Namen eines Auftraggebers über einen Zahlungsverkehrsdienstleister auf elektronischem Weg mit dem Ziel abgewickelt wird, einem Begünstigten bei einem Zahlungsverkehrsdienstleister einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, unabhängig davon, ob Auftraggeber und Begünstigter dieselbe Person sind. Dabei gelten für die Begriffe „Auftraggeber“, „Begünstigter“ und „Zahlungsverkehrsdienstleister“ die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, ii) jede Transaktion, die auf nichtelektronischem Weg wie Bargeld, Schecks oder Buchführungsanweisungen mit dem Ziel abgewickelt wird, einem Begünstigten bei einem Zahlungsverkehrsdienstleister einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, unabhängig davon, ob Auftraggeber und Begünstigter dieselbe Person sind.“. 332 „Gelder“ sind finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art, die Folgendes einschließen, aber nicht darauf beschränkt sind: i) Bargeld, Schecks, Geldforderungen, Wechsel, Zahlungsanweisungen und andere Zahlungsmittel, ii) Einlagen bei Finanzinstituten oder anderen Einrichtungen, Guthaben auf Konten, Zahlungsansprüche und verbriefte Forderungen, iii) öffentlich und privat gehandelte Wertpapiere und Schuldtitel einschließlich Aktien und Anteilen, Wertpapierzertifikate, Obligationen, Schuldscheine, Optionsscheine, Pfandbriefe und Derivate, iv) Zinserträge, Dividenden und andere Einkünfte oder Wertzuwächse aus Vermögenswerten, v) Kredite, Rechte auf Verrechnung, Bürgschaften, Vertragserfüllungsgarantien und andere finanzielle Ansprüche, vi) Akkreditive, Konnossemente, Übereignungsurkunden und vii) Dokumente zur Verbriefung von Anteilen an Fondsvermögen oder anderen Finanzressourcen“. Koch
84
D. Ziff. 1.3 AHB
Ziff. 1 AHB 2016
oder sind mittelbar betroffen, weil sie ihr Konto bei einer Bank haben, die einer Vermögenssperre unterliegt, dürfen im Schadensfall somit keine Zahlungen geleistet werden.333 Bezogen auf das zuvor gebildete Beispiel ist dem VR in dieser Konstellation eine Erfüllung 145 seiner Freistellungspflichten gegenüber dem VN rechtlich i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB – zumindest zeitweilig334 – unmöglich.335 Eine Auszahlung an den Geschädigten vor oder nach einer auf der Grundlage des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs bewirkten Pfändung und Überweisung (§§ 829, 835 ZPO) oder Abtretung des Freistellungsanspruchs (§ 398 BGB) scheitert an Art. 23 Abs. 3) EU-VO Nr. 267/2012. Bei nach Art. 30 EU-VO Nr. 267/2012 genehmigungsfähigen Geldtransfers wird die Erfüllung erst unmöglich, wenn die Genehmigung endgültig versagt wird.336 Die Erfüllung der Verpflichtung des VR zur Prüfung der Haftpflichtfrage und zur Abwehr 146 unbegründeter Ansprüche bleibt dagegen von den vorstehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften unberührt und fällt deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Ziff. 1.3 AHB.337 Hat sich der Freistellungsanspruch in der Person des VN in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, weil dem VR eine wirksame Abwehr des Zugriffs des Geschädigten auf das Vermögen des VN nicht mehr möglich ist oder der VR von einem Aktivprozess im Falle der Aufrechnung mit bestrittener Haftpflichtforderung absieht (Ziff. 5 AHB Rn. 74, 78), ist Ziff. 1.3 AHB ebenfalls nicht anwendbar und der VR zur Erfüllung des Zahlungsanspruchs verpflichtet. Wie der Fall zu bewerten ist, wenn der VN den Anspruch des Geschädigten anerkennt und unter Verstoß gegen EU-Sanktionsvorschriften befriedigt, um sodann von dem VR nach § 106 Satz 2 VVG Ersatz zu verlangen, hängt von der Auslegung der EU-Sanktionsregelungen ab. Nur soweit die Erfüllung des Zahlungsanspruchs des VN gegen die EU-Sanktionsregeln verstieße, würde Ziff. 1.3 AHB eingreifen. Insgesamt halten sich die für den VN nachteiligen Folgen von Ziff. 1.3 AHB somit in Grenzen.
III. Rechtsnatur Fraglich ist, ob es sich bei Ziff. 1.3 AHB um eine primäre Risikobegrenzung oder um einen 147 Ausschluss handelt. Diese Frage ist zum einen für die Beweislast (Rn. 83), zum anderen für die Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht von Bedeutung (dazu sogleich Rn. 149 ff.). Sowohl der Standort der Klausel als auch die Formulierung („soweit und solange“) sprechen für eine primäre Risikobegrenzung und somit gegen einen Ausschluss. Es geht nicht um die vollständige Herausnahme bestimmter Teilrisiken, sondern um die zeitweilige Aussetzung der Erfüllung des Freistellungsanspruchs. Im Übrigen bleibt – wie zuvor aufgezeigt – der Rechtsschutzanspruch des VN durch Ziff. 1.3 AHB unberührt und der VR bei Umwandlung des Freistellungsanspruchs in der Person des VN zu einem Zahlungsanspruch diesem gegenüber verpflichtet (Rn. 146). Nach der allgemein und nicht speziell für die Haftpflichtversicherung vertretenen Ansicht 148 von Wandt wird das Verständnis des VN „weniger durch die positive Formulierung der Sanktionsklausel, sondern vor allem durch den Ausnahmecharakter dieser Klausel geprägt, die einen nach der (sonstigen allgemeinen) primären Risikoabgrenzung bestehenden Versicherungs333 Verneinend Heinisch CCZ 2012 132, 140. 334 § 275 Abs. 1 BGB findet auch auf vorübergehende Leistungshindernisses Anwendung, vgl. nur Staudinger/ Caspers (2019) § 275 Rn. 48 ff.; MüKoBGB/Ernst § 275 Rn. 141; BeckOGK-BGB/Riehm § 275 Rn. 158. 335 Vgl. BGH 8.6.1983 – VIII ZR 77/82, NJW 1983 2873, 2874; RG 27.5.1921 – II 525/20, RGZ 102 203, 204 f.; Staudinger/Caspers (2019) § 275 Rn. 38 ff. und 48 ff.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 575; Koch VersR 2009 141, 147. 336 Vgl. Grüneberg/Grüneberg § 275 Rn. 42; Staudinger/Caspers (2019) § 275 Rn. 42; Staudinger/Sack/Seibl (2017) § 134 Rn. 185; Koch VersR 2009 141, 147. 337 Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 575. 85
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
schutz abhängig von der Reichweite und Anwendbarkeit eines Embargogesetzes ausschließt“.338 Diese Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend den Umstand, dass es dem Haftpflicht-VR – jedenfalls im Anwendungsbereich von Ziff. 1.3 Satz 1 AHB – rechtlich unmöglich ist, seine Freistellungsverpflichtung durch Zahlung an den Geschädigten zu erfüllen und die Klausel somit lediglich dem allgemeinen, auch im Versicherungsrecht geltenden Grundsatz Rechnung trägt, dass niemand zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet sein kann (impossibilium nulla est obligatio). Die Statuierung einer solchen Klausel in den AVB ist sicherlich ungewöhnlich und weist insoweit Ausnahmecharakter auf. Diese Tatsache vermag indes nicht eine Qualifikation als Ausschluss zu rechtfertigen.
E. AGB-Recht I. Einbeziehungskontrolle 149 Die Klauseln Ziff. 1.1 bis 1.3 AHB sind – auch soweit sie konstitutive Wirkung haben – und vorbehaltlich individueller Umstände bei den Verhandlungen vor Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages – nicht als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen.339
II. Inhaltskontrolle 1. Ziff. 1.1 und 1.2 AHB 150 Ziff. 1.1 und 1.2 AHB sind kontrollfähig.340 Eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil es an einer Abweichung von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung fehlt. 151 Eine Gefährdung des Vertragszwecks i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ebenfalls nicht vor. Eine solche Gefährdung ist nach der Rechtsprechung erst dann anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird.341 Davon kann bei Ziff. 1.1 AHB keine Rede sein. Ziff. 1.1 AHB ist auch nicht intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 152 Soweit der Ausschluss nach Ziff. 1.2 AHB Ansprüche betrifft, die auf den Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtet sind, scheidet eine Vertragszweckgefährdung im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung ebenfalls aus. Ziff. 1.2 (2), (3) und (6) AHB, die sich auch auf Sachverhalte erstrecken, bei denen das Vertragserfüllungsinteresse auch das Integritätsinteresse mit umfasst, sind nicht geeignet, den Versicherungsvertrag in Bezug auf die versicherte Gefahr zwecklos werden zu lassen, weil es sich bei dem Bereich, in dem es zu einer Überschneidung von Erfüllungs- und Integritätsinteresse kommt, nur um einen kleinen Ausschnitt des Haftpflichtrisikos handelt. Selbst wenn man bereits eine Gefährdung annähme, wäre eine unangemessene Benachteiligung zu verneinen, weil der VR ein berechtigtes Interesse hat, den Erfül-
338 Wandt VersR 2013 257, 264; so auch Bauer VersR 2013 661, 663; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 568; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 59.
339 A.A. Schimikowski RuS 2005 445, 450 zu Ziff. 1.2 AHB 2004. 340 Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 14 ff.; a.A. hinsichtlich Ziff. 1.1 AHB: BGH 26.3.2014 – IV ZR 422/12, VersR 2014 625 Rn. 34 f.
341 St. Rspr., vgl. nur BGH 18.2.2009 – IV ZR 11/07, RuS 2009 246, 248; BGH 11.2.2009 – IV ZR 28/08, RuS 2009 248, 250; BGH 24.5.2006 – IV ZR 263/03, RuS 2006 366, 368; BGH 18.1.2006 – IV ZR 244/04, RuS 2006 159, 160 f.; BGH 15.2.2006 – IV ZR 305/04, NJW-RR 2006 895, 897; BGH 19.5.2004 – IV ZR 29/03, RuS 2004 423, 425; BGH 19.11.1997 – IV ZR 348/96, BGHZ 137 174, 176 = NJW 1998 1069 f.; BGH 19.11.1997 – IV ZR 348/96, RuS 1998 79. Koch
86
E. AGB-Recht
Ziff. 1 AHB 2016
lungsbereich im Hinblick auf den Zweck der Haftpflichtversicherung und der Begrenzung der Prämien vom Versicherungsschutz auszunehmen. Fraglich ist, ob die Klauseln Ziff. 1.2 (2), (3) und (6) AHB hinreichend transparent i.S.v. § 307 153 Abs. 1 Satz 2 BGB sind. Schimikowski verneint dies für Ziff. 1.2 (6) AHB. Die Formulierung „an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistungen“ sei zu unbestimmt.342 Der VN könne der Regelung nicht entnehmen, wie weit der Ausschluss reiche. Nach der Rechtsprechung ist der Verwender von AGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen.343 Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.344 Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird.345 Der Vertragspartner soll unter anderem davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden.346 Gemessen an dieses Maßstäben überzeugt die Begründung Schimikowskis nicht. Der VN 154 weiß aufgrund des Gewährleistungsrechts, dass anstelle der Erfüllung die Nacherfüllung und bei Ausbleiben der Nacherfüllung der auf die Mangelbeseitigung gerichtete Anspruch auf Schadensersatz tritt. Diese Zusammenhänge sind für ihn klar und räumen den VR keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume ein.
2. Ziff. 1.3 AHB a) Transparenzkontrolle. Es bestehen jedoch Bedenken, ob Ziff. 1.3 AHB mit dem Transpa- 155 renzgebot in Einklang steht. Das Abstellen auf „direkt anwendbare Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der EU oder der Bundesrepublik Deutschland“ lässt offen, ob auch solche Sanktionen von Satz 1 erfasst werden, die ohne Beteiligung der Legislativorgane ergangen sind. Gleiches gilt für die US-Sanktionen, auf die Satz 2 Bezug nimmt. Zu dieser Unklarheit trägt bei, dass nicht auf das für Rechtsvorschriften kennzeichende In- und Außerkrafttreten abgestellt wird, sondern stattdessen die Formulierung „solange“ gebraucht wird. Diese bezieht sich zwar erkennbar auch auf die Dauer der Sanktionen bzw. des Embargos, lässt aber eine genaue Bestimmung von deren Beginn und Ende nicht zu. Die Formulierung „entgegenstehen“ ist ebenfalls unscharf. Hier hätte der Muster-Bedingungsgeber besser daran getan, eine Formulierung zu wählen, derzufolge keine Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz besteht, solange und soweit die Erfüllung des Versicherungsvertrags nach gemeinschaftsrechtlichen oder deutschen Vorschriften unrechtmäßig ist. Für die von Satz 2 erfassten US-Sanktionen hätte es einer Formulierung bedurft, derzufolge keine Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz besteht, wenn die Erfüllung nach US-amerikanischem Recht unrechtmäßig ist. Wandt hat darüber hinaus Bedenken gegen die hinreichende Transparenz der Formulierung 156 „auf die Vertragsparteien direkt anwendbar“ geäußert, weil Embargobestimmungen regelmäßig nur auf den VR, nicht auch auf den VN anwendbar seien.347 Zudem sei nicht vollständig klar, 342 Schimikowski RuS 2005 445, 450. 343 BGH 1.10.2019 – VI ZR 156/18, VersR 2020 105 Rn. 23; BGH 17.7.2018 – VI ZR 274/17, VersR 2018 1460 Rn. 9; BGH 14.3.2017 – VI ZR 721/15, BGHZ 214 204 = NJW 2017 2119 Rn. 23, jew. m.w.N. 344 BGH 1.10.2019 – VI ZR 156/18, VersR 2020 105 Rn. 23. 345 BGH 1.10.2019 – VI ZR 156/18, VersR 2020 105 Rn. 23; BGH 22.3.2018 – IX ZR 99/17, BGHZ 218 183 Rn. 34; BGH 6.12.2018 – IX ZR 143/17, BGHZ 220 280 Rn. 35. 346 BGH 1.10.2019 – VI ZR 156/18, VersR 2020 105 Rn. 23. 347 Wandt VersR 2013 257, 264. 87
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
dass mit der Formulierung „Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos“ nur Sanktionen im Außenwirtschaftsverkehr gemeint seien.348 Er kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Transparenzdefizite der Klausel nicht gewichtig genug seien, den VN i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessen zu benachteiligen.349 Soweit eine Sanktionsklausel Versicherungsschutz schon allein wegen des auch EU-VR erfassenden Geltungsanspruchs US-amerikanischer Embargobestimmungen ausschließen solle, obwohl der Versicherungsschutz nach dem Recht des Gerichtsstaats wirksam gewährt werden dürfte, spricht nach Wandt einiges dafür, dass die US-Embargobestimmungen konkret benannt werden müssen, um dem VN Klarheit über den Umfang seines Versicherungsschutzes zu geben.350 Für erst nach Vertragsschluss in Kraft tretende ausländische Embargobestimmungen sei eine Klauselregelung zu erwägen, dass der VR solche Embargobestimmungen nachbenennen dürfe und so mit einer festgelegten Übergangsfrist die Begrenzung des Versicherungsschutzes herbeiführen könne.351
157 b) Sanktionsbestimmungen der EU und Deutschlands. Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit von Ziff. 1.3 AHB wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) wäre der VR im Anwendungsbereich von Ziff. 1.3 Satz 1 AHB nach § 275 Abs. 1 BGB, der gem. § 306 Abs. 2 BGB zur Anwendung berufen wäre (Rn. 145), von seiner Pflicht zur Freistellung zeitweilig suspendiert. Da der VR die Umstände, die das Leistungshindernis (Sanktion) begründen, nicht zu vertreten hat, ist er dem VN nicht nach § 283 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, soweit die zuständigen Legislativorgane die Sanktionsregel i.S.v. Ziff. 1.3 Satz 1 AHB erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages beschließen. Ist die Sanktionsregel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits beschlossen worden 158 und/oder schon in Kraft getreten, dürfte eine Haftung des VR nach § 311a Abs. 2 BGB ebenfalls an seiner fehlenden Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis bei Vertragsschluss scheitern, da für ihn vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht vorhersehbar ist, ob das Leistungshindernis eingreift. Wollte man dies anders sehen, stellte sich die Frage nach dem Mitverschulden des VN. Insoweit ist an den früheren § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. zu erinnern, der eine Ersatzpflicht ausschloss, wenn auch der andere Teil die Unmöglichkeit kannte oder kennen musste. Zwar enthält § 311a Abs. 2 BGB keine entsprechende Regelung. Indessen ist ein solches Kennen oder Kennenmüssen des Gläubigers im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen.352
159 c) Sanktionsbestimmungen der USA. Anders stellt sich die Rechtslage hinsichtlich Ziff. 1.3 Satz 2 AHB bei US-Sanktionen dar. Ist die Anwendung der Sanktionsregelungen durch EURecht oder deutsches Recht blockiert, so ist dem VR auch die Freistellung des VN von begründeten Haftpflichtansprüchen möglich, die von iranischen Sanktionsadressaten geltend gemacht werden. Ist deren Anwendung nicht (oder noch nicht) blockiert, ließe sich angesichts des deutschen Vertragsstatuts (Ziff. 32 AHB) eine Leistungsbefreiung des VR wegen rechtlicher Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB nur über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO rechtfertigen.353 Nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO kann den Eingriffsnormen des Staates Wirkung verliehen werden, „in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind […] und soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Dabei sind bei der
348 349 350 351 352 353 Koch
Wandt VersR 2013 257, 264. Wandt VersR 2013 257, 264. Wandt VersR 2013 257, 266. Wandt VersR 2013 257, 266 Fn. 74. Vgl. Staudinger/Feldmann (2018) § 311a Rn. 54 f.; MüKoBGB/Ernst § 311a Rn. 68. Vgl. auch Wandt VersR 2013 257, 264. 88
E. AGB-Recht
Ziff. 1 AHB 2016
Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden.“
Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO definiert Eingriffsnormen als Vorschriften,
160
„deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.“
Dass es sich bei den US-Sanktionsbestimmungen um Eingriffsnormen im vorstehenden Sinne 161 handelt, ist unzweifelhaft. Diese finden jedoch keine Anwendung, da ein deutscher VR ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur über die Bestimmung des Erfüllungsortes i.S.v. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO seine Freistellungsverpflichtung, die er gegenüber dem in Deutschland ansässigen VN hat, in Deutschland erfüllt. Insoweit kommt Art. 9 Abs. 3 Rom IVO nach ganz herrschender Ansicht kollisionsrechtlich eine Sperrwirkung für Eingriffsnormen anderer Drittstaaten als denen des Erfüllungsortstaats zu.354 Umstritten ist, ob die Sperrwirkung auch einer materiell-rechtlichen Berücksichtigung anderer Eingriffsnormen als jener des Erfüllungsstaates entgegensteht. Eine Mehrheit im Schrifttum spricht sich dafür im Rahmen von Generalklauseln oder sonstigen wertungsoffenen Vorschriften des Vertragsstatuts aus.355 Damit ließe sich eine rechtliche Unmöglichkeit nur noch in der Weise begründen, dass man 162 die US-Sanktionsregelungen materiell-rechtlich berücksichtigt. Vor Inkrafttreten der Rom I-VO hat der BGH ausländische Eingriffsnormen im Rahmen der Anwendung von § 138 BGB beachtet und auf diesem Weg z.B. die Sittenwidrigkeit von Transportversicherungsverträgen bejaht, die deutschem Recht unterlagen. In seinem Urteil vom 24.5.1962 ging es um einen Verstoß gegen im Verteidigungsinteresse erlassene US-Embargo-Bestimmungen. Nach Ansicht des BGH ist dem Versicherten durch die Versicherung ein großer Teil des Risikos abgenommen worden, weshalb er sich viel leichter zu einem solchen Geschäft entschlossen habe, als wenn er die erhebliche Gefahr allein hätte tragen müssen.356 Die Versicherung habe hierdurch in jedem Fall nach Inhalt, Beweggrund und Zweck einen unsittlichen Gesamtcharakter erhalten, da der Zweck der US-amerikanischen Embargobestimmungen – zu verhindern, dass mit westlichen Wirtschaftsgütern das Kriegspotenzial des Ostblocks vermehrt würde – der Aufrechterhaltung des Friedens und der freiheitlichen Ordnung des Westens und damit auch deutschen Interessen diene. Im Urteil vom 22.6.1972 ging es um ein Verbot, das die Erhaltung des künstlerischen Erbes im Ursprungsland und den Schutz des Landes vor einer Ausplünderung durch ausländische Kunstliebhaber und außerdem durch Händler bezweckt. Die Ausfuhr von Kulturgut entgegen einem Verbot des Ursprungslands (Nigeria) verdient nach Ansicht des BGH im Interesse der Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr mit Kunstgegenständen keinen bürgerlich-rechtlichen Schutz. Dies auch nicht durch die Versicherung einer Beförderung, durch die Kulturgut aus dem von der ausländischen Rechtsordnung beherrschten Gebiet dem seiner Sicherung dienenden Ausfuhrverbot zuwider ausgeführt werden solle. Ein solcher Kaufvertrag verstoße gegen die guten Sitten, was zur Nichtigkeit des Kaufvertrags gem. § 138 Abs. 1 BGB und damit zum Wegfall des versicherbaren Interesses führe.357 354 Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 123; Grüneberg/Thorn Art 9 Rom I-VO Rn. 14; MüKoBGB/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 114; BeckOK BGB/Spickhoff Art. 9 Rom I-VO Rn. 30.
355 Dafür z.B. MüKoBGB/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 114 f.; jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 42; Grüneberg/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 14; krit. Freitag Die kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Eingriffsnormen nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, IPRax 2009 109, 115; a.A. Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 124; BeckOGK/Maultzsch Rom I-VO Art. 9 Rn. 167. 356 BGH 24.5.1962 – II ZR 199/60, VersR 1962 659, 660 = NJW 1962 1436. 357 BGH 22.6.1972 – II ZR 113/70, BGHZ 59 82, 85 f. = VersR 1972 849, 850. 89
Koch
Ziff. 1 AHB 2016
Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
Im Unterschied zu den hier in Rede stehenden US-Sanktionsregelungen ging es bei den vom BGH entschiedenen Fällen nicht um ausländische Gesetze, die extraterritoriale Geltung beanspruchen. Selbst wenn diese Rechtsprechung nach Inkraftreten der Rom I-VO grundsätzlich fortgelten sollte, dürften die US-Sanktionsregelungen deshalb keine Berücksichtigung bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit finden. Die Entscheidung, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, hat der BGH nämlich davon abhängig gemacht, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der deutschen Rechts- und Sittenordnung zu vereinbaren ist. Der BGH hat Sittenwidrigkeit bejaht, wenn die Beachtung der ausländischen Verbotsnorm auch im deutschen Interesse liegt358 oder die Verbotsnorm durch gemeinsame sittlichrechtliche Vorstellungen gerechtfertigt ist.359 Insoweit ist auch für die Beachtung ausländischer Verbotsnormen im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB ein Interessen- und Wertegleichklang zwischen der ausländischen Verbotsnorm und (nicht nur) der deutschen, sondern auch der EU-Rechtsordnung erforderlich („shared values approach“). An einem solchen Interessen- und Wertegleichklang fehlt es jedoch bei den US-Sanktionsbestimmungen, wie sich u.a. aus den Erwägungsgründen 4 und 5 der VO (EG) Nr. 2271/96 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen ergibt. Danach verletzen Rechtsakte „durch ihre extraterritoriale Anwendung das Völkerrecht und behindern die Verwirklichung der zuvor genannten Ziele [der Europäischen Gemeinschaft]. Solche Gesetze, einschließlich Verordnungen und anderer Rechtsakte, sowie die darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen beeinträchtigen die bestehende Rechtsordnung oder drohen diese zu beeinträchtigen; sie haben ferner nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Gemeinschaft und die Interessen natürlicher und juristischer Personen, die ihre Rechte gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ausüben.“ Eine extraterritoriale Anwendung wäre nur dann im Einklang mit den deutschen und gemeinschaftsrechtlichen Wertungen, wenn ein US-Bezug als Anknüpfungspunkt bestünde. Daran fehlt es jedoch, soweit die Erfüllung der Freistellungsverpflichtung außerhalb des US-Territoriums erfolgt.360 164 Dieser Befund wirft – losgelöst vom Aspekt der fehlenden Transparenz – die Folgefrage nach der inhaltlichen Angemessenheit von Ziff. 1.3 Satz 2 AHB i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf. Wandt bejaht diese Frage. Nach seiner Ansicht ist ein – in der Abwägung überwiegendes – berechtigtes Interesse des VR an der Einschränkung des Versicherungsschutzes zu bejahen, wenn ihm bei Nichtbeachtung eines Drittstaaten-Embargogesetzes – mangels Schutzes durch die VO (EG) Nr. 2271/96 – außerhalb des Gerichtsstaats und außerhalb der EU strafrechtliche Verfolgung und erhebliche Behinderungen seiner Geschäftstätigkeit sowie finanzielle Nachteile drohen. Für die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle sei wegweisend, dass es grundsätzlich in der Entscheidung des VR liege, welche Risiken er unter Versicherungsschutz nehme.361 163
358 BGH 22.11.1990 – VI ZR 6/90, VersR 1991 439 = NJW 1991 634; BGH 8.5.1985 – IVa ZR 138/83, BGHZ 94 268, 270 u. 272; BGH 22.6.1972 – II ZR 113/70, BGHZ 59 82, 85 = VersR 1972 849; BGH 6.11.1980 – III ZR 148/79, VersR 1982 92, 93; BGH 29.9.1977 – III ZR 164/75, BGHZ 69 295, 298 = NJW 1977 2356; BGH 21.12.1960 – VIII ZR 1/60, BGHZ 34 169, 177 = NJW 1961 822; RG 17.6.1939 – II 19/39, RGZ 161 296, 299 f.; Hans. OLG Hamburg 6.5.1993 – 6 U 3/93, RIW 1994 686, 687. 359 BGH 22.6.1972 – II ZR 113/70, BGHZ 59 82, 85 f. = VersR 1972 849, 850; BGH 29.9.1977 – III ZR 164/75, BGHZ 69 295, 298; BGH 8.5.1985 – IVa ZR 138/83, BGHZ 94 268, 271 f.; Hans. OLG Hamburg 6.5.1993 – 6 U 3/93, RIW 1994 686, 687; vgl. auch Armbrüster/Schilbach RuS 2016 109, 114. 360 So auch die Bewertung von Wandt VersR 2013 257, 266. 361 Wandt VersR 2013 257, 266. Koch
90
F. Beweislast
Ziff. 1 AHB 2016
F. Beweislast Es handelt sich bei den Regelungen in Ziff. 1.1, 1.2 und 1.3 AHB um primäre Risikoabgrenzungen. 165 Die tatsächlichen Voraussetzungen muss im Streitfall der VN beweisen. Ist eine Sache abhanden gekommen, trägt er auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Sache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wieder zu erlangen ist oder die Wiedererlangung nur mit wirtschaftlich unvertretbarem Aufwand möglich wäre. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Leistungsfreiheit nach § 275 Abs. 1 BGB trifft 166 den VR die Beweislast.362 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Schuldbefreiung kraft Gesetzes eintritt, weshalb sie im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen ist.363
362 Vgl. Staudinger/Caspers (2019) § 275 Rn. 125. 363 Vgl. Staudinger/Caspers (2019) § 275 Rn. 124. 91
Koch
Ziff. 2 AHB 2016
Ziff. 2 Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 2 Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen
§ 1 Gegenstand der Versicherung
Dieser Versicherungsschutz kann durch besondere Vereinbarung erweitert werden auf die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen 2.1 Vermögensschäden, die weder durch Personennoch durch Sachschäden entstanden sind; 2.2 Schäden durch Abhandenkommen von Sachen; hierauf finden dann die Bestimmungen über Sachschäden Anwendung.
3. 1Der Versicherungsschutz kann durch besondere Vereinbarung ausgedehnt werden auf die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschädigung, die weder durch Personenschaden noch durch Sachschaden entstanden ist, sowie wegen Abhandenkommens von Sachen. 2 Auf die Versicherung wegen Abhandenkommens von Sachen finden die Bestimmungen über Sachschaden Anwendung.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Vermögensschaden
I.
Begriff
II. 1. 2. 3. 4. 5.
6 Mitversicherung von Vermögensschäden 7 Privathaftpflichtversicherung 10 Betriebshaftpflichtversicherung 13 Produkthaftpflichtversicherung 14 Umwelthaftpflichtversicherung Berufshaftpflichtversicherung für Architekten 15 und Ingenieure Haftpflichtversicherung für IT-Dienstleis16 ter Exkurs 17 a) Kfz-Haftpflichtversicherung b) Vermögensschadenshaftpflichtversiche18 rung
6. 7.
3
C.
Schäden durch Abhandenkommen
I. 1. 2.
Begriff des Abhandenkommens 19 Ausgangspunkt 20 Einschränkende Auslegung
II.
Versicherungsschutz trotz Abhandenkom21 mens
III.
Mitversicherung von Schäden durch Abhanden23 kommen
IV.
Behandlung mitversicherter Schäden durch Ab25 handenkommen wie Sachschäden
D.
Beweislast
26
E.
AGB-Recht
27
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 2 AHB stellt klar, dass bei Versicherung von Haftpflichtrisiken auf der Basis der AHB weder für Vermögensschäden noch für Schäden durch Abhandenkommen standardmäßig Deckung besteht. Ziff. 2.1 AHB definiert den Begriff des (reinen) Vermögensschadens negativ in Abgrenzung zum Personen- und Sach(folge)schaden. Ziff. 2.2 AHB ordnet an, dass bei Mitversicherung von Haftpflichtansprüchen wegen Abhandenkommens die Bestimmungen über Sachschäden zur Anwendung kommen. 2 Der Grund für die standardmäßige Nichtversicherung von Haftpflichtansprüchen wegen Vermögensschäden und aus dem Abhandenkommen liegt darin, dass sich diese nach Grund
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-007
92
B. Vermögensschaden
Ziff. 2 AHB 2016
und Höhe schwer einschätzen lassen.1 Bei Haftpflichtansprüchen aus dem Abhandenkommen kommt hinzu, dass der VR nicht mit den Problemen unklarer Ersatzverpflichtungen des VN aus dem Abhandenkommen von Sachen belastet werden will. Unklarheiten ergeben sich vor allem daraus, dass im Falle des Abhandenkommens – anders als bei der Beschädigung oder Vernichtung einer Sache – Überprüfungen zum Schadensereignis und auch zur Schadenshöhe in aller Regel nicht möglich sind.2 Es besteht deshalb die Gefahr, dass ein Abhandenkommen vorgespiegelt und damit die Versicherungsleistung ohne Vorliegen eines Schadens erschwindelt wird.3
B. Vermögensschaden I. Begriff Die AHB unterscheiden zwischen (unechten) Vermögensschäden, die sich aus einem Perso- 3 nen- oder Sachschaden ergeben, und (echten) Vermögensschäden, die weder durch Personenschäden noch durch Sachschäden entstanden sind. Diese Abgrenzung folgt in ihrem Muster dem Bürgerlichen Recht, weil auch dort der haftungsbegründende echte Vermögensschaden nicht positiv, sondern negativ definiert wird. Nach Bürgerlichem Recht liegt ein echter Vermögensschaden immer dann vor, wenn keines der absolut geschützten Rechtsgüter i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB des Geschädigten verletzt worden ist.4 Im Übrigen knüpft sie an die Unterscheidung zwischen Haftungsausfüllung und Haftungsbegründung an. Während die Verursachung echter Vermögensschäden die Haftung begründet, sind unechte Vermögensschäden im Rahmen der Haftungsausfüllung nur für den Inhalt und Umfang der Schadensersatzpflicht bedeutsam (§§ 249 ff. BGB).5 Ein (echter) Vermögensschaden liegt z.B. vor, wenn der VN an einen Dritten eine andere als die verkaufte Saat liefert mit der Folge, dass nach der Aussaat ein Minderertrag erzielt wird oder gar für eine gewisse Zeit der Boden überhaupt keinen Nutzen abwirft, weil die Saat nicht aufgeht.6 Dass der Einschluss von Vermögensschäden besonderer Vereinbarung bedarf, ergibt sich 4 bereits aus der positiven Abgrenzung des Versicherungsschutzes in Ziff. 1.1 Satz 1 AHB. Ohne einen hierfür bestehenden Anlass ist der VR nicht nach § 6 Abs. 1 und 4 VVG verpflichtet, den VN darauf hinzuweisen, dass (echte) Vermögensschäden nicht standardmäßig mitversichert sind.7 Nicht als Vermögensschaden zu qualifizieren sind Ansprüche wegen Abhandenkommens 5 von Sachen.8 Dies wird durch die Überschrift von Ziff. 2 AHB und die gesonderte Behandlung in Ziff. 2.2 AHB deutlich. Die Versicherung von Haftpflichtansprüchen wegen Vermögensschäden schließt somit nicht solche wegen Abhandenkommens von Sachen ein.9 Es bedarf einer besonderen Vereinbarung. Soweit in der Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung Vermögensschäden mitversichert werden, „Ansprüche wegen Vermögensschäden […] aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen“ hiervon jedoch ausgenommen 1 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 2 AHB Rn. 1; Späte § 1 Rn. 121; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 2 Rn. 37; Littbarski AHB § 1 Rn. 89. 2 Vgl. auch Späte § 1 Rn. 124. 3 Vgl. LG Paderborn 7.3.1991 – 1 S 381/90, NJW-RR 1991 1182, 1183. 4 Vgl. Staudinger/Hager (2017) § 823 B192. 5 Unklar Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 2 Rn. 13 ff. 6 BGH 7.3.1968 – II ZR 89/65, VersR 1968 437, 438. 7 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 2; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 2 AHB Rn. 2. 8 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 2 AHB Rn. 11; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 2 Rn. 34; Littbarski AHB § 1 Rn. 101 („Schadensart eigener Art“); das Abhandenkommen von Sachen als Unterfall des echten Vermögensschadens sehen an: Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 43; Späte § 1 Rn. 119; Wussow § 1 Anm. 60; Kuwert Rn. 1059; offenlassen KG 29.10.2010 – 6 U 204/09, VersR 2011 661 f. 9 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 2 Rn. 4; Schimikowski RuS 2004 397, 398 f. 93
Koch
Ziff. 2 AHB 2016
Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen
werden (vgl. Ziff. 7.6.5.2 lit. l) BBR BHV, A1-6.12 lit. m) AVB BHV, Ziff. 6.2 BBR PHV, A1-6.15.2 lit. l) AVB PHV; hierzu sogleich Rn. 25), soll mit dieser Formulierung keine abweichende Einordnung getroffen werden.
II. Mitversicherung von Vermögensschäden 6 Die Versicherung von Vermögensschäden bedarf gem. Ziff. 2 AHB besonderer Vereinbarung. Diese erfolgt mittlerweile standardmäßig in der Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung (Ziff. 7.6.5 BBR BHV, A1-6.12 AVB BHV, Ziff. 6 BBR PHV, A1-6.15.2 AVB PHV). Aus der bloßen Streichung von Ausschlüssen, die den Ersatz bestimmter echter Vermögensschäden zum Gegenstand haben, kann auf eine solche konkludente Vereinbarung nicht geschlossen werden.10
1. Privathaftpflichtversicherung 7 Am Markt hat sich bezüglich der Mitversicherung von Vermögensschäden in der Privathaftpflichtversicherung ein weitgehend einheitlicher Standard herausgebildet, der durch die Musterbedingungen des GDV abgebildet wird. Danach sind Vermögensschäden zu einem Sublimit mitversichert (Ziff. 6.3 BBR PHV, A1-6.15.3 AVB PHV). Jedoch enthalten Ziff. 6.2 BBR PHV A16.15.2 lit. a) – m) AVB PHV einen so umfangreichen Ausschlusskatalog, dass sich die Deckung im Wesentlichen auf Ansprüche aus Schäden wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Namensrechts beschränkt. So sind ausgeschlossen Ansprüche wegen Schäden – durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; – aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; – aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; – aus Vermittlungsgeschäften aller Art; – aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; – aus Anlage-,11 Kredit-,12 Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung; – aus Rationalisierung und Automatisierung; – aus der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartelloder Wettbewerbsrechts; – aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vor- und Kostenanschlägen; – aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungsoder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; – aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; – aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen; – aus Schäden durch ständige Emissionen (z.B. Geräusche, Gerüche, Erschütterungen).
10 Vgl. auch OLG Köln 28.3.1958 – 4 U 68/57, VersR 1958 747 f.; LG Krefeld 10.3.1953 – 6 O 181/52, VersR 1954 52. 11 Vgl. OLG Stuttgart 19.7.2012 – 7 U 50/12, RuS 2013 21, 22 (Verwaltungsvertrag „für Investmentzwecke“). 12 Vgl. OLG Hamm 13.7.2012 – 20 U 9/12, RuS 2013 19, 21 (Darlehensvertrag). Koch
94
B. Vermögensschaden
Ziff. 2 AHB 2016
Ein Großteil der Ausschlüsse ist für die Privathaftpflichtversicherung ohne Relevanz, weil sie 8 nicht die darin versicherten Gefahren des täglichen Lebens, sondern die nicht versicherten Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes betreffen (anders liegt der Fall, soweit in einer Privathaftpflichtversicherung der Versicherungsschutz auf die Deckung von Forderungsausfällen des VN erweitert wird13). Es geht vornehmlich darum, zu verhindern, dass der VN Deckung über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB) erhält. Der Ausschluss von Ansprüchen aus dem Abhandenkommen von Sachen (Ziff. 6.2 Spiegelstrich 11 BBR PHV, A1-6.15.2 lit. l) AVB PHV) ist überflüssig, da die Mitversicherung von Vermögensschäden nach dem zuvor Gesagten solche Ansprüche nicht einschließt (Rn. 6). Schutz vor Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten 9 bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme, der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten bietet standardmäßig (sublimitiert) die Privathaftpflichtversicherung (Ziff. 4 BBR PHV, A1-6.16 AHB PHV). Soweit Daten und Progamme betroffen sind, kommt es aufgrund dieser Formulierung auf die rechtliche Qualifikation von Daten als Sachen nicht mehr an (Ziff 1 AHB Rn. 22).
2. Betriebshaftpflichtversicherung In der Betriebshaftpflichtversicherung sind Vermögensschäden wegen Versicherungsfällen aus 10 der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Missbrauch personenbezogener Daten standardmäßig mitversichert (Ziff. 7.6.5.1 BBR BHV, A1-6.12.3 AVB BHV). Deckung besteht insoweit für Haftpflichtansprüche wegen Verletzung der DSVGO, des BDSG, von Länderdatenschutzgesetzen sowie bereichsspezifischen Datenschutzregeln (z.B. im SGB I, SGB X oder TTDSG). Ziff. 7.6.5.2 S. 2 BBR BHV (A1-6.12.2 AVB BHV) enthält einen mit Ziff. 6.2 BBR PHV (A1-6.15.2 11 AVB PHV) identischen Ausschlusskatalog, erweitert um den Ausschluss von Ansprüchen wegen Schäden aus Datenerfassung, -speicherung, -sicherung, -wiederherstellung, Austausch, Übermittlung, Bereitstellung elektronischer Daten sowie der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Namensrechten. Ebenso wie die Privathaftpflichtversicherung bietet auch die Betriebshaftpflichtversiche- 12 rung mittlerweile standardmäßig sublimitierten Schutz vor Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme, der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten (A1-6.13 AHB BHV, vgl. aber auch Ziff. 2 BetrH IT: nur bei besonderer Vereinbarung).
3. Produkthaftpflichtversicherung Zur Versicherung von Vermögensschäden in der Produkthaftpflichtversicherung s. Kommentie- 13 rung zu Ziff. 4 ProdHM 2008/2015.
4. Umwelthaftpflichtversicherung Zur Versicherung von Vermögensschäden in der Umwelthaftpflichtversicherung s. Kommentie- 14 rung zu Ziff. 1 UmweltHM.
13 Vgl. OLG Stuttgart 19.7.2012 – 7 U 50/12, RuS 2013 21, 22; OLG Hamm 13.7.2012 – 20 U 9/12, RuS 2013 19, 21. 95
Koch
Ziff. 2 AHB 2016
Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen
5. Berufshaftpflichtversicherung für Architekten und Ingenieure 15 Die Berufshaftpflichtversicherung für Architekten und Ingenieure umfasst Personen-, Sach- und Vermögensschäden (vgl. Ziff. 1.5 BBR Arch).
6. Haftpflichtversicherung für IT-Dienstleister 16 Zur Versicherung von Vermögensschäden in der Haftpflichtversicherung für IT-Dienstleister s. Ziff. 1 BBR IT-D Rn. 4.
7. Exkurs 17 a) Kfz-Haftpflichtversicherung. Kfz-Haftpflichtschäden werden nicht auf der Basis der AHB, sondern der AKB versichert. Diese gewähren in A.1.1.1 lit. c) AKB 2015 entsprechend den Vorgaben von § 1 PflVG i.V.m. der Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG Deckung auch für echte Vermögensschäden.
18 b) Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Ausschließlich Ersatz von echten Vermögensschäden gewährt die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung, wie sie für Angehörige freier Berufe (Rechtsanwälte, Notare, Wirtschafts- und Steuerberater) angeboten wird. Der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung liegen nicht die AHB, sondern die AVB Vermögensschäden zugrunde.14 Diese AVB stellen nicht lediglich Zusatzbedingungen zu den AHB, sondern ein selbstständiges und in sich geschlossenes Bedingungswerk dar. Es handelt sich insoweit nicht um eine durch besondere Vereinbarung auf Vermögensschäden ausgedehnte Haftpflichtversicherung i.S.v. Ziff. 2.1 AHB. Für eine auch nur subsidiäre Anwendung der AHB ist kein Raum.15
C. Schäden durch Abhandenkommen I. Begriff des Abhandenkommens 1. Ausgangspunkt 19 Bei dem Begriff des Abhandenkommens handelt sich um einen fest umrissenen Begriff der Rechtssprache, der Eingang in § 935 Abs. 1 BGB gefunden hat.16 Abhandengekommen sind danach solche Sachen, die dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem Besitz gekommen sind.17 Unkenntnis des unmittelbaren Besitzers reicht aus.18 Abhandenkommen liegt des
14 Es gibt zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung keine vom GDV erstellten unverbindlichen Musterbedingungen. Die von Lücke (Prölss/Martin/Lücke Kap. 250) kommentierten Bedingungen geben den Marktstandard wieder. 15 BGH 9.1.1964 – II ZR 86/61, NJW 1964 1025, 1026. 16 KG 29.10.2010 – 6 U 204/09, NJW-RR 2011 468, 469 zu AVB Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung § 1 Ziff. 1; LG Berlin 29.10.2002 – 7 S 24/02, NJW-RR 2003 460, 461; zweifelnd Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 2 AHB Rn. 8. 17 BGH 6.3.1995 – II ZR 84/94, NJW 1995 2097, 2099; RG 21.1.1921 – VII 360/20, RGZ 101 224, 225; OLG Saarbrücken 18.2.2010 – 8 U 45/09, BeckRS 2010 10792; LG Berlin 29.10.2002 – 7 S 24/02, NJW-RR 2003 460. 18 Vgl. Staudinger/Heinze (2020) § 935 Rn. 4; MüKoBGB/Quack § 935 Rn. 5; Soergel/Henssler § 935 Rn 2. Koch
96
C. Schäden durch Abhandenkommen
Ziff. 2 AHB 2016
Weiteren im Falle einer freiwilligen, aber weisungswidrigen Weggabe durch den Besitzdiener vor.19
2. Einschränkende Auslegung In der Kommentierung von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ist bereits darauf hingewiesen worden, dass ein 20 Schaden durch Abhandenkommen i.S.v. Ziff. 2.2. AHB nur gegeben ist, wenn kein Sachschaden vorliegt. Dies betrifft nur die Fälle, in denen der VN dafür in Anspruch genommen wird, dass die Sachen gestohlen oder sonstwie abhanden gekommen sind, und nicht die Fälle des Verlusts des Besitzes von Sachen durch Zufall (Ziff. 1 AHB Rn. 33 ff.).
II. Versicherungsschutz trotz Abhandenkommens Werden Ansprüche gegen den VN erhoben, weil die abhanden gekommene Sache ihrerseits 21 einen Schaden an einer anderen Sache oder einer Person angerichtet hat, ist der VR zur Deckung verpflichtet, sofern kein Ausschluss eingreift.20 So liegt der Fall, wenn ein entlaufener Hund einen Dritten beißt oder Erdöl in das Erdreich sickert. Deckung besteht ferner, wenn die Sache gleichzeitig mit dem Abhandenkommen oder danach zerstört oder beschädigt wird (Ziff. 1 AHB Rn. 34). Ein solches Szenario ist z.B. gegeben, wenn der VN irrig eine fremde Herde von der Weide treibt und sie schlachten lässt.21 Versicherungsschutz besteht schließlich auch in den Fällen, in denen das Abhandenkom- 22 men seinerseits die Folge eines gedeckten Personen- oder Sachschadens ist, etwa wenn der durch einen vom VN verschuldeten Fahrradunfall bewusstlose Dritte von einem anderen bestohlen wird.22 Der durch den Diebstahl verursachte Schaden stellt sich haftungs- und deckungsrechtlich nur als Folge des Sach- oder Personenschadens dar, für den der VN nach §§ 823 Abs. 1, 249 BGB haftet23 und der VR nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB eintrittspflichtig ist, ohne dass es darauf ankommt, ob das Abhandenkommen von Sachen mitversichert ist. Es liegt nicht völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass einem bei einem Unfall Verletzten, der bewusstlos und auf ärztliche Hilfe angewiesen ist, im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen selbst persönliche Gegenstände entwendet werden. Diese Vorfälle bewegen sich noch im Rahmen adäquater Kausalität. Die hieraus entstehenden Schäden sind dem Schadensereignis selbst ohne Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zuzurechnen mit der Folge, dass der Schädiger auch insoweit haftet.24 Die gegenteilige Ansicht von R. Johannsen, Deckung ließe sich nur bejahen, wenn es hieße, der Versicherungsschutz könne durch besondere Vereinbarung auf die gesetzliche Haftpflicht wegen Abhandenkommens von Sachen, welches nicht durch Personen- oder durch Sachschäden entstanden sei, ausgedehnt werden, wird den heute geltenden AGB-Auslegungsmaßstäben nicht mehr gerecht.25 19 BeckOG BGB/Kindl § 935 Rn. 6. 20 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 6; Littbarski AHB § 1 Rn. 109. 21 BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB Ziff. 2 Rn. 14; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 5 f.; vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 2 AHB Rn. 45.
22 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 8; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB Ziff. 2 Rn. 13; Kuwert Rn. 1064; Späte § 1 Rn. 123; Littbarski AHB § 1 Rn. 113; Schimikowski RuS 2004 397 ff.; zu abweichenden Bedingungen vgl. BGH 26.4.1962 – II ZR 40/60, VersR 1962 557 ff.; OLG Celle 10.12.1959 – 1 U 158/58, VersR 1961 242; Hans. OLG Hamburg 23.5.1962 – 6 U 218/61, VersR 1963 226. 23 A.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 2 AHB Rn. 53 mit der Begründung „[e]s trifft rechtstechnisch auch nicht zu, dass der VN sich in diesen Fällen eines Anspruchs wegen Personen- oder Sachschadens ausgesetzt sieht“. 24 LG Mainz 22.1.1998 – 1 O 547/96, VersR 1999 863, 864; vgl. auch OLG Köln 25.2.2005 – 6 U 139/04, NZV 2005 523; Filthaut/Piontek/Kayser/Piontek HPflG § 1 Rn. 133; BeckOGK-BGB/Brand § 249 Rn. 218.1. 25 Vgl. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 79. 97
Koch
Ziff. 2 AHB 2016
Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen
III. Mitversicherung von Schäden durch Abhandenkommen 23 In der Betriebshaftpflichtversicherung ist bei besonderer Vereinbarung die gesetzliche Haftpflicht aus dem Abhandenkommen von Sachen (einschl. Kfz und Fahrräder mit Zubehör) der Betriebsangehörigen und Besucher und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden versichert (Sublimit). Ausgenommen hiervon sind Geld sowie bargeldlose Zahlungsmittel, Wertpapiere, Scheckhefte, Urkunden, Schmuck und andere Wertsachen (z.B. Ziff. 7.1.3.5 BBR BHV, A1-6.4 AVB BHV/AVB BHV-KfzHH/AVB BHV-Kfz-Dienstleister/AVB BHV-Sicherheitsdienstleister/ AVB BHV-Gaststätten/Beherbergung). In der Privathaftpflichtversicherung (BBR PHV/AVB PHV) fehlt eine entsprechende Regelung. Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Abhandenkommen sind standardmäßig versi24 chert im Bereich der Heilwesenversicherung (vgl. A1-6.4.1 AVB BHV-KH/AVB Arzt/AVB Tierarzt).
IV. Behandlung mitversicherter Schäden durch Abhandenkommen wie Sachschäden 25 Die Anordnung der Anwendung der Regeln über Sachschäden auf den Fall des Abhandenkommens hat zur Folge, dass für die Haftpflichtansprüche aus Abhandenkommen dieselben Selbstbehalte und sachspezifischen Ausschlusstatbestände gelten.
D. Beweislast 26 Es handelt sich bei den Regelungen in Ziff. 2 AHB um primäre Risikoabgrenzungen. Soweit Vermögensschäden und/oder Schäden durch Abhandenkommen mitversichert sind, hat der VN den Eintritt eines Vermögensschadens oder die Voraussetzungen für ein Abhandenkommen zu beweisen.
E. AGB-Recht 27 Die Regelungen gem. Ziff. 2 AHB sind weder überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie sind auch nicht geeignet, den Vertragszweck i.S.v. § 307 Abs. 2 Ziff. 2 BGB zu gefährden.
Koch
98
Ziff. 3 AHB 2016
Ziff. 3 Versichertes Risiko AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 3 Versichertes Risiko
§ 1 Gegenstand der Versicherung
3.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die gesetzliche Haftpflicht (1) aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken des VN (2) aus Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. 2Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen, (3) aus Risiken, die für den VN nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung) und die in Ziff. 4 näher geregelt sind.
2. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf die gesetzliche Haftpflicht a) aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten des VN (versichertes „Risiko“); b) – soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde – 1 aus Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos, soweit sie nicht in dem Halten oder Führen von Luft, Kraft- oder Wasserfahrzeugen (abgesehen von Ruderbooten) bestehen. … c) aus Risiken, die für den VN nach Abschluß der Versicherung neu entstehen, gemäß § 2 (Vorsorgeversicherung).
3.2 1Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. 2 Der VR kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 21 kündigen.
b) … 2Bei Erhöhungen des übernommenen Risikos, die durch Änderung bestehender oder durch Erlaß neuer Rechtsnormen eintreten, gilt folgendes: 3 Der VR ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. 4Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Erhöhung bestanden hat.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Bestimmung des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (1) AHB) 10
2.
Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung (Ziff. 1 Satz 2 Abs. 2 BBR PHV) 17
IV. 1. 2.
Risikoerhöhungen Begriff der Risikoerhöhung 19 Beispiele
18
I.
Ausgangspunkt
II. 1. 2.
Konkretisierung des versicherten Risikos 11 Privathaftpflichtversicherung 12 Betriebshaftpflichtversicherung
V. 1. 2.
Risikoerweiterungen Begriff der Risikoerweiterung 24 Beispiele
C.
Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (2) AHB)
VI.
Nicht versicherte Risikoerhöhungen und -erwei30 terungen
I.
Bedeutung
II.
Verhältnis zu §§ 23 ff. VVG
III.
Abgrenzung zu Ausschlüssen vom Versicherungsschutz 16 Vorsatzausschluss (Ziff. 7.1 AHB)
1.
13
VII. Abgrenzung zu neuen Risiken 14
99 https://doi.org/10.1515/9783110522686-008
22
32
D.
Verschärfung von Haftpflichtnormen (Ziff. 3.2 AHB)
E.
Beweislast
39
Koch
Ziff. 3 AHB 2016
Versichertes Risiko
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 3.1 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 1 Ziff. 2 AHB 1999. Ziff. 3.1 (1) AHB stellt klar, dass die Haftpflichtversicherung nicht für alle Wagnisse Versicherungsschutz bietet, sondern nur für die im Versicherungsschein und -vertrag näher umschriebenen Risiken (Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos). Die Festlegung des versicherten Risikos erleichtert für den VR die Risikobewertung und ist für die Kalkulation der Prämie erforderlich.1 Die Prämie bemisst sich im unternehmerischen Bereich vor allem nach dem Gegenstand des 2 Unternehmens, der (frei-)beruflichen Tätigkeit (Branche), der Bilanzsumme und/oder nach dem Umsatz. So bringt die Herstellung von Kfz im Hinblick auf die Gefahr der Inanspruchnahme wegen Personen- oder Sachschäden, die verschuldensunabhängige Haftung nach dem ProdHaftG und die mögliche Höhe der Haftung augenscheinlich größere Risiken mit sich als beispielsweise die Reinigung von Schaufenstern. Dementsprechend niedriger fällt die Versicherungsprämie für die Versicherung der Haftpflichtrisiken aus, die aus der Reinigung von Schaufenstern resultieren. Im privaten Bereich hängt die Gefahr der Inanspruchnahme vor allem von der Lebensfüh3 rung eines Menschen ab, die wiederum durch objektive und subjektive Faktoren geprägt ist. Objektive Anknüpfungspunkte wie z.B. ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität können wegen § 19 AGG jedoch nicht für die Prämienbemessung herangezogen werden. Die daraus resultierenden Haftpflichtrisikopotentiale für den VR lassen sich zudem versicherungstechnisch nur schwer erfassen. Gleiches gilt für subjektive Faktoren wie z.B. Risikofreudigkeit, die mit der Persönlichkeit des VN zu tun haben. Deshalb werden im privaten Bereich sämtliche Gefahren des täglichen Lebens versichert. Das Risikopotential, das für den VR aus der im Vergleich zur Betriebshaftpflichtversiche4 rung weit und relativ unbestimmt gefassten Beschreibung des versicherten Risikos in der Privathaftpflichtversicherung resultiert, wird erst durch negative Abgrenzungsmerkmale – z.B. keine Versicherung der Haftpflicht aus ungewöhnlicher und gefährlicher Beschäftigung (vgl. hierzu Ziff. 1 BBR PHV Rn. 31 ff.) – verringert.2 Demgegenüber ist im unternehmerischen Bereich aufgrund Erfahrungswissens der VR eine Vergleichsgruppenbildung, die sich am Unternehmensgegenstand oder an der Berufstätigkeit, an der Bilanzsumme und/oder am Umsatz orientiert, in aller Regel möglich und zulässig. Die Festlegung des „versicherten Risikos“ ist nicht nur aus versicherungstechnischen, son5 dern auch aus versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten höchst bedeutsam, weil das versicherte Risiko Anknüpfungspunkt für das versicherte Interesse ist.3 Fällt das versicherte Risiko weg, z.B. weil der VN sein Unternehmen aufgibt und kein Spätschadenrisiko besteht, entfällt auch das versicherte Interesse und der Versicherungsvertrag endet (vgl. § 80 Abs. 2 VVG).4 Insoweit handelt es sich entgegen Lücke5 bei der Festlegung des versicherten Risikos um eine Regelung, bei deren Fehlen von einem wirksamen Vertrag nicht mehr ausgegangen werden kann. Dies hat zur Folge, dass formularmäßige Festlegungen weder der Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) noch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB
1 Vgl. auch OLG München 24.4.1981 – 8 U 3048/80, VersR 1982 665 a.E. 2 Vgl. BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004 591 f. 3 Vgl. BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, VersR 1991 172 = RuS 1991 224, 225; BGH 20.3.1974 – IV ZR 94/73, VersR 1974 535, 536 = NJW 1974 1139, 1140; BGH 22.9.1958 – II ZR 87/57, BGHZ 28 137, 141 = NJW 1958 1872 f.; OLG Stuttgart 12.3.2008 – 4 U 58/07, VersR 2009 206, 208 = NZV 2009 191, 193 ff.; OLG Frankfurt 11.3.2004 – 3 U 89/03, NJW-RR 2004 1333, 1334 f.; OLG Nürnberg 26.5.1995 – 6 U 409/95, VersR 1997 180 = RuS 1996 395; LG München I 24.6.2003 – 28 O 21783/02, NJOZ 2003 2613, 2614; LG Düsseldorf 9.12.1983 – 11 O 406/83, VersR 1984 477, 478 f. 4 BTDrucks. 16/3945 S. 79. 5 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 1; vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 86. Koch
100
B. Bestimmung des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (1) AHB)
Ziff. 3 AHB 2016
unterliegen.6 Darüber hinaus ist das versicherte Risiko bedeutsam für die Feststellung, ob eine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 Abs. 1 Satz 1 VVG vorliegt.7 Unabhängig davon sind bei Formularverträgen die Vorgaben der §§ 305 ff. BGB zu beachten. Besondere Bedeutung kommt § 305c Abs. 1 BGB zu. Beantragt z.B. ein selbstständiger Architekt eine Berufshaftpflichtversicherung und stellt er dabei gegenüber dem den Antrag aufnehmenden Versicherungsvertreter klar, dass er als Architekt überwiegend für eine GmbH tätig sein wolle, deren Alleingesellschafterin und Mitgeschäftsführerin seine Ehefrau und deren Geschäftsführer er selbst sei, so ist die Klausel, die die Deckung für die Tätigkeit im Auftrag einer solchen GmbH ausschließt, überraschend. Sie wird deshalb nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil der Annahmeerklärung des VR und somit auch nicht des Vertrags. Vielmehr bestimmt der Inhalt des Versicherungsantrags den Inhalt des Vertrags.8 Eines Rückgriffs auf § 5 VVG bedarf es nicht.9 Die sich aus dem Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos gelegentlich für den VN ergebenden Härten werden durch den Einschluss der Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos gem. Ziff. 3.1 (2) AHB und durch die Vorsorgeversicherung für neue Risiken nach Ziff. 3.1 (3), 4 AHB abgemildert (s. hierzu Ausführungen zu Ziff. 4 AHB). Im Anwendungsbereich der Ziff. 3.1 (2) AHB sind die gesetzlichen Regelungen zur Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) abbedungen (Rn. 14 f.).10 Im Übrigen ist der VR nach § 6 Abs. 1 VVG verpflichtet, die Entstehung von Fehlvorstellungen des VN über den Umfang des versicherten Risikos zu vermeiden und vorhandene Fehlvorstellungen des VN, die für ihn im Rahmen der Beratung und/oder aufgrund der Antworten auf die vor Abschluss des Versicherungsvertrags gestellten Fragen, erkennbar sind, zu beseitigen (vgl. auch § 1a VVG). Anderenfalls schuldet der VR gem. § 6 Abs. 5 VVG Versicherungsschutz als Schadensersatz. Dies gilt insbesondere dann, wenn der VN mit seinem Antrag zum Ausdruck bringt, dass nicht ein bestimmtes Berufsbild oder Betriebsmodell unabhängig von seiner tatsächlichen Ausgestaltung versichert werden soll, sondern seine gewöhnliche Tätigkeit bzw. sein realer Betrieb.11 Ziff. 3.2 AHB stellt sich als eine Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen zur objektiven Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 3 VVG dar.12
6
7
8
9
B. Bestimmung des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (1) AHB) I. Ausgangspunkt Nach Ziff. 3.1 (1) AHB umfasst der Versicherungsschutz die gesetzliche Haftpflicht aus den im Ver- 10 sicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken des VN. Während die AHB-Fassungen bis 2002 auf die „Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten des VN“ abstellten, bedient sich die aktuelle Fassung nur noch des Begriffs des versicherten Risikos. Die Neufassung trägt der Versicherungspraxis Rechnung, die das versicherte Risiko entweder individualvertraglich oder nach Maßgabe Besonderer Bedingungen und Risikobeschreibungen eigenständig, und 6 BGH 26.3.2014 – IV ZR 422/12, RuS 2014 228 Rn. 34 f. 7 OLG Stuttgart 12.3.2008 – 4 U 58/07, VersR 2009 206, 208 = NZV 2009 191, 193 ff.; OLG Nürnberg 26.5.1995 – 6 U 409/95, VersR 1997 180 = RuS 1996 395; OLG Nürnberg 8.12.1975 – 5 U 104/75, VersR 1976 330.
8 Vgl. OLG Düsseldorf 21.8.2001 – 4 U 190/01, VersR 2002 1273; LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, RuS 2009 410, 411 f. 9 Vgl. Prölss/Martin/Rudy § 5 Rn. 4; so aber OLG Karlsruhe 15.12.2005 – 12 U 150/05, NZBau 2006 256; KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 230 f. 10 Vgl. OLG Köln 15.9.1988 – 5 U 267/87, RuS 1989 9; OLG Hamm 9.1.1981 – 20 U 163/80, VersR 1981 1122; OLG Celle 16.3.1953 – 1 U 181/52, VersR 1953 181; ÖOGH 24.10.1974 – 7 Ob 157/74, VersR 1975 1140; s. auch BGH 12.9.2012 – IV ZR 171/11, VersR 2012 1506, 1507 f. (zur D&O-Versicherung). 11 Vgl. OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, VersR 2016 983, 984; OLG Karlsruhe 15.7.2010 – 12 U 6/10, RuS 2010 416, 417. 12 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 64. 101
Koch
Ziff. 3 AHB 2016
Versichertes Risiko
zwar unter Bezugnahme auf ganz konkrete Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten des VN umschreibt (vgl. Ziff. 7.1.1 BBR BHV/A1-1 AVB BHV). Die früher verwandte Formulierung in den AHB hat sich somit als überflüssig erwiesen. Die Privathaftpflichtversicherung bietet Schutz gegen das Risiko der Inanspruchnahme „aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes“ (Ziff. 1 BBR PHV/A1-1 AVB PHV). In der Betriebshaftpflichtversicherung bezieht sich das versicherte Risiko auf den im Versicherungsschein angegebenen Betrieb mit seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten bzw. aus der Ausübung der im Versicherungsschein beschriebenen beruflichen Tätigkeit (Ziff. 7.1.1 BBR BHV/A1-1 AVB BHV), in der Produkthaftpflichtversicherung auf den in der Betriebsbeschreibung genannten Produktions- und Tätigkeitsumfang (Ziff. 2 ProdHM 2008/2015/ A3-1.2 AVB BHV) und in der Haftpflichtversicherung von IT-Dienstleistern auf die typischen Tätigkeiten eines Softwarehauses und von Providern (Ziff. 1 BBR IT-D).13
II. Konkretisierung des versicherten Risikos 1. Privathaftpflichtversicherung 11 Nach Ansicht des BGH enthält die Formulierung „Gefahren des täglichen Lebens“ für sich genommen keine Einschränkung des versicherten Risikos. Der VN darf die Privathaftpflichtversicherung deshalb als „Allgefahrenversicherung“ verstehen, von denen nur die in den AVB eigens genannten Gefahrbereiche ausgenommen sein sollen.14 Der Versicherungsschutz wird somit in erster Linie dadurch begrenzt, dass Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes sowie aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung nicht versichert sind. Weitere Einschränkungen finden sich in den in Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV/A1-6 AVB PHV näher aufgeführten Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten des VN (zu den Einzelheiten s. Kommentierung von Ziff. 1 BBR PHV).
2. Betriebshaftpflichtversicherung 12 In der Betriebshaftpflichtversicherungspraxis knüpft die Beschreibung des versicherten Risikos in erster Linie an den Gegenstand des Unternehmens oder der beruflichen Tätigkeit an. Auf Eigenschaften, spezielle Rechtsverhältnisse oder Tätigkeiten wird zumeist zur Konkretisierung des versicherten Risikos (und damit zur Abgrenzung von unversicherten Risiken) abgestellt. Zur Risikodeklaration und Bestimmung des Umfangs des versicherten Risikos in der Betriebshaftpflichtversicherung und zur Behandlung von Mischfällen s. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 23 ff.
C. Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (2) AHB) I. Bedeutung 13 Ziff. 3.1 (2) AHB verbessert den Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung durch den Einschluss der Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos. Ausgangspunkt für die Ermittlung, ob im konkreten Fall eine nach Ziff. 3.1 (2) AHB gedeckte Erhöhung oder Erweiterung vorliegt, ist zunächst immer die Feststellung des Umfangs des durch den Haftpflichtversi13 Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/de/private-und-gewerbliche-haftpflichtbedingungen-6022 (Abruf am 3.3.2021).
14 St.Rspr., vgl. BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 22; BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012 172 Rn. 13; BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189, jew. m.w.N. Koch
102
C. Risikoerhöhungen und -erweiterungen
Ziff. 3 AHB 2016
cherungsvertrag primär gebotenen Versicherungsschutzes.15 Soweit bestimmte Risiken durch Ausschlussklauseln vom Versicherungsschutz ausgenommen sind, ist kein Raum für die Anwendung von Ziff. 3.1 (2) AHB.16 Die Rechtsfolgen bei Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos sind in Ziff. 13 AHB bestimmt, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.
II. Verhältnis zu §§ 23 ff. VVG Die §§ 23 ff. VVG gelten auch für die Haftpflichtversicherung. Im Interesse eines möglichst lü- 14 ckenlosen Deckungsschutzes werden die Vorschriften über die Gefahrerhöhungen jedoch durch Ziff. 3.1 (2) AHB zugunsten des VN abgeändert.17 Der VR ist somit weder zur Kündigung gem. § 24 VVG berechtigt noch leistungsfrei nach § 26 Abs. 1 VVG, wenn eine Risikoerhöhung oder -erweiterung vorliegt, die zugleich als Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 1 und Abs. 3 VVG zu qualifizieren ist. Der VR ist auch nicht berechtigt, die Erhöhungen oder Erweiterungen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VVG auszuschließen. Er kann lediglich gem. Ziff. 13.2 AHB – insoweit in Übereinstimmung mit § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG – die Prämie ab dem Zeitpunkt der Erhöhung oder Erweiterung des Risikos erhöhen. Soweit Ziff. 13.2 AHB abweichend von § 25 Abs. 2 Satz 1 VVG dem VN nicht das Recht zur 15 Kündigung einräumt, wenn sich die Prämie um mehr als 10 % erhöht, liegt angesichts der für den VN vorteilhaften Abweichungen und bei Anlegung eines abstrakt-generellen Maßstabs insgesamt keine nachteilige Abweichung i.S.v. § 32 VVG vor.18 Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vertragsstrafenandrohung für den Fall, dass der VN unrichtige Angaben macht (vgl. Ziff. 13.1 Satz 3 AHB).19 Hielte man diese für unangemessen (hierzu näher Ziff. 13 AHB Rn. 13 ff.), hätte dies nur die Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung in Ziff. 13.1 Satz 3 AHB, nicht aber die Unwirksamkeit von Ziff. 3.1 AHB zur Folge.20
III. Abgrenzung zu Ausschlüssen vom Versicherungsschutz 1. Vorsatzausschluss (Ziff. 7.1 AHB) Während ein Konflikt zwischen §§ 23 ff. VVG und § 103 VVG in Ausnahmefällen in Betracht kom- 16 men kann,21 scheidet ein Konflikt zwischen Ziff. 3.1 AHB und Ziff. 7.1 AHB aus. Führt der VN nach Eintritt der Risikoerhöhung/-erweiterung den Schaden vorsätzlich herbei, besteht kein Versicherungsanspruch des VN.
15 OLG Hamm 9.1.1981 – 20 U 163/80, VersR 1981 1122. 16 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 34; Littbarski AHB § 1 Rn. 66. 17 Vgl. OLG Köln 15.9.1988 – 5 U 267/87, RuS 1989 9; OLG Hamm 9.1.1981 – 20 U 163/80, VersR 1981 1122, 1123; OLG Hamm 2.12.1960 – 7 U 235/60, VersR 1962 413 f.; OLG Celle 16.3.1953 – 1 U 181/52, VersR 1953 181; ÖOGH 24.10.1974 – 7 Ob 157/74, VersR 1975 1140; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 78; vgl. auch BGH 12.9.2012 – IV ZR 171/11, VersR 2012 1506, 1507 f. (zur D&O-Versicherung). 18 Vgl. Schimikowski RuS 2012 435, 436 (Anmerkung zu BGH 30.5.2012 – IV ZR 87/11, RuS 2012 435); zum Erfordernis einer Saldierung von Vor- und Nachteilen bei der Anwendung von § 32 s. Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 32 VVG Rn. 8 ff.; Langheid/Wandt/Wandt § 32 VVG Rn. 12 ff. 19 Schimikowski RuS 2012 435, 436; offengelassen von BGH 30.5.2012 – IV ZR 87/11, RuS 2012 435, 436 (zur Haftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren). 20 Offengelassen von BGH 30.5.2012 – IV ZR 87/11, RuS 2012 435, 436 (zur Haftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren). 21 Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 20 f. 103
Koch
Ziff. 3 AHB 2016
Versichertes Risiko
2. Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung (Ziff. 1 Satz 2 Abs. 2 BBR PHV) 17 Eine Überschneidung zwischen der Risikoerhöhung/-erweiterung und dem in der Privathaftpflichtversicherung geltenden Ausschluss der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung (für Einzelheiten s. Ziff. 1 BBR PHV Rn. 31 ff.) kommt nur bei der Versicherung von Nebenrisiken wie z.B. der Versicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen (Ziff. 1.7 BBR PHV) in Betracht. Da die Formulierung „Gefahren des täglichen Lebens“ nach der Rechtsprechung für sich genommen keine Einschränkung des versicherten Risikos enthält (Rn. 11), kann es bezüglich dieses (Haupt-)Risikos auch keine Erhöhung oder Erweiterung, sondern nur Beschränkungen wie eben der der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung geben.22
IV. Risikoerhöhungen 1. Begriff der Risikoerhöhung 18 Ausgangspunkt für die Ermittlung dessen, was in Ziff. 3.1 (2) Alt. 1 AHB mit dem Begriff der Risikoerhöhung gemeint ist, ist der zu § 23 VVG entwickelte Begriff der Gefahrerhöhung. Von einer Risikoerhöhung kann begrifflich nur dann gesprochen werden, wenn nachträglich eine Änderung der bei Vertragsschluss tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände eingetreten ist, die den Eintritt des Versicherungsfalles und/oder die Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht.23 Darüber hinaus muss die Änderung der Gefahrenlage von gewisser Dauer sein.24 Nur vorübergehende Risikoerhöhungen haben keinen Einfluss auf die Versicherungsprämie.
2. Beispiele 19 Eine Risikoerhöhung in der Betriebshaftpflichtversicherung ist gegeben, wenn der VN neue, bisher nicht vorhandene Maschinen oder Arbeitsgeräte einsetzt25 oder neue Produktionsmethoden einführt.26 Auch „anomale“ Erhöhungen sind gedeckt, z.B. wenn der VN ungeübte Arbeitskräfte dauernd an gefährlichen Maschinen beschäftigt,27 ständig Sicherheitsvorschriften missachtet, Sicherheitsanlagen von gefährlichen Maschinen entfernt oder den Umfang der eingelagerten explosiven Stoffe wesentlich erhöht.28 Keine Risikoerhöhung liegt vor, wenn der VN nach Vertragsschluss eine Maschine mit einer Schutzvorrichtung versieht, diese später aber wieder entfernt.29
22 St.Rspr., vgl. BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 22; BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012 172 Rn. 13; BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189, jew. m.w.N.
23 OLG Dresden 6.10.2020 – 4 U 2789/19, RuS 2021 31, 35; OLG Oldenburg 23.6.2010 – 5 U 153/09, VersR 2011 256, 257; LG Berlin 9.12.2003 – 7 S 54/02, NJOZ 2004 1680 f.; vgl. allgemein Rüffer/Halbach/Schimikowski/Karczewski § 23 Rn. 13; Bruck/Möller/Matusche-Beckmann § 23 Rn. 4; Prölss/Martin/Armbrüster § 23 Rn. 7; Langheid/Wandt/ Wrabetz/Reusch § 23 Rn. 21. 24 Vgl. BGH 23.6.2004 – IV ZR 219/03, VersR 2005 218, 219; BGH 5.5.2004 – IV ZR 183/03, VersR 2004 895, 896; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 43; Späte § 1 Rn. 233. 25 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 76; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 59; Späte § 1 Rn. 234. 26 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 48. 27 OLG Hamm 2.12.1960 – 7 U 235/60, VersR 1962 413, 415. 28 Vgl. BGH 20.11.1958 – II ZR 149/57, VersR 1959 13, 14. 29 OLG Hamm 2.12.1960 – 7 U 235/60, VersR 1962 413, 415. Koch
104
C. Risikoerhöhungen und -erweiterungen
Ziff. 3 AHB 2016
In der Privathaftpflichtversicherung dürfte eine Risikoerhöhung gegeben sein, wenn der 20 VN eine Schusswaffe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise aufbewahrt (vgl. § 36 WaffG). Bei solchen Fallgestaltungen ist freilich stets zu prüfen, ob der Versicherungsschutz entfällt (z.B. weil eine ungewöhnliche und gefährliche Betätigung vorliegt oder der Vorsatzausschluss zum Tragen kommt). Eine Risikoerhöhung kommt zudem in Betracht, wenn sich durch das Leerstehenlassen des Einfamilienhauses das Risiko eines Fremdschadens erhöht.30 Keine Risikoerhöhung liegt vor, wenn der VN auf Ausgleichsansprüche verzichtet.31 In der Hundehalterhaftpflichtversicherung liegt eine Erhöhung vor, wenn der VN, der 21 bisher einen Pudel besaß, sich anstelle dessen einen Rottweiler zulegt.32
V. Risikoerweiterungen 1. Begriff der Risikoerweiterung Eine Erweiterung des versicherten Risikos i.S.v. Ziff. 3.1 (2) Alt. 2 AHB liegt vor, wenn sich die 22 Zahl der durch den Versicherungsvertrag bereits versicherten gleichartigen Risiken vermehrt.33 Im Unterschied zur Risikoerhöhung kommt es nicht zur Änderung der bei Vertragsschluss gefahrerheblichen Umstände, sondern zu einer Erweiterung des – hinsichtlich der Gefahrrelevanz gleichbleibenden – zugrundeliegenden versicherten Risikos.34 Allerdings ist auch für die Annahme einer Risikoerweiterung Voraussetzung, dass diese Erweiterung von gewisser Dauer ist. Eine Risikoerweiterung kann im Übrigen auch gleichzeitig mit einer Risikoerhöhung eintre- 23 ten. So liegt der Fall, wenn der VN einer Tierhalter-Haftpflichtversicherung zunächst ein Pferd im Vertrag deklariert und sich später noch einen Hund zulegt.35 Hat der VN nur eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen und schafft er sich einen Hund an, liegt hingegen keine Risikoerweiterung vor, sondern ein neues Risiko (für das allerdings keine Deckung im Rahmen der Vorsorgeversicherung besteht, vgl. Ziff. 4 AHB Rn. 23).36
2. Beispiele In der Betriebshaftpflichtversicherung wird eine Risikoerweiterung angenommen, wenn eine 24 Reitschule zusätzliche Pferde anschafft,37 ein Betrieb zusätzliche Mitarbeiter beschäftigt38 sowie der Jahresumsatz bzw. beim Haus- und Grundbesitz der Brutto-Jahresmietwert ansteigt, soweit dieser Grundlage für die Risiko- und Prämienbemessung ist.39 Vermietet ein Dachdecker die für den Eigenbedarf bestimmten Gerüste ausnahmsweise einmal, fehlt es an der für die Annahme einer Risikoerweiterung vorliegenden Dauerhaftigkeit.40
30 31 32 33 34 35 36 37
Vgl. LG Coburg 27.2.2008 – 11 O 720/07, BeckRS 2008 16961; krit. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 48. OLG Düsseldorf 28.7.1959 – 4 U 263/58, VersR 1959 822, 823. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 76; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 48. Späte § 1 Rn. 236; Littbarski AHB § 1 Rn. 71. Vgl. OLG Köln 15.9.1988 – 5 U 267/87, RuS 1989 9. Späte § 1 Rn. 236; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 52; Wussow § 1 Anm. 94. Vgl. Wussow § 1 Anm. 94. OLG Celle 2.5.1990 – 8 U 102/89, VersR 1991 1282, 1283; a.A. OLG München 19.2.1960 – 8 U 1805/59, MDR 1960 677 f. für zweiten Hund. 38 Hans. OLG Hamburg 22.6.1982 – 7 U 194/80, VersR 1985 229, 230 (zum Rechtsanwaltsbüro); Späte § 1 Rn. 236; a.A. LG Berlin 9.12.2003 – 7 S 54/02, NJOZ 2004 1680 f. (Risikoerhöhung). 39 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 53. 40 Offengelassen von BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77, 78. 105
Koch
Ziff. 3 AHB 2016
25
26
27
28 29
Versichertes Risiko
Nach Ansicht v. Rintelens stellt die Gestattung zur privaten Internetnutzung im Betrieb eine bloße Risikoerweiterung dar.41 Diese Qualifikation ist mit Blick auf die Abgrenzungskriterien zwischen Risikoerhöhungen/-erweiterungen und neuen Risiken (hierzu sogleich Rn. 32 ff.) fraglich, wenn weder ein innerer, noch ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu dem ursprünglich versicherten Risiko besteht. Jedenfalls handelt es sich bei der Überlassung zu privaten Zwecken nicht um eine bereits mitversicherte Hilfstätigkeit.42 Ist im Versicherungsvertrag vereinbart, dass der Geschäftsbetrieb des VN in allen Nebenbetrieben gegen die gesetzliche Haftpflicht versichert ist, ist jede Ausdehnung des Geschäftsbetriebes, die sich mit den gleichen Artikeln oder mit artverwandten Produkten befasst, als Erweiterung des versicherten Risikos anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn die Erweiterung auf einem anderen Grundstück oder an einem anderen Ort als dem bisherigen Sitz des VN vollzogen wird.43 Ist in einer Haftpflichtversicherung für die Land- und Forstwirtschaft die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Besitz und Verwendung von selbst fahrenden Arbeitsmaschinen (mit nicht mehr als 20 km/h) im eigenen Betrieb mitversichert, erstreckt sich die allgemeine Risikobeschreibung auch auf eine nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu erworbene Arbeitsmaschine.44 In der Privathaftpflichtversicherung liegt eine Risikoerweiterung vor, wenn der VN als Besitzer eines Grundstücks auf diesem zwei Zimmer vermietet.45 In der Hundehalterhaftpflichtversicherung wird eine Erweiterung angenommen, wenn der VN einen weiteren Hund der gleichen Rasse kauft. Eine Risikoerweiterung und -erhöhung zugleich liegen dann vor, wenn der VN seinen Pudel behält und sich zusätzlich einen Rottweiler anschafft.46
VI. Nicht versicherte Risikoerhöhungen und -erweiterungen 30 Kein Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 3.1 (2) Satz 2 AHB für Risikoerhöhungen und erweiterungen aus dem Halten oder dem Gebrauch von versicherungspflichtigen Kfz, Luftoder Wasserfahrzeugen (zu diesen Begriffen s. Ziff. 4 AHB Rn. 25 ff.) sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen. Der Klausel kommt lediglich klarstellende Bedeutung zu, da diese Risiken in der Privathaftpflicht- und in der Betriebshaftpflichtversicherung durch die sog. „Benzinklausel (vgl. Ziff. 3.1 BBR PHV, Ziff. 7.4.3 BBR BHV) von vornherein vom Versicherungsschutz ausgenommen sind,47 soweit sich eine Gefahr verwirklicht hat, „die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist“. Zur Abgrenzung zwischen Kfz-Haftpflichtversicherung und Privat-/Betriebshaftpflichtversicherung s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 3 ff. Zu beachten ist, dass in der Privathaftpflichtversicherung gem. Ziff. 3.2 BBR PHV Deckung 31 für Schäden besteht, die verursacht werden durch den Gebrauch von nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz und Anhängern ohne Rücksicht auf eine Höchstgeschwindigkeit, Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit und selbstfahrenden
41 42 43 44 45 46 47
Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 18; a.A. Koch VersR 2006 1433, 1438. So aber Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 30. So auch Späte § 1 Rn. 236; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 53. OLG Nürnberg 28.2.2002 – 8 U 3504/01, AgrarR 2002 335 f. Späte § 1 Rn. 236; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 53. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 76. Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 116; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 79; zu den Unterschieden s. Terno RuS 2011 361, 362; zur Wirksamkeit der „kleinen Benzinklausel“ s. OLG München 4.7.2013 – U 430/13, VersR 2013 1168, 1169; LG München 20.12.2012 – 12 O 12009/12, RuS 2013 225, 226 f. Koch
106
C. Risikoerhöhungen und -erweiterungen
Ziff. 3 AHB 2016
Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit. Ausdrücklich heißt es dort, dass für diese Kfz nicht die Ausschlüsse in Ziff. 3.1 (2) AHB gelten.
VII. Abgrenzung zu neuen Risiken Während die Abgrenzung zwischen der Erhöhung und der Erweiterung des versicherten Risikos lediglich der begrifflichen Klarheit dient, ist die Abgrenzung zu neu hinzutretenden Risiken von wesentlicher praktischer Bedeutung. Nach Ziff. 3.1 (3) AHB besteht Deckung für neue Risiken nur nach Maßgabe der Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB). Diese bietet in der Regel nur sublimitierten Versicherungsschutz und entfällt unter gewissen Voraussetzungen rückwirkend (siehe hierzu Kommentierung zu Ziff. 4 AHB Rn. 46 ff.). Zudem erstrecken sich die Regeln der Vorsorgeversicherung nach 27.1 Satz 2 AHB, anders als in den Fällen der Erhöhung oder der Erweiterung des versicherten Risikos, nicht auf den Versicherten. Die Rechtsprechung stellt für die Abgrenzung zum Teil darauf ab, ob die Änderung oder Ausweitung der im Versicherungsvertrag beschriebenen Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse in einem inneren Zusammenhang mit dem ursprünglich versicherten Risiko steht und ob sie unter eine andere Position des Prämientarifs fällt.48 Das Abstellen auf Positionen des Prämientarifs ist in der Literatur mit der Begründung auf Ablehnung gestoßen, dass eine Tarifposition nur dann als verbindliches Kriterium herangezogen werden könne, wenn sie Vertragsbestandteil geworden sei.49 Zu Recht weisen Späte50 und Büsken51 darauf hin, dass ein neues Risiko auch dann gegeben sein kann, wenn der VR dafür keine eigene Tarifposition vorhalte, weil es sich um ein neuartiges Risiko handelt, und er das Risiko nicht erkannt oder für gering erachtet hat.52 Soweit im Schrifttum vorgeschlagen wird, zur Abgrenzung zwischen risikobegrenzenden Hauptfragen und gefahranzeigenden Nebenfragen zu unterscheiden,53 begegnet dieser Vorschlag den gleichen Bedenken, die gegen die Heranziehung von Tarifpositionen geäußert werden, soweit für den VN nicht erkennbar ist, um welchen Fragentypus es sich handelt. Beim Fehlen ausdrücklicher vertraglicher Abreden dürfte es dem Verständnis des durchschnittlichen VN eher gerecht werden, auf die zur Bestimmung des Umfangs des versicherten Risikos herausgearbeiteten Kriterien abzustellen (s. Ziff. 7.1 BBR BHV) und den Begriff des neuen Risikos negativ in dem Sinne zu bestimmen, dass ein neues Risiko immer dann vorliegt, wenn die Änderung oder Ausweitung der im Versicherungsvertrag beschriebenen Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse nach der Verkehrsauffassung mit dem Berufsbild nicht vereinbar ist. Sind im Vertrag Prämienzuschläge für die Veränderung bestimmter Risiken vorgesehen, liegt im Zweifel kein neues Risiko, sondern eine Risikoerhöhung/-erweiterung vor. Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung gilt Vorstehendes entsprechend, wenn der VR für ein bestimmtes (Neben-)Risiko Versicherungsschutz ohne besonderen Prämienzuschlag bis zu einer bestimmten Höhe gewährt. Eine solche abweichende Vereinbarung enthält die Privathaftpflichtversicherung z.B. hinsichtlich der Mitversicherung des Bauherrenrisikos (Ziff. 1.3 BBR PHV). Werden mehr als drei Räume einzeln vermietet oder überschreitet die Bausumme
48 Vgl. BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77, 78; OLG Stuttgart 7.7.1972 – 2 U 30/72, VersR 1974 123, 124; vgl. auch KG 13.2.2004 – 6 U 321/01, NJOZ 2004 2496, 2498 = VersR 2004 1593, 1594, das auf einen wirtschaftlichen Zusammenhang abstellt, und OLG Köln 12.6.1986 – 5 U 244/85, VersR 1987, 1230, das auf einen unmittelbaren Zusammenhang abstellt. 49 Vgl. Littbarski AHB § 2 Rn. 17; Späte § 2 Rn. 4; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 26; Bocianiak VersR 1997 1453, 1455. 50 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 22; Späte § 2 Rn. 4 im Anschluss an Wussow § 1 Anm. 94. 51 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 77. 52 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 77. 53 Späte § 2 Rn. 4 im Anschluss an Wussow § 1 Anm. 94. 107
Koch
32
33
34
35
Ziff. 3 AHB 2016
Versichertes Risiko
A 50.000 gelten die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 1 BBR PHV Rn. 76 ff.). Diese Abweichungen werden somit wie neue Risiken behandelt. Einen Anhalts- und Orientierungspunkt bieten auch der Ausschlusskatalog in Ziff. 4.3 AHB sowie die in der Privathaftpflichtversicherung mitversicherten Nebenrisiken, soweit die Ausschlüsse an Tätigkeiten (z.B. Ziff. 4.4 BBR PHV), Eigenschaften (z.B. Ziff. 1.8 BBR PHV) oder Rechtsverhältnisse (z.B. Ziff. 1.7, 2.4 BBR PHV) anknüpfen. 36 Weder ein neues Risiko i.S.d. Ziff. 4 AHB noch eine Risikoerhöhung/-erweiterung i.S.v. Ziff. 3.1 liegt vor, wenn der VN als Grundstückseigentümer versichert war und sein Haus zerstört wird.54 Hier handelt es sich vielmehr um eine Risikoverringerung, die prämienmäßig i.R.d. Ziff. 13.2 AHB zu berücksichtigen ist.
D. Verschärfung von Haftpflichtnormen (Ziff. 3.2 AHB) Schrifttum Werber Haftungsverschärfendes Gesetz und Haftpflichtversicherung VersR 1991 522.
37 Die Erhöhung des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften berührt den Versicherungsschutz grundsätzlich nicht. Der VR ist jedoch zur Kündigung des Vertrages nach Maßgabe von Ziff. 21 AHB berechtigt. Unter den Begriff der Rechtsvorschrift fallen alle gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen, die in Deutschland und – soweit Auslandsrisiken mitversichert sind – in den jeweils betroffenen Staaten unmittelbar wirksam sind (z.B. Gesetze, (EU-)Verordnungen). Als Beispiel für eine Verschärfung sei die Einführung einer verschuldensunabhängigen (Gefährdungs-)Haftung55 oder die Einführung von neuen Schutzgesetzen i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB56 genannt. Nicht unter den Begriff der Rechtsvorschrift fallen Akte der Rechtsprechung sowie Ver38 waltungsakte.57 Eine das Haftpflichtrisiko verschärfende Änderung der Rechtsprechung oder der Verwaltungspraxis berechtigt den VR somit nicht zur Kündigung. Keine Rechtsvorschriften i.S.v. Ziff. 3.2 AHB sind auch Unfallverhütungsvorschriften i.S.v. § 15 SGB VII oder privat gesetzte Rechtsregeln (z.B. DIN-Regeln), mag ihnen auch eine Konkretisierungsfunktion i.R.d. Verkehrspflichten zukommen mit der Folge, dass Änderungen durchaus geeignet sein können, das Haftpflichtrisiko zu erhöhen.58
E. Beweislast 39 Bei Ziff. 3.1. (1) AHB handelt es sich um eine primäre Risikoabgrenzung, so dass an sich der VN die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der gegen ihn erhobene Anspruch in den Schutzbereich des versicherten Risikos fällt. Im Hinblick darauf, dass es für die Verpflichtung zur Rechtsschutzgewährung genügt, dass der Haftpflichtanspruch entweder nach dem vom Geschädigten oder nach dem vom VN vorgetragenen Sachverhalt in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt (Ziff. 5 AHB Rn. 14), ist die Beweislast nur von Bedeutung für den Anspruch auf Freistellung nach Durchführung des Haftpflichtprozesses.
54 BGH 24.1.1951 – II ZR 12/50, NJW 1951 314, 315 = VersR 1951 76; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 32; Späte § 2 Rn. 4; a.A. Wussow § 8 Anm. 26.
55 Späte § 1 Rn. 243; Werber VersR 1991 522 f. 56 Vgl. Wussow § 1 Anm. 96. 57 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 21 Ziff. 21 Rn. 2; Littbarski AHB § 1 Rn. 81 ff.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 67; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 82.
58 Vgl. auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 66. Koch
108
Ziff. 4 AHB 2016
Ziff. 4 Vorsorgeversicherung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 4 Vorsorgeversicherung
§ 2 Vorsorge-Versicherung
4.1 Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu entstehen, sind im Rahmen des bestehenden Vertrages sofort versichert. (1) 1Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 2Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 3Unterlässt der VN die rechtzeitige Anzeige, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 4 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. (2) 1Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 2Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung.
Für die Vorsorge-Versicherung (§ 1 Ziff. 2 c) gelten neben den sonstigen Vertragsbestimmungen folgende Bedingungen: 1. 1Der Versicherungsschutz beginnt sofort mit dem Eintritt eines neuen Risikos, ohne daß es einer besonderen Anzeige bedarf. 2 Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: 3 Der VN ist aber verpflichtet, auf Aufforderung des VR, die auch durch einen der Beitragsrechnung beigedruckten Hinweis erfolgen kann, binnen eines Monats nach Empfang dieser Aufforderung jedes neu eingetretene Risiko anzuzeigen. 4Unterläßt der VN die rechtzeitige Anzeige oder kommt innerhalb Monatsfrist nach Eingang der Anzeige bei dem VR eine Vereinbarung über den Beitrag für das neue Risiko nicht zustande, so fällt der Versicherungsschutz für dasselbe rückwirkend vom Gefahreneintritt ab fort. 5 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor die Anzeige des neuen Risikos erstattet ist, so hat der VN zu beweisen, daß das neue Risiko erst nach Abschluß der Versicherung und in einem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem die Anzeigefrist nicht verstrichen war.
4.2 Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von Ziff. 4.1 (2) auf den Betrag von EUR … für Personenschäden und EUR … für Sachschäden und – soweit vereinbart – EUR … für Vermögensschäden begrenzt, sofern nicht im Versicherungsschein geringere Versicherungssummen festgesetzt sind.
2. Der Versicherungsschutz wird auf den Betrag von DM …/Euro … für Personenschaden und DM …/Euro … für Sachschaden begrenzt, sofern nicht im Versicherungsschein geringere Deckungssummen festgesetzt sind.
4.3 1Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für Risiken (1) aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerscheinoder Versicherungspflicht unterliegen; (2) aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; (3) die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; (4) die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind. 2 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt bei privaten Haftpflichtversicherungen außerdem nicht für Risiken aus betrieblicher, beruflicher, dienstlicher und amtlicher Tätigkeit.
3. Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf die Gefahren, welche verbunden sind mit a) dem Besitz oder Betrieb von Bahnen, von Theatern, Kino- und Filmunternehmungen, Zirkussen und Tribünen, ferner von Luft- und Wasserfahrzeugen aller Art (abgesehen von Ruderbooten) und dem Lenken solcher Fahrzeuge sowie der Ausübung der Jagd; b) Herstellung, Bearbeitung, Lagerung, Beförderung, Verwendung von und Handel mit explosiblen Stoffen, soweit hierzu eine besondere behördliche Genehmigung erforderlich ist; c) dem Führen oder Halten von Kraftfahrzeugen.
109 https://doi.org/10.1515/9783110522686-009
Koch
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Rechtsnatur der Vorsorgeversicherung
C.
Verhältnis des Hauptvertrages zur Vorsorgeversicherung
I.
Akzessorietät der Vorsorgeversicherung
II.
Beschränkung und Erweiterung der Vorsorgeversicherung durch Besondere Bedingungen und 5 Risikobeschreibungen
2 2. 3. 4.
25 a) Kraftfahrzeug 27 b) Wasserfahrzeug 28 c) Luftfahrzeug 29 Bahnen (Ziff. 4.3 (2) AHB) Versicherungs- und Deckungsvorsorgepflicht 30 (Ziff. 4.3 (3) AHB) 31 Kurzfristige Risiken (Ziff. 4.3 (4) AHB)
3 III. 1. 2.
Rechtzeitige Anzeige des neuen Risikos nach Aufforderung 33 Rechtsnatur der Anzeige 34 Materiellrechtliche Bedeutung
III.
Sonstige Konsequenzen aus der akzessorischen 9 Ausgestaltung der Vorsorgeversicherung
IV.
Einzelheiten über Aufforderung und Anzeige 36 nach Ziff. 4.1 AHB
D.
Vorliegen eines „Neuen Risikos“
V.
Anzeige ohne Aufforderung des VR
I.
Abweichung von dem versicherten Hauptver12 tragsrisiko
VI.
II.
Entstehung des neuen Risikos nach Vertrags14 schluss
Einigung über die Höhe der Prämie für das neue Risiko 46 Angebot des Versicherers 48 Angemessenheit der Prämie 51 Überhöhte Prämienforderung
III.
Kein Verzicht des Versicherungsnehmers auf 15 Vorsorgeversicherung
IV.
Kasuistik
E.
Geltung der Vorsorgeversicherung
I.
Erstreckung auf andere Versicherungsarten/18 zweige
II. 1.
16
Von der Vorsorgeversicherung ausgenommene Risiken Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeuge (Ziff. 4.3 (1) 24 AHB)
1. 2. 3.
45
F.
Deckungssummen der Vorsorgeversiche54 rung
G.
Doppelte Vorsorgeversicherung und Mehrfachversicherung
I.
Doppelte Vorsorgeversicherung
II.
Mehrfachversicherung
H.
Vorsorgeversicherung und Rechtsstellung 58 des Versicherten
I.
Beweislast
55
57
59
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 4 AHB hat die Vorsorgeversicherung zum Gegenstand. Die Klausel ist die Nachfolgeregelung zu § 2 AHB 1999. Die Vorsorgeversicherung dient ebenso wie die Mitversicherung von Risikoerhöhungen und -erweiterungen der Verbesserung des Versicherungsschutzes des VN. Indem die neuen Risiken bereits mit ihrer Entstehung in den Versicherungsschutz einbezogen werden, werden Versicherungslücken verhindert und die Beschränkung der Deckung auf das nach Ziff. 3.1 (1) und (2) AHB versicherte Risiko (Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos) wird durchbrochen.1 Entsprechend diesem Zweck erfasst die Vorsorgeversicherung alle –
1 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 1; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 83; Späte/Schimikowski/ v. Rintelen AHB § 4 Rn. 2. Koch
110
C. Verhältnis des Hauptvertrages zur Vorsorgeversicherung
Ziff. 4 AHB 2016
auch vertragsuntypische – Risiken, soweit nicht vereinbarte Ausschlüsse greifen.2 Die Vorsorgeversicherung ist vornehmlich in der Betriebshaftpflichtversicherung bedeutsam. In der Privathaftpflichtversicherung spielt sie aufgrund der Versicherung sämtlicher Gefahren des täglichen Lebens eine untergeordnete Rolle. Dort geht es zumeist um Neu- und Umbauten privater Bauherren, bei denen die Bausummen einen bestimmten Betrag überschreiten.3
B. Rechtsnatur der Vorsorgeversicherung Die Vorsorgeversicherung stellt keinen Abschluss eines neuen, selbstständigen Vertrages dar, 2 sondern füllt den bestehenden Versicherungsvertrag (Hauptvertrag) aus.4 Dies ergibt sich aus der Formulierung in Ziff. 4.1 AHB, wonach die Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu entstehen, „im Rahmen des bestehenden Vertrages“ sofort versichert sind. Die Vorsorgeversicherung ist somit auch keine Rückwärtsversicherung i.S.v. § 2 VVG. Vielmehr umfasst schon der ursprüngliche Vertragsschluss auch das später neu entstehende Risiko. Das Nichtzustandekommen der nachträglichen Prämienvereinbarung gemäß Ziff. 4.1 (2) Satz 2 AHB ist als auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der (antizipiert vereinbarten) Vorsorgeversicherung anzusehen.5
C. Verhältnis des Hauptvertrages zur Vorsorgeversicherung I. Akzessorietät der Vorsorgeversicherung Da die Vorsorgeversicherung den Versicherungsvertrag nicht ersetzt, sondern den nach Maßga- 3 be des Hauptvertrages bestehenden Versicherungsschutz lediglich auf ein neu hinzukommendes Risiko ausdehnt, setzt sie einen wirksamen Hauptvertrag voraus. Eine Anfechtung oder Kündigung des Hauptvertrages sowie ein Rücktritt oder Widerruf (§ 8) schlagen stets auf die Vorsorgeversicherung durch.6 Der akzessorische Charakter der Vorsorgeversicherung hat des Weiteren zur Folge, dass für sie grundsätzlich alle Bedingungen des Hauptvertrages gelten. Dies trifft sowohl für die in den AHB als auch für die in den Besonderen Versicherungsbedingungen und Risikobeschreibungen enthaltenen primären und sekundären Risikobegrenzungen zu.7 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die im Hauptvertrag nicht versichert oder ausgeschlossen sind (z.B. Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, vgl. Ziff. 7.15 AHB), können deshalb auch nicht über die Vorsorgeversicherung abgedeckt werden.8 Für Risiken, die nach der Risikobeschreibung des Hauptvertrages nur durch Sonderverein- 4 barung „falls besonders vereinbart“ in den Versicherungsschutz einbezogen werden können (vgl. z.B. Umweltanlagen- und Umweltschadensrisiko in der Betriebshaftpflichtversicherung 2 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 4; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 18. 3 Vgl. OLG Bamberg 21.2.2013 – 1 U 146/12, VersR 2013 898; OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757.
4 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 85; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 5; Späte § 2 Rn. 1; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 6; Littbarski AHB § 2 Rn. 5; Wussow § 2 Anm. 1; Kuwert Rn. 2003.
5 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 85; Littbarski AHB § 2 Rn. 5; Späte § 2 Rn. 1; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 5; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 1. 6 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 86; Wussow § 2 Anm. 2. 7 Vgl. OLG Schleswig 4.7.1967 – 1 U 101/66, VersR 1968 337, 338; OLG Düsseldorf 12.2.1963 – 4 U 331/61, VersR 1964 669, bestätigt durch BGH 14.6.1965 – II ZR 114/63, VersR 1965 750, 751; LG Itzehoe 21.8.1987 – 7 O 61/87, RuS 1989 114; Späte § 2 Rn. 2; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 24 f.; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4Rn. 9; Littbarski AHB § 2 Rn. 10; Bocianiak VersR 1997 1453, 1457. 8 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 5; Späte § 2 Rn. 3; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 3. 111
Koch
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
(Ziff. 7.10.2.2 und 7.10.2.4 BBR BHV), Forderungsausfallrisiko in der Privathaftpflichtversicherung (Ziff. 8 BBR PHV), Application-Service-Providing sowie den Betrieb von Rechenzentren und Datenbanken (Ziff. 1.1.2 BBR IT-D), besteht ebenfalls kein Vorsorgeversicherungsschutz.
II. Beschränkung und Erweiterung der Vorsorgeversicherung durch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen 5 Zu beachten ist des Weiteren, dass nach dem Sprachgebrauch Sonderregeln allgemeinen Regeln vorgehen. Insoweit haben Besondere Versicherungsbedingungen und Risikobeschreibungen Vorrang gegenüber den AHB.9 Dies hat zur Folge, dass eine Klausel in den Besonderen Bedingungen, die den Versicherungsschutz über Ziff. 4.3 AHB hinausgehend einschränkt, auch im Rahmen der Vorsorgeversicherung nach Ziff. 4.1 AHB maßgebend ist. Andererseits versteht es sich, dass Erweiterungen in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen Ziff. 4.3 AHB vorgehen und auch im Rahmen der Vorsorgeversicherung gelten, wenn sie dem VN günstigeren Versicherungsschutz gewähren. Demgemäß ist der Ausschluss des Versicherungsschutzes in der Vorsorgeversicherung 6 durch Ziff. 4.3 (1) AHB für Haftpflichtansprüche aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kfz insoweit bedeutungslos, als gemäß Ziff. 3.2 BBR PHV und Ziff. 7.5.1 BBR BHV Deckung z.B. für Schäden besteht, die verursacht werden durch den Gebrauch von nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz und Anhängern ohne Rücksicht auf eine Höchstgeschwindigkeit, Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit. Deshalb findet sich dort die Klarstellung, dass für diese Fahrzeuge die Ausschlüsse in Ziff. 4.3 (1) AHB nicht gelten (Ziff. 3.2 (1) BBR PHV, Ziff. 7.5.2 BBR BHV). 7 Gleiches gilt für Luftfahrzeuge, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen, und Wassersportfahrzeuge, deren Gebrauch nach Ziff. 3.2 (2) und (3) BBR PHV versichert ist. Es besteht also nach dem Hauptvertrag Versicherungsschutz sowohl für einen Schaden, der durch ein zur Zeit des Beginns des materiellen Versicherungsschutzes gemietetes Boot angerichtet wurde, als auch für durch ein später geliehenes oder gemietetes Tretboot verursachte Schäden. Die Ausschlussbestimmung der Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 4.3 (1) AHB greift insoweit nicht ein. 8 Die zunächst nur vorübergehende Einbeziehung des neuen Risikos im Rahmen der Vorsorgeversicherung führt nicht dazu, dass etwa bestehende Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen, die für dieses Risiko gelten würden, wenn es von vornherein Bestandteil des Hauptvertrages gewesen wäre, nunmehr automatisch Anwendung finden.10 Sie werden erst dann Bestandteil, wenn sich die Parteien über die Einbeziehung des neuen Risikos in den Hauptvertrag geeinigt haben.
III. Sonstige Konsequenzen aus der akzessorischen Ausgestaltung der Vorsorgeversicherung 9 Ist der VR im Ganzen leistungsfrei, etwa nach §§ 37 oder 38 VVG, oder wäre das neue Risiko nach einem anderen, nicht den AHB unterliegenden Bedingungswerk (etwa nach den AVB Vermögen) abzudecken, besteht auch kein Versicherungsschutz in der Vorsorgeversicherung 9 Vgl. OLG München 4.7.2013 – 29 U 430/13, VersR 2013 1168, 1169; LG München 20.12.2012 – 12 O 12009/12, RuS 2013 225, 228; Langheid/Wandt/Thürmann ProdHM Rn. 16 zum Verhältnis AHB und ProdHM; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Bunte Bankrechts-Handbuch 3. Aufl. (2007) § 6 Rn. 6 zum Verhältnis allgemeine Banken-AGB zu Sonderbedingungen. 10 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 9; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 13; Dötsch NZM 2014 296, 298. Koch
112
D. Vorliegen eines „Neuen Risikos“
Ziff. 4 AHB 2016
(Rn. 18).11 Wird der Versicherungsschutz durch Zahlung der rückständigen (Folge-)Prämie wiederhergestellt (§ 38 Abs. 3 VVG), beginnt er gleichzeitig auch für das neue Risiko.12 Dies gilt auch dann, wenn zum Ausgangsvertrag ausnahmsweise noch gar kein Versicherungsschutz bestanden hat, sofern nur das neue Risiko nach Abschluss des Hauptvertrages entstanden ist. Ist der Hauptvertrag im gegenseitigen Einverständnis aufgehoben, so fehlt es für eine 10 Anwendung der Vorsorgeversicherung auf neue Risiken an einer entsprechenden Grundlage.13 Das Gleiche gilt für den Fall, dass der VN zunächst seinen Betrieb mit den in § 102 Abs. 2 11 Satz 1 VVG vorgesehenen Folgen veräußert und sodann einen neuen Betrieb übernimmt. Anders ist aber der Vorgang zu beurteilen, wenn der VN kurz vor der Veräußerung seines Betriebes steht oder auch gleichzeitig damit ein anderes Unternehmen übernimmt. Hier schützt ihn die Vorsorgeversicherung.14 Es liegt dann der Fall vor, dass Versicherungsschutz im Rahmen der Vorsorgeversicherung besteht, obwohl der Hauptvertrag später auf einen Dritten übergegangen ist. Aus der Einheit des Vertrages folgt, dass auf die für das neue Risiko zu entrichtende Prämie nicht § 37 VVG, sondern § 38 VVG Anwendung findet.
D. Vorliegen eines „Neuen Risikos“ I. Abweichung von dem versicherten Hauptvertragsrisiko Für die Feststellung, ob ein „neues Risiko“ vorliegt, muss zunächst der Umfang des bisher 12 gedeckten Risikos festgestellt werden. Ausgangspunkt ist die Risikodeklaration im Versicherungsschein. Ein neues Risiko ist zu bejahen, wenn die Änderung oder Ausweitung der im Versicherungsvertrag beschriebenen Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse nach der Verkehrsauffassung mit dem Berufsbild des VN nicht vereinbar sind (s. hierzu Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 7 ff.). Zur Abgrenzung von neuen Risiken und Risikoerhöhungen und -erweiterungen i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB s. Ziff. 3 AHB Rn. 32 ff. Das Ende der Berufsausbildung stellt sich in der Privathaftpflichtversicherung nicht als 13 neues Risiko dar, da das Ende der Schul- oder einer unmittelbar anschließenden Berufsausbildung (oder die Heirat) lediglich die Mitversicherung volljähriger Kinder beendet.15
II. Entstehung des neuen Risikos nach Vertragsschluss Weitere Voraussetzung ist, dass das neue Risiko erst nach Vertragsschluss entstanden ist. Ein 14 Risiko, das bei Vertragsabschluss schon existierte, fällt nicht unter die Vorsorgeversicherung. Das gilt auch dann, wenn dieses Risiko zur Zeit des Vertragsschlusses nur im ganz geringen Maße vorhanden war.16
III. Kein Verzicht des Versicherungsnehmers auf Vorsorgeversicherung Wer bereits bei Abschluss des Vertrages über die Versicherung seiner privaten Haftpflicht mehr 15 als drei Räume seines Einfamilienhauses vermietete, deren Versicherung aber ablehnte, kann nicht später für einen Schaden im Rahmen der Vorsorgeversicherung Deckung begehren 11 12 13 14 15 16 113
Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 5; Späte § 2 Rn. 3; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 8. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 87. So auch Späte § 2 Rn. 1; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 8. So auch Späte § 2 Rn. 1; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 8. OLG Hamm 12.7.2006 – 20 U 114/06, RuS 2006 417. BGH 20.11.1958 – II ZR 149/57, VersR 1959 13, 14; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 33. Koch
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
(Rn. 43). Erwirbt der VN ein Wochenendhaus und vermietet auch hier mehr als drei Räume, so ist es eine Frage der Auslegung, ob mit dem Verzicht auf den Vermieterhaftpflichtversicherungsschutz für das Einfamilienhaus auch auf den Vorsorgeversicherungsschutz für künftig zu erwerbende Wochenendhäuser verzichtet werden sollte. Ein solcher Verzicht ist regelmäßig zu bejahen, wenn sich nicht aus den Einzelumständen etwas anderes ergibt. So ist denkbar, dass der VN dem VR bei Abschluss des Vertrages schreibt, dass er für sein Einfamilienhaus kein Vermieterhaftpflichtversicherungsschutz benötige, sondern ihm ein Versicherungsschutz nur etwa für ein Wochenendhaus erforderlich erscheine. Wird dieser VN später Eigentümer eines Wochenendhauses, so ist von der Anwendung der Vorsorgeversicherung auszugehen.17
IV. Kasuistik 16 Bejaht hat die Rechtsprechung ein neues Risiko bei Einrichtung einer Sauna in einem versicherten Sportstudio.18 Dieses Urteil lässt sich nach heutiger Verkehrsauffassung aber nicht mehr aufrechterhalten.19 Ein neues Risiko liegt vor, wenn ein Dachdeckerbetrieb regelmäßig Baugerüste vermietet,20 ein bisher als Assistenzarzt versicherter VN eine eigene Praxis eröffnet21 oder nach der Betriebsbeschreibung „die gesetzliche Haftpflicht als Handelsvertretung, auch mit Auslieferungslager“ sowie „der Handel mit Lackiergeräten“ versichert sind und der VN später seine Tätigkeit auch auf die Montage und Demontage von Lackiergeräten und Lackierkabinen22 oder ein Frachtführer sein Geschäftsfeld auf Spediteur- und Lagerhaltungstätigkeiten erweitert.23 17 Schließt ein versicherter Elektroinstallateur einen Wärmeerzeuger an das Wassernetz an, gehört dies zu seinem Beruf und ist deshalb versichert. Führt er dagegen auch die gesamte Wasserinstallation aus, soll es sich nach nicht näher begründeter und deshalb nicht nachzuvollziehender Ansicht des OLG Hamm um kein neues Risiko im Rahmen des bestehenden Vertrages handeln.24 Ergänzend sei auf die Kasuistik zur Bestimmung des Umfangs des versicherten Risikos verwiesen (Ziff. 7.7.1 BBR BHV Rn. 22).
E. Geltung der Vorsorgeversicherung I. Erstreckung auf andere Versicherungsarten/-zweige 18 Im Rahmen der Vorsorgeversicherung übernimmt der VR auch Risiken, die er sonst nicht übernimmt.25 Eine Einschränkung ist jedoch aufsichtsrechtlich geboten (vgl. § 10 VAG): Das neue Risiko muss im Zusammenhang mit dem Risiko einer Versicherungssparte stehen, zu deren Betrieb dem VR die Erlaubnis erteilt worden ist. Fraglich ist, ob und inwieweit die Vorsorgeversicherung auch neue Risiken umfassen kann, die andere Arten/Zweige der Haftpflichtversicherung betreffen. Von vornherein ausgeschlossen sind die in Ziff. 4.3 (1) bis (4) AHB aufgeführten Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs,
17 18 19 20 21 22 23 24 25
Vgl. auch Beispiele Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 33. OLG Nürnberg 15.7.1974 – 5 U 84/72, VersR 1975 995. Zu Recht Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 4. BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77, 78. AG Offenbach 31.7.2000 – 39 C 5554/99, VersR 2001 1102, 1103. LG Düsseldorf 25.6.2003 – 11 O 615/02, VersR 2004 101, 102. BGH 18.3.2009 – IV ZR 298/06, VersR 2009 769. 770. Zweifelhaft OLG Hamm 25.2.2005 – 20 U 176/04, RuS 2005 243, 245. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 10; Späte § 2 Rn. 3; Littbarski AHB § 2 Rn. 10; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 18. Koch
114
E. Geltung der Vorsorgeversicherung
Ziff. 4 AHB 2016
soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen, aus Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen sowie aus Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen und die kürzer als ein Jahr bestehen werden (hierzu Rn. 30 f.). Aufgrund des akzessorischen Charakters der Vorsorgeversicherungen sind weiterhin solche Risiken ausgeschlossen, die nicht auf der Basis der AHB oder Besonderer Bedingungen und Risikobeschreibungen versichert werden. So liegt der Fall bei beruflichen Tätigkeiten, bei den fremde Vermögensinteressen wahrgenommen werden, und bei denen die handelnden Akteure Schutz gegen die Inanspruchnahme wegen echter Vermögensschäden benötigen. Soweit sich v. Rintelen dafür ausspricht, die Regeln zur Vorsorgeversicherung zumindest für Sach- und Personenschäden, die von dieser Personengruppe im Rahmen ihrer beratenden Tätigkeit verursacht werden, gelten zu lassen,26 ist dies abzulehnen. Bei dem Betrieb eines Büros handelt es sich um eine auf das versicherte Risiko bezogene Hilfstätigkeit, die in der Betriebhaftspflichtversicherung stets versichert ist und in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zusätzlich vereinbart werden kann (Bürohaftpflichtversicherung, vgl. § 16 AVB-RSW). Für den Einschluss von Hilfstätigkeiten im Rahmen der Vorsorgeversicherung besteht nur Raum, wenn die weitere Haupttätigkeit als neues Risiko versichert werden könnte. Daran fehlt es, wenn der Inhaber einer Dachdeckerei daneben Anlageberatung betreibt (= weitere Haupttätigkeit) und dafür das Büro seiner Dachdeckerei benutzt. Stolpert ein Anlegerkunde in dem Büro über eine Bodenschwelle und bricht sich das Bein, besteht kein Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung, auch nicht über die Vorsorgeversicherung, weil für Anlageberatung kein Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung besteht (vgl. auch Ziff. 7.6.5.2 lit. f) BBR BHV). Umstritten ist, ob sich aus Ziff. 4.3 AHB der Umkehrschluss ziehen lässt, dass alle anderen nach Maßgabe der AHB versicherbaren Haftpflichtrisiken von der Vorsorgeversicherung erfasst werden.27 Kann z.B. der privathaftpflichtversicherte VN, der zur Zeit des Abschlusses der Privathaftpflichtversicherung keinen Beruf ausübte, später aber einen Betrieb als selbstständiger Gewerbetreibender übernimmt, sich für diesen Gewerbebetrieb auf die Bestimmungen der Vorsorgeversicherung berufen? Die Rechtsprechung28 und Teile der Literatur29 haben sich gegen eine solche Ausdehnung mit der Begründung ausgesprochen, der Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr behalte auch in der Vorsorgeversicherung seine Geltung. Deshalb könnten berufliche oder gewerbliche Risiken nie der Vorsorgeversicherung in der Privathaftpflichtversicherung unterfallen, ebenso wenig private Risiken der beruflichen oder gewerblichen Haftpflichtversicherung. Diese Begründung greift zu kurz, weil die Vorsorgeversicherung gerade geschaffen worden ist, um dem die Haftpflichtversicherungstechnik beherrschenden Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos zugunsten des VN entgegenzuwirken. Dieser Grundsatz dient nicht nur der Abgrenzung des versicherten Risikos innerhalb der Betriebshaftpflichtversicherung, sondern auch zur Abgrenzung von versicherten Risiken anderer Deckungskonzepte, die auf den AHB basieren. Im Ergebnis verdient die h.M. dennoch Zustimmung. Entscheidend ist, dass die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen als speziellere Regelung den AHB vorgehen (Rn. 5). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Ausschlüsse, sondern auch für Beschränkungen, die in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen enthalten sind. Zu Recht weisen Späte und Wussow darauf hin, dass eine negative Umgrenzung 26 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 16; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 6. 27 Bejahend Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 19; Späte § 2 Rn. 5; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 2 AHB Rn. 10, ablehnend Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 99.
28 Z.B. OLG Celle 2.5.1990 – 8 U 102/89, VersR 1991 1282, 1283. 29 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 99; differenzierend Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 7; Littbarski AHB § 2 Rn. 10; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 128 (den Littbarski fälschlicherweise der Gegenansicht zurechnet). 115
Koch
19
20
21
22
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
des versicherten Risikos (auf der Ebene der primären Risikobegrenzung) einen grundsätzlichen Ausschluss bestimmter Risiken von dem Gesamtvertrag bedeute und insoweit auch deren Hineinnahme in den Vertrag im Wege der Vorsorgeversicherung entgegenstehen könne.30 In der Tat kann der durchschnittliche VN nicht davon ausgehen, dass Risiken, die schon nach den Risikobeschreibungen des Hauptvertrages eindeutig als nicht versichert bezeichnet sind, über den Umweg der Vorsorgeversicherung abgedeckt werden sollen (vgl. auch Rn. 4).31 Folglich werden alle nach Ziff. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1.1–1.9 BBR PHV ausgeschlossenen 23 Risiken wie z.B. die Gefahren eines Betriebes oder Berufes, der unerlaubte Waffenbesitz oder das Halten von Hunden nicht gem. Ziff. 4.1 AHB von der Vorsorgeversicherung im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung erfasst.32 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Regeln der Vorsorgeversicherung ausdrücklich zur Anwendung berufen sind. So liegt der Fall bei der Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus der Vermietung von mehr als drei einzeln vermieteten Wohnräumen (vgl. Ziff. 1.4 BBR PHV, Ziff. 1 BBR PHV Rn. 76 ff.).
II. Von der Vorsorgeversicherung ausgenommene Risiken 1. Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeuge (Ziff. 4.3 (1) AHB) 24 Nach Ziff. 4.3 (1) AHB greifen die Regelungen der Vorsorgeversicherung nicht für Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit dieses Fahrzeug der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegt. Im Hinblick auf die Anknüpfung an die Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht bestimmen sich die Begriffe des Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs nicht nach dem Verständnis des durchschnittlichen VN. Vielmehr geben die Vorschriften, die die Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht begründen, das Maß für die Bestimmung.
25 a) Kraftfahrzeug. Als Kfz i.S.v. § 1 Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 1 und 2 FZV gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Hierzu zählen auch Krafträder (§ 2 Nr. 9 FZV), Leichtkrafträder (§ 2 Nr. 10 FZV), Kleinkrafträder (§ 2 Nr. 11 FZV), vierrädrige Leicht-Kfz (§ 2 Nr. 12 FZV), motorisierte Krankenfahrstühle (§ 2 Nr. 13 FZV) und alle Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne von § 1 Abs. 1 eKFV (z.B. E-Scooter, Segways).33 Sie unterliegen der Versicherungspflicht nach § 1 PflVG. Ausgenommen von der Versicherungspflicht sind Kfz, die bauartbedingt die Höchstgeschwindigkeit von sechs Kilometer je Stunde nicht übersteigen (§ 1, § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) PflVG, § 16 Abs. 2 StVZO). 26 Nicht unter den Kfz-Begriff fallen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 StVG „Landfahrzeuge, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und 1.
beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher,
2.
wenn der Fahrer im Treten einhält, unterbrochen wird“.
Dies gilt gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 StVG auch dann, soweit diese Fahrzeuge zusätzlich über eine elektromotorische Anfahr- oder Schiebehilfe verfügen, die eine Beschleunigung des Fahrzeuges 30 Späte § 2 Rn. 3; Wussow § 2 Anm. 2. 31 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 7; Späte § 2 Rn. 3. 32 I.E. auch OLG Celle 2.5.1990 – 8 U 102/89, VersR 1991 1282, 1283; OLG Düsseldorf 12.2.1963 – 4 U 331/61, VersR 1964 669; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 7; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 78, 86, 98. 33 S. Übersicht über Elektro-Fahrzeuge Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke eKFV § 1 Rn. 9 ff. Koch
116
E. Geltung der Vorsorgeversicherung
Ziff. 4 AHB 2016
auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten des Fahrers, ermöglicht. Ausdrücklich bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 3 StVG, dass für Fahrzeuge i.S.d. Sätze 1 und 2 die Vorschriften über Fahrräder anzuwenden sind. Folglich sind Elektrofahrräder, E-Bikes bzw. Pedelecs mit Trethilfe wie Fahrräder zu behandeln.
b) Wasserfahrzeug. Wasserfahrzeug ist jedes Fahrzeug, das zur Beförderung von Menschen 27 oder Gütern auf dem Wasser bestimmt ist, ohne dass es darauf ankommt ob es durch Motor, Wind oder menschliche Kraft oder durch die Wasserströmung bewegt wird.34 Erfasst werden somit sowohl motorbetriebene Binnenschiffe als auch Segelschiffe und Wassersportfahrzeuge i.S.v. Ziff. 3.2 (3) BBR PHV, nicht dagegen bloß schwimmende Vorrichtungen.35 Wer Binnenschiffe, Seeschiffe, schwimmende Geräte und Fähren in Binnengewässern führen will, bedarf hierzu der Fahrerlaubnis (Schifffahrtspatent) (§ 3 Abs. 1 BinSchPatentV). Die Führer von Sportbooten bedürfen ebenfalls einer Fahrerlaubnis (Sportbootsführerschein) (vgl. § 3 Abs. 1 SpFV). Darunter fallen gem. § 2 Nr. 3 SpFV „nicht gewerbsmäßig, für Sport- oder Erholungszwecke verwendete Fahrzeuge, einschließlich Wassermotorräder, ausgenommen Fahrzeuge, die durch Muskelkraft oder nur mit einem Segel von höchstens 6 Quadratmeter Fläche fortbewegt werden.“ Führerscheinfrei sind Sportboote mit einer Motorisierung von bis zu 3,68 KW (Rhein) bzw. 11,03 KW (alle übrigen Binnenschiffahrtsstraßen). c) Luftfahrzeug. Zu den Luftfahrzeugen, für deren Führung nach § 4 Abs. 1 LuftVG eine Er- 28 laubnis erforderlich ist, zählen gem. § 1 Abs. 2 LuftVG Flugzeuge, Hubschrauber, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Rettungsfallschirme, Flugmodelle (z.B. Drohnen), Luftsportgeräte und alle sonstigen für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können. Zudem besteht nach § 102 Abs. 1 LuftVZO für die Halter aller Luftfahrzeuge i.S.v. § 1 Abs. 2 LuftVG eine Versicherungspflicht. Zur Frage, ob Drohnen der Versicherungspflicht unterliegen, s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 57.36
2. Bahnen (Ziff. 4.3 (2) AHB) Nach Ziff. 4.3 (2) AHB sind Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen 29 von der Vorsorgeversicherung ausgenommen. Unter „Bahnen“ sind in Erweiterung des § 1 HPflG und § 4 PBefG nicht nur schienengebundene Fahrzeuge, sondern maschinengetriebene Beförderungsmittel mit Bahncharakter aller Art zu verstehen, also auch Seilbahnen und Sessellifte37 sowie Ausstellungs-, Kleinbahnen und Kirmesbahnen.38 Eine Bahn in diesem Sinne liegt darüber hinaus auch dann vor, wenn sie nicht maschinen-, sondern handgetrieben wird.39 Kräne, die auf Schienen laufen, sind dagegen nicht als Bahn einzuordnen, da sie nur der Fortbewegung und nicht der Beförderung dienen.40
34 35 36 37
Vgl. Sölch/Ringleb/Mößlang/Mößlang Umsatzsteuer, 90. EL September 2020, § 1b Rn. 13. Vgl. Sölch/Ringleb/Mößlang/Mößlang Umsatzsteuer, 90. EL September 2020, § 1b Rn. 13. Schimikowski RuS 2019 490, 493 ff. So Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 109; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 86; Späte § 2 Rn. 24; Wussow § 2 Anm. 22. 38 So Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 109; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 88. 39 Wussow § 2 Anm. 22; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 86. 40 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 87. 117
Koch
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
3. Versicherungs- und Deckungsvorsorgepflicht (Ziff. 4.3 (3) AHB) 30 Ziff. 4.3 (3) AHB betrifft zum einen die Fälle, in denen der Abschluss einer Haftpflichtversicherung durch Rechtsvorschrift angeordnet wird (obligatorische Haftpflichtversicherung, §§ 113 ff. VVG) und die nicht bereits von Ziff. 4.3 (1) AHB erfasst sind, zum anderen die Fälle, in denen eine Pflicht zur Deckungsvorsorge besteht (z.B. § 94 AMG), die entweder durch eine Haftpflichtversicherung oder z.B. durch eine Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung eines Kreditinstituts erbracht werden kann. Von der Vorsorgeversicherung ausgenommen sind z.B. Kampfhunde, soweit für sie eine Versicherungspflicht nach landesrechtlichen Vorschriften besteht,41 sowie berufliche Risiken, die einer Versicherungspflicht unterliegen (z.B. Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer).
4. Kurzfristige Risiken (Ziff. 4.3 (4) AHB) 31 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nach Ziff. 4.3 (4) AHB nicht für Risiken, „die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind“. Mit dieser Fristenregelung, die in älteren Fassungen der AHB nicht enthalten war, soll der Streit über die Deckung kurzfristiger Risiken im Rahmen der Vorsorgeversicherung beendet werden.42 Diejenigen, die eine Deckung vorübergehender Risiken im Rahmen der Vorsorgeversicherung auf der Basis der älteren Bedingungswerke ablehnten, begründeten dies damit, dass die Deckung solcher Risiken zulasten der VR gehe, weil der VN ein kurzfristiges Risiko nur dann anzeigen werde, wenn ein Schadensereignis ihn dazu veranlasst habe. Der VR habe deshalb ein berechtigtes Interesse daran, vorübergehende Risiken vom Versicherungsschutz auszunehmen.43 Dagegen lässt sich jedoch anführen, dass die Vorsorgeversicherung mit der Prämie für den Hauptvertrag bis zur Einigung über die Prämienanpassung bereits abgegolten ist (vgl. Rn. 49). Unterbleibt der Einschluss des neuen Risikos wegen dessen kurzfristiger Natur, erleidet der VR somit keinen Nachteil. Ein berechtigtes Interesse des VR, kurzfristige Risiken auszunehmen, ist deshalb nicht anzuerkennen. 32 Die Neuregelung stellt den VN zudem vor das Problem, eine Prognose anzustellen, wie lange das neue Risiko bestehen wird. Dies wird ihm nicht immer gelingen. Nickel weist insoweit zu Recht darauf hin, dass nicht alle Risiken, die unterjährig bestehen, bereits „geborene Kurzfrist-Risiken“ seien.44 Der Streit über die Versicherung im Rahmen der Vorsorgeversicherung ist damit vorprogrammiert, wenn der Versicherungsfall vor Anzeige des neuen Risikos eintritt. Die Formulierung „und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind“ gibt im Übrigen Anlass zu der Frage, ob der VR nicht aus § 6 Abs. 1 und 4 VVG oder § 1a Abs. 1 Nr. 2 VVG verpflichtet ist, den VN über die Möglichkeit der Versicherung von Risiken im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen aufzuklären. Dem VN ist zu empfehlen, auf eine Abbedingung von Ziff. 4.3 (4) AHB zu drängen.45
41 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 9. 42 Zum Meinungsstand vgl. Späte § 2 Rn. 7 m.w.N. 43 Vgl. OLG Hamm 15.3.2000 – 20 U 164/99, RuS 2000 408 f. = NJW-RR 2000 1194 (bei einem ganz kurzfristigen, im wesentlichen einmaligen Risiko); OLG Celle 2.5.1990 – 8 U 102/89, VersR 1991 1282, 1283 (mind. ein Monat); OLG Schleswig 4.7.1967 – 1 U 101/66, VersR 1968 337, 338; LG Itzehoe 21.8.1987 – 7 O 61/87, RuS 1989 114 (neue Risiko muss seiner Art nach zumindest so lange andauern, dass es dem VR angezeigt werden kann); a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 95; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 8; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Schimikowski AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 13. 44 Nickel VW 2010 1624. 45 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 111. Koch
118
E. Geltung der Vorsorgeversicherung
Ziff. 4 AHB 2016
III. Rechtzeitige Anzeige des neuen Risikos nach Aufforderung 1. Rechtsnatur der Anzeige Nach Ziff. 4.1 (1) Satz 1 u. 3 AHB tritt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend 33 (ex tunc) außer Kraft, wenn es der VN unterlässt, dem VR binnen eines Monats nach Erhalt einer entsprechenden Aufforderung durch den VR das neue Risiko anzuzeigen. Anzeigen werden im Bereich des Versicherungsrechts typischerweise den Obliegenheiten zugerechnet. Dies gilt für die Anzeige nach Ziff. 4.1 AHB aber nur im eingeschränkten Umfang. Soweit sich der VN binnen eines Monats nach Zugang der Aufforderung darüber zu erklären hat, ob er das neue Risiko versichern will, handelt es sich nicht um eine Obliegenheit, sondern um die Frage, ob der VN von einer für ihn günstigen Ausgestaltung des Versicherungsschutzes Gebrauch machen will oder nicht.46
2. Materiellrechtliche Bedeutung Materiell ist die Aufforderung des VR, etwaige neue Risiken anzuzeigen, dahin zu verstehen, 34 dass der VR auf die durch die AHB bestehende „vorsorgliche Deckung“ des neuen Risikos hinweist und eine Erklärung des VN darüber verlangt, ob diese „vorsorgliche Deckung“ endgültig in den bestehenden Vertrag einbezogen werden soll. Es liegt in der Hand des VN, ob er sein Recht auf Erstreckung des Versicherungsschutzes auf dieses Risiko wahren will oder nicht. Dieser Lebensvorgang ist seinem Wesenskern nach dem Problemkreis des Vertragsabschlusses zuzurechnen (§§ 145 ff. BGB).47 Der VN ist nicht verpflichtet, einen Versicherungsantrag zu stellen oder zu erklären, dass er die Versicherung der im Rahmen der Vorsorgeversicherung bereits gedeckten neuen Risiken endgültig im Rahmen des Grundvertrages wünsche. Wenn er aber Erklärungen über das Risiko abgibt, so obliegt es ihm, diese Angaben wahrheitsgemäß zu machen. Insoweit weist die Anzeige nach Ziff. 4.1 (1) Satz 1 AHB durchaus Doppelcharakter auf. §§ 19 bis 22 VVG/Ziff. 23 AHB sind deshalb entsprechend anzuwenden.48 Dies bedeutet auf Ziff. 4.1 (1) Satz 1 AHB übertragen, dass ein VN nur ihm bekannte neue Risi- 35 ken anzuzeigen hat.49 Der Vorsorgeversicherungsschutz entfällt somit nicht, wenn die Anzeige durch den VN schuldlos unterbleibt, er also unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das neue Risiko nicht kannte oder es rechtlich nicht als solches qualifizieren konnte.50
IV. Einzelheiten über Aufforderung und Anzeige nach Ziff. 4.1 AHB Sowohl die Aufforderung als auch die Anzeige (vgl. Ziff. 29 AHB) können grundsätzlich formlos 36 erfolgen.51 Die Aufforderung zur Anzeige muss so eindeutig sein, dass der VN klar erkennen
46 Zur Rechtsnatur s. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 12; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 44; Littbarski § 2 Rn. 20. 47 OLG Düsseldorf 5.12.1995 – 4 U 264/94, NJW-RR 1996 928, 929 = VersR 1997 177; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 90. 48 Vgl. OLG Köln 12.6.1986 – 5 U 244/85, RuS 1988 130, 131 = VersR 1987 1230, 1231 (der BGH hat die Annahme der Revision mit Beschluss vom 7.4.1987 – IVa ZR 202/86 abgelehnt); OLG Düsseldorf 5.12.1995 – 4 U 264/94, NJW-RR 1996 928, 929 = VersR 1997 177; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 91; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 54; a.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 12, wohl auch Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 45 ff. 49 Vgl. OLG Köln 12.6.1986 – 5 U 244/85, RuS 1988 130, 131 = VersR 1987 1230, 1231; so auch Späte/Schimikowski/ v. Rintelen AHB § 4 Rn. 49. 50 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 91. 51 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 50; Späte § 2 Rn. 14; Wussow § 2 Anm. 7. 119
Koch
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
kann, was gemeint ist.52 Die Anzeige des VN muss inhaltlich zu erkennen geben, dass ein neues Risiko eingetreten ist.53 Im Hinblick auf die Parallele zu vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten wird man den VR bei unklaren Angaben als zur Nachfrage beim VN verpflichtet ansehen müssen.54 In der Praxis erfolgt die Aufforderung durch Aufdruck auf einer Beitragsrechnung. Dies 37 ist nach Ziff. 4.1 (1) Satz 2 AHB zulässig. Die Aufforderung muss allerdings so abgedruckt sein, dass sie im Rahmen der gesamten Rechnung dem VN auffällt. Sie darf nicht auf der Rückseite oder zwischen anderen Hinweisen und Erläuterungen gleichsam „versteckt“ sein. Es bedarf vielmehr eines entsprechenden Hinweises auf der Vorderseite der Beitragsrechnung.55 Ein Fettdruck ist nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Hinweis durch die Überschrift „Erläuterungen zu Ihrem Versicherungsschutz“ oder durch Quer- bzw. Vertikalstrich geweckt wird.56 Nach Ansicht des KG und einem Urteil des IV. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 5.12.1995 38 muss die Aufforderung nicht nur klar über die einzuhaltende Frist, sondern auch auf die bei deren Versäumung eintretende Rechtsfolge, den Verlust des Versicherungsschutzes für das neu hinzutretende Risiko, belehren.57 In seiner Entscheidung vom 17.6.2008 hat derselbe Senat des OLG Düsseldorf dagegen festgestellt, dass der VR auf die Rechtsfolgen einer Fristversäumung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 AHB a.F. nicht hinzuweisen habe. Es genüge die Belehrung über die vom VN einzuhaltende Frist.58 Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde trotz der vorgenannten anderslautenden Urteile mit Beschluss v. 11.2.200959 mangels grundsätzlicher Bedeutung mit der Begründung zurückgewiesen, die vom OLG Düsseldorf und vom KG angestellten Erwägungen seien jeweils nicht entscheidungserheblich gewesen. Weitergehend hat der BGH folgende Feststellungen getroffen, die darauf hindeuten, dass er den VR nicht als zur Rechtsfolgenbelehrung verpflichtet ansieht: „Die Sach- und Rechtslage bei Aufforderungen, die Prämienzahlungspflicht zu erfüllen, einerseits und Aufforderungen zur Anzeige von Neurisiken, um sich darüber die Möglichkeit zu erhalten, auch für diese Risiken Versicherungsschutz zu bekommen, andererseits ist gerade auch mit Blick auf eine Rechtsfolgenbelehrung im Rahmen der Vorsorgeversicherung nicht vergleichbar. Für eine Gleichbehandlung der Fallgestaltungen gibt es danach keine Grundlage.“60
39 Der Bewertung des BGH und der des OLG Düsseldorf in seinem jüngeren Urteil wird man sich im Grundsatz sicherlich anschließen können. Zu beachten ist jedoch, dass beide Entscheidungen noch auf der Grundlage des nicht reformierten VVG ergingen. Nach der Reform des VVG stellt sich die Frage, ob den VR nicht aus § 6 Abs. 4 VVG die Verpflichtung trifft, den VN über die Rechtsfolgen einer nicht fristgemäßen Anzeige des neuen Risikos in den AHB hinzuweisen. Da es um eine Frage der Deckung geht und der die Beratungspflicht des VR auslösende Anlass auch ein vom VR selbst geschaffener – hier die Aufforderung zur Anzeige – sein kann, lässt sich diese Frage nicht von vornherein verneinen. Bejahendenfalls könnte der VN nach § 6 Abs. 5 52 OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; KG 13.2.2004 – 6 U 321/01, NJOZ 2004 2496, 2498 = VersR 2004 1593, 1595; OLG Düsseldorf 5.12.1995 – 4 U 264/94, NJW-RR 1996 928, 928 f. = VersR 1997 177; Langheid/ Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 92; Späte § 2 Rn. 15; Littbarski AHB § 2 Rn. 25. 53 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 50; Späte § 2 Rn. 14; Wussow § 2 Anm. 7. 54 Zur Nachfrageobliegenheit des VR bei vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten vgl. BGH 11.5.2011 – IV ZR 148/ 09, VersR 2011 909, 910 m.w.N. 55 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757. 56 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757. 57 KG 13.2.2004 – 6 U 321/01, NJOZ 2004 2496, 2498 = VersR 2004 1593, 1595; OLG Düsseldorf 5.12.1995 – 4 U 264/ 94, NJW-RR 1996 928, 928 f. = VersR 1997 177. 58 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757. 59 BGH 11.2.2009 – IV ZR 142/08, BeckRS 2009 07075. 60 BGH 11.2.2009 – IV ZR 142/08, BeckRS 2009 07075. Koch
120
E. Geltung der Vorsorgeversicherung
Ziff. 4 AHB 2016
VVG verlangen, so gestellt zu werden, als ob er bei entsprechendem Hinweis das neue Risiko rechtzeitig angezeigt hätte. Unabhängig davon kann sich eine Hinweispflicht des VR auch aus § 242 BGB ergeben, wenn er den Beratungsbedarf des VN erkennt.61 40 Die Formulierung „Nach den Versicherungsbedingungen sind sie verpflichtet, alle Änderungen des versicherten Risikos anzuzeigen. Dieser Hinweis gilt als Aufforderung dazu.“
genügt jedenfalls nicht den Anforderungen nach Ziff. 4.1 (1) Satz 1 AHB, die an eine Aufforderung des VR zu stellen sind, da hierdurch beim VN, der kurz vor Ablauf der Monatsfrist auf die Pflicht zur Anzeige eines neuen Risikos aufmerksam wird, der Eindruck hervorgerufen werden kann, eine derartige Anzeige sei nunmehr ohnehin verspätet.62 Entspricht die Aufforderung nicht vorgenannten Anforderungen, wird die in Ziff. 4.1 (1) Satz 1 AHB aufgeführte Monatsfrist für die Anzeige nicht in Gang gesetzt. Zur Einhaltung dieser Frist, die sich nach §§ 186 ff. BGB berechnet,63 genügt nicht die Absendung der Anzeige. Vielmehr ist es – anders als z.B. bei den in § 104 VVG für den Schadensfall genannten Anzeigeobliegenheiten – erforderlich, dass die Anzeige innerhalb der Monatsfrist dem VR zugeht.64 Die Konstruktion der Vorsorgeversicherung bringt es mit sich, dass ein VN, der ein bestimmtes, der Vorsorgeversicherung unterfallendes neues Risiko eigentlich nicht mitversichern wollte, seine Meinung bei Eintritt eines Schadens ändern kann, wenn die Anzeigefrist noch nicht abgelaufen ist. Darin liegt entgegen der Auffassung von Wussow65 kein Verstoß gegen den Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, dass diese nur gegen ungewisse Ansprüche genommen werden dürfe. Maßgebend ist nämlich, dass bei Abschluss der Versicherung unter Einschluss der Vorsorgeversicherung der Eintritt eines Schadensfalles ungewiss war. Im Übrigen ist zu beachten, dass dann, wenn der VN dem VR bereits ausdrücklich mitgeteilt hat, ein bestimmtes neues Risiko nicht mitversichern zu wollen, kein Versicherungsschutz in der Vorsorgeversicherung besteht (Rn. 14). In diesem Fall vermindert sich die mit der „Grundprämie“ abgegoltene Vorsorgedeckung. Tritt ein Schaden ein, kann der VN nicht etwa innerhalb der Anzeigefrist den Versicherungsschutz durch eine „Gegenanzeige“ wieder in Kraft setzen. Die Äußerung des VN, er wolle ein bestimmtes Risiko nicht versichern, bedarf nicht der Annahmeerklärung durch den VR. Vielmehr ist dieser Willenserklärung nach der Konstruktion der Vorsorgeversicherung Gestaltungswirkung zuzusprechen.66 Allerdings gilt es auch hier die Regeln des Bürgerlichen Rechts zu beachten, sodass eine wirksam nach § 119 BGB erklärte Anfechtung den alten Zustand wiederherstellt. Man denke etwa daran, dass der VN diktiert hat, dass ein bestimmtes neues Risiko eingeschlossen werden solle. Schreibt dann seine Sekretärin versehentlich das Gegenteil, so ist eine Anfechtung möglich. Wird der Fehler erst aus Anlass eines Schadensfalles entdeckt, so bewirkt die Anfechtung, sofern die Monatsfrist des Ziff. 4.1 (1) Satz 1 AHB noch nicht abgelaufen ist, dass der VN im Rahmen der Vorsorgeversicherung Versicherungsschutz genießt.
61 Vgl. BGH 13.4.2005 – IV ZR 86/04, NJW 2005 2011, 2012; OLG Dresden 7.11.2017 – 4 U 1241/17, NJW-RR 2018 416, 419; OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 175/16, BeckRS 2017 144628.
62 OLG Düsseldorf 5.12.1995 – 4 U 264/94, NJW-RR 1996 928, 928 f. = VersR 1997 177. 63 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 54; Wussow § 2 Anm. 10. 64 Vgl. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 54; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 93; Wussow § 2 Anm. 10.
65 Wussow § 2 Anm. 15. 66 Vgl. auch Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 102; a. A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 54; Wussow § 2 Anm. 10. 121
Koch
41
42
43
44
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
V. Anzeige ohne Aufforderung des VR 45 Der VN kann ein neues Risiko auch ohne Aufforderung des VR anzeigen. Dies ergibt sich bereits aus der Beweislastregelung in Ziff. 4.1 (1) Satz 4 AHB (Rn. 60). Zeigt der VN z.B. einen Schadensfall bezüglich eines Ereignisses an, das in den Bereich der Vorsorgeversicherung fällt, so liegt in dieser Schadensanzeige zugleich die Anzeige eines neuen Risikos. Damit überträgt er auf den VR die Handlungslast aus Ziff. 4.1 AHB, ein angemessenes Prämienangebot zu unterbreiten.67 Unterbleibt eine solche Unterbreitung, verletzt der VR seine aus § 6 Abs. 4 i.V.m. § 1a VVG folgende Pflicht zur Mitwirkung bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen. Er muss sich deshalb nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob das neue Risiko prämienneutral in Höhe der (vollen) Deckungssummen des Hauptvertrages versichert ist.68
VI. Einigung über die Höhe der Prämie für das neue Risiko 1. Angebot des Versicherers 46 Nach der Anzeige des Risikos muss eine Vereinbarung über die Höhe der Prämie für das neue Risiko getroffen werden. Dies ergibt sich aus Ziff. 4.1 (2) AHB, der eine Einigung über die Höhe voraussetzt. Ziff. 4.1 (2) AHB ist somit keine Anpassungsklausel i.S.v. § 40 VVG. Nach der Konzeption der Vorsorgeversicherung ist der VR verpflichtet, dem VN nach Anzeige des neuen Risikos ein Prämienangebot zu unterbreiten, über das innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine Einigung zu erzielen ist. Kommt es innerhalb dieser Frist nicht zu einer Einigung, so entfällt der Versicherungsschutz nach Ziff. 4.1 (2) AHB rückwirkend. Während sich der VR insoweit einem Kontrahierungszwang (innerhalb etwaig bestehender aufsichtsrechtlicher Grenzen, vgl. Rn. 18) unterwirft,69 gewährt er dem VN in Ergänzung der gesetzlichen Regelung vom Beginn des neuen Risikos an materiellen Versicherungsschutz, lässt ihm aber die Freiheit, ob er zur angemessenen Prämie den Versicherungsschutz behalten will. 47 Der VR muss dem VN das Angebot so rechtzeitig unterbreiten, dass er es innerhalb der Frist prüfen und annehmen kann. Für die Entscheidung, ob er das Angebot annimmt, ist dem VN nach Treu und Glauben ein Zeitraum von einer Woche zu gestatten.70 Gibt der VR sein angemessenes Prämienangebot so spät ab, dass dem VN dieser Zeitraum zur Wahrung der Monatsfrist nicht mehr zur Verfügung steht, verlängert sich die Frist zur Annahme entsprechend. Ob man dieses Ergebnis aus einer auf Treu und Glauben abstellenden Auslegung des Angebots herleitet71 oder das späte Angebot des VR zugleich als konkludentes Angebot auf Fristverlängerung ansieht, dass der VN unter Verzicht auf Zugang der Annahmeerklärung gem. § 151 BGB annimmt, kann dahinstehen.72 Zu beachten ist, dass nur die Einigung bezüglich der Prämie, nicht aber deren Zahlung innerhalb der Monatsfrist von Ziff. 4.1 (2) Satz 2 AHB erfolgen muss. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung gelten die allgemeinen Regeln, bei Verzug das Verfahren nach § 38 VVG.73 Macht der VR kein Angebot, besteht – wie zuvor angemerkt (Rn. 45) – Versi-
67 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 92. 68 Späte § 2 Rn. 18; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 58 (nur in Höhe der Vorsorgeversicherungssumme und Freistellung von der über die Vorsorgeversicherungssumme hinausgehende Inanspruchnahme abzüglich ersparter Mehrprämie). 69 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 92; vgl. auch Kuwert Rn. 2004; Wussow § 2 Anm. 1; Späte/Schimikowski/ v. Rintelen AHB § 4 Rn. 64. 70 Vgl. Späte § 2 Rn. 17; Wussow § 2 Anm. 12; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 57. 71 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G. 143; Späte § 2 Rn. 18. 72 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 92. 73 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 97; Späte § 2 Rn. 19; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 66; Wussow § 2 Anm. 12. Koch
122
E. Geltung der Vorsorgeversicherung
Ziff. 4 AHB 2016
cherungsschutz für das neue Risiko in Höhe der (vollen) Deckungssummen des Hauptvertrages.74
2. Angemessenheit der Prämie Die Prämie muss „angemessen“ sein. Dies ist der Fall, wenn der VR für das neue Risiko die 48 nach seinem augenblicklichen Tarif maßgebliche Prämie fordert.75 Findet sich keine Tarifprämie, weil der VR das in Betracht kommende Risiko sonst grundsätzlich nicht versichert, so muss er als allgemeinen Maßstab die Tarifprämie anderer VR zugrunde legen (marktüblicher Prämiensatz), die für ein Risiko der betreffenden Art Versicherungsschutz gewähren.76 Es stellt dabei keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, wenn der VR mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles einen angemessenen Wagniszuschlag verlangt. Eine überhöhte Prämienforderung kann vom VR aber nicht mit dem Argument gerechtfer- 49 tigt werden, dass er sonst für derartige Risiken keinen Versicherungsschutz biete.77 Denn durch die Vereinbarung der Vorsorgeversicherung hat sich der VR gerade dazu verpflichtet, auch derartige Risiken zu decken, so dass die gegenteilige Argumentation Rechte aus dem eigenen widerspruchsvollen Verhalten herleiten würde („venire contra factum proprium“). Keine Prämie steht dem VR für die Zeit der Vorsorgedeckung selbst zu.78 Die Haftung 50 im Rahmen der Vorsorgedeckung ist bereits durch die Zahlung der Grundprämie des Ausgangsvertrages abgegolten. Etwas anderes gilt dann, wenn kraft Vereinbarung rückwirkend Versicherungsschutz zur vollen Versicherungssumme des Hauptvertrages geboten wird. In diesem Fall ist eine Prämienforderung gerechtfertigt. Es liegt dann in Höhe der Differenz zwischen Vorsorgeversicherungssumme und Versicherungssumme des Ausgangsvertrages eine echte Rückwärtsversicherung i.S.d. § 2 VVG vor.79 Beträgt in einem solchen Fall der eingetretene Sachschaden, von dem wohl der VN nicht aber der VR Kenntnis hat, z.B. A 25.000, so kann der VN gleichwohl nur zur Höhe von A 5.000 (Vorsorgeversicherungssumme) Versicherungsschutz begehren.
3. Überhöhte Prämienforderung Verlangt der VR eine unangemessen hohe Prämie, so kann der VN im Klagewege Festlegung 51 einer angemessenen Prämie durch Richterspruch erzwingen.80 Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass sich der VR trotz Ablaufs der in Ziff. 4.1 (2) Satz 2 AHB vorgesehenen Monatsfrist in einem derartigen Falle im Risiko befindet. Das Gleiche gilt auch dann, wenn der VR innerhalb der genannten Monatsfrist überhaupt keinen Vorschlag zur Prämienhöhe macht. In derartigen Fällen besteht Versicherungsschutz nicht zu den eingeschränkten Versiche- 52 rungssummen des Ziff. 4.2 AHB, sondern zu den (vollen) Deckungssummen des Hauptvertrages (Rn. 45). Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass eine vertragliche Verpflichtung des VR zum Einschluss des neuen Risikos zu den Grunddeckungssummen des Vertrages gegen angemessene
74 Späte § 2 Rn. 18; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 58 (nur in Höhe der Vorsorgeversicherungssumme und Freistellung von der über die Vorsorgeversicherungssumme hinausgehende Inanspruchnahme abzüglich ersparter Mehrprämie). 75 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 95; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 4 Ziff. 4Rn. 13; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 54; Wussow § 2 Anm. 12. 76 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 95, der allerdings eine Orientierung an Tarifen anderer VR ablehnt. 77 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 95; Späte § 2 Rn. 18; Wussow § 2 Anm. 12. 78 LG Düsseldorf 25.6.2003 – 11 O 615/02, VersR 2004 101; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 94; Späte § 2 Rn. 19; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 65; Kuwert Rn. 2006; Littbarski AHB § 2 Rn. 32. 79 Vgl. Späte § 2 Rn. 19; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 65. 80 So auch Späte § 2 Rn. 18; zurückhaltend Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 61 ff. 123
Koch
Ziff. 4 AHB 2016
Vorsorgeversicherung
Prämie besteht. Dem VR ist es insoweit nach § 242 BGB verwehrt, sich auf Ziff. 4.2 AHB zu berufen, wonach sich die Deckung bis zur Einigung über die Prämie auf die Vorsorgeversicherungssumme beschränkt. Die Zahlung der angemessenen Prämie bzw. die Erklärung, zur Zahlung der angemessenen Prämie bereit zu sein, ersetzt dabei die Vereinbarung über die Prämienhöhe. Der Versicherungsschutz geht allerdings nach Maßgabe des § 38 VVG verloren, wenn der VN die von ihm selbst als angemessen bezeichnete Prämie auf entsprechende Aufforderung durch den VR nicht zahlt.81 Nicht zu folgen ist der von R. Johannsen82 und ihm folgend Späte83 vertretenen Ansicht, 53 wonach der VN sein Recht auf Einschluss des neuen Risikos verwirke, wenn er nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten Ansprüche auf Deckung des neuen Risikos gegen den VR geltend mache. Da Verwirkung nicht nur ein Zeit-, sondern auch ein Umstandsmoment voraussetzt, müssen weitere Umstände hinzutreten.84
F. Deckungssummen der Vorsorgeversicherung 54 Die Deckungssummen der Vorsorgeversicherung werden – wie sich aus Ziff. 4.2 AHB ergibt – gesondert vereinbart. In der Praxis sind sie bedeutend niedriger als die Deckungssummen des Hauptvertrages, was sich daraus erklärt, dass dem VR die Kalkulationsgrundlagen (Schadenseintrittswahrscheinlichkeit, zu erwartende Schadenshöhe) für ihm unbekannte Risiken fehlen. Wünscht der VN im Rahmen der Vorsorgeversicherung eine Gleichstellung mit den Deckungssummen des Grundvertrages, fallen die Prämien entsprechend höher aus.
G. Doppelte Vorsorgeversicherung und Mehrfachversicherung I. Doppelte Vorsorgeversicherung 55 Hat der VN Haftpflichtversicherungsverträge (gegen unterschiedliche Risiken) bei zwei VR abgeschlossen, kann er bei Eintritt eines Schadens, der die im Vergleich zum Hauptvertrag niedrigeren Deckungssummen der Vorsorgeversicherung überschreitet, die Vorsorgeversicherung beider VR für ein neues Risiko in Anspruch nehmen.85 Ein Verstoß gegen § 77 Abs. 1 VVG liegt nicht vor. Gedacht sei z.B. an den Fall, dass der VN, der in Hamburg eine Werft und in BadenWürttemberg einen Kfz-Zuliefererbetrieb betreibt, für die zwei Versicherungsverträge bei zwei VR bestehen, nunmehr in Bayern zusätzlich den Betrieb einer Fabrik zur Bierherstellung aufnimmt.86 56 Hat der VN im Beispielsfall hingegen die Haftpflichtversicherungsverträge mit ein und demselben VR geschlossen, kann er nur einmal die Vorsorgebestimmungen beider Verträge in Anspruch nehmen, weil hier der VR für den VN erkennbar nur zweimal eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben hat, ohne dabei aber eine Verdoppelung der Wirkung zu beabsichtigen.87 Für den VN kann das „Bestehen“ des „doppelten“ Vorsorgeversicherungsschutzes aber auch hier bedeutsam werden, wenn nämlich für den einen Vertrag z.B. nach § 38 VVG kein Versicherungs81 82 83 84 85
So auch Späte § 2 Rn. 18; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 66. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G. 143. Späte § 2 Rn. 18. Vgl. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 59. Heimbücher VW 1967 344 f.; Späte § 2 Rn. 11; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 39; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 100. 86 Bejahend Heimbücher VW 1967 344 f. 87 Späte § 2 Rn. 11; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 100; Heimbücher VW 1967 344, 345; a.A. Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 40. Koch
124
I. Beweislast
Ziff. 4 AHB 2016
schutz mehr gegeben ist, wohl aber Deckung für die zweite Police besteht.88 Sofern die Anzeige des VN nicht eindeutig einem der beiden geführten Verträge zuzuordnen ist, ist sie nach dem Empfängerhorizont dem Vertrag zuzuschreiben, der den besseren Versicherungsumfang aufweist.89
II. Mehrfachversicherung Hat der VN dasselbe Risiko bei verschiedenen VR (mehrfach) versichert, finden die §§ 78, 79 57 VVG Anwendung. Mehrfache Deckung aus der Vorsorgeversicherung kann nur dann entstehen, wenn der VN unter Verletzung von § 77 Abs. 1 VVG bei beiden Haftpflichtversicherern die Anzeige und Beitragsvereinbarung im Sinne von Ziff. 4.1 (1) und (2) AHB vornimmt, oder wenn er das neue Risiko insgesamt in Unkenntnis der Vorsorgeversicherung bei einem anderen VR in Deckung gibt.90
H. Vorsorgeversicherung und Rechtsstellung des Versicherten Gem. Ziff. 27.1 Satz 2 AHB gelten die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB.) 58 nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Mitversicherten entsteht. Bei der reinen Fremdversicherung führt dies freilich dazu, dass die Regeln zur Vorsorgeversicherung überhaupt nicht eingreifen. In diesem Fall wird Ziff. 27.1 Satz 2 AHB durch den Vorrang der Individualabrede über den Einschluss der versicherten Personen nach § 305b BGB verdrängt. Soweit es an einer Individualabrede fehlt, ist die Klausel als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen.
I. Beweislast Sowohl bei der Aufforderung zur Anzeige des neuen Risikos durch den VR als auch bei der 59 darauf erfolgenden Anzeige durch den VN handelt es sich um empfangsbedürftige Willenserklärungen.91 Nach allgemeinen Beweisregeln hat der VR den Zugang der Aufforderung, der VN den Zugang der Anzeige innerhalb der in Ziff. 4.1 (1) Satz 1 AHB aufgeführten Monatsfrist zu beweisen.92 Weder dem VR noch dem VN steht der prima facie-Beweis zur Seite, wenn er die Absendung der Aufforderung/Anzeige beweist.93 Für den Fall, dass ein Versicherungsfall eintritt, bevor die Anzeige erfolgt ist, hat der VN 60 nach Ziff. 4.1 (1) Satz 4 AHB zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und in einem Zeitpunkt eingetreten sei, in dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war.
88 89 90 91 92 93 125
Späte § 2 Rn. 11. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 100. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 100; Späte § 2 Rn. 11. Späte § 2 Rn. 16; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 54. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 93; Späte § 2 Rn. 16; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 4 Rn. 54. Vgl. BGH 27.5.1957 – II ZR 132/56, BGHZ 24 308, 312 = NJW 1957 1230, 1231. Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Ziff. 5 Leistungen der Versicherung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 5 Leistungen der Versicherung
II. Der Versicherungsfall (§§ 5–6) § 3 Beginn und Umfang des Versicherungsschutzes, Zahlung des Erstbeitrages § 5 Obliegenheiten des VN, Verfahren
5.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
§ 3 III. Ziff. 1 Die Leistungspflicht des VR umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung, welche der VN auf Grund eines von dem VR abgegebenen oder genehmigten Anerkenntnisses, eines von ihm geschlossenen oder genehmigten Vergleichs oder einer richterlichen Entscheidung zu zahlen hat. 2Steht die Verpflichtung des VR zur Zahlung fest, ist die Entschädigung binnen zwei Wochen zu leisten.
5.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR zur Prozessführung bevollmächtigt. 3 Er führt den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten.
§ 5 Ziff. 7 Der VR gilt als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben.
1
§ 3 III. Ziff. 3 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über den Anspruch zwischen dem VN und dem Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger, so führt der VR den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten.
5.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
§ 3 III. Ziff. 1 3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen, gegebenenfalls die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
5.4 Erlangt der VN oder ein Mitversicherter das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR zur Ausübung dieses Rechts bevollmächtigt.
§ 5 Ziff. 6 1 Wenn der VN infolge veränderter Verhältnisse das Recht erlangt, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist er verpflichtet, dieses Recht auf seinen Namen von dem VR ausüben zu lassen. 2 Die Bestimmungen unter Ziff. 3 bis 5 finden entsprechende Anwendung.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-010
126
Übersicht
Ziff. 5 AHB 2016
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
I. 1. 2.
Haftpflichtversicherungsanspruch 4 Rechtsnatur Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Haftpflichtversicherungsschutz a) Inanspruchnahme auf Schadenser5 satz 7 b) Ernstlichkeit der Inanspruchnahme aa) Gerichtliche Geltendmachung von An8 sprüchen bb) Außergerichtliche Geltendmachung 9 von Ansprüchen 12 c) Person des Erklärenden 13 d) Erklärungsempfänger Betroffenheit des Schutzbereichs des Versicherungsvertrages a) Maßgeblichkeit des Vortrags des Drit14 ten 16 b) Ausnahmen Inhalt des Anspruchs auf Haftpflichtversiche25 rungsschutz a) Verpflichtung des Versicherers zur Freistellung des VN von begründeten Haftpflichtansprüchen und zur Abwehr unbegründeter Haftpflichtansprüche aa) Einheitlicher Anspruch auf Befreiung von begründeten und unbegründeten 26 Haftpflichtansprüchen bb) Ermessensentscheidung des Versicherers über Abwehr oder Freistellung (1) Ermessensrecht des Versicherers (a) Pflichtgemäßes Ermes27 sen (b) Abweichende Ansichten in 30 der Literatur 32 (c) Stellungnahme (2) Bestimmung des pflichtgemäßen 34 Ermessens (a) Offensichtlich berechtigte Haftpflichtansprü35 che (b) Offensichtlich unberechtigte Haftpflichtansprü39 che 42 (c) Zweifelsfälle (3) Prüfung der Haftpflicht des 44 VN 47 (4) Fehleinschätzungen 49 cc) Ende des Ermessensrechts
3.
4.
127
b)
5. 6.
Konkretisierung des Haftpflichtversicherungsanspruchs aa) Freistellung von begründeten Ansprü52 chen bb) Abwehr unbegründeter Ansprüche (1) Regelfall: Gewährung passiven 58 Rechtsschutzes (2) Ausnahme: Gewährung aktiven Rechtsschutzes (a) Ernsthafte Berühmung einer Haftpflichtforde59 rung (b) Aufrechnung mit Haftpflichtforderung (aa) Leistungs60 klage (bb) Feststellungs64 klage (3) Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts oder Wegnahme eines dem VN gehörenden 66 Gegenstands c) Umwandlung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Freistellungs- oder Zahlungsanspruch aa) Pfändung und Überweisung des Frei68 stellungsanspruchs bb) Abtretung des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten (1) Nach Eintritt der Bindungswirkung hinsichtlich des Haft69 pflichtanspruchs (2) Vor Eintritt der Bindungswirkung hinsichtlich des Haft70 pflichtanspruchs cc) Anerkenntnis und/oder Befriedigung 71 des Haftpflichtanspruchs dd) Insolvenz des Versicherungsneh72 mers ee) Unmöglichkeit der Abwehr des Zugriffs auf das Vermögen des Versiche73 rungsnehmers ff) Verzicht des Versicherers auf Aktivprozess bei Aufrechnung mit bestritte78 ner Haftpflichtforderung 79 gg) Konfusion d) Auswirkungen von Obliegenheitsverletzun82 gen Verjährung des Haftpflichtversicherungsan83 spruchs Abtretung und Pfändung/Überweisung des Freistellungsanspruchs a) Geschädigter als Abtretungsempfänger 84 oder Pfändungsgläubiger
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
b) c) II. 1.
2.
3.
Leistungen der Versicherung
Unbeteiligte Vierte Versicherte Personen
86 87
Prozessuale Fragen Klage des VN auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag a) Richtige Klageart 88 aa) Feststellungsklage 90 bb) Leistungsklage cc) Anspruch des VN auf Leistungen in Form der Freistellung von Rechtsschutzkosten im Wege des vorläufi91 gen Rechtsschutzes b) Zulässigkeit der Feststellungsklage 92 aa) Feststellungsinteresse bb) Umwandlung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Freistellungs- oder Zahlungsan97 spruch c) Begründetheit der Feststellungs98 klage Klagerecht des geschädigten Dritten 99 a) Leistungsklage 100 b) Feststellungsklage 104 Streitwert der Deckungsklage
3. 4.
107 Bereicherungsansprüche Fehlender Rechtsgrund im Haftpflichtverhältnis a) Zahlung an den geschädigten Drit108 ten 111 b) Zahlung an den VN Fehlender Rechtsgrund im Versicherungsverhältnis a) Zahlung an den geschädigten Drit112 ten 114 b) Leistung an den VN 115 Doppelmangel 116 Kondiktionsausschluss (§ 814 BGB)
IV.
Beweislast
C.
Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
I.
Regelungsgegenstand von Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 123 AHB
III. 1.
2.
II.
1.
2. 3.
Koch
119
Feststellung des Haftpflichtanspruchs durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Ver124 gleich Rechtskräftiges Urteil 125 a) Begriff 126 b) Zwischenurteile 127 c) Vorläufig vollstreckbare Urteile 129 Anerkenntnis 131 Vergleich
III. 1. 2. 3.
132 Bindungswirkung für den VR 133 Begriff der Bindungswirkung 134 Rechtsgrund der Bindungswirkung Folgerungen für den Umfang der Bindung a) Rechtskräftiges Urteil aa) Verfahrensherrschaft des Versicherers (1) Kontradiktorisches Ur139 teil (2) Versäumnisurteil und Vollstre144 ckungsbescheid (3) Anerkenntnisurteil und Prozess145 vergleich (4) Eintragung der Haftpflichtforderung in die Insolvenzta146 belle (5) Urteil im Straf- und Adhäsions147 verfahren bb) Keine Verfahrensherrschaft des Versicherers (1) Eigenmächtige Verfahrensfüh148 rung durch den VN (2) Unberechtigte Deckungsableh150 nung durch VR 151 b) Prozessvergleich c) Außergerichtliche Regulierung durch Anerkenntnis oder Vergleich aa) Rechtslage vor der Reform des 152 VVG bb) Anerkenntnis oder Vergleich durch den VR/mit Zustimmung des Versiche153 rers cc) Anerkenntnis oder Vergleich ohne Zustimmung des Versicherers 154 (1) Grundsatz (2) Unberechtigte Deckungsableh155 nung d) Feststellung der Haftpflichtforderung zur 156 Insolvenztabelle
IV. 1. 2.
Frist zur Freistellung 157 Grundsatz 158 Ausnahmen
V.
Fälligkeit des Zahlungs- und Rechtsschutzkostenanspruchs (§ 106 Satz 2 und 3 VVG) Fälligkeit des Zahlungsanspruchs (§ 106 Satz 2 159 VVG) a) Befriedigung des Haftpflichtanspruchs 160 durch den VN 162 b) Bindungswirkung 163 c) Zahlungsfrist Fälligkeit des Rechtsschutzkostenanspruchs 164 (§ 106 Satz 3 VVG)
1.
2.
D.
Regulierungsvollmacht des Versicherers (Ziff. 5.2 Satz 1 AHB)
128
A. Inhalt und Zweck
I.
Ausgangspunkt
165
II. 1. 2.
Umfang der Regulierungsvollmacht 168 Unbeschränkte Außenvollmacht Bindungen und Beschränkungen im Innenver171 hältnis
III. 1. 2. 3.
Dauer der Regulierungsvollmacht 177 Erteilung der Regulierungsvollmacht 178 Erlöschen der Regulierungsvollmacht Widerruf der Regulierungsvollmacht a) Grundsatz: Unwiderruflichkeit der Regulie181 rungsvollmacht b) Ausnahme: Widerruf aus wichtigem 182 Grund c) Beispiele aa) Vermögensverfall des Versiche184 rers bb) Unberechtigte Verweigerung des Ver185 sicherungsschutzes cc) Überschreitung der Deckungssum187 men
3.
III. 1. 2. 3.
Umfang der Prozessführungsvollmacht 200 Begriff der Prozessführung Vollmacht des Versicherers zur Erteilung der Prozessvollmacht? a) Stand der Diskussion zu § 5 Ziff. 7 AHB 201 1999 b) Vollmacht zur Prozessvollmachtserteilung 203 aus Ziff. 5.2 Satz 2 AHB? c) Wirksamkeit einer Vollmacht zur Prozess206 vollmachtserteilung Bindungen und Beschränkungen im Innenver209 hältnis Dauer der Prozessführungsvollmacht Erteilung der Prozessführungsvoll211 macht Erlöschen der Prozessführungsvoll212 macht Widerruf der Prozessführungsvoll214 macht
F.
Vereinbarkeit der Tätigkeit des Versicherers 215 mit dem RDG und § 79 ZPO
G.
Kostentragung (Ziff. 5.2 Satz 3 und Ziff. 5.3 AHB)
I.
Zivilverfahren (Ziff. 5.2 Satz 3 AHB)
189
IV.
Personelle Reichweite
V.
Auftreten des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten 194 Grundsatz: Handeln im Namen des VN 196 Ausnahmen
1. 2.
II. 1. 2.
Ziff. 5 AHB 2016
217
VI.
Auftreten des Versicherers gegenüber sonstigen am Regulierungsgang beteiligten Perso198 nen
II. 1. 2. 3.
Strafverfahren (Ziff. 5.3 AHB) 222 Grundsätzliches 223 Kosten der Strafverteidigung Kosten der Nebenklage und des Adhäsionsver229 fahrens
E.
Bevollmächtigung zur Prozessführung (Ziff. 5.2 Satz 2 AHB)
H.
Rentenzahlungen (Ziff. 5.4 AHB)
I.
231
Abgrenzung zur gewillkürten Prozessstand199 schaft
A. Inhalt und Zweck Ziff. 5.1 AHB beschreibt den Umfang des Versicherungsschutzes und regelt die Fälligkeit des 1 Anspruchs des VN auf Freistellung in den Fällen, in denen sich der VR in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens für die erfolglose Anspruchsabwehr entschieden hat.1 Die Klausel ist an die Stelle von § 3 III Ziff. 1 Satz 1, 2 AHB 1999 getreten. Die aktuelle Fassung trägt der Reform des VVG Rechnung. Die in Ziff. 5.1 Satz 1 AHB genannten vertraglichen Hauptleistungspflichten des VR (Prüfung der Haftpflichtfrage, Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und Erfüllung berechtigter Schadensersatzverpflichtungen) gehen nicht über die Pflichten des VR hinaus, die ihn nach § 100 VVG treffen. Zu beachten ist, dass die Hauptleistungspflichten Bestandteile eines einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs sind. Entscheidet sich der VR für 1 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 5 Rn. 1. 129
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
die Anspruchsabwehr, wird der Anspruch auf Freistellung ihm gegenüber jedoch erst unter den Voraussetzungen der Ziff. 5.1 Satz 4 AHB fällig, die § 106 Satz 1 VVG entspricht. Der Anspruch auf Prüfung des Haftpflichtanspruchs und Rechtsschutzgewährung wird nach § 271 Abs. 1 BGB bereits mit Inanspruchnahme des VN auf Schadensersatz fällig (Rn. 5). Ziff. 5.1 Satz 2 entspricht hinsichtlich der Bindungswirkung der Regelung des § 106 VVG. Ziff. 5.1 Satz 3 AHB stellt klar, dass der VN im Falle eines Anerkenntnisses oder Vergleichsschlusses ohne Zustimmung des VR nur Anspruch auf Freistellung in Höhe der tatsächlich bestehenden Haftpflichtschuld hat. 2 Ergänzt wird Ziff. 5.1 AHB durch Ziff. 5.3 AHB, der die Kostentragungspflicht des VR in Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses behandelt, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben könnte. Diese Regelung entspricht der Sache nach § 101 Abs. 1 Satz 2 VVG. 3 Zur Wahrnehmung der Pflichten aus Ziff. 5.1 AHB lässt sich der VR weitreichende Vollmachten (im Außenverhältnis zum Geschädigten) und Befugnisse (im Innenverhältnis zum VN) einräumen. Ziff. 5.2 Satz 1 AHB gibt dem VR eine umfassende Regulierungsvollmacht (Rn. 165 ff.). Die Klausel entspricht sachlich der Regelung in § 5 Ziff. 7 AHB 1999. Sie hat keine Entsprechung im Gesetz und wird ergänzt durch Ziff. 5.4 AHB, der eine Vollmacht zugunsten des VR für den Fall begründet, dass der VN oder ein Mitversicherter nachträglich das Recht erlangt, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern. Ziff. 5.2 Satz 2 AHB bevollmächtigt den VR zur Prozessführung (Rn. 199 ff.). Hierzu korrespondiert die Obliegenheit des VN aus Ziff. 25.5 AHB, dem VR die Prozessführung zu überlassen, einem Rechtsanwalt Vollmacht zu erteilen und diesem alle erforderlichen Auskünfte zu geben sowie die angeforderten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ziff. 5.2. Satz 3 AHB stellt klar, dass der VR die Kosten der Prozessführung trägt (Rn. 217 ff.).
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB) I. Haftpflichtversicherungsanspruch 1. Rechtsnatur 4 Kennzeichnend für die Haftpflichtversicherung ist, dass dem VN ein Befreiungsanspruch gegen den VR zusteht (zum Wesen des Haftpflichtversicherungsanspruches s. Einleitung Rn. 1 ff.). Dem VN sollen keine finanziellen Belastungen dadurch erwachsen, dass er seitens eines Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Je nachdem, ob und inwieweit der Schadensersatzanspruch begründet ist, ist der Befreiungsanspruch entsprechend dem in § 100 VVG normierten Leitbild nach Ziff. 5.1 Satz 1 AHB auf Freistellung des VN und/oder Anspruchsabwehr gerichtet. Soweit in Ziff. 5.1 Satz 1 AHB die Pflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage aufgeführt wird, handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, da sie notwendige Voraussetzung der beiden anderen Ansprüche ist.2 Die Pflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage, der Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen sind wie ausgeführt Ausstrahlung ein und desselben einheitlichen Versicherungsanspruches.3 Diese Einheitlichkeit findet ihren Ausdruck darin, dass kein neuer Anspruch entsteht, wenn der VR sich nach Prüfung der Haftpflichtfrage erfolglos um die Anspruchsabwehr bemüht. Vielmehr kann und muss der VR den Haftpflichtversicherungsanspruch nunmehr in anderer Form als zu-
2 Vgl. RG 7.2.1936 – VII 224/35, RGZ 150 227, 229. 3 BGH 20.2.1956 – II ZR 53/55, NJW 1956 826, 827 = VersR 1956 186; vgl. auch BGH 21.5.2003 – IV ZR 209/02, BGHZ 155 69, 71 = NJW 2003 2376; BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 281 = VersR 1992 1504; BGH 17.3.1992 – VI ZR 62/91, BGHZ 117 345, 349 = RuS 1992 228; OLG Hamm 12.12.2016 – 20 U 168/16, RuS 2017 304; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 8; Prölss/Martin/Lücke § 100, Rn. 12; Kassing/Richters VersR 2015 293, 294 f. Koch
130
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
vor – nämlich durch Befriedigung des Dritten – erfüllen.4 Zum einheitlichen Haftpflichtversicherungsschutzanspruch gehören im Übrigen auch die Verpflichtungen des VR zum Ersatz der Rechtsschutzkosten (Ziff. 5.2 Satz 3 AHB, § 101 Abs. 1 VVG), zur Befreiung des VN von Zinsansprüchen des geschädigten Dritten (§ 101 Abs. 2 Satz 2 VVG) und zur Sicherheitsleistung (§ 101 Abs. 3 VVG).
2. Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Haftpflichtversicherungsschutz a) Inanspruchnahme auf Schadensersatz. Zum Schutz des VN haben Entstehung und Fäl- 5 ligkeit des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs nach Ziff. 5.1 Satz 1 AHB lediglich zur Voraussetzung, dass der VN von Dritten (Ziff. 1 AHB Rn. 78) auf Schadensersatz (Ziff. 1 AHB Rn. 50 ff.) in Anspruch genommen wird.5 Nach der Rechtsprechung muss der Dritte sich dazu entschlossen haben, Schadensersatzansprüche gerade gegen den VN zu erheben, und er muss diesen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gegeben haben, die vom VN als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme verstanden werden kann.6 Die Inanspruchnahme des VN ist im Übrigen nicht entbehrlich, wenn der Dritte im Hinblick auf sein persönliches Verhältnis zum VN von dessen Inanspruchnahme absieht.7 Die Inanspruchnahme muss nicht in einer bestimmten Form erfolgen, sodass sie grundsätzlich mündlich und sogar konkludent ausgesprochen werden kann.8 Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der Geschädigte den Schaden bereits konkret beziffert.9 Für den Fall, dass aus einem Schadensereignis mehrere Geschädigte Ersatzansprüche stellen, ist die Inanspruchnahme für jeden Anspruch eines geschädigten Dritten gesondert festzustellen.10 Die Inanspruchnahme auf Schadensersatz ist abzugrenzen von der Anzeigeobliegenheit 6 nach Ziff. 25.1 Satz 1 AHB. Letztere berührt den „Bereich vor der Fälligkeit des Deckungsanspruchs“.11 Dieses Stadium, ist nach Ansicht des BGH dadurch gekennzeichnet, dass es zwar noch an eindeutigen Willensbekundungen des Geschädigten fehlt, die dem VN die Sicherheit geben, dass von ihm Schadensersatz verlangt wird, aufgrund des Verhaltens des Geschädigten eine künftige Anspruchserhebung jedoch möglich oder gar wahrscheinlich erscheint. Deshalb besteht bereits zu diesem Zeitpunkt ein gesetzlich anerkanntes Informationsinteresse des VR. Es steht dem VR jedoch frei, zunächst abzuwarten oder bereits tätig zu werden, um nach Möglichkeit eine Belastung mit späteren Schadensersatzansprüchen schon in diesem frühen Stadium abzuwehren. Einen Anspruch auf Abwehrmaßnahmen hat der VN zu diesem Zeitpunkt noch nicht, „mögen sie auch sinnvoll sein und in seinem Interesse liegen“.12
4 Vgl. BGH 18.6.2009 – VII ZR 167/08, NJW 2010 60, 61 bezüglich des Ausgleichsanspruchs bei der Gesamtschuld. 5 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 25; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 7. 6 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043; OLG Frankfurt/M. 13.3.2008 – 16 U 134/07, RuS 2010 61, 62; OLG Karlsruhe 16.2.2006 – 19 U 110/05, OLRG Karlsruhe 2006 374; OLG Köln 30.10.2001 – 9 U 32/ 01, VersR 2003 1166, 1166; vgl. auch BGH 21.5.2003 – IV ZR 209/02, BGHZ 155 69, 71 = VersR 2003 900; BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117, 1118; BGH 20.1.1966 – II ZR 233/63, VersR 1966 229, 232; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 8. 7 LG Karlsruhe 25.6.1987 – 9 S 99/87, MDR 1987 850. 8 BGH 3.11.1966 – II ZR 52/64, VersR 1967 56, 57; Berliner Kommentar/Baumann § 153 Rn. 21, jew. zu § 153 Abs. 2 a.F.; LG Dortmund 22.10.2015 – 2 O 203/13, RuS 2016 126, 127. 9 RG 23.10.1936 – VII 67/36, RGZ 152 235, 242; vgl. auch OLG Köln 5.3.1996 – 9 U 172/95, RuS 1998 323; KG 21.2.2003 – 6 U 301/01, VersR 2003 1246; LG Düsseldorf 11.4.2003 – 2b O 186/97, SP 2004 98, 99; OLG Düsseldorf 16.7.1963 – 4 U 65/63, VersR 1964 178, 179. 10 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 26. 11 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043 zu § 153 a.F. 12 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043; vgl. auch OLG Frankfurt/M. 13.3.2008 – 16 U 134/07, RuS 2010 61, 62. 131
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
7 b) Ernstlichkeit der Inanspruchnahme. Bedarf es somit einer eindeutigen Willensbekundung des Geschädigten, so folgt daraus nur, dass die Ernstlichkeit der Inanspruchnahme objektiv anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen ist. Die hinter der Inanspruchnahme stehende Motivation des Anspruchsstellers ist nicht zu berücksichtigen. Es ist also völlig unerheblich, warum der Anspruchssteller gegen die VN/versicherte Person die Forderung erhebt und ob er diese allein mit Blick auf die Möglichkeit in Anspruch nimmt, im Vollstreckungswege Zugriff auf den Deckungsanspruch gegen ihren VR zu nehmen, und anderenfalls – d.h. bei Fehlen einer Haftpflichtversicherung oder fehlender Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers – von einer Inanspruchnahme absähe.13
8 aa) Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Die (schieds-)gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den VN ist stets als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme anzusehen, weil spätestens in diesem Moment die Verpflichtung des VR zur Prüfung der Haftpflichtfrage und zur Rechtsschutzgewährung gem. § 271 Abs. 1 BGB fällig wird.14 Neben dem Antrag auf Prozesskostenhilfe, der Einleitung des Mahnverfahrens und der Klageerhebung15 hat die Rechtsprechung eine ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme im Falle der Streitverkündung bejaht.16 Ernstlichkeit liegt auch bei Geltendmachung von Schadensersatz im Wege der Widerklage vor. Das selbstständige Beweisverfahren soll nach Ansicht der Rechtsprechung nur dann als Inanspruchnahme zu qualifizieren sein, wenn der Dritte allein den VN für einen eingetretenen Schaden verantwortlich machen will und das selbstständige Beweisverfahren lediglich dem Zweck dient, die Schadenshöhe festzustellen.17 Kommen dagegen mehrere Schädiger in Betracht, ist das Schadensbild unklar und will der Geschädigte sich mit dem selbstständigen Beweisverfahren Klarheit darüber verschaffen, welche Schäden eingetreten sind, was zur Schadensentstehung geführt hat und wer jeweils die Verantwortung dafür trägt, soll die Einleitung eines Beweisverfahrens als solche nach Ansicht des BGH nicht als ernsthafte Inanspruchnahme zu qualifizieren sein.18 Dass der Gläubiger erkennbar eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den VN erwäge oder für möglich erachte, reiche für die Fälligkeit des Anspruchs auf Versicherungsleistungen noch nicht aus.19
9 bb) Außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Die Ernstlichkeit der Erklärung bestimmt sich nicht danach, ob sie gerichtlich oder außergerichtlich, schriftlich oder mündlich erfolgt. Die Einleitung gerichtlicher Schritte gegen den VN ist nicht entscheidend. Zu Recht hat die Rechtsprechung deshalb die außergerichtliche Aufforderung zur Zahlung von Schadensersatz oder zur Anerkennung der Schadensersatzforderung, ja selbst das Verlangen nach Abgabe eines auf den Grund des Anspruchs beschränkten Anerkenntnisses der Schadens-
13 Vgl. BGH 13.4.2016 – IV ZR 304/13, BGHZ 209 373 Rn. 25 f.; BGH 13.4.2016 – IV ZR 51/14, AG 2016 395 Rn. 33 f.; Koch VersR 2013 1522, 1525 f.; ders. VersR 2016 765, 767. 14 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043. 15 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043. 16 BGH 21.5.2003 – IV ZR 209/02, BGHZ 155 69, 73 f. = NJW 2003 2376; OLG Schleswig 20.5.2010 – 16 U 16/10, VersR 2011 341; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 8. 17 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043; vgl. OLG Karlsruhe 16.2.2006 – 19 U 110/ 05, NJOZ 2006 1413, 1414; OLG Köln 9.9.2003 – 9 U 27/03, RuS 2003 501, 502; KG 21.2.2003 – 6 U 301/01, VersR 2003 1246; OLG Stuttgart 11.12.1997 – 7 U 5/97, NVersZ 1999 289; OLG Saarbrücken 22.8.1990 – 5 U 21/90, VersR 1991 872, 873; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 9; Knütel VersR 2003 300. 18 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043. 19 BGH 9.6.2004 – IV ZR 115/03, RuS 2004 411, 412 = VersR 2004 1043; Wussow WJ 1989 133, 134; weiter gehend Späte § 3 AHB Rn. 23. Koch
132
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
ersatzpflicht, als ernstliche Erklärung ausreichen lassen.20 Eine ernsthafte Inanspruchnahme liegt auch vor, wenn der Besteller die Abnahme unter Hinweis auf angebliche Mängel verweigert und vom VN die komplette Neuerstellung des Werks verlangt.21 Im Hinblick darauf, dass die Erfüllung der Abwehrverpflichtung den VR auch zu Aktivprozessen nötigt, wenn der geschädigte Dritte wegen seiner vermeintlichen Haftpflichtforderung ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, gegen eine Forderung des VN aufrechnet oder ein dem VN gehörenden Gegenstand wegnimmt (Rn. 60), stehen einer Geltendmachung gleich die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht, die Erklärung der Aufrechnung sowie die Wegnahme einer Sache. Sieht man den VR (ausnahmsweise) als zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage 10 im Namen des VN verpflichtet an (Rn. 59), liegt eine Inanspruchnahme i.S.v. Ziff. 5.1 Satz 1 AHB auch dann vor, wenn der Geschädigte sich eines dem Grunde oder der Höhe nach nicht bestehenden Schadensersatzanspruchs berühmt. Insoweit ist der Hinweis geboten, dass das Erfordernis der Ernstlichkeit der Inanspruchnahme Parallelen zu den Voraussetzungen aufweist, die an das rechtliche Interesse bei einer negativen Feststellungsklage zu stellen sind. Ein Feststellungsinteresse setzt voraus, dass dem Recht oder der Rechtslage des Feststellungsklägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht, was stets dann anzunehmen ist, wenn sich die Gegenseite eines dem Grunde oder der Höhe nach nicht bestehenden Anspruchs berühmt.22 Weder die Ankündigung, unter bestimmten Umständen in die Prüfung eines Anspruchs einzutreten,23 noch die Bekundung „möglicher“24 oder „etwaiger“ Rechte25 oder dafür maßgebender Tatsachen (z.B. Strafanzeige) genügt, soweit und solange daraus nicht erkennbar auch bestimmte Rechte abgeleitet werden.26 Die Aufforderung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, ist nach Ansicht des 11 BGH noch nicht als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme des VN zu verstehen.27 Dies hat der BGH damit begründet, dass eine solche Erklärung „vor allem dann verlangt und abgegeben [wird], wenn der Geschädigte sich noch nicht darüber schlüssig ist, ob er seinen Verhandlungspartner in Anspruch nehmen soll, sondern dies von noch ungewissen Umständen, z.B. dem Ausgang eines Strafverfahrens oder eines Zivilprozesses gegen einen anderen Haftpflichtigen abhängig machen will“.28 Diese allgemein gehaltene Feststellung überzeugt nicht. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Deshalb hat das OLG Karlsruhe auch völlig zu Recht die Aufforderung durch den Geschädigten zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung unter Androhung der Erhebung einer Feststellungsklage als ernsthafte Inanspruchnahme angesehen. In jenem Fall hing die Geltendmachung von angekündigten Schadensersatzansprüchen nur vom Ausgang eines anderen Verfahrens ab.29 Gemessen an diesen Maßstäben sind bloße Vorwürfe, Anschuldigungen, Drohungen und Redensarten noch nicht als Inanspruchnahme anzusehen.30
c) Person des Erklärenden. Die Erklärung muss nicht vom geschädigten Dritten selbst abge- 12 geben werden. Eine Abgabe durch einen hierzu bevollmächtigten Vertreter reicht aus. Bei 20 BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117, 1118; OLG Naumburg 14.3.2018 – 4 U 58/17, VersR 2019 614, 615; OLG Jena 29.1.2007 – 4 U 660/06 (juris) Rn. 5; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 8. OLG Köln 30.10.2001 – 9 U 32/01, VersR 2003 1166, 1168. BGH 4.5.2006 – IX ZR 189/03, NJW 2006 2780, 2781; BGH 10.10.1991 – IX ZR 38/91, NJW 1992 436, 437. BGH 10.10.1991 – IX ZR 38/91, NJW 1992 436, 437. RG 18.4.1913 – III 555/12, RGZ 82 170, 172 (zur Streitverkündung). Z.B. Verweigerung der Entlastung (BGH 20.5.1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94 324, 329 f. = NJW 1986 129; OLG Celle 9.3.1994 – 20 U 44/93, NJW-RR 1994 1545, 1546). 26 Musielak/Foerste ZPO 17. Aufl. (2020) § 256 Rn. 10. 27 BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117, 1118; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 10. 28 BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117, 1118. 29 Vgl. OLG Karlsruhe 16.2.2006 – 19 U 110/05, NJOZ 2006 1413, 1414. 30 Berliner Kommentar/Baumann § 153 Rn. 22.
21 22 23 24 25
133
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Angehörigen des Verletzten ist davon auszugehen, dass derartige Erklärungen „auf Grund tatsächlicher oder zu vermutender Vollmacht, kraft Auftrags oder Geschäftsführung ohne Auftrag i.S. einer Inanspruchnahme des VN diesem gegenüber abgeben [werden]“.31 Erklärungen unbeteiligter Vierter, etwa des aufnehmenden Polizeibeamten, dass mit der Erhebung von Ansprüchen zu rechnen sei, stellen keine Geltendmachung dar.32 Im Übrigen kann die Erklärung auch durch die nach §§ 844, 845 BGB Berechtigten sowie all diejenigen erfolgen, die den Schadensersatzanspruch derivativ (durch Abtretung nach § 398 BGB oder kraft Gesetzes nach § 86 Abs. 1 Satz 1, § 116 SGB X oder § 268 Abs. 3 BGB) oder originär (z.B. nach § 110 SGB VII bzw. nach §§ 426, 683 und 670 BGB) erworben haben.
13 d) Erklärungsempfänger. Der Anspruch muss gegenüber dem VN (oder einer versicherten Person33) geltend gemacht werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Geschädigte direkt an den VN wenden muss.34 Voraussetzung für die Geltendmachung ist lediglich, dass dem VN oder seinem Empfangsvertreter – hierzu zählt aufgrund seiner (Regulierungs-)Vollmacht (Ziff. 5 AHB Rn. 168 ff.) auch der VR35 – die anspruchserhebende Erklärung des Dritten i.S.v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugeht.36
3. Betroffenheit des Schutzbereichs des Versicherungsvertrages 14 a) Maßgeblichkeit des Vortrags des Dritten. Erforderlich, im Hinblick auf die Pflicht des VR zur Prüfung des Haftpflichtanspruchs und zur Rechtsschutzgewährung zunächst aber auch ausreichend, ist, „daß der Dritte seinen Anspruch auch mit einem in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallenden Rechtsverhältnis begründet“.37 Ob der vom Dritten behauptete Anspruch begründet ist, ist somit ohne Belang. Maßgeblich ist allein der Sachverhalt, den der Dritte behauptet.38 Für die auf den AHB beruhenden Versicherungsverträgen ist somit erforderlich, dass der Dritte seinen Anspruch mit einem während der Wirksamkeit der Versicherung (Ziff. 1 AHB Rn. 10) eingetretenen Personen(folge)schaden (Ziff. 1 AHB Rn. 12) und/ oder Sach(folge)schaden (Ziff. 1 AHB Rn. 18) begründet, der im unmittelbaren Zusammenhang
31 32 33 34 35 36 37
RG 14.1.1938 – VII 151/37, RGZ 156 378, 383. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 36. Hierzu OLG Frankfurt 13.3.2008 – 16 U 134/07, RuS 2010 61, 62. Berliner Kommentar/Baumann § 153 Rn. 24. Vgl. OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, NVersZ 2002 135 = VersR 2002 1020. BGH 3.11.1966 – II ZR 52/64, VersR 1967 56, 59; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 36. St. Rspr., vgl. BGH 17.4.1997 – I ZR 251/94, VersR 1998 79, 80; vgl. BGH 22.6.1967 – II ZR 217/64, VersR 1967 769, 770; BGH 21.2.1957 – II ZR 175/55, BGHZ 23 355 = NJW 1957 907; RG 25.11.1938 – VII 95/38, RGZ 159 16, 19 f.; OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 202/19, RuS 2020 499, 500 f.; OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158, RuS 2017 629, 631; OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020, 22; OLG Celle 8.8.2017 – 8 U 107/17, BeckRS 2017 150044; OLG Hamm 18.11.2016 – 20 U 48/16, VersR 2017 811, 813; OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, RuS 2016 564, 566; OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/14, VersR 2016 524; OLG Schleswig 20.5.2010 – 16 U 16/10, VersR 2011 341, 342; OLG Hamm 25.1.2012 – I-20 U 120/11, NJW-RR 2012 1056, 1057; OLG Hamm 21.3.2007 – 20 U 29/06, RuS 2007 321; OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, BeckRS 2008 02348; OLG Stuttgart 28.4.2005 – 7 U 209/04, NJW-RR 2005 1269, 1271; OLG Hamm 23.2.2005 – 20 U 109/0414, BeckRS 2005 03720; OLG Saarbrücken 8.4.2003 – 3 U 159/02, BeckRS 2003 30315252; KG Berlin 2.3.1999 – 6 U 9481/97, RuS 2000 61, 62; OLG Köln 27.2.1996 – 9 U 114/95, BeckRS 2008 20074. 38 Vgl. RG 25.11.1938 – VII 95/38, RGZ 159 16, 19 f.; OLG Schleswig 20.5.2010 – 16 U 16/10, VersR 2011 341, 342; OLG Hamm 7.2.2007 – 20 U 118/06, VersR 2007 980, 981; OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, BeckRS 2008 02348; OLG Hamm 3.7.1981 – 20 U 70/81, VersR 1982 642; OLG München 27.11.1979 – 5 U 2653/79, VersR 1980 1138; OLG Braunschweig 11.4.1961 – 1 U 142/60, VersR 1961 746, 747; OLG Hamm 3.3.1959 – 7 U 142/58, VersR 1960 784, 785; OLG Frankfurt 11.10.1957 – 3 U 67/57, VersR 1958 369. Koch
134
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
mit im Versicherungsschein angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und/oder Tätigkeiten des VN i.S.v Ziff. 3.1 AHB steht oder daran anknüpft. Die Haftpflichtansprüche müssen auf einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung (Ziff. 1 AHB Rn. 43) privatrechtlichen Inhalts (Ziff. 1 AHB Rn. 70) beruhen und zudem gegen die Versicherten geltend gemacht werden. Zu diesem Personenkreis zählen alle Personen, deren Interesse versichert ist. In der Eigenversicherung ist somit der VN, in der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung sind neben dem VN auch die versicherten Personen (z.B. Betriebsangehörige in der Betriebshaftpflichtversicherung, vgl. § 102 Abs. 1 VVG, oder Familienmitglieder in der Privathaftpflichtversicherung) richtiger Anspruchsgegner. Übersteigen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche die zur Verfügung stehende 15 Versicherungssumme, berührt dies die Entstehung des Anspruchs auf Haftpflichtversicherungsschutz nicht, kann aber nach Ziff. 6.6 AHB dazu führen, dass der VN im Fall der Verurteilung einen Teil der Prozesskosten selbst tragen muss (Ziff. 6 AHB Rn. 38). Negative Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Haftpflichtversicherungsschutz ist, dass auf der Ebene der sekundären Risikoabgrenzung keine objektiven Risikoausschlüsse eingreifen. Da der Eintritt des Versicherungsfalls nach Ziff. 1.1 AHB an objektive Voraussetzungen anknüpft, bleiben Tatsachen, denen in Bezug auf das Vorliegen eines subjektiven Risikoausschlusses wie z.B. die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens (Ziff. 7.1 AHB), die wissentliche/bewusste Pflichtverletzung (Ziff. 4.1 BBR PHV, Ziff. 7.6.5.2 lit. k) BBR BHV) oder Kenntnis vom Mangel (Ziff. 7.2 AHB) indizielle Wirkung zukommt, für die Bestimmung des Schutzbereichs außer Betracht.
b) Ausnahmen. Von der Maßgeblichkeit des Vortrags des Dritten will die Literatur unter Beru- 16 fung auf vereinzelte höchst- und obergerichtliche Entscheidungen39 eine Ausnahme machen für Tatsachen, die – eine Schädigung des Dritten durch den VN unterstellt – für den zeitlichen, räumlichen und sachlichen Umfang des versicherten Risikos und für Ausschlüsse bedeutsam sind. Diese Tatsachen müssten objektiv vorliegen bzw. nicht vorliegen, um den Rechtsschutzanspruch entstehen zu lassen.40 Als Begründung wird angeführt, allein das Abstellen auf die Behauptungen des Dritten könne dazu führen, dass der VR Rechtsschutz für Ansprüche gewähren müsse, die nach dem wahren Sachverhalt nicht unter das versicherte Risiko fielen, und umgekehrt der VN in Gefahr sei, den Anspruch auf Rechtsschutz nur deswegen zu verlieren, weil der Dritte wahrheitswidrig einen Sachverhalt behaupte, bei dem kein Deckungsschutz bestehe.41 Die allgemeine Vermutung der Redlichkeit des VN42 und seine vertragsseitige Obliegenheit zu wahrheitsgemäßen Angaben führe allerdings dazu, dass der VR regelmäßig dessen Angaben zugrunde legen müsse, und zwar vorrangig gegenüber denen des Dritten, die freilich ebenfalls zu berücksichtigen seien.43 Ergebe sich daraus die Verpflichtung zur Rechtsschutzgewährung, so müsse der VR diese Verpflichtung zunächst erfüllen. Erwiesen sich die Angaben des VN später als objektiv unrichtig, sei der VR in aller Regel leistungsfrei und könne seine
39 BGH 22.6.1967 – II ZR 217/64, VersR 1967 769 f.: Versicherungsfall während der Versicherungszeit; OLG Rostock 31.5.2019 – 4 U 17/16, RuS 2020 22; OLG Celle 13.12.2018 – 8 U 142/18, BeckRS 2018 49057; OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 536; OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, RuS 2016 564, 566; OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/14, VersR 2016 524; OLG Hamm 25.1.2012 – I-20 U 120/11, NJW-RR 2012 1056, 1057; OLG Köln 4.11.1997 – 9 U 76/97, RuS 1998 59, 60; OLG München 2.5.1952 – 1 U 405/51, VersR 1952 270, 271: Ausschluss; vgl. auch BGH 30.6.1960 – II ZR 170/58, VersR 1960 625, 626; RG 27.4.1926 – VI 3/26, RGZ 113 286, 288 f.; OLG Hamm 10.4.1970 – 20 U 6/70, VersR 1970 729, 730. 40 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 11; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 12; Bruck/Möller/Baumann Ziff. 4 AVB-AVG Rn. 8. 41 Vgl. Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 16; Späte § 3 AHB Rn. 24. 42 Zweifelnd Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 17. 43 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 17; vgl. auch BGH 22.6.1967 – II ZR 217/64, VersR 1967 769, 770; OLG Köln 4.11.1997 – 9 U 76/97, RuS 1998 59, 60. 135
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Leistungen zurückverlangen.44 Bei erheblichen Zweifeln an der Redlichkeit des VN und/oder der Richtigkeit der Angaben des VN, bestehe dagegen keine Pflicht des VR zur Abwehr. Vielmehr müsse in einem (vorweggenommenen) Deckungsprozess geklärt werden, ob die Tatsachen objektiv vorliegen.45 17 In der Tendenz verdient die Literatur Zustimmung. Der Ausgangspunkt überzeugt jedoch nicht.46 Abgesehen davon, dass von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis keine Rede mehr sein kann, wenn man verlangt, dass die Tatsachen, die für den zeitlichen, räumlichen und sachlichen Umfang des versicherten Risikos und für Ausschlüsse bedeutsam sind, objektiv (nicht) vorliegen, ist es widersprüchlich, einerseits auf das objektive (Nicht-)Vorliegen dieser Tatsachen und andererseits auf die (subjektiven) Angaben des VN abzustellen. Nach Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung muss der VR seine Verpflichtung zur (vorläufigen) Rechtsschutzgewährung in den Fällen, in denen der Haftpflichtanspruch entweder nach dem Vorbringen des Anspruchstellers und/oder nach dem Verteidigungsvorbringen des VN in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt, zunächst stets erfüllen, ohne dass es darauf ankommt, ob der behauptete Sachverhalt tatsächlich vorliegt.47 Nur dann ist sichergestellt, dass der Anspruchssteller dem VN nicht den Versicherungsschutz in Form der Anspruchsabwehr nehmen kann, und wird der Bedeutung der Rechtsschutzkomponente in der Haftpflichtversicherung angemessen Rechnung getragen, die für den VN ebenso wichtig ist wie die Freistellung von begründeten Ansprüchen.48 Dies findet seinen Ausdruck in Ziff. 5.1 AHB, in dem beide Pflichten nebeneinander genannt werden. 18 Die Praxis zeigt, dass selbst dem Grunde nach berechtigte Haftpflichtansprüche vielfach überhöht sind und der VN deshalb auf die Hilfe des VR bei der Prüfung des Haftpflichtanspruchs und der Organisation der Anspruchsabwehr angewiesen ist und sich dabei auf die „überlegene Sach- und Rechtskenntnis“ des VR verlässt.49 Insoweit kommen hier ähnliche Überlegungen zum Tragen, die den BGH in der Rechtsschutzversicherung dazu veranlasst haben, auch bei Passivprozessen zur Bestimmung des Versicherungsfalls allein auf das Vorbringen des VN abzustellen.50 Im Hinblick auf die nachteiligen Folgen für den VN (Vorleistung der Abwehrkosten) und den VR (Bindung an das Haftpflichturteil, einen vom VN geschlossenen Vergleich oder ein vom ihm abgegebenes Anerkenntnis) gilt es, einen womöglich parallel zum Haftpflichtprozess geführten Deckungsprozess zu vermeiden. Für die Rechtsschutzverpflichtung des 44 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 17; Veith/Gräfe/Betz § 12 Rn. 77. 45 Vgl. OLG Düsseldorf 10.12.2021 – 4 U 252/20, BeckRS 2021 48922; OLG Hamm 25.1.2012 – I-20 U 120/11, NJW-RR 2012 1056, 1057; OLG Köln 4.11.1997 – 9 U 76/97, RuS 1998 59; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 17; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Ziff. 5 Rn. 11. 46 So auch Ramharter D&O-Versicherung (2018) 5/42. 47 Vgl. auch OLG Frankfurt/M. 7.7.2021 – 7 U 19/21, RuS 2021 502, 504 f.; OLG Frankfurt/M. 17.3.2021 – 7 U 33/19, BeckRS 2021 21425; OLG Frankfurt/M. 11.12.2020 – 7 W 29/20, BeckRS 2020 48390 (zur D&O-Versicherung); Ramharter 5/44. 48 Vgl. auch OLG Frankfurt/M. 7.7.2021 – 7 U 19/21, RuS 2021 502, 504 (Rechtsschutzverpflichtung zur Abwehr unberechtigter Ansprüche ist für den Versicherten von existentieller Bedeutung. Er muss sich auf die Rechtsschutzfunktion seiner D&O-Versicherung verlassen können). 49 BGH 16.5.2007 – IV ZR 149/03, RuS 2007 191 Rn. 18. 50 BGH 3.7.2019 – IV ZR 111/18, RuS 2019 461 Rn. 28: „Denn der VN wird dem Leistungsversprechen des Rechtsschutz-VR, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderlichen Leistungen zu erbringen, eine Solidaritätszusicherung entnehmen, dass der Versicherer ihn gegen Vorwürfe des Gegners unterstütze (vgl. Maier RuS 2015 489, 492). Deshalb erwartet er, dass der Rechtsschutzversicherer von seiner, des Versicherungsnehmers, Darstellung und Bewertung des Geschehens ausgeht und nicht vom Vorbringen seines Anspruchsgegners, zumal die Bestimmung des Versicherungsfalls nicht der Ort ist, den Wahrheitsgehalt einander widersprechender Darstellungen der Parteien des Ausgangsrechtsstreits oder den Widerstreit unterschiedlicher Rechtsauffassungen zu klären.“; BGH 31.3.2021 – IV ZR 221/19, VersR 2021 696 Rn. 40 ff.; vgl. aber auch BGH 22.5.2021 – IV ZR 324/19, BeckRS 2021 13204 Rn. 34 ff. (keine vorläufige Leistungspflicht des Rechtsschutz-VR, wenn die Parteien des Versicherungsvertrages darüber streiten, ob die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses, hier die Begehung einer vorsätzlichen Straftat durch den Versicherten vorliegen). Koch
136
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
VR ist somit ein anderer Maßstab anzulegen als für die Verpflichtung zur Befriedigung des Dritten nach Durchführung des Haftpflichtprozesses, die nur besteht, wenn die Tatsachen objektiv vorliegen.51 Behauptet der Dritte beispielsweise, dass der Schaden (Versicherungsfall) während der 19 Laufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten sei, muss der VR dem VN Rechtsschutz gewähren.52 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der VN erklärt, der Versicherungsfall sei vor Vertragsschluss eingetreten. Herrscht zwischen dem Geschädigten und dem VN Streit darüber, ob der Versicherungsfall im versicherten Zeitraum eingetreten ist, muss der VR Rechtsschutz gewähren, wenn der VN plausibel darlegt, dass der Versicherungsfall während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten ist. Der Privathaftpflichtversicherer muss dem VN Rechtsschutz gewähren, wenn streitig ist, ob der VN den Schaden – wie vom Geschädigten behauptet – in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verursacht hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des VN bestehen oder die Angaben offensichtlich falsch sind.53 Der VR wird hierdurch nicht unzumutbar belastet. Wird die Haftpflichtklage des Dritten 20 abgewiesen, weil die von ihm behaupteten Tatsachen keine Verurteilung rechtfertigen, trägt der Dritte die Kostenlast. Erhält der VR die von ihm zur Anspruchsabwehr aufgewendeten Kosten vom Dritten nicht ersetzt und fallen die Ansprüche nach den im Prozess getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages, kann der VR vom VN Ersatz der Kosten nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) verlangen.54 Letzteres gilt auch in den Fällen, in denen der Haftpflichtklage stattgegeben wird (Rn. 108 f.). In diesem Fall kann der VR gegenüber dem Dritten, der sich den Anspruch des VN auf Freistellung abtreten (§ 398 BGB) oder pfänden und überweisen (§§ 829, 835 ZPO) lassen hat, die Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis entgegenhalten (§ 404 BGB), die in einem Deckungsstreit mit dem Dritten abschließend geklärt werden. Gleiches gilt, wenn der Dritte vom VR die Freigabe einer zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil hinterlegten Sicherheit verlangt.55 Betreibt der Dritte die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des VN und verlangt der VN vom VR Maßnahmen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, müssen Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis in einem Deckungsstreit zwischen VN und VR geklärt werden. Behauptet der Dritte einen Sachverhalt, bei dem ein Ausschlusstatbestand eingreift, eine 21 den VR zur vollständigen Leistungskürzung berechtigende Obliegenheitsverletzung gegeben ist und/oder eine arglistige Täuschung vor Vertragsschluss vorliegt, muss der VR den Rechtsschutzanspruch des VN ebenfalls zunächst erfüllen, wenn der VN diesen Sachverhalt bestreitet.56 Behauptet der Anspruchssteller z.B. zur Begründung eines erhöhten Schmerzensgeldes eine vorsätzliche Schadenszufügung durch den VN, muss der VR im Fall des Bestreitens durch den VN
51 OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, VersR 2016 1427, 1431; a.A. OLG Düsseldorf 10.12.2021 – 4 U 252/20, BeckRS 2021 48922. 52 OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, VersR 2016 1427, 1431; vgl. auch BGH 27.5.2015 – IV ZR 292/13, RuS 2015 398 Rn. 48 f. (zum Haftpflichtversicherungsschutz in der Flusskaskoversicherung). 53 Vgl. Ramharter D&O-Versicherung (2018) 5/44. 54 OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, VersR 2016 1427, 1431. 55 A.A. OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 112 (im Falle einer fehlerhaften Einschätzung des Deckungspflicht, um die es hier jedoch nicht geht). 56 Vgl. OLG Frankfurt/M. 7.7.2021 – 7 U 19/21 RuS 2021 502, 505 f.; OLG Frankfurt/M. 17.3.2021 – 7 U 33/19, BeckRS 2021 21425; OLG Frankfurt/M. 11.12.2020 – 7 W 29/20, BeckRS 2020 48390 (zur D&O-Versicherung); für Rechtsschutzversicherung: BGH 31.3.2021 – IV ZR 221/19, VersR 2021 696 Rn. 40 ff.; vgl. aber auch BGH 22.5.2021 – IV ZR 324/ 19, BeckRS 2021 13204 Rn. 34 ff. (keine vorläufige Leistungspflicht des Rechtsschutz-VR, wenn die Parteien des Versicherungsvertrages darüber streiten, ob die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses, hier die Begehung einer vorsätzlichen Straftat durch den Versicherten vorliegen). 137
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Abwehrschutz leisten.57 Etwas anderes gilt dann, wenn auch unter Zugrundelegung des Vortrags des VN ein Ausschlusstatbestand eingreift. Ist der VR nur zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt, berührt das seine Rechtsschutzverpflichtung nicht (Rn. 82). 22 Nach Ansicht des OLG Hamm soll kein Anspruch auf Rechtsschutz bestehen, wenn unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers ein Ausschlusstatbestand eingreift, dessen Sinn und Zweck darin besteht, die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche auszuschließen.58 In dem Urteil des OLG Hamm vom 22.5.2017 ging es um den Ausschluss von Ansprüchen wegen Mietsachschäden infolge Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung in der Privathaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 5 BBR PHV Rn. 21 ff.). Der VN, der von seinem Vermieter beschuldigt wurde, die Wohnung beschädigt zu haben, machte geltend, es liege tatsächlich keine übermäßige Benutzung der Wohnung, sondern ein üblicher, vertragsgemäßer Gebrauch vor. Das OLG Hamm versagte dem VN den Versicherungsschutz mit der Begründung, dass der Mieter für die Abnutzung und den Verschleiß der Mietsache durch den vertragsgemäßen Gebrauch gem. § 538 BGB ohnehin nicht hafte und deshalb die ersten beiden Ausschlusstatbestände gerade den Ausschluss des Versicherungsschutzes für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche des Vermieters bezweckten.59 Dieses Urteil verdient Zustimmung. Die Einschränkung von Ziff. 5.1 AHB/§ 100 VVG durch die Ausschlussklausel lässt sich damit rechtfertigen, dass es sich bei der Deckung von Mietsachschäden um einen Wiedereinschluss handelt und ein berechtigtes Interesse des VR besteht, keine Abwehrdeckung leisten zu müssen, wenn der VN nur wegen Verschleiß oder Abnutzung in Anspruch genommen wird.60 Hätte der VN sich nicht mit dem Einwand verteidigt, dass lediglich Abnutzung und Verschleiß im Rahmen des üblichen Gebrauchs der Mietsache vorläge, sondern eine andere Schadensursache behauptet, hätte der VR Abwehrschutz leisten müssen. Stellt sich nach den im Prozess getroffenen Tatsachenfeststellungen heraus, dass der Aus23 schluss eingreift und/oder eine Obliegenheitsverletzung vorliegt, ist der VR gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB berechtigt, vom VN Ersatz der Kosten zu verlangen (Rn. 114).61 Insoweit ist der Hinweis geboten, dass der VR, der zunächst Rechtsschutz gewährt, sich in vollem Umfang auf Leistungsfreiheit berufen kann, wenn die Voraussetzungen des Ausschlusses erst später in einem Deckungsprozess festgestellt werden.62 Gleiches gilt, wenn es um eine Obliegenheitsverletzung geht. Zu Recht weist vor allem die obergerichtliche Judikatur darauf hin, dass der Haftpflichtprozess dem VR erst die Grundlage für die Prüfung seiner Einstandspflicht im Deckungsverhältnis geben solle und deshalb die Gewährung von Rechtsschutz für den Haftpflichtprozess weder zu einem Ausschluss von Einwendungen noch zu einem Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Frage der Zahlung an die Geschädigten führen könne.63 Die Aufnahme eines Vorbehalts der Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung ist somit grundsätzlich nicht erforderlich.64
57 A. A. OLG Nürnberg 11.4.2022 – 2 W 2855/20, VersR 2022 815 (zur Kfz-Haftpflichtversicherung) mit ablehnender Anmerkung Koch VersR 2022 939. OLG Hamm 22.5.2017 – 6 U 51/17, RuS 2017 632, 633; Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 46. OLG Hamm 22.5.2017 – 6 U 51/17, RuS 2017 632, 633. Schimikowski RuS 2017 633. OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, VersR 2016 1427, 1431. Vgl. OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, BeckRS 2008 02348; OLG Koblenz 6.4.1979 – 10 U 607/78, VersR 1979 830; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 17. 63 OLG Düsseldorf 12.7.2017 – 4 U 61/17, RuS 2018 193, 196; OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, VersR 2016 1427, 1431; OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, BeckRS 2008 02348; OLG Stuttgart 15.7.1999 – 7 U 266/98, NVersZ 2000 95; vgl. auch BGH 7.2.2007 – IV ZR 149/03, BGHZ 171 56 = VersR 2007 1116 Rn. 15; BGH 27.5.2015 – IV ZR 292/13, RuS 2015 398 Rn. 48 f. (zum Haftpflichtversicherungsschutz in der Flusskaskoversicherung). 64 Vgl. OLG Stuttgart 15.7.1999 – 7 U 266/98, NVersZ 2000 95; KG 2.3.1999 – 6 U 9481/97, RuS 2000 61, 62; OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178, 179 f.; Feist VersR 1978 27, jeweils zum Eingreifen von Ausschlüssen.
58 59 60 61 62
Koch
138
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Die Verpflichtung des VR zur (vorläufigen) Rechtsschutzgewährung besteht selbst in den 24 Fällen, in denen es um einen Ausschlusstatbestand geht, der mangels Voraussetzungsidentität von Haftung und Deckung (zu Einzelheiten vgl. Rn. 139 ff.) nicht mit bindender Wirkung für den VR vom Haftpflichtrichter festgestellt werden kann (z.B. Ausschluss vorsätzlicher Schadensherbeiführung) und folglich in einem Deckungsprozess geklärt werden muss, der dem Haftpflichtprozess nachfolgt. In diesen Fällen kann der VR seine Rechte durch einen Rückforderungsvorbehalt wahren, der nicht nur der Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses der Deckungspflicht, sondern auch dem Eingreifen eines Kondiktionsausschlusses nach § 814 BGB entgegensteht und zudem die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt.65 Behauptet der Dritte vorsätzliches Verhalten des VN und/oder stützt er seinen Anspruch auf Tatsachen, die auf eine vorsätzliche Schadensherbeiführung schließen lassen, muss der VR allerdings einen entsprechenden Vorbehalt aufnehmen. Leistet der VR in einem solchen Fall vorbehaltlos Abwehrschutz, liegt darin nämlich konkludent ein unwiderruflicher Verzicht auf die Geltendmachung von Ziff. 7.1 AHB/§ 103 VVG, der in seiner Reichweite freilich auf den Ersatz von Aufwendungen für die Anspruchsabwehr beschränkt ist.66 Vorstehendes gilt erst recht, wenn der VR auf die Rückforderung von Rechtsschutzkosten bis zur rechtskräftigen Feststellung der vorsätzlichen Schadensherbeiführung entweder im Haftungs- oder im Deckungsprozess verzichtet.
4. Inhalt des Anspruchs auf Haftpflichtversicherungsschutz Macht der Dritte einen in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallenden Haftpflicht- 25 anspruch geltend und bringt hierdurch den Anspruch des VN auf Haftpflichtversicherungsschutz zur Entstehung/Fälligkeit, stellt sich die Frage, ob dieser Anspruch auf Freistellung oder Abwehr gerichtet ist.
a) Verpflichtung des Versicherers zur Freistellung des VN von begründeten Haftpflichtansprüchen und zur Abwehr unbegründeter Haftpflichtansprüche aa) Einheitlicher Anspruch auf Befreiung von begründeten und unbegründeten Haft- 26 pflichtansprüchen. Ziff. 5.1. Satz 1 AHB bestimmt in Übereinstimmung mit § 100 VVG, dass der VR den VN von begründeten Ansprüchen Dritter freizustellen und unbegründete Ansprüche abzuwehren hat. Der so umschriebene, die Pflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage beinhaltende einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch ist somit nicht unmittelbar auf Zahlung gerichtet.67 Der VN kann Zahlung an sich nur unter der Voraussetzung verlangen, dass er selbst den Haftpflichtgläubiger mit bindender Wirkung für den VR befriedigt hat (vgl. § 106 Satz 2 VVG)(zur Konfusion s. unten Rn. 79), der Geschädigte die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen betreibt (Rn. 74) oder mit seiner unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Haftpflichtforderung aufrechnet (Rn. 73). Zahlung an den Geschädigten kann der VN erst dann verlangen, wenn der Anspruch des geschädigten Dritten mit bindender Wirkung für den VR festgestellt worden ist (vgl. § 106 Satz 1 VVG). Schließlich kann der Dritte Zahlung verlangen, wenn der VN den Freistellungsanspruch an ihn abgetreten hat (Rn. 69 f.), er den Anspruch des VN pfänden und sich überweisen lassen hat (Rn. 68) oder er infolge der Insolvenz ein gesetzliches Pfandrecht am Freistellungsan65 OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, VersR 2016 1427, 1431; OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, BeckRS 2008 02348; vgl. auch BGH 20.10.2005 – III ZR 37/05, NJW 2006 286, 288; BGH 8.6.1988 – IVb ZR 51/87, NJW 1989 161, 162 (nicht versicherungsrechtliche Fälle). 66 Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 46. 67 RG 7.2.1936 – VII 224/35, RGZ 150 227, 229; OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, VersR 2021 168, 169; zu abweichenden älteren Ansichten s. Nachw. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 33. 139
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
spruch erwirbt, das ihn nach §§ 1282 Abs. 1, 1228 Abs. 2, 1273 Abs. 2, 1257 BGB zur Einziehung berechtigt, ohne dass es einer Pfändung und Überweisung bedarf (vgl. Rn. 72).
bb) Ermessensentscheidung des Versicherers über Abwehr oder Freistellung (1) Ermessensrecht des Versicherers 27 (a) Pflichtgemäßes Ermessen. Der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch wird mit der Erhebung von Ansprüchen durch den geschädigten Dritten fällig (Rn. 1). Dem Wesen des Befreiungsanspruchs entsprechend steht es sodann im Ermessen des VR als Schuldner dieses Anspruchs, auf welche Weise er die Befreiung bewirkt. Besonders aufschlussreich ist diesbezüglich das Urteil des BGH vom 20.2.1956:68 „Wie der VR zur Erfüllung seiner Vertragspflicht die Ersatzansprüche des Dritten von dem Versicherten abwenden will, steht in seinem Ermessen. Er kann sie sofort anerkennen und befriedigen, er kann zunächst weitere Ermittlungen anstellen, mit dem Dritten verhandeln oder es schließlich auf einen Rechtsstreit ankommen lassen. Entschließt er sich aber dazu, die Ansprüche ganz oder teilweise zu bestreiten, so hat er alles zu tun, was zu ihrer Abwehr notwendig ist.“
28 Diese Begründung macht zunächst deutlich, dass der Anspruch auf Befreiung aus Ziff. 5.1 Satz 1 AHB weiter geht als die Befreiung von begründeten Ansprüchen Dritter nach § 257 BGB;69 sie vermittelt den Eindruck, als stünde es mehr oder weniger im Belieben des VR, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt er seine Entscheidung über Freistellung oder Anspruchsabwehr trifft.70 Dieser Eindruck täuscht jedoch. In einer späteren Entscheidung zur Kfz-Haftpflichtversicherung hat der BGH nämlich klargestellt, dass der VR nicht berechtigt ist, völlig beliebig zwischen Freistellung und Abwehr der geltend gemachten Ansprüche zu wählen:71 „Ob der VR freiwillig zahlt, oder ob er die Zahlung ablehnt und es darauf ankommen läßt, ob der geschädigte Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend macht, entscheidet er grundsätzlich nach seinem eigenen Ermessen. Diesem Ermessen sind lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden und wo diese deshalb die Rücksichtnahme des Versicherers verlangen. Das gilt beispielsweise dann, wenn ein Schadensfreiheitsrabatt des Versicherungsnehmers auf dem Spiele steht oder wenn über die Versicherungssumme hinausgehende Ansprüche des geschädigten Dritten durch das Verhalten des VR präjudiziert werden könnten …“ [Hervorhebung durch den Verfasser].
Das (Regulierungs-)Ermessen des VR wird mithin durch dessen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des VN beschränkt. Es besteht nur ein pflichtgemäßes Ermessen. Die Entscheidung des BGH hat durchweg Billigung in der Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Rechtsprechung gefunden.72 Die vom BGH aufgestellten Grundsätze sind jedoch nicht auf den Bereich der (obligatori29 schen) Kfz-Haftpflichtversicherung beschränkt, da das allgemeine Rücksichtnahmegebot 68 69 70 71
BGH 20.2.1956 – II ZR 53/55, NJW 1956 826, 827. Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 7. Vgl. auch BGH 4.12.1980 – IVa ZR 32/80, BGHZ 79 76, 78 = VersR 1981 173. BGH 20.11.1980 – IVa ZR 25/80, VersR 1981 180, 181; vgl. auch OLG Saarbrücken 29.6.2011 – 5 U 553/10-83, RuS 2012 71, 72; LG Düsseldorf 7.4.2006 – 22 S 422/05, SP 2007 191, 192; AG Düsseldorf 10.11.2010 – 38 C 7609/10, BeckRS 2011 20349. 72 Vgl. OLG Saarbücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, VersR 2021 168, 169; OLG Dresden 23.5.2017 – 4 U 1524/16, VersR 2017 1404, 1407; OLG Hamm 31.8.2005 – 20 W 28/05, NJW 2005 3077, 3078; OLG Frankfurt/M. 18.12.2002 – 7 U 54/ 02, VersR 2003 588; LG Köln 19.4.2011 – 11 S 289/09, BeckRS 2011 23745; LG Coburg 5.6.2009 – 32 S 15/09, BeckRS 2009 21933; LG Düsseldorf 27.6.2002 – 21 S 402/01, RuS 2004 406, 407; LG Köln 22.10.2003 – 20 S 8/03 (juris); AG Düsseldorf 10.11.2010 – 38 C 7609/10, BeckRS 2011 20349; AG Köln 3.3.2009 – 267 C 213/08, Schaden-Praxis 2009 302; AG Köln 28.1.2009 – 269 C 293/08, NJW-RR 2010 98, 99; AG Essen 2.5.2007 – 20 C 89/07, NJOZ 2007 2242, 2243. Koch
140
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
(§ 241 Abs. 2 BGB) in allen (auch freiwilligen) Haftpflichtversicherungssparten gilt.73 Der VR hat sein Vorgehen an einer Abwägung seiner eigenen Interessen mit denen des VN auszurichten. Für die Beurteilung der Pflichtgemäßheit der Ermessensausübung ist nicht das Verhältnis zwischen Geschädigtem und VN, sondern das Versicherungsvertragsverhältnis zwischen VN und VR maßgeblich.74 Keine Zustimmung verdienen deshalb Stimmen in der Literatur, die aus dem Rücksichtnahmegebot herleiten, dass der VR verpflichtet sei, in seine Ermessensentscheidung die Interessen des VN an der Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen zum Anspruchssteller einzubeziehen (Rn. 43).75 Ebenso wenig trifft den VR ein Rücksichtnahmegebot gegenüber dem Geschädigten.76 Verzögert der VR die Regulierung und erhöht der Haftpflichtrichter deshalb das Schmerzensgeld (Einleitung Rn. 46), verletzt der VR nur seine Rücksichtnahmepflichten im Verhältnis zum VN.
(b) Abweichende Ansichten in der Literatur. Lücke77 und v. Rintelen78 vertreten unter Hin- 30 weis auf den Wortlaut, den Sinn und Zweck des nach Ziff. 5.1 Satz 1 AHB/§ 100 VVG eingeräumten Ermessens sowie die Gesetzesbegründung zu § 149 a.F. die Ansicht, dem VR werde kein Ermessen zwischen Anspruchsabwehr und -befriedigung eingeräumt. Nach Lücke stellt jede falsche Entscheidung – und nicht nur ein Ermessensfehlgebrauch – objektiv einen Pflichtenverstoß dar. Der VR dürfe nicht in der Hoffnung auf einen günstigen Vergleich oder in der oft berechtigten Erwartung, dass der Geschädigte einen Prozess nicht durchstehen werde, berechtigte Ansprüche abwehren, auch dann nicht, wenn Interessen des VN, die über die dem VR ohnehin obliegende Abwicklung des Versicherungsfalles hinausgehen (z.B. bei Verkäufer- oder Kundenbeziehungen, bei gesellschaftlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen, bei Selbstbehalt, Überschreitung der Deckungssumme oder teilweiser Leistungsfreiheit), nicht berührt würden.79 v. Rintelen hebt hervor, dass beide Leistungsalternativen erstens an unterschiedliche objek- 31 tive Sachverhalte (begründet/unbegründet) geknüpft seien.80 Die Entscheidung des VR zwischen Anspruchsabwehr und Freistellung habe mit einem Wahlrecht i.S.d. § 262 BGB, das ein frei ausübbares Gestaltungsrecht ist, daher nichts zu tun. Ihm werde lediglich „ein tatbestandliches oder kognitives Ermessen in Bezug auf die Einschätzung der Begründetheit/Unbegründetheit eingeräumt, nicht aber ein (Rechtsfolge-)Ermessen, bei einem begründeten Anspruch auch Anspruchsabwehr zu wählen“.81 Das in Ziff. 5.1 Satz 1 AHB/§ 100 VVG statuierte Ermessen des VR diene zweitens dazu, den tatsächlichen Schwierigkeiten des VR Rechnung zu tragen, bei der Anspruchsprüfung die Un-/Begründetheit des Anspruchs häufig nicht abschließend beurteilen 73 Vgl. OLG Düsseldorf 13.12.2019 – 4 U 23/18, VersR 2020 683, 686; OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 483; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, RuS 2017 138, 142; OLG Saarbrücken 29.6.2011 – 5 U 553/10-83, RuS 2012 71, 72; OLG Frankfurt 18.12.2002 – 7 U 54/02, VersR 2003 588; OLG Karlsruhe 25.6.1992 – 12 U 7/92, VersR 1993 1390; LG Köln 2.11.2011 – 20 O 143/11, RuS 2012 239, 240; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 5, 20; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Ziff. 5 Rn. 5; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 3 AHB Rn. 2; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 8; Späte § 3 AHB Rn. 21; Baumann VersR 2010 984 f.; Kramer RuS 2008 1, 5; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 100 VVG Rn. 5; wohl auch Armbrüster RuS 2010 441, 443; MAH VersR/Kummer § 12 Rn. 167; weiter gehend Lange VersR 2008 713 Fn. 16(freies Ermessen). 74 Vgl. auch Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen § 10 AKB Rn. 89; Kröger VersR 2013 139, 142 f. (für die Kfz-Haftpflichtversicherung). 75 Kramer RuS 2008 1, 5; wohl auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 4. 76 Vgl. OLG Dresden 23.5.2017 – 4 U 1524/16, VersR 2017 1404, 1407. 77 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 2 und AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 2; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB Ziff. 5 Rn. 1. 78 v. Rintelen RuS 2010 133, 136 f. 79 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 2. 80 v. Rintelen RuS 2010 133, 136 f. 81 v. Rintelen RuS 2010 133, 137. 141
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
zu können. Gemessen an diesem Zweck habe der VR den Haftpflichtanspruch grundsätzlich zu befriedigen, wenn dieser offensichtlich begründet sei.82 Drittens verweist v. Rintelen auf die Gesetzesbegründung zu § 149 VVG a.F. Dort wird zu den Pflichten des VR u.a. angeführt:83 „In allen Fällen, in welchen der erhobene Anspruch ohne weiteres als begründet erscheint, kann die Aufgabe des Haftpflichtversicherers nur in dem Ersatze der dem Dritten geschuldeten Leistung, nicht aber in Maßnahmen zur Abwehr des Anspruchs bestehen. Es würde dem Zweck der Versicherung und zugleich der Billigkeit und dem allgemeinen Rechtsgefühle widersprechen, wenn der VR auch in solchen Fällen einen Rechtsanspruch nur unter der Voraussetzung der vorgängigen Führung eines Prozesses mit dem Dritten hätte.“
32 (c) Stellungnahme. v. Rintelen ist zuzugeben, dass die Prüfung der Begründetheit des Haftpflichtanspruchs nicht dem Handlungs-, sondern dem Erkenntnisbereich zuzuordnen ist. Auch finden die bürgerlich-rechtlichen Regelungen der §§ 262 ff. BGB keine Anwendung auf das Wahlrecht des VR. Der Grund hierfür liegt jedoch allein darin, dass die Ansprüche auf Anspruchsabwehr und Freistellung gerade nicht in einem echten Alternativverhältnis stehen, da der VR neben der Abwehr auch Freistellung schuldet, nämlich wenn der Anspruch nach vergeblichen Abwehrbemühungen mit für ihn bindender Wirkung festgestellt worden ist. In letzter Konsequenz bedeutete der Ansatz Lückes und v. Rintelens, dass dem VN bei offensichtlich begründeten Haftpflichtansprüchen ein Anspruch auf Befriedigung aus Ziff. 5.1 Satz 1 AHB zugebilligt werden müsste, ohne dass sich der Freistellungsanspruch zuvor in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat.84 Zahlung an sich kann der VN jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 106 Satz 2 VVG sowie im Fall der Zwangsvollstreckung des Dritten in sein Vermögen verlangen (Rn. 74). Zahlung an den Dritten kann der VN nur unter den Voraussetzungen des § 106 Satz 1 VVG verlangen. v. Rintelens Ansatz ist auch nicht in Einklang mit der zuvor aufgezeigten Rechtsprechung zu bringen, da eine Berücksichtigung der wechselseitigen berechtigten Interessen von VN und VR dogmatisch nur auf der Ebene des Handlungsbereichs möglich ist.85 Soweit Lücke sich gegen ein pflichtgemäßes Ermessen mit der Begründung ausspricht, der VR dürfe insbesondere nicht, in der Hoffnung auf einen günstigen Vergleich oder in der oft berechtigten Erwartung, dass der Geschädigte einen Prozess nicht durchstehen werde, berechtigte Ansprüche abwehren,86 übersieht er, dass dieser Gesichtspunkt für die Beurteilung der Pflichtgemäßheit unberücksichtigt bleiben muss, weil es nur auf das Versicherungsvertragsverhältnis ankommt. Es gilt ferner zu beachten, dass es keine Frage der materiellen Wahrheit ist, ob ein An33 spruch begründet ist.87 Letzteres hängt bis zur Entscheidung durch rechtskräftiges Urteil im Haftpflichtprozess, Vergleich oder Anerkenntnis vielmehr von der rechtlichen Bewertung des VR ab, die wiederum infolge einer zwischenzeitlichen Veränderung der Rechtslage oder der Beweis- und Tatsachenlage seit Anzeige des Versicherungsfalls Änderungen unterworfen sein kann.88 Selbst bei umfänglicher Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der VR die Erfolgsaussichten des Haftpflichtanspruchs dem Grunde und der Höhe nach nur selten abschließend beurteilen können. Hinzu kommt, dass es in gleicher Weise wie bei der Prognose über die Begründetheit eines Schadensersatzanspruchs bei der Abwägung der Gründe, die für oder gegen dessen Befriedigung oder Abwehr sprechen, sog. „Grauzonen“ gibt, in denen sachlich zwingende Entscheidungen nach der einen oder der anderen Richtung nicht ohne weiteres möglich sind. Die 82 83 84 85 86 87 88
v. Rintelen RuS 2010 133, 136 f. Motive 204. Vgl. auch OLG Brandenburg 21.4.2021 – 11 U 43/20 (juris); LG Köln 2.11.2011 – 20 O 143/11, RuS 2012 239, 240. Vgl. auch OLG Brandenburg 21.4.2021 – 11 U 43/20 (juris). Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 2. So aber offenbar Kramer RuS 2008 1, 2. Vgl. OLG Brandenburg 21.4.2021 – 11 U 43/20 (juris); OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 111.
Koch
142
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
besseren Argumente sprechen deshalb dafür, dem VR, soweit und solange sich der Anspruch des VN noch nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, ein (Handlungs-/Rechtsfolgen-)Ermessen hinsichtlich der Wahl zwischen Anspruchsabwehr und -befriedigung zuzubilligen, dessen pflichtgemäße Ausübung zu einer Ermessensreduzierung (auf Null) führen kann. Übt der VR sein Ermessen fehlerhaft aus, kommt eine Haftung des VR gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.
(2) Bestimmung des pflichtgemäßen Ermessens. Welche Anforderungen an eine pflichtge- 34 mäße Ermessensausübung zu stellen sind, ist eine bislang nicht abschließend geklärte Frage. Die hierzu vornehmlich zur Kfz-Haftpflichtversicherung ergangene und von der einschlägigen Literatur89 zustimmend zur Kenntnis genommene Rechtsprechung lässt sich dahin gehend zusammenfassen, dass dem VR ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt wird, bei dem er sich auch von wirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen darf (Kosten, absolute Höhe des Anspruchs). Der VR darf die Haftungslage pauschal beurteilen und sich zeitraubende und aufwendige Ermittlungen ersparen, wenn diese außer Verhältnis zum geltend gemachten Schadensumfang stehen.90 Ermessensfehlerhaft ist eine Schadensregulierung, wenn die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet sind.91 Ferner ist ein Verstoß gegen das pflichtgemäße Ermessen bejaht worden bei fragwürdiger Schadensschilderung des Geschädigten, bei Bestreiten jeglicher Schadensverursachung durch den VN, bei einer möglichen Schadensverursachung durch ein anderes Kfz kurz vor dem Schadensereignis, bei Fehlen von Zeugen für den Schadenshergang sowie bei fehlender Beschädigung des Fahrzeugs des VN.92 Kein Verstoß gegen das pflichtgemäße Ermessen liegt vor, wenn der VR auf der Grundlage der Bußgeldakte den Schaden reguliert93 oder der VR aufgrund des polizeilichen Unfallberichts davon ausgehen darf, dass die Forderung des Geschädigten berechtigt ist.94 Auf einen Rechtsstreit mit dem Unfallgegner (allein gestützt auf die Ehefrau des VN als Zeugin) braucht sich der VR nicht einzulassen.95
(a) Offensichtlich berechtigte Haftpflichtansprüche. Die für die Kfz-Haftpflichtversiche- 35 rung angestellten wirtschaftlichen Überlegungen zur Bestimmung des pflichtgemäßen Ermessens sind nicht auf diese Versicherungssparte beschränkt. Dogmatisch hat sich eine Konkretisierung zunächst an Ziff. 5.1 Satz 1 AHB zu orientieren, da sich eine pflichtgemäße Ermessensausübung im Ausgangspunkt an dem Zweck der Ermächtigungsregelung zu orientieren hat.96 Daneben ist das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 241 Abs. 2 BGB zu beachten. Sowohl nach dem Zweck von Ziff. 5.1 Satz 1 AHB als auch nach dem Rücksichtnahmegebot ist allein die Befriedigung des geltend gemachten Haftpflichtanspruchs ermessensgerecht, soweit er offensichtlich be89 Prölss/Martin/Klimke AKB 2015 Abs. A_1_1 A.1.1 Rn. 35 ff.; Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen § 10 AKB Rn. 89 ff.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Heß/Höke § 36 Rn. 35 ff.
90 Vgl. nur LG Duisburg 4.11.1986 – 5 S 133/86, VersR 1987 1004; LG Weiden 19.1.1982 – 2 S 698/81, zfs 1983 53; AG Dortmund 8.1.2002 – 123 C 10526/01, SP 2002 399; AG Frankfurt/M. 25.2.1999 – 31 C 2858/98, DAR 1999 554; AG Köln 15.6.1984 – 266 C 404/83, VersR 1984 835. 91 Z.B. LG Düsseldorf 7.4.2006 – 22 S 422/05, Schaden-Praxis 2007 191; LG Mönchengladbach 17.4.1998 – 2 S 29/ 98, RuS 1998 271; AG Düsseldorf 7.4.2009 – 48 C 7891/08, SP 2009 374, 375; AG Essen 2.5.2007 – 20 C 89/07, NJOZ 2007 2242, 2243; AG Köln 10.6.2003 – 264 C 376/02, SP 2004 350; AG Dortmund 8.1.2002 – 123 C 10526/01, SP 2002 399. 92 OLG Köln 19.3.1992 – 5 U 100/91, RuS 1992 261. 93 Vgl. OLG Rostock 9.1.2001 – 1 W 338/98, MDR 2001 935 f.; LG Halle 14.9.2009 – 1 T 55/09, BeckRS 2010 00010; LG Köln 11.2.1981 – 19 S 217/80, VersR 1981 1124; AG Hamburg-Altona 31.1.1980 – 317 C 449/79, VersR 1980 738. 94 AG Hannover 31.7.1986 – 508 C 3078/86, VersR 1987 277. 95 LG Frankfurt 25.1.1989 – 2/1 S 150/88, RuS 1989 174. 96 v. Rintelen RuS 2010 133, 137. 143
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
rechtigt ist (Ermessensreduzierung auf Null).97 Übersteigt der offensichtlich berechtigte Haftpflichtanspruch die Versicherungssumme, mag zwar ein Interesse des VN daran bestehen, dass der VR sich zunächst auf den Standpunkt stellt, der Anspruch sei unbegründet, um den Dritten zu einem Nachgeben zu veranlassen. Jedoch ist dem VR die nach Ziff. 6.5 AHB vorgesehene zusätzliche Tragung der Abwehrkosten nicht zumutbar. Hierbei ist zu beachten, dass § 241 Abs. 2 BGB eine wechselseitige Rücksichtnahme auf die Interessen der jeweils anderen Vertragspartei verlangt. Auf Seiten des VR spielt nicht nur sein eigenes wirtschaftliches Interesse eine Rolle, sondern auch das der von ihm organisierten Versichertengemeinschaft. 36 Zu beachten ist, dass der VR nicht mehr ex lege verpflichtet ist, den VN vor einer Zahlung an den Dritten oder dessen sonstiger Befriedigung zu unterrichten. Die entsprechende Regelung des § 156 Abs. 2 VVG a.F. hat der Gesetzgeber mit der Begründung gestrichen, die dort geregelten Voraussetzungen für die Leistung des VR an den geschädigten Dritten widersprächen dem neuen § 100 VVG. Soweit es um die Benachrichtigungspflicht geht, ist ein Widerspruch indes nicht zu erkennen. Durch die Benachrichtigungspflicht sollte der VN vor Vermögensnachteilen bewahrt werden, die aus einer Leistung des VR an den Dritten entstehen können. Da auch nach der Reform ein Schutzbedürfnis des VN besteht, ist diese Verpflichtung nunmehr aus § 241 Abs. 2 BGB herzuleiten.98 37 Nachteile können dem VN in den Fällen entstehen, in denen er mit einer eigenen Gegenforderung gegen den Haftpflichtanspruch des Dritten aufrechnen könnte. Befriedigt der VR den Dritten, bevor der VN die Aufrechnung erklärt, besteht für den VN das Risiko, dass er seine Forderung gegen den Dritten nicht mehr realisieren kann.99 Die Rücksichtnahme auf die Interessen des VN gebietet dem VR deshalb, dem VN vor der Regulierung des Schadens die Möglichkeit zu geben, darauf hinzuweisen, dass der Anspruch bereits teilweise erfüllt ist, oder ihm Gelegenheit zu geben, von einer bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit noch Gebrauch zu machen. Der VR muss mit der Regulierung des Schadens einen angemessenen Zeitraum zuwarten, damit der VN sein Vorgehen überlegen und gegebenenfalls die Aufrechnung erklären oder ein Zurückbehaltungsrecht erheben kann.100 Erklärt der VN sich nicht oder bringt er vom VR angeforderte Unterlagen nicht innerhalb angemessener Frist bei, kann der VR gegenüber dem Geschädigten regulieren, ohne dass er Rechtsnachteile im Verhältnis zum VN zu befürchten hat.101 Er verstößt nicht gegen das Rücksichtnahmegebot und macht sich deshalb nicht schadensersatzpflichtig.102 Unter Umständen muss der VR aber nachfragen, weshalb der VN angeforderte Unterlagen noch nicht vorgelegt hat.103 38 Da nach § 767 Abs. 2 ZPO eine Aufrechnung gegen den gerichtlich festgestellten Haftpflichtanspruch mit einer schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden Gegenforderung nicht zulässig ist,104 ist der VR verpflichtet, im Prozess auf Verlangen des VN mit dessen Gegenforderungen hilfsweise aufzurechnen.105 Allerdings sei der VR nicht dazu verpflichtet, sich bei dem VN nach solchen Gegenforderungen zu erkundigen. Ein VN, der sich während des Prozesses nicht um die Durchsetzung seiner Gegenforderung durch Unterrichtung des VR kümmere, habe sich die verpasste Aufrechnungsmöglichkeit selbst zuzuschreiben.106
97 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 37; Kramer RuS 2008 1, 5. 98 Vgl. auch Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 33. 99 Vgl. Motive 211; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 280. 100 Prölss/Martin/Lücke § 108 VVG Rn. 7. 101 Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 33. 102 OLG Celle 4.1.1985 – 8 U 44/84, VersR 1985 1129 f. 103 Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 33. 104 BGH 16.2.1961 – VII ZR 191/59, BGHZ 34 274, 278 = NJW 1961 1067; BGH 11.4.1957 – VII ZR 212/56, BGHZ 24 97, 98 = NJW 1957 986.
105 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 278. 106 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 15. Koch
144
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
(b) Offensichtlich unberechtigte Haftpflichtansprüche. Haftpflichtansprüche, die dem 39 Grunde oder der Höhe nach offensichtlich unberechtigt sind, hat der VR grundsätzlich abzuwehren. Selbst wenn klar ist, dass die Kosten der Anspruchsabwehr für sich allein genommen die Versicherungssumme überschreiten, ist der VR nicht berechtigt, den Haftpflichtanspruch in Ausübung seiner ihm nach dem Versicherungsvertrag zustehenden Regulierungsvollmacht anzuerkennen und den Haftpflichtanspruch in Höhe der Versicherungssumme zu befriedigen, um sich auf diese Weise nach Art eines Abandons von seiner Rechtsschutzverpflichtung zu befreien.107 Die dahin gehende Ermessensreduzierung folgt vor allem daraus, dass jede Entschädigungsleistung die pro Versicherungsjahr für weitere Versicherungsfälle zur Verfügung stehende Versicherungssumme reduziert. Realisiert der geschädigte Dritte seinen unbegründeten Haftpflichtanspruch, indem er sich 40 aus dem Vermögen des VN gegen dessen Willen z.B. durch Aufrechnung, Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts oder Wegnahme eines dem VN gehörenden Gegenstands befriedigt, ist das Handlungsermessen des VR innerhalb der zuvor beschriebenen Grenzen dahin gehend reduziert, dass er auf sein Kostenrisiko im Namen des VN Klage auf Herausgabe des Gegenstandes erhebt oder dessen Forderung klageweise gegen den Dritten geltend macht.108 In diesem Haftpflichtprozess mit vertauschten Rollen wird dann die Frage geklärt, ob und in welchem Umfang der Anspruch des geschädigten Dritten begründet ist oder nicht (vgl. Rn. 60 und 66). Wird die Herausgabeklage abgewiesen, muss der VR dem VN den objektiven Wert des Gegenstandes bis zur Höhe der Versicherungssumme ersetzen. War die zur Aufrechnung gestellte Forderung begründet, muss der VR dem VN den Betrag der durch die Aufrechnung erloschenen Forderung erstatten und die Prozesskosten tragen. Verzichtet der VR im Falle der Aufrechnung auf die Führung eines Prozesses für seinen 41 VN gegen den Dritten, weil er glaubt, den Betrag vom geschädigten Dritten aus Rechtsgründen oder wegen dessen Vermögenslage nicht erhalten zu können, muss er sich so behandeln lassen, als ob er dessen Schadensersatzanspruch anerkannt hätte.109 Der VR hat dem VN den entsprechenden Betrag zu erstatten. Hiervon will Späte eine Ausnahme für den Fall machen, dass sich der Anspruch des VN aufgrund der Vermögenslage des Dritten nicht hätte realisieren lassen. In diesem Fall könne der VR sich auf den Standpunkt stellen, dass er zwar den Schadensersatzanspruch nicht anerkenne, einen Rechtsstreit wegen des aufgerechneten Betrags gegenüber dem Dritten aber nicht führen wolle, weil dieser in Wirklichkeit wertlos sei. Ob diese Ansicht des VR berechtigt sei, müsse notfalls in einem Deckungsprozess zwischen VN und VR geklärt werden.110 Hiergegen lässt sich anführen, dass sich die Frage, ob und inwieweit das Aktivvermögen des Dritten zur Befriedigung der offenen Forderung des VN ausreicht, außerhalb eines Insolvenzverfahrens nur durch ein Vermögensverzeichnis feststellen lässt, zu dessen Erteilung der Dritte erst nach erfolgloser Zwangsvollstreckung verpflichtet ist (vgl. § 807 ZPO). Dies spricht dafür, den VR, der sich auf die Vermögenslosigkeit des Dritten beruft, als zu einem Aktivprozess verpflichtet anzusehen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er sich nicht auf die Vermögenslosigkeit des Dritten berufen.
(c) Zweifelsfälle. Nur in seltenen Fällen wird ein Haftpflichtanspruch sowohl dem Grunde als 42 auch der Höhe nach offensichtlich begründet sein. Hält der VR den Rechtsstandpunkt des Dritten aufgrund dessen Sachverhaltsschilderung und der Auskünfte des VN zumindest für vertretbar und ist er in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt, darf er den Anspruch befriedigen. Er kann es aber auch auf einen Prozess ankommen lassen. Soweit die Kosten 107 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 85. 108 Vgl. OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 36. 109 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 17. 110 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 16 und zuvor Späte § 3 AHB Rn. 29. 145
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
der Anspruchsabwehr auf die Versicherungssumme angerechnet werden, hat der VR diesen Umstand aus den zuvor angemerkten Gründen allerdings mitzuberücksichtigen. Hält der VR den Rechtsstandpunkt nicht für vertretbar und/oder ist er in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung nicht überzeugt, muss er zunächst versuchen, den Anspruch abzuwehren. Die Tatsache, dass die Befriedigung von Ansprüchen die zur Verfügung stehende Versicherungssumme für weitere Versicherungsfälle reduziert, wirkt aber auch hier ermessensreduzierend. 43 Wie bereits festgestellt (Rn. 29), ist das wechselseitig bestehende Rücksichtnahmegebot aus § 241 Abs. 2 BGB auf das jeweilige Schuldverhältnis begrenzt. Dies bedeutet, dass nur solche Interessen des VN zu berücksichtigen sind, die ihn in seiner Eigenschaft als Partei des Versicherungsvertragsverhältnisses betreffen und nicht aus anderen Rechtsverhältnissen resultieren.111 Der Verlust des Schadenfreiheitsrabatts betrifft den VN als Partei des Versicherungsvertrages ebenso wie Erklärungen des VR, die den VN aufgrund rechtsgeschäftlich erteilter (Regulierungs-)Vollmacht oder kraft Gesetzes binden, nicht hingegen der Verlust von Geschäftsbeziehungen mit Dritten. Abzulehnen ist deshalb die Ansicht, die das Interesse des VN an der Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen zum Anspruchssteller im Rahmen der Ermessensausübung einbeziehen will.112 Auf der anderen Seite ist der VR nicht berechtigt, ohne Einwilligung des VN ein über den Umfang der Versicherungssumme hinausgehendes Schadensanerkenntnis abzugeben oder einen darüber hinausgehenden Vergleich zu schließen.
44 (3) Prüfung der Haftpflicht des VN. Um sein Ermessen pflichtgemäß ausüben zu können, muss der VR vorab die Haftpflichtfrage prüfen.113 Dabei ist der VR gehalten, sich auf Grundlage der Behauptungen des Dritten und des Vorbringens des VN (§ 31 VVG) ein umfassendes Bild über die tatsächlichen Umstände zu verschaffen, aus denen die Ansprüche hergeleitet werden, die Rechtslage sorgfältig zu prüfen und die Aussichten für eine Abwehr der Ansprüche nach Grund und Höhe möglichst zuverlässig einzuschätzen.114 Da juristische Anspruchsprüfungen nicht der Stringenz mathematischer Problemlösungen folgen,115 kann auf einen – begrenzten – Beurteilungsspielraum für den VR nicht verzichtet werden. Dieser kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die Klärung von Beweisfragen nicht hinreichend prognostizierbar ist oder bei Rechtsfragen im Wesentlichen gleichgewichtige entgegengesetzte Auffassungen einander gegenüberstehen. Hält sich die Prognose des VR innerhalb eines solchen Beurteilungsspielraums, ist sie nicht zu beanstanden. 45 Für die zu der gebotenen Prüfung nötigen Erhebungen steht dem VR eine angemessene Zeit zur Verfügung. Am Ende der Prüfung steht die Entscheidung des VR, ob und in welchem Umfang er sich gegenüber seinem VN für eintrittspflichtig hält, was er diesem mitzuteilen hat.116 Der VR hat grundsätzlich das Recht, die polizeilichen Ermittlungsakten vor seiner Entscheidung einzusehen. Er muss sich nicht auf die Angaben seines VN oder des Geschädigten verlassen, sondern ist im Interesse der Versichertengemeinschaft gehalten zu prüfen, ob und inwieweit er zur Zahlung verpflichtet ist.117 Aus der Prüfung der Berechtigung des erhobenen Haftpflichtanspruchs lässt sich deshalb keine Anerkennung seiner Deckungspflicht herleiten.118
111 112 113 114 115 116 117
Vgl. Staudinger/Olzen (2019) § 241 Rn. 422. So aber Kramer RuS 2008 1, 5; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 4. BGH 20.11.1980 – IVa ZR 25/80, VersR 1981 180, 181. BGH 20.11.1980 – IVa ZR 25/80, VersR 1981 180, 181. Götz NJW 1997 3275, 3276. OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 110; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 4. OLG Rostock 9.1.2001 – 1 W 338/98, MDR 2001 935 f.; OLG Bamberg 6.12.1988 – 5 U 32/88, RuS 1990 86; OLG Nürnberg 30.1.1976 – 7 W 62/75, VersR 1976 1052; LG Köln 19.4.2011 – 11 S 289/09, BeckRS 2011 23745; LG Halle 14.9.2009 – 1 T 55/09, BeckRS 2010 00010; LG Düsseldorf 7.4.2006 – 22 S 422/05, SP 2007 191, 192. 118 BGH 9.3.1961 – II ZR 247/58, VersR 1961 399; OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, BeckRS 2008 02348; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 6; Späte § 3 AHB Rn. 25; Littbarski § 3 AHB Rn. 70. Koch
146
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Bei vorzeitiger Erhebung der Deckungsklage und sofortigem Anerkenntnis treffen den VN die Prozesskosten (§ 93 ZPO).119 Versucht der VR ohne angemessene Prüfung der Haftpflichtfrage die Ansprüche abzu- 46 wehren oder befriedigt er sie gewissermaßen „auf gut Glück“, verletzt er seine Pflicht aus Ziff. 5.1 AHB und kann sich nach § 280 Abs. 1 BGB dem VN gegenüber schadensersatzpflichtig machen.120 Werden die Kosten der Abwehr – wie nach § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG vorgesehen – nicht auf die Versicherungssumme angerechnet, kommt ein Nachteil des VN jedoch nur insoweit in Betracht, als der Schaden sich vergrößern und ggf. die (noch zur Verfügung stehende) Jahresversicherungssumme überschreiten kann. In diesem Fall kann der VN vom VR verlangen, dass die Erhöhung nicht zur Reduktion der zur Verfügung stehenden Jahresversicherungssumme führt. Überschreitet der Schadensersatzanspruch die Jahresversicherungssumme, schuldet der VR den diese Summe übersteigenden Betrag als Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB. Ist der Haftpflichtanspruch unbegründet, steht dem VN die volle Versicherungssumme weiterhin zur Verfügung.121 Bleibt der VR einfach untätig, kommen auch Ansprüche aus Verzug in Betracht (Rn. 76).122 Ein Rückgriff auf § 241 Abs. 2 BGB ist in beiden Fällen nicht angezeigt, da es sich bei der Prüfung der Haftpflichtfrage um eine Hauptleistungspflicht des VR handelt (Rn. 1).
(4) Fehleinschätzungen. Erweist sich die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach Prüfung 47 der Haftpflichtfrage seitens des VR und darauf basierend die Entscheidung zur Abwehr oder Freistellung als falsch, muss der VR die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Konsequenzen tragen (Tragung der Abwehrkosten, Verbrauch der Versicherungssumme).123 Zu Recht weist das OLG Celle darauf hin, dass der VR die sich aus einer falschen Beurteilung ergebenden Konsequenzen, dass er nämlich Leistungen erbringt, zu denen er gar nicht verpflichtet ist, selbst trägt und er dies in die Berechnung der Versicherungsprämie für die Haftpflichtversicherung einfließen lässt.124 Soweit der VR seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten und/oder fehlerhaft von seinem Ermessen Gebrauch gemacht hat, liegt jedoch kein Pflichtverstoß vor, der den VN gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz (z.B. Wiederauffüllung der Versicherungssumme) berechtigt.125 Beruht die Fehleinschätzung auf einer Pflichtverletzung und führt die Fehleinschätzung 48 dazu, dass sich der Schadensersatzanspruch des Geschädigten erhöht, kann der VN vom VR verlangen, dass die Erhöhung nicht zur Reduktion der zur Verfügung stehenden Jahresversicherungssumme führt. Überschreitet der Schadensersatzanspruch infolge der Pflichtverletzung die Jahresversicherungssumme, schuldet der VR den diese Summe übersteigenden Betrag als Schadensersatz. Beispiel: Der VN hat eine Privathaftpflichtversicherung mit einer Jahresversicherungssumme über A 2,5 Mio. abgeschlossen. Infolge eines von ihm verursachten E-Bike-Unfalls erleidet ein 2-jähriges Kind schwere Verletzungen und Folgeschäden. Das mit der Haftung des VN befasste Gericht erhöht den Schmerzensgeldanspruch der Geschädigten um A 50.000 und verurteilt den VN zur Zahlung von A 2,5 Mio., weil der VR versuchte, die Geschädigte zum Abschluss eines Abfindungsvergleiches zu drängen. Verursacht der VN innerhalb der Versicherungsperiode einen weiteren Unfall, stehen ihm die A 50.000 weiterhin als Teil der (unverbrauchten) Versi-
119 120 121 122
OLG Bamberg 6.12.1988 – 5 U 32/88, RuS 1990 86, 87; OLG Nürnberg 30.1.1976 – 7 W 62/75, VersR 1976 1052. Vgl. Baumann VersR 2010 984, 986. Vgl. OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 111. Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 AHB § 3 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 13; Littbarski AHB § 3 Rn. 7070; s.a. LG Köln 10.1.1990 – 24 O 269/87, RuS 1991 410. 123 Vgl. OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 111; Terno RuS 2013 578, 580. 124 Vgl. OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 111. 125 Vgl. LG Köln 2.11.2011 – 20 O 143/11, RuS 2012 239, 240. 147
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
cherungssumme zur Verfügung. Verurteilt das Gericht den VN zur Zahlung von A 2,55 Mio., schuldet der VR dem VN den die Versicherungssumme übersteigenden Betrag als Schadensersatz.
49 cc) Ende des Ermessensrechts. Das Ermessensrecht des VR endet in dem Zeitpunkt, in dem ihm aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine wirksame Abwehr des Zugriffs des geschädigten Dritten in das Vermögen des VN unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Letzteres ist der Fall, wenn die Haftpflichtschuld endgültig durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist oder der VN zuvor den Anspruch des Dritten anerkannt oder den Dritten (z.B. durch Zahlung oder Aufrechnung) befriedigt hat, ohne dass es an dieser Stelle auf die Bindungswirkung eines Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleichs für den VR oder seine Zustimmung zur Befriedigung ankommt.126 Bindungswirkung und Zustimmung spielen nach Ziff. 5.1 Satz 3 und 4 AHB nur eine Rolle für die Fälligkeit und damit der Begründetheit des Freistellungs-/Zahlungsanspruchs des VN gegen den VR.127 50 Das Ermessensrecht des VR bleibt dagegen bestehen, wenn der Dritte seinen bestrittenen Haftpflichtanspruch durch Aufrechnung, Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts oder Wegnahme eines dem VN gehörenden Gegenstands realisiert.128 In diesen Konstellationen besteht die Abwehrpflicht des VR darin, auf sein Kostenrisiko im Namen des VN dessen Forderung klageweise gegen den geschädigten Dritten geltend zu machen oder klageweise Herausgabe des Gegenstands zu verlangen. Betreibt der Dritte aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Titel die Zwangsvollstreckung, ist der VR im Rahmen seiner Abwehrverpflichtung zur Sicherheitsleistung verpflichtet, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden. Ist dies aus prozessualen Gründen nicht möglich, etwa weil der Dritte seinerseits Sicherheit geleistet hat (§ 709 ZPO) oder nicht zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist (§§ 710, 720a ZPO), ist der VR zur Abwendung der Zwangsvollstreckung verpflichtet, Zahlung (unter Vorbehalt des Rechtskrafteintritts) an den Dritten zu leisten.129 51 Das Ermessensrecht des VR endet im Falle der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Geschädigten. Der VR als Freistellungsschuldner kann sein Ermessensrecht nämlich nur so lange ausüben, wie der VN sowohl Gläubiger des Rechtsschutz- als auch des Freistellungsanspruchs ist. Insoweit ist der Hinweis geboten, dass der Anspruch auf Abwehr beim VN verbleibt. Der VR kann deshalb nach seiner erfolglosen Inanspruchnahme durch den Dritten u.U. verpflichtet sein, dem sodann vom Dritten erneut in Anspruch genommenen VN Abwehrschutz zu leisten.130 Das Ermessensrecht des VR erlischt im Übrigen mit der Entscheidung, die Deckung abzulehnen. Mit Ablehnung des Deckungsschutzes lässt der VR dem VN konkludent freie Hand bei der Schadensregulierung.131
b) Konkretisierung des Haftpflichtversicherungsanspruchs 52 aa) Freistellung von begründeten Ansprüchen. Hat der VR sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums und Handlungsermessens dazu entschlossen, die gegnerische Haftpflichtforderung als begründet anzuerkennen, oder ist sie auf andere Weise gegenüber dem VR bindend i.S.d. Ziff. 5.1 Satz 4 AHB festgestellt, ist er dazu verpflichtet, den VN freizustellen. Wie er den 126 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 114. 127 Vgl. auch OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284; LG Ellwangen 14.3.2014 – 3 O 103/13, BeckRS 2014 7945. Vgl. Berliner Kommentar/Baumann § 154 Rn. 13 bezüglich der Aufrechnung. Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 62. Bruck/Möller/Koch § 108 VVG Rn. 68. BGH 7.2.2007 – IV ZR 149/03, BGHZ 171 56 = VersR 2007 1116 Rn. 15; vgl. auch BGH 27.5.2015 – IV ZR 292/13, RuS 2015 398 Rn. 48 f. (zum Haftpflichtversicherungsschutz in der Flusskaskoversicherung).
128 129 130 131
Koch
148
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
VN freistellt, bleibt grundsätzlich dem VR überlassen.132 In der Regel erfolgt die Freistellung durch Zahlung einer Geldsumme an den geschädigten Dritten. Die Zahlung erfolgt dabei nicht auf eigene Schuld, sondern auf die Schuld des VN. Denkbar sind auch ein Vergleich, ein Verzichtsvertrag oder eine befreiende Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB). Möglich ist auch die Freistellung des VN durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung.133 53 Dies hat jedoch zur Voraussetzung, dass der VR seine Forderung gegen den Dritten an den VN abgetreten hat,134 da sich der Haftpflichtanspruch des Dritten nicht gegen den VR richtet und der nach § 267 BGB leistende VR die Befriedigung des Dritten durch Aufrechnung mit einer eigenen Forderung nicht erreichen kann.135 Der VN darf sich gegen eine solche Abtretung zum Zwecke der Aufrechnung nicht sperren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er selbst mit eigenen Gegenforderungen aufrechnen könnte. In diesem Fall geht auch nach der Streichung von § 156 Abs. 2 VVG a.F. das Interesse des VN dem des VR vor, weil es dem VN nicht zum Nachteil gereichen darf, haftpflichtversichert zu sein. Dieser Gedanke, der in § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG seinen Ausdruck gefunden hat (sog. Differenztheorie oder Quotenvorrecht des VN),136 ist bei der nach § 241 Abs. 2 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen in der Weise zu berücksichtigen, dass der VR aus dem zufälligen Umstand, dass er auch eine Forderung gegen den geschädigten Dritten hat, keinen Vorteil im Verhältnis zu seinem VN genießen darf. Der VN ist nicht verpflichtet, seine Gegenforderung zur Aufrechnung zur Verfügung zu stellen.137 Demgegenüber ist der VR gehalten, den Aufrechnungswunsch seines VN immer dann zu berücksichtigen, wenn dieser ohne eine solche Aufrechnung seine Gegenforderung nicht realisieren könnte.138 Denkbar ist schließlich, dass der VR gegen den VN eine Forderung hat. Hier räumt § 35 VVG 54 dem VR ein Recht zur Aufrechnung mit ihm gegen den VN zustehenden Prämienforderungen oder sonstigen Ansprüchen aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag gegenüber dem geschädigten Dritten ein. Dieses Recht wird jedoch durch § 108 Abs. 1 VVG dahin gehend beschränkt, dass der VR nur mit Prämienforderungen aufrechnen darf, die vor dem Versicherungsfall fällig geworden sind.139 Das aus § 35 VVG resultierende Recht des VR zur Aufrechnung tritt insoweit nicht hinter dem Aufrechnungsrecht des VN zurück,140 da dem VN kein Nachteil droht. Unter Berücksichtigung des mit der Regelung des § 108 Abs. 1 VVG verbundenen Schutzes des Geschädigten muss diese Beschränkung auch für die Einrede des Zurückbehaltungsrechts durch den VR mit gegen den VN bestehenden Ansprüchen gelten. Anderenfalls würde die Auszahlung der Versicherungssumme an den Geschädigten von der Bereitschaft des VN zur Erfüllung der gegen ihn bestehenden Ansprüche des VR abhängig gemacht; zudem würde dadurch das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des VN auf den Geschädigten verlagert.141 Rechnet der Dritte mit seiner bestrittenen Schadensersatzforderung gegen eine berech- 55 tigte Forderung des VN auf und verzichtet der VR auf die Führung eines Aktivprozesses für den VN gegen den Dritten, wird der VR so behandelt, als ob er den Schadensersatzanspruch 132 Vgl. RG 27.5.1938 – VII 16/38, RGZ 158 9, 10; RG 28.1.1913 – I 395/12, RGZ 81 251; RG 5.2.1909 – VII 186/08, RGZ 70 257, 261.
133 Vgl. OLG Frankfurt/M. 15.8.2014 – 4 U 223/13, MDR 2014 1249. 134 Vgl. RG 24.2.1912 – I 49/11, RGZ 78 382, 384 (nicht versicherungsrechtliche Entscheidung), a.A. K. Sieg 193 f., der eine Zustimmung des VN genügen lässt.
135 RG 11.11.1927 – II 102/27, RGZ 119 1, 4; OLG Celle 17.7.2001 – 9 U 172/00, WM 2001 2444; Berliner Kommentar/ Baumann § 156 Rn. 37. 136 Vgl. BGH 25.11.2009 – XII ZR 211/08, RuS 2010 105 Rn. 14. 137 Ebenso Ruhkopf VersR 1961 99, 100; a.A. E. Prölss VersR 1954 1, 2; Schirmer Die Vertretungsmacht des Haftpflichtversicherers im Haftpflichtverhältnis (1969) 66 ff. 138 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 3. 139 BGH 8.4.1987 – IV a ZR 12/86, RuS 1987 219, 220 = VersR 1987 655; vgl. auch BGH 6.12.2000 – IV ZR 28/00, VersR 2001 235, 236; OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 394; Prölss/Martin/Lücke § 108 VVG Rn. 14. 140 A.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. V Anm. B 90. 141 OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 394. 149
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
anerkannt hätte. In diesem Fall wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch in der Person des VN um und der VR ist verpflichtet, den entsprechenden Betrag an den VN zu erstatten (vgl. § 106 Satz 2 VVG).142 Soweit Späte und ihm folgend Harsdorf-Gebhardt eine Ausnahme für den Fall machen wollen, dass sich der Anspruch des VN aufgrund der Vermögenslage des Dritten nicht hätte realisieren lassen, ist diese Ansicht abzulehnen.143 Sie lässt sich nicht mit der Rechtsschutzverpflichtung des VR in Einklang bringen. Falls die zur Aufrechnung gestellte Haftpflichtforderung nicht offensichtlich unberechtigt ist, muss der VR zunächst in einem Aktivprozess deren Berechtigung klären lassen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, hat er sich im Verhältnis zum VN so behandeln zu lassen, als ob der Dritte mit einer unbestrittenen Haftpflichtforderung aufgerechnet und hierdurch die Forderung des VN zum Erlöschen gebracht hat. Auf die Vermögenslosigkeit des Dritten kommt es in diesem Fall nicht an (Rn. 41). 56 Hat ein sonstiger Dritter mit Zustimmung des VR für den VN Zahlungen auf eine unter die Haftpflichtversicherung fallende Haftpflichtverbindlichkeit geleistet, so hat der VR den VN von den Ansprüchen, die der Dritte hieraus gegen den VN herleitet, in gleicher Weise freizustellen wie von der Haftpflichtschuld.144 Im Falle einer zu Unrecht an den Dritten erfolgten Zahlung hat der BGH mittlerweile 57 klargestellt, dass der Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht in der Person des VN, sondern in der des VR entsteht. Dieser leiste als Dritter i.S.v. § 267 BGB in Erfüllung seiner Freistellungspflicht gegenüber dem VN (hierzu näher Rn. 108 f.).145
bb) Abwehr unbegründeter Ansprüche 58 (1) Regelfall: Gewährung passiven Rechtsschutzes. Hat der VR sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums und Handlungsermessens dazu entschlossen, die gegnerische Haftpflichtforderung abzuwehren, hat er den VN in jeder Beziehung von der Last der unbegründeten Ansprüche zu befreien. Dieser Verpflichtung wird der VR im Allgemeinen dadurch gerecht, dass er für den VN den Haftpflichtprozess führt (vgl. Ziff. 5.2 Satz 2 AHB) und das damit verbundene Prozesskostenrisiko trägt (vgl. Ziff. 5.2 Satz 3 und Ziff. 6.5 AHB). Erweist sich dabei die Einschätzung des VR, dass die Ansprüche unbegründet seien, als unrichtig, so trägt der VR die Folgen. Fehleinschätzungen gehen somit zu seinen Lasten, soweit diese nicht aus falschen Angaben des VN resultieren. Er muss alsdann im Rahmen der Freistellungsvariante des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs die gerichtlich zuerkannten Beträge bezahlen. Dies gilt mit Rücksicht auf die Bindungswirkung der Entscheidung des Haftpflichtprozesses auch dann, wenn das rechtskräftige Urteil offensichtlich unrichtig ist (vgl. zur Bindungswirkung Rn. 132). Im Übrigen kann der VR seine Verpflichtung zur Gewährung passiven Rechtsschutzes auch dadurch erfüllen, dass er im Haftpflichtprozess – einschließlich des Kostenfestsetzungsverfahrens146 – die Rolle des Streithelfers übernimmt.147 Dies gilt allerdings nur für Rechtsstreitigkeiten, bei denen kein Anwaltszwang (§ 78 ZPO) besteht. Wird der VN vor einem Landgericht verklagt, muss der VR den geschuldeten Rechtsschutz durch einen für den VN bestellten Anwalt
142 143 144 145
Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 16. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 16 und Späte § 3 AHB Rn. 29. Vgl. BGH 26.11.1959 – II ZR 60/58, VersR 1960 73, 74; Späte § 3 AHB Rn. 29. BGH 29.2.2000 – VI ZR 47/99, RuS 2000 264; BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 69 = NJW 1991 919; zustimmend Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 204; Martinek JZ 1991 395 ff.; Wertheimer JuS 1992 284 ff.; Staudinger/S. Lorenz (2007) § 812 Rn. 44; ablehnend Canaris NJW 1992 868 ff.; Schnauder JuS 1994 542. 146 OLG Celle 30.11.2012 – 2 W 306/12, BeckRS 2012 25574. 147 Vgl. BGH 18.1.2022 – VI ZB 36/21, BeckRS 2022 1307 Rn. 11; BGH 15.9.2010 – IV ZR 107/09, RuS 2010 504 Rn. 16; BGH 9.3.1993 – VI ZR 249/92, RuS 1994 212 = VersR 1993 62; OLG Hamm 19.8.2019 – 8 W 6/19, RuS 2019 698, 699; OLG Hamm 29.4.1996 – 6 U 187/95, NJW-RR 1997 156; LG Bochum 1.10.2014 – 9 S 108/14, BeckRS 2015 602. Koch
150
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
erbringen. Der VR verstößt dagegen gröblichst gegen seine Pflicht zur Rechtsschutzgewährung, wenn er dem Rechtsstreit als Nebenintervenient aufseiten des Anspruchsstellers beitritt.148
(2) Ausnahme: Gewährung aktiven Rechtsschutzes (a) Ernsthafte Berühmung einer Haftpflichtforderung. Entschließt sich der geschädigte 59 Dritte nicht zur Haftpflichtklage, ist aber auch nicht bereit einzuräumen, dass ihm keine Haftpflichtforderung zustehe, stellt sich die Frage, ob die Abwehrverpflichtung so weit reicht, dass der VR ggf. eine negative Feststellungsklage im Namen des VN erheben muss. Nach hier vertretener Ansicht genügt die ernsthafte Berühmung für die Entstehung des Haftpflichtversicherungsanspruchs (Rn. 10). Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass der VR zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage verpflichtet ist, wenn ein Dritter sich eines Haftpflichtanspruchs gegen den VN berühmt. Zwar ist die ernsthafte Berühmung grundsätzlich geeignet, den Handlungsspielraum des VN zu beeinträchtigen, z.B. weil Mittel zur Befriedigung des angemaßten Anspruchs vorzuhalten sind.149 Soweit Versicherungsschutz besteht, ist jedoch zu beachten, dass eine etwa begründete Haftpflichtforderung vom VR zu bezahlen wäre, falls sich der Dritte später doch noch entschließt, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Der VN ist also in seinen Zukunftsdispositionen regelmäßig nicht beeinträchtigt. Etwas anderes mag gelten, wenn der geschädigte Dritte sich zwar nicht zu einer Klage entschließt, aber über den VN verbreitet, dieser erfülle „begründete“ Ansprüche nicht. Ob allein der Ruf des VN als Privatperson oder sein Ansehen als Geschäftsmann ein Vorgehen im Wege der negativen Feststellungsklage gebieten, ist jedoch sehr fraglich.150
(b) Aufrechnung mit Haftpflichtforderung (aa) Leistungsklage. Eine Pflicht des VR zum aktiven Handeln i.S.e. prozessualen Vorge- 60 hens gegen den geschädigten Dritten ergibt sich dann, wenn der geschädigte Dritte deshalb seine vermeintliche Haftpflichtforderung nicht prozessual geltend macht, weil er sich bereits selbst aus dem Vermögen des VN (zu Recht oder zu Unrecht) befriedigt hat. Der Hauptanwendungsfall ist hier der, dass der geschädigte Dritte mit dem Haftpflichtanspruch gegen eine Forderung des VN aufgerechnet hat. In einem derartigen Fall besteht, wenn der VR die Berechtigung der Aufrechnung in Zweifel zieht, eine Verpflichtung des VR zur Finanzierung einer nunmehr vom VN anzustrengenden Zahlungsklage. Der VR hat auch die Arbeitslast dieses Rechtsstreits zu tragen.151 Hat der Dritte eine dem VN gehörende Sache weggenommen, muss der VR die Herausgabeklage finanzieren. Wird die Zahlungsklage abgewiesen (= Unterliegen des VN), weil entgegen der Auffas- 61 sung des VR die gegnerische Haftpflichtforderung doch begründet war, so muss der VR nicht nur die gesamten Kosten des Prozesses tragen, sondern dem VN auch den Betrag seiner durch die Aufrechnung erloschenen Forderung ersetzen.152 Insoweit trägt der VR die volle Gefahr eines 148 OLG München 5.2.2009 – 1 U 1984/08, VersR 2009 822, 823; OLG Karlsruhe 18.11.2016 – 12 W 17/16, VersR 2017 187; a. A. OLG Nürnberg 11.4.2022 – 2 W 2855/20, VersR 2022 815 (zu einem Fall in der Kfz-Haftpflichtversicherung) mit ablehnender Anmerkung Koch VersR 2022 939. 149 Musielak/Foerste § 256 ZPO Rn. 9; vgl. auch BGH 4.5.2006 – IX ZR 189/03, NJW 2006 2780, 2781. 150 So Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5. 151 AllgM, vgl. OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284, 285; OLG Hamm 14.11.1975 – 20 U 126/75, VersR 1978 80, 81; LG Dortmund 27.1.2011 – 2 O 275/10, BeckRS 2011 03849; LG Berlin 12.11.1985 – 7 O 187/85, VersR 1987 578; LG Kiel 9.5.1962 – 8 S 21/62, VersR 1962 1075; vgl. auch ÖOGH 18.10.1979 – 7 Ob 45/79, VersR 1981 1064, 1065; OGH 27.11.1975 – 7 Ob 227/75, VersR 1976 1199, 1200; OGH 24.10.1974 – 7 Ob 187/74, VersR 1976 56; Berliner Kommentar/Baumann § 150 Rn. 12; Späte § 3 AHB Rn. 29; Littbarski AHB § 3 AHB Rn. 75. 152 LG Berlin 12.11.1985 – 7 O 187/85, VersR 1987 578, 579; Berliner Kommentar/Baumann § 150 Rn. 12; Schmalz Rn. 41; a.A. Prölss/Martin/Lücke § 101 VVG Rn. 7 (anteilige Kosten des Aktivprozesses des VN hat der VR nicht zu tragen). 151
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
von ihm eingeleiteten Abwehrversuchs und erst recht die Folgen seiner möglichen Untätigkeit.153 Wird die Klage abgewiesen, weil die Forderung des VN nicht besteht, hat der VN dem VR die Kosten des Verfahrens gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu erstatten. Da die Aufrechnung ins Leere ging und insoweit das Vermögen des VN unberührt ließ, bestand keine Pflicht zur Finanzierung einer Leistungsklage.154 Ein solcher Fall dürfte eher theoretischer Natur sein, da der Geschädigte mit seiner Haftpflichtforderung nicht gegen bestrittene Forderungen des VN aufrechnen wird. 62 Wird der Zahlungsklage stattgegeben (= Obsiegen des VN), weil die Haftpflichtforderung unbegründet war, stellt sich die Frage, ob der VR verpflichtet ist, die Forderung des VN zu erstatten, wenn dieser die Forderung gegen den Dritten wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Vermögenslosigkeit nicht mehr realisieren kann. Nach verbreiteter Ansicht im Schrifttum soll eine Erstattungspflicht des VR nur für den Fall bestehen, dass der VR im Verzug war, nicht dagegen bei zügiger Prozessführung.155 Dieser Ansicht ist im Grundsatz zuzustimmen. Nach der vertraglichen Risikoverteilung in der Haftpflichtversicherung trägt der VR das Risiko von Fehleinschätzungen, die er im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungs- und Handlungsspielraums getroffen hat, nur in Bezug auf die Un-/Begründetheit des Schadensersatzanspruchs. Er hat die Kosten eines vergeblichen Abwehrversuchs zu tragen, im Falle eines Aktivprozesses somit die Prozesskosten des VN. 63 Eine darüber hinaus gehende Pflicht zur Erstattung der Forderung des VN gegen den Dritten wegen dessen zwischenzeitlich eingetretener Vermögenslosigkeit kann sich nur unter dem Gesichtspunkt des Verzugs ergeben. Dies setzt freilich voraus, dass der VN die Forderung gegen den Dritten bei schnellerer Klageerhebung noch hätte realisieren können. Es geht also zum einen um die Frage der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens.156 Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der VR vor seiner Entscheidung nicht nur die Haftpflichtfrage prüfen muss, sondern auch berechtigt ist, die Begründetheit der Forderung des VN zu prüfen. Für letztere Prüfung bedarf es der Mitwirkung des VN. Für beide Prüfungen muss ihm ein angemessener Zeitraum zugebilligt werden, dessen Dauer sich nach dem Einzelfall richtet. Als maßgebliche Umstände sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Begründetheit beider Forderungen zu berücksichtigen. Erst nach Ablauf einer angemessenen Frist kommt der VR in Verzug.157
64 (bb) Feststellungsklage. Strittig ist, ob der VR seiner Rechtsschutzverpflichtung im Fall der Aufrechnung des Dritten schon dadurch genügt, dass er eine Feststellungsklage des Inhalts erhebt, dass durch die erklärte Aufrechnung die Forderung des VN nicht erloschen sei,158 oder aber, ob nur eine Zahlungsklage den Anforderungen gerecht wird.159 Die letztgenannte Auffassung verdient grundsätzlich den Vorzug, soweit die Forderung des VN berechtigt ist. In diesem Fall muss es das Bestreben des VR sein, so schnell wie möglich einen für den VN befriedigenden Ausgleich zu finden. Diesem Erfordernis wird nur eine Leistungsklage gerecht. Steht nicht (ausnahmsweise) zu erwarten, dass der Dritte ein Feststellungsurteil akzeptiert und einhält, ist der
153 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5. 154 Weitergehend Prölss/Martin/Lücke § 101 VVG Rn. 7 (VR schuldet Erstattung der etwaige durch die Aufrechnung entstandenen Mehrkosten).
155 Prölss/Martin/Lücke § 101 VVG Rn. 7; modifizierend Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5; weitergehend Roesch VersR 1977 113, 117 für die KVO-Versicherung; anders Venzmer VersR 1957 72, 73. 156 Vgl. Berliner Kommentar/Baumann § 150 Rn. 12. 157 BGH 19.1.1983 – IVa ZR 116/81, NJW 1983 1729, 1739 zur Verletzung einer nicht versicherungsvertraglich begründeten Freistellungsverpflichtung. 158 So K. Sieg 188; Schirmer 104 f. 159 So Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5; Späte § 3 AHB Rn. 29; AG Charlottenburg 16.4.1968 – 4 C 977/67, VersR 1969 315 f. Koch
152
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
VR deshalb gehalten, eine Zahlungsklage des VN zu finanzieren und auch die Arbeitslast dieses Prozesses zu tragen, soweit dessen Problematik im Haftpflichtverhältnis begründet ist.160 Ist weder die Forderung des VN noch die des geschädigten Dritten berechtigt, so be- 65 steht keine Verpflichtung des VR zur Finanzierung einer Leistungsklage.161 Der VR haftet aber für jeden dem VN adäquat kausal aus einer etwaigen irrigen Beurteilung der Rechtslage hinsichtlich der Berechtigung des Haftpflichtanspruchs entstehenden Schaden, wenn sich später ein anderer Standpunkt als der vom VR vertretene als berechtigt erweist. In solchen Fällen könnte sich daher entsprechend der Empfehlung von K. Sieg162 eine negative Feststellungsklage empfehlen. Diese dürfte allerdings nicht darauf gerichtet sein, dass die Forderung des VN nicht erloschen sei, sondern darauf, dass dem Dritten aus einem bestimmten Ereignis oder Verstoß kein Haftpflichtanspruch zustehe.163
(3) Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts oder Wegnahme eines dem VN ge- 66 hörenden Gegenstands. Versucht der Dritte seinen Anspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts oder durch Wegnahme eines dem VN gehörenden Gegenstands zu realisieren, besteht die Erfüllung der Abwehrverpflichtung darin, dass der VR eine Klage auf Herausgabe dieses Gegenstands finanziert.164 Bei schon eingetretener Pfändung muss der VR versuchen, die Aufhebung der Pfändungsmaßnahmen zu erreichen.165 Tut der VR dies nicht, so hat er für den dadurch entstehenden Schaden vollen Umfangs einzustehen. Erfährt der VR, dass der geschädigte Dritte einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, so ist der VR ebenfalls zu gesteigerter Aktivität verpflichtet.166 Jedes Zögern macht den VR schadensersatzpflichtig. Ist die Herausgabe unmöglich, weil der Dritte den Gegenstand bereits verwertet hat, hat der VN Anspruch auf Zahlung gegen den VR. Dies gilt selbst dann, wenn der gegnerische Anspruch objektiv unbegründet ist.167 Befand sich der VR mit der Abwehr in Verzug, hat er darüber hinaus einen etwaigen Erwerbsschaden zu ersetzen.168 Wird der VN in seiner persönlichen Freiheit wegen der Forderungen aus dem Schadens- 67 ereignis beeinträchtigt, ist eine besonders gesteigerte Aktivität des VR geboten. So liegt der Fall, wenn der VN im Anschluss an ein Schadensereignis in Haft genommen und nur gegen Sicherheitsleistung für die zivilrechtlichen Ansprüche freigelassen wird. Hier muss der VR diese Sicherheit sofort stellen.169
c) Umwandlung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Freistellungs- oder Zahlungsanspruch aa) Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs. Der einheitliche Haftpflicht- 68 versicherungsanspruch des VN richtet sich von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den VR durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, auf Freistellung (§ 106 Satz 1), nicht auf Zahlung. In einen
160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 153
Vgl. Berliner Kommentar/Baumann § 150 Rn. 12. Vgl. G. Schmidt VersR 1966 18, 19. K. Sieg 188. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5. Berliner Kommentar/Baumann § 150 Rn. 12; Späte § 3 AHB Rn. 29; G. Schmidt VersR 1966 18, 19 f. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5. Venzmer VersR 1957 72, 74. BGH 13.7.1959 – II ZR 45/58, VersR 1959 701, 702. BGH 13.7.1959 – II ZR 45/58, VersR 1959 701, 702. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 5. Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Zahlungsanspruch wandelt er sich erst in der Hand des Dritten nach Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs zur Einziehung (§§ 829, 835, 836 ZPO) um.170
bb) Abtretung des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten 69 (1) Nach Eintritt der Bindungswirkung hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs. Vorstehendes zur Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs Gesagte gilt entsprechend im Falle einer Abtretung (§ 398 BGB) an den geschädigten Dritten. Der Freistellungsanspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um.171
70 (2) Vor Eintritt der Bindungswirkung hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs. Letzteres gilt auch für den Fall der Abtretung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) vor der rechtskräftigen Feststellung des Haftpflichtanspruchs. In diesem Fall kommt es zu einer Aufspaltung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Anspruch auf Rechtsschutz, der beim VN verbleibt und von Bedeutung ist, wenn der Geschädigte nach erfolgloser Inanspruchnahme des VR (erneut) gegen den VN vorgeht,172 und den Anspruch auf Freistellung, der auf Befriedigung des Haftpflichtanspruchs gerichtet ist. Der Geschädigte ist nach der Abtretung berechtigt, den VR (direkt) auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.173
71 cc) Anerkenntnis und/oder Befriedigung des Haftpflichtanspruchs. Anerkennt der VN den Haftpflichtanspruch des geschädigten Dritten, beschränkt sich der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch auf Freistellung des VN von den Ansprüchen des geschädigten Dritten, weil der VR nur noch durch Freistellung den nach Ziff. 5.1 AHB geschuldeten Leistungserfolg herbeiführen kann.174 Befriedigt der VN darüber hinaus den Dritten, wandelt sich der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Anspruch des VN auf Zahlung an sich selbst um,175 soweit der Haftpflichtanspruch begründet ist. Der Befriedigung steht es gleich, wenn der Dritte mit seiner Haftpflichtforderung gegen die Forderung des VN aufrechnet und sich der VN mit der Aufrechnung einverstanden erklärt.176 Tritt der VN den Anspruch auf Freistellung vor Eintritt der Bindungswirkung i.S.v. § 106 Satz 1 VVG an den Dritten (ausnahmsweise) an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) ab, liegt ebenfalls eine Befriedigung des Haftpflichtanspruchs seitens des VN vor. Diese führt nicht dazu, dass der Freistellungsanspruch erlischt. Vielmehr wandelt sich der auf Freistellung gerichtete Anspruch im Zeitpunkt der Abtretung an den Dritten in einen Anspruch auf Zahlung um. Dies folgt mittelbar auch aus § 105 VVG, demzufolge eine Vereinbarung unwirksam ist, nach welcher der VR nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der VR auch dann zur Leistung verpflichtet bleibt, wenn der VN den Haftpflichtanspruch befriedigt,
170 Vgl. BGH 2.7.2007 – IV ZR 149/03, RuS 2007 191, 195; BGH 17.3.2004 – IV ZR 268/03, VersR 2004 634, 645; BGH 13.2.1980 – IV ZR 39/78, VersR 1980 522, 523; BGH 12.3.1975 – IV ZR 102/74, VersR 1975 655; OLG Saarbrücken 8.9.2004 – 5 U 21/04–1, VersR 2005 394, 395; OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58; LG Karlsruhe 11.1.2012 – 2 O 370/11, VersR 2013 352, 353; LG Dortmund 12.7.2007 – 2 O 80/07, RuS 2007 415, 416; BAG 15.9.2016 – 8 AZR 187/15, VersR 2017 875 Rn. 40. 171 Vgl. auch BGH 16.9.1993 – IX ZR 255/92, ZIP 1993 1657, 1658; BGH 20.12.1956 – II ZR 177/55, BGHZ 23 17, 22; BGH 22.1.1954 – I ZR 34/53, BGHZ 12 136, 141; RG 8.10.1919 – II 302/12, RGZ 80 183, 184. 172 LG Freiburg 6.8.2013 – 3 S 134/13 (juris). 173 Vgl. BGH 20.4.2016 – IV ZR 531/14, VersR 2016 783 Rn. 16 ff.; zu näheren Einzelheiten s. Bruck/Möller/Koch § 108 VVG Rn. 39 ff.; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 16; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 7. 174 Zu diesem Gesichtspunkt s. BGH 16.9.1993 – IX ZR 255/92, ZIP 1993 1657, 1658. 175 Vgl. LG Saarbrücken 19.5.2016 – 14 S 26/15, NJW-RR 2017 155, 156; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 8. 176 OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284. Koch
154
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
wobei die Versicherungsleistung infolge der Befriedigung nur noch in Form der Zahlung an den Geschädigten erbracht werden kann.177
dd) Insolvenz des Versicherungsnehmers. In der Insolvenz des VN erwirbt der Dritte ein Ab- 72 sonderungsrecht am Freistellungsanspruch, das ihn nach §§ 1282 Abs. 1, 1228 Abs. 2, 1273 Abs. 2, 1257 BGB ein Einziehungsrecht gewährt. Der Dritte kann vom VR Zahlung verlangen, ohne dass es einer Pfändung und Überweisung oder Abtretung des Freistellungsanspruchs bedarf.178
ee) Unmöglichkeit der Abwehr des Zugriffs auf das Vermögen des Versicherungsneh- 73 mers. Ist dem VR eine wirksame Abwehr des Zugriffs des geschädigten Dritten auf das Vermögen des VN nicht mehr möglich, wandelt sich der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch in einen Zahlungsanspruch des VN um, weil auch in dieser Konstellation der VR nur noch durch Zahlung den nach § 100 VVG geschuldeten Leistungserfolg herbeiführen kann. Es geht zum einen um den Fall, dass der geschädigte Dritte mit seiner unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Haftpflichtforderung aufrechnet (anders liegt der Fall bei Aufrechnung mit einer bestrittenen Haftpflichtforderung, vgl. Rn. 78) und hierdurch eine gegen ihn gerichtete Forderung des VN zum Erlöschen bringt. Zum anderen geht es um den Fall, dass sich der Dritte zwangsweise aus dem Vermögen 74 des VN befriedigt. Bezüglich dieser Fallgruppe gibt es in der Literatur Diskussionen um die dogmatische Konstruktion. Anlass hierfür gibt die Entscheidung des BGH vom 13.7.1959, in der dem VN kein Zahlungsanspruch infolge der Umwandlung des Versicherungsschutzanspruchs, sondern nur ein (verschuldensabhängiger) Sekundäranspruch in Form von Schadensersatz gewährt wurde.179 In jenem Fall ging es um die Sicherstellung eines Fahrzeugs des VN, die im Anschluss an einen schweren Unfall im Jahre 1952 durch die sowjetische Militärmission erfolgte. Da die für das beschädigte sowjetische Eigentum erhobenen Ansprüche nicht befriedigt wurden, veräußerten die Sowjets das Fahrzeug des VN an unbekannte Dritte und befriedigten sich aus dem Erlös. Vom BGH180 ist dazu u.a. Folgendes ausgeführt worden: „Der Verzug der Beklagten (VR) endete aber, als Anfang 1954 der Lastzug infolge seiner Verwertung durch die sowjetische Militärbehörde endgültig verlorenging; denn dieser Umstand bewirkte, daß die von der Beklagten geschuldete Freistellung des Klägers von den Haftpflichtansprüchen und damit auch die Auslösung des Lastzugs unmöglich wurde, nachdem sich die sowjetische Militärbehörde durch seine Verwertung wegen ihrer Haftpflichtansprüche selbst befriedigt hatte … Da die Unmöglichkeit infolge der dargelegten, von der Beklagten zu vertretenden Umstände eintrat, erwuchs dem Kl. damit gegen die Bekl. nach § 280 BGB ein neuer Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, nämlich ein Anspruch auf Ersatz der Schäden, die ihm dadurch entstanden, daß er infolge der Nichterfüllung seinen Lastzug nunmehr endgültig verlor. Dieser Schadensersatzanspruch, der die Bekl. nach § 249 BGB verpflichtet, den Kl. so zu stellen, wie wenn sie am 1.4.1954 ihre Verpflichtung zur Gewährung des Versicherungsschutzes erfüllt hätte, geht nicht nur auf Ersatz des Wertes des Lastzugs, sondern umfaßt auch den Schaden, der dem Kl. durch die weitere zeitweilige Entbehrung der Nutzungen des Lastzuges entstand.“
Hj. Wussow181 hat sich gegen diese Auffassung des BGH gewandt. Er führt aus, dass immer dann, 75 wenn eine Befreiung des VN von den Ansprüchen des Dritten nicht mehr möglich sei, an die Stelle des Versicherungsanspruchs ein Zahlungsanspruch des VN trete, dessen Erfüllung nicht unmöglich werden könne (§ 279 BGB a.F.). Deshalb komme es für den Zahlungsanspruch auch nicht auf ein 177 178 179 180 181 155
Glimpel 85, Thomas 479; a.A. Cyrus NZG 2018 7, 11; Unmuth AG 2020 890, 893. Bruck/Möller/Koch § 110 VVG Rn. 12 ff. BGH 13.7.1959 – II ZR 45/58, VersR 1959 701 ff. BGH 13.7.1959 – II ZR 45/58, VersR 1959 701, 703. Hj. Wussow VersR 1959 976 f. Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Vertretenmüssen des VR an. Baumann gelangt mit anderer Begründung zu dem gleichen Ergebnis. Er hebt hervor, dass die Haftpflichtversicherung auf Naturalrestitution i.S.v. § 249 Abs. 1 BGB gerichtet sei, die sowohl Freistellung als auch Anspruchsabwehr umfasse, und dass der VR im Falle der Unmöglichkeit der Anspruchsabwehr entsprechend § 251 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld schulde. Eines Rückgriffs auf § 280 Abs. 1 BGB bedürfe es deshalb nicht.182 R. Johannsen folgt im Grundsatz dem Urteil des BGH mit der Begründung, die Entstehung eines Zahlungsanspruchs sei ein Ausnahmefall im Verhältnis zur primär geschuldeten Befreiung.183 Im Ergebnis ist der Ansicht Hj. Wussows zu folgen. Der Versicherungsanspruch verliert nicht 76 dadurch seine primärrechtliche Natur, dass er sich infolge der Unmöglichkeit der Anspruchsabwehr in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Schadensersatzansprüche des VN kommen nur insoweit in Betracht, als der VN infolge der Vollstreckung in einen Gegenstand einen Vermögensverlust erleidet, der über die Haftpflichtforderung hinausgeht und deshalb nicht vom VR ersetzt wird. Insoweit ist der Feststellung des BGH, dass der VR auch den Schaden zu ersetzen habe, der dem VN durch die weitere zeitweilige Entbehrung der Nutzungen des Lastzuges entstanden sei, zuzustimmen. Nur ergibt sich diese Rechtsfolge nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt der Leistung (§ 281 BGB), sondern aus § 286 BGB wegen Verzugs mit der Pflicht zur Gewährung von Versicherungsschutz in Form der Abwehr oder Freistellung von unbegründeten oder begründeten Haftpflichtansprüchen.184 Für die Ansicht Baumanns besteht nach der Neufassung des § 100 VVG kein Raum mehr.185 77 Um einen Fall der zwangsweisen Befriedigung aus dem Vermögen des VN geht es auch dann, wenn der Geschädigte die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel gegen den VN betreibt. Kommt es zu einer Befriedigung des Gläubigers, liegt Erfüllung i.S.v. § 362 BGB vor, so dass der VN Zahlung an sich selbst verlangen kann (vgl. § 106 Satz 2 VVG).186 Gleiches gilt, wenn der Geschädigte die Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Titel betreibt187 oder der VN Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erbringt. Ist dem VN nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der VR im Rahmen einer Verpflichtung zum Rechtsschutz gem. § 101 Abs. 3 Satz 1 VVG Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Ist eine Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel nicht durch Sicherheitsleistung abwendbar, ist der VR entsprechend dem Rechtsgedanken des § 101 Abs. 3 Satz 1 VVG zur Zahlung (unter Vorbehalt des Rechtskrafteintritts) an den Gläubiger verpflichtet.188
78 ff) Verzicht des Versicherers auf Aktivprozess bei Aufrechnung mit bestrittener Haftpflichtforderung. Verzichtet der VR im Falle der Aufrechnung mit einer bestrittenen Haftpflichtforderung auf den Prozess des VN gegen den Dritten, weil er glaubt, den Betrag vom geschädigten Dritten aus Rechtsgründen oder wegen dessen Vermögenslage nicht erhalten zu können, wird er so behandelt, als ob er den Haftpflichtanspruch anerkannt hätte. Der VN hat in diesem Fall einen Zahlungsanspruch gegen den VR (Rn. 55).
182 Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 20 f. 183 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 40. 184 A.A. AG Mannheim 4.11.2011 – 10 C 156/11, RuS 2012 337 (für Verweigerung des Deckungsschutzes hat VR gem. §§ 280, 281, 249 BGB einzustehen). 185 Bruck/Möller/Koch Vor §§ 100–112 Rn. 4 ff. 186 BeckOGK/Looschelders § 362 Rn. 130; Staudinger/Kern (2022) § 362 Rn. 7; MüKoBGB/Fetzer § 362 Rn. 40; Grüneberg/Grüneberg § 362 Rn 15; Jauernig/Stürner § 362 Rn. 4; BeckOK BGB/Dennhardt § 362 Rn. 10; Soergel/Schreiber § 362 Rn. 12. 187 BGH 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, NJW 2015 699 Rn. 19; BGH 14.3.2014 – V ZR 115/13, NJW 2014 2199 Rn. 8; BGH 19.1.1983 – VIII ZR 315/81, BGHZ 86 267, 269. 188 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 60 ff. Koch
156
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
gg) Konfusion. Umstritten ist, ob sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch 79 umwandelt, wenn sich Haftpflichtanspruch und Haftpflichtschuld in einer Person vereinigen und der Haftpflichtanspruch infolge dieser Konfusion untergeht. Das kann in der Weise geschehen, dass der geschädigte Dritte den VN beerbt oder umgekehrt der VN den Dritten. Eine Konfusion kann auch durch umwandlungsrechtliche Verschmelzung zweier juristischer Personen eintreten.189 In der Vergangenheit haben sich vereinzelt Instanzgerichte und Literaturstimmen für ein gänzliches Freiwerden des VR ausgesprochen.190 Das jüngere Schrifttum vertritt dagegen einhellig die Ansicht, dass der Freistellungsanspruch auch nach Untergang der Haftpflichtforderung in Form des Zahlungsanspruchs bestehen bleibe.191 Begründet wird diese Ansicht im Wesentlichen damit, dass der VR aus der zufälligen Konfusion keine Vermögensvorteile ziehen dürfe. W. Wussow192 stellt auf den mutmaßlichen Willen der Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages ab und wirft die Frage auf, welche Vereinbarung getroffen worden wäre, wenn die Parteien sich einen derartigen Fall bei Abschluss des Versicherungsvertrages vorgestellt hätten. Aufgrund der erhaltenen Versicherungsprämien sei anzunehmen, dass der VR den Willen habe, den Dritten auch dann zu befriedigen, wenn dieser durch den für den VR zufällig eintretenden Tod des VN und sich daraus ergebender Gesamtrechtsnachfolge in vermögensrechtlicher Beziehung mit dem VN zu ein und derselben Person werde. Die h.M. verdient Zustimmung. Die Begründung W. Wussows, die im Kern auf nichts anderes 80 als eine ergänzende Vertragsauslegung hinausläuft, überzeugt. Zunächst ist freilich zu prüfen, ob der Freistellungsanspruch nicht trotz der Konfusion als fortbestehend gilt (vgl. z.B. § 1976, § 1991 Abs. 2, § 2143, § 2175 oder § 2377 BGB).193 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Vereinigung von Forderung und Schuld nicht in jedem Fall zum Erlöschen der Schuld führt. Ausnahmen hat die Rechtsprechung insbesondere in solchen Fällen angenommen, in denen schutzwürdige Interessen Dritter am Fortbestand der Forderung bestehen.194 Im Fall der Konfusion von Haftpflichtanspruch und Haftpflichtschuld sind schutzwürdige Interessen Dritter am Fortbestand der Haftpflichtforderung jedoch nicht ersichtlich, sodass diese Rechtsprechung nicht eingreift. Für die Kfz-Haftpflichtversicherung ist entschieden, dass der Direktanspruch des Geschä- 81 digten nicht untergeht, wenn der VN verstirbt, bevor der Geschädigte, der ihn beerbt, seinen Anspruch gegen den VR durchsetzen kann.195 Dies hat die Rechtsprechung im Wesentlichen damit begründet, dass die Konfusion bei gesamtschuldnerischer Haftung gem. § 425 Abs. 2 BGB nur für und gegen den Gesamtschuldner wirke, in dessen Person sie eintrete. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung steht dem Geschädigten ein Direktanspruch nicht zu. Es liegt deshalb auch keine Gesamtschuld vor. Jedoch besteht auch hier die berechtigte Erwartung des VN, dass derjenige, der durch sein Verhalten zu Schaden gekommen ist, Ersatz erhält, für den letztlich der VR einzustehen hat. Der VN braucht nicht damit zu rechnen, dass bei seinem Tode der Geschädigte den Anspruch auf Haftpflichtversicherungsschutz gegen den VR nur deshalb verliert, weil dieser ihn vor Erhalt der Ersatzleistung beerbt. Nicht anders stellt sich die Situation 189 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 41. 190 S. Nachw. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 41. 191 Vgl. Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 24; Langheid/Wandt/Littbarski § 100 VVG Rn. 78; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 40; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst § 100 VVG Rn. 20; Berliner Kommentar/ Baumann § 149 Rn. 116; Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 1 AHB Rn. 335; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/ Retter § 100 VVG Rn. 35. 192 W. Wussow AHB § 1 Anm. 21. 193 Späte § 1 AHB Rn. 192. 194 Vgl. BGH 23.4.2009 – IX ZR 19/08, NJW-RR 2009 1059, 1060; BGH 14.6.1995 – IV ZR 212/94, NJW 1995 2287, 2288; BGH 30.4.1980 – V ZR 56/79, NJW 1981 447, 448; OLG Düsseldorf 9.2.1999 – 4 U 38/98, NVersZ 2000 218, 219; OLG Schleswig 28.7.1998 – 6 U 14–98, NJW-RR 1999 1528, 1529. 195 Vgl. BGH 9.7.1996 – VI ZR 5/95, RuS 1996 398, 399 = VersR 1996 1258; OLG Hamm 16.6.1994 – 6 U 227/93, RuS 1995 176, 177 = VersR 1995 454; der BGH hat die Revision durch Beschl. v. 14.3.1995 – VI ZR 230/94 nicht angenommen; s. auch BGH 9.7.1996 – VI ZR 5/95, VersR 1996 1258, 1259. 157
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
in dem Fall dar, in dem der Geschädigte verstirbt, bevor er Ersatz vom VR erhalten hat, und der VN ihn beerbt. In beiden Konstellationen ist kein vernünftiger Grund für die Leistungsfreiheit des VR ersichtlich.
82 d) Auswirkungen von Obliegenheitsverletzungen. Obliegenheitsverletzungen des VN lassen den Anspruch auf Rechtsschutz unberührt, soweit sie nicht zur vollständigen Leistungsfreiheit des VR führen. Wird der VN verurteilt und ist der VR hinsichtlich des Anspruchs auf Freistellung teilweise leistungsfrei, so hat er die Kosten des Haftpflichtprozesses nach Ansicht des BGH in dem gleichen Verhältnis zu tragen, in dem er zur Freistellung von der Haftpflichtschuld verpflichtet ist.196 Übertragen auf die teilweise Leistungsfreiheit des VR z.B. wegen Obliegenheitsverletzung bedeutet das Folgendes: Hat der VN mit seinem Fahrrad einen Menschen schwer verletzt und sich vom Unfallort entfernt, ohne zuvor Hilfe zu holen, ist der VR wegen grob fahrlässiger Verletzung der Rettungsobliegenheit nach Ziff. 25.2 Satz 1 AHB gem. Ziff. 26.2 Satz 2 AHB zur Kürzung des Freistellungsanspruchs berechtigt, soweit es um die Mehrkosten geht, die kausal aus dem Fehlverhalten des VN resultieren. Erhöhen sich die Haftpflichtansprüche des Geschädigten z.B. von A 5.000 auf A 10.000, schuldet der VR bei einer 50 %igen Kürzungsquote nur Freistellung i.H.v. insgesamt A 7.500 und – soweit es zu (außer-)gerichtlichen Kosten kommt – auch nur Ersatz in Höhe dieses Streitwerts.
5. Verjährung des Haftpflichtversicherungsanspruchs 83 Zur Verjährung des Haftpflichtversicherungsanspruchs s. Kommentierung von Ziff. 30 AHB.
6. Abtretung und Pfändung/Überweisung des Freistellungsanspruchs 84 a) Geschädigter als Abtretungsempfänger oder Pfändungsgläubiger. Hinsichtlich der Abtretung und Pfändung ist zwischen dem Anspruch auf Abwehr unbegründeter und dem Anspruch auf Freistellung von begründeten Haftpflichtansprüchen zu unterscheiden. Der Anspruch auf Abwehr ist untrennbar mit der Person des VN verbunden und als solcher nach § 399 Alt. 1 BGB nicht abtretbar und nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbar.197 Auch der Freistellungsanspruch ist mit Rücksicht auf die Natur des Haftpflichtversicherungsverhältnisses an die Person des VN gebunden.198 Nur der Freizustellende selbst, d.h. der VN, kann die Leistung verlangen. Es ist jedoch seit langem in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Abtretung eines Freistellungsanspruchs trotz § 399 Alt. 1 BGB zulässig ist, wenn sie an den Geschädigten als Gläubiger der Haftpflichtforderung, von welcher der VN zu befreien ist, bewirkt wird. Auch der Gesetzgeber ist von der Abtretbarkeit des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten ausgegangen, wie das Abtretungsklauselverbot in § 108 Abs. 2 VVG deutlich macht (argumentum e contrario). In der Person des Geschädigten wandelt sich der Anspruch auf Freistellung in einen Zahlungsanspruch um (Rn. 69 ff.). Ein Verbot der Abtretung an den Geschädigten kann wirksam nur noch individualvertraglich vereinbart werden (§ 399 Alt. 2 BGB). In diesem Fall erlangt der Geschädigte erst nach Pfändung und Überweisung zur Einziehung (§§ 829, 835, 196 BGH 28.9.1961 – II ZR 101/59, VersR 1961 975, 976; Prölss/Martin/Lücke § 101 VVG Rn. 19; Langheid/Wandt/ Littbarski § 101 VVG Rn. 87; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 101 VVG Rn. 19; Berliner Kommentar/Baumann § 151 Rn. 25. 197 Allg. M., Landheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 89; Prölss/Martin/Lücke § 108 VVG Rn. 31; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 108 VVG Rn. 22 ff.; Armbrüster RuS 2010 441, 449; Glimpel 117. 198 Vgl. BGH 12.10.2011 – IV ZR 163/10, RuS 2012 74, 75 zum Anspruch des VN auf Kostenfreistellung in der Rechtsschutzversicherung. Koch
158
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
836 ZPO) einen Zahlungsanspruch gegen den VR, da das Abtretungsverbot einer Pfändung nicht entgegensteht (§ 851 Abs. 2 ZPO). Zu beachten ist, dass die Abtretung an Erfüllungs Statt wegen § 105 VVG auch nicht individualvertraglich wirksam ausgeschlossen werden kann. Umstritten ist, ob das Abtretungsklauselverbot auch für Versicherungsverträge gilt, die ein 85 Großrisiko zum Gegenstand haben. Die h. Lit. verneint dies zu Unrecht, da es sich bei § 108 Abs. 2 VVG um ein Klauselverbot handelt, das funktional den Klauselverboten nach § 309 BGB entspricht, die wegen ihrer besonders benachteiligenden Wirkung gegenüber Verbrauchern „ohne Wertungsmöglichkeit“ unwirksam sind und im unternehmerischen Verkehr gem. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB Leitbildcharakter i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB haben.199 Für nach dem 1.10.2021 abgeschlossene Verträge (Art. 229 § 60 S. 1 EGBGB) folgt die Unwirksamkeit auch bei Großrisiken aus § 308 Nr. 9 lit. b) BGB, der gem. §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch im unternehmerischen Verkehr Anwendung findet.200
b) Unbeteiligte Vierte. Die Abtretung an eine Person, die nicht am Haftpflichtversicherungs- 86 verhältnis beteiligt ist, scheitert nach dem zuvor Gesagten an § 399 Alt. 1 BGB; sie ist erst dann möglich, wenn sich der Freistellungsanspruch nach Befriedigung des geschädigten Dritten durch den VN in einen Zahlungsanspruch des VN (vgl. § 106 Satz 2 VVG) umgewandelt hat.201 Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unabtretbarkeit der Freistellungsforderung an einen unbeteiligten Vierten ist für den Fall zu machen, dass der geschädigte Dritte der Abtretung zustimmt.202 Mit der Zustimmung zur Abtretung wandelt sich der Freistellungsanspruch des VN in einen Zahlungsanspruch des unbeteiligten Vierten um. Ist die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Geschädigten erfüllungshalber erfolgt, scheitert eine Weiterabtretung des Dritten an einen Vierten jedoch im Hinblick darauf, dass der Dritte die Stellung eines treuhänderisch gebundenen Inhabers der erfüllungshalber abgetretenen Forderung einnimmt,203 an § 399 Alt. 1 BGB.204
c) Versicherte Personen. Nach Ziff. 27.2 AHB steht bei der Haftpflichtversicherung für frem- 87 de Rechnung die Ausübung der dem Versicherten zustehenden Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem VN zu. Dies entspricht der Gesetzeslage (vgl. §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 VVG). Hier stellt sich die Frage, ob der VN den Freistellungsanspruch in Ausübung seiner Rechtsmacht an den Geschädigten – ggf. gegen den Willen des Versicherten – abtreten kann. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass nach der Rechtsprechung mit Eintritt des Versicherungsfalles ein gesetzliches Treuhandverhältnis zwischen VN und den betroffenen versicherten Personen entsteht. Die treuhänderische Bindung des VN gegenüber dem Versicherten dürfte jedoch in der Haftpflichtversicherung kein umfassendes Verbot der Abtretung des Freistellungsanspruchs des Versicherten nach § 399 Alt. 1 BGB zur Folge haben, da die Versicherungsleistung letztlich dem geschädigten Dritten zugutekommen soll. Die Rechtsstellung des Versicherten wird hinreichend dadurch geschützt, dass ihm der VN weiterhin aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis verpflichtet bleibt, das durch eine Abtretung des Freistellungsanspruchs in seinem Bestand nicht berührt wird. Zu beachten ist, dass eine Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs der versicherten Person durch den Geschädigten ins Leere geht, wenn sie ohne Zustimmung des VN erfolgt. Fehlt es daran, muss der Geschädigte außerdem die An-
199 200 201 202 203 204 159
Zu Einzelheiten s. Bruck/Möller/Koch § 108 VVG Rn. 90 ff. MüKoBGB/Wurmnest § 308 Abs. 9 Rn. 16. BGH 30.10.1954 – II ZR 131/53, BGHZ 15 154, 158 = NJW 1955 101; RG 5.2.1909 – VII 186/08, RGZ 70 259. BeckOK BGB/Rohe § 399 Rn. 5. Vgl. BeckOK BGB/Dennhardt § 364 Rn. 4; Staudinger/Kern (2022) § 364 Rn. 23; MüKo-BGB/Fetzer § 364 Rn. 12. Vgl. MüKo-BGB/Roth/Kieninger § 399 Rn. 14; einschränkend BGH 5.5.2010 – III ZR 209/09, NJW 2010 2197, 2198. Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
sprüche der versicherten Person gegen den VN auf Einwilligung in die Auszahlung an ihn pfänden und sich überweisen lassen.205
II. Prozessuale Fragen 1. Klage des VN auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag a) Richtige Klageart 88 aa) Feststellungsklage. Vor der Umwandlung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruches in einen Freistellungs- oder Zahlungsanspruch kann der VN nur auf Feststellung klagen, dass der VR „wegen einer im Einzelnen genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe“.206 Hinsichtlich der Anforderungen an die Bezeichnung der Haftpflichtforderung genügt es, wenn der Feststellungsantrag auf die geltend gemachten Ansprüche und/oder auf das Schadensereignis Bezug nimmt, aus dem Ansprüche hergeleitet werden.207 Erhebt der VN Zahlungsklage, so müsste diese als materiell-rechtlich unbegründet abgewiesen werden. Es kann sich aber aus der Klagbegründung ergeben, dass es dem VN gar nicht auf die Durchsetzung bestimmter Zahlungen ankommt, sondern auf die Feststellung, dass ihm für einen bestimmten Schadensfall Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren ist. Dann kommt eine Umdeutung des Zahlungsantrags in einen solchen auf Feststellung in Betracht.208 Vom BGH wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO vom Gericht auf eine zutreffende Antragsfassung hätte hingewirkt werden müssen.209 89 Klagt der VN auf Feststellung, dass die von dem VR genannten Ablehnungsgründe nicht vorliegen, so stellt das eine unzulässige Antragsfassung dar. Nach § 256 ZPO ist nur die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Ganzen zulässig. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens sind hingegen kein Rechtsverhältnis.210 Der VN kann somit das Nichtvorliegen von Tatsachen, die einen Ausschluss begründen, nicht im Wege der Feststellungsklage klären lassen.211
90 bb) Leistungsklage. Nach der Umwandlung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs kann der VN auf Freistellung (Leistung an den Geschädigten) oder – falls der VN 205 Vgl. OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58; OLG Düsseldorf 29.10.1996 – 4 U 197/95, VersR 1997 1475; Bruck/Möller/Brand § 44 Rn. 10; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 8. 206 St. Rspr., vgl. BGH 21.9.1983 – IV a ZR 165/81, NJW 1984 370; BGH 4.12.1980 – IVa ZR 32/80, BGHZ 79 76, 78 = NJW 1981 870; so auch OLG Brandenburg 23.10.2012 – 11 U 90/10, BeckRS 2012 22217; OLG Saarbrücken 30.6.2010 – 5 U 615/09, BeckRS 2011 26838; OLG Köln 16.2.2010 – 9 U 179/09, RuS 2010 374; OLG Jena 29.1.2007 – 4 U 660/06 (juris); OLG Karlsruhe 24.3.2005 – 24.3.2005, VersR 2005 781; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, OLGR 2003 179; OLG Koblenz 29.10.1999 – RuS 2000 279 = VersR 2000 755; KG 2.3.1999 – 6 U 9481/97, RuS 2000 61, 62; OLG Düsseldorf 6.2.1996 – 4 U 272/94, NJW-RR 1996 1245, 1246; LG Berlin 13.12.2011 – 7 O 446/10, BeckRS 2012 19702; vgl. weitere Nachweise auf ältere Rspr. bei Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. GB 45. 207 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 75. 208 Vgl. BGH 30.4.1981 – IVa ZR 129/80, VersR 1981 948. 209 Vgl. auch BGH 4.12.1980 – IVa ZR 32/80, BGHZ 79 76, 78 = NJW 1981 870; OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/ 20, VersR 2021 168, 169. 210 Vgl. BGH 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, NJW 2008 1303; BGH 2.10.1991 –VIII ZR 21/91, NJW-RR 1992 252; BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117; BGH 3.5.1977 – VI ZR 36/74, BGHZ 68 331, 332; OLG Köln 6.9.2016 – 9 U 29/16, RuS 2017 138, 140. 211 Vgl. auch BGH 6.10.1985 – IVa ZR 49/84, VersR 1986 132, 133; Beckmann/Matusche-Beckmann/von Rintelen § 28 VVG Rn. 23. Koch
160
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
den Haftpflichtanspruch befriedigt hat, der VR den Zugriff auf das Vermögen des VN nicht verhindern kann oder der VR auf einen Aktivprozess bei Aufrechnung mit bestrittener Haftpflichtforderung verzichtet – Zahlung an sich selbst klagen.212 Hat sich der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch teilweise in einen bezifferbaren Zahlungsanspruch umgewandelt, ist der VN nicht gezwungen, zu einer bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist.213 Nicht zu Unrecht weist das OLG Hamm darauf hin, dass von einem der Versicherungsaufsicht unterliegenden VR anzunehmen sei, dass er einen Versicherungsfall auch auf ein Feststellungsurteil hin ordnungsgemäß reguliere, weshalb die Erhebung einer Feststellungsklage anstelle einer möglichen Leistungsklage zulässig sei.214
cc) Anspruch des VN auf Leistungen in Form der Freistellung von Rechtsschutzkosten 91 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Ausnahmsweise kann der VN den VR nach § 940 ZPO auf Leistungen in Form der Freistellung von u.a. Rechtsanwaltskosten und auf Vorschuss gem. § 101 Abs. 1 Satz 3 VVG – erforderlichenfalls mehrmals215 – in Anspruch nehmen, wenn er glaubhaft machen kann, dass er auf die sofortige Erfüllung zur Abwendung einer existentiellen Notlage dringend angewiesen sei und im Hauptsacheverfahren mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit obsiege. Des Weiteren darf ihm die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren wegen der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung nicht zumutbar sein und ihm müssen aus der Nichtleistung schwerwiegende Nachteile drohen, die nicht außer Verhältnis stehen dürfen zu dem Schaden, den der VR erleiden kann.216
b) Zulässigkeit der Feststellungsklage aa) Feststellungsinteresse. Das für die Zulässigkeit einer (positiven) Feststellungsklage nach 92 § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung – was in der versicherungsrechtlichen Literatur217 mitunter auch als Rechtsschutzinteresse bezeichnet wird, ohne dass hiermit etwas anderes gemeint ist218 – ist in der Regel gegeben, wenn der Dritte einen Anspruch gegen den VN geltend macht und der VR seine Verpflichtung zur Deckung bestreitet.219 Darüber hinaus besteht ein Feststellungsinteresse, wenn der VR gänzlich untätig bleibt220 oder die Haftpflichtfrage zögerlich prüft.221 Ohne Belang für das Feststellungsinteresse ist, ob die Ansprüche des geschädigten Dritten begründet sind.222 Droht nur die Verjährung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung, besteht solange kein Feststellungsinteresse des 212 Vgl. BGH 4.12.1980 – IVa ZR 32/80, BGHZ 79 76, 78 = NJW 1981 870; OLG Düsseldorf 6.2.1996 – 4 U 272/94, NJW-RR 1996 1245, 1246; AG Köln 24.4.1992 – 266 C 19/90, VersR 1993 1390, 1391.
213 OLG Hamm 10.1.1973 – 20 U 149/72, VersR 1973 633; OLG Hamm 7.6.1972 – 20 U 21/72, VersR 1975 173. 214 OLG Hamm 2.10.1985 – 20 U 78/85, VersR 1987 88; OLG Hamm 5.10.1977 – 20 U 160/75, VersR 1980 1061; OLG Hamm 7.6.1972 – 20 U 21/72, VersR 1975 173; LG Schweinfurt 25.10.1976 – 2 O 74/76, BeckRS 1976 01012; a.A. Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 129. 215 ÖOGH 22.11.1984 – 7 Ob 592/84, VersRdSch 1987 67; zu Einzelheiten zum Vorschussanspruch s. Bruck/Möller/ Koch § 101 VVG Rn. 41 f. 216 Vgl. OLG Frankfurt/M. 7.7.2021 – 7 U 19/21, RuS 2021 502, 509; OLG Frankfurt/M. 11.12.2020 – 7 W 29/20, BeckRS 2020 48390; OLG Köln 1.3.1934, VA 1934 39–40 Nr. 2690. 217 Vgl. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 45. 218 Vgl. auch MüKoZPO/Becker-Eberhard Vorbem. §§ 253 ff. Rn. 27: „Das Feststellungsinteresse ist das im Gesetz besonders zum Ausdruck kommende Rechtsschutzinteresse“. 219 Vgl. OLG Hamm 10.4.1970 – 20 U 6/70, VersR 1970 729; OLG Karlsruhe 8.4.1959 – 2 U 181/57, VersR 1960 699; LG Dortmund 1.8.2013 – 2 S 5/13, RuS 2013 548, 549. 220 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 100 VVG Rn. 3; R. Johannsen RuS 1997 309, 313. 221 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 20. 222 RG 15.3.1932 – VII 371/31, RGZ 135 368, 369; ÖOGH 14.4.1983 – 7 Ob 62/82, VersR 1985 197. 161
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
VN, wie er durch Anzeige der Inanspruchnahme die Hemmung der Verjährung erreichen kann (§ 15 VVG). 93 Dem VN ist somit vor Einleitung eines Rechtsstreits gegen den VR grundsätzlich zuzumuten, abzuwarten, ob von dem geschädigten Dritten Ersatzansprüche erhoben werden. Dies gilt selbst dann, wenn der VR seine Eintrittspflicht in Abrede stellt. Der VN erleidet hierdurch keine Nachteile. Für den VN mag diese Situation nicht erquicklich sein, weil er nach der vom VR ausgesprochenen Ablehnung nicht weiß, ob für das eingetretene Schadensereignis Versicherungsschutz besteht oder nicht. Er hat es jedoch in der Hand, diese Frage dadurch zu klären, dass er sich bei dem geschädigten Dritten danach erkundigt, ob Ansprüche erhoben werden. Diesen Weg wird der VN zwar nicht gern gehen, insbesondere deshalb nicht, weil er bei zweifelhafter Versicherungsschutzlage Gefahr läuft, die begründeten Ansprüche aus eigener Tasche bezahlen zu müssen, während doch immerhin die theoretische Möglichkeit besteht, dass ohne eine solche Erkundigung der Dritte keinen Anspruch erhebt. Gleichwohl rechtfertigt dies nicht eine Durchbrechung des oben dargestellten Grundsatzes, dass eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz für ein bestimmtes Ereignis erst nach Entstehung des Haftpflichtversicherungsanspruchs erhoben werden kann. 94 Freilich ist zu beachten, dass der VN – losgelöst von einem konkreten Schadensfall – die Möglichkeit hat, durch eine Feststellungsklage die Zweifel über den Umfang des durch den Haftpflichtversicherungsvertrag gewährten Versicherungsschutzes zu klären. Ein Feststellungsurteil i.S.d. § 256 ZPO könnte z.B. mit verbindlicher Wirkung für die Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages darüber ergehen, ob ein bestimmtes Risiko in den Versicherungsschutzbereich des Vertrages fällt, ob gewisse Ausschlusstatbestände abbedungen sind oder Ähnliches. Ein Feststellungsinteresse des VN für eine derartige Klage wird bei einem ernsthaften Streit der Parteien über den Deckungsumfang des Vertrages stets zu bejahen sein. Wichtige Entschlüsse, wie z.B. der über den Abschluss eines zusätzlichen Haftpflichtversicherungsvertrages, können von der Beurteilung der Frage abhängen, ob ein neues Risiko schon vom vorhandenen Versicherungsvertrag erfasst wird oder nicht. Doch bedeutet dieser allgemeine Grundsatz keine Durchbrechung des oben dargestellten Prinzips bezüglich der Unzulässigkeit einer Feststellungsklage für einen konkreten Schadensfall, solange das für die Entstehung der Verpflichtung des VR maßgebliche Element der Anspruchserhebung durch den geschädigten Dritten nicht gegeben ist. 95 Eine Ausnahme kann aus prozessökonomischen Gründen geboten sein, wenn mehrere Dritte bei einem Schadensereignis verletzt worden sind, aber nur ein Teil von ihnen Ansprüche gegen den VN erhoben hatte, als der VR schon im Ganzen den Versicherungsschutz ablehnte. Zwar laufen für den Versicherungsschutz gegenüber den verschiedenen Ansprüchen der geschädigten Dritten ab Inanspruchnahme des VN gesonderte Verjährungsfristen. In einer solchen Ausnahmesituation ist mit Rücksicht auf das zur Klage im Ganzen herausfordernde Verhalten des VR aber eine Durchbrechung des dargelegten Grundsatzes geboten. Gleiches gilt wegen noch nicht erhobener, jedoch zu erwartender Ausgleichsansprüche in Fällen, in denen der VN als Gesamtschuldner haftet und der VR den Versicherungsschutz gegenüber dem Geschädigten schon im Ganzen ablehnt. Zu Recht hat das OLG Hamm deshalb ein rechtliches Interesse des Architekten im Deckungsprozess gegen den VR an der weiteren Feststellung bejaht, dass der VR ihm auch wegen der noch nicht erhobenen, jedoch zu erwartenden Ausgleichsansprüche des Bauunternehmers Versicherungsschutz zu gewähren habe. In diesem Fall ist es dem VN nicht zuzumuten abzuwarten, ob auch der Dritte Ansprüche erhebt, und dann u.U. einen weiteren Prozess gegen den VR zu führen, in dem er Gefahr läuft, zumindest teilweise um die gleichen Fragen wie in dem ersten Prozess streiten zu müssen. Andererseits ist es in einem solchen Fall dem VR zuzumuten, seine gesamten Einwendungen, auch soweit sie nur den Ausgleichsanspruch betreffen, bereits in dem anhängigen Rechtsstreit vorzubringen.223
223 OLG Hamm 14.12.1977 – 20 U 248/76, VersR 1978 809, 810. Koch
162
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Abzulehnen ist das Urteil des BGH vom 26.9.1959, wonach für eine Klage auf Gewährung 96 von Versicherungsschutz auch dann ein Feststellungsinteresse bestehen soll, wenn der VR seine Leistungsverpflichtung gar nicht geleugnet hat.224 Das zunächst unbillig erscheinende Ergebnis wurde vom BGH unter Hinweis auf § 93 ZPO damit begründet, dass der VR es in der Hand habe, durch ein sofortiges Anerkenntnis unter Protest gegen die Kostenlast dem VN die Kosten auferlegen zu lassen. Zu Recht hat der BGH in seiner Entscheidung vom 30.4.1981 eine Deckungsklage bei ähnlich gelagerten Situationen wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig angesehen.225 An einem Feststellungsinteresse fehlt es auch dann, wenn der VR die Abwehr der für unbegründet erachteten Schadensersatzansprüche anbietet.226 Tut er dies nicht, besteht im Hinblick auf die Kostenübernahmepflicht des VR nach § 101 Abs. 1 Satz 1 VVG das Feststellungsinteresse des VN so lange, wie der Haftpflichtprozess noch nicht beendet ist und daher ein fälliger und bezifferbarer Anspruch auf Zahlung an die Geschädigten noch nicht geltend gemacht werden kann.227
bb) Umwandlung des einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs in einen Frei- 97 stellungs- oder Zahlungsanspruch. Hat der VN eine Feststellungsklage in zulässiger Weise erhoben, wird diese während des Prozesses nicht dadurch unzulässig, dass sich der Haftpflichtversicherungsanspruch in einen Freistellungs- oder Zahlungsanspruch umwandelt, der mittels Leistungsklage zu verfolgen ist. Daher braucht der VN nicht zur Leistungsklage überzugehen.228 Eine Ausnahme ist nur geboten, wenn lange vor Beendigung des ersten Rechtszuges die Schadensentwicklung abgeschlossen ist und der VR deshalb den Übergang von der Feststellungszur Leistungsklage anregt.229 Erhebt der VN Feststellungsklage bezüglich des Versicherungsschutzes, so kann es in der obligatorischen Haftpflichtversicherung zu der Situation kommen, dass vom VR Widerklage auf Zahlung des Regressbetrages erhoben wird. Hat der VR den Schadensfall abschließend reguliert, sodass sich der Regressbetrag nicht mehr erhöhen kann, so entfällt mit der streitigen Verhandlung über die Widerklage das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage. Wird sie dennoch weiterverfolgt, so ist sie als unzulässig abzuweisen.230
c) Begründetheit der Feststellungsklage. Die Feststellungsklage ist begründet, wenn der 98 Dritte einen Anspruch geltend macht, der nach unstreitigem Sachvortrag in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt. Berühren die vom Dritten behaupteten inneren und äußeren Tatsachen den Versicherungsschutz des VN nachteilig, kommt es für die Begründetheit der Feststellungsklage auf den Vortrag des VN an, soweit nicht erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Angaben bestehen, m.a.W. diese nicht offensichtlich falsch sind (vgl. auch Rn. 19). Ohne Belang für die Begründetheit der Feststellungsklage ist, ob die Ansprüche des geschädigten Dritten berechtigt sind. Dies folgt aus der Rechtsschutzfunktion der Haftpflichtversicherung, durch die als komplementäre Hauptpflicht des VR die Abwehr von unbegründeten Ansprüchen geschuldet wird. Mit dieser Funktion ist es im Übrigen nicht vereinbar, wenn der Deckungsprozess wegen denkbarer „Voraussetzungsidentität“ nach § 148 ZPO bis zum rechts224 BGH 26.9.1959 – II ZR 60/58, VersR 1960 73, 74. 225 BGH 30.4.1981 – IVa ZR 129/80, NJW 1981 1952 = VersR 1981 948; vgl. auch OLG Hamm 18.6.1984 – 20 W 12/ 84, VersR 1985 77. 226 OLG Jena 29.1.2007 – 4 U 660/06, BeckRS 2007 17222; OLG Frankfurt 18.12.2002 – 7 U 54/02, VersR 2003 588; OLG Karlsruhe 25.6.1992 – 12 U 7/92, VersR 1993 1390. 227 OLG Saarbrücken 27.5.2009 – 5 U 461/08, BeckRS 2010 00051; vgl. auch LG Köln 5.6.2007 – 85 O 177/05 (juris). 228 Vgl. BGH 25.6.1980 – VIII ZR 260/79, WM 1980 1176, 1177; OLG Koblenz 6.10.1999 – 5 U 1802/98, RuS 2002 87. 229 Vgl. BGH 25.6.1980 – VIII ZR 260/79, WM 1980 1176, 1177; OLG Koblenz 6.10.1999 – 5 U 1802/98, RuS 2002 87 f. 230 OLG Frankfurt 2.7.1970 – 1 U 166/69, VersR 1971 73 (Kfz-Haftpflichtversicherung). 163
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
kräftigen Abschluss des Haftpflichtprozesses ausgesetzt wird.231 Gewährt der VR Rechtsschutz für die seiner Ansicht nach unbegründeten Ansprüche des Geschädigten, so besteht kein Grund zur Aussetzung des Verfahrens.232
2. Klagerecht des geschädigten Dritten 99 a) Leistungsklage. In der (freiwilligen) Haftpflichtversicherung hat der an dem Versicherungsvertrag nicht beteiligte geschädigte Dritte erst nach Abtretung oder Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des VN eine rechtliche Handhabe, den VR im Rahmen einer Leistungsklage direkt auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.
100 b) Feststellungsklage. Jedoch billigt die Rechtsprechung233 und einhellige Meinung in der Literatur234 dem Geschädigten schon vorher das Recht zu, Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu erheben, wenn der VR seine Eintrittspflicht aus dem Vertrag ablehnt und außerdem der VN untätig bleibt. Hierdurch wird die Verjährung des Freistellungsanspruchs des VN gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.235 Berechtigter i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist somit nicht nur der VN, sondern auch der geschädigte Dritte.236 In Betracht kommt auch eine Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO.237 Hat der VR zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil Sicherheit gem. § 101 Abs. 3 Satz 1 VVG geleistet, steht dem Dritten gegenüber dem VR ein Anspruch auf Freigabe der Sicherheitsleistung zu.238 Das für die Feststellungsklage erforderliche Interesse an der Feststellung, dass der VR dem 101 Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe, wird der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung entnommen, wie sie in den §§ 108 Abs. 1, 110 VVG zum Ausdruck kommt. Diese Bestimmungen bezwecken den Schutz des Geschädigten; durch sie soll gewährleistet werden, dass die Versicherungsentschädigung ihm zugutekommt.239 Mit dieser materiell-rechtlichen Entscheidung korrespondiere, dass im Fall der Untätigkeit des VN der geschädigte Dritte selbst gegen den VR, den durch die Untätigkeit des VN zu privilegieren kein Anlass bestehe, gerichtlich vorgehen könne.240 Zur Drittfeststellungsklage ist nicht nur der Geschädigte befugt, sondern auch derjenige, auf den der Anspruch kraft cessio legis übergehen würde.241 Nach Ansicht des OLG Düsseldorf wird die Verjährung nicht nur durch eine Anzeige des Schadens seitens des VN, sondern auch durch den Geschädigten gehemmt.242 Dies folgert das Gericht daraus, dass 231 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 2323; vgl. auch AG Wipperfürth 4.4.2014 – 1 C 168/13, BeckRS 2014 13049; AG Ulm 2.3.2012 – 4 C 18381/11, NZV 2013 43, 44.
232 OLG Jena 29.1.2007 – 4 U 660/06, BeckRS 2007 17222; OLG Hamm 7.1.1994 – 20 W 59/93, RuS 1994 220; vgl. auch OLG Frankfurt 11.10.1957 – 3 U 67/57, VersR 1958 369.
233 BGH 22.7.2009 – IV ZR 265/06, VersR 2009 1485; BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90, 91; OLG Naumburg 25.7.2013 – 2 U 23/13, RuS 2013 431, 433; OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12 (juris). 234 Vgl. nur Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 21; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 54; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 149; Armbrüster RuS 2010 441, 447; R. Johannsen RuS 1997 309, 313. 235 Landheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 26. 236 Zum Erfordernis der Klage des materiell Berechtigten für die Hemmung s. BGH 29.10.2009 – I ZR 191/07, NJW 2010 2270 Rn. 38. 237 Landheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 28; Schweer/Todorow NJW 2013 2072 Fn. 16. 238 OLG Celle 23.12.2009 – 3 U 144/09, RuS 2010 109, 110 f. 239 BGH 5.4.2017 – IV ZR 360/15, VersR 2017 683 Rn. 24 (m. Anm. Koch LMK 2017 392034); BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90, 91. 240 BGH 22.7.2009 – IV ZR 265/06, VersR 2009 1485 Rn. 2. 241 OLG Frankfurt/M. 24.5.2007 – 3 U 144/06, RuS 2008 66 f. 242 OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, RuS 2002 106, 107 = VersR 2002 1020 (zu § 12 Abs. 2 a.F.). Koch
164
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
gleichfalls der Geschädigte die Verjährung durch Deckungsklage unterbrechen könne. Folgte man dieser Ansicht, besteht kein Feststellungsinteresse des Dritten, solange er durch Anzeige der Inanspruchnahme beim VR die Hemmung der Verjährung erreichen kann (§ 15 VVG).243 Die unkommentiert gebliebene Entscheidung überzeugt jedoch nicht, weil der Dritte keinen eigenen „Anspruch aus dem Versicherungsvertrag“ i.S.v. § 15 VVG gegen den VR hat. Ein Feststellungsinteresse des Geschädigten ist auch dann gegeben, wenn der VR auf Anfra- 102 ge des Geschädigten, ob Versicherungsschutz bestehe, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert.244 Insoweit ist der Hinweis geboten, dass dem Dritten gegen den VR des Schädigers ein Anspruch auf Auskunft über den Gegenstand und den Umfang des Versicherungsschutzes zusteht.245 Aus der Gewährung von Rechtsschutz kann nicht auf ihren Willen geschlossen werden, auch die Freistellungsverpflichtung zu erfüllen.246 Der Dritte kann auch nach Maßgabe der §§ 66 f. ZPO einem (vorweggenommenen) De- 103 ckungsprozess zwischen VN und VR als Nebenintervenient beitreten.247
3. Streitwert der Deckungsklage Bei Zahlungs- oder beziffertem Freistellungsanspruch richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO 104 nach der Höhe des geltend gemachten oder mit bindender Wirkung i.S.v. § 106 Satz 1 festgestellten Haftpflichtanspruchs. Er ist nicht auf die vereinbarte Versicherungssumme begrenzt,248 sondern erhöht sich – soweit nicht eine Anrechnung der Kosten auf die Versicherungssumme vereinbart worden ist – um die nach verlorenem Haftpflichtprozess festgesetzten Kosten des Haftpflichtstreits.249 Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte den Deckungsanspruch nach der Abtretung oder aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einklagt.250 Eine etwaige Selbstbeteiligung ist in Abzug zu bringen.251 Vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruches wirken dagegen auch dann nicht werterhöhend, wenn sie dem Hauptanspruch hinzugesetzt werden.252 Anders verhält es sich mit vorprozessualen Sachverständigenkosten und Kostenpauschalen.253 Bei der Feststellungsklage richtet sich die Wertbemessung nach § 3 ZPO. Ausgangspunkt ist 105 wiederum der Nominalbetrag des geltend gemachten Haftpflichtanspruchs. Die versicherungsrechtliche Rechtsprechung254 nimmt bei einer (positiven) Feststellungsklage des VN in der Praxis einen Abschlag von 20 % vor. Die Literatur spricht in diesem Zusammenhang vom „Fest243 OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, RuS 2002 106, 107 = VersR 2002 1020. 244 BGH 22.7.2009 – IV ZR 265/06, VersR 2009 1485 Rn. 2; OLG München 18.12.2015 – 25 U 1668/15, VersR 2016 1363, 1364; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 149. 245 OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12, BeckRS 2012 23251; OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, RuS 2002 106, 107 = VersR 2002 1020. 246 BGH 22.7.2009 – IV ZR 265/06, VersR 2009 1485 Rn. 3; BGH 13.12.2000 – IV ZR 279/99, VersR 2001 90, 91; BGH 12.12.1963 – II ZR 38/61, VersR 1964 156. 247 OLG München 5.10.1966 – 10 W 1168/66, NJW 1967 635, 636 = VersR 1967 76; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 21; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 151; Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 30; a.A. OLG Oldenburg 25.4.1966 – 1 W 77/65, VersR 1966 1173. 248 Vgl. Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 24; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 76; vgl. auch OLG Hamm 13.7.1988 – 20 W 37+38/88, JurBüro 1989 523, 524; OLG Frankfurt – 17 W 17/83, JurBüro 1983 1086, 1087. 249 Vgl. BGH 21.1.1976 – IV ZR 123/74, VersR 1976 477, 478. 250 Vgl. BGH 21.1.1976 – IV ZR 123/74, VersR 1976 477, 478. 251 OLG Frankfurt/M. – 17 W 17/83, JurBüro 1983 1086, 1087. 252 BGH 30.1.2007 – X ZB 7/06, VersR 2007 1102. 253 BGH 13.2.2007 – VI ZB 39/06, VersR 2007 1288. 254 Vgl. BGH 22.7.2009 – IV ZR 265/06, VersR 2009 1485; BGH 23.9.1965 – II ZR 234/63, NJW 1965 2298; BGH 16.10.1961 – III ZR 136/61, VersR 1961 1094, 1095; OLG Hamm 25.1.2012 – I-20 U 120/11, NJW-RR 2012 1056, 1057; 165
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
stellungsrabatt“.255 Ob ein Abschlag in dieser Höhe gerechtfertigt ist, scheint jedoch fraglich, da es für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich auf die Realisierbarkeit des festzustellenden Anspruchs ankommt. Deshalb bemisst die Rechtsprechung den Streitwert bei einer Feststellungsklage auch danach, wie hoch oder gering das Risiko einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist.256 Im Hinblick darauf, dass von einem unterliegenden VR anzunehmen ist, dass er einen Versicherungsfall auch auf ein Feststellungsurteil hin ordnungsgemäß reguliert, ist das wirtschaftliche Interesse des VN an der Feststellung, dass Versicherungsschutz besteht, sehr hoch.257 Berücksichtigt man zudem die wirtschaftliche Lage des VR, scheinen Abschläge vom Nominalbetrag der Haftpflichtforderung sachlich nicht gerechtfertigt, da der weniger weit tragenden, weil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähigen Wirkung eines Feststellungsurteils gegenüber einem Leistungsurteil keine Bedeutung zukommt.258 Ebenso wie bei der (negativen) Feststellungsklage des VR gegen den VN259 ist somit bei der (positiven) Feststellungsklage kein Abschlag vorzunehmen. 106 Die Begründetheit der geltend gemachten Haftpflichtansprüche ist bei der Bemessung des Streitwertes der Deckungsklage grundsätzlich nicht zu prüfen. Illusionäre oder offensichtlich unbegründete Ansprüche müssen aber bei der Streitwertberechnung außer Betracht bleiben.260
III. Bereicherungsansprüche 107 Bereicherungsansprüche des VR kommen in Betracht, wenn er Zahlungen an den Dritten oder an den VN erbracht hat, bevor der Haftpflichtanspruch mit bindender Wirkung festgestellt worden ist und sich später herausstellt, dass die Haftpflichtschuld des VN gegenüber dem Dritten nicht oder jedenfalls nicht in der angenommenen Höhe bestand (fehlender Rechtsgrund im Haftpflichtverhältnis) und/oder er im Innenverhältnis gegenüber dem VN (teilweise) leistungsfrei ist (fehlender Rechtsgrund im Versicherungsverhältnis). In all diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob und von wem der VR kondizieren kann.
1. Fehlender Rechtsgrund im Haftpflichtverhältnis 108 a) Zahlung an den geschädigten Dritten. Liegt im Haftpflichtverhältnis eine Überzahlung an den Dritten vor, kann der VR nach Ansicht des vornehmlich älteren Schrifttums nur gegen den VN nach § 812 Abs. 1 Alt. 1 Satz 1 BGB vorgehen. Zur Begründung wird angeführt, der VR
OLG Frankfurt 30.10.1992 – 22 U 256/90, BeckRS 1992 09161; LG Schweinfurt 25.10.1976 – 2 O 74/76, BeckRS 1976 01012; vgl. auch BGH 26.10.2011 – IV ZR 141/10, VersR 2012 204 (Rechtsschutzversicherung). 255 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 24; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 76; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 183. 256 Vgl. BGH 22.1.2009 – IX ZR 235/08, NJW 2009 920 f.; BGH 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001 316, 317; BGH 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, NJW-RR 1991 509; BGH 6.2.1958 – VII ZR 39/57, VersR 1958 318; a.A. BGH 3.2.1988 – VIII ZR 276/87, NJW-RR 1988 689 f. 257 Vgl. BGH 28.9.1999 – VI ZR 195/98, NJW 1999 3774, 3775; OLG Braunschweig 14.10.1993 – 1 U 16/93, NJW-RR 1994 1447; OLG Hamm 5.10.1977 – 20 U 160/75, VersR 1980 1061 (zur Leistungsbereitschaft von VR aufgrund von Feststellungsklagen). 258 Zu diesem Gesichtspunkt als Rechtfertigung für den Abschlag vgl. nur BGH 30.11.2011 – IV ZR 167/10 (juris). 259 Vgl. auch OLG Hamm 13.7.1988 – 20 W 37+38/88, JurBüro 1989 523, 524. 260 OLG Hamm 13.7.1988 – 20 W 37+38/88, JurBüro 1989 523, 524; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 76. Koch
166
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
handle und leiste regelmäßig im Namen des VN, also als dessen Stellvertreter.261 Der VN sei jedoch – je nach Weisung des VR – gehalten, seinen Bereicherungsanspruch an den VR abzutreten oder ihn gerichtlich im eigenen Namen für Rechnung des VR geltend zu machen.262 Nur wenn der VR nicht als Vertreter, sondern als echter Dritter i.S.d. § 267 BGB gehandelt habe, entstehe ein Bereicherungsanspruch in der Person des VR.263 Es sei von einer Vermutung tatsächlicher Art auszugehen, dass der VR nicht im eigenen, sondern für den VN in dessen Namen gehandelt habe. Demgegenüber haben verschiedene Senate des BGH eine Drittzahlung des VR bejaht und 109 folglich dem VR einen unmittelbaren Kondiktionsanspruch gegen den Dritten zugebilligt.264 Zur Begründung hat der XII. Zivilsenat des BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 28.11.1990 u.a. Folgendes ausgeführt:265 „Das Berufungsgericht hat angenommen, nicht der Kläger [=VR], sondern der frühere [als Schädiger in Anspruch genommene] Zweitbeklagte sei als Leistender anzusehen; er habe sich des Klägers als seines ‚Anweisungsempfängers‘ bedient. Dem kann indessen nicht gefolgt werden. Ein sogenannter Anweisungsfall (vgl. …) liegt nicht vor. Nach der rechtsfehlerfrei getroffenen und unangegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts wollte der Kläger durch die Zahlung eine Haftpflichtschuld des früheren Zweitbeklagten gegenüber der W.-GmbH erfüllen. Zu dieser Freistellung seines Versicherungsnehmers glaubte er sich aufgrund des fehlerfreien Deckungsverhältnisses (Versicherungsvertrag mit den Architekten) verpflichtet. Damit leistete er – wie Haftpflichtversicherer bei Zahlung an den Gläubiger regelmäßig – nicht auf eigene Schuld, sondern auf die Schuld des Versicherungsnehmers. Eine Leistung des Haftpflichtversicherers auf eigene Schuld kommt nur ausnahmsweise in Betracht, so gemäß dem Pflichtversicherungsgesetz oder nach einem den VR selbst verpflichtenden Vergleich (vgl. …). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Das bedeutet aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, daß der Kläger auf Anweisung des früheren Zweitbeklagten gezahlt hat. Dieser hatte ihm nur mitgeteilt, daß er von dem Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werde, also den Versicherungsfall gemeldet, und die Ansicht geäußert, das Verlangen sei berechtigt. Darin liegt keine Anweisung, nicht einmal im weiteren Sinne eine Weisung. Eine solche steht dem Versicherungsnehmer auch nicht zu, und der Haftpflichtversicherer würde sie nicht zu befolgen brauchen. Vielmehr prüft der Versicherer, ehe er eine Zahlung an den Gläubiger leistet, außer dem Versicherungsvertrag (Deckungsverhältnis) auch die Berechtigung der Forderung des Gläubigers gegen den Versicherungsnehmer. Erst wenn diese Prüfung des Valutaverhältnisses zu dem Ergebnis führt, daß dem Gläubiger die erhobene Forderung zusteht, zahlt der Versicherer auf die Schuld seines Versicherungsnehmers. Dem entspricht die Handhabung im vorliegenden Fall. Als der frühere Zweitbeklagte mitteilte, der Beklagte mache ihn haftpflichtig, hat der Kläger geprüft, ob der Anspruch bestand. Dabei sind ihm Zweifel an der Sachbefugnis des Beklagten gekommen. Diese hat der Kläger nach weiteren Angaben des Beklagten für ausgeräumt gehalten, sich deshalb zur Zahlung auf die vermeintliche Schuld des früheren Zweitbeklagten entschlossen und an den Beklagten gezahlt.“ [Klammerzusätze und Hervorhebung durch den Verfasser]
Diese Begründung überzeugt. Zu beachten ist, dass es sich bei der Leistungshandlung nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um einen Realakt handelt, sodass es für die Einordnung des VR als Dritter i.S.v. § 267 BGB nicht davon abhängen kann, ob der VR gerade „im Namen“ des Schuldners leistet.266 Für die Person des Dritten kommt es vielmehr darauf an, ob der VR die
261 K. Sieg ZVersWiss 1965 358, 370; Schirmer 87 f.; Baumann ZVersWiss 1970 193, 195; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 67; Späte § 3 AHB Rn. 25; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 149 Rn. 47; aus dem aktuellem Schrifttum Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 88. 262 K. Sieg 216. 263 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 88. 264 BGH 29.2.2000 – VI ZR 47/99, RuS 2000 264; BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 68 ff. = NJW 1991 919; vgl. auch BGH 16.2.2017 – IX ZR 165/16, NJW 2017 3376 Rn. 11 (Rechtsschutzversicherung); zustimmend OLG Frankfurt/M. 11.10.2010 – 21 U 56/08, VersR 2011 390, 392; Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 44; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 205; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 77. 265 BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 65 f. = NJW 1991 919. 266 Vgl. Staudinger/Bittner (2019) § 267 Rn. 5. 167
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Leistung an den Gläubiger aus eigenem Antrieb für den Schuldner bewirkt oder ob er nur Erfüllungsgehilfe des Schuldners i.S.d. § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB ist.267 110 Im Unterschied zu den Anweisungsfällen erfolgt die Zahlung des VR in der freiwilligen Haftpflichtversicherung nicht auf Veranlassung des VN. Der VR nimmt die Zahlung vielmehr erst nach Prüfung des Versicherungsvertrages (Deckungsverhältnis) und der Berechtigung der Forderung des Dritten gegen den VN vor. Erst wenn diese Prüfung des Valutaverhältnisses zu dem Ergebnis führt, dass dem Dritten die geltend gemachte Forderung zusteht, zahlt der VR auf die Schuld des VN.268 Dabei bewirkt der VR die Zahlung nicht als Erfüllungsgehilfe des VN, sondern aus eigenem Antrieb in Erfüllung seiner Rechtspflicht gegenüber dem VN aus § 100. Es handelt sich somit um eine (Dritt-)Leistung des VR. Nichts anderes gilt, wenn der VN den Freistellungsanspruch vor der Zahlung des VR an den Dritten abgetreten hat. Auch hier erfolgt der Bereicherungsausgleich zwischen dem VR und dem Dritten.
111 b) Zahlung an den VN. Leistet der VR nicht an den geschädigten Dritten, sondern an den VN – sei es mit Zustimmung des Dritten, sei es nach Erfüllung des Anspruchs des Dritten durch den VN – erfolgt der Bereicherungsausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zwischen VR und VN.
2. Fehlender Rechtsgrund im Versicherungsverhältnis 112 a) Zahlung an den geschädigten Dritten. Dagegen kann der geschädigte Dritte nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in Anspruch genommen werden, wenn der VR an ihn geleistet hat, obwohl kein Versicherungsschutz bestand oder dieser nachträglich entfallen ist. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass der VR – auch bei fehlendem Direktanspruch – aufgrund der uneingeschränkten Verhandlungsvollmacht aus Ziff. 5.2 AHB – der maßgebliche Ansprechpartner des Geschädigten ist; dieser soll – so der BGH – „sich auf das Wort des VR verlassen können, ohne von sich aus nachforschen zu müssen, ob der VR seinem VN, dem Schädiger, gegenüber (teilweise) leistungsfrei ist“.269 Aus der Sicht des Geschädigten sind ihm gegenüber erbrachte Zahlungen deshalb dahin zu verstehen, dass der VR seinem VN gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkennt.270 Dies schließt es nach Ansicht des BGH aus, dass der VR sich dem Geschädigten gegenüber auf ihm bis dahin bekannte Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis berufen kann. Die Leistung des VR für den VN verbleibt also bei dem Dritten. Bereicherungsschuldner ist der VN, weil er durch seinen VR von einer Haftpflichtschuld befreit worden ist, ohne dass gegen diesen ein Freistellungsanspruch bestanden hat.271 Daran ändert sich auch nichts im Fall der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten.272 267 Vgl. Staudinger/Bittner (2019) § 267 Rn. 5; MüKoBGB/Krüger § 267 Rn. 9 f. 268 BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 68 ff. = NJW 1991 919; BGH 29.2.2000 – VI ZR 47/99, RuS 2000 264; OLG Frankfurt/M. 11.10.2010 – 21 U 56/08, VersR 2011 390, 392. 269 BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, NJW-RR 2009 382, 383; BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, BGHZ 169 232, 237 f. = NJW 2007 69; BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 65 f. = NJW 1991 919; BGH 7.10.2003 – VI ZR 392/02, NJW-RR 2004 109, 110 = VersR 2003 1547; vgl. auch OLG Düsseldorf 26.11.2020 – 5 U 356/19, BeckRS 2020 43877; OLG Düsseldorf 7.5.2019 – 23 U 142/18, BeckRS 2019 47844. 270 Zur Rechtsnatur des Anerkenntnis vgl. BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, NJW-RR 2009 382, 38; BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 65 f. = NJW 1991 919. 271 BGH 5.3.1964 – II ZR 220/62, VersR 1964 474; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 77; Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 45; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 89; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 206; K. Sieg 216. 272 Vgl. BGH 2.11.1988 – IVb ZR 102/87, BGHZ 105 365 = NJW 1989 900 (Rückforderung der an den Zessionar gezahlten Versicherungssumme in der Feuerversicherung). Koch
168
B. Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes (Ziff. 5.1 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Nach Urteil des RG vom 23.4.1940273 bleibt eine vom VR im eigenen Namen gegenüber dem 113 geschädigten Dritten übernommene Verpflichtung auch dann rechtsbeständig, wenn sich für den VR nachträglich herausstellt, dass er gar keinen Versicherungsschutz zu leisten braucht.274 Soweit es sich dabei um eine Rentenzahlungsverpflichtung handelt, wird der VN demgemäß einem laufend neu entstehenden Bereicherungsanspruch ausgesetzt.
b) Leistung an den VN. Erbringt der VR Zahlungen an oder Rechtsschutzleistungen für den 114 VN, richtet sich der Bereicherungsanspruch gegen diesen. Der VN kann sich gegenüber dem Bereicherungsanspruch des VR nicht erfolgreich mit der Einlassung verteidigen, dass er deshalb nicht bereichert sei, weil ein anderer VR im Risiko gewesen sei, der nunmehr mit Rücksicht auf die Leistung des zu Unrecht von seiner eigenen Leistungspflicht ausgehenden ersten VR nichts mehr zu erbringen habe. Die Bereicherungsschuld tritt dann an die Stelle der Haftpflichtverbindlichkeit, sodass der VN durch die Erfüllung der Bereicherungsschuld in seinen Rechten als VN gegenüber dem anderen VR nicht beeinträchtigt wird.275 Dagegen soll der VR bereits erbrachte Zahlungen nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen können, wenn er wegen einer erst nach der Zahlung begangenen Obliegenheitsverletzung des VN leistungsfrei wird.276 Dies begründet der BGH damit, dass der Gedanke, dass ein Vertragspartner eine empfangene Leistung, die ihm zum Zeitpunkt der Erfüllung auch zugestanden habe, wegen einer nachträglichen Pflichtverletzung herauszugeben hätte, dem Bürgerlichen Recht fremd sei.277
3. Doppelmangel Soweit ein Fall des sogenannten Doppelmangels vorliegt, wenn also sowohl eine Überzahlung 115 im Haftpflichtverhältnis als auch die hier erörterte Alternative des Nichtbestehens des Versicherungsschutzes gegeben sind, ist dem VR ein unmittelbarer Anspruch gegen den geschädigten Dritten zuzubilligen.278
4. Kondiktionsausschluss (§ 814 BGB) Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zu- 116 rückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Der Leistende muss nicht nur sämtliche Umstände gekannt haben, aus denen sich seine fehlende Leistungsverpflichtung ergibt, sondern auch positive Kenntnis davon gehabt haben, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Dabei genügt es nicht, dass dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt; der Leistende muss vielmehr aus diesen Tatsachen auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Stellt sich eine rechtliche Einschätzung später als fehlerhaft
273 274 275 276 277 278
RG 23.4.1940 – VII 206/39, JRPV 1940 100, 101. Vgl. dazu K. Sieg 186 ff. BGH 5.3.1964 – II ZR 220/62, VersR 1964 474; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 90. BGH 2.10.1985 – IVa ZR 18/84, VersR 1986 77, 79; OLG Hamm 28.11.1990 – 20 U 174/89, VersR 1991 1168. BGH 2.10.1985 – IVa ZR 18/84, VersR 1986 77, 79; OLG Hamm 28.11.1990 – 20 U 174/89, VersR 1991 1168. Langheid/Wandt/Wandt § 108 VVG Rn. 46; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 100 VVG Rn. 77; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 88; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 207; K. Sieg 216 f.
169
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
heraus, ist § 814 BGB nicht anwendbar.279 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis ist der Zeitpunkt der Leistung.280 117 Bloße Zweifel des VR am Bestehen des Haftpflicht- oder Versicherungsanspruchs stehen einem Bereicherungsanspruch gegen den Dritten oder den VN somit grundsätzlich nicht entgegen. Entscheidend für den Kondiktionsausschluss nach § 814 BGB ist jedoch, wie das Verhalten des VR aus der Sicht des Zahlungsempfängers objektiv zu verstehen ist.281 Bringt der VR trotz unklarer Rechtslage bestehende Zweifel gegenüber dem Dritten oder dem VN nicht zum Ausdruck, dürfen diese in der Regel annehmen, dass der VR den Fall abschließend regulieren und bereits geleistete Zahlungen auch für den Fall neuer Erkenntnisse nicht zurückfordern will.282 Dies gilt insbesondere für den Fall, dass bei unverändertem Sachverhalt dieser etwa i.S.v. Ziff. 26.2 Satz 2 AHB unterschiedliche Wertungen in der Abwägung zulässt.283 118 Um sicherzugehen, dass die Rückforderung nicht nach § 814 BGB gesperrt ist, muss der VR die Zahlung ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbringen.284 In diesem Fall ist dem Empfänger die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB genommen.285 Die Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ ist dagegen problematisch, da sie auch in dem Sinn verstanden werden kann, dass der VR die Auffassung vertritt, nur im geleisteten Umfang zur Zahlung verpflichtet zu sein.286 Will der VR in den Fällen, in denen ein Ausschlusstatbestand in Rede steht, der mangels Voraussetzungsidentität von Haftung und Deckung nicht mit bindender Wirkung für den VR vom Haftpflichtrichter festgestellt werden kann, sichergehen, dass er die Kosten der Anspruchsabwehr zurückfordern kann, wenn im Deckungsprozess das Vorliegen des Ausschlusses festgestellt wird, muss er die Rechtsschutzleistungen ebenfalls unter Rückforderungsvorbehalt erbringen (Rn. 24).
IV. Beweislast 119 Hinsichtlich der Verteilung der Beweislast gelten die allgemeinen Regeln. Danach trägt jeder die Darlegungs- und Beweislast für die ihm günstigen Tatsachen. Der VN muss somit dartun und beweisen, dass er aus einem im Versicherungsvertrag unter Versicherungsschutz gestellten Rechtsverhältnis haftpflichtig gemacht wird. Sekundäre Risikobeschränkungen in Form von Ausschlüssen hat der VR zu beweisen. Letzteres gilt auch für Obliegenheitsverletzungen, auf die sich der VR gegenüber dem VN zum Zwecke der (teilweisen) Leistungsfreiheit beruft.287
279 St.Rspr., vgl. BGH 28.11.1990 – XII ZR 130/89, BGHZ 113 62, 70 = NJW 1991 919; BGH 23.10.1980 – IVa ZR 45/ 80, NJW 1981 277, 278; OLG Frankfurt/M. 11.10.2010 – 21 U 56/08, VersR 2011 390, 392; OLG Köln 3.4.2009 – 20 U 168/08, NJW-RR 2010 244; OLG Schleswig 18.5.2001 – 14 U 153/00, BeckRS 2001 30181815. 280 St. Rspr., vgl. BGH 10.3.2004 – IV ZR 75/03, RuS 2004 404, 405; OLG Frankfurt 11.10.2010 – 21 U 56/08, BeckRS 2010 30830; OLG Oldenburg 12.2.1992 – 2 U 215/91, RuS 1992 239, 240. 281 OLG Naumburg 8.11.2011 – 9 U 106/11, BeckRS 2011 27063; OLG Schleswig 18.5.2001 – 14 U 153/00, BeckRS 2001 30181815; OLG Koblenz 20.9.1983 – 3 U 1636/82, NJW 1984 134, 135; Grüneberg/Sprau § 814 Rn. 3. 282 Vgl. LG Baden-Baden 21.3.1986 – 2 O 447/85, RuS 1986 289, 290; vgl. auch LG Magdeburg 26.4.2011 – 10 O 75/ 10, BeckRS 2011 27062. 283 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 91; vgl. auch LG Baden-Baden 21.3.1986 – 2 O 447/85, RuS 1986 289, 290. 284 BGH 16.7.2003 – IV ZR 310/02, RuS 2003 378, 379; OLG Naumburg 8.11.2011 – 9 U 106/11, BeckRS 2011 27063; OLG Koblenz 14.1.2010 – 10 U 411/09, RuS 2011 120, 121. 285 OLG Köln 27.9.2016 – 9 U 26/16, VersR 2017 478, 481; vgl. auch BGH 20.10.2005 – III ZR 37/05, NJW 2006 286, 288; BGH 8.6.1988 – IVb ZR 51/87, NJW 1989 161, 162 (nicht versicherungsrechtliche Fälle). 286 OLG Naumburg 8.11.2011 – 9 U 106/11, BeckRS 2011 27063; OLG Koblenz 20.9.1983 – 3 U 1636/82, NJW 1984 134; LG Magdeburg 26.4.2011 – 10 O 75/10, BeckRS 2011 27062 (Vorinstanz); vgl. aber auch BGH 16.7.2003 – IV ZR 310/02, RuS 2003 378, 379; zur Mehrdeutigkeit dieser Formulierung Filthaut VersR 1997 525, 526 f. 287 BGH 21.2.1957 – II ZR 175/55, BGHZ 23 358 = NJW 1957 907; BGH 22.6.1967 – II ZR 217/64, VersR 1967 769, 770. Koch
170
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Im Hinblick darauf, dass der VR auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche schuldet, gel- 120 ten jedoch Besonderheiten, soweit die Haftpflichtigkeit des VN nicht (rechtskräftig) festgestellt worden ist. So bedarf es zur Entstehung des Rechtsschutzanspruchs nicht des Nachweises, dass die Forderung des Dritten berechtigt ist oder dass die von der Gegenseite zur Begründung der Haftpflicht aus dem versicherten Rechtsverhältnis oder der versicherten Eigenschaft behaupteten Tatsachen zutreffen. Behauptet der Dritte (innere oder äußere) Tatsachen, die den Versicherungsschutz für den erhobenen Anspruch nachteilig berühren, kommt es für die Entstehung des Rechtsschutzanspruchs auf die Angaben des VN an, soweit diese nicht offenkundig falsch sind. Die Angaben des VN müssen – ihre Wahrheitsgemäßheit unterstellt – einen versicherten Haftpflichtanspruch begründen können (Rn. 17). Geht es um die Rückforderung von Leistungen, die der VR an den VN oder den geschädig- 121 ten Dritten bereits erbracht hat, trägt der VR die Beweislast für die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.288 Er muss darlegen und beweisen, dass er die nunmehr zurückgeforderte Leistung ohne Rechtsgrund erbracht hat, weil der Haftpflichtanspruch und/oder der Versicherungsanspruch nicht besteht.289 Beruft er sich gegenüber dem VN auf (teilweise) Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung, obliegt dem VR – anders als im Prozess des VN auf Versicherungsleistung – die Darlegungs- und Beweislast für die nachteiligen Folgen einer Obliegenheitsverletzung.290 Er hat nicht nur den Vorsatzbeweis zu führen, sondern auch den Kausalitätsgegenbeweis.291 Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert sich nicht dadurch, dass der VR 122 Leistungen unter dem Vorbehalt des Bestehens der noch nicht endgültig geprüften Forderung erbringt.292 Entgegen Lücke muss der Empfänger (VN oder Dritter) die Leistung als ordnungsmäßige Erfüllung gegen sich gelten lassen und darf sie nicht zurückweisen.293 Zu Recht weist der BGH darauf hin, dass ein Schuldner mit einem solchen Vorbehalt im Allgemeinen nicht die Erfüllungswirkung des § 362 BGB infrage stellen will, sondern lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen will, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, das Geleistete gem. § 812 BGB zurückzufordern.294
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB) I. Regelungsgegenstand von Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB betreffen die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs, die in § 106 Satz 1 123 VVG normiert ist und von der gem. § 112 VVG nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden darf. Nach § 106 Satz 1 VVG hat der VR den VN innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den VR durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen. Die Verfasser der AHB haben diesen Wortlaut nicht übernommen und stattdessen den Beginn der Zweiwochenfrist in Ziff. 5.1 Satz 4 AHB an die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR angeknüpft, ohne den Rechtsgrund für die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung zu nennen. Erst aus dem 288 BGH 9.6.1992 – VI ZR 215/91, RuS 1993 333, 335; BGH 20.9.1982 – II ZR 186/81, NJW 1983 220, 221; BGH 21.10.1982 – VII ZR 369/80, NJW 1983 626; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 92. 289 BGH 9.6.1992 – VI ZR 215/91, RuS 1993 333, 335. 290 BGH 10.10.2007 – IV ZR 95/07, VersR 2008 241, 242; BGH 14.12.1994 – IV ZR 304/93, VersR 1995 281, 282. 291 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 92. 292 BGH 9.6.1992 – VI ZR 215/91, RuS 1993 333, 335; a.A. Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 210. 293 Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 93. 294 BGH 9.6.1992 – VI ZR 215/91, RuS 1993 333, 335; vgl. auch BGH 8.2.1984 – IV b ZR 52/82, NJW 1984 2826, 2827. 171
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Zusammenspiel von Ziff. 5.1 Satz 2 und 3 AHB erschließt sich dem VN, dass die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung mit bindender Wirkung für den VR „aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches“ erfolgt sein muss und Anerkenntnisse und Vergleiche, die ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen werden, den VR nur binden, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. Was unter dem Begriff der Bindungswirkung zu verstehen ist und warum (Rechtsgrund) diese besteht, bleibt jedoch offen, so dass ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 106 Satz 1 VVG erforderlich ist. Im Übrigen fehlt der Hinweis darauf, dass der VR der seiner Rechtsschutzverpflichtung nicht nachkommt, bis zur Grenze leichtfertigen Verhaltens an Anerkenntnisse und Vergleiche des VN gebunden ist (Rn. 138). Im Hinblick auf diesen fehlenden Hinweis lässt sich durchaus die Frage stellen, ob Ziff. 5.1 Satz 3 AHB mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vereinbar ist.
II. Feststellung des Haftpflichtanspruchs durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich 124 Bei dem Begriff des rechtskräftigen Urteils handelt es sich um einen festumrissenen Begriff der Rechtssprache, bei dem im Zweifel anzunehmen ist, dass auch die AHB darunter nichts anderes verstehen wollen. Bei den Begriffen „Anerkenntnis“ und „Vergleich“ ist dagegen fraglich, ob es sich um festumrissene Begriffe der Rechtssprache handelt. Da Ziff. 5.1 Satz 2 AHB erkennbar auf die gesetzliche Regelung des § 106 Satz 1 VVG Bezug nimmt, ist jedoch auch für diese Begriffe die Auslegung des § 106 Satz 1 VVG zu Grunde zu legen.295
1. Rechtskräftiges Urteil 125 a) Begriff. Im Zivilprozessrecht wird zwischen der formellen (äußeren) Rechtskraft (§ 705 ZPO) und der materiellen (inneren) Rechtskraft (§ 322 ZPO) unterschieden. Letztere sichert den inhaltlichen Bestand einer formell endgültigen Entscheidung in der Weise, dass eine einmal getroffene Entscheidung über das konkrete Verfahren hinaus für die Verfahrensbeteiligten verbindlich ist. Materiell rechtskräftig werden Entscheidungen erst mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft.296 Formell rechtskräftig ist ein Urteil, wenn es nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel oder einem Einspruch angefochten werden kann (§ 705 ZPO).297 Im Hinblick darauf, dass materielle und formelle Rechtskraft zeitlich zusammenfallen, ist diese Unterscheidung für die Bestimmung der Fälligkeit des Freistellungsanspruchs ohne Bedeutung. Unter den Begriff des „rechtskräftigen Urteils“ i.S.v. Ziff. 5.1 Satz 2 AHB i.V.m. § 106 Satz 1 VVG fallen alle auf Zahlung gerichteten Endurteile und somit auch Versäumnis- und Anerkenntnisurteile sowie im schiedsrichterlichen Verfahren erlassene Schiedssprüche, die nach § 1055 ZPO unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils haben.298 Einem rechtskräftigen Urteil i.S.v. Ziff. 5.1 Satz 2 AHB i.V.m. § 106 Satz 1 VVG gleich steht die Eintragung der Haftpflichtforderung in die Insolvenztabelle (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO) (zur Bindungswirkung einer widerspruchslos eingetragenen Haftpflichtforderung s. Rn. 156)299 oder ein in Rechtskraft erwachsenes (klagestattgebendes) Urteil in einem nach § 183 InsO geführten Prüfungsprozess. Die in einem Adhäsionsverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über den Antrag, 295 296 297 298
Vgl. BGH 10.3.2003 – VIII ZR 135/02, NJW 2003 2607, 2608; Koch VersR 2015 133, 143. MüKoZPO/Gottwald § 322 Rn. 24. Vgl. Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 18; Rüffer/Halbach/Schimikowski § 106 VVG Rn. 7. Koch SchiedsVZ 2007 281, 285; Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 7; Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 19; Rüffer/Halbach/Schimikowski § 106 VVG Rn. 7. 299 OLG Köln 29.1.2008 – 9 U 71/07, BeckRS 2008 22056. Koch
172
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
durch den der Verletzte den ihm aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch (§ 403 f. StPO) geltend macht, steht gem. § 406 Abs. 3 Satz 1 StPO einem im Bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen rechtskräftigen Urteil gleich (zur Bindungswirkung s. Rn. 147).300
b) Zwischenurteile. Ziff. 5.1 Satz 2 AHB unterscheidet nicht zwischen Endurteilen und Zwi- 126 schenurteilen, so dass auch ein rechtskräftiges Zwischenurteil über den Grund i.S.v. § 304 ZPO Fälligkeit auslösen kann, wenn die Höhe der Entschädigung unstreitig ist.301 c) Vorläufig vollstreckbare Urteile. In der Kommentarliteratur zu § 106 Satz 1 VVG wird die 127 Ansicht vertreten, auch ein nur vorläufig vollstreckbares Urteil könne die Fälligkeit auslösen, wenn daraus der Dritte die Vollstreckung betreibe und eine Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung nicht möglich sei.302 Retter hat sich insoweit für eine analoge Anwendung von § 106 Satz 1 VVG ausgesprochen.303 Einer Analogie tritt Littbarski unter Hinweis auf den „eindeutigen Gesetzeswortlaut“ und wegen fehlender Regelungslücke entgegen. Die Problematik sei dem Gesetzgeber bekannt gewesen.304 In der Tat ist fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Analogie vorliegen. Zunächst einmal ist der Hinweis geboten, dass der VR gem. § 101 Abs. 3 Satz 1 zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist, wenn dem VN nachgelassen ist, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung nach §§ 711, 712 Abs. 1, 720a Abs. 3 ZPO abzuwenden. Die Frage der analogen Anwendung des § 106 Satz 1 VVG stellt sich somit nur in den Fällen, in denen der VN die Vollstreckung nicht durch Sicherheitsleistung abwenden kann, weil der Geschädigte Sicherheit leistet (§ 709 ZPO), es sich um ein Urteil handelt, das ohne Sicherheitsleistung des Geschädigten vollstreckbar ist (§ 708 Nr. 1 bis 3 ZPO) oder das Urteil unzweifelhaft nicht rechtsmittelfähig ist (§ 713 ZPO). Ohne Sicherheitsleistung sind vollstreckbar Anerkenntnis- und Versäumnisurteile. Da ein Anerkenntnis des VR nach Ziff. 5.1 Satz 2 AHB und ein solches des VN nach Ziff. 5.1 128 Satz 3 AHB fälligkeitsbegründend sein kann, geht es vor allem um den Schutz des VN bei Versäumnisurteilen und in den Fällen, in denen der Geschädigte Sicherheit leistet. In Anbetracht der vertraglichen Risikoverteilung in der Haftpflichtversicherung kann kein Zweifel daran bestehen, dass der VR in all diesen Konstellationen im Rahmen seiner Verpflichtung zur Rechtsschutzgewährung Zahlung (unter Vorbehalt des Rechtskrafteintritts) an den Geschädigten leisten muss, wenn dieser die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreibt. Da der VR das Risiko von Fehleinschätzungen in Bezug auf die Un-/Begründetheit des Haftpflichtanspruchs trägt, hat er den VN gem. Ziff. 5.1 Satz 1 AHB von allen Nachteilen freizustellen, die diesem im Zusammenhang mit der erfolglosen Abwehr des Haftpflichtanspruchs entstehen (Rn. 47). Rechtstechnisch lässt sich dieses Ergebnis im Hinblick auf die Fälligkeit des Anspruchs des VN gegen den VR durch eine analoge Anwendung von § 101 Abs. 3 Satz 1 VVG erreichen. Dabei trägt der VR auch das Risiko, dass nach rechtskräftigem Obsiegen vom geschädigten Dritten wegen dessen Vermögenslosigkeit nichts zurückzuerlangen ist.
300 BGH 20.1.2015 – VI ZR 27/14, NJW 2015 1252 Rn. 6. 301 Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 3; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 154 Rn. 2; vgl. auch Bruck/Möller/ Koch § 106 VVG Rn. 9.
302 Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 4; Berliner Kommentar/Baumann § 154 Rn. 11; a.A. Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 17; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 106 VVG Rn. 9; offenlassend: BGH 25.9.2014 – IX ZB 117/12, NJW-RR 2015 821 Rn. 8. 303 Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 4. 304 Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 17. 173
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
2. Anerkenntnis 129 Der Begriff des Anerkenntnisses i.S.v. Ziff. 5.1 Satz 2 AHB i.V.m. § 106 Satz 1 VVG entspricht dem des § 105 VVG und umfasst sowohl das konstitutive (§ 781 BGB) als auch das deklaratorische sowie das prozessuale Anerkenntnis i.S.v. § 307 ZPO.305 Kein Anerkenntnis i.S.v. § 105 VVG ist das tatsächliche Anerkenntnis. Gleichwohl kann es mittelbar Bindungswirkung entfalten. Dabei ist zwischen inner- und außerprozessualen Tatsachenzugeständnissen zu unterscheiden. In einem Prozess zugestandene Tatsachen entfalten die Wirkung des § 288 ZPO und sind damit – über das rechtskräftige Urteil – für den VR ebenfalls mittelbar bindend.306 Außerprozessualen Tatsachenzugeständnissen (mündliche oder schriftliche Erklärung, z.B. eine Quittung, oder ein Geständnis in einem anderen Rechtsstreit) kommt im Rahmen der Beweiswürdigung dagegen nur indizielle Bedeutung zu.307 Sie stellen lediglich eine Erkenntnisquelle (Hilfstatsache) für die Beweiswürdigung dar, soweit die zugestehende Partei diese nicht ausdrücklich oder schlüssig im Rechtsstreit wiederholt.308 130 In der Insolvenz des VN ist zu beachten, dass das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters für die Eintragung der Haftpflichtforderung zur Tabelle nicht ausreicht, weil der Insolvenzverwalter nicht uneingeschränkt alleine über das Vermögen des Insolvenzschuldners verfügen kann. Vielmehr gilt nach § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Forderung nur insoweit als festgestellt, als gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren nach § 177 InsO ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder als ein erhobener Widerspruch beseitigt ist.
3. Vergleich 131 Der Begriff des Vergleichs i.S.v. Ziff. 5.1 Satz 2 AHB i.V.m. § 106 Satz 1 VVG bestimmt sich nach § 779 BGB. Der Vergleich ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten einen Streit oder eine Ungewissheit durch beiderseitiges Nachgeben ausräumen. Ein Nachgeben liegt vor, wenn die Parteien, um zur Einigung zu gelangen, Zugeständnisse machen. Es genügt, wenn das Nachgeben gering ist, z.B. die Fälligkeit der Forderung, die Zinsen oder Kosten betrifft. Überschneidungen mit einem Anerkenntnis sind möglich, weil nach der Rechtsprechung auch ein Anerkenntnis des Schuldners als Nachgeben zu werten sein kann.309 Im Hinblick auf die Doppelnatur des Prozessvergleichs – als Prozesshandlung führt er zur Prozessbeendigung, als materiell-rechtlicher Vertrag zur Streitbeendigung310 – fällt auch dieser unter den Begriff des Vergleichs i.S.v. § 106 Satz 1.311
III. Bindungswirkung für den VR 132 Weitere Voraussetzung für die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs ist gem. Ziff. 5.1 Satz 4 AHB, dass der Haftpflichtanspruch „mit bindender Wirkung“ für den VR festgestellt worden
305 Zu näheren Einzelheiten vgl. Bruck/Möller/Koch § 105 VVG Rn. 14 ff.; Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 32 ff. 306 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 29; Langheid Liber Amicorum Winter (2011) 367, 373. 307 BGH 19.12.1984 – IVb ZR 86/82, FamRZ 1985 271, 272 f.; BGH 15.3.2004 – II ZR 136/02, NJW-RR 2004 1001. 308 BGH 19.5.2005 – III ZR 265/04, NJW-RR 2005 1297, 1298; MüKoZPO/Prütting § 288 Rn. 38; Musielak/Huber § 288 Rn. 2. 309 Bruck/Möller/Koch § 105 VVG Rn. 16. 310 Vgl. BGH 14.5.1987 – III ZR 267/85, NJW 1988 65; BGH 3.12.1980 – VIII ZR 274/79, BGHZ 79 71, 74 = NJW 1981 823; BVerwG 10.3.2010 – 6 C 15/09, NJW 2010 3048. 311 Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 35; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst § 106 VVG Rn. 4. Koch
174
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
ist. Da Ziff. 5.1 Satz 4 AHB auf die gesetzliche Regelung des § 106 Satz 1 VVG Bezug nimmt, sind für die Bestimmung und die Voraussetzungen der Bindungswirkung die von der Rechtsprechung zu § 106 Satz 1 VVG bzw. § 154 VVG a.F. hierzu entwickelten Grundsätze zu Grunde zu legen.
1. Begriff der Bindungswirkung Die Bindungswirkung bezieht sich auf die Verpflichtung des VN zum Schadensersatz, d.h. 133 auf den Haftungstatbestand. Die Formulierung „mit bindender Wirkung“ ist dahingehend zu verstehen, dass der VR das rechtskräftige Haftpflichturteil, den zwischen dem VN und dem geschädigten Dritten abgeschlossenen Vergleich sowie ein vom VN abgegebenes Schuldanerkenntnis seiner Entscheidung über den Freistellungsanspruch zugrunde legen muss. Im Gegensatz zur Rechtskraftwirkung erfasst die versicherungsrechtliche Bindungswirkung auch die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen des Haftpflichturteils. Insoweit ist sie weiter als die Rechtskraftwirkung und entspricht im Wesentlichen der Interventionswirkung des § 68 ZPO (Rn. 148). Durch die Bindungswirkung wird verhindert, dass die für die Haftpflicht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht relevanten Fragen nochmals zwischen dem VR und dem VN infrage gestellt werden können.312 Im Deckungsprozess werden nur noch die für die Feststellung des Versicherungsschutzes maßgeblichen Fragen geprüft (Eingreifen von primären und sekundären Risikobegrenzungen wie z.B. versicherte Eigenschaften oder Schäden, Ausschlüsse oder Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung). Soweit die Antwort auf diese Fragen von tatsächlichen Feststellungen des Haftpflichturteils abhängt, bilden diese Feststellungen auch die Grundlage für die Entscheidung im Deckungsprozess.313 Ist im Haftpflichtprozess eine für den Deckungsanspruch wesentliche Tatfrage offengeblieben, so ist sie im Deckungsprozess zu entscheiden.314 Dem VR bleibt es zudem unbenommen, sich im Deckungsprozess auf eine Kollusion zwischen VN und Drittem zu berufen, wobei ihn hierfür aber die Darlegungs- und Beweislast trifft.315
2. Rechtsgrund der Bindungswirkung Der VR ist nicht Partei des Haftpflichtverhältnisses. Er ist deshalb grundsätzlich auch weder 134 (Prozess-)Partei im Haftpflichtprozess zwischen dem geschädigten Dritten und der VN noch (Vertrags-)Partei eines Vergleichs oder Schuldbeitretender eines (konstitutiven) Schuldanerkenntnisses, das der VN gegenüber dem Dritten abgegeben hat. Die Bindungswirkung im Verhältnis zwischen VR und VN bedarf deshalb eines besonderen Rechtsgrundes. Die Rechtsprechung leitet sie im Wege der (ergänzenden) Auslegung des Leistungsversprechens aus dem
312 Vgl. BGH 4.4.2019 – III ZR 338/17, NJW 2019 1748 Rn. 27; BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 12; BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 14; OLG Düsseldorf 30.11.2018 – I-4 U 5/18, VersR 2019 537, 538 f.; Langheid/Rixecker/Langheid § 100 VVG Rn. 33; Langheid/Wandt/Littbarski Vorbem. §§ 100–112 Rn. 103; Lange VersR 2020 588, 590; Grau DStR 2019 1486, 1487; Tehrani VersR 2018 1166, 1168 ff. 313 Vgl. BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 11; BGH 8.12.2010 – V ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 13; Lange FS Thümmel 470. 314 Vgl. OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/18, RuS 2020 154, 156; OLG Rostock 12.2.2018 – 4 U 100/16, VersR 2018 608, 611; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 65; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 71 f. 315 Vgl. OLG Rostock 12.2.2018 – 4 U 100/16, VersR 2018 608, 611; OLG Celle 30.4.2009 – 8 U 11/09, VersR 2009 1257. 175
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Versicherungsvertrag her.316 Diese Rechtsprechung betrifft zwar nur die Bindungswirkung von Haftpflichtfeststellungen, die in einem Haftungsprozess (durch rechtskräftiges Urteil) getroffen wurden. Soweit Haftpflichtversicherungsverträge keine über § 106 Satz 1 VVG hinausgehenden Regelungen zur Bindungswirkung von Anerkenntnissen und Vergleichen enthalten, sind jedoch auch in solchen Fällen Reichweite und Umfang der Bindungswirkung von Anerkenntnissen und Vergleichen nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen.317 Es kommt somit darauf an, „was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Rege135 lungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten“.318 Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen. Die darin enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung.319 Der Zweck der Haftpflichtversicherung besteht darin, dass der VR die VN von den gegen diese erhobenen Haftpflichtansprüchen Dritter und deren Folgen auf welche Weise auch immer freihält. Dabei trifft den VR die Last, die Haftpflichtigkeit der VN zu prüfen. Will der VR den Anspruch bestreiten, so muss er alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist. Er hat notfalls den Haftpflichtprozess gegen den Dritten zu führen, zwar im Namen der VN, aber in eigener Verantwortung, auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko (vgl. Ziff. 5.2 AHB). Stets hat er dabei die Interessen des VN so zu wahren, wie dies ein von diesem beauftragter Anwalt tun würde (Rn. 172). Diese dem VR nach dem Versicherungsvertrag eingeräumte Regulierungsbefugnis und Abwehrzuständigkeit wird abgesichert durch Anzeige-, Aufklärungs-, Rettungs- und Weisungsbefolgungsobliegenheiten (vgl. Ziff. 25.1 bis 25.4 AHB) sowie die Obliegenheit, dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen (vgl. Ziff. 25.5 AHB). 136 Aus seiner umfassenden Vertretungsmacht in Verbindung mit den regulierungsbezogenen Obliegenheiten ergibt sich zum einen eine für den VR „akzeptable Richtigkeitsgewähr“ der Haftpflichtregulierung.320 Zum anderen ist die Rollenverteilung, die aus der Begrenzung der Regulierungsbefugnis der VN zugunsten des VR folgt, nur dann beiderseits interessengerecht, wenn die im Verfahren getroffenen Feststellungen zur Haftpflicht für den VR auch im Deckungsverhältnis verbindlich sind.321 Soweit der VR auf die Entscheidungsfindung des Gerichts, die Abgabe eines Anerkenntnisses oder den Abschluss eines Vergleichs Einfluss nehmen kann, widerspräche es daher dem Zweck des Haftpflichtversicherungsvertrages, dem VR zu erlauben, eine Bindung in Abrede zu stellen und der VN ein doppeltes Prozessrisiko aufzubürden (Fall des venire contra factum proprium, § 242 BGB).322 137 Tragender Grund für die Bindungswirkung und maßgeblich für die Bestimmung von Reichweite und Umfang der Bindungswirkung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ist somit die Möglichkeit des VR, die ihm bedingungsseitig zustehenden Rechte bei dem ge-
316 BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 281 = RuS 1992 406: „Die Bindungswirkung und das Trennungsprinzip sind dem im Versicherungsvertrag dem VN gegebenen Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers im Wege der Auslegung zu entnehmen“; vgl. auch BGH 28.9.2005 – IV ZR 255/04, VersR 2006 106, 107 = RuS 2006 149, 150; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, VersR 2001 1103, 1104 = NVersZ 2001 473; OLG Karlsruhe 31.10.2018 – 9 U 77/17, VersR 2020 472, 474; OLG Rostock 12.2.2018 – 4 U 100/16, VersR 2018 608, 610; OLG Köln 9.1.2018 – 9 U 33/17, BeckRS 2018 43719; OLG Frankfurt/M. 27.3.2014 – 7 U 242/13, NJW-RR 2014, 1376, 1377; OLG Saarbrücken 31.10.2007 – 5 U 510/06, BeckRS 2008 06461; KG 24.11.2006 – 6 U 122/06, VersR 2008 211, 212. 317 Bruck/Möller/Koch § 106 VVG Rn. 17 ff. 318 BGH 24.1.2008 – III ZR 79/07, NJW-RR 2008 562, 563; vgl. auch BGH 13.4.2010 – XI ZR 197/09, NJW 2010 1742, 1743; BGH 11.5.2009 – VII ZR 11/08, NJW 2009 2443, 2446; BGH 4.3.2004 – III ZR 96/03, BGHZ 158 201, 207 = NJW 2004 1590; BGH 29.4.1982 – III ZR 154/80, BGHZ 84 1, 7 = NJW 1982 2184; BGH 21.9.1994 – XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138, 142 = NJW 1994 3287; BGH 11.10.2005 – XI ZR 395/04, BGHZ 164 286, 292 = NJW 2006 54; jeweils m.w.N. 319 Vgl. allgemein zur ergänzenden Vertragsauslegung BGH 11.5.2009 – VII ZR 11/08, NJW 2009 2443, 2446. 320 Peters 46 f.; Hagen DNotZ 2000 809, 816; ders. NVersZ 2001 341 f. 321 Peters 45; Hagen DNotZ 2000 809, 816; ders. NVersZ 2001 341 f.; vgl. auch Harsdorf-Gebhardt RuS 2012 261, 262. 322 Vgl. Peters 50 f.; Berliner Kommentar/Baumann § 149 Rn. 189; Reiff VersR 1990 117, 120. Koch
176
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
richtlich und außergerichtlich geführten Streit über die Haftpflicht wahrzunehmen.323 Eine Bindungswirkung besteht deshalb nicht, wenn der VR mangels Kenntnis von dem Anspruch keine Möglichkeit hat, die Berechtigung des Anspruchs zu prüfen und den VN zu unterstützen.324 Soweit es um das Anerkenntnis der VN oder ein von der VN mit dem Geschädigten geschlossenen Vergleich geht, findet dies seinen Ausdruck in Ziff. 5.1 Satz 3 AHB. Darin wird die Bindung eines ohne Zustimmung des VR abgegebenen Anerkenntnisses oder geschlossenen Vergleichs davon abhängig gemacht, dass der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte, was im Zweifel durch einen Prozess der VN gegen den VR auf Freistellung festgestellt wird. Ob der VR von der Möglichkeit Gebrauch macht, seine Rechte wahrzunehmen, ist dagegen 138 ohne Bedeutung. Kommt er seiner Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz nicht nach und/oder entscheidet er sich gegen die Übernahme der Prozessführung, z.B. weil er sich nicht als zur Deckung verpflichtet ansieht, ist er grundsätzlich an die Feststellungen im Haftpflichtverhältnis gebunden, ohne dass es darauf ankommt, ob sie durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich getroffen worden sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die VN in zumindest leichtfertiger Weise seine eigenen wohlverstandenen Interessen missachtet, indem er einen Betrag anerkennt, der grob unbillig ist und den VR insoweit in sachlich nicht gerechtfertigter Weise belastet.325 Leichtfertigkeit ist dabei mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen.326 Keine Bindungswirkung besteht bei arglistigem oder sittenwidrigem Verhalten des VN.327
3. Folgerungen für den Umfang der Bindung a) Rechtskräftiges Urteil aa) Verfahrensherrschaft des Versicherers (1) Kontradiktorisches Urteil. Hat der VR die Verfahrensherrschaft über den Haftpflichtpro- 139 zess innegehabt, ist der VR grundsätzlich an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Haftpflichtgerichts gebunden, die die Haftung des VN im Grunde und der Höhe nach begründen.328 Bindungswirkung in diesem Sinne entfalten auch Urteile, bei denen der VR die Abwehr des Anspruchs (ganz oder teilweise) in die Hand des VN gelegt hat (ohne dass er zugleich die Deckung unberechtigt verweigert hat). Dies gilt auch für Schiedsgerichtsverfahren, 323 Vgl. BGH 10.3.2021 – IV ZR 309/19, BeckRS 2021 5162, Rn. 16; BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163 Rn. 12; BGH 19.3.2003 – IV ZR 233/01, VersR 2003 635, 636; BGH 11.10.1956 – II ZR 137/55, VersR 1956 707 f.; BGH 19.2.1959 – II ZR 171/57, VersR 1959 256, 257 f.; OLG Rostock 12.2.2018 – 4 U 100/16, VersR 2018 608, 611; OLG Frankfurt/M. 27.3.2014 – 7 U 242/13, NJW-RR 2014 1376, 1378; OLG Frankfurt/M. 23.4.2010 – 7 U 271/08, RuS 2010 325, 326; OLG Frankfurt/M. 22.10.2009 – 3 U 103/08, BeckRS 2010 224679; OLG Hamm 25.8.1989 – 20 U 98/89, NJWRR 1990 163. 324 BGH 10.3.2021 – IV ZR 309/19, VersR 2021 584 Rn. 16 (auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG); OLG Frankfurt/ M. 22.10.2009 – 3 U 103/08, RuS 2011 207 208 f.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 21; vgl. auch Hagen DNotZ 2000 809, 821; a.A. Krämer RuS 2001 177, 180 mit Hinweis auf § 158e a.F. unter Missachtung der dogmatischen Herleitung der Bindungswirkung; Glimpel 74 ff.; Klimke RuS 2014 105, 109; Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 5. 325 Vgl. OLG Nürnberg 9.8.2021 – 8 U 1012/21, BeckRS 2021 24810; OLG Frankfurt/M. 17.3.2021 – 7 U 33/19, BeckRS 2021 21425; OLG Frankfurt/M. 7.12.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617, 619 (zu § 154 a.F.), mit Anm. Koch VersR 2013 620, 623; Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 41; Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 6, 10. 326 Bruck/Möller/Koch § 106 VVG Rn. 31. 327 Vgl. OLG Frankfurt/M. 17.3.2021 – 7 U 33/19, BeckRS 2021 21425; Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 41; Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 6, 10. 328 BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 13; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, RuS 2001 408, 409 = VersR 2001 1103, 1104. 177
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
soweit dem VR die Mitwirkung am Schiedsgerichtsverfahren entsprechend der Mitwirkung des VR an Verfahren vor staatlichen Gerichten möglich ist.329 Da weder der VN noch der VR Einfluss darauf haben, ob „der Haftpflichtrichter ‚überschießende‘, nicht entscheidungserhebliche Feststellungen trifft oder nicht entscheidungserhebliche Rechtsausführungen macht“, besteht – ebenso wie bei der Streitverkündung330/Nebenintervention331 – Bindungswirkung jedoch nur insoweit, als tatsächliche und/oder rechtliche Feststellungen zur Haftung getroffen werden, die sich nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweisen (Grundsatz der Voraussetzungsidentität).332 Der für die Deckungspflicht bedeutsame Umstand muss somit auch für die Verurteilung des VN im Haftpflichtprozess relevant gewesen sein. Daran fehlt es, wenn das Haftpflichtgericht eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens oder eine wissentliche Pflichtverletzung ausdrücklich verneint und vielmehr eine solche wegen (grob) fahrlässiger Schadensherbeiführung/Pflichtverletzung bejaht, für die Haftung die Schuldform jedoch unerheblich ist und somit bereits Fahrlässigkeit ausreicht333 oder das Haftpflichtgericht offenlässt, ob Vorsatz vorliegt, weil bereits grobe Fahrlässigkeit genügt.334 Umgekehrt besteht mangels Voraussetzungsidentität allerdings auch keine Bindung zum Nachteil des VN, wenn das Haftpflichtgericht die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens bejaht, obgleich für die Haftung Fahrlässigkeit genügt.335 Voraussetzungsidentität zwischen Haftung und Deckung besteht hinsichtlich der Frage, ob 140 dem VN überhaupt eine Pflichtverletzung zur Last zu legen ist, die einen Schadensersatzanspruch und damit einen Haftpflichtfall auslöst.336 Ist im Haftungsprozess festgestellt worden, dass der VN beim Fußballspiel durch ein Foulspiel seinem Gegenspieler Schien- und Wadenbein gebrochen hat, ist diese Feststellung im Deckungsprozess maßgeblich. Behauptet der bei einem Fahrradsturz Geschädigte im Haftpflichtprozess, dass er seine Fußverletzung nicht durch den fahrlässig vom VN verursachten Sturz erlitten hat, sondern durch ein „Herumspringen“ des VN auf dem Fahrrad im Anschluss an den Sturz, und stellt das Haftpflichtgericht fest, dass die Fußverletzung auf dem Sturz beruhte, ist das über den Deckungsrechtsstreit zu entscheidende Gericht an diese tatsächliche Feststellung ebenso gebunden wie an die Bemessung des Schmerzensgeldes (§ 287 ZPO), die an diese tatsächliche Feststellung anknüpft.
329 Vgl. Koch SchiedsVZ 2007 281, 290; wohl Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 59; zögernd Späte/Schimikowski/ Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 68. 330 Vgl. BGH 18.12.2014 – VII ZR 102/14, NJW 2015 559 Rn. 20 „Die Bindungswirkung einer in einem Rechtsstreit erfolgten Streitverkündung kommt nicht nur dem Entscheidungsausspruch, sondern auch den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zu, auf denen das Urteil im Vorprozess beruht. Sie greift dagegen nicht für Feststellungen des Erstgerichts, auf denen sein Urteil nicht beruht (sog. überschießende Feststellungen). Dafür kommt es nicht auf eine subjektive Sichtweise des Gerichts, sondern darauf an, worauf die Entscheidung des Erstprozesses objektiv nach zutreffender Rechtsauffassung beruht. Jedoch muss der Empfänger einer Streitverkündung auch damit rechnen, dass sich das Erstgericht für einen Begründungsansatz entscheidet, den er nicht für richtig hält. Dieser Begründungsansatz gibt den Rahmen vor. Eine in diesem Rahmen objektiv notwendige Feststellung wird nicht deshalb überschießend, weil sie sich bei der Wahl eines anderen rechtlichen Ansatzes erübrigt hätte.“. 331 BGH 4.4.2019 – III ZR 338/17, NJW 2019 1748 Rn. 27. 332 BGH 18.5.2011 – IV ZR 168/09, VersR 2011 1003 Rn. 17 und ständig; vgl. BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 11; BGH 24.1.2007 – IV ZR 208/03, RuS 2007 241=VersR 2007 641 Rn. 8; BGH 28.9.2005 – IV ZR 255/04, VersR 2006 106; BGH 18.2.2004 – IV ZR 126/02, RuS 2004 232, 233 = VersR 2004 590, vgl. auch OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/18, RuS 2020 154, 155; OLG Rostock 31.10.2019 – 9 U 77/17, VersR 2018 608, 610. 333 Vgl. BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 278 = RuS 1992 406; OLG Düsseldorf 28.3.2006 – 4 U 148/ 05, BeckRS 2009 11965; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 60. 334 Vgl. OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/18, RuS 2020 154, 155. 335 Vgl. BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 278 = RuS 1992 406; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 61; a.A. Peters 52 f. 336 OLG Karlsruhe 31.10.2019 – 9 U 77/17, NJW-RR 2020, 542, 543. Koch
178
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Da es im Deckungsprozess nicht mehr möglich ist, eine andere schadensverursachende 141 Pflichtverletzung des VN zugrunde zu legen als dies im Haftpflichtprozess geschehen ist, ist es dem VR im Deckungsprozess auch verwehrt, sich auf solche Ausschlusstatbestände zu berufen, die bei einer anderen Pflichtverletzung des VN in Betracht kommen, auf welche jedoch die Entscheidung im Haftungsprozess nicht gestützt wurde.337 Bezogen auf das vorstehende Beispiel bedeutet dies, dass ein „Herumspringen“ auf dem Fahrrad nicht Gegenstand des Deckungsprozesses ist und der VR den Einwand eines vorsätzlichen Verhaltens des VN nicht auf einen solchen abweichenden Sachverhalt stützen kann.338 Voraussetzungsidentität besteht, wenn der Haftpflichtrichter bei der Bemessung des 142 Schmerzensgeldes z.B. im Hinblick auf Ausmaß und Schwere der Verletzungen Feststellungen zur Erstreckung des Vorsatzes auf die Schadensfolgen trifft.339 Lässt der Haftpflichtrichter bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die Verschuldensform dagegen offen, ist der Vorsatzeinwand des VR im Deckungsprozess zu prüfen.340 Keine Bindung im Deckungsprozess entfalten die rechtliche Einordnung des Haftungstatbestands durch das Haftpflichtgericht, wenn es für die Haftung des VN nicht darauf ankommt, ob die Pflichtverletzung unter das versicherte Risiko fällt. Ist im Haftpflichtprozess der Klage aufgrund einer nicht vom Versicherungsschutz erfassten Anspruchsgrundlage stattgegeben worden, kann daher auch im Deckungsprozess geprüft werden, ob daneben eine unter den Versicherungsschutz fallende Anspruchsnorm eingreift (vgl. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 32).341 So liegt der Fall, wenn ein Notar einen ihm übergebenen Scheck nicht rechtzeitig weiterleitet. Es sind sowohl die Voraussetzungen des §§ 280, 241 Abs. 2 BGB erfüllt, wenn nicht von (versicherter) notarieller Tätigkeit auszugehen ist, als auch diejenigen des § 19 BNotO, wenn (versicherte) Tätigkeit anzunehmen ist, weil der Schädiger in beiden Fällen zur unverzüglichen Weiterleitung verpflichtet gewesen wäre. Verurteilt der Haftpflichtrichter den Notar wegen Verletzung des Treuhandvertrags und nicht wegen einer Amtspflichtverletzung bei Ausübung seiner notariellen Tätigkeit, ist der Richter im Deckungsrechtsstreit mit dem Berufshaftpflichtversicherer des Notars an diese rechtliche Einordnung nicht gebunden.342 Bindungswirkung entfalten auch tatsächliche und rechtliche Feststellungen zur Haftung 143 des VN, wenn es darum geht, ob der VN den Schaden in einer bestimmten, unter einen Ausschluss fallenden Eigenschaft oder Tätigkeit verursacht hat,343 oder wenn es um die Haftung des VN aus dem in Ausschluss bezeichneten Grund (z.B. Sachschäden infolge von Tierkrankheiten gem. Ziff. 7.18 AHB)344 oder zur Qualifikation von Rechtsbeziehungen (Besitzausschluss gem. Ziff. 7.6 AHB)345 geht. Wird der VN in seiner Eigenschaft als Tierhalter auf Schadensersatz in Anspruch genommen und im Haftpflichtprozess festgestellt, dass der VN tatsächlicher Tierhalter i.S.v. § 833 BGB ist, ist das Deckungsgericht an diese Feststellung gebunden.346 Verurteilt das Haftpflichtgericht den VN einer Privathaftpflichtversicherung wegen leicht fahrlässiger Beschädigung gefälligkeitshalber überlassener Sachen zum Schadensersatz, ist das Deckungsgericht an diese Feststellung und Einordnung des Überlassungsverhältnisses gebunden. Zwar kommt 337 Vgl. BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 12; BGH 28.9.2005 – IV ZR 255/04, RuS 2006 149, 150 = VersR 2006 106; BGH 19.3.2003 – IV ZR 233/01, NJW-RR 2003 1572, 1573 = VersR 2003 635; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, NVersZ 2001 473, 474 = VersR 2001 1103; OLG Hamm 19.8.2019 – I-8 W 6/19, RuS 2019 698, 699; OLG Köln 9.1.2018 – 9 U 33/17, BeckRS 2018 43719; vgl. Tehrani VersR 2018 1166, 1169; a.A. Lange FS Thümmel 472 f. 338 Vgl. OLG Karlsruhe 31.10.2019 – 9 U 77/17, NJW-RR 2020 542, 543. 339 Vgl. BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 278 = RUS 1992 406; OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/ 18, RuS 2020 154, 155. 340 Vgl. OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/18, RuS 2020 154, 155. 341 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 71. 342 Vgl. BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 13 ff. 343 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 70 mit weiteren Beispielen. 344 Vgl. BGH 30.10.1970 – IV ZR 1185/68, VersR 1970 1097 f. 345 Vgl. OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 511; BGH 15.10.2010 – IV ZR 113/08, RuS 2010 510, 512. 346 Vgl. BGH 30.10.1970 – IV ZR 1185/68, VersR 1970 1097 f. 179
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
es für die Haftung des VN nicht darauf an, ob eines der in Ziff. 7.6 AHB genannten Besitzmittlungsverhältnisse oder ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt.347 Jedoch ist das Bestehen und die Eintrittspflichtigkeit des VR Voraussetzung für die Haftung für leichte Fahrlässigkeit im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses,348 so dass die Einordnung sowohl für die Haftung als auch im Hinblick auf die Deckung entscheidungserheblich ist. Daneben können tatsächliche und rechtliche Feststellungen entscheidungserheblich für das Eingreifen von Obliegenheitsverletzungen sein, wenngleich auch hier (teilweise) Leistungsfreiheit nur eintritt, wenn der VR sie unter Berufung auf ihren sachlichen Grund gegenüber dem VN geltend macht.349 Die versicherungsrechtliche Würdigung dieser Tatsachen bleibt dem Richter im Deckungsprozess vorbehalten.350
144 (2) Versäumnisurteil und Vollstreckungsbescheid. Ist der Haftpflichtprozess durch Versäumnisurteil entschieden worden, tritt ebenfalls Bindungswirkung ein.351 Hinsichtlich des Umfangs der Bindungswirkung eines Versäumnisurteils greift die Rechtsprechung auf den Tenor des Versäumnisurteils in Verbindung mit dem Klagevorbringen zurück, das nach § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO als zugestanden gilt.352 Grundsätzlich kann auch einem Vollstreckungsbescheid Bindungswirkung zukommen.353
145 (3) Anerkenntnisurteil und Prozessvergleich. Ist der Haftpflichtprozess durch Anerkenntnisurteil entschieden oder durch Vergleich beendet worden, tritt gem. Ziff. 5.1 Satz 2 und 3 AHB Bindungswirkung ein, soweit das Anerkenntnis mit Zustimmung des VR abgegeben oder der Vergleich mit Zustimmung des VR geschlossen worden ist. Das Anerkenntnis ist die gegenüber dem Prozessgericht vom Beklagten abgegebene einseitige Erklärung, dass der vom Kläger geltend gemachte prozessuale Anspruch ganz oder zum Teil bestehe.354 Der prozessuale Anspruch wird nach h.M. (sog. zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff)355 durch den vor Gericht gestellten Antrag und den diesem Antrag zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt. Insoweit ist auch beim Anerkenntnisurteil für die Bindungswirkung auf den Tenor und die Klagebehauptungen abzustellen.356 Beim Vergleich muss auf das Parteivorbringen im Haftpflichtprozess zurückgegriffen werden.357
347 348 349 350
Vgl. OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 292/19, RuS 2020 499, 500. Bruck/Möller/Koch Vor §§ 100–112 Rn. 83. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 73. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 73.; Prölss/Martin/Lücke § 100 VVG Rn. 66; vgl. auch BGH 12.2.1969 – IV ZR 539/68. NJW 1969 928. 351 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 68. 352 BGH 31.1.2010 – IV ZR 188/07, BeckRS 2010 02736; BGH 19.3.2003 – IV ZR 233/01, NJW-RR 2003 1572 = VersR 2003 635, 636; OLG Rostock 31.10.2019 – 9 U 77/17, VersR 2018 608, 611; OLG Karlsruhe 24.9.2009 – 12 U 47/09, VersR 2010 940; OLG Düsseldorf 26.6.2007 – 4 U 64/06, BeckRS 2010 2790; KG 24.11.2006 – 6 U 122/06, VersR 2008 211, 212; OLG Hamm 18.5.1988 – 20 U 353/87, VersR 1988 1172; OLG Koblenz 7.10.1994 – 10 U 189/94, VersR 1995 1298 f.; OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58, 60. 353 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 68. 354 Vgl. BGH 8.10.1953 – III ZR 206/51, BGHZ 10 333, 335 = NJW 1953 1830; BGH 20.11.1980 – VII ZR 49/80, NJW 1981 686; MüKoZPO/Musielak § 307 Rn. 1; Stein/Jonas/Leipold Rn. 1. 355 Vgl. BGH 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, BGHZ 94 29, 33; BGH 19.9.1985 – VII ZR 15/85, NJW 1986 1046 f.; BGH 11.12.1986 – IX ZR 165/85, WM 1987 367, 368. 356 Vgl. auch Peters 65. 357 OLG Düsseldorf 30.1.2001 – 4 U 138/00, VersR 2002 748, 749; so auch für das Versäumnisurteil Voit VersR 1988 901. Koch
180
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
(4) Eintragung der Haftpflichtforderung in die Insolvenztabelle. Der VR ist im Falle der 146 Insolvenz seines VN an die Eintragung der Haftpflichtforderung in die Insolvenztabelle gebunden, wenn der VR es trotz Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung unterlässt, den Insolvenzverwalter anzuweisen, der Feststellung der Forderung zu widersprechen, oder eine rechtskräftige Entscheidung über die Feststellung der Forderung zur Tabelle gem. § 183 Abs. 1 InsO ergeht.358 Die Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle wirkt nach § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern.359 Für den Schuldner ergibt sich die Rechtskraftwirkung mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO. Nach dieser Vorschrift können Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben, wobei eine nicht bestrittene Forderung einer Forderung gleichsteht, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist.360 (5) Urteil im Straf- und Adhäsionsverfahren. Im Hinblick auf die Herleitung der Bindungs- 147 wirkung (Rn. 134 ff.) erzeugt ein strafrichterliches Urteil keine Bindungswirkung im Deckungsprozess.361 Dies gilt entgegen der Ansicht des OLG Karlsruhe auch für Entscheidungen im Adhäsionsverfahren.362 Zwar hat die Entscheidung im Adhäsionsverfahren über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger die gleichen Rechtskraftwirkungen wie ein zivilrechtliches Urteil (§ 406 Abs. 3 Satz 1 StPO).363 Jedoch berücksichtigt das OLG Karlsruhe nicht hinreichend, dass der tragende Grund für die Bindungswirkung und maßgeblich für die Bestimmung von Reichweite und Umfang der Bindungswirkung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit des VR ist, die ihm eingeräumten Rechte bei dem gerichtlich und außergerichtlich geführten Haftpflichtstreit wahrzunehmen. Der VR kann – anders als in einem gegen seinen VN vor dem Zivilgericht geführten Haftungsprozess – das Adhäsionsverfahren weder als Prozessvertreter des Beschuldigten führen, noch hat er die Möglichkeit, zur Wahrung seiner Interessen dem Verfahren als Nebenintervenient beizutreten.364 Berücksichtigt man zudem die unterschiedlichen Verfahrensmaximen in Zivil- und Ermittlungsverfahren (Beibringungsmaxime kontra Amtsermittlungsgrundsatz) und die Doppelstellung des Opfers als Anspruchsteller und Zeuge, lässt sich in diesen Verfahren nicht mehr von einer Prozessherrschaft des VR sprechen. Damit fehlt – selbst bei Vorliegen der Voraussetzungsidentität – die Grundlage für die Bindungswirkung.
bb) Keine Verfahrensherrschaft des Versicherers (1) Eigenmächtige Verfahrensführung durch den VN. Hat der VN den Haftpflichtprozess 148 geführt, ohne den VR darüber zu informieren, entfaltet das rechtskräftige Haftpflichturteil selbst bei Vorliegen von Voraussetzungsidentität keinerlei Bindungswirkung für den VR (Rn. 137). Der VN ist deshalb ggf. gezwungen, den VR auf Freistellung in Anspruch zu nehmen 358 Vgl. Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 11; Mokhtari VersR 2014 665, 668; Koch VersR 2020 1284, 1286; Lange RuS 2019 613, 619 ff. (zur fehlenden Bindungswirkung einer Tabelleneintragung).
359 BGH 10.10.2013 – IX ZR 30/12, NZI 2014 73 Rn. 16. 360 BGH 20.2.2018 – II ZR 272/16, NZI 2018 442 Rn. 22; vgl. auch BGH 10.3.2021 – IV ZR 309/19, BeckRS 2021 5162, Rn. 15.
361 OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781, 782 = RuS 2006 493, 494 f.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 68; Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 63; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/ Retter § 103 VVG Rn. 20; vgl. auch OLG Zweibrücken 1.7.2010 – 4 U 7/10, NJW-RR 2011 496, 497 zur fehlenden Bindungswirkung der in einem Strafurteil getroffenen Feststellung von Tatsachen für das Zivilgericht. 362 OLG Karlsruhe 31.10.2019 – 9 U 77/17, VersR 2020 472, 474. 363 BGH 20.1.2015 – VI ZR 27/14, RuS 2015 262 Rn. 6; BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163 Rn. 8. 364 BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163, 1164, vgl. auch Schirmer DAR 1988 121, 127. 181
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
und in einem Deckungsprozess darzulegen und zu beweisen, dass der vom Haftpflichtrichter festgestellte Anspruch tatsächlich besteht. Zeigt der VN den Versicherungsfall dem VR erst nach Klageerhebung an, ist der VR insoweit an das Haftpflichturteil gebunden, als er die Möglichkeit gehabt hätte, das Prozessgeschehen zu beeinflussen. Ebenso wie im Falle der Nebenintervention (vgl. § 68 ZPO) ist der VR im Verhältnis zum VN nur soweit an die tatsächlich und rechtlich erheblichen Feststellungen des Haftpflichturteils gebunden, wie er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit der Übernahme der Verfahrensherrschaft oder durch Erklärungen und Handlungen des VN nicht daran gehindert war, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, und der VN von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, die dem VR unbekannt waren, nicht absichtlich oder durch grobes Verschulden keinen Gebrauch gemacht hat.365 Von der Bindungswirkung zu unterscheiden ist die Frage, ob der VR durch die Verletzung 149 von Anzeige-, Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheiten des VN im Rahmen der Anspruchsabwehr von seiner Verpflichtung zur Leistung (teilweise) frei wird.366
150 (2) Unberechtigte Deckungsablehnung durch VR. Hat der VR den Haftpflichtprozess nicht geführt, weil er – zu Unrecht – der Ansicht war, er sei nicht zur Deckung verpflichtet, ist er dagegen bei Voraussetzungsidentität an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Haftpflichtgerichts gebunden. Der VR soll nämlich keinen Vorteil daraus ziehen, dass er seiner Rechtsschutzverpflichtung367 vertragswidrig nachgekommen ist. Er muss sich so behandeln lassen, als habe er dem VN die Führung des Haftpflichtprozesses gestattet.368 Zu Recht hat der BGH darauf hingewiesen, dass es „für den VN nur schwer durchschaubar [sei], was die Abwehrverpflichtung im Einzelnen bedeutet“.369 Im Hinblick auf die schwierige Lage, in der sich der VN befindet, ist es deshalb gerechtfertigt, auch eine ungeschickte oder nachlässige Prozessführung des VN zulasten des VR unberücksichtigt zu lassen.370 Erst dann, wenn der VN in leichtfertiger Weise seine eigenen wohlverstandenen Interessen missachtet und er es zu einem auch aus seiner Sicht falschen Urteil kommen lässt oder sogar arglistig handelt, ist es gerechtfertigt, eine Bindung abzulehnen (Rn. 138).371 Insoweit gilt die bisherige Rechtsprechung fort.372 Entgegen Retter373 steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zur Aufhebung des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbots, weil es hier nicht um die (teilweise) Leistungsfreiheit geht, sondern um die Bindungswirkung des Haftpflichturteils.
151 b) Prozessvergleich. Ist der Haftpflichtprozess durch Vergleich beendet worden, tritt Bindungswirkung ein, soweit der Vergleich mit Zustimmung des VR geschlossen worden ist. Ein ohne Zustimmung des VR geschlossener Vergleich entfaltet bis zur Grenze der Leichtfertigkeit nur Bindungswirkung, wenn der VR seiner Verpflichtung zur Gewährung von Abwehrschutz nicht nachgekommen ist und/oder er sich gegen die Übernahme der Prozessführung entschie-
365 366 367 368 369 370 371 372
Zur Interventionswirkung des § 68 ZPO s. BGH 18.1.2022 –VI ZB 36/21, BeckRS 2022 1307 Rn 15. Vgl. Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 5; Peters 54. BGH 7.2.2007 – IV ZR 149/03, VersR 2007 1116, 1117. BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 278 = RuS 1992 406, 408. BGH 7.2.2007 – IV ZR 149/03, VersR 2007 1116, 1117 = RuS 2007 191. Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 6. OLG Frankfurt/M. 27.3.2014 – 7 U 242/13, NJW-RR 2014 1376, 1377. BGH 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977 174, 175; OLG Frankfurt/M. 27.3.2014 – 7 U 242/13, NJW-RR 2014 1376, 1378; OLG Frankfurt/M. 7.02.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617, 619 (zu § 154 a.F.), mit Anmerkung Koch VersR 2013 620, 623; OLG Hamm 31.10.1975 – 20 U 92/75, VersR 1976 749, 751. 373 Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 25. Koch
182
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
den hat. Wie beim Anerkenntnisurteil ist für die Bindungswirkung auf das Parteivorbringen im Haftpflichtprozess zurückzugreifen.374
c) Außergerichtliche Regulierung durch Anerkenntnis oder Vergleich aa) Rechtslage vor der Reform des VVG. Unter Geltung von § 154 Abs. 1 VVG a.F. spielte die 152 Bindungswirkung wegen des formularvertraglichen Anerkenntnis- und Vergleichsverbots vornehmlich bei rechtskräftiger Verurteilung des VN im Haftpflichtprozess eine Rolle. Soweit ersichtlich befasste sich der BGH nur in zwei Fällen mit der Bindungswirkung von außergerichtlichen Anerkenntnissen des VN. In seiner Entscheidung vom 15.12.1976375 bejahte der BGH eine Bindungswirkung für den KVO-Haftpflicht-VR aus § 154 Abs. 1 VVG a.F. Er entnahm dieser Norm, dass der VR nicht nur an eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung der Haftpflicht im Haftpflichtprozess, sondern auch an eine Feststellung durch Anerkenntnis oder Vergleich grundsätzlich ohne Rücksicht darauf gebunden sei, ob er daran beteiligt war. Die Besonderheit in diesem Fall bestand darin, dass es an einem vertraglichen Anerkenntnisverbot fehlte. In seiner Entscheidung vom 14.7.1981 sprach sich der BGH trotz vertraglichen Anerkenntnisverbots unter Bezugnahme auf das Urteil vom 15.12.1976 für eine Bindung des VR aus, sofern der VN nicht in Betrugsabsicht gehandelt habe.376 Diese Rechtsprechung ist – abgesehen von den Fällen, in denen der VN das Anerkenntnis zum Zwecke des Versicherungsbetrugs abgegeben hat – mittlerweile infolge des oben dargelegten Rückgriffs auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung (Rn. 134) überholt. bb) Anerkenntnis oder Vergleich durch den VR/mit Zustimmung des Versicherers. 153 Ebenso wie bei der Abgabe von Anerkenntnissen und der Schließung von Vergleichen im Rahmen des Abwehrprozesses hängt die Bindungswirkung bei der außergerichtlichen Regulierung der Haftpflicht durch den VN mittels Anerkenntnis oder Vergleich nach Ziff. 5.1 Satz 3 AHB im Ausgangspunkt davon ab, ob der VR der Regulierung zugestimmt hat. Hat er zugestimmt, ist er gebunden.377 Insoweit ist der Fall nicht anderes zu beurteilen, als ob der VR (im Rahmen seiner Regulierungsvollmacht)378 selbst den Haftpflichtanspruch des geschädigten Dritten anerkennt oder einen Vergleich mit dem Dritten schließt. Allerdings ist die Bindungswirkung noch weitgehender eingeschränkt als beim Anerkenntnisurteil oder Prozessvergleich, weil beim außergerichtlichen Anerkenntnis oder beim Vergleich in der Regel weder der Sachverhalt festgestellt, noch der Haftpflichtanspruch rechtlich qualifiziert wird. Als risikorelevante Feststellungen bleiben nur die Feststellung der Haftpflicht dem Grunde und der Höhe nach.379 Einem Anerkenntnis mit Zustimmung des VR steht es gleich, wenn der VR bei Aufrechnung mit einer bestrittenen Haftpflichtforderung auf den Prozess des VN gegen den Dritten verzichtet (Rn. 55).
cc) Anerkenntnis oder Vergleich ohne Zustimmung des Versicherers (1) Grundsatz. Hat der VR die Regulierung abgelehnt, weil er den Haftpflichtanspruch dem 154 Grunde und/oder der Höhe nach für unbegründet und deshalb eine gerichtliche Klärung für geboten hielt, ist er nach Ziff. 5.1 Satz 3 AHB an das Anerkenntnis des VN oder einen Vergleich 374 OLG Düsseldorf 30.1.2001 – 4 U 138/00, VersR 2002 748, 749; so auch für das Versäumnisurteil Voit VersR 1988 901. 375 BGH 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977 174 ff. 376 BGH 14.7.1981 – VI ZR 304/79, VersR 1981 1158, 1159 = NJW 1982 996, 998. 377 Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 20; Lange VersR 2006 1313, 1317. 378 Vgl. Bruck/Möller/Koch9 Bd. 4 Ziff. 5 AHB Rn. 8 ff. 379 Peters 31. 183
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
nur insoweit gebunden, als der Anspruch des Geschädigten auch ohne das Anerkenntnis oder den Vergleich bestanden hätte. Der VR soll den VN somit nur in dem Umfang freistellen müssen, in dem der Ersatzanspruch des Dritten nach materieller Rechtslage tatsächlich besteht.380 Gleiches gilt, wenn der VN den Haftpflichtanspruch vorschnell anerkennt, ohne die Entscheidung des VR abzuwarten. Bestreitet der VR die Feststellung der Haftpflicht im Anerkenntnis oder im Vergleich, wird der Haftpflichtanspruch im Deckungsprozess einer vollumfänglichen Überprüfung unterzogen381 und hat der VN zu beweisen, dass der Anspruch des Geschädigten auch ohne das Anerkenntnis oder den Vergleich bestünde. Gleiches gilt nach dem zuvor Gesagten für den Insolvenzverwalter, der in der Insolvenz des VN der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht widerspricht.382
155 (2) Unberechtigte Deckungsablehnung. Lehnt der VR die Regulierung dagegen ab, weil er sich nicht als zur Deckung verpflichtet ansieht, handelt er auf eigenes Risiko. Eine Bindung des VR an das (konstitutive) Anerkenntnis oder den Vergleich ist zu bejahen, und zwar auch dann, wenn der Dritte mehr erhält, als ihm nach §§ 249 ff. BGB zusteht (soweit der VN nicht leichtfertig handelt, dazu sogleich).383 Insoweit gilt die Rechtslage vor der VVG-Reform fort, nach der ein Anerkenntnis des VN384 oder ein mit dem Geschädigten geschlossener Vergleich385 des VN oder einer versicherten Person386 nach einer unberechtigten Deckungsablehnung grundsätzlich zur Bindung des VR führt.387 Zu Recht weist Retter darauf hin, dass der vor der Reform des VVG beschrittene Weg, die Bindungswirkung damit zu begründen, dass der VR mit der unberechtigten Deckungsverweigerung konkludent erkläre, auf die Einhaltung von Obliegenheiten und damit eben auf die Einhaltung des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbots zu verzichten,388 nach Abschaffung des Anerkenntnisverbots nicht mehr gangbar sei.389 Der VR muss sich nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung jedoch so behandeln lassen, als habe er seine Zustimmung zur Abgabe des Anerkenntnisses oder zum Abschluss des Vergleichs erteilt. Lässt der VR dem VN „freie Hand“ oder zögert er eine eigene Entscheidung unangemessen hinaus, ist er ebenfalls so zu behandeln, als habe er seine Zustimmung zur Abgabe des Anerkenntnisses bzw. zum Abschluss des Vergleichs erteilt.390 Etwas anderes gilt wiederum nur dann, wenn der VN in zumindest leichtfertiger Weise seine eigenen wohlverstandenen Interessen missachtet, indem er einen Betrag anerkennt, der grob unbillig ist und den VR inso-
380 BGH 10.3.2021 – IV ZR 309/19, BeckRS 2021 5162 Rn. 12. 381 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 21; Armbrüster RuS 2010 441, 447; Franz VersR 2008 298, 308; Lange RuS 2007 401, 402; ders. VersR 2006 1313, 1315; Schirmer ZVersWiss Supplement 2006 427, 434; Thalmair ZVersWiss Supplement 2006 459, 461; Langheid Liber Amicorum Winter 367, 377, der jedoch auch eine bloß eingeschränkte Bindungswirkung in Betracht zieht; Koch Liber Amicorum Winter 345, 348, 352. 382 BGH 10.3.2021 – IV ZR 309/19, BeckRS 2021 5162, Rn. 13 und 15. 383 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 28; Lange VersR 2006 1313, 1317; anders aber ders. RuS 2007 401, 402. 384 BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 282 = VersR 1992 1504, 1505; BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499 f.; OLG Düsseldorf 30.1.2001 – 4 U 138/00, VersR 2002 748, 749; OLG Hamm 2.11.1990 – 20 U 78/90, VersR 1991 652, 653; OLG Hamm 25.11.1977 – 20 U 133/77, VersR 1978 858 f.; vgl. auch Nachw. auf ältere Rspr. Bruck/ Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 66. 385 OLG Düsseldorf 30.1.2001 – 4 U 138/00, VersR 2002 748, 749; OLG Hamm 29.9.1993 – 20 U 96/93, VersR 1994 925; LG Berlin 12.4.1994 – 7 O 565/93, VersR 1995 330, 331. 386 Hans. OLG Hamburg 3.3.1981 – 12 U 114/80, VersR 1982 458. 387 Vgl. BGH 7.2.2007 – IV ZR 149/03, VersR 2007 1116 Rn. 15; BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119 276, 282 = VersR 1992 1504 (zur Rechtslage vor der Reform); LG Dortmund 1.8.2013 – 2 S 5/13, Rus 2013 548. 388 OLG Düsseldorf 30.1.2001 – 4 U 138/00, VersR 2002 748, 749. 389 Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 28; vgl. auch Lange VersR 2006 1313, 1317. 390 OLG Köln 20.12.2005 – 9 U 99/05, VersR 2006 1207, 1208; OLG Celle 1.3.2001 – 13 U 103/00, VersR 2002 602; so auch Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 12. Koch
184
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
weit in sachlich nicht gerechtfertigter Weise belastet.391 Bei einem (Teil-)Anerkenntnis dem Grunde nach dürfte das in der Regel zu verneinen sein.392 Leichtfertigkeit liegt dagegen vor, wenn der VN einen um 100 % überhöhten Schmerzensgeldbetrag393 und/oder Kosten der anwaltlichen Vertretung des Geschädigten anerkennt, die über die RVG-Gebührensätze hinausgehen.394
d) Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle. Hat der VR keine Kenntnis 156 von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des VN, ist er an eine widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle nicht gebunden. Ohne Bindungswirkung ist auch die widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung durch den Insolvenzverwalter ohne Zustimmung des VR. Eine solche Feststellung ist hinsichtlich der Bindungswirkung wie ein ohne Zustimmung des VR abgegebenes Anerkenntnis zu behandeln. Erkennt der Insolvenzverwalter in einem gem. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochenen Haftpflichtprozess den Anspruch ohne Zustimmung des VR sofort an (§ 86 Abs. 2 InsO) und lässt ein Urteil zu seinen Ungunsten ergehen, tritt für den VR ebenfalls keine Bindungswirkung ein.395 IV. Frist zur Freistellung 1. Grundsatz Der VR hat den VN nach Ziff. 5.1 Satz 4 AHB binnen zwei Wochen nach Feststellung der Scha- 157 densersatzverpflichtung freizustellen. Während dieses Zeitraums hat der VR Gelegenheit, die Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils zu prüfen.396 Im Hinblick auf diesen Sinn und Zweck beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil dem vom VR beauftragten Rechtsanwalt zugestellt wird. Hat der VN den Haftpflichtanspruch ohne Zustimmung des VR anerkannt oder sich mit dem Geschädigten verglichen, dient die Frist der Prüfung, ob der Haftpflichtanspruch dem Grunde und der Höhe nach begründet ist. Die Frist beginnt nach Kenntniserlangung des VR vom Anerkenntnis oder Vergleichsschluss.
2. Ausnahmen 158 Nach dem Wortlaut von Ziff. 5.1 Satz 4 AHB besteht die 2-Wochenfrist auch dann, wenn – wenn der VR (im Rahmen seiner Regulierungsvollmacht) selbst den Haftpflichtanspruch des geschädigten Dritten anerkennt, einen Vergleich mit dem Dritten schließt oder seine Zustimmung zu einem vom VN abgegebenen Anerkenntnis oder abgeschlossenen Vergleich erteilt hat;
391 OLG Frankfurt/M. 7.12.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617, 619 (zu § 154 a.F.); Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen durch Beschl. vom 5.12.2012 – IV ZR 56/12 (nicht veröffentlicht); vgl. auch OLG Frankfurt/M. 27.3.2014 – 7 U 242/13, NJW-RR 2014 1376, 1378. 392 Koch VersR 2013 620, 623. 393 OLG Frankfurt/M. 7.12.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617, 619 (zu § 154 a.F.), mit Anmerkung Koch VersR 2013 620, 623. 394 OLG Frankfurt/M. 7.12.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617, 619 (zu § 154 a.F.); Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen durch Beschl. vom 5.12.2012 – IV ZR 56/12 (nicht veröffentlicht). 395 Bruck/Möller/Koch § 110 VVG Rn. 20 ff. 396 Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 13; Langheid/Wandt/Littbarski § 106 VVG Rn. 29; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 42. 185
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
–
wenn der VR den Haftpflichtanspruch bereits einmal mit dem Ergebnis geprüft hat, dass der Anspruch dem Grund und/oder der Höhe nach nicht besteht, und daraufhin vom VN auf Freistellung verklagt und rechtskräftig verurteilt wird; – wenn nach Abtretung des Freistellungsanspruchs im Rahmen eines Deckungsprozesses zwischen dem Dritten und dem VR auch über die Haftung entschieden wird. Da sich die Fälligkeit in diesen Konstellationen nicht nach § 106 S. 1 VVG, sondern nach § 14 Abs. 1 VVG bestimmt,397 hält Ziff. 5.1 Satz 4 AHB zumindest einer Transparenzkontrolle (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht stand und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Das bedeutet, dass der VR die Befriedigung des Dritten – soweit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 VVG vorliegen – in den vorgenannten Fällen sofort bewirken muss.
V. Fälligkeit des Zahlungs- und Rechtsschutzkostenanspruchs (§ 106 Satz 2 und 3 VVG) 1. Fälligkeit des Zahlungsanspruchs (§ 106 Satz 2 VVG) 159 Ziff. 5.1 AHB regelt nicht die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs des VN für den Fall, dass dieser den Geschädigten befriedigt. Hier bestimmt sich die Fälligkeit nach § 106 Satz 2 VVG.
160 a) Befriedigung des Haftpflichtanspruchs durch den VN. Unter einer Befriedigung ist jede Leistung des VN an den geschädigten Dritten zur Tilgung der Haftpflichtschuld zu verstehen (§ 362 Abs. 1 BGB); auch die Leistung, die zur Abwendung der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel erbracht wird (vgl. Rn. 77). Auch die Erfüllungssurrogate (Leistung an Erfüllung statt gem. § 364 Abs. 1 BGB, Aufrechnung gem. § 389 BGB, Hinterlegung gem. § 378 BGB; Erlass gem. § 397 Abs. 1 BGB), nicht hingegen die Aufrechnung mit der bestrittenen Haftpflichtforderung durch den geschädigten Dritten stellen eine Befriedigung dar.398 Soweit der VN sich mit der Aufrechnung einverstanden erklärt, liegt allerdings eine Befriedigung vor.399 In diesem Fall hat der VN einen Zahlungsanspruch gegen den VR (Rn. 78). 161 Die Abtretung des Freistellungsanspruchs i.e.S. an den geschädigten Dritten erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) ist keine Befriedigung i.S.v. § 106 Satz 2 VVG. Eine solche kann aber in der Erteilung eines Reparaturauftrags für eine beschädigte Sache und der anschließenden Bezahlung der Rechnung bestehen.400 Tritt der VN den Anspruch auf Freistellung an den Dritten an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) ab, liegt eine Befriedigung des Haftpflichtanspruchs vor. Zudem wandelt sich der auf Freistellung gerichtete Anspruch in der Person des Dritten in einen Anspruch auf Zahlung um (Rn. 71).
162 b) Bindungswirkung. Hinsichtlich der Bindungswirkung der Befriedigung gelten die gleichen Grundsätze wie beim außergerichtlichen Anerkenntnis oder beim Vergleich. Hier wie dort ist die Bindungswirkung auf die Feststellung der Haftpflicht dem Grunde und der Höhe nach beschränkt. Der VR ist an die Befriedigung der Haftpflichtschuld nur in dem Umfang gebunden, in dem er der Befriedigung zugestimmt hat. Lehnt er sie ab, weil er die Haftpflichtforderung 397 Bruck/Möller/Koch § 106 VVG Rn. 43. 398 OLG Karlsruhe 18.4.1996 – 12 U 98/95, VersR 1997 1477, 1480; Prölss/Martin/Lücke § 106 VVG Rn. 14; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 36. 399 Vgl. BGH 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977 174, 175; OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284; OLG Saarbrücken 21.1.2004 – 5 U 404/03-40, VersR 2004 901, 903; OLG Hamm 14.11.1975 – 20 U 126/75, VersR 1978 80, 81; OLG Hamm 31.10.1975 – 20 U 92/75, VersR 1976 749, 750. 400 OLG Hamm 13.4.2005 – 20 U 231/04, VersR 2006 829. Koch
186
C. Fälligkeit des Freistellungsanspruchs (Ziff. 5.1 Satz 2 bis 4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
dem Grund und/oder der Höhe nach für unbegründet hält und deshalb den Anspruch abwehren will, ist er an eine Zahlung des VN oder ein Erfüllungssurrogat nicht gebunden. Lehnt der VR die Deckung zu Unrecht ab, tritt hingegen grundsätzlich Bindung ein.401 Letzteres gilt selbst dann, wenn die Zahlung die tatsächlich bestehende Haftpflichtforderung übersteigt und der VN nicht leichtfertig gehandelt hat (Rn. 155).402 Allerdings kann es sich bei der (Über-)Zahlung auf eine nicht bestehende Schuld begrifflich nicht um eine Befriedigung handeln, sondern nur um ein (konstitutives) Anerkenntnis, so dass sich die Fälligkeit insoweit nicht nach § 106 Satz 2 VVG, sondern nach § 106 Satz 1 VVG beurteilt.403 Weitergehende Bindungswirkung kommt einer Befriedigung des Dritten nach Feststellung des Haftpflichtanspruchs durch ein (rechtskräftiges oder vorläufig vollstreckbares) Urteil zu.404
c) Zahlungsfrist. Der VR hat die Zahlung binnen zwei Wochen nach Eintritt der Bindungswir- 163 kung zu bewirken. Auch hier gilt, dass der VR den Anspruch des VN auf Zahlung nach § 14 Abs. 1 VVG sofort zu erfüllen hat, wenn der VN den Dritten befriedigt hat, nachdem der VR zuvor selbst den Haftpflichtanspruch des Dritten oder den Freistellungsanspruch des VN anerkannt hatte, einen Vergleich mit dem Dritten geschlossen oder seine Zustimmung zu einem vom VN abgegebenen Anerkenntnis oder abgeschlossenen Vergleich erteilt hatte. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der VN gezwungen, die Haftpflichtfrage im Rahmen einer Feststellungsklage gegen den VR zu klären, um die Voraussetzungen des § 106 Satz 2 VVG zu schaffen. Bestreitet der VR nicht nur die Haftung, sondern auch die Deckung, bestimmt sich die Fälligkeit dagegen nach § 14 Abs. 1 VVG, da für die Einräumung einer 2-Wochenfrist zur Prüfung der Berechtigung des von Dritten geltend gemachten Anspruchs kein Bedürfnis mehr besteht. Der VN ist deshalb berechtigt, sofortige Zahlung an sich zu verlangen und notfalls Zahlungsklage gegen den VR zu erheben. In dem Verfahren wird die Haftpflichtfrage als Vorfrage bei der Feststellung geklärt, ob ein Versicherungsfall vorliegt.405 Diese materielle Rechtslage steht im Einklang mit dem Prozessrecht. Bei Ablehnung der Deckung durch den VR fehlt es dem VN nämlich an dem für eine Feststellungsklage erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da er einen zweiten (Deckungs-)Prozess gegen den VR führen muss.406 2. Fälligkeit des Rechtsschutzkostenanspruchs (§ 106 Satz 3 VVG) Gem. § 106 Satz 3 VVG hat der VR die Kosten, die er nach § 101 VVG zu tragen hat, innerhalb 164 von zwei Wochen nach der Mitteilung der Berechnung seitens des VN zu zahlen. Diese Regel ist auf den (Ausnahme-)Fall zugeschnitten, dass der VN hinsichtlich der gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsschutzkosten in Vorleistung getreten ist. Die Mitteilung der Kostenberechnung löst die 2-Wochenfrist für die Leistung des VR aus. Hiervon unberührt bleibt der Anspruch des VN auf Vorschuss gem. § 101 Abs. 1 Satz 3 VVG.
401 BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499; BGH 20.2.1956 – II ZR 53/55, VersR 1956 186, 187; OLG Karlsruhe 4.10.1984 – 12 U 169/83, VersR 1986 858, 859. Nach OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284, 286 wird die zunächst ohne Bindung für den VR erfolgte Befriedigung nach Überprüfung im Deckungsprozess für ihn bindend und somit auch fälligkeitsauslösend. 402 BGH 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977 174, 175; OLG Saarbrücken 21.1.2004 – 5 U 404/03-40, VersR 2004 901, 903; OLG Hamm 14.11.1975 – 20 U 126/75, VersR 1978 80, 81. 403 Vgl. auch OLG Hamm 2.11.1990 – 20 U 78/90, VersR 1991 652, 653: „Die Befriedigung […] stellt eine besondere Form des Anerkenntnisses dar“. 404 Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 106 VVG Rn. 38. 405 Vgl. OLG Stuttgart 21.4.2010 – 3 U 182/09, RuS 2010 284; LG Dortmund 27.1.2011 – 2 O 275/10, BeckRS 2011 03849. 406 Vgl. OLG Celle 19.12.2006 – 16 U 127/06, NJW-RR 2007 676, 677. 187
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
D. Regulierungsvollmacht des Versicherers (Ziff. 5.2 Satz 1 AHB) I. Ausgangspunkt 165 Den gesetzlichen Bestimmungen über die Haftpflichtversicherung ist keine Regulierungsvollmacht des VR zu entnehmen. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass es dem VR auch ohne eine solche Vollmacht möglich sei, seinen Verpflichtungen aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag nachzukommen. Dabei mag eine wesentliche Rolle gespielt haben, dass in der Anfangszeit der Haftpflichtversicherung die Regulierung der Schäden im Einverständnis mit dem VR überwiegend noch durch den VN selbst oder erst im Anschluss an einen rechtskräftig durchgeführten Haftpflichtprozess erfolgte.407 Aus rechtskonstruktiver Sicht wäre es dem VR ohne weiteres möglich, seine auf Freistellung 166 des VN von begründeten und Abwehr von unbegründeten Schadensersatzansprüchen gerichtete Verbindlichkeit ohne Zuhilfenahme einer Vollmacht zu erfüllen. Das liegt für den Fall der Bezahlung einer der Höhe nach feststehenden Haftpflichtschuld auf der Hand. Nach § 267 Abs. 2 BGB kann der Gläubiger zwar die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht. Ein solcher Widerspruch dürfte aber, soweit die Leistung aus dem Vermögen des VR zu erfolgen hat, die absolute Ausnahme bilden. Im Übrigen dürfte dem geschädigten Dritten im Verhältnis zum VR kein Recht zustehen, die Annahme der Leistung zu verweigern.408 Dagegen spricht die speziell zugunsten des Dritten vom Gesetzgeber festgelegte soziale Zweckbindung der Haftpflichtversicherungsforderung.409 Die in zweifelhaften Schadensfällen angestrebte vergleichsweise Erledigung des gesamten 167 Haftpflichtschadenkomplexes könnte ebenfalls ohne Vertretungsmacht durchgeführt werden. Zwar ist ein Erlassvertrag zugunsten Dritter nach Ansicht des BGH nicht möglich.410 Jedoch können der VR und der Geschädigte vereinbaren, dass letzterer auf die Inanspruchnahme des VN verzichtet. Der VN erwirbt daraus nach § 328 BGB den Anspruch, dass die Einziehung der fortbestehenden Forderung unterbleibt.411 Die Einräumung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht zugunsten des VR dient somit im Wesentlichen dazu, die Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen dem VR, dem VN und dem Dritten zu vereinfachen.
II. Umfang der Regulierungsvollmacht 1. Unbeschränkte Außenvollmacht 168 Nach 5.2 Satz 1 AHB „ist“ der VR bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder zur Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. § 5 Ziff. 7 AHB 1999 sprach noch davon, dass der VR als bevollmächtigt „gilt“. Mit der Änderung reagiert der Musterbedingungsgeber auf die Kritik, die gegen die Anordnung einer solchen Fiktion und die Einbettung dieser Klausel in den Abschnitt „Obliegenheiten des VN“ im Schrifttum geäußert wurde.412 Es handelt sich um eine vom VN dem VR rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht i.S.d. 169 §§ 164 ff. BGB, die dazu dient, den VR in die Lage zu versetzen, seinen Leistungspflichten aus
407 408 409 410 411 412 Koch
Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 9; vgl. auch Schirmer Vertretungsmacht 3 f. So Schirmer Vertretungsmacht 88; a.A. K. Sieg Ausstrahlungen 185. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 9. BGH 21.6.1994 – XI ZR 183/93, NJW 1994 2483, 2484; a.A. MüKoBGB/Gottwald § 328 Rn. 201. BGH 21.6.1994 – XI ZR 183/93, NJW 1994 2483, 2484. Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 AHB § 5 Rn. 20; Littbarski AHB § 5 Rn. 134; Späte AHB § 5 Rn. 62. 188
D. Regulierungsvollmacht des Versicherers (Ziff. 5.2 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Ziff. 5.1 AHB nachzukommen.413 Der Vollmacht liegt nach dem Urteil des BGH vom 27.5.1957 im Innenverhältnis „eine durch den Versicherungsvertrag begründete Geschäftsführungsbefugnis eigener Art zugrunde, kraft deren der VR berechtigt ist, bei Eintritt des Haftpflichtfalles nach seinem Gutdünken, unabhängig von den Weisungen des Versicherungsnehmers, ja sogar mit eigenem Weisungsrecht gegenüber diesem, alle mit der Schadensfeststellung und -regulierung zusammenhängenden, gerichtlichen oder außergerichtlichen, Maßnahmen und Rechtsgeschäfte für den Versicherungsnehmer durchzuführen, also auch einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Geschädigten abzuschließen oder dessen Anspruch anzuerkennen (vgl. § 7 Ziff. I, 2, II, 1, 4, 5, § 10 Ziff. 5 AKB, § 150 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 VVG).“414 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Im Gegenzug ist er dem VN gegenüber analog §§ 675, 666 BGB zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet.415 Eine Herausgabepflicht analog § 667 BGB dürfte nicht praktisch relevant werden. Die Regulierungsvollmacht des VR ist somit unbeschränkt und hat in Bezug auf einen 170 vom Versicherungsschutz erfassten Haftpflichtanspruch umfassenden Charakter.416 Erkennt der VR eine nicht bestehende Schadensersatzforderung (deklaratorisch) an, so gelangt sie durch dieses Anerkenntnis grundsätzlich wirksam gegenüber dem VN zur Entstehung.417 Voraussetzung hierfür ist, dass der Geschädigte die Regulierungszusage des VR annimmt, da auch ein deklaratorisches (kausales) Schuldanerkenntnis einen wirksamen Anerkenntnisvertrag voraussetzt. Die reine Zahlung und Annahme eines Betrages reichen hierfür nicht aus.418 Der VR ist auch berechtigt, einen für und gegen den VN wirkenden Vergleich zu schließen419 oder auf die Einrede der Verjährung des Haftpflichtanspruchs zu verzichten.420 Führt der VR Verhandlungen mit dem Geschädigten, beginnt die Verjährung nach § 212 Abs. 1 Ziff. 1 BGB neu.421 Dies alles gilt auch dann, wenn die aus den vorstehend genannten rechtsgeschäftlichen Handlungen resultierende Verpflichtung die Deckungssumme übersteigt und der VN somit für den darüber hinausgehenden Teil der Haftpflichtforderung selbst einstehen muss.422 Auch der Umstand, dass eine Selbstbeteiligung vereinbart ist, beschränkt die Vollmacht des VR nicht.423 Sie umfasst 413 Vgl. BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, NJW 1987 2586, 2587; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 114. 414 BGH 27.5.1957 – II ZR 132/56, BGHZ 24 308, 317 = NJW 1957 1230 (zu § 10 Ziff. 3 AKB a.F.); vgl. auch BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, BGHZ 101 276, 284 = NJW 1987 2586. 415 BGH 20.11.1980 – IVa ZR 25/80, VersR 1981 180, 181; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 22; Landheid/ Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 114; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 25. 416 Vgl. BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17 = VersR 2006 1676; BGH 22.11.1988 – VI ZR 20/88, VersR 1989 138, 139; vgl. auch BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, RuS 2009 504 = VersR 2009 106 Rn. 9 jew. zu § 5 Ziff. 7 AHB a.F.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 27; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 11. 417 Vgl. BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, RuS 2009 504 = VersR 2009 106 Rn. 9; BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17 f. = VersR 2006 1676, 1677; OLG Schleswig 31.1.2019 – 7 U 130/18, NJW-RR 2019 1001; LG Saarbrücken 12.10.2012 – 13 S 100/12, NJW 2013 87, 88. 418 Vgl. OLG Hamm 9.4.2013 – 24 U 112/12, BeckRS 2013 10194. 419 BGH 20.2.1961 – VI ZR 95/60, VersR 1961 382, 383. 420 BGH 26.6.1962 – VI ZR 140/61, VersR 1962 809, 810; OLG Düsseldorf 20.5.2010 – 5 U 101/09, BeckRS 2010 21270; OLG Tübingen 6.3.1952 – U 4/52, VersR 1952 224; ÖOGH 11.11.1964 – 7 Ob 166/64, VersR 1966 248; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 28; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 15; Schirmer VersR 1970 112 ff.; a.A. OLG Köln 3.3.1954 – 4 W 16/54, NJW 1955 713, 714. 421 Vgl. BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17 f. = VersR 2006 1676, 1676; BGH 23.10.1958 – II ZR 54/57, BGHZ 28 244, 250 f.; BGH 20.11.1962 – VI ZR 6/62, VersR 1963 187, 188; BGH 25.9.1964 – VI ZR 128/63, VersR 1964 1199, 1200; BGH 11.5.1965 – VI ZR 280/63, VersR 1965 958; BGH 17.3.1970 – VI ZR 148/68, VersR 1970 549; BGH 11.1.1972 – VI ZR 46/71, VersR 1972 372, 373; BGH 6.11.1973 – VI ZR 203/71, VersR 1974 175, 176; OLG München 26.9.2018 – 7 U 3118/17; ÖOGH 3.10.1985 – 7 Ob 32/85, VersR 1987 423. 422 BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17 f. = VersR 2006 1676, 1677; BGH 17.3.1970 – VI ZR 148/68, VersR 1970 549, 550; a.A. OLG Frankfurt 17.6.2005 – 24 U 48/05, VersR 2005 1525, 1526; OLG Düsseldorf 29.6.1978 – 18 U 27/78, VersR 1979 151. 423 Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 118; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 33. 189
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
auch die Entgegennahme rechtsverbindlicher Erklärungen des Dritten mit Wirkung für den VN.424 Macht der VR von seiner Vollmacht Gebrauch, findet § 166 BGB Anwendung.425
2. Bindungen und Beschränkungen im Innenverhältnis 171 Der BGH rechtfertigt die Annahme einer unbeschränkten Außenvollmacht damit, dass der VR in der Praxis regelmäßig der maßgebliche Ansprechpartner des Geschädigten sei. Dieser solle sich auf das Wort des VR verlassen können, ohne von sich aus nachforschen zu müssen, ob der VR seinem VN, dem Schädiger, gegenüber teilweise leistungsfrei ist.426 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der VR gegenüber dem Dritten klar zum Ausdruck bringt, dass er insoweit von seiner Vollmacht keinen Gebrauch mache.427 Dieser Sichtweise ist grundsätzlich zuzustimmen, gibt aber Anlass zu dem Hinweis, dass die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 242 BGB) auch im Versicherungsvertragsrecht gelten. Im Übrigen verletzt der VR seine Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Versicherungsvertrag, wenn er ohne Zustimmung des VN zu dessen Lasten rechtsgeschäftliche Erklärungen in der Form eines Vergleiches oder eines Anerkenntnisses abgibt, die die Deckungssumme übersteigen (Ziff. 25 AHB Rn. 71).428 In diesem Zusammenhang ist der Hinweis geboten, dass den VR besondere Rücksichtnahmepflichten treffen, wenn die Kosten abweichend von Ziff. 6.5 AHB auf die Deckungssumme angerechnet werden (Rn. 42). 172 Nach der Rechtsprechung des BGH hat der VR im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten nämlich so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragter Anwalt tun würde.429 Bei Interessenkollisionen hat der VR seine eigenen Interessen hintanzustellen.430 Diese vom BGH zur Prozessführung getroffenen Feststellungen sind nicht auf eine bestimmte Phase der Anspruchsprüfung/-abwehr beschränkt. Die Pflicht zur Interessenwahrung gilt nicht nur im Rahmen des Haftpflichtprozesses, sondern auch bereits in dessen Vorfeld.431 Verletzt der VR diese Pflicht, ist es gerechtfertigt, ihm den Kausalitätsgegenbeweis aufzuerlegen, dass das Anerkenntnis der Sach- und Rechtslage entsprach.432 Misslingt der Nachweis, schuldet der VR die Differenz zwischen dem anerkannten Betrag und der Deckungssumme. 173 Nach österreichischer Rechtsprechung bewirkt die Regulierungsvollmacht des VR zwar die Hemmung der Verjährungsfrist hinsichtlich aller Ansprüche auch über die Deckungssumme hinaus, wenn der VR Vergleichsgespräche führt. Die Vollmacht geht aber nicht so weit, dass der VR auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Schädigers diesen dem Grunde und der Höhe nach unbeschränkt verpflichten kann.433
424 BGH 3.4.1973 – VI ZR 58/72, VersR 1973 711, 712; offenlassend BGH 20.11.1970 – IV ZR 220/69, VersR 1971 439, 440; a.A. offenbar OLG Karlsruhe 25.3.1988 – 10 U 302/87, RuS 1988 130; ÖOGH 13.3.1986 – 7 Ob 8/86, VersR 1987 271; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 114. 425 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 13. 426 BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17; vgl. auch BGH 7.10.2003 – VI ZR 392/02, NJW-RR 2004 109, 111. 427 Vgl. BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17; BGH 22.11.1988 – VI ZR 20/88, VersR 1989 138, 139; vgl. auch BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, RuS 2009 504. 428 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 18; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 114; HK-VVG/Schimikowski Ziff. 5 Rn. 7. 429 BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163 Rn. 12; BGH 14.2.2007 – IV ZR 54/04, Rus 2007 239 Rn. 11; BGH 7.2.2007 – IV ZR 149/03, RuS 2007 191 Rn. 13. 430 BGH 18.7.2001 – IV ZR 24/00, VersR 2001 1150, 1151; BGH 30.9.1992 – IV ZR 314/91, RuS 1992 406, 407 f. 431 Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 114; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 22. 432 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 18; Piontek § 3 Rn. 16; a.A. Armbrüster RuS 2010 441, 444. 433 ÖOGH 28.9.2005 – 7 Ob 144/05k, ECLI:AT:OGH0002:2005:0070OB00144.05K.0928.000; ÖOGH 22.12.2004 – 7 Ob 219/04p, ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00219.04P.1222.000. Koch
190
D. Regulierungsvollmacht des Versicherers (Ziff. 5.2 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Umstritten ist, ob der VR mit Forderungen des VN gegen den Schadensersatzanspruch des 174 Geschädigten aufrechnen kann, ob sich die Aufrechnungsvollmacht auf Ansprüche aus demselben Schadensereignis beschränkt und ob insgesamt eine vorherige Zustimmung des VN eingeholt werden muss. Überwiegend wird in der aktuellen Literatur die Ansicht vertreten, die Aufrechnung mit Forderungen des VN aus demselben Schadensereignis sei dem VR gestattet.434 Dies wird damit begründet, dass Belange des VN nicht beeinträchtigt würden, weil der VR den Aufrechnungsbetrag an ihn zu zahlen habe. Im Übrigen sei der VN nach Ziff. 25.2 Satz 1 AHB verpflichtet, seine Zustimmung zur Aufrechnung zu erklären, weil dies im Prozess für den VR vorteilhaft sei (wegen der Kosten).435 R. Johannsen hat sich hingegen ohne nähere Begründung gegen eine Aufrechnungsvollmacht ausgesprochen,436 ebenso das AG Köln437 und der ÖOGH.438 Letztlich kann auch diese Frage nur durch Auslegung von Ziff. 5.2 Satz 1 AHB beantwortet werden. Dabei ist zu beachten, dass der Wortlaut von Ziff. 5.2 Satz 1 AHB abweicht von § 5 Ziff. 7 175 AHB 1999 (und älteren Fassungen). Es heißt nicht mehr „alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen“, sondern „alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen“. Unter Abwicklung des Schadens – eine Aufrechnung kommt nur in dieser Alternative in Betracht – dürfte ein durchschnittlicher VN die Übernahme der Regulierung des verursachten Schadens verstehen, was eine Aufrechnung mit wechselseitigen Ansprüchen aus ein und demselben Schadensereignis – sei es durch einseitige Erklärung, sei es im Rahmen eines Vergleichs – einschließt, aber nicht darüber hinausgeht. Ob der VN aus Ziff. 25.2 Satz 1 AHB auch unter dem Gesichtspunkt der Obliegenheit zur 176 Schadensminderung gehalten ist, – ggf. nach Anweisung durch den VR nach Ziff. 25.2 Satz 2 AHB – die Aufrechnung selbst zu erklären oder der Aufrechnung des VR zuzustimmen, ist fraglich.439 Jedenfalls soweit der Haftpflichtanspruch dem Grunde und/oder der Höhe nach streitig ist, dürfte dem VN die Aufrechnung oder Vollmachtserteilung hierzu nicht zuzumuten sein.
III. Dauer der Regulierungsvollmacht 1. Erteilung der Regulierungsvollmacht Die Regulierungsvollmacht wird mit Abschluss des Versicherungsvertrages erteilt i.S.v. § 167 Alt. 177 1 BGB. Die Vollmacht ist dabei nicht unbedingt, sondern aufschiebend bedingt für den Fall erteilt, dass Dritte Schadensersatzansprüche gegen den VN geltend machen, die in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallen. Die Wirkung der Regulierungsvollmacht tritt erst mit Eintritt dieser Bedingung ein.
2. Erlöschen der Regulierungsvollmacht Ziff. 5.2 Satz 1 AHB enthält keine Regelung über das Erlöschen der Vollmacht. Enthält die Bevoll- 178 mächtigung keine ausdrückliche Bestimmung hierüber, so kommt es für die Auslegung der Voll434 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 20; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 118; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 34; Schirmer Vertretungsmacht 68. 435 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 118; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 20; Späte AHB § 5 Rn. 65. 436 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 81. 437 AG Köln 31.10.1986 – 266 C 81/86, VersR 1988 940. 438 ÖOGH 18.3.1965 – 2 Ob 58/65, VersR 1965 1064. 439 Dafür Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 20; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 34. 191
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
machtserteilung auf die Umstände an, welche für den Willen des Vollmachtgebers maßgebend waren. Dabei kommt dem Zweck der Vollmacht maßgebende Bedeutung zu.440 Wendet man diese bürgerlich-rechtlichen Auslegungsgrundsätze auf Ziff. 5.2 Satz 1 AHB an, lassen sich folgende Feststellungen treffen: Werden gegen den VN Schadensersatzansprüche geltend gemacht, die in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallen, bleibt die Vertretungsmacht auch nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, z.B. im Falle einer Kündigung wegen Eintritts des Versicherungsfalles, bestehen.441 Die Vollmacht erlischt wegen Zweckerreichung erst dann, wenn der VR die erhobenen 179 Ansprüche vorgerichtlich befriedigt oder erfolgreich abwehrt.442 Darüber hinaus erlischt die Vollmacht wegen Zweckfortfalls, wenn der VN den Haftpflichtanspruch anerkannt und/oder befriedigt hat.443 In diesen Fällen besteht für eine weitere Tätigkeit im Namen des VN kein Raum mehr, da der VR eine unrichtige Behandlung der Sach- und Rechtslage durch den VN nicht mehr verhindern kann. Besteht Streit über Grund und/oder Höhe des Haftpflichtanspruchs und/oder des Deckungsanspruchs, bleibt dem VR nur der Weg, den Zahlungsanspruch des VN mit haftpflichtrechtlichen und versicherungsrechtlichen Einwendungen zu bestreiten. Als Zweckfortfall ist auch die zu Recht erfolgte Deckungsverweigerung anzusehen. Verweigert der VR die Deckung zu Unrecht, liegt eine Zweckverfehlung vor, die ebenfalls zum Erlöschen der Vollmacht führt. Die Vollmacht lebt wieder auf, wenn der VR später aufgrund neuer Erkenntnisse oder eines Sinneswandels sich dazu entschließt, Deckung nun doch zu gewähren. 180 Dagegen bleibt die Vollmacht bestehen, wenn der VN nur den Anspruch auf Freistellung an den geschädigten Dritten abtritt, ohne den Haftpflichtanspruch zugleich anzuerkennen. Hier kann es nämlich zu einer erneuten Inanspruchnahme des VN kommen, soweit der Dritte nicht durch den VR befriedigt wird.444
3. Widerruf der Regulierungsvollmacht 181 a) Grundsatz: Unwiderruflichkeit der Regulierungsvollmacht. Nach § 168 Satz 2 BGB ist eine Vollmacht auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses jederzeit widerruflich, soweit sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Ziff. 5.2 Satz 1 AHB enthält keinen vertraglichen Ausschluss des Widerrufsrechts. Für die Entscheidung, ob die Regulierungsvollmacht widerruflich oder unwiderruflich ist, ist deshalb die Interessenlage maßgeblich. Nach der Rechtsprechung ist ein Ausschluss zu bejahen, wenn die Vollmacht zumindest in gleichem Maße wie dem Interesse des Vollmachtgebers auch dem Interesse des Bevollmächtigten dient.445 Die Interessenlage lässt sich wiederum nicht der Vollmacht als abstraktem Rechtsgeschäft, sondern nur dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis entnehmen.446 Die Regulierungsvollmacht nach Ziff. 5.2 Satz 1 AHB dient der schnelleren Abwicklung des Versicherungsfalls auf Seiten des VR und liegt deshalb (auch) in seinem Interesse. Sie ist deshalb grundsätzlich unwiderruflich.447
440 Staudinger/Schilken (2019) § 168 Rn. 2; Grüneberg/Ellenberger § 168 Rn. 1; MüKoBGB/Schubert § 168 Rn. 32. 441 BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, BGHZ 101 276, 284 = NJW 1987 2586; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 36; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 5 AHB Rn. 8. 442 Vgl. Schirmer Vertretungsmacht 116; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 37. 443 Vgl. Schirmer Vertretungsmacht 116; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 37. 444 Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 108 und § 108 VVG Rn. 57. 445 Vgl. BGH 13.12.1990 – III ZR 333/89, NJW-RR 1991 439, 441; BGH 13.5.1971 – VII ZR 310/69, DNotZ 1972 229, 230; BayObLG 14.3.1996 – 2Z BR 121/95, NJW-RR 1996 848, 849. 446 BayObLG 14.3.1996 – 2Z BR 121/95, NJW-RR 1996 848, 849. 447 Allg.M., vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 12; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 26; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 115; Littbarski AHB § 5 Rn. 136; Schirmer Vertretungsmacht 131 f. Koch
192
D. Regulierungsvollmacht des Versicherers (Ziff. 5.2 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
b) Ausnahme: Widerruf aus wichtigem Grund. Selbst bei einem wirksamen Ausschluss des 182 Widerrufsrechts bleibt nach allgemeiner Auffassung der Widerruf aus wichtigem Grund zulässig.448 Es kommt darauf an, ob dem VN nach Treu und Glauben ein unbeschränktes Festhalten an der Unwiderruflichkeit zugemutet werden kann. Die Interessen des geschädigten Dritten können dagegen bei der Beurteilung dieser Frage keine Berücksichtigung finden. Dieser wird, wenn er über den Widerruf nicht unterrichtet wird, genügend durch die Grundsätze über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht geschützt. Ferner kann zu seinem Schutz unter Umständen § 179 BGB eingreifen. Ein VR, der den VN trotz eines Widerrufs nach den Grundsätzen über die Anscheinsvoll- 183 macht verpflichtet, kann sich nach §§ 241 Abs. 2, 280 BGB gegenüber dem VN schadensersatzpflichtig machen. Ein Schaden im Rechtssinne kann dem VN dabei allerdings in der Regel nur entstehen, wenn entgegen der materiellen Rechtslage eine Feststellung der Haftpflichtforderung erfolgt ist und der VN den Haftpflichtanspruch ganz oder teilweise selbst erfüllen muss. Maßgebend für die Frage eines Widerrufs der Vollmacht aus wichtigem Grund sind alle Umstände des Einzelfalles. Die folgenden Beispiele bilden demgemäß keine erschöpfende Aufzählung des Widerrufsrechts aus wichtigem Grund.
c) Beispiele aa) Vermögensverfall des Versicherers. Gerät der VR in Vermögensverfall, wird gar das In- 184 solvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet,449 so ist der VN zum sofortigen Widerruf der Vollmacht berechtigt.
bb) Unberechtigte Verweigerung des Versicherungsschutzes. Soweit man entgegen der 185 zuvor vertretenen Ansicht (Rn. 179) ein Erlöschen der Vollmacht wegen Zweckverfehlung verneint, ist der VN jedenfalls zum Widerruf berechtigt, wenn der VR den Versicherungsschutz unberechtigt verweigert. Der VR handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er dessen ungeachtet von der Vollmacht Gebrauch macht. Weiß der geschädigte Dritte, dass der VR den Versicherungsschutz abgelehnt hat, so kann er sich auf die generell erteilte Vollmacht nicht berufen. Er ist so zu behandeln, als sei ihm ein Widerruf des VN zugegangen. Darauf, ob der VR schuldhaft oder nicht schuldhaft meinte, den Versicherungsschutz verweigern zu dürfen, kommt es nicht an, da er das Risiko der Fehleinschätzung trägt. Entscheidend ist, dass durch eine unberechtigte Deckungsverweigerung das Vertrauensver- 186 hältnis regelmäßig empfindlich gestört wird. Zu Recht nimmt deshalb auch der BGH450 an, dass in einem solchen Falle für den VN keine Obliegenheit mehr bestehe, einem vom VR benannten Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen und dem VR die Prozessführung zu überlassen.451
cc) Überschreitung der Deckungssummen. Wird der VN durch rechtsgeschäftliche Hand- 187 lungen des VR in einer die Deckungssumme übersteigenden Weise zur Zahlung verpflichtet, kann sich der VR dem VN gegenüber schadensersatzpflichtig machen (vgl. Ziff. 5 AHB Rn. 171). Doch ist der VN damit unter Umständen nicht genügend geschützt, weil dem VR bei Gebrauch seiner Regulierungsvollmacht ein Ermessensspielraum zusteht und nicht jede die materielle Rechtslage verkennende Abwicklung als schuldhaft qualifiziert werden kann. Es erscheint daher als sachgerecht, dem VN bereits ein Widerrufsrecht zuzubilligen, soweit die geltend gemachten 448 449 450 451 193
Vgl. nur Nachw. bei Staudinger/Schilken (2019) § 168 Rn. 14. Hierzu Bruck/Möller/Koch § 110 VVG Rn. 28 ff. BGH 7.11.1966 – II ZR 12/65, NJW 1967 202 = VersR 1967 27, 28. A.A. Schirmer Vertretungsmacht 145 f. Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Haftpflichtansprüche die Deckungssummen des Versicherungsvertrages oder – bei Kostenanrechnung abweichend von Ziff. 6.5 AHB – die Haftpflichtansprüche zusammen mit den Kosten übersteigen.452 Hierdurch werden auch keine schutzwürdigen Rechte des geschädigten Dritten verletzt. 188 Nach dem Gesagten wird man es dem VN auch nicht als Obliegenheitsverletzung (nach Ziff. 25.5 AHB) anlasten können, wenn er bei nicht ausreichender Deckungssumme darauf besteht, dass neben dem Anwalt des VR auch auf seine Kosten ein Anwalt seines Vertrauens in den Rechtsstreit eingeschaltet wird (Ziff. 25 AHB Rn. 70, 77).
IV. Personelle Reichweite 189 In Ziff. 5.2 Satz 1 AHB heißt es lediglich, dass der VR bevollmächtigt ist, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. Werden Schadensersatzansprüche gegen mitversicherte Personen geltend gemacht, lässt sich eine Befugnis des VR zu deren Vertretung aus dem Wortlaut von Ziff. 5.2 Satz 1 AHB nicht herleiten. Eine solche Befugnis ergibt sich auch nicht in Verbindung mit Ziff. 27.1 Satz 1 AHB. Zwar heißt es dort, dass die für den VN geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden seien. Da die versicherten Personen aber nicht Partei des Versicherungsvertrages werden, könnte der VR aus dieser Regel allenfalls dann eine Regulierungsvollmacht herleiten, wenn der VN für diese Dritten eine gesetzliche oder vertraglich eingeräumte Vertretungsmacht besäße.453 Um den berechtigten Interessen des VR Rechnung zu tragen, hat der BGH die „sinngemäße 190 Anwendung“ des § 5 Ziff. 7 AHB 1999 (und ältere Fassungen) auf den (Mit-)Versicherten dahingehend verstanden, dass die versicherte Person die Obliegenheit treffe, spätestens nach Eintritt des Versicherungsfalles dem VR Vollmacht zu erteilen.454 Nach der Neufassung der AHB ist die Erteilung der Regulierungsvollmacht indessen nicht mehr als Obliegenheit ausgestaltet,455 sodass dieser rechtskonstruktive Ansatz ins Leere geht. Davon abgesehen fehlt es an einer Sanktion, wenn die versicherte Person keine Vollmacht erteilt. Insoweit ist eine Änderung der AHB geboten. Nicht selten werden bei Eigen- und Fremdschadenrisiken kombinierenden Haftpflichtversi191 cherungsverträgen (z.B. Betriebshaftpflichtversicherung) Ansprüche gleichzeitig gegen den VN und versicherte Personen erhoben. Überlassen Letztere dem VR ohne Widerspruch die Regulierung, so kann darin unter Umständen eine stillschweigende Genehmigung der Vollmachtserteilung nach Ziff. 5.2 Satz 1 AHB gesehen werden. Schließlich ist auch sorgsam zu prüfen, ob eine versicherte Person, die im Vorstadium eines 192 Haftpflichtprozesses durch einen VR ohne Vollmacht vertreten war, nicht gegen Treu und Glauben verstößt, wenn sie im Prozess auf Verlangen des VR, der diese Verhandlungen geführt hat und der eigentliche Träger des Prozessrisikos ist, die Einrede der Verjährung erhebt. Nach R. Johannsen liegt es nahe, aus diesem Grunde die Einrede der Verjährung in dem Umfang zurückzuweisen, in dem ein wirksam vertretener VN oder Versicherter sich nicht auf sie hätte berufen dürfen. Letzteres gelte nur dann nicht, wenn der VR oder der Versicherte dem Dritten rechtzeitig mitteilten, dass eine Regulierungsvollmacht für den Versicherten nicht bestehe.456
452 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 17; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 32. 453 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 35; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 21. 454 BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, BGHZ 101 276, 285 = VersR 1987 926. 455 A.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 21; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 35; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 117. 456 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 17. Koch
194
D. Regulierungsvollmacht des Versicherers (Ziff. 5.2 Satz 1 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Soweit der VR eine Vollmacht vom VN, nicht aber eine solche von der versicherten Person 193 hat, lässt sich nach der Interessenlage regelmäßig nicht annehmen, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des VR zugleich im Namen beider abgegeben werden. Man wird hier aber bezüglich der versicherten Person auch keinen Verpflichtungswillen des VR im eigenen Namen annehmen können, sondern regelmäßig einen im Namen des VN abgeschlossenen Vertrag, der gekoppelt ist mit einem Vertrag zugunsten der versicherten Person i.S.d. § 328 BGB. Das Problem taucht im Übrigen regelmäßig nur bei außergerichtlichen Vergleichen und Verhandlungen auf, also nicht, wenn sowohl VN als auch versicherte Person vom Dritten verklagt worden sind und der vom VR bestellte Anwalt Prozessvollmacht gemäß der nach Ziff. 25.5 Satz 3 AHB bestehenden Obliegenheit erhalten hat, die sowohl für den VN als auch die versicherte Person gilt.
V. Auftreten des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten 1. Grundsatz: Handeln im Namen des VN Dass dem VR eine regelmäßig unwiderrufliche Vollmacht des VN zur Regulierung des Haft- 194 pflichtschadens zusteht, bedeutet nicht, dass der VR stets als Vertreter des VN handelt oder gar zu einem Auftreten im Namen des VN verpflichtet wäre. Es steht dem VR vielmehr frei, von der Vollmacht keinen Gebrauch zu machen und im eigenen Namen nach Maßgabe der zuvor dargestellten gesetzlichen Ausgangsposition zu handeln (Rn. 165 ff.).457 Jedoch besteht eine Vermutung tatsächlicher Art, dass der VR gegenüber dem geschädigten Dritten regelmäßig als Vertreter des VN auftritt und beim Abschluss von Abfindungsverträgen demgemäß den VN und nicht sich selbst verpflichtet. Dementsprechend hat der BGH festgestellt: 195 „[A]us der maßgeblichen Sicht des Geschädigten liegt im Allgemeinen die Annahme fern, der uneingeschränkt bevollmächtigte Haftpflichtversicherer wolle, wenn er mit dem Geschädigten in Verbindung tritt, etwa nur eigene Pflichten gegenüber seinem Versicherungsnehmer, dem Schädiger, erfüllen und nicht zugleich dessen Pflichten gegenüber dem Geschädigten“.458
Das bedeutet, dass der VR auch bei seinen Zahlungen an den Geschädigten regelmäßig als Vertreter des VN und nicht als Dritter i.S.d. § 267 BGB leistet.
2. Ausnahmen Wenn von dem zuvor dargestellten Grundsatz abweichend ein Handeln des VR im eigenen Na- 196 men angenommen werden soll, so bedarf dies besonderer Begründung aus den Umständen des Falles und den speziell vom VR bei den Vertragsverhandlungen abgegebenen Erklärungen. So hatte sich z.B. in dem Fall, der der Entscheidung des RG vom 19.11.1929459 zugrunde lag, der betreffende VR ausdrücklich im eigenen Namen verpflichtet und der VN hatte dazu erklärt, dass er die vom VR übernommene Verpflichtung auch für sich dergestalt als bindend anerkenne, dass er dem Dritten neben dem VR als Gesamtschuldner hafte. Ähnlich verhält es sich bei der Entscheidung des KG vom 26.9.1934.460 Dort hatte der VR sich ebenfalls ausdrücklich zur Zahlung verpflichtet und dazu erklärt, dass dieses Anerkenntnis „als ein besonderer 457 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 31. 458 BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, RuS 2007 16, 17 = VersR 2006 1676, 1677; vgl. auch BGH 22.11.1988 – VI ZR 20/88, RuS 1989 78, 79; OLG Düsseldorf 20.5.2010 – 5 U 101/09, BeckRS 2010 21270.
459 RG 19.11.1929 – II 72/29, JW 1929 579, 580. 460 KG 26.9.1934 JW 1934 348 ff. 195
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Verpflichtungsgrund im Sinne des BGB gelten“ solle. Eine solche ausdrückliche Schuldübernahme lag auch dem Urteil des OLG München vom 29.11.1931 zugrunde.461 Ähnlich war es auch in dem Fall, den der BGH am 7.4.1956 zu entscheiden hatte und in dem der VR sich nach der Meinung des Gerichts in geradezu unzweideutiger, einer Auslegung gar nicht mehr fähigen Weise im eigenen Namen verpflichtet hatte.462 197 Übernimmt der VR ausnahmsweise eine eigene Haftung, so ist diese grundsätzlich unabhängig von dem Bestand des Versicherungsverhältnisses. Der VR bleibt dem Dritten auch dann zur Leistung verpflichtet, wenn er nachträglich feststellt, dass er dem VN keinen Versicherungsschutz zu gewähren brauchte oder wenn der VN den Versicherungsschutz durch später begangene Obliegenheitsverletzungen verliert.463 Eine solche Verpflichtung des VR wird aber zumeist stillschweigend auf die Versicherungssummen des Vertrages begrenzt sein.464 Wird eine solche summenmäßige Begrenzung in einem gegen den VR gerichteten Prozess jedoch nicht ausdrücklich in das Feststellungsurteil mit aufgenommen, so haftet der VR der Höhe nach für diesen Zukunftsschaden unbeschränkt.
VI. Auftreten des Versicherers gegenüber sonstigen am Regulierungsgang beteiligten Personen 198 Bei einem Handeln des VR gegenüber anderen Personen als dem geschädigten Dritten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der VR im Namen des VN handelt. Es ist vielmehr im Gegenteil in tatsächlicher Beziehung zu vermuten, dass der VR gegenüber von ihm ausgewählten Sachverständigen und Anwälten im eigenen Namen auftritt und demgemäß auch eigene Verbindlichkeiten begründet.465 Das bedeutet, dass regelmäßig allein der VR und nicht der VN Kostenschuldner des im Haftpflichtprozess für den VN tätigen Anwalts ist.466
E. Bevollmächtigung zur Prozessführung (Ziff. 5.2 Satz 2 AHB) I. Abgrenzung zur gewillkürten Prozessstandschaft 199 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR nach Ziff. 5.2 Satz 2 AHB „zur Prozessführung bevollmächtigt“. Er führt gemäß Ziff. 5.2 Satz 3 AHB den Rechtsstreit im Namen des VN auf eigene Kosten. Die Bevollmächtigung zur Prozessführung ist somit nicht gleichbedeutend mit der Ermächtigung zur Prozessführung i.S.v. § 51 Abs. 1 ZPO; sie bedeutet nicht, dass die Prozessführungsbefugnis des VN auf den VR übertragen wird. Eine solche gewillkürte Prozessstandschaft würde zur Parteistellung des Prozessführers führen. Es handelt sich auch nicht um eine offene Prozessvertretung (§ 80 ZPO) durch den VR.467 Ziff. 5.2 Satz 2 und Satz 3 AHB dienen allein dazu, die Einflussnahme des VR auf den Haftpflichtprozess sicherzustellen, in dem er sich die Stellung eines Bevollmächtigten einräumt. Insoweit ergänzen beide Klauseln die Regulierungsvollmacht gem. Ziff. 5.2 Satz 1 AHB. 461 462 463 464 465 466
OLG München 29.11.1931 VA 1931 289 ff. Ziff. 2344. BGH 7.4.1956 – V ZR 215/54, VersR 1956 339. RG 23.4.1940 – VII 206/39, JRPV 1940 100, 101. RG 23.4.1940 – VII 206/39, JRPV 1940 100, 101; dagegen K. Sieg Ausstrahlungen 187 f. Ebenso Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 31; Schirmer Vertretungsmacht 76. So OLG Köln 10.5.1932 VA 1932 255–258 Ziff. 2448; LG Hamburg 8.3.1955 – 6 O 273/54, VersR 1955 365; ebenso ÖOGH 8.1.1958 – 3 Ob 568/57, VersRdsch 1958 224, 226; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 32; Littbarski AHB § 5 Rn. 81. 467 Vgl. H. Koch/Hirse VersR 2001 405. Koch
196
E. Bevollmächtigung zur Prozessführung (Ziff. 5.2 Satz 2 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
II. Umfang der Prozessführungsvollmacht 1. Begriff der Prozessführung Der Begriff der Prozessführung ist gesetzlich nicht definiert. Soweit er verschiedentlich in Geset- 200 zen gebraucht wird (z.B. §§ 51, 56, 89, 114, 282 ZPO), bezieht sich der Begriff auf Verfahren vor Gerichten (sowohl staatliche Gerichte als auch Schiedsgerichte) und dürfte in diesem Sinne auch von einem durchschnittlichen VN verstanden werden. Als Prozesshandlung sind alle Betätigungen anzusehen, die darauf abzielen ein Verfahren zu beginnen, weiterzuführen oder zu beenden.468 Der Begriff der Prozessführung umfasst auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen während eines Prozesses.469 Dieses Verständnis des Prozessführungsbegriffs erlaubt eine klare Abgrenzung von Ziff. 5.2 Satz 2 und Satz 3 AHB zur Regulierungsvollmacht i.S.v. Ziff. 5.2 Satz 1 AHB, die alle Handlungen umfasst, die auf die Beendigung eines noch nicht anhängigen Rechtsstreits gerichtet sind.
2. Vollmacht des Versicherers zur Erteilung der Prozessvollmacht? a) Stand der Diskussion zu § 5 Ziff. 7 AHB 1999. Unter der Regelung des § 5 Ziff. 7 AHB 201 1999 war es umstritten, ob die Regulierungsvollmacht den VR auch dazu berechtigte, einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen, um diesen in die Lage zu versetzen, im Interesse des VN vor Gericht aufzutreten und z.B. den Erlass eines Versäumnisurteils abzuwenden.470 Voit/Knappmann haben aus § 5 Ziff. 4 AHB 1999 eine Befugnis des VR hergeleitet, einen Anwalt zu „bestellen“, was nach dem Sprachgebrauch bedeute, ihm Prozessvollmacht zu erteilen. Dass der VN dem vom VR ausgewählten Anwalt Vollmacht zu erteilen habe, sei nur eine der Praxis entsprechende Regelung für den Normalfall und stehe der Annahme einer Bestellungsvollmacht des VR nicht entgegen. Dies zeige sich insbesondere, wenn der VN schuldlos außerstande sei, dem Anwalt seinerseits Vollmacht zu erteilen, etwa bei schwerer Krankheit oder Unerreichbarkeit. Dass der VR in solchen Fällen im Anwaltsprozess keine eigene Verteidigungsmöglichkeit haben solle, sei mit Sinn und Zweck der Regelung unvereinbar.471 Nach Ansicht des Hans. OLG Bremen ermächtigt § 5 Ziff. 7 AHB a.F. den VR nicht, gegen 202 den erklärten Willen des VN einem Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen, weil der VN bereits aus § 5 Ziff. 4 AHB a.F. verpflichtet sei, einem vom VR bestellten Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen. Diese Bestimmung sei überflüssig, wenn § 5 Ziff. 7 AHB a.F. dem VR bereits das Recht gewähren würde, einem von ihm ausgewählten Anwalt namens des VN Vollmacht zu erteilen. Ein sachliches Bedürfnis, den VR in die Lage zu versetzen, die Beauftragung eines eigenen Prozessbevollmächtigten durch den VN zu verhindern und es dem VR zu ermöglichen, den Prozess durch einen eigenen Anwalt zu führen, bestehe nicht, da der VR durch die Ausgestaltung dieser Verpflichtung als Obliegenheit hinreichend geschützt sei.472
468 Musielak/Musielak ZPO Einleitung Rn. 58; vgl. auch OLG Brandenburg 7.9.2006 – 6 W 244/05, NJW 2007 1470, 1471; OLG Oldenburg 28.7.1993 – 3 WF 62/93, FamRZ 1996 682 (zu § 121 BRAGO a.F.) („jede Handlung einer Partei, die auf die Beendigung eines anhängigen Rechtsstreits gerichtet ist“). 469 OLG Oldenburg 28.7.1993 – 3 WF 62/93, FamRZ 1996 682. 470 Bejahend BGH 23.10.1990 – VI ZR 105/90, BGHZ 112 345, 348 = RuS 1992 110 (für Kfz-Haftpflichtversicherung); OLG Hamm 10.11.1981 – 3 W 60/81, VersR 1982 1068; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 AHB § 5 Rn. 28; ablehnend BGH 4.12.1967 – II ZR 151/65, VersR 1968 162, 163 (für die Kfz-Haftpflichtversicherung); OLG Köln 24.5.1965 – 12 U 32 u. 128/64, VersR 1965 950; Späte AHB § 5 Rn. 63; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 10; offengelassen von Hans. OLG Bremen 12.2.1991 – 3 U 122/90, RuS 1992 369. 471 Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 AHB § 5 Rn. 28. 472 Vgl. Hans. OLG Bremen 12.2.1991 – 3 U 122/90, RuS 1992 369. 197
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
203 b) Vollmacht zur Prozessvollmachtserteilung aus Ziff. 5.2 Satz 2 AHB? Lücke und ihm folgend Harsdorf-Gebhardt sehen die Streitfrage durch die Neuregelung des Ziff. 5.2 Satz 2 AHB in dem Sinne als entschieden an, dass der VR einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht erteilen darf.473 Für diese Ansicht scheint Ziff. 25.5 Satz 2 AHB zu sprechen, wonach „[d]er VR [.] im Namen des Versicherungsnehmers einen Rechtsanwalt [beauftragt]“.474 Allerdings befindet sich diese Regelung im Abschnitt „Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls“ und ist eingebettet in die Obliegenheit des VN, dem VR die Prozessführung gem. Ziff. 25.5 Satz 1 AHB zu überlassen und dem Rechtsanwalt nach Ziff. 25.5 Satz 3 AHB Vollmacht zu erteilen. Die Regelung in Ziff. 25.5 Satz 3 AHB ergibt keinen Sinn, wenn der VR berechtigt wäre, einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen. Insoweit hat es der Musterbedingungsgeber versäumt, für größere Klarheit zu sorgen, was angesichts der jahrzehntelangen Diskussion475 zu dieser Frage nur verwundern kann. 204 Der Widerspruch lässt sich in der Weise auflösen, dass Ziff. 25.5 Satz 3 AHB die Prozessvollmacht i.S.v. § 80 ZPO betrifft, die der VN zu erteilen hat, und Ziff. 25.5 Satz 2 AHB die hiervon zu unterscheidende bürgerlich-rechtliche Vollmacht des VR zur Beauftragung eines Anwalts, die der eigentlichen Prozessvollmacht vorgelagert ist.476 Insoweit ist Ziff. 25.5 Satz 2 AHB keine ausreichende Grundlage für die Erteilung einer Prozessvollmacht. Ein vom VR ohne Einwilligung des VN bestellter Anwalt ist bis zur Genehmigung der Vollmacht – die auch konkludent erfolgen kann – als vollmachtloser Vertreter i.S.v. § 89 ZPO zu behandeln. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der vom VR bestellte Anwalt vom Gericht gem. § 88 Abs. 2 ZPO grundsätzlich bis zur Erhebung einer Rüge nach § 88 Abs. 1 ZPO als ausreichend bevollmächtigt anzusehen ist.477 205 Hat der VN bereits einen Anwalt bestellt und weist der VR ihn an, einem anderen Anwalt Vollmacht zu erteilen, so kann der erste Anwalt nicht nach § 26 Abs. 2 GWB vom VR Unterlassung verlangen.478
206 c) Wirksamkeit einer Vollmacht zur Prozessvollmachtserteilung. Soweit man entgegen der hier vertretenen Ansicht den VR aus Ziff. 5.2 Satz 2 AHB als berechtigt ansieht, Prozessvollmacht zu erteilen, stellt sich die Frage, ob die so verstandene Klausel einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 u. 2 BGB im Hinblick darauf standhält, dass sich der VN bei einer möglichen Interessendivergenz zwischen ihm und dem VR bei der Auswahl und Bevollmächtigung seinen Anwalt nicht selbst aussuchen kann.479 Büsken, der dem VR zubilligt, dem Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen, hat sich da207 für ausgesprochen, einer möglichen Interessendivergenz dadurch Rechnung zu tragen, dass der VR im Falle des Widerspruchs durch den VN keine Prozessvollmacht erteilen darf.480 Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zu § 10 Abs. 5 AKB a.F.481 plädiert er für eine Interessenabwägung, die grundsätzlich zugunsten des VR und nur in Ausnahmefällen zugunsten des VN ausfalle, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen VN und dem vom VR benannten
473 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 24; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 38; so auch OLG Karlsruhe 26.10.2010 – 8 U 115/09, NJOZ 2011 1694, a.A. Langheid/Wandt/Littbarski AHB § 101 VVG Rn. 35. Vgl. auch Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 122. Vgl. Schirmer Vertretungsmacht 94 ff. Vgl. HK-VVG/Schimikowski Ziff. 5 Rn. 6. OLG Koblenz 20.3.2012 – 5 U 76/12, VersR 2012 1008, 1009. LG München 11.9.1985 – 7 HKO 12 466/85, RuS 1986 4, 5. Verneinend H. Koch/Hirse VersR 2001 405, 408; krit. Späte AHB § 5 Rn. 40. Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 123. Vgl. BGH 23.10.1990 – VI ZR 105/90, RuS 1992 110, 111: s.a. BGH 30.4.1981 – IVa ZR 129/80, NJW 1981 1952, 1953.
474 475 476 477 478 479 480 481
Koch
198
E. Bevollmächtigung zur Prozessführung (Ziff. 5.2 Satz 2 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Rechtsanwalt so stark beeinträchtigt ist, dass dem VN eine Zusammenarbeit nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden könne.482 Diese Überlegungen verdienen durchaus Zustimmung. Für die Wirksamkeit der Klausel – 208 soweit man aus ihr die Vollmacht des VR zur Erteilung der Prozessvollmacht herleitet – spricht aber vor allem, dass hierdurch weder die Bindungen und Beschränkungen, die der VR im Innenverhältnis zu beachten hat (dazu sogleich), noch das Recht des VN zum Widerruf der Prozessvollmacht eingeschränkt werden (Rn. 214).
3. Bindungen und Beschränkungen im Innenverhältnis Hinsichtlich Bindungen und Beschränkungen im Innenverhältnis gelten die Ausführungen zur 209 Regulierungsvollmacht (Rn. 171 ff.) entsprechend. Die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gebietet es dem VR darüber hinaus, dem VN bereits eine beabsichtigte Deckungsverweigerung offen zu legen, um ihm die Gelegenheit zu geben, die weitere Prozessführung in die eigene Hand zu nehmen. Der VR darf von diesem Zeitpunkt an keine Prozesshandlungen mehr vornehmen, die für den VN erkennbar nachteilig sind.483 Es versteht sich von selbst, dass der VR erst recht nicht dem Haftpflichtprozess auf Seiten des Anspruchstellers beitreten darf, um eine Verurteilung seines VN wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung zu erreichen und dadurch sicherzustellen, dass er sich im Deckungsprozess auch dem Anspruchsteller gegenüber auf Leistungsfreiheit berufen kann.484 Umgekehrt ist der VN aus § 241 Abs. 2 BGB (nicht aus Ziff. 25.2 AHB) verpflichtet, dem VR 210 ein Anerkenntnis und/oder eine Befriedigung des Haftpflichtanspruchs unverzüglich mitzuteilen, um zu verhindern, dass dem VN Kostennachteile entstehen. Im Übrigen ist der VN nicht daran gehindert, seinen Pflichten aus §§ 138 Abs. 1, 141 Abs. 1 ZPO nachzukommen.485
III. Dauer der Prozessführungsvollmacht 1. Erteilung der Prozessführungsvollmacht Hinsichtlich der Erteilung der Prozessführungsvollmacht gelten die Ausführungen zur Erteilung 211 der Regulierungsvollmacht entsprechend (Rn. 177 ff.). Sie wird aufschiebend bedingt für den Fall erteilt, dass Dritte Schadensersatzansprüche gegen den VN geltend machen, die in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallen.
2. Erlöschen der Prozessführungsvollmacht Die Bevollmächtigung des VR zur Prozessführung erlischt wegen Zweckerreichung mit der Be- 212 endigung des vor einem (Schieds-)Gericht anhängigen Rechtsstreits. Ob zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsvertrag noch besteht, ist unerheblich. Lehnt der VR die Deckung im Verlaufe des Verfahrens ab, darf er ab diesem Zeitpunkt keinen Gebrauch mehr von seiner Vollmacht machen.486 Die Bevollmächtigung erlischt wegen Zweckverfehlung. 482 Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 123. 483 Vgl. BGH 18.7.2001 – IV ZR 24/00, NVersZ 2001 472, 473. 484 OLG Karlsruhe 18.11.2016 – 12 W 17/16 VersR 2017 187, 188; OLG München 5.2.2009 – 1 U 1984/ß8, VersR 2009 822, 823.
485 OLG Hamm 29.4.1996 – 6 U 187/95, RuS 1997 55, 56. 486 Vgl. BGH 18.7.2001 – IV ZR 24/00, NVersZ 2001 472, 473; BGH 7.11.1966 – II ZR 12/65, VersR 1967 27, 28 f. = NJW 1967 202; Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 125; Späte § 3 AHB Rn. 65. 199
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
213
Leistungen der Versicherung
Darüber hinaus erlischt die Bevollmächtigung wegen Zweckfortfalls, wenn der VN den Haftpflichtanspruch während des Prozesses anerkennt und/oder befriedigt. Im Unterschied zur Regulierungsvollmacht erlischt diese Vollmacht nicht sogleich im Falle des Anerkenntnisses und/oder der Befriedigung des Haftpflichtanspruchs, sondern erst mit der (rechtskräftigen) Beendigung des Verfahrens.
3. Widerruf der Prozessführungsvollmacht 214 Die Prozessführungsvollmacht, die ebenso wie die Regulierungsvollmacht grundsätzlich unwiderruflich ist, kann vom VN nur ausnahmsweise und unter den gleichen Voraussetzungen widerrufen werden, nach denen auch ein Widerruf der Regulierungsvollmacht möglich ist (Rn. 181 ff.).487 Soweit man entgegen der hier vertretenen Ansicht den VR als bevollmächtigt ansieht, einem Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen, ist im Fall des Widerrufs der Prozessführungsvollmacht der VR gegenüber dem VN zum Widerruf der Prozessvollmacht des Anwalts verpflichtet. Der VN ist in diesem Fall ebenfalls zum Widerruf der Prozessvollmacht berechtigt. Widerruft der VN nur die Prozessvollmacht des Anwalts, ist dies zugleich als teilweiser Widerruf der Prozessführungsvollmacht des VR zu bewerten.
F. Vereinbarkeit der Tätigkeit des Versicherers mit dem RDG und § 79 ZPO 215 Weder die vorgerichtliche Regulierung des Haftpflichtschadens noch die Führung eines Prozesses für den VN stellen eine Rechtsdienstleistung des VR dar. Für die Qualifikation als Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 Abs. 1 RDG fehlt es an der Voraussetzung einer Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten. Fremd ist die Rechtsangelegenheit, die nicht – auch nicht zugleich – die Rechte des Auftretenden betrifft. Entscheidend ist, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Rechtsdienstleistung liegt.488 216 Insbesondere aus der Verpflichtung des VR, den VN von begründeten Haftpflichtansprüchen freizustellen und unbegründete Ansprüche abzuwehren, folgt, dass vornehmlich das wirtschaftliche Interesse des VR betroffen ist. Dieser besorgt somit bei seiner Mitwirkung nicht nur fremde, sondern zugleich, und zwar überwiegend, eigene Rechtsangelegenheiten.489 Der VR darf deshalb den VN im Parteiprozess (§ 79 ZPO) durch seinen (schriftlich bevollmächtigten) Angestellten vertreten lassen.490
G. Kostentragung (Ziff. 5.2 Satz 3 und Ziff. 5.3 AHB) I. Zivilverfahren (Ziff. 5.2 Satz 3 AHB) 217 Gem. Ziff. 5.2 Satz 3 AHB führt der VR den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten. Im Hinblick darauf, dass nach Ziff. 5.1 Satz 1 AHB der Versicherungsschutz die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen umfasst, hat Ziff. 5.2 Satz 3 AHB nur klarstellenden Charakter. 487 Vgl. auch Schirmer Vertretungsmacht 110. 488 Vgl. nur BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05, RuS 2007 520, 521. 489 BGH 28.6.1962 – I ZR 32/61, BGHZ 38 71, 79 = NJW 1963 441, 442; vgl. auch BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05, RuS 2007 520, 521.
490 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 29 (allerdings unter Bezugnahme auf § 157 ZPO a.F.; § 157 ZPO n.F. beschränkt sich darauf, die Vertretung durch Referendare im Parteiprozess zu regeln). Koch
200
G. Kostentragung (Ziff. 5.2 Satz 3 und Ziff. 5.3 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
Abweichend von § 101 Abs. 1 Satz 1 VVG beschränkt sich Ziff. 5.2 Satz 3 AHB nicht auf die Kosten, die den Umständen nach geboten sind. Der Grund für diese Abweichung liegt darin, dass die Anspruchsabwehr und damit die wesentliche Entscheidung darüber, welche Kosten aufgewendet werden sollen, in der Hand des VR liegt. Ihm ist deshalb eine Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit des Kostenaufwands versagt.491 Soweit der VN unter Verletzung der Obliegenheiten gem. Ziff. 25 AHB selbst tätig geworden ist, ist der VR zur Kürzung des Anspruchs auf Ersatz der Kosten berechtigt. Dabei gilt wie in Bezug auf die Haftpflichtforderung, dass der VN nicht in leichtfertiger Weise seine eigenen wohlverstandenen Interessen missachten darf, indem er die außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten in die Höhe treibt und den VR insoweit in sachlich nicht gerechtfertigter Weise belastet. Dabei ist zugunsten des VN ein großzügiger Maßstab anzulegen. Der Entschluss des VN, den Rechtsstreit gegen sich durch ein Versäumnisurteil beenden zu lassen, stellt keine unberechtigte Belastung des VR dar. Abweichend von § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG trägt der VR die Kosten, die zusammen mit der Freistellungsverpflichtung gegenüber dem VN die Versicherungssumme übersteigen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Rechtsstreit auf Veranlassung des VR geführt wird. Aus Ziff. 6.6 AHB ergibt sich jedoch eine Beschränkung der Kostentragung, wenn die sich als begründet erweisenden Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme übersteigen. In diesem Fall trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche. Ergänzend sei angemerkt, dass der VR keine Kostenerstattung schuldet, wenn der VN zusätzlich zu dem vom VR bestellten Prozessbevollmächtigten einen weiteren bestellt.492 Sind Anwaltskosten bereits entstanden, bevor der VR in Verzug ist, so sind sie nicht vom VR zu tragen.493 Zur Frage, ob in der Bestellung des zusätzlichen Anwalts eine Obliegenheitsverletzung vorliegt, s. Ziff. 25 AHB Rn. 83.
218
219
220
221
II. Strafverfahren (Ziff. 5.3 AHB) 1. Grundsätzliches Ziff. 5.3 AHB konkretisiert der Sache nach § 101 Abs. 1 Satz 2 VVG dahin gehend, dass der VR 222 die gebührenordnungsmäßigen, ggf. die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers trägt, wenn die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt wurde. Durch diese Formulierung wird verdeutlicht, dass grundsätzlich nur die Anwaltskosten und nicht auch die entstehenden Gerichts- und Nebenklagekosten zu bezahlen sind.494
2. Kosten der Strafverteidigung Nach den Umständen des Einzelfalles abzugrenzen ist, wann der VR die Bestellung eines Vertei- 223 digers „gewünscht oder genehmigt“ hat. Geht die Initiative zur Einschaltung eines Verteidigers vom VR aus, so trifft diesen auch die Kostenpflicht. Immer wenn der VR die Einschaltung eines Anwalts im Strafverfahren empfiehlt, muss er für dessen Honorarforderung (im Umfang 491 Langheid/Wandt/Büsken AllgHaftpflV Rn. 126. 492 OLG München 25.4.1983 – 11 W 1152/83, VersR 1983 1084; LG Nürnberg-Fürth 30.8.1971 – 11 S 62/71, VersR 1973 511, 512; AG Frankfurt 3.2.1972 – 38 C 862/71, VersR 1973 516; anders in einem Ausnahmefall AG Stuttgart 20.3.1970 – 2 C 9467/69, VersR 1970 659, 660. 493 LG Köln 8.1.1986 – 19 S 120/85, RuS 1986 250; AG Bonn 29.9.1987 – 12 C 262/87, VersR 1988 841, 842. 494 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 36; Späte § 3 AHB Rn. 34. 201
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
224
225
226
227
228
Leistungen der Versicherung
der gesetzlichen Gebühren gem. §§ 42 f. RVG) einstehen.495 Schreibt der VR etwa an den VN: „Wir regen an, gegen den uns übersandten Strafbefehl Einspruch durch Rechtsanwalt X einlegen zu lassen, da dieser als spezieller Kenner der Materie am besten für ihre Verteidigung geeignet sein dürfte“, so ist die Haftung des VR für die Kosten des Verteidigers gegeben, wenn in einem derartigen Schreiben nicht ausdrücklich vermerkt ist, dass durch diese Anregung aber keine Kostenübernahme i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 2 VVG erfolgen solle. Wollte der VR eine solche Erklärung mit der Folge einer Kostenübernahme nicht abgeben, so ändert das an der eingetretenen Verbindlichkeit grundsätzlich nichts. Ein Irrtum über die Rechtsfolgen einer Erklärung ist als unbeachtlicher Motivirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB anzusehen.496 Ziff. 5.3 AHB nimmt dem VR nicht das Recht, sich nach Abschluss einer jeden Instanz von der Bezahlung weiterer Verteidigungskosten durch eine rechtzeitige Erklärung gegenüber dem VN zu befreien.497 Dagegen kann sich der VN nur durch eine ausdrückliche abweichende Vereinbarung schützen; für diese kann durchaus ein rechtlich beachtliches Interesse bestehen, da nach § 411 Abs. 3 StPO bei einem Einspruch gegen einen Strafbefehl das Gericht bei der Urteilsfällung an den in dem Strafbefehl enthaltenen Ausspruch nicht gebunden ist. Schwierig ist es abzugrenzen, was in Ziff. 5.3 AHB unter dem Ausdruck zu verstehen ist, dass der VR die Bestellung eines Verteidigers für den VN „genehmigt“. Der VN unterliegt im Strafverfahren keinerlei Weisungen des VR. Ihm steht es völlig frei, ob er Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegt oder nicht.498 An eine Genehmigung im rechtstechnischen Sinne des § 184 Abs. 1 BGB ist daher nicht gedacht. Vielmehr ist diese Bedingungsbestimmung schon dann erfüllt, wenn der VR, der nachträglich von der Bestellung eines Verteidigers erfährt, gegenüber dem VN erklärt, dass er die Bestellung des ausgewählten Verteidigers billige, etwa in dem Sinne, dass ohne das Tun des VN der VR selbst die Verteidigung in dieser Weise gewünscht hätte.499 In der Praxis werden derartige „genehmigende“ Erklärungen eines VR nur ausnahmsweise vorkommen. Aus der Interessenlage lässt sich sagen, dass regelmäßig vom Standpunkt eines verständigen VR keine Veranlassung besteht, Kosten für einen bereits vom VN bestellten Anwalt zu übernehmen, ohne dazu vom VN gebeten worden zu sein. Nur ausnahmsweise kann demgemäß eine nachträgliche Kostenübernahme durch den VR aus konkludenten Handlungen geschlossen werden.500 Der VR ist nicht verpflichtet, sich an den Verteidigungskosten zu beteiligen. Der VN hat insbesondere auch keinen Anspruch darauf, dass der VR die beiderseitigen Interessen abwägt und sich dann nach objektiven Gesichtspunkten für oder gegen die Übernahme der Verteidigungskosten entscheidet.501 Wussow vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass der VR als verpflichtet angesehen werden müsse, nach verständigem Ermessen von der Möglichkeit zur Bestellung eines Verteidigers Gebrauch zu machen.502 Der Wortlaut von Ziff. 5.3 AHB gibt für eine solche Auslegung jedoch nichts her. Der VR begeht daher keine Vertragsverletzung, wenn er es ablehnt, sich in irgendeiner Form in das Strafverfahren einzuschalten. Das Auslassen der Möglichkeit, einen Verteidiger zu vermitteln und dessen Kosten zu übernehmen, macht den VR auch dann nicht schadensersatzpflichtig, wenn wider Erwarten einmal adäquat kausal durch eine ungeschickte Verteidigung des („hilflosen“) VN die Schadensersatzansprüche des geschädigten Dritten (aufgrund der fakti495 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 36; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 51; Littbarski AHB § 3 Rn. 91. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 52. Späte § 3 AHB Rn. 33. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 56. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 53; Littbarski AHB § 3 Rn. 92. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 53; Littbarski AHB § 3 Rn. 93. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 54; Littbarski AHB § 3 Rn. 92. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 54; Wussow § 3 Anm. 12 (zu § 3 II Ziff. 2 a.F.).
496 497 498 499 500 501 502
Koch
202
H. Rentenzahlungen (Ziff. 5.4 AHB)
Ziff. 5 AHB 2016
schen Auswirkungen des Strafverfahrens) derart anwachsen sollten, dass die Versicherungssumme überschritten wird.503
3. Kosten der Nebenklage und des Adhäsionsverfahrens Soweit der Geschädigte seine zivilrechtlichen Ansprüche im Adhäsionsverfahren gem. 229 §§ 403 ff. StPO verfolgt, hat der VR die das Adhäsionsverfahren betreffenden Gerichtskosten (§ 472a StPO) einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Zeugen504 nach Ziff. 5.3 AHB zu tragen.505 Dies gilt auch in den Fällen, in denen im Adhäsionsverfahren ein Anerkenntnisurteil ergeht und das Verfahren nach Erklärung des Anerkenntnisses gem. § 153a StPO eingestellt wird.506 Die Kosten, die dadurch entstehen, dass der Dritte als Nebenkläger auftritt, zählen nicht 230 als Kosten der Strafverteidigung und sind vom VR grundsätzlich nicht zu übernehmen.507 Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Kosten als Schadensersatzanspruch im Haftpflichtverfahren geltend macht. Eine Ausnahme ist jedoch in den Fällen geboten, in denen der VR den VN veranlasst hat, Einspruch gegen den ergangenen Strafbefehl einzulegen. In diesen Fällen, in denen der VR auch die den VN treffenden Verteidigungskosten zu tragen hat, würde der VR gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn er die Übernahme der nur durch sein Eingreifen entstandenen Nebenklagekosten ablehnte. Vielmehr hat er sie in diesen Fällen nach Ziff. 5.3 AHB zu übernehmen.508 Gleiches gilt, wenn der VR den VN anweist, gegen eine erstinstanzliche Entscheidung Rechtsmittel einzulegen, und sich der Geschädigte erst in der Berufung dem Verfahren als Nebenkläger anschließt.509
H. Rentenzahlungen (Ziff. 5.4 AHB) Ziff. 5.4 AHB betrifft den Fall, dass der VN zur Zahlung einer Rente verurteilt worden ist (§ 843 231 Abs. 3 BGB). Tritt danach eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse ein, die für die Berechnung der Höhe und Dauer der Rentenleistung erheblich waren, kann der VN die Abänderung der Rente in der ausgeurteilten Höhe durch eine Abänderungsklage gem. § 323 ZPO erreichen, wenn die Rentenverpflichtung auf einem Urteil oder gerichtlichen Vergleich beruht.510 Bei einem außergerichtlichen Vergleich ist die Leistungsklage der richtige Rechtsbehelf.511
503 So auch Späte § 3 AHB Rn. 33; Littbarski AHB § 3 Rn. 94. 504 OLG Karlsruhe 31.10.2019 – 9 U 77/17, VersR 2020 472, 475. 505 Vgl. BGH 23.1.1958 – II ZR 28/57, BGHZ 26 262, 267 = VersR 1958 211; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 59; Langheid/Wandt/Littbarski § 101 VVG Rn. 61; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 101 VVG Rn. 12; Prölss/Martin/Lücke § 101 VVG Rn. 11; Langheid/Rixecker/Langheid § 101 VVG Rn. 5; zur Praxisrelevanz des Adhäsionsverfahrens s. Haller Das „kränkelnde“ Adhäsionsverfahren – Indikator struktureller Probleme der Strafjustiz, NJW 2011 970. 506 Vgl. hierzu AG Berlin-Tiergarten 23.3.2011 – 34 Js 5355/10, NStZ-RR 2011 383. 507 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 54; offengelassen von OLG Karlsruhe 31.10.2019 – 9 U 77/ 17, VersR 2020 472, 475. 508 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 38 f.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 57; Clauß NJW 1957 411, 413; offenlassend BGH 23.1.1958 – II ZR 28/57, BGHZ 26 262, 268 = VersR 1958 211. 509 Vgl. Langheid/Rixecker/Langheid § 101 VVG Rn. 4; Langheid/Wandt/Littbarski § 101 VVG Rn. 62; offengelassen von BGH 23.1.1958 BGHZ – II ZR 28/57, 26 262, 268 = VersR 1958 211. 510 Hierzu näher MüKoBGB/Wagner § 843 Rn. 95. 511 Vgl. BGH 4.10.1988 – VI ZR 46/88, BGHZ 105 243, 245 f. = NJW 1989 289; MüKoBGB/Wagner § 843 Rn. 96; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 75; a.A. Späte AHB § 5 Rn. 59 und Littbarski AHB § 5 Rn. 130: Feststellungsklage. 203
Koch
Ziff. 5 AHB 2016
Leistungen der Versicherung
Ziff. 5.4 AHB bevollmächtigt den VR, das Recht des VN zur Änderung oder Aufhebung der Rente nach Maßgabe des entsprechend anzuwendenden Ziff. 5.2 AHB auszuüben. Der VR kann die Aufhebung oder Änderung zunächst außergerichtlich anstreben. Misslingt dies, kann er im Namen des VN Klage erheben. 233 Die Anpassung oder der Wegfall der Rentenzahlungen setzt eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB voraus. Eine Störung ist anzunehmen, wenn sich die bei Abschluss des Vertrages bestehenden und von den Parteien vernünftigerweise vorauszusehenden wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben.512 Zu beachten ist, dass der VN nicht gehalten ist, von sich aus die Verhältnisse des Dritten, den er geschäftlich oder privat kennt, fortlaufend zu beobachten, um den VR unaufgefordert bei wesentlichen Veränderungen auf die Möglichkeit einer Abänderungsklage hinzuweisen.513 Erlangt der VN zufälligerweise von einschlägigen Tatsachen Kenntnis, besteht allerdings die Obliegenheit zur Information.514 Im Übrigen muss der VN nur auf Weisung des VR tätig werden. Diese Obliegenheit folgt aus Ziff. 25.2 Satz 2 u. 3 AHB i.V.m. § 82 VVG.515 232
512 BGH 4.10.1988 – VI ZR 46/88, BGHZ 105 243, 245 f. = NJW 1989 289; MüKoBGB/Wagner § 843 Rn. 96; Späte AHB § 5 Rn. 59; Littbarski AHB § 5 Rn. 130. 513 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 76. 514 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 5 Rn. 76; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 38. 515 Prölss/Martin/Lücke AHB § 5 Rn. 38. Koch
204
Ziff. 6 AHB 2016
Ziff. 6 Begrenzung der Leistungen AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 6 Begrenzung der Leistungen
§ 3 Beginn und Umfang des Versicherungsschutzes, Zahlung des Erstbeitrages
6.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt.
III. 2. 1Für den Umfang der Leistung des VR bilden die im Versicherungsschein angegebenen Versicherungssummen die Höchstgrenze bei jedem Schadensereignis. Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt.
6.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Entschädigungsleistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt.
III. 2. 3Ferner kann vereinbart werden, daß der VR seine Gesamtleistung für alle Schadensereignisse eines Versicherungsjahres auf ein Mehrfaches der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
6.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang oder – auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängelnberuhen.
III. 2. 2Mehrere zeitlich zusammenhängende Schäden aus derselben Ursache oder mehrere Schäden aus Lieferungen der gleichen mangelhaften Waren gelten als ein Schadensereignis.
6.4 1Falls besonders vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt). 2Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3 Ziff. 6.1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, ist der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet 6.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
III. 4. Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet (vgl. aber Ziff. IV 1).
6.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
IV. 1. 1Übersteigen die Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme, so hat der VR die Prozeßkosten nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche zu tragen, und zwar auch dann, wenn es sich um mehrere aus einem Schadensereignis entstehende Prozesse handelt. 2Der VR ist in solchen Fällen berechtigt, durch Zahlung der Versicherungssumme und seines der Versicherungssumme entsprechenden Anteils an den bis dahin erwachsenen Kosten sich von weiteren Leistungen zu befreien.
205 https://doi.org/10.1515/9783110522686-011
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
AHB 2016
AHB 1999
6.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2 Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3 Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
IV. 2. 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2 Der Rentenwert wird aufgrund der Allgemeinen Sterbetafeln für Deutschland mit Erlebensfallcharakter 1987 R Männer und Frauen und unter Zugrundelegung des Rechnungszinses, der die tatsächlichen Kapitalmarktzinsen in Deutschland berücksichtigt, berechnet. 3Hierbei wird der arithmetische Mittelwert über die jeweils letzten 10 Jahre der Umlaufrenditen der öffentlichen Hand, wie sie von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht werden, zugrunde gelegt. 4 Nachträgliche Erhöhungen oder Ermäßigungen der Rente werden zum Zeitpunkt des ursprünglichen Rentenbeginns mit dem Barwert einer aufgeschobenen Rente nach der genannten Rechnungsgrundlage berechnet. 5 Für die Berechnung von Waisenrenten wird das … Lebensjahr als frühestes Endalter vereinbart. 6 Für die Berechnung von Geschädigtenrenten wird bei unselbständig Tätigen das vollendete … Lebensjahr als Endalter vereinbart, sofern nicht durch Urteil, Vergleich oder eine andere Festlegung etwas anderes bestimmt ist oder sich die der Festlegung zugrunde gelegten Umstände ändern. 7 Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
6.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
IV. 3. Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich an dem Widerstand des Versicherten scheitert, so hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Hauptsache, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Versicherungssumme
I.
Entschädigungsleistung im Versicherungsfall 2 (Ziff. 6.1 AHB)
Koch
II.
Jahreshöchstleistung (Ziff. 6.2 AHB)
III. 1. 2. 3.
Serienschäden (Ziff. 6.3 AHB) 8 Sinn und Zweck 9 Inhalt Voraussetzungen der Verbindung zur Se14 rie
6
206
Ziff. 6 AHB 2016
A. Inhalt und Zweck
a)
b) c)
Ursachenklausel 15 aa) Ursachenidentität 16 bb) Beispiele Erweiterte Ursachenklausel 22 Warenklausel 23 aa) Geltungsbereich 25 bb) Einzelheiten
III.
18
1. 2.
Begriff der Prozesskosten und Abgrenzung zu 43 den außergerichtlichen Kosten 44 Gerichtliche Kosten 45 Außergerichtliche Kosten
F.
Rentenzahlungen (Ziff. 6.7 AHB)
I.
Ausgangspunkt
46
C.
Selbstbehalt (Ziff. 6.4 AHB)
I.
Erfordernis der besonderen Vereinba30 rung
II. 1. 2.
Verpflichtung zur Rentenzahlung 47 Begriff der Rente Rechtsgrund zur Rentenzahlung
II.
Beschränkung auf Abzug von der Schadenser31 satzleistung
III. 1.
III.
Abzug bei begründeten Ansprüchen oberhalb 32 der Versicherungssumme
2.
IV.
Verpflichtung zur Anspruchsabwehr bei unterhalb des Selbstbehalts liegenden Ansprü33 chen
V.
Fälligkeit des Selbstbehalts
D.
Aufwendungen des Versicherers (Ziff. 6.5 35 AHB)
Unzureichende Versicherungssumme Bedeutung der Versicherungssumme und des 51 Kapitalwerts 54 Berechnung des Kapitalwerts der Rente a) Rechnungsgrundlagen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 55 und 3 KfzPflVV) 56 b) Verdienstausfallrenten c) Nachträgliche Erhöhungen oder Ermäßigungen der Rente (§ 8 Abs. 1 Satz 4 57 KfzPflVV) Rechtsfolgen a) Verhältnismäßige Kürzung der 58 Rente
IV.
Mehrere Geschädigte
E.
Prozesskostenbegrenzung bei Überschreiten der Versicherungssumme (Ziff. 6.6 AHB)
V.
Neuberechnung des Kapitalwerts infolge Ände62 rung der vom VN zu zahlenden Rente
Klagestattgabe oder Vergleich oberhalb der Ver38 sicherungssumme
G.
Widerstand des VN (Ziff. 6.8 AHB)
I.
II.
34
3.
48
60
66
Klageabweisung/-stattgabe oder Vergleich unter41 halb der Versicherungssumme
A. Inhalt und Zweck Ziff. 6 AHB ist an die Stelle von § 3 III Ziff. 2–4, IV Ziff. 1–3 AHB 1999 getreten. Ziff. 6.1 bis 6.4 AHB 1 regeln den Umfang der Leistung des VR. Ziff. 6.5 AHB stellt klar, dass u.a. die Kosten der Anspruchsabwehr nicht auf die Versicherungssumme angerechnet werden. Ziff. 6.6 AHB sieht eine verhältnismäßige Aufteilung der Prozesskosten vor, wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen. Ziff. 6.7 AHB betrifft den Fall, dass der VN dem Geschädigten zur Rentenzahlung verpflichtet und der Kapitalwert (auch Barwert genannt) der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme übersteigt. Diese Klausel konkretisiert § 107 VVG. Ziff. 6.8 AHB bestimmt die Rechtsfolgen, wenn die Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert.
207
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
B. Versicherungssumme I. Entschädigungsleistung im Versicherungsfall (Ziff. 6.1 AHB) 2 Gem. Ziff. 6.1 Satz 1 AHB ist die Entschädigungsleistung des VR bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. Für gewöhnlich werden für Personenund Sachschäden sowie mitversicherte Vermögensschäden unterschiedliche Versicherungssummen vereinbart.1 Im Rahmen der Vorsorgeversicherung und bei Deckungserweiterungen werden regelmäßig niedrigere Versicherungssummen zur Verfügung gestellt. Die Frage nach der richtigen Höhe der Versicherungssumme lässt sich nicht allgemein beantworten. Während in der Sachversicherung ein fester Risikorahmen durch den Wert der versicherten 3 Sache besteht, lässt sich ein möglicher Höchstschaden in der Haftpflichtversicherung nicht bestimmen.2 Soweit nicht die infrage kommenden Haftungsnormen Haftungshöchstsummen vorsehen, an denen sich der VN orientieren kann, fehlt es an einer objektiven Bezugsgröße für die Ermittlung der „erforderlichen“ Deckungssumme. Die Entscheidung über deren Höhe kann deshalb nur aufgrund einer sorgfältigen Analyse der vorhandenen Risiken und des Umfangs der finanziellen Mittel erfolgen, die der VN zur Deckung dieser Risiken bereitstellen kann und will.3 Hierbei trifft den VR bzw. den Versicherungsvermittler eine Beratungspflicht (§§ 6 Abs. 1, 61 Abs. 1 VVG).4 Die für die verschiedenen Schadensarten vereinbarten Versicherungssummen stehen für 4 jeden einzelnen Versicherungsfall (Schadensereignis i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB) zur Verfügung. Das bedeutet, dass die vereinbarten Versicherungssummen pro Versicherungsfall nur einmal verfügbar sind. Dies gilt gem. Ziff. 6.1 Satz 2 AHB auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige versicherte Personen erstreckt.5 Haben A und B zusammen einen Sachschaden von A 100.000 verursacht und beträgt die Versicherungssumme für Sachschäden nur A 50.000, so hat der VR bei Bestehen eines einheitlichen Haftpflichtversicherungsvertrages nur für insgesamt A 50.000 aufzukommen. Keine Anwendung finden die Bestimmungen über die Unterversicherung (§ 74 VVG), da es in der Haftpflichtversicherung an einem Versicherungswert i.S.v. § 88 VVG fehlt. Reicht die zur Verfügung stehende Versicherungssumme bei mehreren Anspruchsstellern nicht aus, den VN von allen Ansprüchen freizustellen, kommt die gesetzliche Verteilungsregelung des § 109 VVG zur Anwendung.6 Die Versicherungssumme ist gem. § 109 Satz 1 VVG nach dem Verhältnis der beteiligten Haftpflichtforderungen nach Maßgabe eines vom VR zu erstellenden Verteilungsplans zu verteilen. Das Verteilungsverfahren erfasst gem. § 109 Satz 2 VVG auch erst künftig fällig werdende Ansprüche, sofern der VR mit ihrer Geltendmachung rechnen muss. Zur Durchführung des Verteilungsverfahrens im Einzelnen sei auf die Kommentierung von § 109 VVG verwiesen. Unberührt von der Begrenzung der Entschädigungspflicht auf die Versicherungssumme 5 bleiben gem. Ziff. 6.5 AHB die Kosten der Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie nach § 101 Abs. 2 Satz 2 VVG Zinsforderungen des Geschädigten, soweit sie der VN infolge einer vom VR veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem zu entrichten hat. Zudem schuldet der VR Verzugszinsen über die Deckungssumme hinaus, wenn er mit der Erfüllung des Freistellungsanspruchs gegenüber dem VN in Verzug gerät (§ 288 BGB).7 Die
1 2 3 4 5 6 7
Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 1. Vgl. hierzu Schmidt-Salzer/Schmidt-Salzer Produkthaftung IV/1 Rn. 7.289 ff. Vgl. Littbarski AHB § 3 Rn. 137 f. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 6 AHB Rn. 1; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 5. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 1. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 6. Vgl. auch BGH 11.3.1992 – IV ZR 284/90, VersR 1992 1257 = RuS 1992 193; BGH 8.11.1989 – IVa ZR 163/88, RuS 1990 82 f. (zu AVB-WB); Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 44; R. Johannsen ZVersWiss 1994 461 f.; a.A. LG Koblenz 10.12.1954 – 2 O 155/54, VersR 1955 338, 339. Koch
208
B. Versicherungssumme
Ziff. 6 AHB 2016
Nichterwähnung der Zinsen in Ziff. 6.5 AHB begründet keine Abbedingung von § 101 Abs. 2 Satz 2 VVG.8
II. Jahreshöchstleistung (Ziff. 6.2 AHB) Von der Höchstgrenze für jeden einzelnen Versicherungsfall ist die Jahreshöchstleistung (sog. 6 Maximierung) i.S.v. Ziff. 6.2 AHB zu unterscheiden, die die Entschädigungsleistung des VR unabhängig von der Zahl der im Versicherungsjahr eingetretenen Versicherungsfälle begrenzt. Üblich ist eine Maximierung, die sich auf das Doppelte der Versicherungssumme je Versicherungsjahr beläuft. Beispiel: Vereinbarte Versicherungssumme 5 Mio. A (2-fach maximiert). Der VR zahlt pro Versicherungsfall max. 5 Mio. A und für alle Schäden eines (Versicherungs-)Jahres max. 10 Mio. A. Höhere Maximierungen sind nach entsprechender Vereinbarung mit dem VR möglich.9
Bezüglich der Beschränkung der Entschädigungsleistung auf einen Jahreshöchstbetrag kann 7 den VR bzw. den Versicherungsvermittler eine über die bloße Information nach § 7 VVG und § 4 VVG-InfoV hinausgehende Hinweispflicht aus §§ 6 Abs. 1, 61 Abs. 1 VVG treffen.10
III. Serienschäden (Ziff. 6.3 AHB) 1. Sinn und Zweck Ziff. 6.3 AHB definiert den Serienschaden. Serienschadensklauseln fassen mehrere Versiche- 8 rungsfälle im Hinblick auf die Deckungssumme und den Selbstbehalt zu einem einzigen Versicherungsfall (Schadensereignis) zusammen. Sie sind ein übliches Mittel zur Begrenzung der Haftung des VR und lassen sich in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Zweigen der Haftpflichtversicherung finden (zur Produkthaftpflichtversicherung s. Ziff. 8.3 ProdHM 2008/2015; zur Umwelthaftpflicht-/-schadensversicherung s. Ziff. 7.2 UmweltHM/Ziff. 11.2 USV).11
2. Inhalt Nach Ziff. 6.3 AHB gelten mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende zeit- 9 lich zusammenhängende Versicherungsfälle als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese auf derselben Ursache, auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang oder auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen. Es handelt sich hierbei um eine Fiktion.12 Die Schadensereignisse werden fiktiv zu einem einheitlichen Versicherungsfall verklammert. Dies hat zur Folge, dass die Deckungssummen für die einzelnen Schadensarten ungeach8 Vgl. BGH 11.3.1992 – IV ZR 284/90, VersR 1992 1257 = RuS 1992 193; BGH 8.11.1989 – IVa ZR 163/88, RuS 1990 82 f. (zu AVB-WB); OLG Düsseldorf 13.12.2019 – 4 U 23/18, RuS 2020 271, 273 f. m. Anm. Fortmann; Prölss/Martin/ Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 3; a.A. LG Koblenz 10.12.1954 – 2 O 155/54, VersR 1955 338. 9 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 8; Littbarski § 3 Rn. 197. 10 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 6 AHB Rn. 1; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 8. 11 Vgl. Späte § 3 Rn. 59. 12 BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, BGHZ 43 88, 92 f.; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 9; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 11; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 128, 130; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 6 AHB Rn. 1; Fenyves Serienschäden 6. 209
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
tet der Zahl der tatsächlich eingetretenen Versicherungsfälle einerseits nur einmal zu Verfügung stehen,13 andererseits ein etwa vereinbarter Selbstbehalt nur einmal in Abzug zu bringen ist.14 10 Die Verklammerung erfasst nur die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Serienschadensereignisse. Für Versicherungsfälle, die erst nach der Beendigung der Versicherung auftreten, besteht somit kein Versicherungsschutz.15 Der VN muss deshalb damit rechnen, dass der VR bei einem Serienschadensrisiko nach dem ersten Schadensfall von der Möglichkeit Gebrauch machen wird, den Versicherungsvertrag nach Ziff. 19 AHB zu kündigen. Für die nach der Kündigung eintretenden (Serien-)Schäden bestünde keine Deckung mehr, neuer Versicherungsschutz bei einem anderen VR wäre wegen § 19 Abs. 1 VVG praktisch nicht erhältlich. Um diesem Szenario vorzubeugen, das dem VN vor allem aus der Herstellung und Lieferung 11 von Waren droht, die einen Konstruktionsfehler aufweisen, ist folgende Alternativklausel,16 die hinsichtlich der Voraussetzungen der Verbindung zur Serie mit Ziff. 8.3 ProdHM 2008/2015 übereinstimmt (s. zu den Einzelheiten Ziff. 8 ProdHM 2008/2015 Rn. 7 ff.), geschaffen worden: „Mehrere Versicherungsfälle –
aus der gleichen Ursache, z.B. aus dem gleichen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler, es sei denn, es besteht zwischen den mehreren gleichen Ursachen kein innerer Zusammenhang, oder
–
aus Lieferungen solcher Erzeugnisse, die mit den gleichen Mängeln behaftet sind (Serie),
gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall und in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Teilweise abweichend von Ziff. 1.1 AHB bezieht sich die zeitliche Geltung des Versicherungsschutzes ausschließlich auf Versicherungsfälle solcher Serien, deren erster Versicherungsfall während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten ist, aber auch auf alle Versicherungsfälle dieser Serie.“
Zwar werden auch nach der alternativen Serienschadensklausel mehrere Versicherungsfälle einer Serie zu einem einzigen Versicherungsfall verklammert. Im Unterschied zu Ziff. 6.3 AHB ist hierfür jedoch nicht Voraussetzung, dass die später eintretenden Versicherungsfälle während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages eingetreten sein müssen, sodass eine einmal gedeckte Serie versichert bleibt, auch wenn der Versicherungsvertrag beendet wird.17 Als nachteilig kann sich für den VN erweisen, dass selbst für Serienschäden, die im Versi12 cherungszeitraum eingetreten sind, kein Versicherungsschutz besteht, wenn der erste Serienschaden davor liegt. Abhilfe schafft hier die Abrede, dass Versicherungsschutz auch für Serienschäden besteht, deren erster Versicherungsfall vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten ist, soweit diese Serienschäden dem VN bis zum Abschluss dieses Vertrages weder bekannt waren noch bekannt sein mussten und die weiteren Versicherungsfälle nach Beginn des Vertrages eingetreten sind.18 Aus dem Zweck der Serienschadensklausel, die Haftung des VR zu begrenzen, folgt, dass 13 die Serienschadensklausel die sonstigen Rechte und Obliegenheiten des VN sowie Risikoausschlüsse unberührt lässt. So gelten die Anzeige- und Rettungsobliegenheiten für jeden Ver-
13 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 128; Späte § 3 Rn. 52. 14 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 9; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 15; Veith/ Gräfe/Gebert/Schanz/Boche § 13 Rn. 164.
15 Vgl. OLG Oldenburg 27.11.1996 – 2 U 202/96, RuS 1997 57; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 15; Fenyves Serienschäden 6. 16 Vgl. Rundschreiben des GDV H 35/2002 M vom 30.7.2002 S. 19 f.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 15. 17 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 238 ff.; Littbarski ProdHaftpflichtV Ziff. 8 Rn. 22. 18 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 352; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 238 ff. Koch
210
B. Versicherungssumme
Ziff. 6 AHB 2016
sicherungsfall und sind nicht etwa auf den ersten Versicherungsfall beschränkt.19 Ebenso wenig führt die Verklammerung zu einem Versicherungsfall dazu, dass der VN nunmehr zum Ersatz von Rückrufkosten nach § 83 VVG berechtigt ist, wenn er nach Eintritt des ersten Serienschadens einen Rückruf durchführt.20
3. Voraussetzungen der Verbindung zur Serie Anknüpfend an den Wortlaut von Ziff. 6.3 AHB ist zwischen der Ursachenklausel (1. Spiegel- 14 strich), der erweiterten Ursachenklausel (2. Spiegelstrich) und der Warenklausel (3. Spiegelstrich) zu unterscheiden.
a) Ursachenklausel aa) Ursachenidentität. Die Ursachenklausel stellt auf die Schadensverursachung, die i.S.v. 15 Ziff. 1.1 Satz 3 AHB zum Schadensereignis geführt hat, m.a.W. auf das Kausalereignis oder den Verstoß ab. Auf die Gleichheit des Schadens kommt es nicht an. Schäden aus derselben Ursache liegen nicht schon dann vor, wenn sie auf einer „gleichen“ oder „gleichartigen“ Ursache i.S. adäquater Kausalität beruhen.21 Von derselben Ursache i.S.v. Ziff. 6.3, 1. Spiegelstrich AHB ist auszugehen, wenn das auf eine einzige Handlung beschränkte Fehlverhalten des VN zu mehreren Versicherungsfällen führt.22 Nach Ansicht des BGH verlangt Ursachenidentität, dass „auf Grund einer einzigen Schadensursache zeitnah mehrere Schadensereignisse entstehen“.23 Die Entscheidung des BGH ist noch zu einer mit § 3 III Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 AHB 1999 identischen Klausel ergangen, die zeitlich zusammenhängende Schäden aus derselben Ursache verlangte. Nach dem Wortlaut von Ziff. 6.3, 1. Spiegelstrich AHB ist ein solcher zeitlicher Zusammengang bei Ursachenidentität nicht mehr erforderlich.24 Hierdurch wird weder der Vertragszweck i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gefährdet, noch wird der VN aus anderen Gründen unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt.25
bb) Beispiele. Ursachenidentität ist gegeben, wenn ein einzelner betrieblicher Produktions- 16 vorgang mehrere Schadensereignisse verursacht. So liegt der Fall, wenn ein chemischer Prozess Kontaminationen durch Lösungsmittel auslöst. Handelt es sich um eine Vielzahl immer wieder neu eingeleiteter Prozesse, fehlt es hingegen an der bedingungsgemäßen Verklammerung zu einem Versicherungsfall.26 Der ÖOGH hat Ursachenidentität bejaht bei einem Schaden durch die Lieferung von Hartsplitten aus derselben Schottergrube zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen mit jeweils demselben Qualitätserfordernis.27 Führt eine an mehrere Personen erteilte falsche 19 Fenyves Serienschäden 6, 69; Meyer-Kahlen VersR 1976 8, 15; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 9; krit. im Hinblick auf das Transparenzgebot Wandt FS Fenyves 785 Fn. 18. 20 Vgl. Thürmann NVersZ 1999, 145, 149; Krause NVersZ 1999 153, 154; Beckmann RuS 1997 265, 267; a.A. Graf von Westphalen DB 1999 1369, 1373 f. 21 Vgl. BGH 27.11.2002 – IV ZR 159/01, RuS 2003 106, 107 f. = VersR 2003 187, 188; BGH 28.11.1990 – IV ZR 184/89, RuS 1991 158 = VersR 1991 175; BGH 28.5.1969 – IV ZR 617/68, VersR 1969 723; Büsken NJW 2003 1715 f.; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 16; Littbarski AHB § 3 Rn. 168. 22 Wandt FS Fenyves 786. 23 BGH 27.11.2002 – IV ZR 159/01, RuS 2003 106, 108 = VersR 2003 187. 24 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 134; Wandt FS Fenyves 791 ff.; a.A. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 6 AHB Rn. 13; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 145. 25 Wandt FS Fenyves 793 f. 26 Vgl. nur BGH 27.11.2002 – IV ZR 159/01, RuS 2003 106, 107 = VersR 2003 187, 188. 27 ÖOGH 3.3.2010 – 7 Ob 245/09v, VersR 2010 1479, 1480. 211
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
Anweisung über die Einlagerung von Sprengstoffen an mehreren Orten zu Explosionen, ist Ursachenidentität ebenfalls zu bejahen. Sie liegt auch dann noch vor, wenn zwei Angestellte des VN auf unrichtige Weisung ihres Vorgesetzten hin unabhängig voneinander je ein Merkblatt, das sich nur auf bestimmte Sprengmaterialien, nicht aber auf die infrage stehenden Stoffe bezog, an die im Außendienst stehenden Arbeitnehmer herausgegeben haben.28 Sind diese Angestellten dagegen richtig belehrt worden und machen sie unabhängig voneinander den gleichen Fehler, liegt keine Ursachenidentität vor und die Versicherungssumme steht zweimal zur Verfügung. 17 Schwierig ist die Abgrenzung, wenn der eine der Angestellten die Belehrung des Vorgesetzten richtig, der andere unrichtig verstanden hat und nunmehr der letztere den ersteren davon überzeugt, dass seine Auffassung „richtig“ sei. Bei natürlicher Betrachtungsweise wäre eine einheitliche Ursache anzunehmen. Gedanklich ließe sich der Vorgang aber auch in der Weise unterscheiden, dass für den einen Angestellten sein ursprüngliches Missverständnis maßgebend war, während sich bei dem anderen im Wesentlichen die Überzeugungskraft des Kollegen niedergeschlagen hat. Macht ein Architekt in 18 Ausführungszeichnungen den gleichen Fehler bezüglich der Wärmedämmung, so beruhen die daraus entstehenden Schäden auf gleichartiger, nicht aber auf derselben Ursache.29 Ursachenidentität liegt ferner nicht vor, wenn ein Angestellter einen Berechnungsfehler mehrmals hintereinander macht. Demgegenüber ist Ursachenidentität zu bejahen, wenn ein Konstrukteur zehn Objekte mit einheitlichen fehlerhaften Werkzeugen macht30 oder aufgrund eines Konstruktionsfehlers aus zu leichtem Material hergestellte Fahrradketten zu Belastungsbrüchen führen, die Stürze mit Personenschäden zur Folge haben.31
18 b) Erweiterte Ursachenklausel. Ein Serienschaden liegt daneben vor, wenn die Versicherungsfälle auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang beruhen. Diese Alternative ist angelehnt an Ziff. 8.3, 1. Spiegelstrich ProdHM 2008/2015, weshalb ergänzend auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 8 ProdHM 2008/2015 Rn. 8 f.). Dort fehlt jedoch der Hinweis auf den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang. Die erweiterte Ursachenklausel liegt Verträgen erst seit der Änderung der AHB in 2004 zugrunde und ist die Antwort der Versicherungswirtschaft auf das zuvor in Bezug genommene Urteil des BGH vom 27.11.2002 (Rn. 15).32 Die Ausdehnung des Serienschadenbegriffs auf Schäden aufgrund gleicher Ursachen scheint nicht unproblematisch. Immerhin hat der BGH in dem vorgenannten Urteil zur Ursachenklausel festgestellt, dass „[e]in ausdehnendes Verständnis dieser Klausel auf nur gleiche bzw. gleichartige Ursachen [.] zudem Gefahr [liefe], zum Nachteil des VN von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der privaten Haftpflichtversicherung abzuweichen“.33 Im Schrifttum werden vor diesem Hintergrund erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der erweiterten Ursachenklausel geäußert.34 Zwar werde der Gefahr einer zu weiten Ausdehnung der erweiterten Ursachenklausel durch das Erfordernis der gleichen Ursache und des inneren Zusammenhangs entgegengesteuert. Was darunter zu verstehen sei, dürfte sich einem durchschnittlichen VN jedoch kaum erschließen. So weist Schimikowski darauf hin, „gleich“ könne die Bedeutung haben „in jeder Hinsicht übereinstimmend“, aber auch „in der Art übereinstimmend“.35
28 29 30 31 32 33
Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 17. BGH 28.5.1969 – IV ZR 617/68, VersR 1969 723, 726; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 17. Späte § 3 Rn. 55. Kuwert Rn. 3032. BGH 27.11.2002 – IV ZR 159/01, RuS 2003 106, 107 = VersR 2003, 187, 188. BGH 27.11.2002 – IV ZR 159/01, RuS 2003 106, 107 = VersR 2003, 187, 188; vgl. auch BGH 17.9.2003 – IV ZR 19/ 03, VersR 2003 1389, 1390 = NJW 2003 3705, 3706. 34 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 15; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn.§ 30 Rn. 145; Rüffer/Halbach/Schimikowski /Schimikowski Ziff. 6 AHB Rn. 3. 35 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 6 AHB Rn. 3. Koch
212
B. Versicherungssumme
Ziff. 6 AHB 2016
Nach der Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB (Grundsatz der anwenderfeindlichsten 19 Auslegung) ist der Begriff „gleich“ im erstgenannten Sinne zu verstehen.36 Gleichartigkeit genügt mithin nicht.37 Schwieriger ist die Bestimmung des inneren Zusammenhangs zwischen gleichen Ursachen. In der Literatur38 wird ein solcher Zusammenhang angenommen, wenn zwischen mehreren gleichen Ursachen eine Ursache nicht ohne die andere denkbar sei oder alle Ursachen nicht ohne eine gemeinsame dritte Ursache möglich seien. Daran fehle es, wenn die gleiche Schadensursache nur rein zufällig gesetzt worden sei. Es ist jedoch fraglich, ob ein durchschnittlicher VN den Begriff des inneren Zusammenhangs in diesem Sinne versteht.39 Selbst wenn man die Frage im Hinblick darauf bejahte, dass dieser Begriff durch den Hinweis auf den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang beispielhaft konkretisiert wird,40 bleibt letztlich unklar, was unter einem zeitlichen Zusammenhang zu verstehen ist. Soll damit ein Zeitraum von wenigen Tagen, wenigen Wochen, Monaten oder gar Jahren erfasst sein?41 Der BGH hat einen zeitlichen Zusammenhang angenommen, nachdem es innerhalb von 20 viereinhalb Monaten zu verschiedenen Deckenabstürzen gekommen war.42 In der Literatur wird der erforderliche zeitliche Zusammenhang bejaht, wenn die Schäden sich an einem sich senkenden Haus und am Nachbarhaus im Abstand von Tagen oder Wochen zeigen.43 Hingegen soll es am zeitlichen Zusammenhang bereits fehlen, wenn eine schlecht unterhaltene Mauer zum Teil einstürzt und der Rest erst einige Wochen später zusammenfällt.44 Als zeitliche Höchstgrenze für den ersten und den zweiten Schadenseintritt werden sechs Monate genannt. Überwiegend werden jedoch pauschale zeitliche Vorgaben abgelehnt und die besonderen Umstände des Einzelfalles als maßgeblich angesehen.45 So hat man sich nach Harsdorf-Gebhardt46 und KrauseAllenstein47 unter dem zeitlichen Zusammenhang eine beschränkte Frist vorzustellen, die die aus derselben Ursache hervorgegangenen Schäden nach dem konkreten Geschehensablauf und der Verkehrsauffassung noch als in einen einheitlichen Zeitraum fallend erscheinen lasse. Mit einer Abgrenzung nach festen Zeiteinheiten sei wenig geholfen; entscheidend seien vielmehr die lebensnah zu bewertenden Umstände der Fallgestaltung. Ob ein so vom durchschnittlichen VN verstandenes Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vereinbar ist, scheint indes fraglich.48 Anders als bei Ziff. 8.3, 1. Spiegelstrich ProdHM 2008/2015 besteht nach den AHB keine 21 Vermutung eines inneren Zusammenhangs bei mehreren gleichen Ursachen (Ziff. 8 ProdHM 2008/2015 Rn. 14), sodass der VR, der einen solchen Zusammenhang behauptet, hierfür beweispflichtig ist. 36 A.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 15. 37 Wandt FS Fenyves 798. 38 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 135; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 227; Littbarski Produkthaftpflichtversicherung Ziff. 8 Rn. 13. 39 Vgl. Späte ProdHM Rn. 81; Littbarski Produkthaftpflichtversicherung Ziff. 8 Rn. 13. 40 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 339. 41 Diese Frage hinsichtlich einer Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung stellend: OLG Frankfurt/M. 17.3.2021 – 7 U 33/19, VersR 2021 1355, 1360; vgl. auch Späte/Schimikowski/Diller § 3 AVB-V Rn. 91: „Unter einem ‚zeitlichen Zusammenhang‘ kann man alles oder nichts verstehen; alles hängt mit allem irgendwie zeitlich zusammen.“. 42 Vgl. BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, BGHZ 43 88, 94 = NJW 1965 755, 757 f. 43 Vgl. Wussow § 3 Anm. 15; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 43; Meyer-Kahlen VersR 1976 8, 12. 44 Vgl. Wussow § 3 Anm. 15. 45 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 19; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 136; Littbarski AHB § 3 Rn. 171, jeweils m.w.N. 46 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 19. 47 Vgl. Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 104. 48 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 15 (der einen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken von § 100 VVG bejaht); a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 19; Wandt FS Fenyves 800 f. (Transparenz bejahend). 213
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
22 c) Warenklausel. Ein Serienschaden liegt ferner vor, wenn die Schäden auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen.
23 aa) Geltungsbereich. Fraglich ist zunächst, ob die Klausel in der Privathaftpflichtversicherung gilt, die die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes versichert. Teile der Literatur sind der Ansicht, der Begriff der Lieferung setze eine gewerbliche Betätigung voraus, weshalb diese Klausel nur bei gewerblicher Tätigkeit des VN einschlägig sein könne.49 Für diese Ansicht spricht, dass unter dem Begriff der Ware „ganz allgemein bewegliche körperliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sind oder die nach der Anschauung des Verkehrs als Gegenstände des Warenumsatzes in Betracht kommen können“, verstanden werden.50 Soweit im bürgerlichen Recht der Begriff der Ware gebraucht wird (z.B. §§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB), geht die Lieferung stets von einem Unternehmer aus. Diese Vorstellung liegt letztlich auch dem Begriff der Warenlieferung in § 309 Nr. 1 und Nr. 9 BGB zugrunde, denn die Verwendung von AGB bei Warenlieferungen weist auf eine unternehmerische Tätigkeit hin, da Privatleute bei Verkäufen in der Regel keine AGB verwenden. 24 Legt man den Horizont des durchschnittlichen VN einer Privathaftpflichtversicherung als Auslegungsmaßstab zugrunde, sprechen deshalb entgegen R. Johannsen und der ihm folgenden Literatur51 die besseren Argumente gegen eine Erstreckung der Warenklausel auf die Privathaftpflichtversicherung. Soweit die Privathaftpflicht-VN sich unternehmerisch betätigen, besteht nach Ziff. 1 Satz 1 BBR PHV kein Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung.
25 bb) Einzelheiten. Eine Lieferung liegt begrifflich vor, wenn einem anderem die Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft wird. Der Begriff ist somit gleichbedeutend mit Ablieferung. Die Lieferung setzt voraus, dass die Ware bewusst und freiwillig in den Verkehr gebracht worden ist. Sie muss also letztlich auf einer vertraglichen Abrede beruhen, in der Regel wird es sich um einen Kauf- oder Werklieferungsvertrag handeln.52 Führen mangelhafte Sachen, die dem VN gestohlen worden sind, zu Schäden, greift die Warenklausel daher nicht ein. Während § 3 III Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 AHB 1999 an die Lieferung der „gleichen mangelhaften 26 Waren“ anknüpfte, spricht Ziff. 6.3, 3. Spiegelstrich AHB von der Lieferung von „Ware mit gleichen Mängeln“. Angesichts dieser Neuformulierung bedarf es somit nicht mehr der Klärung der Frage, ob sich die Gleichheit auf den Mangel oder auf die Waren oder gar auf beides beziehen muss. Entscheidend ist die Gleichheit des Mangels der gelieferten Waren, während die Waren selbst durchaus verschiedenartig sein können.53 Auch müssen die durch die Mängel eingetretenen Schäden nicht gleichartig sein und können daher auch bei verschiedenen Personen oder Sachen entstehen.54 Auf einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen den Mängeln kommt es nicht an.55 Soweit Schneider die Ansicht vertritt, dass es sich nach wie vor auch um „gleiche Waren“ handeln müsse und dies mit der „gebotenen restrikti49 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 14; Kuwert Rn. 3033; Wussow § 3 Anm. 17. 50 RG 14.10.1930 – III 425/29, RGZ 130 85, 88. 51 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 44; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 20; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 137; Littbarski AHB § 3 Rn. 172; Nowak-Over 14. 52 Vgl. Nowak-Over 14. 53 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 21; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 138; MeyerKahlen VersR 1976 8, 12. 54 Vgl. MAH VersR/Stempfle § 15 Rn. 435; Späte ProdHM Rn. 82; Littbarski Produkthaftpflichtversicherung, Ziff. 8 Rn. 16. 55 Vgl. Bsp. bei Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 340: War ein Rohstoff verunreinigt, den der VN für die Produktion von Medikamenten und von Diät-Lebensmitteln verwendet hat, so gehören die Schadensereignisse aufgrund der Einnahme der Medikamente und des Verzehrs der Lebensmittel zu einer Serie. Koch
214
C. Selbstbehalt (Ziff. 6.4 AHB)
Ziff. 6 AHB 2016
ven Auslegung“ begründet,56 ist dieser Ansicht nicht zu folgen, da der Wortlaut der Klausel hierfür keinen Raum gibt.57 Den Begriff des Mangels wird der durchschnittliche VN zunächst mit dem Begriff des 27 Sachmangels i.S.d. § 434 BGB gleichsetzen, obschon die Deckung nicht auf Schadensersatzansprüche von Vertragspartnern beschränkt ist, sondern auch solche von außenstehenden Dritten erfasst, die an mangelhafte Konstruktion oder Fabrikation bzw. an falsche oder unzureichende Instruktion anknüpfen. Da nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB nur Deckung für Personenund Sachschäden besteht, kann es für die Gleichheit des Mangels – für den VN erkennbar – jedoch nicht allein darauf ankommen, ob die Sachen nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen (§ 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB), nicht zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung geeignet sind (§ 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB) oder es ihnen an der üblichen Beschaffenheit oder an der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung fehlt (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 BGB). Die Gleichheit lässt sich auch nicht anhand der Beschränkungen der Gebrauchstauglichkeit bestimmen. Dagegen spricht insbesondere, dass die Warenklausel weder an die Ursache für die Mangel- 28 haftigkeit der gelieferten Ware noch an die daraus resultierenden Schäden zur Bestimmung der Gleichheit anknüpft. Gleiche Mängel können einmal zu Sachschäden an Maschinen, ein anderes Mal zu Personenschäden bei Verwendern der Ware führen. Damit verbleibt neben dem Mangelbegriff i.S.v. § 434 BGB als weiterer Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der Gleichheit nur noch die Wirkungsweise des Mangels (z.B. mechanisch, thermisch oder chemisch).58 An der Gleichheit fehlt es z.B., wenn Lager einer Charge vorzeitig ausfallen, weil z.T. zu 29 große Maßtoleranzen vorliegen, z.T. die Rollen unzureichend gehärtet sind.59 Gleiche Mängel i.S.d. Warenklausel können z.B. aus dem Einsatz defekter Maschinen oder mangelhafter Erzeugnisse im (Serien-)Fertigungsprozess oder aus Konstruktionsfehlern resultieren.60 In diesen Fällen greift auch Ziff. 6.3, 1. Spiegelstrich AHB ein, so dass der Anwendungsbereich von Ziff. 6.3, 3. Spiegelstrich AHB sehr beschränkt ist.
C. Selbstbehalt (Ziff. 6.4 AHB) I. Erfordernis der besonderen Vereinbarung In den AHB ist ein genereller Selbstbehalt nicht vorgesehen. Ein solcher bedarf nach Ziff. 6.4 30 Satz 1 AHB vielmehr einer besonderen Vereinbarung. Der Selbstbehalt spielt vornehmlich in der Betriebshaftpflichtversicherung eine Rolle. Zumeist handelt es sich um eine Kombination zwischen einer sog. Quotenfranchise (z.B. 10 %) und einer Abzugsfranchise (z.B. mindestens A 500) mit/ohne Höchstbetrag. Beispiel: Der VN hat bei jedem Versicherungsfall von der Schadensersatzleistung 10 %, mindestens A 5.000, höchstens A 25.000 selbst zu tragen.
56 Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 146. 57 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 139. 58 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 138: „Gleich sind Mängel, wenn sie keine wesentlichen Unterschiede aufweisen, d.h. in ihrer Wirkweise völlig übereinstimmen oder nur ganz unwesentliche Abweichungen zeigen“; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 341: „gleicher konkretisierter Fehlermechanismus“; Späte/Schimikowski/ Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 23. 59 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 341. 60 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 138; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 23; Meyer-Kahlen VersR 1976 8, 12; Littbarski AHB § 3 Rn. 175. 215
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
Alternativ hierzu kommt die Vereinbarung einer sog. Integralfranchise in Betracht, bei der ein unter dem Selbstbehalt liegender Anspruch überhaupt nicht, eine darüber hinausgehende Ersatzforderung dagegen in voller Höhe übernommen wird.61 Beispiel: Eingeschlossen sind Haftpflichtansprüche mitversicherter Personen untereinander wegen Sachschäden, soweit diese mehr als A 100 je Schadensereignis betragen.
II. Beschränkung auf Abzug von der Schadensersatzleistung 31 Der Selbstbehalt bezieht sich nach dem Wortlaut von Ziff. 6.4 Satz 1 AHB nur auf die Schadensersatzleistung, betrifft also nicht die entstehenden (Abwehr-)Kosten eines Haftpflichtprozesses.62 Dies ergibt sich auch aus Ziff. 6.4 Satz 4 AHB (Rn. 32). Ist der VR nach § 101 Abs. 3 Satz 1 VVG zur Sicherheitsleistung verpflichtet, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden, muss der VN deshalb nicht selbst Sicherheit in Höhe des Selbstbehalts leisten, weil es sich hierbei um Kosten der Anspruchsabwehr handelt.63 Dies gilt selbst dann, wenn der VR vor rechtskräftigem Abschluss des Haftpflichtprozesses zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nicht nur Sicherheit, sondern Zahlung in Höhe der Urteilssumme leistet,64 oder die geltend gemachten Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme übersteigen und der VR nach Ziff. 6.6 AHB die Prozesskosten nur anteilig trägt.65
III. Abzug bei begründeten Ansprüchen oberhalb der Versicherungssumme 32 Nach Ziff. 6.4 Satz 2 AHB soll der Selbstbehalt auch dann, wenn die begründeten Ansprüche die Versicherungssumme übersteigen, von den begründeten Ansprüchen (und nicht von der Versicherungssumme) abgezogen werden, wobei nach Ziff. 6.4 Satz 3 AHB Ziff. 6.1 AHB gewahrt bleiben muss. Beispiel: Im Versicherungsvertrag ist Folgendes vereinbart: Versicherungssumme: A 5 Mio. Selbstbehalt: 10 % von der Schadensersatzleistung, mindestens A 25.000, höchstens A 500.000.
Belaufen sich die begründeten Schadensersatzansprüche auf A 6 Mio., schuldet der VR Freistellung in Höhe von A 5 Mio. Der Selbstbehalt über A 500.000 kommt in dieser Konstellation nicht zum Tragen, weil der Selbstbehalt nicht von der Versicherungssumme, sondern von den begründeten Ansprüchen in Abzug zu bringen ist. Belaufen sich die begründen Ansprüche auf A 5,1 Mio., schuldet der VR Freistellung in Höhe A 4,6 Mio.66
IV. Verpflichtung zur Anspruchsabwehr bei unterhalb des Selbstbehalts liegenden Ansprüchen 33 Nach Ziff. 6.4 Satz 4 AHB ist der VR zur Anspruchsabwehr selbst dann verpflichtet ist, wenn die Haftpflichtforderung unterhalb des Selbstbehaltsbetrags liegt. Der Streit über das Bestehen ei61 62 63 64 65 66
Vgl. Littbarski AHB § 3 Rn. 187. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 17; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 31. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 33. Wussow WJ 1983 183. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 33. A.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 17 (Selbstbehalt hat bei oberhalb der Versicherungssumme liegenden berechtigten Ersatzforderungen keinerlei Auswirkungen). Koch
216
D. Aufwendungen des Versicherers (Ziff. 6.5 AHB)
Ziff. 6 AHB 2016
ner Rechtsschutzverpflichtung in solchen Fällen, der daraus resultierte, dass die Vorgängerregelung in § 3 III Ziff. 2 Abs. 2 AHB 1999 keine mit Ziff. 6.4 Satz 4 AHB vergleichbare Bestimmung enthielt,67 ist somit hinfällig. Aus Ziff. 6.4 Satz 4 AHB folgt des Weiteren, dass bei der Selbstbeteiligung die Kosten der Anspruchsabwehr nicht berücksichtigt – d.h. nicht in Abzug gebracht – werden.
V. Fälligkeit des Selbstbehalts Der Selbstbehalt wird fällig mit der Versicherungsleistung (§ 106 VVG). Soweit der VR die Haft- 34 pflichtforderung in voller Höhe befriedigt, hat er aus der Vereinbarung über den Selbstbehalt einen Anspruch gegen den VN aus § 670 BGB.68
D. Aufwendungen des Versicherers (Ziff. 6.5 AHB) Nach Ziff. 6.5 AHB werden die Aufwendungen des VR für Kosten nicht auf die Versicherungs- 35 summen angerechnet. Das bedeutet zunächst, dass die (Jahres-)Versicherungssummen vollständig zur Freistellung des VN von begründeten Haftpflichtansprüchen zur Verfügung stehen. In Verbindung mit den Leistungsversprechen in Ziff. 5.1 AHB ist die Regelung ferner dahin 36 gehend zu verstehen, dass der VR alle Kosten trägt, die mit der Abwehr der Schadensersatzansprüche verbunden sind, und zwar selbst dann, wenn die Haftpflichtforderung die Versicherungssumme übersteigt. Ziff. 6.5 AHB entspricht somit § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG, demzufolge der VR die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits auch insoweit zu ersetzen hat, als sie zusammen mit den Aufwendungen zur Freistellung die Versicherungssumme übersteigen.69 Nicht zu den Kosten i.S.v. Ziff. 6.5 AHB zählen die Aufwendungen des VR zur Prüfung der Berechtigung des Haftpflichtanspruchs. Die dadurch verursachten Aufwendungen gehören zu den durch die Prämien-Zahlungen des VN abgegoltenen Leistungen des VR.70 Der VR ist nur zur anteiligen Kostentragung verpflichtet, wenn Haftpflichtansprüche gel- 37 tend gemacht werden, die teilweise dem Versicherungsschutz unterliegen und teilweise – z.B. nach Ziff. 1.2 (2) AHB – nicht gedeckt sind (Rn. 39).
E. Prozesskostenbegrenzung bei Überschreiten der Versicherungssumme (Ziff. 6.6 AHB) I. Klagestattgabe oder Vergleich oberhalb der Versicherungssumme In Bezug auf die Prozesskosten, darunter fallen alle nach Rechtshängigkeit des Haftpflichtan- 38 spruchs entstandenen Kosten des VN und des Gegners (zur Abgrenzung zu den außergerichtlichen Kosten s. Rn. 42 f.), macht Ziff. 6.6 AHB eine Ausnahme von Ziff. 6.5 AHB und weicht insoweit auch von § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG ab, wenn der VN zum Schadensersatz in einer die Versicherungssumme übersteigenden Höhe verurteilt wird oder die Parteien sich nach Klageer-
67 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 36; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 17. 68 Zu aufsichtsrechtlichen Bedenken gegen die Verfahrensweise wegen des Insolvenzrisikos des VN vgl. Späte § 3 Rn. 62. 69 Zum Begriff der Veranlassung s. Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 48 ff. 70 Vgl. OLG Düsseldorf 16.5.1973 – 10 W 18/73, VersR 1973 863; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 36. 217
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
hebung vergleichen und der Vergleichsbetrag die Versicherungssumme übersteigt.71 Für diese Fälle trägt der VR die Prozesskosten nach Ziff. 6.6. AHB nur anteilig, nämlich im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der begründeten Ansprüche. Beispiel: Bei einer Deckungssumme von A 1 Mio. und einem begründeten Haftpflichtanspruch in Höhe von A 1,5 Mio. gehen 2/3 der aus dem Streitwert zu erstattenden Prozesskosten – der höher als A 1,5 Mio. sein kann – zulasten des VR und 1/3 zulasten des VN.72
Bei der Berechnung wird ein Selbstbehalt – wie zuvor erwähnt (Rn. 31) – nicht berücksichtigt, da Ziff. 6.6 AHB ausschließlich an die Versicherungssumme anknüpft.73 Zu beachten ist, dass sich die Beschränkung in Ziff. 6.6 AHB nur auf begründete Ansprü39 che und nicht auf erhobene Ansprüche bezieht.74 Ziff. 6.6 AHB weicht insoweit von § 3 IV Ziff. 1 Satz 1 AHB 1999 ab, als dort nur allgemein von Haftpflichtansprüchen, die die Versicherungssumme übersteigen, die Rede ist, die Begrenzung also auch bei der Geltendmachung unbegründeter Haftpflichtansprüche zum Tragen kommt.75 In diesem Sinne hatte zuvor das OLG Düsseldorf eine mit den AHB gleichlautende Bestimmung in den AVB Vermögen ausgelegt.76 Ferner ist § 3 IV Ziff. 1 Satz 2 AHB 1999 ersatzlos gestrichen worden, der in solchen Fällen den VR berechtigte, sich durch Zahlung der Versicherungssumme und seines der Versicherungssumme entsprechenden Anteils an den bis dahin erwachsenen Kosten von weiteren Leistungen zu befreien (sog. Abandon).77 40 Hat der VR die gesamten Prozesskosten vorfinanziert, kann er nach § 670 BGB vom VN Aufwendungsersatz in Höhe des vorfinanzierten, anteilig jedoch vom VN zu tragenden Prozesskostenteils verlangen.78 Wird der Klage nur in einer Höhe stattgegeben, die der Deckungssumme entspricht oder niedriger liegt, so hat der VR die Prozesskostenfolgen zu tragen,79 selbst wenn der Streitwert die Deckungssumme übersteigt. Im Übrigen ist der VR auch bei den Prozesskosten nur zur anteiligen Kostentragung verpflichtet, wenn im Haftpflichtprozess Ansprüche geltend gemacht werden, die teilweise dem Versicherungsschutz unterliegen und teils nicht.80
II. Klageabweisung/-stattgabe oder Vergleich unterhalb der Versicherungssumme 41 Erweisen sich die gegen den VN geltend gemachten Ansprüche als unbegründet und wird die Klage deshalb abgewiesen, hat der VR die Prozesskosten stets zu tragen. Deshalb sind die Prozesskosten nach dem Verhältnis der begründeten Ansprüche zur Deckungssumme aufzuteilen,
71 72 73 74
Z.B. OLG Köln 10.6.2008 – I-9 U 144/07, VersR 2009 391, 393. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 45; Wussow WJ 1989 113, 114. OLG Köln 10.6.2008 – I-9 U 144/07, VersR 2009 391, 393. Vgl. OLG München 7.1.2019 – 25 U 2759/18, VersR 2020 543, 544; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 43. 75 Zur Auslegung der Altregelung s. OLG Karlsruhe 12.1.1993 – 18a U 113/92, RuS 1994 7 = VersR 1993 821; inzidenter auch OLG Karlsruhe 6.3.1963 – 1 U 134/62, VersR 1963 1067; zu Hinweisen auf die ältere Rspr. s. Vorauflage, Bd. IV, Anm. G 29. 76 OLG Düsseldorf 28.11.1989 – 4 U 46/89, VersR 1991 94. 77 Zur Wirksamkeit dieser Regelung und zum Umfang der daraus resultierenden Verpflichtungen des VR sei auf die Darstellungen bei Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 6; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 6 AHB Rn. 21; Späte § 3 Rn. 74 verwiesen. 78 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 45; Wussow WJ 1989 113, 114. 79 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 46. 80 Vgl. BGH 28.9.1961 – II ZR 145/59, VersR 1961 975, 976; Prölss/Martin/Lücke § 101 VVG Rn. 23; Langheid/Wandt/ Littbarski AHB § 101 VVG Rn. 87; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 48. Koch
218
E. Prozesskostenbegrenzung
Ziff. 6 AHB 2016
nicht nach dem Verhältnis der gesamten, teilweise unbegründeten Ansprüche zur Deckungssumme.81 Beispiel: Bei einer Deckungssumme von A 1 Mio. werden Schadensersatzansprüche in Höhe von A 2 Mio. geltend gemacht. Gibt das Gericht der Klage nur in Höhe von A 1 Mio. statt und weist sie im Übrigen als unbegründet ab, hat der VR dem VN sämtliche aus dem Streitwert in Höhe von A 2 Mio. anfallenden Kosten zu erstatten. Ein möglicherweise bestehender Kostenerstattungsanspruch gegen den teilweise unterlegenen Dritten bleibt unberücksichtigt.
Bei unterschiedlichen Versicherungssummen für Personen- und Sachschäden ist für jede Scha- 42 densart gesondert festzustellen, ob eine Überschreitung der Versicherungssumme vorläge, wenn der Haftpflichtanspruch nur zur Höhe der Versicherungssumme anhängig gemacht worden wäre.82
III. Begriff der Prozesskosten und Abgrenzung zu den außergerichtlichen Kosten Bei dem Begriff der Prozesskosten handelt es sich um die „gerichtlichen Kosten“ i.S.v. § 101 43 Abs. 1 Satz 1 VVG. Da die Begrenzung nur für Prozesskosten gilt, bedarf es der Abgrenzung zwischen den gerichtlichen zu den außergerichtlichen Kosten.
1. Gerichtliche Kosten Zu den gerichtlichen Kosten gehören alle unmittelbaren Aufwendungen des VN zur Führung 44 eines Rechtsstreits sowohl vor ordentlichen Gerichten als auch vor Schiedsgerichten. Dass der VR die Kosten von Schiedsgerichtsverfahren im Grundsatz zu tragen hat, folgt daraus, dass die aus Ziff. 5.1 AHB folgende Entschädigungspflicht nicht auf Verfahren vor staatlichen Gerichten begrenzt ist.83 Bei Verfahren vor ordentlichen Gerichten zählen neben den Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus Klageverfahren vor Zivilgerichten (§§ 253 ff., 495 ff. ZPO), aus Verfahren über Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) und aus selbstständigen Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) die Kosten aus Verfahren über Arrest und einstweilige Verfügung (§§ 916 ff. ZPO).84 Bei Schiedsgerichtsverfahren zählen zu den gerichtlichen Kosten die Gebühren des Schiedsgerichts sowie – bei institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit – der jeweiligen Schiedsgerichtsinstitution, die das Verfahren administriert (z.B. ICC, DIS). Zu den Prozesskosten zählen nicht nur die Aufwendungen des VN für den eigenen Rechtsanwalt, sondern auch die Aufwendungen des Geschädigten für dessen Rechtsanwalt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit gegen den VN stehen (Verfahrens-, Terminsund ggf. Einigungsgebühren vor ordentlichen Gerichten, vereinbarte Honorarsätze in Schiedsgerichtsverfahren) sowie die vom Geschädigten nach § 12 Abs. 1 GKG vorausgezahlten Gerichtskosten. Für weitere Einzelheiten kann auf die Kommentierung zu § 101 VVG verwiesen werden.85
81 Späte § 3 Rn. 73. 82 OLG Karlsruhe 6.3.1963 – 1 U 134/62, VersR 1963 1067, 1068; vgl. auch AG Köln 14.12.1951 – 50 C 2170/51, VersR 1952 207; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 47. 83 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 19 (zu § 100 VVG). 84 Berliner Kommentar/Baumann § 150 Rn. 8. 85 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 14 ff. 219
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
2. Außergerichtliche Kosten 45 Zu den außergerichtlichen Kosten, für die die Beschränkung in Ziff. 6.6 AHB nicht gilt, zählen alle vor Rechtshängigkeit des Haftpflichtanspruchs entstandenen Kosten des VN und des Gegners, insbesondere die Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte, die sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnen. Ferner zählen hierzu Aufwendungen für nichtanwaltliche Prozessbevollmächtigte und Beistände, Reisekosten der Parteien und Entschädigungen für deren Zeitversäumnis sowie Kosten für die Einschaltung eines privaten Sachverständigen, für sonstige vorbereitende Recherchen, für die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit mit dem Ziel der Streitschlichtung, für die Kosten eines Schiedsgutachtens oder eines vorgerichtlichen Vergleichs.86 Diese Kosten hat der VR unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Haftpflichtanspruchs und eines über die Versicherungssumme hinausgehenden Vergleichs zu tragen.87 Nach Krause/Allenstein lässt sich die Beschränkung auf Prozesskosten damit erklären, dass der VR die Kostenbelastung der außergerichtlichen Schadensregulierung besser überblicken kann als in einem instanzenanfälligen Rechtsstreit.88
F. Rentenzahlungen (Ziff. 6.7 AHB) I. Ausgangspunkt 46 Ziff. 6.7 AHB sieht ein Kürzungsverfahren und eine Berechnungsmethode zur Verteilung eines durch die Beschränkung auf die Versicherungssumme bestehenden Deckungsmangels vor, wenn der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten hat. Als Folge des Deckungsmangels kann der VN vom VR nur Freistellung von einem verhältnismäßigen Teil der geschuldeten Rente verlangen. Ziff. 6.7 Satz 1 AHB, der insoweit § 107 Abs. 1 VVG konkretisiert, ist wortgleich mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KfzPflVV, Ziff. 6.7 Satz 2 AHB verweist für die Berechnung des Rentenwertes auf die KfzPflVV (dort § 8 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KfzPflVV) und Ziff. 6.7 Satz 3 AHB ist wortgleich mit § 8 Abs. 4 KfzPflVV.
II. Verpflichtung zur Rentenzahlung 1. Begriff der Rente 47 Der VN muss dem geschädigten Dritten gegenüber aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen zur Rentenzahlung verpflichtet sein. Besteht keine Rentenforderung, sondern nur ein Kapitalanspruch, so ist § 107 Abs. 1 nicht anwendbar. Für den Begriff der Rente ist wesentlich, dass es sich um eine Zahlung handelt, die für eine gewisse Zeit an genau bestimmten Fälligkeitstagen zu leisten ist und deren Höhe entweder genau feststeht oder sich anhand feststehender Faktoren genau berechnen lässt.89 Die Schadensfolgen müssen sich in dem Sinne konsolidiert haben, dass sie mit einem regelmäßig zu zahlenden Geldbetrag abgegolten werden können.90 Erforderlich ist eine regelmäßig wiederkehrende Leistung i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB. Da-
86 87 88 89
Vgl. Nachweise bei Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 28. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 42. Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 81 Fn. 146; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 42. LG München 14.3.1961 – 14 T 769/60, NJW 1961 1408, 1409; vgl. auch ÖOGH 20.7.1989 – 7 Ob 26/89, VersR 1990 683. 90 Vgl. ÖOGH 20.7.1989 – 7 Ob 26/89, VersR 1990 683; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 15. Koch
220
F. Rentenzahlungen (Ziff. 6.7 AHB)
Ziff. 6 AHB 2016
bei bezieht sich das Merkmal „regelmäßig“ auf Termine, nicht auf die Höhe der Leistungen.91 Eine Wiederkehr zu demselben Betrag ist deshalb nicht erforderlich.92 Keine Rentenforderung liegt vor, wenn eine Kapitalverpflichtung in Raten oder in Monatsbeträgen bezahlt wird.93 Weder Abschlags- oder Vorschusszahlungen auf einen feststehenden Schadensbetrag noch Zinsen lassen sich als Rentenforderung qualifizieren.94 Keine Rentenforderung liegt vor, wenn ein Anspruch periodisch abgerechnet und dabei stets neu überprüft wird.95 Die bloße Möglichkeit, dass in Zukunft erneut gleichartige Aufwendungen entstehen, reicht nicht aus.96 Bei Renten aufgrund von Aufopferungsansprüchen hat der BGH den Rentencharakter verneint.97 Dagegen ist der in Rentenform zu erfüllende Schmerzensgeldanspruch Rente i.S.v. § 107.98
2. Rechtsgrund zur Rentenzahlung Ob und in welcher Höhe eine Rentenforderung des Dritten vorliegt, beurteilt sich ausschließlich 48 nach dem Haftpflichtverhältnis.99 Weder der geschädigte Dritte noch der VN können somit willkürlich und/oder einseitig bestimmen, ob die Haftpflichtforderung auf Rente oder Kapital gerichtet ist.100 Nach herrschender Meinung in der Literatur sollen VN und geschädigter Dritter jedoch vereinbaren können, dass Schadensersatzansprüche, die nach den gesetzlichen Bestimmungen auf Kapitalleistung gerichtet sind, in Renten umzuwandeln sind, und umgekehrt. Dies solle nur dann nicht möglich sein, wenn es mehrere Geschädigte gebe, weil auf diese Weise die Verteilung der Deckungssumme manipuliert werden könne.101 Freilich wird der Schutz einer Mehrheit von Geschädigten durch § 109 sichergestellt. Entscheidend für die Wirksamkeit einer Parteivereinbarung (in der Regel wird es sich um einen außergerichtlichen Vergleich handeln) ist im Hinblick darauf, dass eine Rentenzahlung nachteilig für den VR sein kann, dass letzterer seine Zustimmung zur Umwandlung der Kapitalleistung in eine Rentenzahlung erteilt. Fehlt es an einer solchen dreiseitigen Vereinbarung, hängt die Verpflichtung des VN zur Rentenzahlung davon ab, dass eine solche durch Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt wird.102 Materieller Schadensersatz wegen Verdienstausfalls, Erwerbsminderung oder vermehr- 49 ter Bedürfnisse (§ 843 Abs. 1 BGB), entzogenen Unterhalts (§ 844 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder entgangener Dienste (§ 845 Satz 1 BGB) ist nach dem gesetzlichen Leitbild grundsätzlich in Rentenform nach Maßgabe der § 843 Abs. 2 bis 4 BGB zu gewähren.103 Auch regelmäßig anfallende
91 BGH 6.4.1981 – II ZR 186/80, BGHZ 80 357 f. = NJW 1981 2563; BGH 23.9.1958 – I ZR 106/57, BGHZ 28 144, 147 = NJW 1959 239, 240; RG 19.2.1937 – VII 211/36, RGZ 153 375, 378; vgl. auch MüKoBGB/Grothe § 197 Rn. 26.
92 RG 19.1.1916 – I 112/15, RGZ 88 42, 46. 93 BGH 23.9.1958 – I ZR 06/57, BGHZ 28 144, 149 = NJW 1959 239; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 6 AHB Rn. 50; vgl. auch ÖOGH 20.6.2017 – 2Ob142/16w, ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00142.16W.0620.000 (zu Verdienstentgangsbeträgen, die dem Geschädigten in der Kfz-Haftpflichtversicherung seinem Begehren entsprechend mit Monatsbeträgen zugesprochen wurden). 94 Berliner Kommentar/Baumann § 155 Rn. 7; Späte § 3 Rn. 75. 95 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 6 AHB Rn. 50. 96 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 6 AHB Rn. 50. 97 BGH 15.10.1956 – III ZR 226/55, BGHZ 22 43, 50 = VersR 1957 450, 451. 98 BGH 13.3.1959 – VI ZR 72/58, VersR 1959 458, 459 = NJW 1959 1031; Langheid/Rixecker/Langheid § 107 VVG Rn. 8; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 19; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 107 VVG Rn. 2; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 107 VVG Rn. 5; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 6 AHB Rn. 51. 99 Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 17; Späte AHB § 3 Rn. 75. 100 Wussow AHB § 3 Rn. 22; Berliner Kommentar/Baumann § 155 Rn. 9. 101 So Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 6 AHB Rn. 51; Berliner Kommentar/Baumann § 155 Rn. 9; Wussow WJ 1986 146, 147. 102 Berliner Kommentar/Baumann § 155 Rn. 8; Späte AHB § 3 Rn. 75. 103 Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 18; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 107 VVG Rn. 5. 221
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
Heilkosten können als Renten anzusehen sein (z.B. regelmäßige Medikamentengewähr).104 Eine Geldrente im Falle der Erwerbsbeeinträchtigung und/oder der Bedürfnisvermehrung sehen auch die meisten Gefährdungshaftungstatbestände vor (§ 8 HPflG, § 13 StVG, § 38 LuftVG, § 9 ProdHaftG, § 89 AMG, § 14 UmweltHG, § 32 Abs. 6 GenTG, § 30 AtG). Abweichend von § 843 Abs. 1 BGB bestimmen diese Sonderregeln zwar, dass nur „für die Zukunft“ auf eine Rentenzahlung erkannt werden kann, und verweisen im Übrigen auf § 843 Abs. 2 bis 4 BGB. Jedoch räumt der BGH in feststehender Rechtsprechung dem Verletzten für die Vergangenheit ein Wahlrecht zwischen Kapital- und Rentenzahlung auf der Grundlage des § 251 BGB ein, da Kapital und Rente lediglich zwei unterschiedliche Arten ein und desselben Schadensersatzanspruchs seien.105 Gesetzessystematisch stellen die vorgenannten Bestimmungen Sonderregelungen auf der Ebene der Haftungsausfüllung gegenüber den in §§ 249, 251 BGB für die Naturalrestitution normierten Grundsätzen dar.106 Schmerzensgeld wird grundsätzlich in Form eines Kapitalbetrages gewährt. Eine Schmer50 zensgeldrente kommt nur dann in Betracht, wenn entweder ungewöhnlich schwere Verletzungen vorliegen, unter denen der Verletzte immer wieder neu leidet, oder besondere, außergewöhnliche Umstände gerade die Rentenform erzwingen.107 Schmerzensgeldrenten sind grundsätzlich ohne Dynamisierung bis zum Lebensende108 oder begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum zu zahlen.109 Eine Abänderung (§ 323 ZPO) kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht. Erforderlich ist, dass eine ganz erhebliche Steigerung der Lebenshaltungskosten vorliegt und die zugesprochene Rente deshalb nicht mehr als „billiger“ Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen des Geschädigten angesehen werden kann. Ob dies der Fall ist, lässt sich erst nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls beurteilen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Zahlung einer erhöhten Rente dem Schädiger billigerweise zugemutet werden kann, etwa weil die Haftungshöchstsumme des VR „erschöpft“ ist.110
III. Unzureichende Versicherungssumme 1. Bedeutung der Versicherungssumme und des Kapitalwerts 51 Der Kapitalwert (auch Barwert genannt) der Rente muss die Versicherungssumme übersteigen, die nach Abzug der Kapitalzahlungen auf Ansprüche, die keine Rentenansprüche sind, verbleibt.111 Bleibt der Kapitalwert unterhalb der Versicherungssumme, ist der VR voll leistungspflichtig. Gelten für Sach-, Personen- und mitversicherte Vermögensschäden unterschiedliche Versicherungssummen, ist die Versicherungssumme für jede Schadensart getrennt zu rechnen.112 Soweit die Verpflichtung zur Rentenzahlung aus dem Gesetz folgt, liegt der Haftung stets ein Personenschaden zugrunde, so dass die für Personenschäden vorgesehene Versicherungssumme maßgeblich ist. Überschneiden sich die Deckungsbereiche zweier, vom VN bei demselben VR abgeschlossenen Versicherungsverträge (z.B. Privathaftpflichtversicherung und 104 Stiefel/Maier/Jahnke § 107 VVG Rn. 36; Langheid/Rixecker/Langheid § 107 VVG Rn. 4. 105 BGH 13.7.1972 – III ZR 107/69, BGHZ 59 187, 188 = NJW 1972 1711, 1712; BGH 24.3.1964 – VI ZR 12/63, VersR 1964 777, 778; BGH 17.3.1964 – VI ZR 15/63, VersR 1964 638, 639; BGH 25.2.1958 – VI ZR 44/57, VersR 1958 324, 325; RG 16.12.1937 – VI 126/37, RGZ 156 392, 393; MüKoBGB/Wagner § 843 Rn. 1. 106 BGH 19.5.1981 – VI ZR 108/79, VersR 1982 238, 239 = RuS 1982 127 zu § 843 BGB. 107 Stiefel/Maier/Jahnke § 107 VVG Rn. 37; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 19; vgl. auch BGH 11.12.1956 – VI ZR 286/55, NJW 1957 383. 108 BGH 3.7.1973 – VI ZR 60/72, NJW 1973 1653 = VersR 1973 1067, 1068. 109 BGH 23.11.1965 – VI ZR 151/64, VersR 1966 144, 145. 110 BGH 15.5.2007 – VI ZR 150/06, NJW 2007 2475, 2476 = VersR 2007 961, 962. 111 Vgl. BGH 10.10.2006 – VI ZR 44/05, RuS 2007 83, 85 = VersR 2006 1679. 112 BGH 10.10.2006 – VI ZR 44/05, RuS 2007 83, 85 = VersR 2006 1679, 1680; Prölss/Martin/Lücke § 107 VVG Rn. 2; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 23. Koch
222
F. Rentenzahlungen (Ziff. 6.7 AHB)
Ziff. 6 AHB 2016
Jagdhaftpflichtversicherung) und besteht Versicherungsschutz nach beiden Versicherungsverträgen, so kann der VN nach § 78 analog insgesamt nicht mehr als den Betrag seines Schadens verlangen. Er kann jedoch die Versicherungssummen beider Versicherungen voll ausnutzen.113 Schuldet der VN einem einzelnen Geschädigten sowohl Schadensersatz in Kapital- als auch 52 in Form von Rentenzahlungen, ist die Versicherungssumme gem. Ziff. 6.7 Satz 1 und 3 AHB um etwaige sonstige Leistungen aus dem Versicherungsfall zu kürzen. Kapitalforderungen kommt somit Vorrang vor der Rentenforderung zu.114 Bei sonstigen Leistungen kann es sich z.B. um Heilbehandlungskosten, Beerdigungskosten, Schmerzensgeld-Einmalbeträge und (bei Pauschal-Deckungssummen) den Ersatz von Sachschäden handeln. Der Vorrang der Kapitalforderung führt dazu, dass der Geschädigte für aktuell eingetretene Nachteile schnellstmöglich einen Ausgleich erhält. Als nachteilig kann sich für ihn erweisen, dass sich der Anteil des VR an der Rente verringert und im Extremfall auf Null absinkt. Bei nachträglich erhobenen oder später entstandenen Kapitalansprüchen des Dritten 53 hat der Vorrang zur Folge, dass der VR diese sofort zu befriedigen hat und insoweit eine Neuberechnung der Rente erforderlich wird. Etwas anderes gilt für den Fall, dass der VR, nachdem er bereits Kapitalzahlungen geleistet hat, dem Geschädigten eine Rentenzahlung verbindlich zusagt, die den Kapitalwert der verbliebenen Versicherungssumme voll ausschöpft.115 Hat der VR die rechtzeitige Kürzung der Rente versäumt und dadurch das Ausschöpfen der Versicherungssumme bewirkt, ist er nicht berechtigt, die Rentenzahlungen völlig einzustellen.116 Soweit es um die Befriedigung mehrerer Geschädigter geht, ist das Verteilungsverfahren gemäß § 109 anzuwenden, wonach die Forderungen sämtlicher Geschädigter im Verhältnis zu ihren Beträgen zu kürzen sind.117 Die Kosten des Rechtsschutzes bleiben wegen der Regelung der Ziff. 6.5 AHB unberücksichtigt. Dies gilt aufgrund der Bestimmung des § 101 Abs. 2 Satz 2 auch für Zinsen, die der VN infolge einer vom VR veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.118
2. Berechnung des Kapitalwerts der Rente Bei der Berechnung des Kapitalwerts einer Schadensersatzrente geht es darum, den Geldbetrag 54 zu ermitteln, den der VR verzinslich anlegen müsste, um aus den Zins- und Tilgungsbeträgen die Rentenleistung erbringen zu können. Je höher der Zinssatz ist, desto geringer fällt der Kapitalwert aus, was sich im Ergebnis positiv für den VN auswirkt. Umgekehrt profitiert der VR von einem niedrigen Zinssatz. Der Kapitalwert hängt jedoch nicht nur vom Zinssatz, sondern auch von der Dauer der Rentenverpflichtung ab. Die (zukünftigen) Rentenraten (einschließlich möglicher Hinterbliebenenrentenzahlungen nach dem Tode des Rentenempfängers) sind – jeweils mit der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet und auf den Berechnungszeitpunkt abgezinst – zu addieren.
113 BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, VersR 1991 172, 173. 114 BGH 10.10.2006 – VI ZR 44/05, RuS 2007 83, 85 = VersR 2006 1679, 1680; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 6 Rn. 49; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 22.
115 OLG Düsseldorf 26.1.1987 – 1 U 234/85, VersR 1988 485, 486 = NJW-RR 1987 799; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 54; Prölss/Martin/Lücke § 107 VVG Rn. 17; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 107 VVG Rn. 21; offenlassend Langheid/Rixecker/Langheid § 107 VVG Rn. 10. 116 BGH 12.6.1980 – IVa ZR 9/80, VersR 1980 817, 818 = NJW 1980 2524, 2525; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 55. 117 Zu Einzelheiten s. Bruck/Möller/Koch § 109 VVG Rn. 7 ff. 118 Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 28. 223
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
55 a) Rechnungsgrundlagen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 KfzPflVV). Deshalb verweist Ziff. 6.7 Satz 2 AHB auf die KfzPflVV, die in § 8 Abs. 1 Satz 2 bis 3 vorschreibt, dass der Rentenwert auf Grund einer von der Versicherungsaufsichtsbehörde entwickelten oder anerkannten Sterbetafel und unter Zugrundelegung des Rechnungszinses zu berechnen ist, der die tatsächlichen Kapitalmarktzinsen in Deutschland nach dem arithmetischen Mittelwert über die jeweils letzten zehn Jahre der Umlaufrenditen der öffentlichen Hand berücksichtigt. Zeitlicher Ausgangspunkt für die Berechnung des Kapitalwerts ist die Entstehung des Haftpflichtanspruchs dem Grunde nach und nicht etwa der Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Rate.119 Deshalb ist auch für später eintretende Schäden (Erwerbs- und Unterhaltsschaden, vermehrte Bedürfnisse) der Anspruchsentstehungszeitpunkt maßgeblich. Für die Umlaufrenditen ist der durchschnittliche Zinsertrag der jeweils letzten zehn Jahre vor der Entstehung des Haftpflichtanspruchs zu berücksichtigen.120 Die Berechnung des Kapitalwerts erfordert deshalb regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens.121
56 b) Verdienstausfallrenten. Bei Ermittlung des Kapitalwerts von Renten wegen Verdienstausfalls ist eine künftige Erhöhung der Rente zu berücksichtigen, die infolge von Geldentwertung und steigendem Lohnniveau jährlich eintritt, und zwar als sogenannte aufgeschobene Rente.122 Dem Umstand, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass der geschädigte Dritte in der Zeit vom ursprünglichen Rentenbeginn bis zum Zeitpunkt der Erhöhung stirbt, ist durch einen versicherungsmathematischen Abschlag Rechnung zu tragen. Führt die bei einer später folgenden Erhöhung der Rentenleistung vorgenommene Neuberechnung des Kapitalwerts zur Feststellung, dass die Versicherungssumme überschritten ist, so wirkt das jeweils nur für die Zukunft.123
57 c) Nachträgliche Erhöhungen oder Ermäßigungen der Rente (§ 8 Abs. 1 Satz 4 KfzPflVV). Nachträgliche Erhöhungen oder Ermäßigungen der Rente sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 4 KfzPflVV zum Zeitpunkt des ursprünglichen Rentenbeginns mit dem Barwert einer aufgeschobenen Rente nach der genannten Rechnungsgrundlage zu berechnen. Eine aufgeschobene Rente ist eine Rentenverpflichtung, deren erste Fälligkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt – hier nach dem Stichtag des Kürzungsverfahrens – einsetzt. Maßgeblich ist der Kapitalwert der – zukünftigen – Rente zum Kürzungsstichtag.124 Erhöhungen oder Ermäßigungen der Rente können aus fiktiven Einkommenserhöhungen des Verletzten aufgrund einer wahrscheinlichen Karriere, fiktiver Pensionierung des Getöteten beim Unterhaltsschaden oder dem Wegfall der Waisen aus dem Unterhaltsrecht resultieren.125 Auch wenn der Geschädigte stirbt und an die Stelle der ihm gewährten Rente die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Ersatz des entgangenen Unterhalts aus § 844 Abs. 2 BGB (möglicherweise auch aus § 1845 BGB) treten oder der VN während laufender Rentenzahlung eine zuvor nicht berücksichtigte Kapitalforderung zu erfüllen hat, ist eine neue Kapitalisierung oder ein neuer Vergleich mit der verbliebenen Versicherungssumme vorzunehmen. Ohne Einfluss auf den Kapitalwert der Rente bleiben dagegen Abweichungen der tatsächlichen Laufzeit der Rentenzahlungen von statistischen Durchschnittswerten oder Änderungen der Sterbetafeln.126
119 120 121 122
Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 56; Bruck/Möller/Koch Bd. 12 § 8 KfzPflVV Rn. 8. Bruck/Möller/Koch Bd. 12 § 8 KfzPflVV Rn. 8. Prölss/Martin/Lücke § 107 VVG Rn. 11; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 37. BGH 28.11.1979 – IV ZR 83/78, VersR 1980 132, 134; zu Einzelheiten s. Bruck/Möller/Koch Bd. 12 § 8 KfzPflVV Rn. 10 f. 123 BGH 28.11.1979 – IV ZR 83/78, VersR 1980 132, 134; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. V Teilbd. 1 Anm. G 36. 124 Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen § 10 AKB Rn. 129. 125 Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen § 10 AKB Rn. 129. 126 Vgl. BGH 12.6.1980 – IVa ZR 9/80, VersR 1980 817, 818; Stiefel/Maier/Maier § 8 Rn. 29. Koch
224
F. Rentenzahlungen (Ziff. 6.7 AHB)
Ziff. 6 AHB 2016
3. Rechtsfolgen a) Verhältnismäßige Kürzung der Rente. Übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versiche- 58 rungssumme, ist der Anspruch des VN auf Zahlung einer Rente an den geschädigten Dritten nach Maßgabe der nachstehenden Berechnungsformel in dem Verhältnis zu kürzen, in dem der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme übersteigt:127 Rentenforderung × Versicherungssumme Anteil des VR = Kapitalwert der Rente
Beispiel: Beträgt bei einer Rente von A 1.500 monatlich der Kapitalwert dieser Rente A 300.000 und beläuft sich die Versicherungssumme auf A 200.000, so gehen von dieser Rente monatlich A 1.000 (= 1.500 × 200.000 : 300.000) zulasten des VR und A 500 zulasten des VN.
Hat der Geschädigte nicht nur Renten-, sondern auch Kapitalzahlungsansprüche, so ist die 59 sofort fällige Kapitalzahlung in voller Höhe zu zahlen und von der Versicherungssumme in Abzug zu bringen. Der hiernach verbleibende Teil der Versicherungssumme ist zur Freistellung von der Rentenzahlungsverpflichtung zu verwenden.128 Insoweit ist die vorstehende Formel wie folgt zu ändern: Rentenforderung × (Versicherungssumme – Kapitalforderungen) Anteil des VR = Kapitalwert der Rente
Beispiel: Wie im vorgenannten Beispiel (Rn. 58), jedoch ist der VN zur Zahlung eines Schmerzensgeldes als Einmalbetrag in Höhe von A 10.000 verurteilt worden. Wegen des Vorrangs von Kapitalforderungen vor Rentenforderungen ist die Versicherungssumme um diesen Betrag zu kürzen. In diesem Fall gehen von der Rente monatlich A 950 (= 1.500 × 190.000 : 300.000) zulasten des VR und A 550 zulasten des VN.
IV. Mehrere Geschädigte Gibt es mehrere Geschädigte, die Kapital- und Rentenzahlungsansprüche geltend machen, fin- 60 det Ziff. 6.7 Satz 1 AHB keine Anwendung. Um im Falle der nicht ausreichenden Versicherungssumme die nach § 109 Satz 1 VVG gebotene ranggleiche Befriedigung aller Geschädigten sicherzustellen, sind die Rentenansprüche vorweg zu kapitalisieren.129 Der in Ziff. 6.7 Satz 3 AHB bestimmte Vorrang von Kapitalforderungen vor Rentenforderun- 61 gen kann dazu führen, dass bei einer Mehrzahl von Anspruchsstellern diejenigen, die Rentenforderungen gegenüber denjenigen, die Kapitalforderungen geltend machen, schlechter gestellt werden. Ein solche Ergebnis lässt sich mit § 109 Satz 1 VVG nicht vereinbaren, der den VR bei Vorhandensein mehrerer Geschädigter verpflichtet, die Forderungen, ungeachtet, ob es sich um
127 Vgl. Berliner Kommentar/Baumann § 155 Rn. 27; Prölss/Martin/Lücke § 107 VVG Rn. 7; Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 51.
128 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 56; Wussow § 3 Rn. 22. 129 BGH 25.2.1958 – VI ZR 44/57, VersR 1958 324, 325; Prölss/Martin/Lücke § 107 VVG Rn. 9; Berliner Kommentar/ Baumann § 155 Rn. 29; Wussow § 3 Rn. 22. 225
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
Kapital- oder Rentenforderungen handelt, anteilig zu kürzen. Da § 109 Satz 1 VVG unabdingbar ist,130 ist Ziff. 6.7 Satz 3 AHB gem. § 134 BGB unwirksam.131
V. Neuberechnung des Kapitalwerts infolge Änderung der vom VN zu zahlenden Rente 62 Ändert sich nachträglich die Höhe der vom VN zu zahlenden Renten, ist eine Neuberechnung des Kapitalwerts der Renten erforderlich. Der Grund für die Rentenänderung ist dabei gleichgültig. Auch wenn der Geschädigte stirbt und an die Stelle der ihm gewährten Rente die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Ersatz des entgangenen Unterhalts aus § 844 Abs. 2 BGB (möglicherweise auch aus § 1845 BGB) treten, ist eine neue Kapitalisierung oder ein neuer Vergleich mit der verbliebenen Versicherungssumme vorzunehmen. Eine solche Neuberechnung wirkt allerdings nur für die Zukunft.132 Beispiel: Verstirbt in dem zuvor angeführten Beispiel (Rn. 58) der Geschädigte nach dreijährigem Rentenbezug unfallbedingt und ergibt die Berechnung, dass der Kapitalwert der der Witwe dann zugesprochenen Rente nach § 844 Abs. 2 BGB in Höhe von A 700 monatlich sich auf A 140.000 beläuft, so ist diese mit der (um die Leistungen des VR in Höhe A 36.000 (= 36 Monate × A 1.000) an den verstorbenen Ehemann gekürzten) Versicherungssumme von A 164.000 (= A 200.000 – A 36.000) zu vergleichen. Der VR muss die Rente an die Witwe in voller Höhe erbringen. Dem VN steht kein Rückforderungsanspruch in Höhe des von ihm für drei Jahre monatlich aus eigener Tasche erbrachten Anteils von A 500 zu.133
63 Entsprechendes gilt, wenn von Anfang an mehrere anspruchsberechtigte Rentenempfänger vorhanden sind, bei denen der Kapitalwert der gesamten Renten die Versicherungssumme überschreitet. Beträgt also die Versicherungssumme A 100.000 und werden drei Rentenansprüche von monatlich A 150 für A, A 250 für B und A 350 für C zuerkannt, so ist für alle drei Renten der Kapitalwert zu ermitteln und die Summe dieser Kapitalwerte mit der Versicherungssumme zu vergleichen. Auch hier treten die Ansprüche der Angehörigen aus § 844 Abs. 2 BGB an die Stelle der Ansprüche des verstorbenen Dritten.134 Es fragt sich aber, ob eine Neuberechnung unter voller Berücksichtigung des noch nicht verbrauchten Teils der Versicherungssumme selbst dann vorzunehmen ist, wenn einer der geschädigten Dritten ersatzlos wegfällt. Man stelle sich vor, dass C ohne Angehörige ist und bereits nach 3 Jahren stirbt. Mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Haftpflichtversicherung sowohl zugunsten des VN als auch zugunsten der geschädigten Dritten (vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere § 108 Abs. 1 und das in § 109 Satz 1 vorgesehene Verteilungsverfahren zugunsten der geschädigten Dritten) ist die Lücke in Ziff. 7.6 AHB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in dem Sinne zu schließen, dass der durch den frühzeitigen Tod des C „freigewordene“ Teil der Versicherungssumme wieder allen anspruchsberechtigten Dritten zur Verfügung steht. Die bereits aus eigener Tasche für die Vergangenheit zugezahlten Beträge kann der VN aber auch hier nicht zurückfordern. Insoweit bleibt die Risikoverteilung in Bezug auf die Lebenserwartung des geschädigten Dritten zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages erhalten.135 Der vom VR zu leistende Anteil an der Rente verringert sich, wenn der VN während lau64 fender Rentenzahlung eine zuvor nicht berücksichtigte Kapitalforderung zu erfüllen hat. 130 Bruck/Möller/Koch § 109 VVG Rn. 78. 3. 131 Vgl. auch Prölss/Martin/Klimke KfzPflVV § 8 Rn. 3. 132 BGH 28.11.1979 – IV ZR 83/78, VersR 1980 132, 134; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 63; Küppersbusch FS Müller 75; Wussow § 3 Rn. 22. 133 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 63. 134 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 62. 135 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 62. Koch
226
G. Widerstand des VN (Ziff. 6.8 AHB)
Ziff. 6 AHB 2016
Auch in einem derartigen Fall ist der Kapitalwert der Rente neu zu berechnen. Zu diesem Zweck ist der Kapitalwert der vom VR bereits geleisteten Renten zu bestimmen und vom Kapitalwert, der ursprünglich für sämtliche Rentenzahlungen ermittelt worden ist, in Abzug zu bringen. Von dem sich daraus ergebenden Differenzbetrag ist die nachträglich geltend gemachte Kapitalforderung in voller Höhe abzuziehen. Führt der Abzug zu einem Verbrauch der Versicherungssumme, so besteht eine weitere Deckungspflicht für die Renten nicht. Ist die Versicherungssumme nicht voll verbraucht, bleibt der noch freie Betrag für die Deckung der Renten in der Zukunft. Die nach Berichtigung des Kapitalanspruchs noch zu zahlenden Renten sind erneut zu kapitalisieren und mit der verbleibenden Versicherungssumme zur Errechnung des vom VR zu tragenden Anteils zu vergleichen.136 Versäumt der VR eine Kürzung der Rente, ist er nicht berechtigt, Überzahlungen mit 65 künftigen Raten zu verrechnen und weitere Rentenzahlungen einzustellen. Er kann sich insoweit nicht auf eine Erschöpfung der Versicherungssumme berufen.137 Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 107 Abs. 1, im Interesse des Geschädigten eine fortlaufende verhältnismäßige Beteiligung des VR an den Rentenleistungen zu gewährleisten. Der VR kann den überschießenden Teil vom VN nur nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Alt. 1 Satz 1 BGB) zurückfordern, weil er die Zahlungen zum Zwecke der Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag gegenüber dem VN geleistet hat.138 Eine Direktkondiktion gegen den Rentenberechtigten scheidet aus.139
G. Widerstand des VN (Ziff. 6.8 AHB) Gem. Ziff. 6.8 AHB hat der VR für den Fall, dass eine von ihm verlangte Erledigung eines Haft- 66 pflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen. Bei dieser Klausel, die in der Schadensregulierungspraxis nicht erkennbar von Bedeutung ist140 und deren Brauchbarkeit von Littbarski zu Recht in Zweifel gezogen wird,141 handelt es sich nach h.M. um eine Obliegenheit.142 Hierauf weist in der Tat die Formulierung hin, dass der VR für den Mehraufwand nicht einzustehen habe. Diese Rechtsfolge entspricht insoweit § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG, als der VR bei vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn sich dadurch für ihn der Umfang der Leistungspflicht erhöht. Die Rechtsfolge weicht jedoch von § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG ab, weil sie auch in den Fällen 67 eingreift, in denen sich der VN grob fahrlässig oder nur einfach fahrlässig einer vorzeitigen Erledigung des Haftpflichtanspruchs widersetzt. Die Klausel ist deshalb als für den VN nachteilige Abweichung von § 28 VVG gem. § 32 und bei Vorliegen eines Großrisikos gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.143 Dies gilt selbst dann, wenn man mit R. Johannsen144 und den sich
136 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 59 ff.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 107 VVG Rn. 21; Wussow § 3 Rn. 22. 137 BGH 12.6.1980 – IV ZR 9/80, VersR 1980 817, 818. 138 Bruck/Möller/R. Johannsen Bd. V Teilbd. 1 Anm. G 36; a.A. Langheid/Rixecker/Langheid § 107 VVG Rn. 11. 139 A.A. Langheid/Wandt/Littbarski § 107 VVG Rn. 57; offenlassend BGH 12.6.1980 – IV ZR 9/80, VersR 1980 817, 818, wo davon die Rede ist, dass „allenfalls“ aus ungerechtfertigter Bereicherung vorgegangen werden könne; Berliner Kommentar/Baumann § 155 Rn. 31. 140 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 64. 141 Littbarski AHB § 3 Rn. 231 ff. 142 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 23; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 65; Littbarski AHB § 3 Rn. 231. 143 Vgl. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 6 AHB Rn. 12. 144 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 87. 227
Koch
Ziff. 6 AHB 2016
Begrenzung der Leistungen
ihm anschließenden Stimmen in der Literatur145 nur die unberechtigte Weigerung des VN als Obliegenheitsverletzung qualifiziert. Denn vielfach wird der VN die Rechtslage nicht erkennen oder sie verkennen. In diesen Fällen handelt der VN höchstens grob fahrlässig. Der VR ist dann nur in dem Maße, in dem ihm ein Mehraufwand entstanden ist, zur anteiligen Kürzung seiner Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis berechtigt. Einen Teil des Mehraufwandes hat der VR also entgegen Ziff. 6.8 AHB zu tragen. 68 Im Übrigen ist zu beachten, dass ein Widerspruch des VN den grundsätzlich unwiderruflich zur Schadensregulierung und zur Prozessführung bevollmächtigten VR nicht an der Erledigung des Rechtsstreits hindert. Soweit der VN nicht ausnahmsweise zum Widerruf der Vollmacht berechtigt ist (Ziff. 5 AHB Rn. 182 ff.) und diesen erklärt, ist die Klausel nur von Bedeutung, wenn der VR in zweifelhaften Fällen von seiner Vollmacht wegen des Widerspruchs des VN keinen Gebrauch macht, obwohl er hierzu in der Lage wäre. Dann aber fehlt es an der Kausalität, weil die Erledigung nicht an der Weigerung des VN scheitert, sondern an den Bedenken des VR, der nicht das Risiko eines Schadensersatzprozesses mit ungewissem Ausgang auf sich nehmen will.146 Vor diesem Hintergrund sollte die Klausel bei einer erneuten Überarbeitung der AHB gestrichen werden.147
145 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 67; Wussow § 3 Anm. 23. 146 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 6 Rn. 67; Wahle ZVersWiss 1960 78, 86. 147 Zur Kritik an der Regelung: R. Johannsen ZVersWiss 1994 502. Koch
228
Ziff. 7 AHB 2016
Ziff. 7 Ausschlüsse AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 7 Ausschlüsse
§ 4 Ausschlüsse
Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:
I. Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf: II. Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben:
7.1 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben.
II. 1. 1Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. 2 Bei der Lieferung oder Herstellung von Waren, Erzeugnissen oder Arbeiten stehen die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der Waren usw. dem Vorsatz gleich.
7.2 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben. 7.3 Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
I. 1. Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder besonderer Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
7.4 Haftpflichtansprüche (1) des VN selbst oder der in Ziff. 7.5 benannten Personen gegen die Mitversicherten, (2) zwischen mehreren VNn desselben Versicherungsvertrages, (3) zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages.
II.2. Haftpflichtansprüche b) zwischen mehreren VN desselben Versicherungsvertrages;
7.5 Haftpflichtansprüche gegen den VN (1) 1aus Schadensfällen von seinen Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; 2 Als Angehörige gelten Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarer Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind).
II.2. Haftpflichtansprüche a) 1aus Schadensfällen von Angehörigen des VN, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; 2 Als Angehörige gelten Ehegatten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind).
(2) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, II.2. Haftpflichtansprüche wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt c) von gesetzlichen Vertretern geschäftsunfähiger oder geschäftsfähige oder betreute Person ist; beschränkt geschäftsfähiger Personen; (3) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist;
229 https://doi.org/10.1515/9783110522686-012
II.2. Haftpflichtansprüche e) von gesetzlichen Vertretern juristischer Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sowie nicht rechtsfähiger Vereine;
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
AHB 2016
AHB 1999
(4) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist;
II.2. Haftpflichtansprüche d) von unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern nicht rechtsfähiger Handelsgesellschaften;
(5) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist;
Fehlanzeige
(6) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern;
II.2. Haftpflichtansprüche f) von Liquidatoren.
zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
II.2. Haftpflichtansprüche 3 Die Ausschlüsse unter b) und f) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, wenn sie miteinander in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.6 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN diese Sachen gemietet, geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind.
I.6. Haftpflichtansprüche wegen Schäden a) an fremden Sachen, die der VN gemietet, gepachtet, geliehen oder durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind;
7.7 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn
I.6. Haftpflichtansprüche wegen Schäden b) die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen (z.B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung u. dgl.) entstanden sind; bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluß nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit gewesen sind.
(1) die Schäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung und dgl.) entstanden sind; bei unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen waren; (2) die Schäden dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeiten (als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche und dgl.) benutzt hat; bei unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Benutzung betroffen waren;
Fehlanzeige
(3) die Schäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen oder – sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt – deren Teile im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben; dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der VN beweist, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte.
Fehlanzeige
zu Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7: Sind die Voraussetzungen der Ausschlüsse in Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 in der Person von Angestellten,
I.6. Haftpflichtansprüche wegen Schäden 2 Sind die Voraussetzungen der obigen Ausschlüsse in der Person von Angestellten, Arbeitern, Bediensteten,
Koch
230
Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB 2016
AHB 2016
AHB 1999
Arbeitern, Bediensteten, Bevollmächtigten oder Beauftragten des VN gegeben, so entfällt gleichfalls der Versicherungsschutz, und zwar sowohl für den VN als auch für die durch den Versicherungsvertrag etwa mitversicherten Personen.
Bevollmächtigten oder Beauftragten des VN gegeben, so entfällt gleichfalls der Versicherungsschutz, und zwar sowohl für den VN wie für die durch den Versicherungsvertrag etwa mitversicherten Personen.
7.8 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dies gilt auch dann, wenn die Schadenursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3 Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
II. 5. Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an den vom VN (oder in seinem Auftrage oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung liegenden Ursache entstehen.
7.9 Haftpflichtansprüche aus im Ausland vorkommenden Schadenereignissen; Ansprüche aus § 110 SGB VII sind jedoch mitversichert.
I. 3. Haftpflichtansprüche aus im Ausland vorkommenden Schadensereignissen; jedoch sind Ansprüche aus § 110 SGB VII mitgedeckt.
7.10(a) 1Ansprüche, die gegen den VN wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz oder anderen auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/ 35/EG) basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen geltend gemacht werden. 2Dies gilt auch dann, wenn der VN von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Anspruch genommen wird. 3 Der Versicherungsschutz bleibt aber für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 4 Dieser Ausschluss gilt nicht im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken.
Fehlanzeige
7.10(b) 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. 2Dieser Ausschluss gilt nicht (1) im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken oder (2) für Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse (auch Abfälle), durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht). 3 Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für Schäden durch Umwelteinwirkung, die aus der
I. 8. 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung und alle sich daraus ergebenden weiteren Schäden. 2 Dies gilt nicht a) im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken oder b) wenn gegen den VN Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung erhoben werden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse (auch Abfälle), durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluß der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht),
231
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
AHB 2016
AHB 1999
Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von – Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHGAnlagen); – Anlagen gem. Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG-Anlagen); – Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen; – Abwasseranlagen oder Teilen resultieren, die ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind.
es sei denn, sie resultieren aus der Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von – Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHGAnlagen); – Anlagen gem. Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG-Anlagen); – Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG oder UmweltHG-Anlagen handelt; – Abwasseranlagen oder Teilen, die ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind.
7.11 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
Fehlanzeige
7.12 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen mit energiereichen ionisierenden Strahlen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen).
I. 7. Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen mit energiereichen ionisierenden Strahlen (z.B. von radioaktiven Substanzen emittierte Alpha-, Beta- und Gammastrahlen sowie Neutronen oder in Teilchenbeschleunigern erzeugte Strahlen) sowie mit Laser- und Maserstrahlen.
7.13 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die Fehlanzeige zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden. 7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt, (2) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, (3) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
Fehlanzeige
7.15 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, soweit es sich handelt um Schäden aus (1) Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten, (2) Nichterfassen oder fehlerhaftem Speichern von Daten, (3) Störung des Zugangs zum elektronischen Datenaustausch, (4) Übermittlung vertraulicher Daten oder Informationen.
Fehlanzeige
Koch
232
Übersicht
Ziff. 7 AHB 2016
AHB 2016
AHB 1999
7.16 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen.
Fehlanzeige
7.17 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen.
Fehlanzeige
7.18 1Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN resultieren. 2Das Gleiche gilt für Sachschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 3 In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.
II.4. Haftpflichtansprüche wegen Personenschaden, der aus der Übertragung einer Krankheit des VN entsteht, sowie Sachschaden, der durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden ist, es sei denn, daß der VN weder vorsätzlich noch grobfahrlässig gehandelt hat.
Übersicht 3.
A.
Vorbemerkung
I.
Auslegungsregeln
II. 1. 2.
Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle 5 Einbeziehungskontrolle 11 Inhaltskontrolle 12 a) § 307 Abs. 2 BGB 14 b) § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
III.
Kausalität/Zurechnungszusammenhang unter 15 Schutzzweckgesichtspunkten
IV.
Beweislast
V. 1. 2. 3.
Abänderungen der Ausschlussbestimmungen 20 Grundsätzliches 21 Form 23 Voraussetzungen der Abänderung
VI.
4.
Konkludentes Anerkenntnis des Versicherers im 29 Schadensfall 30 Prüfung der Haftpflichtigkeit des VN 32 Befriedigung des Haftpflichtanspruchs Gewährung von Rechtsschutz im Haftpflichtpro33 zess 37 Beispiele aus der Rechtsprechung
B.
Ausschlusstatbestände
I. 1. 2.
Vorsatzausschluss (Ziff. 7.1 AHB) 38 Inhalt und Zweck 39 Objektive Tatbestandsvoraussetzungen 40 a) Herbeiführung des Schadens 41 b) Widerrechtlichkeit
1. 2. 3.
233
1
19
4.
Vorsätzliche Schadensherbeiführung a) Begriff des Vorsatzes 46 b) Zum Umfang des Vorstellungsbil48 des 52 c) Kasuistik aa) Körperverletzung 53 (1) Allgemein (2) Körperverletzung unter Einsatz von gefährlichen Werkzeu54 gen (3) Körperverletzungen als Folge von Jux, Albernheit, Spaß, Spielerei Ausgelassenheit, Un55 fug (4) Körperverletzungen und Sachschäden durch Minderjäh56 rige 57 bb) Brandstiftung cc) Schädigung Dritter anlässlich einer 58 (versuchten) Selbsttötung 59 dd) Sachschäden ee) Schäden durch Lieferung oder Herstellung mangelhafter Waren, Erzeugnisse oder Arbeiten (Ziff. 7.2 AHB/§ 4 II Ziff. 2 60 Satz 1 AHB a.F.) d) Verantwortlichkeit/Zurechnungsfähigkeit 61 aa) § 827 BGB 65 bb) § 828 BGB cc) Trunkenheit oder sonstige Berau66 schungszustände 67 Zurechnung des Verhaltens Dritter 68 a) Mehrheit von VN b) Versicherung für fremde Rechnung aa) Vorsätzliche Schadenszufügung durch 69 versicherte Personen Koch
Ziff. 7 AHB 2016
5.
6.
Koch
Ausschlüsse
bb) Vorsätzliche Schadenszufügung durch 71 den VN c) Gesellschaften als VN aa) Vorsätzlich Schadenszufügung durch Organmitglieder 75 (1) Juristische Personen (2) Rechtsfähige Personengesell77 schaften (3) Nicht eingetragene Vereine und Vorgesellschaften juristischer Per78 sonen bb) Vorsätzliche Schadenszufügung durch Mitarbeiter des VN (1) Haftung für Repräsentan79 ten 83 (2) Beispiele cc) Vorsätzliche Schadenszufügung durch Gesellschafter juristischer Personen und nicht zur Geschäftsführung berech86 tigte Personengesellschafter dd) Vorsätzliche Schadenszufügung durch 87 sonstige Dritte d) Natürliche Personen als VN/versicherte Personen aa) Vorsätzliche Schadenszufügung durch gesetzliche Vertreter natürlicher Perso88 nen bb) Vorsätzliche Schadenszufügung durch Ehegatten/Lebenspartner/ 89 Kinder cc) Vorsätzliche Schadenszufügung durch 90 sonstige Dritte 91 e) Einstehen für Parteien kraft Amtes Rechtsfolge/Umfang der Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Schadensherbeiführung a) Im Hinblick auf die Leistungspflicht des Ver92 sicherers 95 b) Personelle Reichweite 96 c) Auswirkungen auf den Vertrag d) Schadensersatzansprüche des Versiche97 rers e) Rückforderungsansprüche des Versiche98 rers 104 f) Verzicht Verfahrens- und Beweisfragen 105 a) Berücksichtigung von Amts wegen 106 b) Darlegungs- und Beweislast c) Beweisführung 110 aa) Grundsatz bb) Unzulässigkeit des Anscheinsbewei111 ses 112 cc) Indizienbeweis dd) Bindungswirkung der Feststellungen im vorausgegangenen Haftungsprozess 115 für den Deckungsprozess
ee)
d) II.
1. 2.
3.
4. 5. 6. 7. III. 1. 2. 3. 4.
5. 6.
Bindungswirkung der Feststellungen im vorausgegangenen Strafprozess/Ad117 häsionsverfahren 119 Revisibilität
Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen (Ziff. 7.2 AHB) 120 Inhalt und Zweck Anwendungsbereich a) Auslegung zu § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB 121 2002 b) Inverkehrbringen von Erzeugnissen 123 aa) Begriff des Erzeugnisses 124 bb) Begriff des Inverkehrbringens c) Erbringen von Arbeiten oder sonstigen Leis127 tungen Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit a) Mangelhaftigkeit oder Schädlich128 keit 131 b) Kenntnis 134 Kausalität 135 Beweislast Geltung von Ziff. 7.2 AHB in der Privathaftpflicht137 versicherung 139 Wirksamkeit Über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehende vertragliche Ansprüche (Ziff. 7.3 AHB) 140 Inhalt und Zweck 141 Anwendungsbereich Zum Begriff der über den gesetzlichen Umfang hi142 nausgehenden Haftung Abgrenzung zwischen erhöhten Vertragspflichten und der Vereinbarung einer erhöhten Haf145 tung a) Kaufvertrag aa) Beschaffenheitsgarantie i.S.v. §§ 442 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 444 Alt. 2, 445 Alt. 2 146 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB bb) Beschaffenheits- und Haltbarkeitsga147 rantie i.S.v. § 443 BGB 148 cc) Sonstige Garantien 149 b) Werkvertrag 150 c) Mietvertrag d) Übernahme vertraglicher Verpflichtungen 151 und Haftungsübernahme e) Konzeptverantwortungsvereinbarun153 gen 154 Kausalität 155 Beispiele 156 a) Abbedingung von § 377 HGB 157 b) Verlängerung der Verjährungsfrist 161 c) Freistellungsvereinbarungen
234
Übersicht
d) e) IV. 1. 2.
3.
V. 1. 2.
235
Vertragsstrafen, Bearbeitungspauschalen 162 etc. 163 Schiedsgerichtsabreden
Haftpflichtansprüche bestimmter Personengruppen (Ziff. 7.4, 7.5 AHB) 164 Inhalt und Zweck Haftpflichtansprüche des VN und versicherter Personen (Ziff. 7.4 AHB) 166 a) Übersicht 167 b) Voraussetzungen aa) Haftpflichtansprüche des VN gegen versicherte Personen (Ziff. 7.4 (1) 168 AHB) bb) Haftpflichtansprüche zwischen mehre170 ren VN (Ziff. 7.4 (2) AHB) cc) Haftpflichtansprüche zwischen versicherten Personen (Ziff. 7.4 (3) 171 AHB) 172 c) Sonstige Einzelheiten Haftpflichtansprüche gegen den VN (Ziff. 7.5 174 AHB) a) Schadensfälle von Angehörigen des 175 VN aa) Ausgeschlossener Personen176 kreis bb) Leben in häuslicher Gemein179 schaft (1) Begriff der häuslichen Gemein180 schaft 182 (2) Gemeinsamer Haushalt cc) Bedeutung der Formulierung „aus 190 Schadensfällen“ b) Ansprüche von gesetzlichen Vertretern/Betreuern geschäftsunfähiger, beschränkt ge191 schäftsfähiger oder betreuter VN c) Ansprüche von gesetzlichen Vertretern juristischer Personen und nicht rechtsfähiger Ver192 eine d) Ansprüche von Gesellschaftern der OHG, KG 195 und GbR e) Ansprüche von Partnern der Partnerschafts196 gesellschaft f) Ansprüche von Liquidatoren, Zwangs- und 197 Insolvenzverwaltern g) Numerus clausus der Ausschlusstatbe198 stände Miete, Pacht, Leasing, Leihe, Verwahrung und verbotene Eigenmacht (Ziff. 7.6 AHB) 199 Inhalt und Zweck Fremde Sachen 201 a) Begriff der Sache b) Bestimmung des Merkmals der Fremd202 heit
Ziff. 7 AHB 2016
c)
3.
4.
5. 6. 7. 8.
9. VI. 1. 2. 3. 4. 5.
6.
7.
Kenntnis des Merkmals der Fremd205 heit Gemietete, geleaste, gepachtete und geliehene Sachen 206 a) Grundsätzliches b) Schäden an gemieteten/gepachteten Sa210 chen 216 c) Schäden an geleasten Sachen 218 d) Schäden an geliehenen Sachen Schäden an vom VN verwahrten Sachen 222 a) Verwahrung als Hauptpflicht 229 b) Unentgeltliche Verwahrung 231 Gemischte Verträge Aus verbotener Eigenmacht abgeleiteter Be241 sitz 242 Folgeschäden Hilfspersonenklausel 244 a) Inhalt und Zweck 246 b) Betroffener Personenkreis 249 Abbedingung Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 AHB) 250 Inhalt und Zweck Schäden an fremden Sachen und alle sich daraus 253 ergebenden Vermögensschäden 254 Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit 255 Tätigkeitsbegriff 264 Ausschlussobjekte a) Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 (1) AHB) 265 aa) Bewegliche Sachen 272 bb) Unbewegliche Sachen (1) Begriff der unbeweglichen Sa273 che (2) Unmittelbare Betroffenheit der 275 unbeweglichen Sache b) Benutzungsschäden (Ziff. 7.7 (2) 283 AHB) c) Schäden im Einwirkungsbereich der zu bear286 beitenden Sache (Ziff. 7.7 (3) AHB) aa) Bestimmung des unmittelbaren Einwir288 kungsbereichs bb) Bedeutung von Schutzmaßnah290 men 292 Kasuistik 293 a) Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 (1) AHB) b) Benutzungsschäden (Ziff. 7.7 (2) 294 AHB) c) Wirkbereichsschäden (Ziff. 7.7 (3) 295 AHB) 296 Hilfspersonenklausel
VII. Herstellungs- und Lieferklausel (Ziff. 7.8 AHB) 297 1. Inhalt und Zweck 299 2. Weiterfresserschäden
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
3.
4. 5.
Ausschlüsse
Schäden an nicht vom VN hergestellten/gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen sowie Personenschäden 300 a) Grundsatz 303 b) Abgrenzungsfragen 310 Kausalität Deckung für zugerechnete Haftung Drit312 ter
VIII. Auslandsschäden (Ziff. 7.9 AHB) 313 1. Inhalt und Zweck 2. Eintritt des Versicherungsfalles im Aus316 land 321 3. Wiedereinschluss 322 4. Unionsrecht IX. 1. 2. 3.
Umweltschäden (Ziff. 7.10 lit. a) AHB) 323 Inhalt und Zweck 324 Begriff und Anwendungsbereich Umweltschaden-Basisversicherung/ 328 Umweltschadensversicherung
X.
Schäden durch Umwelteinwirkung (Ziff. 7.10 lit. b) AHB) 329 Inhalt und Zweck Schäden durch Umwelteinwirkung a) Begriff der Umwelteinwirkung 331 aa) Auslegung bb) Umweltmedienspezifische Ausbrei336 tung 339 b) Ausgeschlossene Schäden Vom Ausschluss ausgenommene Bereiche 340 a) Private Umwelthaftpflichtrisiken b) Betriebliche und berufliche Haftpflichtrisi341 ken aa) Allgemeines Umwelt-Betriebsri342 siko bb) Nicht-anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (sog. Umweltre343 gressrisiko) cc) Anlagenbezogenes Umwelt-Produkt344 haftpflichtrisiko dd) Umwelthaftpflicht-Basisversicherung/ 349 Umwelthaftpflicht-Modell
1. 2.
3.
XI. 1. 2.
Asbestausschluss (Ziff. 7.11 AHB) 350 Inhalt und Zweck 352 Reichweite des Ausschlusses
XII. Strahlenausschluss (Ziff. 7.12 AHB) 353 1. Inhalt und Zweck 355 2. Reichweite des Ausschlusses XIII. Gentechnikausschluss (Ziff. 7.13 AHB) 357 1. Inhalt und Zweck
Koch
2.
Reichweite des Ausschlusses
358
XIV. Abwässer, Senkungen, Erdrutsch, Überschwemmung (Ziff. 7.14 AHB) 362 1. Inhalt und Zweck 365 2. Ausschluss von Sachschäden 3. Ausgeschlossene Schadensursachen a) Nichthäusliche Abwässer (Ziff. 7.14 (1) AHB) 367 aa) Inhalt und Zweck 368 bb) Begriffsbestimmung 371 cc) Einzelheiten 378 dd) Ableitung 382 ee) Kausalität 383 ff) Wiedereinschluss b) Senkungs- und Erdrutschungsschäden (Ziff. 7.14 (2) AHB) 384 aa) Senkungsschaden 388 bb) Erdrutschungen 392 cc) Wiedereinschlüsse c) Überschwemmungen (Ziff. 7.14 (3) 393 AHB) XV. IT-Risiko-Ausschluss (Ziff. 7.15 AHB) 398 1. Inhalt und Zweck 2. Reichweite des Ausschlusses a) Schäden aus Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von 399 Daten b) Schäden aus Nichterfassen oder fehlerhaf406 tem Speichern von Daten c) Schäden aus Störung des Zugangs zum elek408 tronischen Datenaustausch d) Schäden aus Übermittlung vertraulicher Da409 ten oder Informationen 410 3. Wiedereinschluss von IT-Risiken XVI. Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen (Ziff. 7.16 AHB) 411 1. Inhalt und Zweck 2. Verletzung von Persönlichkeits- und Namensrech412 ten XVII. Diskriminierung (Ziff. 7.17 AHB) 413 1. Inhalt und Zweck 414 2. Praktische Bedeutung 3. Mitversicherung von Ansprüchen aus Benachteili416 gungen für Privatpersonen XVIII. Übertragung von Krankheiten (Ziff. 7.18 AHB) 417 1. Inhalt und Zweck 2. Personenschaden infolge Krankheitsübertragun418 gen 3. Sachschäden als Folge von Tierkrankhei423 ten 426 4. Verschulden und Beweislast
236
A. Vorbemerkung
Ziff. 7 AHB 2016
A. Vorbemerkung I. Auslegungsregeln Die allgemeinen Regeln zur Auslegung von AGB finden auch auf die Ausschlusstatbestände der 1 AHB Anwendung.1 Im Hinblick auf ihre den Versicherungsschutz einschränkende Wirkung sind sie vergleichbar mit Freizeichnungsklauseln (z.B. Haftungsbeschränkungen, Gewährleistungsausschlüsse), weshalb für die Auslegung und Transparenz ähnlich strenge Maßstäbe gelten. Die AHBAuschlussklauseln sind grundsätzlich „eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der Zweck der Ausschlussregelung ist dabei nur in den Grenzen der Wortwahl berücksichtigungsfähig“.2
Die restriktive Auslegung begründet die Rechtsprechung damit, dass der durchschnittliche VN nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen brauche, soweit ihm dies durch die Klausel nicht hinreichend verdeutlicht werde.3 Eine ausdehnende Auslegung der Ausschlüsse verbietet sich somit.4 Ausgangspunkt ist deshalb stets der Wortlaut der jeweiligen Klausel. Für die Ermittlung des 2 Zwecks einer Ausschlussklausel soll es nach der Rechtsprechung auf deren dem VN aus dem Klauselwortlaut nicht erschließbare Entstehungsgeschichte oder zugrunde liegende wirtschaftliche Erwägungen des VR nicht ankommen. Dies gelte selbst dann, wenn deren Berücksichtigung zu einem für den VN günstigeren Ergebnis führen könnte.5 Die Einbeziehung der Entstehungsgeschichte komme nur für die Auslegung von Gesetzen in Betracht.6 Dieser Ansatz ist zu restriktiv. Er hat nur seine Berechtigung im Verbands-, nicht hingegen im Individualprozess bei VN, die möglicherweise seit Jahrzehnten bei ein und demselben Haftpflichtversicherer versichert sind, Änderungen der AHB zugestimmt haben und insoweit die Vertragshistorie kennen. Solchen addressatengruppenspezifischen Besonderheiten hat der BGH in anderen Sparten bei der Auslegung Rechnung getragen.7 Soweit – nach Ausschöpfung der für AGB geltenden Auslegungsmethoden – mindestens zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind und keines davon den klaren Vorzug verdient, sollte ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte – soweit bekannt – zulässig sein, um dem für den VN günstigeren Ergebnis zur Anwendung zu verhelfen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze sind insbesondere auch 3 bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einem Ausschluss zu beachten. Hierfür kommt es nicht nur auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsbedingung an. Entscheidend ist vielmehr, ob der materielle Gehalt der einzelnen Klausel
1 Hierzu Bruck/Möller/Beckmann Einf. C Rn. 204 ff.; allgemein zur Auslegung Koch VersR 2015 133 ff. 2 BGH 20.7.2011 – IV ZR 75/09, RuS 2011 427, 428; st. Rspr., vgl. BGH 18.11.2020 – IV ZR 217/19, VersR 2021 113 Rn. 11; BGH 8.1.2020 – IV ZR 240/18, VersR 2020 283 Rn. 9; BGH 20.7.2016 – IV ZR 245/15, VersR 2016 1184 Rn. 22; jeweils m.w.N. 3 St. Rspr., vgl. BGH 8.1.2020 – IV ZR 240/18, RuS 2020 163 Rn. 10; BGH 10.4.2019 – IV ZR 59/18, VersR 2019 811 Rn. 21; BGH 6.3.2019 – IV ZR 72/18, NJW 2019 1286 Rn. 26; BGH 7.11.2018 – IV ZR 14/17, NJW 2019 855 Rn. 31; jeweils m.w.N. 4 A.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Vor § 7 Rn. 6 (ausdehnende Auslegung in engen Grenzen möglich). 5 BGH 27.6.2012 – IV ZR 212/10, RuS 2012 490, 491 = VersR 2012 1253; BGH 25.9.2002 – IV ZR 248/01, RuS 2003 16; BGH 17.5.2000 – IV ZR 113/99, RuS 2000 478, 479; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Vor § 7 Rn. 6; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 3. 6 BGH 27.6.2012 – IV ZR 212/10, RuS 2012 490, 491 f. = VersR 2012 1253. 7 BGH 10.11.2010 – IV ZR 188/08, VersR 2011 67 Rn. 20. 237
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
„eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der VR Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des VN fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ihn verliert. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung“.8
Wird hingegen ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens des VN wieder entzogen, liegt eine Obliegenheit vor.9 In diesem Fall steht ein bestimmtes Verhalten im Vordergrund, das nicht hinter objektiven Voraussetzungen, wie etwa den Versicherungsort oder den Zustand der versicherten Sache, zurücktritt.10 4 Als Ausschlusstatbestand hat die Rechtsprechung z.B. Ziff. 7.14 (2) AHB qualifiziert, der Haftpflichtansprüche aus Sachschäden ausschließt, welche durch Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen entstehen. Die sog. Erprobungsklausel in der Produkthaftpflichtversicherung (Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008/2015), derzufolge keine Deckung besteht für Ansprüche aus Sach- und Vermögensschäden durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach den anerkannten Regeln der Technik oder Wissenschaft oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt war, ist ebenfalls als Ausschluss angesehen worden.11 Die in der Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung übliche Pflichtwidrigkeitsklausel begründet einen subjektiven Risikoausschluss.12 Bei der Klausel in der Bauhandwerkerversicherung, wonach die Haftpflicht bei Schäden infolge vorschriftswidrigen Umgangs mit brennbaren oder explosiblen Stoffen nicht versichert ist, handelt es sich dagegen um eine (verhüllte) Obliegenheit.13
II. Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle 1. Einbeziehungskontrolle 5 Die AHB-Ausschlusstatbestände werden nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB sind. Überraschend ist eine Klausel, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten VN in einer Art und Weise abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.14 Es muss sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handeln, was nach den Gesamtumständen zu beurteilen ist. Als zweite Voraussetzung muss hinzukommen, dass der andere Teil mit der Klausel „nicht zu rechnen braucht“. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sie im Ver-
8 BGH 18.5.2011 – IV ZR 165/09, VersR 2011 1048 Rn. 29; st. Rspr. vgl. auch BGH 14.5.2014 – IV ZR 288/12, VersR 2014 869 Rn. 18; BGH 18.6.2008 – IV ZR 87/97, VersR 2008 1107 Rn. 9; BGH 16.11.2005 – IV ZR 120/04, VersR 2006 215 Rn. 21; BGH 14.5.2003 – IV ZR 140/02, NJW-RR 2003 1105, 1106 = VersR 2003 897, 898; BGH 24.5.2000 – IV ZR 186/99, NJW-RR 2000 1190. 9 BGH 16.6.2004 – IV ZR 201/03, NJW-RR 2004 1259, 1261; BGH 24.5.2000 – IV ZR 186/99, NJW-RR 2000 1190 = NVersZ 2000 443; BGH 14.12.1994 – IV ZR 3/94, VersR 1995 328, 329; OLG Dresden 14.10.2019 – 4 W 818/19 (juris); OLG Naumburg 28.3.2014 – 10 U 5/13, VersR 2015 102, 104. 10 BGH 16.6.2004 – IV ZR 201/03, NJW-RR 2004 1259, 1261. 11 BGH 9.1.1991 – IV ZR 264/89, VersR 1991 414, 416; Hans. OLG Bremen 30.6.1998 – 3 U 142/97, VersR 1999 1102, 1103; LG Aachen 26.4.1994 – 41 O 257/93, VersR 1995 286, 287. 12 KG 1.2.2005 – 6 U 43/04, RuS 2006 67, 68. 13 Vgl. BGH 9.5.1990 – IV ZR 289/88, RuS 1990 266, 267 = VersR 1990 887; BGH 24.10.1979 – IV ZR 182/77, NJW 1980 837, 838. Zur Wirksamkeit von verhüllten Obliegenheiten s. Koch FS Fenyves 541 ff. und VersR 2014 283 ff. 14 St.Rspr.: BGH 21.7.2011 – IV ZR 43/10, BeckRS 2011 21189; BGH 30.9.2009 – IV ZR 47/09, VersR 2009 1622, 1623. Koch
238
A. Vorbemerkung
Ziff. 7 AHB 2016
tragstext falsch eingeordnet und dadurch geradezu „versteckt“ wird.15 Im Hinblick darauf, dass die Ausschlussklauseln in Ziff. 7 AHB unter einer entsprechenden Überschrift zusammengefasst sind und jahr(zehnt)elanger Praxis entsprechen, sind sie weder objektiv ungewöhnlich, noch muss der VN nicht mit ihnen rechnen.16 Etwas anderes gilt dann, wenn sich die Parteien vor Vertragsschluss über die Abbedingung von Ausschlüssen verständigt hatten (soweit man hier nicht die Vorrangregel des § 305b BGB eingreifen lässt) oder der VR die standardmäßigen Ausschlüsse ergänzt.17 Insoweit ist der Hinweis geboten, dass sich Ungewöhnlichkeit und Überraschungsmoment einer Klausel auch aus den individuellen Umständen bei der Vertragsanbahnung (Gang und Inhalt der Verhandlungen) ergeben können.18 Soweit Vermögensschäden mitversichert sind, können Klauseln, die solche Schäden vom Versicherungsschutz in den typischen Haftpflichtfällen des VN ausschließen, als überraschend zu qualifizieren sein.19 Verneint hat die Rechtsprechung den überraschenden Charakter von Ziff. 7.6 AHB20 und Ziff. 7.7 AHB.21 Auch die Ausschlussklausel betreffend die Deckung von Haftpflichtansprüchen aus Schadensfällen von Angehörigen des VN, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, ist nicht überraschend (Ziff. 7.5 (1) AHB).22 Gleiches gilt für den Umwelthaftpflicht-Ausschluss (Ziff. 7.10 (a) AHB).23 Verneint hat das OLG Hamm den überraschenden Charakter des Ausschlusses von Ansprüchen bei wohnsitzlosen Schädigern in der Forderungsausfallversicherung, die als Ergänzungsdeckung zur Privathaftpflichtversicherung angeboten wird.24 Das LG Dortmund hat einen Ausschluss als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB angesehen, weil die Regelung im Angebot des VR zum Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung lediglich mit einem für den VN positiven Inhalt dargestellt wurde.25 In jenem Fall hatte die VN den Abschluss einer Versicherung für ihren Kosmetiksalon unter Bezug auf ein Angebot des VR, in welchem als Risiko u.a. die Elektroepilation genannt wird, beantragt. In dem Angebot wurde der Versicherungsschutz wie folgt dargestellt: „Außerdem gilt Klausel 70 (Friseurbetriebe und Kosmetiksalons): Mitversichert sind Ansprüche wegen Beschädigung oder Verschmutzung der Kleidung der Kunden sowie wegen sonstiger Tätigkeitsschäden bis 50.000 Euro. Eine Selbstbeteiligung für derartige Schäden gilt ausdrücklich als nicht vereinbart.“ Unerwähnt blieb in dem Angebot, dass für kosmetische Eingriffe sowie alle medizinischen Eingriffe und Behandlungen wie Hautpigmentierungen (z.B. Permanent-Make-up, Tattoos, Piercing) und alle mittels ärztlicher Instrumente (auch Lasern) zur Schönheitskorrektur durchzuführenden Maßnahmen (z.B. Liftingverfahren, Faltenunterspritzungen) kein Versicherungsschutz bestand. Der Ausschluss von Schäden durch Erdrutschungen nach Ziff. 7.14 (2) AHB soll auch bei Versicherung eines Baggerbetriebes nicht als überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB zu qualifizie15 Vgl. BGH 20.6.2012 – IV ZR 39/11, RuS 2012 454, 455 = NJW 2012 3184; BGH 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010 3152, 3153; BGH 23.2.2005 – IV ZR 273/03, BGHZ 162 210, 213 f. = RuS 2005 257; BGH 10.3.1993 – VIII ZR 85/92, NJW 1993 2052 f.; BGH 11.2.1992 – XI ZR 151/91, NJW 1992 1097, 1098; OLG Köln 12.5.2009 – 20 U 31/09, RuS 2010 525; OLG München 8.8.2008 – 25 U 5188/07, VersR 2009 59, 60 = NJW-RR 2008 1560, 1561; OLG Hamm 19.10.2007 – 20 U 215/06, RuS 2008 124 (zu AUB). 16 Vgl. OLG Frankfurt/M. 7.4.1999 – 7 U 136/98, NVersZ 2000 242, 243. 17 Vgl. LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, NJW-RR 2009 1544, 1546. 18 OLG Düsseldorf 21.8.2001 – 4 U 190/00, RuS 2003 195, 196 – die Revision hat der BGH mit Beschl. v. 19.6.02 – IV ZR 228/01 – nicht angenommen; LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, NJW-RR 2009 1544, 1546. 19 Vgl. OLG Saarbrücken 29.11.1995 – 5 U 300/95, NJW-RR 1996 477, 478; LG München 29.6.1988 – 14 S 1876/88, RuS 1988 254. 20 LG Darmstadt 12.3.1987 – 13 O 95/86, RuS 1987 188 zu § 4 I Ziff. 6 lit. a) AHB a.F. 21 AG Aachen 6.6.1995 – 7 C 238/94, VersR 1996 1228 zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. 22 Vgl. OLG Frankfurt/M. 7.4.1999 – 7 U 136/98, NVersZ 2000 242, 243; OLG Hamm 1.3.1995 – 20 U 313/94, RuS 1995 210, 211. 23 OLG München 27.5.1998 – 15 U 5947/97, RuS 1999 146, 147. 24 OLG Hamm 26.1.2005 – 20 U 170/04, RuS 2005 154, 155. 25 LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, NJW-RR 2009 1544, 1546. 239
Koch
6
7
8
9
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
ren sein.26 Ebenfalls nicht überraschend ist Ziff. 7.18 AHB, nach der für Sachschäden keine Deckung besteht, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind, es sei denn, dass der VN weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.27 Ein in den Bedingungen einer Hundehalterhaftpflichtversicherung enthaltener Pflichtwidrigkeitsausschluss mit dem Wortlaut „Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem VN oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des VN verursacht hat“ ist nicht ungewöhnlich.28 Klauseln in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, die mittelbar Ausschlusswirkung durch Gleichstellung von Scheinsozien mit Sozien zur Folge haben, jedoch nicht unter den Ausschlussbestimmungen enthalten sind, sind dagegen überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB.29 Auch die sog. „große Benzinklausel“ der Betriebshaftpflichtversicherung, die zulassungs10 und versicherungspflichtige Kfz – auch Gabelstapler, die eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h erreichen können und auch auf öffentlichen Straßen benutzt werden – von der Deckung ausschließt (vgl. Ziff. 7.5.1 BBR BHV), ist nicht überraschend.30 Die in der Betriebshaftpflichtversicherung bei der Mitversicherung von Abbruch- und Einreißarbeiten übliche Radiusklausel (Ausschluss von Sachschäden aus Abbruch- und Einreißarbeiten in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht) ist ebenfalls keine überraschende Klausel, da sie im Baugewerbe nicht unüblich ist.31 Der Ausschluss für Schäden, die als Folge eines im Inland oder Ausland begangenen Verstoßes im Ausland eingetreten sind, ist nicht überraschend.32
2. Inhaltskontrolle 11 Risikoausschlüsse unterliegen – auch soweit es an gesetzlichen Regelungen fehlt, von denen abgewichen wird – grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.33
12 a) § 307 Abs. 2 BGB. Da es abgesehen von § 103 VVG in der Haftpflichtversicherung keine gesetzlichen Regelungen zu Risikoausschlüssen gibt, ist § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nur bei Abweichungen von dieser Norm von Bedeutung. In allen anderen Fällen ist Prüfungsmaßstab im Rahmen der Inhaltskontrolle vornehmlich § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB sowie das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB niedergelegte Transparenzgebot. Eine Vertragszweckgefährdung liegt allerdings erst dann vor, „wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht“.34 Die Rechtsprechung hat Ausschlüssen nur selten eine den Vertragszweck gefährdende Wirkung zugesprochen. So hat der BGH den Deckungsausschluss für mittelbare Schäden in § 4 Ziff. 3 der Vertrauensschadenversicherung für Notarkam26 OLG Saarbrücken 8.9.2004 – 5 U 21/04, BeckRS 2004 12280; AG München 11.12.2003 – 223 C 5047/03, VersR 2005 394 zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F.
27 OLG Oldenburg 8.3.2000 – 2 U 2/00, RuS 2000 320, 321 zu § 4 II Ziff. 4 AHB a.F. 28 OLG Fraunkfurt/M. 15.7.2020 – 7 U 47/19, RuS 2020 634, 635. 29 Vgl. OLG München 26.8.2009 – 25 U 3207/09, BeckRS 2011 07960; OLG München 8.8.2008 – 25 U 5188/07, VersR 2009 59, 60 = NJW-RR 2008 1560, 1561. OLG Köln 9.3.1999 – 9 U 82/98, RuS 1999 272, 273. LG Hannover 25.2.1999 – 19 O 276/98, RuS 2000 149, 150. LG Köln 8.1.1992 – 24 O 303/91, RuS 1993 51, 52. St.Rspr., vgl. nur BGH 20.7.2011 – IV ZR 75/09, RuS 2011 427, 428; BGH 26.9.2007 – IV ZR 252/06, RuS 2008 25, 26 = VersR 2007 1690, 1691; BGH 22.12.2000 – IV ZR 235/99, NJW 2001 1132, 1133. 34 BGH 21.7.2011 – IV ZR 43/10, BeckRS 2011 21189 Rn. 26; BGH 11.2.2009 – IV ZR 28/08, RuS 2009 248 = VersR 2009 533 Rn. 19.
30 31 32 33
Koch
240
A. Vorbemerkung
Ziff. 7 AHB 2016
mern als den Vertragszweck gefährdend i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB qualifiziert.35 Eine Vertragszweckgefährdung durch das Claims-made-Prinzip in der D&O-Versicherung hat das OLG München verneint.36 Nach Ansicht des OLG Koblenz wird durch die Bearbeitungsklausel (§ 4 I Ziff. 6b AHB a.F.) 13 das sich aus der Natur des Versicherungsvertrages ergebende wesentliche Recht des VN auf Gewährung von Versicherungsschutz für seine Tätigkeit als Lohnunternehmer nicht so stark eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gefährdet wäre.37 Dagegen meint das OLG Saarbrücken, dass von einer Vertragszweckgefährdung ausgegangen werden muss, wenn die Klausel den vom VR versprochenen Schutz vor der Haftung des Frachtführers aus Frachtverträgen durch die Reichweite ihres Risikoausschlusses aushöhlte und – ohne dass dies dem VN erkennbar gewesen wäre – nur noch ein Risiko deckte, das in der Mehrzahl der denkbaren Versicherungsfälle von wirtschaftlich nicht nennenswerter Bedeutung sei (Frachtführerhaftpflichtversicherung).38 Der Ausschluss von Auslandsschäden stellt keine Vertragszweckgefährdung dar.39
b) § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gerecht 14 zu werden, muss dem VN zudem „klar und deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang sein Versicherungsschutz trotz der Klausel noch besteht“.40 Diesen Anforderungen wird die sog. „kleine Benzinklausel“ der Privathaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 3.1 BBR PHV) gerecht.41 Zudem darf sich hinter dem Ausschluss nicht eine (verhüllte) Obliegenheit verbergen.42 III. Kausalität/Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten Für alle Ausschlusstatbestände gilt, dass sie nur bei adäquater Kausalität eingreifen. Ferner 15 gilt für alle Ausschlusstatbestände im Grundsatz, dass sie immer schon dann zum Tragen kommen, wenn nur eine Ursache, die von einer Ausschlussklausel erfasst wird, den Schaden herbeigeführt hat, unabhängig davon, ob auch andere Ursachen mitgewirkt haben (Grundsatz der Gesamtkausalität).43 Führt beispielsweise das vom VN vorgenommene Ablassen von Kühlwasser aus dem von ihm reparierten Boot zusammen mit der von dem VN nicht zu vertretenden Undichtigkeit des Schiffskörpers zum Sinken des Schiffes, genießt der VN im Ganzen für diesen Schaden keinen Versicherungsschutz, da ohne sein Tun das Boot überhaupt nicht gesunken wäre.44 Das Charakteristikum dieser Art von Schadensfällen liegt also darin, dass es ohne die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Ursache überhaupt nicht zum Schadensfalle gekommen wäre. Abzugrenzen von der so verstandenen Gesamtkausalität sind die Fälle, in denen eine gerin- 16 ge Mitwirkung einer ausgeschlossenen Ursache zwar gegeben ist, der Schaden aber überwie-
35 36 37 38 39 40
BGH 20.7.2011 – IV ZR 75/09, RuS 2011 427 Rn. 30 ff. OLG München 8.5.2009 – 25 U 5136/08, RuS 2009 327, 329. OLG Koblenz 16.5.2008 – 10 U 446/07, RuS 2009 236, 237 – sehr zweifelhaft. OLG Saarbrücken 13.7.2005 – 5 U 689/04, BeckRS 2005 13001. LG Köln 8.1.1992 – 24 O 303/91, RuS 1993 51, 52. OLG Nürnberg 20.12.2001 – 8 U 2497/01, RuS 2002 499 (zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F.); vgl. auch Rspr. außerhalb der Haftpflichtversicherung BGH 22.12.2000 – IV ZR 235/99, NJW 2001 1132, 1133; BGH NJW 1999 2279, 2280; OLG Saarbrücken 21.3.2001 – 5 U 691/00-59, NVersZ 2001 506, 507; KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 231. 41 LG München I 20.12.2012 – 12 O 12009/12, RuS 2013 225, 226 f. 42 Zur Wirksamkeit von verhüllten Obliegenheiten s. Koch FS Fenyves 541 ff. und VersR 2014 283 ff. 43 Vgl. BGH 9.5.1990 – IV ZR 61/89, RuS 1990 265, 266; BGH 12.5.1966 – II ZR 121/64, VersR 1966 722, 723; BGH 20.9.1962 – II ZR 171/61, NJW 1962 2106, 2107 zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. 44 LG Kiel 9.10.1964 – 6 O 201/63, VersR 1965 506, 507 zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. 241
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
gend auf gedeckte Schadensereignisse zurückzuführen ist. Beispielhaft sei auf das Urteil des BGH vom 17.2.196645 verwiesen. Dort war streitig, ob das Einstürzen einer Außenmauer und der darauf zurückzuführende Personenschaden allein auf den vom VN zu vertretenden zu hohen Druck der Erdmassen zurückzuführen oder dieser hohe Druck zusammen mit dem Gewicht der Planierraupe des VN ursächlich war. Der BGH bejahte den Versicherungsschutz – bei Unterstellung einer Mitwirkungsursache durch die Planierraupe – unter anderem mit folgender Begründung: „Risikobegrenzungen und Ausschlussklauseln haben in der Schadensversicherung im allgemeinen den Sinn, bestimmte Tatbestände, die erfahrungsgemäß eine besondere Gefahrenquelle bilden, wegen der außergewöhnlichen Häufigkeit oder Schwere der durch sie ausgelösten Schäden aus der auf eine Normallage abgestellten Versicherung herauszunehmen. Dieser Zweckbestimmung entspricht es nicht, Haftpflichtfälle, die ihren Ursprung in einem Betriebsgeschehen haben und deshalb nach natürlicher Anschauung unter das allgemeine betriebliche Risiko fallen, ungedeckt zu lassen, nur weil zu der im Betrieb begründeten Ursache als ein auf der Grundlage dieser Ursache mitwirkender Umstand noch der Einsatz eines Kraftfahrzeuges getreten ist“.46 [Hervorhebung durch den Verfasser]
17 Insbesondere bei solchen Grenzfällen gilt es somit, den (erkennbaren) Sinn und Zweck der jeweiligen Ausschlussklausel zu beachten. Es muss unter Schutzzweckgesichtspunkten ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden und dem Ausschluss bestehen, wie das die Rechtsprechung des Haftungssenats des BGH für Begrenzung der Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm annimmt.47 Nur Schäden, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, deren Abwendung der Aussschluss dient, sind somit ausgeschlossen. Der Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten rechtfertigt zum Beispiel, beim Ausschluss von Vorsatzschäden auf das Vorstellungsbild des Täters und seine Billigung der künftig eintretenden Ereignisse abzustellen. Zum Vorstellungsbild des VN im Falle einer vorsätzlichen Tat im Einzelnen s. die Ausführungen zu Ziff. 7.1 AHB (Rn. 48 ff.), zum Einwand der hypothetischen Kausalität s. Rn. 108. 18 Abzugrenzen von der Gesamtkausalität sind des Weiteren solche Fälle, in denen die ausgeschlossene Ursache nur einen Teil eines Gesamtschadens verursacht hat. Hier besteht nur bezüglich dieses Teils kein Versicherungsschutz. Beispielhaft sei auf das Urteil des BGH vom 12.5.1966 verwiesen48: Der VN hatte fehlerhaften Mörtel geliefert, der als zweite Lage auf den Mauern und Wänden eines Gebäudes Verwendung fand. Durch die Mangelhaftigkeit des Mörtels entstanden auf der dritten Lage Bläschen und Löcher (sog. Kalkspatzen). Ursache dafür war Feuchtigkeit, die beim Abbinden der zweiten Lage dadurch entstand, dass in dem Mörtel versehentlich nicht ausreichend abgelöschte Kalkteilchen enthalten waren. Diese Kalkspatzen waren teils sofort, teils erst durch allmähliche Einwirkung der Feuchtigkeit entstanden. Das Berufungsgericht wollte – unter Hinweis auf die dem VR obliegende Beweislast für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes – vollen Umfangs Deckung gewähren, weil es nicht feststellen könne, welcher Teil des Schadens auf das versicherte Ereignis und welcher Teil auf die ausgeschlossene Ursachenreihe zurückzuführen sei. Der BGH wies demgegenüber auf die naheliegende Möglichkeit hin, in einem derartigen Falle den nicht unter den Versicherungsschutz des Vertrages fallenden Anteil des Schadens nach § 287 ZPO abzuschätzen.
45 BGH 17.2.1966 – II ZR 103/63, NJW 1966 929, 930. 46 BGH 17.2.1966 – II ZR 103/63, NJW 1966 929, 930. 47 Vgl. BGH 24.5.2022 – VI ZR 206/21, BeckRS 2022 16857 Rn. 29; BGH 22.9.2016 – VII ZR 14/16, BGHZ 211 375 Rn. 14; BGH 22.5.2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012 2024 Rn. 14, jeweils m.w.N.
48 BGH 12.5.1966 – II ZR 121/64, VersR 1966 722, 723. Koch
242
A. Vorbemerkung
Ziff. 7 AHB 2016
IV. Beweislast Anders als die Geltendmachung von (teilweiser) Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverlet- 19 zungen, sind Risikoausschlüsse (selbst in der Revisionsinstanz noch) von Amts wegen zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn der VR in den Tatsacheninstanzen nicht auf diese Bestimmung abgehoben hat.49 Die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands hat der VR darzulegen und zu beweisen.50 Darüber hinaus trifft den VR die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Ausschluss unter Schutzzweckgesichtspunkten vorliegen.51 Zugunsten des VR können dabei die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zum Tragen kommen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des Ausschlusses sich außerhalb des eigenen Wahrnehmungsbereichs des VR in der Sphäre des VN ereignet haben, wobei hinsichtlich des Vorsatzausschlusses zu verlangen ist, dass der VR Anknüpfungstatsachen vorträgt, die als schlüssige Indizien für eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens betrachtet werden können (Rn. 112 ff.).52 Bei einem auf mehrere Ursachen zurückzuführenden Schaden ist der von der Ausschlussklausel erfasste Teil unter Umständen vom Gericht nach § 287 ZPO abzuschätzen.53
V. Abänderungen der Ausschlussbestimmungen 1. Grundsätzliches Ausschlüsse sind abdingbar. Dies stellt der Eingangssatz von Ziff. 7 AHB ausdrücklich klar. 20 Dort heißt es: „[F]alls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: […]“.
Der VR darf allerdings mit der Gewährung von Versicherungsschutz nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen.54 So darf der VR einem VN grundsätzlich nicht Deckung für von diesem vorsätzlich herbeigeführte Schäden versprechen.55 Keine Bedenken bestehen dagegen, dem VN Versicherungsschutz für seine eigene Inanspruchnahme aus vorsätzlicher Schadenszufügung durch eine Hilfsperson zu gewähren.56
2. Form Umstritten ist, ob die Änderungen der Schriftform bedürfen. Wussow57 und Kuwert58 qualifizie- 21 ren den Eingangssatz als Schriftformklausel, sodass mündliche Änderungen nach §§ 124, 127
49 BGH 12.6.1985 – IVa ZR 17/84, VersR 1985 1029, 1030; OLG Köln 25.5.1992 – 5 U 186/91, RuS 1992 343, 344. 50 Vgl. nur BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189; BGH 21.2.1957 – II ZR 175/55, BGHZ 23 355, 359 = NJW 1957 907; OLG Jena 25.1.2006 – 4 U 639/05, RuS 2006 107, 108. Vgl. BGH 24.5.2022 – VI ZR 206/21, BeckRS 2022 16857 Rn. 21. Vgl. BGH 17.12.2014 – VI ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 29. BGH 12.5.1966 – II ZR 121/64, VersR 1966 722, 723. Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Vor § 7 Rn. 7. Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 11, 110. Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 110; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Vor § 7 Rn. 7. Wussow § 4 Anm. 19 (zu § 4 AHB a.F.). Kuwert Rn. 4002 (zu § 4 AHB a.F.).
51 52 53 54 55 56 57 58
243
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
BGB unwirksam seien.59 Dieser Ansicht hat sich das OLG Koblenz ohne nähere Begründung angeschlossen.60 R. Johannsen hat sich hingegen gegen die Herleitung eines Schriftformerfordernisses ausgesprochen. Es sei schon zweifelhaft, ob durch den Eingangssatz überhaupt i.S.d. § 127 BGB Schriftform vereinbart werden solle. Für eine solche einschneidende Bestimmung hätte eine ausdrückliche Vereinbarung näher gelegen.61 Diese Ansicht ist zumindest vertretbar, sodass ihr nach der Unklarheitenregel i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB der Vorzug gebührt. 22 Zu keinem anderen Ergebnis gelangte man, wenn man sich der gegenteiligen Ansicht anschlösse und den Eingangssatz als Schriftformklausel qualifizierte. Als solche kollidierte sie mit dem Vorrang der Indidividualabrede (§ 305b BGB), weil sie sich auch auf individuelle Abreden erstreckt, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages getroffen werden.62 Abweichungen von AHB können somit in jeder Form getroffen werden, also auch mündlich. Dass es generell nicht empfehlenswert ist, auf mündliche Zusagen zu bauen, ist hier nicht weiter zu erörtern. Es mag aber besondere Situationen geben, in denen ein VR Wert darauf legt, von bestimmten Bedingungsbestimmungen nicht schriftlich abzuweichen.
3. Voraussetzungen der Abänderung 23 Soweit es im Eingangssatz von Ziff. 7 AHB heißt „ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist“, darf diese Formulierung nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass „stillschweigenden“ Abänderungen keine Wirksamkeit zukomme. Es muss vielmehr wie auch sonst bei der Vertragsauslegung der übereinstimmende Wille der Parteien ermittelt werden. Eine ausdrückliche Bestimmung liegt nach Ansicht des BGH nicht nur dann vor, „wenn die Ausschlußklausel unter Nennung der gemeinten Vorschrift ganz oder teilweise wegbedungen wird. Sie kann auch positiv in Form eines ausdrücklichen Einschlusses getroffen werden, der seinem Inhalt nach das Gegenteil eines in den AHB enthaltenen Ausschlusses besagt und diesen dadurch, soweit das zusätzlich übernommene Wagnis reicht, außer Kraft setzt“.63
In der Praxis findet sich im Versicherungsschein oder in Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen – zumeist im Zusammenhang mit Deckungserweiterungen – der ausdrückliche Hinweis, dass bestimmte Ausschlüsse abbedungen oder abgeändert werden. Allein der Umstand, dass die Geltung bestimmter Ausschlussbestimmungen den Anwendungsbereich einer speziellen Betriebshaftpflichtversicherung entscheidend einzuschränken vermag, lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Parteien stillschweigend diese Gefahrumstandsausschlussklausel abbedungen haben. Die Annahme eines dahingehenden Willens des VR ist eher fernliegend.64 24 So beinhaltet nach Ansicht der Rechtsprechung die Mitversicherung betriebsüblicher Risiken, insbesondere als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten in der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV) keine Abbedingung von Ziff. 7.6 AHB.65 Zur Begründung wird angeführt, dass die Mitversicherungs59 60 61 62 63
Offenlassend Littbarski AHB § 4 Rn. 10; Späte Vor § 4 Rn. 6. OLG Koblenz 2.1.2004 – 10 W 587/03, RuS 2004 191, 192 zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 151. Vgl. BGH 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006 138; BGH 9.7.1991 – XI ZR 72/90, NJW 1991 2559. BGH 16.10.1968 – IV ZR 519/68, VersR 1968 1129, 1130 zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F.; vgl. auch Hans. OLG Hamburg 18.10.2018 – 9 U 80/18, RuS 2019 256, 257; OLG Düsseldorf 2.12.1986 – 4 U 58/86, NJW-RR 1987 727 zu § 4 I Ziff. 6 lit. a) AHB a.F.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Vor § 7 Rn. 10; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 1. 64 Vgl. Späte vor § 4 Rn. 8; Kuwert § 4 Rn. 4003. 65 BGH 9.6.2004 – IV ZR 228/03, RuS 2004 371, 372; so auch OLG Düsseldorf 2.12.1986 – 4 U 58/86, NJW-RR 1987 727 = VersR 1988 393; LG Frankfurt/M. 22.9.1988 – 2/7 O 488/87, zfs 1989 98; vgl. auch Schlegelmilch VersR 1993 176. Koch
244
A. Vorbemerkung
Ziff. 7 AHB 2016
klausel eine (primäre) Risikobeschreibung darstelle, mit der lediglich die versicherte Gefahr nach Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten des VN beschrieben und gegenüber anderen Schädigungen abgegrenzt werde, die nicht von der Definition abgedeckt würden. Diese Beschreibung besage für sich allein noch nichts darüber, unter welchen weiteren Voraussetzungen der VR dafür Versicherungsschutz gewähren wolle. Aus dem Hinweis in der Betriebshaftpflichtversicherung, dass die gesetzliche Haftpflicht „auf Grundlage der AHB“ versichert werde, und der Formulierung, dass die betrieb(süb)lichen Risiken „im Rahmen dieses Vertrages“ versichert seien (vgl. Ziff. 7.1.1 BBR BHV), gehe für den VN hervor, dass auch der nach § 4 I Ziff. 6 lit. a) AHB geltende Haftungsausschluss weiterhin Geltung habe.66 Blickt man auf die Rechtsprechung, so ist vom BGH67 nicht beanstandet worden, dass das 25 OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 15.1.196068 allein daraus, dass die Haftpflicht aus dem Betrieb eines Wehrs versichert war, nicht geschlossen hat, dass Haftpflichtansprüche aus Überschwemmungsschäden abweichend von § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. gedeckt seien. Das Hans. OLG Hamburg verlangt für die Betriebshaftpflichtversicherung eines Bewachungsunternehmens eine ausdrückliche Bestimmung im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen, um die in § 4 Abs. 1 Nr. 5 AHB a.F. geregelten Ausschlüsse außer Kraft zu setzen.69 Auch aus dem Einschluss der Haftpflichtgefahr aus der Betätigung einer Hebebühne einer Tankstelle kann nicht zwingend geschlossen werden, dass § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. bezüglich der Beschädigung der von dieser Hebebühne hochzuhebenden Kraftfahrzeuge abbedungen sei, wenngleich diese Auslegung naheliegt.70 Ein gutes Gegenbeispiel diesbezüglich bildet der vom BGH in seinem Urteil vom 16.10.196871 26 behandelte Fall, in dem das Berufungsgericht aus dem Gesamttext des umfangreichen und schwer zu verstehenden Vertrages geschlossen hatte, dass für alle Haftpflichtansprüche aus der Prüf- und Forschungstätigkeit des VN „stillschweigend“ § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. abbedungen worden sei. Richtungsgebend ist auch das Urteil des OLG München vom 28.5.199372: Dort umschrieb der 27 Versicherungsvertrag unter der Überschrift „Umfang des Versicherungsschutzes – Betriebsbeschreibung“ das Tätigkeitsgebiet des VN mit den Betriebsarten Möbelspedition und Lagerung ohne direkten Umschlag von und zum Schiff. Im Fortgang wurde als versichertes Risiko die gesetzliche und vertragliche Haftpflicht des VN als Betriebsunternehmer aus seinen sich aus der Betriebsbeschreibung ergebenden Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten bezeichnet. Eine solche Beschreibung, so das OLG München, „läßt für einen verständigen und vernünftigen VN nur den Schluß zu, daß er für die Risiken, die er durch seine betriebliche Tätigkeit eingeht, nämlich Möbelspedition und Lagerung, versichert ist. Jede andere Auslegung würde die Anforderungen überziehen, die an das Verständnis eines durchschnittlichen VN zu stellen sind. Unter diesem Blickwinkel ist die Formulierung ‚besonderer Verwahrungsvertrag‘ dahingehend zu verstehen, daß nur Gegenstände, die der VN nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsunternehmer, sondern – … – außerhalb des Rahmens seiner sonstigen betrieblichen Tätigkeit in die versicherten Räume aufgenommen hat, vom Versicherungsschutz nicht erfaßt werden“.73
66 BGH 9.6.2004 – IV ZR 228/03, RuS 2004 371, 372; vgl. auch BGH 25.10.1962 – II ZR 35/60, VersR 1963 32, 33; OLG Düsseldorf 2.12.1986 – 4 U 58/86, NJW-RR 1987 727 = VersR 1988 393; Schlegelmilch VersR 1993 176; Littbarski AHB § 4 Rn. 208; Späte § 4 Rn. 113; a.A. OLG Karlsruhe 21.11.1991 – 12 U 102/91, RuS 1993 96, 97 = VersR 1992 1215, 1216. 67 BGH 25.10.1962 – II ZR 35/60, VersR 1963 32, 33. 68 OLG Hamm 15.1.1960 – 7 U 150/59, VersR 1960 697, 698. 69 Hans. OLG Hamburg 18.10.2018 – 9 U 80/18, RuS 2019 256, 257. 70 OLG Düsseldorf 1.2.1966 – 4 U 287/65, VersR 1967 1189, 1190. 71 BGH 16.10.1968 – IV ZR 519/68, VersR 1968 1129, 1131. 72 OLG München 28.5.1993 – 23 U 1780/93, VersR 1993 1517. 73 OLG München 28.5.1993 – 23 U 1780/93, VersR 1993 1517, 1518. 245
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
28 In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass der VN daraus, dass er sich über den Umfang des Versicherungsschutzes irrt, möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen den VR (§ 6 Abs. 5 VVG)74 oder den Vermittler (§ 63 VVG) geltend machen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der VR einen für ihn erkennbaren Irrtum des VN nicht korrigiert.75 Schutz wird des Weiteren geboten durch § 305c Abs. 1 BGB, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.76
VI. Konkludentes Anerkenntnis des Versicherers im Schadensfall 29 Nicht selten wird in Deckungsprozessen eingewandt, dass der VR auf die Anwendung bestimmter, an sich vertraglich vereinbarter Ausschlussbestimmungen für den konkreten Schadensfall konkludent verzichtet habe. Dabei geht es um die Abgabe eines deklaratorischen Anerkenntnisses, durch das der VR in Kenntnis dessen, dass er sich auf eine bestimmte Ausschlussbestimmung berufen könnte, erklärt, er wolle dessen ungeachtet Deckung gewähren. Rechtskonstruktiv bestehen gegen ein solches bestätigendes Anerkenntnis keine Bedenken.77 Ein derartiger Verzicht setzt aber voraus, dass der VR überhaupt von den Tatsachen, die den Ausschlusstatbestand erfüllen, Kenntnis hat. Wenn dem VR also gewisse Tatsachen nicht bekannt sind, so kann er sich auf diese auch noch nach Abgabe eines Anerkenntnisses berufen.78 Im Übrigen erfordert das deklaratorische Schuldanerkenntnis den Abschluss eines Vertrages.79
1. Prüfung der Haftpflichtigkeit des VN 30 Ein Verzicht des VR auf Ausschlüsse ist nicht zu vermuten. Vielmehr ist im Gegenteil davon auszugehen, dass der VR auf seine vertraglichen Rechte nicht verzichten wollte. Allein daraus, dass der VR die Bearbeitung eines Schadensfalles übernimmt und die Ansprüche der Gegenseite als unbegründet zurückweist, darf deshalb nicht auf einen derartigen Verzicht geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn sich diese Vorgänge über einen längeren Zeitraum hinziehen. Es ist zwar als ergänzende Vertragspflicht des VR anzusehen, dass er dem VN sofort „reinen Wein“ einschenkt, indem er den Versicherungsschutz versagt. Zu bedenken ist aber, dass die Rechts- und Sachlage häufig zunächst recht unübersichtlich ist und dass sich demgemäß auch die Frage der Deckung nicht immer sicher beurteilen lässt. 31 Lässt sich der VR auf ein Sachverständigenverfahren ein und behauptet er seine Leistungsfreiheit unter Hinweis auf Obliegenheitsverletzungen, so liegt hierin noch kein Verzicht auf den Einwand eines Risikoausschlusses. Diesen kann er noch in der letzten mündlichen Verhandlung erheben. Ebenso liegt in einer bestimmten Begründung einer Ablehnung noch kein Verzicht auf
74 Zurückhaltend Langheid/Wandt/Armbrüster § 6 Rn. 189 f.: VR muss VN nur dann über die Risikoausschlüsse beraten, wenn sie kompliziert und für den VN in ihrer Tragweite nicht verständlich sind.
75 Vgl. BGH 20.6.1963 – II ZR 199/61, NJW 1963 1978, 1980; OLG München 3.7.1995 – 26 U 6753/94, NJWE-VHR 1996 28, 29; OLG Frankfurt/M. 4.12.1986 – 2/15 O 231/86, VersR 1987 579.
76 Vgl. OLG Düsseldorf 21.8.2001 – 4 U 190/00, RuS 2003 195, 196; OLG Saarbrücken 29.11.1995 – 5 U 300/95, NJWRR 1996 477, 478; LG München 29.6.1988 – 14 S 1876/88, RuS 1988 254. 77 Vgl. BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, VersR 2009 106, 107; BGH 27.10.1966 – II ZR 209/64, VersR 1966 1174; BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317; OLG Düsseldorf 6.2.1979 – 4 U 102/78, VersR 1980 33; Hans. OLG Hamburg 25.10.1973 – 3 U 60/73, VersR 1974 463, 464; OLG Köln 10.11.1964 – 9 U 23/64, VersR 1965 54; LG Köln 27.2.1985 – 24 O 223/84, RuS 1985 164, 165; verfehlt insoweit LG Nürnberg-Fürth 25.2.1959 – 8 O 109/58, VersR 1960 241, 243. 78 OLG Köln 4.2.1965 – 12 U 84/64, VersR 1965 751, 752 – für ein ausdrückliches Anerkenntnis; vgl. auch OLG Jena 12.3.2012 – U 470/11 (zitiert nach juris). 79 Vgl. nur OLG Hamm 9.4.2013 – 24 U 112/12, BeckRS 2013 10194. Koch
246
A. Vorbemerkung
Ziff. 7 AHB 2016
andere als die genannten Einwendungen gegenüber dem Anspruch des VN, und zwar auch dann nicht, wenn ihre Voraussetzungen dem VR bekannt waren.80
2. Befriedigung des Haftpflichtanspruchs Grundsätzlich wird man einen „Verzicht“ des VR auf die Anwendung von Ausschlussbestim- 32 mungen anzunehmen haben, wenn er den Schaden abschließend in der Weise reguliert, dass er den Anspruch des Dritten befriedigt. Hier ist ein Bereicherungsanspruch des VR, der sich gegen den VN richtet (Ziff. 5 AHB Rn. 112), regelmäßig nur dann zuzulassen, wenn neue Umstände tatsächlicher Art nach Abschluss der Regulierung aufgetreten sind. Gleiches gilt, wenn der VR eine Regulierungszusage gegenüber dem Geschädigten macht. Diese ist nach Ansicht des BGH nämlich dahingehend zu verstehen, dass der VR seinem VN gegenüber deckungspflichtig sei und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkenne.81 Die Regulierungszusage stellt nicht nur ein Angebot des VR (im eigenen Namen) auf Abschluss eines Schuldanerkenntnisvertrages mit dem VN über die Deckung, sondern zugleich auch ein an den Geschädigten gerichtetes Angebot (im Namen des VN) auf Abschluss eines Schuldanerkenntnisvertrages über die Haftung dar.82 Erklärt sich der Geschädigte mit dem angebotenen Betrag oder der bereits geleisteten Zahlung nicht einverstanden, kommt ein Schuldanerkenntnisvertrag zwischen VN und Geschädigtem über die Haftung des VN nicht zustande.83 Ob eine vom VN erklärte Annahme des Angebots des VR in diesem Fall Wirksamkeit erlangt, hängt davon ab, ob der VN sie vom Zustandekommen des Schuldanerkenntnisvertrages mit dem Geschädigten über die Haftung abhängig gemacht hat (§ 158 BGB).
3. Gewährung von Rechtsschutz im Haftpflichtprozess Die Gewährung von Rechtsschutz im Haftpflichtprozess stellt kein deklaratorisches Aner- 33 kenntnis für den nachfolgenden Deckungsprozess dar. Dies folgt daraus, dass der Rechtsschutzanspruch in der Haftpflichtversicherung entsteht und fällig wird mit der Erhebung von Ansprüchen durch den Dritten, die in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallen. Dabei kommt es grundsätzlich auf den Sachverhalt an, den der Dritte behauptet (Ziff. 5 AHB Rn. 14 f.). Behauptet der Dritte vorsätzliches Verhalten des VN und/oder stützt seinen Anspruch auf Tatsachen, die auf eine vorsätzliche Schadensherbeiführung schließen lassen, so stellt eine vorbehaltlose Abwehrschutzleistung allerdings konkludent einen unwiderruflichen Verzicht auf die Geltendmachung des § 103 VVG/Ziff. 7.1 AHB dar. Dieser Verzicht ist in seiner Reichweite freilich auf den Ersatz von Aufwendungen für die Anspruchsabwehr beschränkt (Ziff. 5 AHB Rn. 24). Da der Haftpflichtprozess dem VR erst die Grundlage für die Prüfung seiner Einstandspflicht 34 im Deckungsverhältnis geben soll, gilt in allen anderen Fällen, dass die Gewährung von Rechtsschutz weder zu einem Ausschluss von Einwendungen noch zu einem Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Frage der Zahlung an die Geschädigten führt.84 Ein stillschweigender „Verzicht“ auf die Anwendung bestimmter Ausschlussbestimmungen kommt erst dann ernsthaft in Be80 Vgl. ÖOGH 26.4.1995 – 7 Ob 6/95, VersR 1996 654 zur Betriebsunterbrechungsversicherung; LG Karlsruhe 28.10.1988 – 9 S 283/88, zfs 1989 203 (Rechtsschutzversicherung).
81 BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, VersR 2009 106, 107; vgl. auch OLG Hamm 9.4.2013 – 24 U 112/12, BeckRS 2013 10194 und KG 11.2.2010 – 12 U 92/09 (juris). 82 BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, VersR 2009 106, 107; vgl. auch OLG Hamm 9.4.2013 – 24 U 112/12, BeckRS 2013 10194 und KG 11.2.2010 – 12 U 92/09 (juris). 83 BGH 19.11.2008 – IV ZR 293/05, VersR 2009 106, 107. 84 Vgl. hierzu OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, zfs 2007 522, 524; OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178, 180. 247
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
tracht, wenn der VR über einen längeren Zeitraum Rechtsschutz gewährt oder gegnerische Ansprüche teilweise befriedigt. Stets sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Allgemeine Grundsätze über einen stillschweigenden Verzicht des VR auf die Anwendung bestimmter Ausschlussbestimmungen lassen sich deshalb nicht aufstellen. 35 R. Johannsen hält es als Faustregel für gerechtfertigt, dass der VR, der vorbehaltlos für den VN über zwei Instanzen den Haftpflichtprozess geführt habe, sich – bei unverändertem Sachverhalt – nicht mehr auf das Vorliegen von von Anfang an gegebenen Ausschlussbestimmungen berufen könne und dass ein Gleiches regelmäßig auch schon dann zu gelten habe, wenn der VR bis zur Berufungsbegründung oder Berufungsbeantwortung vorbehaltlosen Rechtsschutz gewährt habe.85 Dies rechtfertigt er überzeugend mit der Überlegung, dass jedenfalls nach Abschluss einer Instanz wieder eine sorgfältige Prüfung des Gesamtkomplexes beim VR vorgenommen werde. Zu Recht will R. Johannsen ausnahmsweise auch schon zu einem früheren Zeitpunkt einen 36 stillschweigenden Verzicht des VR annehmen, wenn sich Verhandlungen mit dem geschädigten Dritten oder ein Prozess in erster Instanz über mehrere Jahre erstreckten. Aus der steten Wiederholung der Interessenwahrnehmung des VN in diesen Verhandlungen und im Prozesse könne ein VN durchaus den berechtigten Eindruck gewinnen, dass der VR – unabhängig von etwaigen Zweifeln über die Versicherungsschutzfrage – eintreten wolle.86
4. Beispiele aus der Rechtsprechung 37 Die Beispiele aus der Rechtsprechung sind überwiegend älteren Datums. Dies lässt den Schluss zu, dass die VR bei Zweifeln über ihre Einstandspflicht Rechtsschutz nur unter Deckungsvorbehalt erbringen, so dass sich die Frage eines etwaigen Verzichts nicht stellt. OLG Hamm 9.4.2013 – 24 U 112/12, BeckRS 2013 10194 stellt zutreffend fest, dass es an einem wirksamen Anerkenntnisvertrag fehlt, wenn der Geschädigte sich mit der Zahlung des VR nicht einverstanden erklärt. Selbst wenn man in der Abrechnung ein Angebot auf Abschluss eines Schuldanerkenntnisses sehen wollte, fehlt es an der korrespondierenden Annahmeerklärung durch den Geschädigten (vgl. auch AG Bremen 11.3.2016 – 4 C 93/14, BeckRS 2016 115216). KG 11.2.2010 12 – U 92/09 (juris) bejaht ein Anerkenntnis, wenn der VR des Unfallschädigers einzelne Schadenspositionen zu 100 % reguliert, obwohl Streit zwischen den Parteien über die Haftung des Schädigers bestand, weil der Geschädigte nach der Behauptung des Schädigers bei rotem Ampellicht über die Kreuzung gefahren sei. LG Köln 27.2.1985 – 24 O 223/84, RuS 1985 164, 165 qualifiziert zu Recht die Formulierung des VR, „daß für die Folgeschäden am Innenputz und den Innenanstrich Versicherungsschutz besteht, soweit diese Schäden nicht notwendige Begleiterscheinung der Nachbesserungsmaßnahmen sind“, als deklaratorisches Anerkenntnis hinsichtlich der Folgeschäden. LG Stuttgart 1.12.1956 – 4 S 372/55, VersR 1956 791 hat zutreffend entschieden, dass allein darin, dass der VR sich mit der Durchführung der Reparatur eines beschädigten Daches einverstanden erklärte, noch kein „Verzicht“ auf den Einwand aus § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. gesehen werden könne. OLG Köln 14.1.1955 – 9 U 258/54, VersR 1955 138, 140 verneint zutreffend einen „Verzicht“ in einem Fall, in dem der VR zwar veranlasste, dass im Haftpflichtprozess Berufung eingelegt wurde, gleichzeitig aber deutlich zu erkennen gab, dass er nur „vorläufig“ Rechtsschutz bis zur endgültigen Klärung der Deckungsfrage gewähren wolle (Entscheidung zum primären Umfang des Versicherungsschutzes). BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317 hält es ebenfalls für möglich, dass in dem Gewähren von Rechtsschutz über eine längere Zeit ein bestätigendes Anerkenntnis der Leistungspflicht des VR liegen könne mit der Folge, dass der VR für die Zukunft mit solchen 85 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 155. 86 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 155. Koch
248
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Einwendungen ausgeschlossen bleibe, die er zur Zeit des Anerkenntnisses gekannt habe. Zu einer abschließenden Entscheidung kam es nicht, da nicht feststand, ob der VR in der infrage stehenden Zeit, in der er zunächst Rechtsschutz gewährte (von 1947 bis zum 15.10.1949), bereits Kenntnis von den später erhobenen Einwendungen hatte. OLG Köln 22.11.1940 – 1 U 105/40, HansRGZ 1941 A Sp. 229–232 hat einen stillschweigenden „Verzicht“ des VR in folgendem Falle angenommen: Der VN war Inhaber eines Sandgrubenbetriebes. Am 14.9.1938 rutschte beim Beladen eines LKW eine etwa 20 m hohe Sandwand ab. Dabei fielen Sandmassen auf den Lkw. Dieser Sachverhalt war dem VR von Anfang an bekannt. In seinem Schreiben vom 28.11.1939 an die Gegenseite hatte der VR selbst von einem Sandrutsch gesprochen. Der VR gewährte während der gesamten ersten Instanz Rechtsschutz. Erst mit Schreiben vom 29.8.1939, vier Tage vor Ablauf der Berufungsfrist, stellte sich der VR auf den Standpunkt, dass eine Erdrutschung im Sinne des § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. vorliege. Die Entscheidung ist im Ergebnis zu billigen. Dass ein Sandrutsch eine Erdrutschung darstellen kann, ist so naheliegend, dass der VN das Verhalten des VR nicht anders verstehen konnte als dahin, dass der VR sich bei der besonderen Situation des VN nicht auf § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. berufen wolle.
B. Ausschlusstatbestände I. Vorsatzausschluss (Ziff. 7.1 AHB) 1. Inhalt und Zweck Der Vorsatzausschluss in Ziff. 7.1 AHB entspricht der Regelung des § 4 II Ziff. 1 AHB 1999. In 38 Übereinstimmung mit § 103 VVG begrenzt er den Versicherungsschutz auf nicht vorsätzlich herbeigeführte Schäden. Ebenso wie Ziff. 7.2 AHB und abweichend von allen anderen Ausschlusstatbeständen knüpft Ziff. 7.1 AHB nicht an Haftpflichtansprüche Dritter, sondern an die „Versicherungsansprüche“ an. Der Ausschluss knüpft somit an die Deckungsebene an und kommt erst dann zum Tragen, wenn die vorsätzliche Schadensherbeiführung im vorausgegangenen Haftpflichtprozess mit Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess festgestellt worden ist (Ziff. 5 AHB Rn. 132) oder – falls es als Voraussetzung für Identität an bindenden Feststellungen im Haftpflichtprozess fehlt – im Deckungsprozess festgestellt wird. Bestreitet der VN, den Schaden vorsätzlich herbeigeführt zu haben, ist der VR gleichwohl zur Anspruchsabwehr im Haftpflichtprozess verpflichtet (Ziff. 5 AHB Rn. 21).
2. Objektive Tatbestandsvoraussetzungen Ziff. 7.1 AHB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der „VN widerrechtlich den bei dem Dritten 39 eingetretenen Schaden herbeigeführt hat“. Im Falle der Fremdversicherung kommt es darauf, ob die versicherte Person den Schaden herbeigeführt hat (vgl. Ziff. 27.1 AHB, Rn. 5).
a) Herbeiführung des Schadens. Der Begriff des Herbeiführens erfasst jedes (mit-)ursächli- 40 che, auf den Erfolg (Schaden des Dritten) gerichtete Verhalten des VN.87 Das Verhalten muss die Haftpflichtigkeit des VN zur Folge haben. Soweit er den Schaden durch Unterlassen herbeigeführt hat, muss deshalb eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden haben (z.B. Ver-
87 Vgl. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 29. 249
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
kehrssicherungspflicht), die er verletzt hat.88 Kausal ist ein Unterlassen für den schädigenden Erfolg, wenn dieser ohne die unterbliebene Handlung nicht eingetreten wäre oder – anders gewendet – bei pflichtgemäßem Verhalten vermieden worden wäre.89
41 b) Widerrechtlichkeit. Abweichend von § 103 VVG ist das Erfordernis der Widerrechtlichkeit, das gleichbedeutend mit Rechtswidrigkeit ist, nicht enthalten. Ein Unterschied zwischen Ziff. 7.1 AHB und § 103 VVG besteht jedoch nicht, weil nach Bürgerlichem Recht der VN nur haftet, wenn der Erfolg objektiv rechtswidrig ist und der VN sich dessen auch bewusst gewesen ist. Ziff. 7.1 AHB setzt deshalb ebenso wie § 103 VVG voraus, dass der VN den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat.90 Rechtswidrigkeit ist nach Ansicht der Rechtsprechung erfolgsbezogen zu beurteilen.91 Jede 42 nicht durch einen besonderen Rechtfertigungsgrund gedeckte Verletzung eines fremden Rechts oder Rechtsguts durch positives Tun oder Unterlassen ist rechtswidrig. Entsprechendes gilt für die Pflichtwidrigkeit bei Vertragsverletzungen.92 Als Rechtfertigungsgründe kommen Notwehr (§ 32 StGB, § 227 BGB)93 und rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB, §§ 228 Satz 2, 904 Satz 2 und §§ 229 ff. BGB)94 in Betracht. Erweist sich das Verhalten infolge des Eingreifens eines Rechtfertigungsgrundes als rechtmäßig, haftet der VN weder nach § 823 ff. BGB noch aus § 280 BGB. Der vom VR geschuldete Versicherungsschutz ist beschränkt auf die Anspruchsabwehr. Eine Haftung für vorsätzliche Sachschäden trotz fehlender Rechtswidrigkeit kann sich jedoch aus §§ 228 Satz 2, 904 Satz 2 und §§ 229 ff. BGB ergeben.95 In diesen Fällen ist der VR zur Freistellung verpflichtet.96 Überschreitet der VN bei objektiv gegebener Notwehrlage das erforderliche Maß der Abwehr 43 (Notwehrexzess), handelt er zwar rechtswidrig, weil § 33 StGB kein Rechtfertigungsgrund ist.97 Der Vorsatzausschluss greift jedoch nur ein, wenn sich der VN der Überschreitung auch bewusst ist.98 Für Schadensfolgen, die aus der Überschreitung resultieren und für den VN erkennbar waren, besteht dann kein Versicherungsschutz. Hat der VN die Notwehrlage rechtswidrig und vorwerfbar herbeigeführt (sog. Notwehrprovokation), so wird sein Notwehrrecht durch § 242 BGB eingeschränkt.99 Überschreitet er die Grenzen, handelt er rechtswidrig.100 Hat er die Provo-
88 Vgl. Staudinger/Hager (2017) § 823 A 9 ff.; BeckOGK/Spindler 1.8.2020 § 823 Rn. 95 ff.; Erman/Wilhelmi BGB § 823 Rn. 74a; Soergel/Spickhoff BGB § 823 Rn. 15 ff.
89 Vgl. BGH 7.2.2012 – VI ZR 63/11, BGHZ 192 298 = RuS 2012 564 Rn. 10 m.w.N. 90 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 4; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 64; Langheid/ Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 150; zu § 4 II Ziff. 1 AHB a.F. vgl. BGH 28.4.1958 – II ZR 163/57, VersR 1958 361, 362; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Vor § 7 Rn. 14. 91 Z.B. BGH 12.7.1996 – V ZR 280/94, NJW 1996 3205, 3207 m.w.N. 92 Vgl. Grüneberg/Ellenberger § 276 Rn. 8. 93 Vgl. OLG Frankfurt/M. 19.12.1988 – 22 U 99/88, RuS 1991 335; LG Dortmund 24.11.2010 – 2 O 451/08, RuS 2012 114, 115; AG München 15.5.1997 – 191 C 5593/97, RuS 1999 453, 454; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 15; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 150; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 15. 94 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 15; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 150; zum Verhältnis von §§ 228, 904 BGB zu § 34 StGB vgl. nur Staudinger/Repgen (2019) § 228 Rn. 3. 95 Zu Sonderregelungen s. Staudinger/Repgen (2019) § 228 Rn. 8 ff. 96 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 26. 97 MüKoStGB/Erb § 33 VVG Rn. 1 m.w.N. 98 Vgl. OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, RuS 1994 209, 211; LG Dortmund 24.11.2010 – 2 O 451/08, RuS 2012 114, 116. 99 Vgl. OLG Zweibrücken 14.6.2006 – 1 U 92/05, BeckRS 2007 12640; OLG Karlsruhe 12.7.1989 – 13 U 313/88, RuS 1990 233, 234; zur Beschränkung des Notwehrrechts bei Provokation s. BGH 7.3.2002 – 3 StR 490/01, NStZ 2002 425, 426. 100 BGH 7.6.1983 – 4 StR 703/82, NJW 1983 2267. Koch
250
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
kation mit Verletzungsvorsatz angezettelt, besteht für die später tatsächlich eingetretenen Verletzungen kein Versicherungsschutz. Liegen die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes objektiv nicht vor, geht der VN 44 jedoch irrig von Tatsachen aus, die im Fall ihres Vorliegens sein Eingreifen unter dem Gesichtspunkt der Notwehr oder eines anderen Rechtfertigungsgrundes rechtfertigten (Putativnotwehr), so handelt er zwar widerrechtlich, jedoch nicht vorsätzlich i.S.d. für Ziff. 7.1 AHB maßgeblichen Vorsatzbegriffs (Rn. 46).101 Für Schäden, die er infolge seines Irrtums herbeigeführt hat und für die der VN nur bei Verschulden haftet,102 besteht Versicherungsschutz.103 Sind die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds zwar objektiv gegeben, han- 45 delt der VN jedoch ohne Verteidigungs-, sondern mit Angriffswillen, etwa weil er die Notwehr- oder Notstandslage nicht erkennt, stellt sich die Frage, ob das Verhalten als rechtswidrig einzuordnen ist. Die vorherrschende Ansicht bejaht diese Frage.104 Die Gegenansicht, die eine objektive Verteidigungs-/Rettungshandlung genügen lässt,105 hat jedoch die besseren Argumente für sich. Für diese Ansicht spricht vor allem, dass das Zivilrecht nicht der Lehre vom Verhaltensunrecht folgt, sondern der Lehre vom Erfolgsunrecht. Da es also nicht um einen personalen Schuldvorwurf und dessen Sanktion geht, ist nicht recht einsichtig, warum es für eine Rechtfertigung der Notwehr-/Notstandshandlung auf die Willensrichtung des Handelnden ankommen soll.106 Zu Recht hebt die Gegenansicht hervor, dass ein subjektives Rechtfertigungselement eine systemfremde Sanktion für Versuchsunrecht in das Zivilrecht hineintrage, und zieht den Umkehrschluss aus § 228 Satz 2 BGB, wonach ein Verschulden des Handelnden bei Entstehung der Notstandslage die Anwendbarkeit des § 228 Satz 1 BGB nicht hindere.107
3. Vorsätzliche Schadensherbeiführung a) Begriff des Vorsatzes. Die Vorschriften des VVG geben keine Begriffsbestimmung des Vor- 46 satzes. Sie setzen diesen ebenso wie die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Rechts als gegeben voraus. Die im Zivilrecht für die Definition des vorsätzlichen Verhaltens entwickelten Grundsätze gelten daher auch nicht nur für § 103 VVG, sondern auch für Ziff. 7.1 AHB.108 Vorsätzlich ist somit gleichbedeutend mit „wissentlich und willentlich“.109 Da sich der Vorsatz auf die Herbeiführung des Haftpflichtschadens beziehen muss, genügt es – anders als bei § 81 VVG110 – jedoch nicht, dass der VN den Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat (Vorsatz im natürlichen Sinne). Vielmehr ist erforderlich, dass der Erfolg objektiv pflichtwidrig/rechtswidrig ist und der VN sich dessen auch bewusst gewesen ist. Er muss den pflichtwidrigen/rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen ha101 BGH 28.4.1958 – II ZR 163/57, VersR 1958 361 f.; OLG Karlsruhe 16.6.1994 – 12 U 10/94, RuS 1995 9; OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, RuS 1994 209, 211; OLG Frankfurt/M. 10.3.1971 – 11 U 59/70, NJW 1971 1613, 1614; OLG Düsseldorf 18.1.1977 – 4 U 152/76, NJW 1977 587, 588; LG Köln 24.5.2007 – 24 O 399/06 (juris); Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 15; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 16. 102 BGH 26.5.1987 – VI ZR 157/86, NJW 1987 2509; BGH 23.9.1975 – VI ZR 232/73, NJW 1976 41, 42; LG Traunstein 14.3.2007 – 8 O 3929/05, NJW-RR 2007 1324, 1325. 103 Zu eng AG München 15.5.1997 – 191 C 5593/97, RuS 1999 453, 454, das bei objektiv fehlender Erforderlichkeit oder Gebotenheit der Notwehrhandlung den Rechtfertigungsgrund der Notwehr entfallen lassen will. 104 Vgl. BGH 30.10.1984 – VI ZR 74/83, BGHZ 92 357, 359; Grüneberg/Ellenberger § 228 Rn. 7; BeckOK BGB /Dennhardt § 228 Rn. 8; jurisPK/Backmann § 228 Rn. 10; Soergel/Fahse § 228 Rn. 26; RGRK/Johannsen § 228 Rn 14. 105 Staudinger/Repgen (2009) § 228 Rn. 32 ff.; MüKoBGB/Grothe § 228 Rn. 11; Jauernig/Mansel § 288 Rn. 2. 106 Vgl. Staudinger/Repgen (2019) § 228 Rn. 33. 107 MüKoBGB/Grothe § 228 Rn. 11; vgl. auch Staudinger/Repgen (2019) § 228 Rn. 34. 108 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 4; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 3; Bruck/ Möller/Koch § 103 VVG Rn. 31. 109 Vgl. Staudinger/Caspers (2019) § 276 Rn. 22. 110 Vgl. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 58. 251
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
ben (Vorsatz im Rechtssinn).111 Demgemäß entfällt der Versicherungsschutz durch Ziff. 7.1 AHB nicht, wenn der VN zwar mit natürlichem Vorsatz, aber rechtmäßig (z.B. in Notwehr oder im zivilrechtlichen Notstand) gehandelt hat. Nimmt er irrig an, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Notwehrhandlung gegeben seien (Putativnotwehr), liegt gleichfalls kein vorsätzliches Handeln im Sinne des zivilrechtlichen Vorsatzbegriffes vor.112 Vorsätzliches Handeln im Sinne des Zivilrechts liegt auch dann nicht vor, wenn der VN unzurechnungsfähig i.S.d. §§ 827, 828 BGB ist.113 Soweit die Unzurechnungsfähigkeit dazu führt, dass der VN nicht haftet, beschränkt sich der Versicherungsschutz auf Anspruchsabwehr.114 Unerheblich ist, ob es dem VN darauf ankommt, den missbilligten Erfolg zu erreichen (Ab47 sicht), er den Erfolg zwar nicht beabsichtigt, jedoch weiß oder es für sicher hält, dass der Erfolg eintritt (direkter Vorsatz), oder er den Erfolg nur für möglich hält und den Eintritt billigend – wenn auch nicht in allen Einzelheiten – in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihm abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein (bedingter Vorsatz).115 Vom bedingten Vorsatz abzugrenzen ist die bewusste Fahrlässigkeit, die vorliegt, „wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.“116 Schlagwortartig lässt sich die Einstellung eines bewusst fahrlässig handelnden Täters mit „Es wird schon gut gehen“, die eines mit Eventualvorsatz handelnden mit „Und wenn schon …“ darstellen.117 Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist somit die innere Haltung des VN.
48 b) Zum Umfang des Vorstellungsbildes. Wie bereits mehrfach erwähnt, muss der Vorsatz des VN nach Ziff. 7.1 AHB nicht nur die Schädigungshandlung umfassen, sondern auch den konkret eingetretenen Schaden, d.h. die Verletzungsfolgen. Für das Eingreifen von Ziff. 7.1 AHB 111 Vgl. hierzu BGH 20.12.2011 – VI ZR 309/10, NJW-RR 2012 404 Rn. 10; BGH 15.7.2008 – VI ZR 212/07, NJW 2009 681, 684; BGH 8.2.1965 – III ZR 170/63, NJW 1965 962, 963 = VersR 1965 493, 495; BGH 28.4.1958 – II ZR 163/57, VersR 1958 361, 362; OLG Saarbrücken 27.5.2009 – 5 U 461/08, zfs 2009 699; OLG Karlsruhe 19.2.2009 – 12 U 249/ 08, VersR 2009 923; OLG Celle 22.11.2007 – 8 U 105/07, OLGR Celle 2008 63, 64; OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/ 05, RuS 2006 493, 494; OLG Hamm 26.11.2003 – 20 U 143/03, RuS 2004 145, 146; OLG Düsseldorf 29.4.1976 – 18 U 204/75, VersR 1976 1093, 1094; OLG Celle 7.1.1970 – 1 U 11/69, VersR 1970 314, 315; Fenyves VersRdSch 1988 104. 112 Vgl. BGH 28.4.1958 – II ZR 163/57, VersR 1958 361; OLG Schleswig 28.6.1984 – 2 U 68/83, VersR 1984 1163, 1164; OLG Karlsruhe 16.6.1994 – 12 U 10/94, RuS 1995 9; OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, RuS 1994 209, 210 = VersR 1994 850, 851; AG Hamburg 9.8.1988 – 4 C 458/88, zfs 1989 280; R. Johannsen RuS 2000 133. 113 Vgl. BGH 29.10.2008 – IV ZR 272/06, RuS 2010 16 ff.; OLG München 11.3.2020 – 10 U 2150/18, NJW-RR 2020 921; OLG Köln 30.4.2019 – 9 U 30/17, RuS 2020 20, 21; OLG Hamm 11.1.2019 – 20 W 25/18, VersR 2019 871; Hans. OLG Hamburg 23.10.1991 – 4 U 95/91, RuS 1993 174 = VersR 1992 1126; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 15. 114 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 15. 115 St.Rspr., vgl. BGH 15.7.2008 – VI ZR 212/07, NJW 2009 681, 684; BGH 17.6.1998 – IV ZR 163/97, VersR 1998 1011, 1012; BGH 20.11.1979 – VI ZR 238/78, VersR 1980 164, 165; BGH 15.12.1970 – VI ZR 97/69, VersR 1971 239, 240; BGH 13.7.1964 – II ZR 229/62, VersR 1964 916; BGH 9.6.1958 – II ZR 46/57, VersR 1958 469; OLG Bamberg 8.8.2006 – 5 U 247/04, NZV 2007 237, 239; OLG Karlsruhe 24.3.2005 – 12 U 432/04, VersR 2005 781, 782; OLG Nürnberg 2.12.2004 – 2 U 2712/04, NJW-RR 2005 466, 469; OLG Hamm 26.11.2003 – 20 U 143/03, RuS 2004 145, 147; OLG Saarbrücken 11.11.1992 – 5 U 24/92, VersR 1993 1004, 1005; KG 5.6.1989 – 12 U 4073/88, VersR 1989 1188; OLG Schleswig 28.6.1984 – 2 U 68/83, VersR 1984 1163, 1164; OLG Nürnberg 12.2.1981 – 8 U 2544/80, VersR 1981 1123; OLG Frankfurt/ M. 26.5.1977 – 16 U 185/76, VersR 1977 829; OLG Hamm 24.8.1973 – 20 U 65/73, VersR 1973 1133, 1135; Prölss/Martin/ Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 8; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 5; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 8; zu Nachweisen aus der älteren Rspr. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 223. 116 Vgl. z.B. BGH 5.11.2015 – 4 StR 124/14, BeckRS 2015 19909 Rn. 29; BGH 27.1.2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011 699 Rn. 34; BGH 25.3.1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999 2533, 2534; OLG Bamberg 8.8.2006 – 5 U 247/04, NZV 2007 237, 239. 117 OLG Bamberg 8.8.2006 – 5 U 247/04, NZV 2007 237, 239; Berliner Kommentar/Baumann § 152 Rn. 21; Bruck/ Möller/Koch § 103 VVG Rn. 32. Koch
252
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
ist somit stets Voraussetzung, dass der VN überhaupt einen Schaden herbeiführen will. Wenn er demgegenüber der Überzeugung ist, es werde überhaupt kein Schaden entstehen, so kann von einer vorsätzlichen Herbeiführung nicht gesprochen werden.118 Nicht erforderlich ist, dass der VN den Schaden in allen Einzelheiten vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Es reicht aus, wenn er die Folgen der Schädigungshandlung in groben Umrissen voraussehen konnte und ihren Eintritt wenigstens billigend in Kauf genommen hat.119 An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn der eingetrene Schaden nach Art und Schwere und/oder im Hinblick auf den erwarteten oder vorhersehbaren Ablauf von den Vorstellungen des VN wesentlich abweicht.120 Die Abgrenzung, ob in diesem Sinne eine wesentliche oder unwesentliche Abweichung von dem Vorstellungsbild des Handelnden vorliegt, ist im Einzelfall schwierig,121 weil der subjektive Tatbestand auf die konkreten Umstände des Einzelfalls bezogen und die Person des VN individuell zu ermitteln ist. Dabei geht es nicht nur um die Willensrichtung. In die abschließende Bewertung müssen auch die ebenso schwer feststellbaren Vorstellungen des Täters über die Risikolage Eingang finden. Schwierigkeiten bei der Bewertung und daraus resultierende Unsicherheiten und Unwägbarkeiten sind die zwangsläufige Folge. Willkürlich anmutende Entscheidungen sind nicht auszuschließen. Nur selten wird der VN wirklich gezielt einen bestimmten Schaden herbeiführen wollen. In 49 den meisten Fällen wird er sich keine genaueren Vorstellungen über das Ausmaß des angerichteten Schadens gemacht haben. Das Ausschlagen von Zähnen, der Bruch des Kiefers, der Verlust des Auges oder das Platzen des Trommelfells lassen sich bei einem Faustschlag nicht wirklich planen. Es handelt sich in all diesen Fällen nur um die mehr oder weniger wahrscheinlichen Folgen eines auf vorsätzlicher Willensbetätigung beruhenden Verhaltens. Wer auf einen Menschen schießt, um ihn zu töten, kann sich seines Erfolges ebenfalls nicht sicher sein. Möglicherweise wird das Opfer nur schwer verletzt. Gleichwohl besteht für die Schadensersatzansprüche des Opfers keine Deckung. In Anlehnung an die im Strafrecht von der ganz h.M. vertretenen Einheitstheorie ist in jedem Tötungsvorsatz als wesensgleiches Minus nämlich ein entsprechender Körperverletzungsvorsatz enthalten, weil die Körperverletzung notwendiges Durchgangssta118 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 12. 119 Vgl. BGH 17.6.1998 – IV ZR 163/97, VersR 1998 1011, 1012 = RuS 1998 367; BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, NJW-RR 1991 145, 146; BGH 20.11.1979 – VI ZR 238/78, BGHZ 75 328, 329 = NJW 1980 996 = VersR 1980 164; BGH 13.7.1964 – II ZR 229/62, VersR 1964 916; BGH 9.6.1958 – II ZR 46/57, VersR 1958 469; BGH 27.10.1954 – VI ZR 132/53, VersR 1954 591; RG 20.4.1917 – VII 425/16, VA 1917 60, 62; OLG Hamm 11.1.2019 – 20 W 25/18, VersR 2019 871, 872; OLG Hamm 11.11.2011 – I-20 U 3/11, RuS 2012 284, 285; OLG Hamm 27.4.2011 – 20 U 10/11, BeckRS 2011 18634; OLG Saarbrücken 27.5.2009 – 5 U 461/08, zfs 2009 699; OLG Karlsruhe 19.2.2009 – 12 U 249/08, VersR 2009 923; OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/06, NJW-RR 2008 45, 46; OLG Celle 22.11.2007 – 8 U 161/07, OLGR Celle 2008 63; OLG Schleswig 22.11.2007 – 16 U 9/07, RuS 2008 67, 68; OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781, 782; OLG Nürnberg 2.12.2004 – 2 U 2712/04, NZV 2005 267, 268; OLG Düsseldorf 17.12.2002 – 4 U 107/02, RuS 2004 457; OLG Saarbrücken 14.11.2001 – 5 U 384/99, VersR 2004 507, 510; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, VersR 2003 987, 988; OLG Frankfurt/M. 26.2.2003 – 7 U 30/02, zfs 2003 359, 360, 360; Hans. OLG Hamburg 23.10.1991 – 4 U 95/91, RuS 1993 174 = NJW-RR 1992 1188; OLG Saarbrücken 11.11.1992 – 5 U 24/92, VersR 1993 1004, 1005; OLG Düsseldorf 29.3.1966 – 4 U 300/65, VersR 1966 481; OLG Düsseldorf 18.1.1977 – 4 U 152/76, VersR 1977 745; OLG Düsseldorf 25.5.1999 – 4 U 84/98, VersR 2000 447, 448; OLG Düsseldorf 12.12.2000 – 4 U 46/00, NVersZ 2001 572 = VersR 2002 89, 90; OLG Köln 14.12.1977 – 2 U 67/77, VersR 1978 265; OLG Köln 30.11.1989 – 5 U 139/89, RuS 1990 14; OLG München 1.10.1976 – 10 U 3074/76, RuS 1977 53; OLG Saarbrücken 11.11.1992 – 5 U 24/92, VersR 1993 1004, 1005; OLG Düsseldorf 18.1.1977 – 4 U 152/76, VersR 1977 745; ÖOGH 9.3.1999 – 7 Ob 363/98b, VersR 2001 220; vgl. Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 26; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 8; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 6; Berliner Kommentar/Baumann § 152 Rn. 18; E. Lorenz VersR 2000 2, 6. 120 Vgl. OLG Hamm 11.1.2019 – 20 W 25/18, VersR 2019 871; OLG Hamm 27.4.2011 – 20 U 10/11, BeckRS 2011 18634; OLG Karlsruhe 19.2.2009 – 12 U 249/08, VersR 2009 923; OLG Schleswig 22.11.2007 – 16 U 9/07, RuS 2008 67, 68; OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/06, NJW-RR 2008 45, 46; OLG Köln 31.5.1994 – 9 U 71/94, RuS 1995 9; LG Konstanz 3.3.2020 – Me 4 O 290/19, DAR 2020 333; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 8; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 6. 121 Kritisch Littbarski § 4 Rn. 374; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 11. 253
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
dium einer Tötung ist.122 Der VN kann sich in solchen Fällen, in denen die Verletzungsfolgen hinter seinen Vorstellungen zurückbleiben, auch nicht darauf berufen, dass der eingetrene Schaden nach Art und Schwere und/oder in Hinblick auf den erwarteten oder vorhersehbaren Ablauf von seinen Vorstellungen abweiche. Anders liegt der Fall, wenn die Verletzungsfolgen über seine Vorstellungen hinausgehen. Bloße Irrtümer in der Person des Verletzten (error in persona) schließen den Vorsatz dagegen nicht aus.123 50 Wann eine den Vorsatz hinsichtlich der Schadensherbeiführung ausschließende wesentliche Abweichung von den Vorstellungen des VN vorliegt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Abweichungen sich im Hinblick auf die konkrete Tatsituation, die Art der Tatausführung und die sonstigen Umstände innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und deshalb keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen.124 Nach allgemeiner Lebenserfahrung voraussehbar sind naheliegende und im Zusammenhang mit einem bestimmten Verhalten typischerweise entstehende Schädigungen als unmittelbare Folge der Verletzungshandlung. Hierbei handelt es sich um das objektivierbare Teilelement des Eventualvorsatzes. War die Schadensfolge nach allgemeiner Lebenserfahrung voraussehbar, ist in einem zweiten Schritt festzustellen, ob der VN dies auch in der konkreten Situation sowie nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten voraussehen konnte. Dabei ist in der Regel davon auszugehen, dass das, was im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung voraussehbar ist, auch vom VN hätte vorausgesehen werden können, sofern sich aus den Umständen oder der Person des VN keine gegenteiligen Besonderheiten ergeben. Es ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen.125 51 Insoweit beurteilt sich die Vorhersehbarkeit der Schadensfolgen im Rahmen von Ziff. 7.1. AHB nach denselben Maßstäben wie die strafrechtlich relevante Vorhersehbarkeit.126 Deshalb kann auf die von der Strafgerichtsbarkeit zur Abgrenzung von bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Neben Gewicht und Nähe des Schadens sind je nach Sachlage zu berücksichtigen: die Motivation des VN; die Gleichgültigkeit des VN gegenüber dem möglichen Erfolgseintritt; sein Wissensstand, auch konkretes Wissen um die Gefährlichkeit der von ihm gewählten Angriffsart; die Schnelligkeit des Geschehensablaufs und die Spontanität des Tatentschlusses; der Grad seiner Intelligenz; seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, namentlich auch die jeweilige seelische Belastung; die Gefährlichkeit seiner Angriffsweise im Hinblick auf die jeweilige Tatsituation und seine Vermeidebemühungen; der Umstand, ob er zugleich sich selbst oder ihm nahe stehende Personen gefährdet hat; sein Nachtatverhalten, soweit es Rückschlüsse auf den psychischen Zustand zur Tatzeit zulässt; Besonderheiten seiner Persönlichkeit, aus denen Hinweise auf die Motivlage ableitbar sind.127
52 c) Kasuistik. Nachstehend werden exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit Beispiele aus der Rechtsprechung zur Reichweite des Vorsatzes zusammenfassend wiedergegeben:
aa) Körperverletzung 53 (1) Allgemein. OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/18, RuS 2020 154: Springt der Torwart beim Fußballspiel – obgleich er den Ball noch erreichen könnte – einen gegnerischen Spieler 122 123 124 125
Vgl. Lackner/Kühl/Kühl § 212 Rn. 7 f.; MüKoStGB/Schneider § 212 Rn. 99. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 8; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 6. Vgl. Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 35; Berliner Kommentar/Baumann § 152 Rn. 19. BGH 13.3.2007 – 4 StR 606/06, NStZ-RR 2007 199, 200; BGH 4.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36 1, 10 = NJW 1989 781, 784. 126 Hierzu BGH 25.10.1990 – 4 StR 371/90, NJW 1991 933, 934; BGH 21.4.1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7 325, 329 = NJW 1955 1077; OLG Stuttgart 30.7.1981 – 3 Ss 375/81, NJW 1982 295, 296. 127 Lackner/Kühl/Kühl § 15 Rn. 25 m.w.N. Koch
254
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
mit gestrecktem Bein an, um ihn zu stoppen, nimmt er dessen Verletzung (hier: Schien- und Wadenbeinbeinbruch) billigend in Kauf, so dass keine Deckung im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung besteht. OLG Karlsruhe 27.9.2012 – 9 U 162/11, RuS 2012 592: Grätscht ein Fussballspieler, der seinem Gegenspieler angedroht hat, ihm bei der nächsten Aktion die Beine zu brechen, mit 20 bis 30 Metern Anlauf und gestrecktem Bein von hinten in seinen Gegner hinein, ohne den Ball erreichen zu können, liegt hinsichtlich des Wadenbeinbruchs, der Verletzung des Sprunggelenks und der Zufügung mehrere Bänderrisse bedingter Vorsatz vor. OLG Hamm 27.4.2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469: Auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts lässt sich allenfalls feststellen, dass der Kläger Schmerzen bzw. Luftnot der Geschädigten billigend in Kauf genommen hat. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch die Bewusstlosigkeit der Geschädigten einschließlich der hierdurch bedingten Verletzungsfolgen billigend in Kauf genommen hätte, sind hingegen weder dargetan noch sonst ersichtlich. BGH 29.10.2008 – IV ZR 272/06, RuS 2010 16: Durch Konsum großer Mengen alkoholischer Getränke kann der VN in einen Zustand geraten, der die Annahme vorsätzlicher Schädigung verbietet (hier: Schultereckgelenkssprengung mit Abriss mehrerer Bänder, HWS-Distorsion, Becken- und Gesäßprellung infolge körperlicher Angriffe). Deuten Indizien darauf hin, dass der VN zur Tatzeit erheblich betrunken war und deutliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigte, verletzt die Zurückweisung eines beantragten Beweises durch Zeugen, die zum Trinkverhalten des VN aussagen sollten, den Anspruch auf rechtliches Gehör. OLG Celle 22.11.2007 – 8 U 161/07, OLGR Celle 2008 63: Der Vorsatz desjenigen, der einem anderen einen Faustschlag in das Gesicht versetzt, richtet sich in der Regel nur darauf, seinem Gegner einen augenblicklichen Schmerz zuzufügen, ihn damit zu strafen, zu warnen oder zu demütigen. Allenfalls nimmt er noch billigend in Kauf, dass der Gegner Gesichtsverletzungen erleidet, Zähne verliert oder, wenn es sich um einen besonders heftigen Schlag handelt, zu Boden stürzt. Es kann aber nicht das allgemeine Bewusstsein angenommen werden, dass ein Faustschlag weitere Verletzungsfolgen wie bspw. schwere Schädel-Hirnverletzungen haben kann. Anders wäre das möglicherweise zu beurteilen, wenn der Kläger mehrfach auf den Geschädigten eingeschlagen oder auch noch nach dessen Fall auf den am Boden liegenden Geschädigten eingetreten hätte. Hinzu kommt, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt gerade einmal 18 Jahre alt war und ein Heranwachsender in diesem Alter die Folgen seines Tuns noch nicht so in alle Details gehend reflektiert wie ein Erwachsener mit entsprechender Lebenserfahrung. LG Köln 24.5.2007 24 – O 399/06 (juris): Bei einem Schlag auf den Kopf, der einen Aufprall des Geschädigten auf das Straßenpflaster zur Folge hat, sind Verletzungen am und im Kopf (Blutgerinnsel im Gehirn löste Schwerhörigkeit aus) vom Vorsatz umfasst. OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781: Bei einem gezielten und heftigen Schlag ins Gesicht, durch den der Geschädigte „niedergestreckt“ wird, ist der Vorsatz hinsichtlich einer Orbitabodenfraktur ((Durch-)Bruch des Augenhöhlenbodens zur Kieferhöhle) zu bejahen.128 LG Dortmund 17.2.2005 – 2 O 148/04 (juris): Zwar mag der Kläger billigend eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Polizeibeamten F. in Kauf genommen haben, sofern er, wie die Beklagte behauptet, mit erhobenen Fäusten auf diesen zulief. Es erscheint aber ausgeschlossen, dass er hierdurch die Verletzung des Polizeibeamten infolge eines von diesem selbst geführten Faustschlags billigte. Ein derartiger Geschehensablauf dürfte von der Vorstellung des Klägers überhaupt nicht erfasst gewesen sein, selbst wenn er trotz seiner alkoholischen Beeinflussung erkannt haben sollte, dass der Polizeibeamte sein Verhalten als Angriff werten und sogleich zur Gegenwehr übergehen werde. OLG Köln 23.1.2001 – 9 U 8/00, RuS 2001 190: Hat der VN dem Geschädigten einen Fußtritt versetzt, der zu einem Wadenbeinbruch und Bänderabriss führte, kann nicht von einer vorsätzli128 Vgl. auch OLG Hamm 11.6.1985 – 20 U 46/86, RuS 1986 305, 306. 255
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
chen Körperverletzung ausgegangen werden, wenn nicht festgestellt werden kann, ob der Tritt während eines Gerangels mit dem Geschädigten erfolgte oder ob der Tritt erst erfolgte, nachdem der Geschädigte bereits hingefallen war. OLG Hamm 18.8.2000 – 20 U 26/00, RuS 2001 145: Versetzt der VN dem Kläger nicht nur einen Faustschlag in seiner Wohnung, sondern misshandelt ihn auch im Treppenhaus weiter, stößt ihn schließlich aus dem Haus und tritt auf den am Boden liegenden Kläger ein, sind Hautabschürfungen, Prellungen und Blutergüsse an Kopf und Körper als typische Verletzungen vom Tätervorsatz miterfasst. LG Osnabrück 17.11.1999 – 7 O 519/99, NVersZ 2000 301: Verfolgt ein Autoeigentümer eine Gruppe Jugendlicher, von denen er annimmt, sie hätten seinen Pkw beschädigt, und kommt bei den anschließenden Handgreiflichkeiten einer der Jugendlichen dergestalt zu Fall, dass er sich den Oberschenkel bricht, dann muss der Privathaftpflichtversicherer des Autoeigentümers, wenn er wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht eintreten will, beweisen, dass der Autoeigentümer mit Verletzungsvorsatz handelte; er muss darlegen, welchen Kausalverlauf sich der Autoeigentümer vorgestellt hatte, insbesondere, ob er eine fortdauernde Körperverletzungsfolge wollte. OLG Düsseldorf 25.5.1999 – 4 U 84/98, VersR 2000 447: Streckt der Kläger das Opfer grundlos mit einem Faustschlag an die Schläfe nieder und schlägt dessen Kopf zusätzlich auf den Boden, sind Gehirnerschütterung und Schädelprellung vom Vorsatz umfasst. Auch wenn der Kläger erheblich angetrunken war, lagen für ihn die eingetretenen naheliegenden Folgen auf der Hand. Denn der Kläger war zum Zeitpunkt des hier in Rede stehenden Ereignisses bereits 40 Jahre alt und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er in angetrunkenem Zustand bei einer Schlägerei dem ebenfalls bereits am Boden liegenden Opfer gegen den Kopf getreten und ihm dadurch den Anbruch des Nasenbeins und eine Gehirnerschütterung zugefügt hatte. Der Kläger kannte daher die Gefährlichkeit seiner Angriffshandlungen und wusste, welche Folgen sie bei seinem Opfer hervorrufen konnten. OLG Köln 16.3.1999 – 9 U 99/98, VersR 1999 1270: Intensität und Gefährlichkeit eines Angriffs lassen auf eine bedingt vorsätzliche Körperverletzung mit Umfassung der Verletzungsfolgen schließen. Im Rahmen der folgenden Auseinandersetzung schlug der Kläger mit der Faust massiv auf den Zeugen K. ein und traf ihn u.a. an der linken Schläfe. Einzelheiten dazu sind zwischen den Parteien streitig. Anschließend schlug der Kläger auch noch mit der Faust in Richtung des Kopfes des mit der Absicht zu schlichten herbeigeeilten Zeugen P.C. und traf ihn am linken Auge. Der Zeuge K. erlitt durch einen von dem Kläger geführten Schlag ein epidurales Hämatom mit Arterienriss. Es bestand akute Lebensgefahr. Nach eintretender Bewusstseinstrübung wurde im Kreiskrankenhaus E. eine notfallmäßige osteoklastische Trepanation links temporal durchgeführt und das epidurale Hämatom ausgeräumt. OLG Hamm 16.10.1998 – 20 U 88/98, RuS 1999 102: Hat ein VN in alkoholisiertem Zustand aus Eifersucht einem „Rivalen“ einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, wodurch eine Le Fort II-Fraktur, eine Nasengerüstfraktur und Schmelz-Dentinfrakturen verursacht wurden, kann die Privathaftpflichtversicherung Versicherungsschutz nicht unter Berufung auf den Leistungsausschluss „Vorsatz“ verweigern, wenn es hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass der VN die von ihm herbeigeführten Verletzungsfolgen nicht oder nicht in ihrem wesentlichen Umfang als möglich erkannt und für den Fall ihres Eintritts gewollt oder im Sinne bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat. Solche Anhaltspunkte liegen vor, wenn von einer starken Alkoholisierung auszugehen ist, die zu einer erheblichen Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des VN zur Tatzeit geführt hat. Dann kann die Verminderung der Einsichtsfähigkeit Einfluss auf die Vorhersehbarkeit und Billigung der Verletzungsfolgen gehabt haben und die Minderung der Steuerungsfähigkeit kann dazu geführt haben, dass der Schlag heftiger ausgefallen ist, als es geplant war. OLG Hamm 6.11.1996 – 20 U 28/96, RuS 1997 103: Hat der VN bei einer tätlichen Auseinandersetzung einen Brillenträger ins Gesicht geschlagen, hat er im Sinne bedingten Vorsatzes nicht notwendigerweise auch billigend in Kauf genommen, dass es (durch zersplitterndes BrilKoch
256
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
lenglas) bei dem Verletzten zu schweren Augenverletzungen und einer Erblindung (hier: auf einem Auge) kommt. Sind keine besonderen Umstände erkennbar (etwa einschlägige Vorstrafen des VN oder besondere Schädigungsabsicht im Einzelfall) kann nicht davon ausgegangen werden, dass der VN hinsichtlich der zugefügten Verletzungen vorsätzlich gehandelt hat. OLG Karlsruhe 28.3.1996 – 12 U 246/95, RuS 1996 301: Schlägt bei einer tätlichen Auseinandersetzung im Rahmen eines Fußballspiels der VN einen Gegenspieler mit der Faust ins Gesicht, nimmt er damit – soweit kein Anhaltspunkt für eine abweichende Bewusstseinslage gegeben ist – knöcherne Verletzungen im Gesicht des Geschädigten billigend in Kauf. LG Duisburg 7.7.1994 – 2 S 100/94, RuS 1995 378: Wer einem anderen Faustschläge ins Gesicht versetzt, nimmt erhebliche Verletzungen des Gegners im Gesichtsbereich (Jochbeinbruch) billigend in Kauf. OLG Karlsruhe 16.6.1994 – 12 U 60/94, RuS 1995 408: Zielt das Handeln des Täters lediglich auf eine Misshandlung, die Zufügung eines augenblicklichen Schmerzes, um das Opfer zu strafen, zu warnen oder zu demütigen, so lässt sich daraus im Allgemeinen nicht der Schluss ziehen, er habe auch Gesundheitsbeschädigungen (Hüftluxation mit Pfannengrundfraktur sowie eine Schambeinfraktur) in das sein Handeln steuernde Bewusstsein aufgenommen. OLG Köln 11.11.1993 – 5 U 271/92, RuS 1994 373: War es die primäre Absicht des VN, sich von einem ihn festhaltenden Polizeibeamten loszureißen, kann daraus nicht zwingend darauf geschlossen werden, er habe eine Körperverletzung des dabei zu Fall gekommenen Polizeibeamten zumindest billigend in Kauf genommen.129 OLG Hamm 6.1.1993 – 20 U 202/92, RuS 1993 451: Wenn der VN einen Menschen anhebt und wegschleudert, ist ein Unterschenkelbruch als Folge des Sturzes keineswegs ungewöhnlich. Der Vorsatzausschluss greift jedoch ein, wenn nicht auszuschließen ist, dass der VN sich lediglich Prellungen und Abschürfungen als mögliche Verletzungsfolgen vorgestellt hat. Hans. OLG Bremen 1.11.1991 – 4 U 24/91, RuS 1992 10: Fällt der Verletzte nach einem Umklammern des Versicherten mit einer Beinschere zu Boden und zieht er sich dabei einen komplizierten Trümmerbruch des rechten Schien- und Wadenbeins sowie des Fußgelenks zu, so ist Vorsatz nicht nachgewiesen, wenn ungeklärt bleibt, ob der Versicherte den anderen mit der Beinschere festhalten oder zu Fall bringen wollte. Hans. OLG Hamburg 23.10.1991 – 4 U 95/91, VersR 1992 1127: Wer einen erkennbar Alkoholisierten rückwärts von einer Treppe mit acht Stufen hinunterstößt, muss mit der Möglichkeit von Knochenbrüchen rechnen und nimmt diese billigend in Kauf. Damit hat der VN eine schwere Körperverletzung (hier: Lendenwirbelbruch mit Lähmungserscheinungen in den Beinen) zumindest bedingt vorsätzlich herbeigeführt. Ein Blutalkoholwert von 2 ‰ schließt vorsätzliches Handeln nicht aus, denn auch für einen Betrunkenen bleibt erkennbar, dass bei einem Sturz rückwärts von einer Treppe die Gefahr von Knochenbrüchen naheliegt. OLG Köln 11.7.1991 – 5 U 198/90, VersR 1992 89: Angesichts der großen Härte, mit der der VN den Geschädigten angesprungen, mit den Fäusten traktiert und schließlich zu Boden gebracht hat, und aufgrund des Umstandes, dass es nach der Lebenserfahrung für jedermann auf der Hand liegt, dass bei einem solchermaßen herbeigeführten Sturz leicht Verletzungen an den Extremitäten eintreten können, muss vom äußeren Geschehensablauf darauf geschlossen werden, dass der VN auch im Hinblick auf die Schadensfolgen bedingt vorsätzlich gehandelt hat. LG Bremen 29.8.1991 – 2 O 369/91, RuS 1992 11: Wer nach einem vorbeifahrenden Mopedfahrer greift, der daraufhin stürzt und sich dabei eine Unterschenkelverletzung zuzieht, hat diese Verletzung zumindest billigend in Kauf genommen und damit vorsätzlich gehandelt. OLG Hamm 19.4.1991 – 20 U 295/90, VersR 1992 90: Stößt ein Diskothekangestellter einen stark Angetrunkenen von einem drei Stufen hohen Gaststätteneingang herunter, so kann vom äußeren Geschehensablauf noch nicht geschlossen werden, dass er einen Außenknochenbruch des linken Sprunggelenks billigend in Kauf genommen hat.
129 Vgl. auch OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, RuS 1995 334. 257
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
OLG Köln 30.11.1989 – 5 U 139/89, RuS 1990 14: Stürzt der Verletzte nach einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden und zieht er sich dabei eine Knieinnenbandzerrung und eine Teilruptur des Kreuzbandes zu, so handelt es sich bei dieser Verletzung um keine typische Folge eines rückwärtigen Sturzes. Vorhersehbar – und damit vorsätzlich – sind bei einem Sturz infolge Schlages ins Gesicht Verletzungen am Kopf und im Gesicht oder Prellungen an Arm und Rücken, nicht aber untypische Verletzungen wie die hier primär auf einer ruckartigen Drehbewegung des Kniegelenks beruhende Verletzung. LG Osnabrück 5.10.1989 – 8 O 234/89, zfs 1989 389: Wer einem anderen kräftig das Knie in den Unterleib stößt, rechnet üblicherweise zwar mit einer Verletzung der empfindlichen Geschlechtsorgane in der Form eines Blutergusses in der Hodenhöhle, nicht aber mit erheblich schwerwiegenderen Folgen wie einem Hodenriss. Wird deshalb eine Entfernung des Hodens erforderlich, so besteht im Rahmen der allgemeinen Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz. OLG Schleswig 28.6.1984 – 2 U 68/83, VersR 1984 1163: Bei der Feststellung des Vorsatzes ist der Senat nicht gehindert, aus dem äußeren Geschehensablauf Rückschlüsse auf den Grad des Verschuldens zu ziehen und sich dabei auf die Lebenserfahrung und allgemeinen Erfahrungssätze zu stützen. Nach gefestigter Rechtsprechung braucht der VN nicht den genauen Umfang der Wirkung seines Handels vorausgesehen zu haben. Wer seinen Gegner schwer mit der Hand an den Kopf schlägt, braucht die dabei entstehenden körperlichen Schäden, z.B. den Verlust von Zähnen oder das Platzen des Trommelfells, nicht im Einzelnen in seine Vorstellung aufgenommen zu haben. Er kann nur solche Folgen der Schläge nicht gewollt oder nicht billigend in Kauf genommen haben, die gewöhnlich nicht aus Schlägen ins Gesicht herrühren.130 OLG Hamm 12.11.1980 – 20 U 111/80, VersR 1981 789: Stößt der VN jemanden mit den Händen zu Boden, stellt er sich in der Regel lediglich Prellungen und Abschürfungen als möglich vor und rechnet nicht mit knöchernen Verletzungen des Fußes oder der Beine. Dagegen spricht, dass der VN sich, als das Opfer nach dem zweiten Sturz offenbar erheblich verletzt am Boden liegenblieb, spontan entschuldigte. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass der VN über die Folgen seiner Tat selbst erschrocken war, diese also nicht gewollt hat. OLG Hamm 4.2.1980 – 2 W 18/80, zfs 1981 25: Wer einem anderen kräftig das Knie in den Unterleib stößt, rechnet zwar mit einer Verletzung der empfindlichen Geschlechtsorgane (Bluterguss in die Hodenhöhle), aber nicht mit einer dauernden Einschränkung der Zeugungsfähigkeit. OLG Düsseldorf 18.1.1977 – 4 U 152/76, VersR 1977 745: Wer einem anderen einen so kräftigen Faustschlag ins Gesicht versetzt, dass dieser zu Bogen stürzt, verliert wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens Haftpflichtversicherungsschutz, soweit es sich um die Folgen von Verletzungen handelt, die der Geschädigte im Bereich der Augen erleidet. Der Versicherungsschutz bleibt dagegen für Ansprüche bestehen, die der Verletzte aus einem bei dem Sturz erlittenen Bruch von vier Mittelfußknochen herleitet. BGH 26.5.1971 – IV ZR 28/70, VersR 1971 806: Stirbt der Geschlagene jedoch an den Folgen der „Ohrfeige“, etwa weil er unglücklich auf den Hinterkopf fällt, so wird in aller Regel der Vorsatz zu verneinen sein, weil nur eine Misshandlung gewollt war. BGH 9.6.1958 – II ZR 46/57, VersR 1958 469: Wer seinen Gegner schwer mit der Hand auf den Kopf schlägt, muss mit den dabei entstehenden körperlichen Schäden, also z.B. Verlust von Zähnen, Platzen des Trommelfelles usw., rechnen. Ein derartig handelnder VN kann sich daher auch nicht damit verteidigen, dass er infolge seiner Wut gar keine Überlegungen über konkrete Schadensfolgen habe anstellen wollen und können. Hingegen wird der durch eine vorsätzliche Körperverletzung herbeigeführte Tod des Gegners zumeist nicht vom Vorsatz umfasst gewesen sein, auch wenn eine schwere Misshandlung gewollt war.
130 Vgl. auch Hans. OLG Hamburg 26.1.1983 – 5 U 192/82, VersR 1983 1021; OLG Düsseldorf 18.1.1977 – 4 U 152/ 76, VersR 1977 745, 746; OLG Hamm 8.7.1981 – 20 U 9/81, VersR 1982 641. Koch
258
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
(2) Körperverletzung unter Einsatz von gefährlichen Werkzeugen. OLG Karlsruhe 54 19.2.2009 – 12 U 249/08, VersR 2009 923: Schlägt der VN in einem Festzelt einem anderen Gast mit einem Bierkrug so fest auf den Kopf, dass der Krug zerbricht und umherfliegende Scherben in unmittelbarer Nähe stehende Personen verletzen, so handelt er bezüglich dieser Verletzungen nicht (bedingt) vorsätzlich, wenn seine Behauptung, er habe bei der Ausführung der Tat überhaupt nicht daran gedacht, dass umherstehende Personen verletzt werden könnten, und sich keine Gedanken über die Reichweite des Fluges der Glassplitter gemacht, nicht widerlegt ist, und allein die unmittelbare Nähe der Verletzten zum Tatort nicht für die Annahme vorsätzlichen Handelns ausreicht. OLG Karlsruhe 24.3.2005 – 12 U 432/04, VersR 2005 781: Der Sohn des Klägers hatte als Berufsschüler aus dem Rucksack eines Mitschülers eine Flasche Reizgasspray gezogen und den Inhalt ziellos im Unterrichtsraum versprüht. Die Lehrerin atmete das Gas ein. Als Asthmatikerin litt sie kurz darauf unter Atemnot. Es entwickelte sich eine Lungenentzündung, die zu einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit der Lehrerin führte. Einen auf so gravierende Folgen gerichteten Verletzungsvorsatz des Täters lehnte das Gericht als unwahrscheinlich ab, weil diesem die Asthmaerkrankung nicht bekannt und deshalb der Krankheitsverlauf in seinen wesentlichen Zügen nicht vorhersehbar war. Dabei berücksichtige das Gericht auch den Umstand, dass der Täter mit dem Reizgas niemanden gezielt angesprüht, sondern das Gas ziellos im Raum verteilt und sich somit selbst der Reizgaswolke ausgesetzt hatte. BGH 17.6.1998 – IV ZR 163/97, VersR 1998 1011: Eine nicht zur Schuldunfähigkeit führende starke Alkoholisierung (hier: Blutalkoholkonzentration 2,56 ‰) kann die Einsichts- und Hemmungsfähigkeit erheblich vermindern. Es muss bei Personenschäden festgestellt werden, ob der VN die Verletzungsfolgen – hier: Schädigung von 40 % der Haut durch Verbrennungen dritten und vierten Grades – trotz seiner hohen Blutalkoholkonzentration unter Berücksichtigung seiner intellektuellen Fähigkeiten im Wesentlichen vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat. Es spricht gegen die Annahme des Vorsatzes, wenn der VN, nachdem er die Kleidung des anderen angezündet hat, sofort versucht, die Flammen zu löschen. OLG Köln 31.5.1994 – 9 U 71/94, RuS 1995 9: Derjenige, der während einer mit Fäusten ausgetragenen (Wirtshaus-)Schlägerei ein abgebrochenes oder zerbrochenes Bierglas ergreift, will dieses nach der Lebenserfahrung als „Waffe“ einsetzen. Wer in einer solchen Situation einen Schlag oder Stoß mit dem abgesplitterten Glas gegen einen anderen führt, ohne sich sicher sein zu können, wo dessen Körper getroffen werden wird, der nimmt billigend in Kauf, dass auch überaus verletzliche Körperpartien wie insbesondere das Gesicht mit der Folge schwerwiegender Schnittverletzungen (hier: des Augenlides) Zielscheibe des Angriffs werden. OLG Hamm 3.2.1993 – 20 U 124/92, VersR 1994 41: Keine vorsätzliche Todesfolge bei ungezieltem Messerstich, der durch die starke Erregung des Klägers ausgelöst worden ist. Vorausgegangen war nicht nur eine Schlägerei oder Rangelei zwischen dem Kläger und dem Gastwirt. Kurz vor dem Messerstich waren vielmehr die beiden getrennt worden und der Kläger hatte gesagt, dass nun Schluss sein sollte. Danach wandte sich der Gastwirt vom Kläger weg, ging in Richtung Theke, drehte sich dann aber plötzlich um und schlug dem Kläger mit der Faust ins Gesicht. Die dann folgende Reaktion des Klägers, nämlich Wegstoßen, Messerziehen und Zustechen, läßt nicht ohne weiteres den Schluss zu, dies müsse mit Tötungsabsicht erfolgt sein. Auch die Tatsache, dass der Kläger unmittelbar danach das Messer auf den Boden warf und den anderen Gästen zurief, Polizei und Notarzt müssten verständigt werden, spricht eher gegen eine Tötungsabsicht. LG Bochum 17.9.1991 – 1 O 510/91, zfs 1993 163: Schlägt der VN mit einem Bierglas vorsätzlich in das Gesicht des Opfers, so dass dieses verletzt wird und das Augenlicht verliert, so ist von einer vorsätzlichen Schadensherbeiführung auszugehen. LG Bad Kreuznach 18.8.1987 – 1 S 150/87, RuS 1988 163: Versetzt der Haftpflichtversicherte einem Dritten mit einem Motorradhelm einen kräftigen Schlag von vorn ins Gesicht, so nimmt er den Verlust zweier Schneidezähne in Kauf.
259
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
LG Düsseldorf 8.3.1966 – 16 O 49/66, VersR 1968 438: Schlägt der VN mit einem 60 cm langen Rundholz von etwa 8 cm Durchmesser nach dem Kopf des Opfers und trifft es dabei an der Schläfe, hat der VN den hierdurch herbeigeführten Tod vorsätzlich herbeigeführt.
55 (3) Körperverletzungen als Folge von Jux, Albernheit, Spaß, Spielerei Ausgelassenheit, Unfug. OLG Saarbrücken 27.5.2009 – 5 U 461/08, zfs 2009 699: Verletzt ein VN eine Begleiterin bei einem Konzert durch eine Art „stage-diving“, so nimmt er zwar gewisse körperliche Schäden wie Prellungen, Zerrungen oder Stauchungen billigend in Kauf, regelmäßig nicht aber schwere Wirbelbrüche und Bandscheibenschäden. In einem solchen Fall lässt sich für den Risikoausschluss auch nicht zwischen vorsätzlich verursachten leichteren und fahrlässig verursachten schweren Schäden trennen. OLG Karlsruhe 21.8.1997 – 12 U 109/97, RuS 1998 189: Selbst wenn es kaum zu verstehen ist, dass der VN beim Abfeuern einer Silvesterrakete in Richtung von Mitfeiernden deren Gefährdung nicht realisiert haben sollte, kann – wenn der VN sich in alkoholbedingt fröhlicher Stimmung befand und es nicht zu Streitereien gekommen ist – nicht ausgeschlossen werden, dass der VN mit dem Abfeuern von Feuerwerkskörpern die Mitfeiernden nur erschrecken wollte. OLG Saarbrücken 11.1.1992 – 5 U 24/92, VersR 1993 1004: VN hat bei einem Schuss mit der Schreckschusspistole aus 50 cm Entfernung keinen Vorsatz hinsichtlich einer Innenohrschädigung.131 OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, RuS 1992 47: Vorsätzlich ist eine Schussverletzung nicht herbeigeführt, wenn der Versicherte eine Schreckschusspistole in der Annahme auf einen Menschen abfeuert, dass die Pistole nicht geladen ist. OLG Düsseldorf 13.12.1937 – 6 U 149/37, VA 1937 240: Auf einer Silvesterfeier zog ein Teilnehmer den anderen von seinem Sitz auf einer Treppe, wodurch dieser sich die Beine brach; gewollt war aber lediglich ein unangebrachter Scherz. Genau so dürften in aller Regel die Vorstellungen desjenigen sein, der „zum Scherz“ einem sich hinsetzenden Dritten den Stuhl wegzieht. RG 20.4.1917 – VII 425/16, VA 1917 60: Verlust des Auges durch Schuss mit einer Zimmerflinte; gewollt war eine harmlose Schmerzzufügung durch einen Schuss auf den entblößten Rücken.
56 (4) Körperverletzungen und Sachschäden durch Minderjährige. OLG Karlsruhe 13.12.2013 – 9 U 27/13, VersR 2014 994: Bei einem zwölfjährigen Jungen, der „mit dem Feuer spielt“, kann nicht ohne Weiteres von der objektiv erkennbaren Gefährlichkeit seines Tuns auf einen bedingten Schädigungsvorsatz (hier: Abbrennen der Gartenhütte) geschlossen werden. OLG Koblenz 24.6.2013 – 10 U 235/13, VersR 2014 1450: Für einen 17-Jährigen mit Erfahrung in Judo und Krafttraining liegt es auf der Hand, dass bei einem gezielten mit großer Wucht gegen den Kopf ausgeführten Faustschlag und einem darauf beruhenden Sturz des Angegriffenen schwere Verletzungen (Schädel-Hirn-Trauma) eintreten können. OLG Schleswig 22.11.2007 – 16 U 9/07, RuS 2008 67: Hat ein 15-Jähriger einen Feuerlöscher in der Kirche benutzt, beschränkt sich seine Vorstellung darauf, dass der Kirchenraum verschmutzt wird. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Gefährdung des Inventars fehlt es dagegen am Vorsatz.132 OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/06, NJW-RR 2008 45: Im Hinblick auf das Alter des klägerischen Sohns M zum Schadenszeitpunkt von 13 Jahren kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dieser bei der Betätigung des Feuerlöschers den Vorsatz hatte, mit diesem den Kirchenraum zu verschmutzen. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass M darüber hinaus gewusst oder billigend in Kauf genommen hätte, dass mit der Betätigung des Feuerlöschers der 131 Vgl. auch OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, VersR 1992 86, 87. 132 Vgl. auch OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/06, VersR 2007 1506 = NJW-RR 2008 45, 46. Koch
260
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
gesamte Kirchenraum mit derart weitreichenden Folgen verschmutzt würde. Durch das austretende Löschmittel wurden weite Bereiche des Kircheninneren, die Sitzbank, der Boden sowie Teile der Orgel, Metall- und Kunstgegenstände beschmutzt. Allein die Tatsache, dass M mit einem Feuerlöscher im Kircheninnenraum Pulver versprühte, lässt insoweit noch keinen Rückschluss auf einen solchen Schädigungsvorsatz zu, auch dann nicht, wenn – wie der Bekl. behauptet – M den Feuerlöscher über mindestens 16 Sekunden hinweg betätigt und vollständig entleert haben sollte. Es sind keine Indizien für den sich in der subjektiven Sphäre des M abspielenden bedingten Vorsatz ersichtlich. Vielmehr sprechen die Umstände dafür, dass der Grad der Verschmutzungs- und Beschädigungsfolgen – nicht nur die Höhe der Kosten – sein Vorstellungsvermögen eindeutig überstieg. OLG Düsseldorf 17.12.2002 – 4 U 107/02, RuS 2004 457: Schüttet ein 12½-jähriges spielendes Kind brennbare Flüssigkeit auf den Boden eines hölzernen Carports und steckt die Flüssigkeit an, muss es nicht damit rechnen, dass die Flammen die Aufbauten erreichen und auf das in der Nähe geparkte Kfz übergreifen. OLG Düsseldorf 12.12.2000 – 4 U 46/00, VersR 2002 89: Der VR ist nicht verpflichtet, aus einer Haftpflichtversicherung Deckungsschutz für den Schaden zu gewähren, den ein zwölf Jahre alter Realschüler gemeinsam mit anderen Schülern nach Einbruch in die Schule durch Zerstörungen, durch Vandalismus und durch Fluten der Räume mittels Öffnen der Wasserhähne bei gleichzeitigem Verstopfen der Abflüsse mutwillig angerichtet hat. LG Düsseldorf 19.10.1999 – 11 O 246/99, RuS 2000 233: Für die Anwendbarkeit des Vorsatzausschlusses kann es darauf ankommen, ob der Schaden durch Mechanismen verursacht wurde, die nicht zum Erfahrungsschatz eines Minderjährigen gehören oder durch Mechanismen, die ihm seit vielen Jahren vertraut sind (etwa Wirkungen von Wasser; hier: Verstopfen und Überlaufenlassen von Waschbecken). Zum Vorsatz gehört nicht, dass die Höhe des Schadens richtig eingeschätzt wird. AG Neuwied 23.11.1998 – 14 C 1267/98, RuS 1999 235: Wer gegen eine am Boden liegende Person einen ungezielten Tritt ausführt, nimmt Verletzungen – hier: Kieferverletzungen, Zahnverlust – in Kauf, denn der am Boden liegende Mensch kann überall getroffen werden – auch am Kopf. Dies trifft auch auf einen 14-Jährigen zu, wobei es keine Rolle spielt, wenn der minderjährige Täter hyperaktiv und affektlabil ist, so dass er auf Provokationen nicht adäquat zu reagieren vermag. OLG Frankfurt 24.7.1997 – 15 U 143/96, VersR 1998 573: Zündet ein ca. zehnjähriges Kind gemeinsam mit Spielkameraden (wie bereits mehrfach zuvor) in einem Sonnenstudio eine aus Papierhandtüchern bestehende „Papierspur“ an, ist nicht davon auszugehen, dass sich der (bedingte) Vorsatz des Kindes auf einen durch das brennende Papier verursachten Großband erstreckt. AG Hannover 23.7.1996 – 534 C 6606/95, RuS 1997 12: Ein achtjähriger Junge, der einem anderen Jungen einen Feuerwerkskörper („Feuer-Wespen-Wirbel“ oder „Silber-Wirbel“) unter die Jacke steckt, handelt hinsichtlich der eingetretenen Körper- und Sachschäden mit zumindest bedingtem Vorsatz. LG Oldenburg 1.3.1996 – 2 S 1333/95, NJW-RR 1997 92: Die Beweiserleichterung, nach der aus einem erkennbar objektiv gefährlichen Geschehensablauf auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden kann, gilt bei Kindern nur eingeschränkt. Ein normal entwickeltes neunjähriges Kind, welches nach Erkennen erheblicher von ihm verursachter Lackschäden an einem Pkw die schädigende Handlung fortsetzt, handelt mindestens mit bedingter Schädigungsabsicht. LG Augsburg 26.5.1986 – 3 O 1672/86, zfs 1986 378: Ein normal entwickelter 12½-jähriger Junge, der auf einen Parkplatz mit Hilfe eines Steines den Lack von einer ganzen Anzahl von Pkws zerkratzt, ist sich der Folgen seines Tuns bewusst und handelt somit vorsätzlich. Von einer verminderten Einsichtsfähigkeit wegen übermäßigen Spieltriebes kann hier keine Rede sein. BGH 23.2.1983 – IVa ZR 130/81, VersR 1983 477: Ein 15-jähriger Junge hatte unmittelbar neben einem Zelt einen Papierhaufen in Brand gesetzt. Der BGH hob das die Deckungsklage abweisende Urteil auf und verwies die Sache an das OLG Hamm mit der Begründung, dass die 261
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Einlassung des Jungen, er habe vorgehabt, den Papierhaufen durch Austreten mit den Füßen wieder zu löschen, sei aber erschrocken davongelaufen, weil das Feuer plötzlich zu groß geworden sei, nicht widerlegt worden sei. Sollte dies zutreffen, so der BGH, hätte der Vorsatz des Jungen den Brand des Zeltes nicht umfasst, selbst wenn der Kläger die Einsicht gehabt haben sollte, das Feuer werde vom Papierhaufen auf das Zelt übergreifen, falls es vorher nicht „ausgetreten“ würde. OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178: Ob sich der Vorsatz des 11 Jahre alten Klägers, der in seinem Heimatort J. mehrere Scheunen angesteckt hat, in der Stroh und Heu lagerten und landwirtschaftliche Geräte abgestellt waren und die bis auf die Grundmauern niederbrannten, auf den eingetretenen Schaden erstreckt, ist im Deckungsprozess zu prüfen. OLG Düsseldorf 29.3.1966 – 4 U 300/65, VersR 1966 481: Der minderjährige Versicherte hatte aus Neckerei einem anderen Jungen ein brennendes Streichholz in die Hosentasche geworfen, in der sich – wie der Versicherte wusste – Feuerwerksraketen befanden. Das Gericht hielt es für unwahrscheinlich, dass Brandverletzungen gewollt oder auch nur als mögliche Folge billigend in Kauf genommen worden seien.
57 bb) Brandstiftung. OLG Hamm 6.2.2002 – 20 U 151/01, VersR 2002 1369: Hat der Versicherte in einer Remise Heu auf einem Wagen entzündet, um auf diese Weise einen Feuerwehreinsatz zu provozieren, an dem er selbst als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr teilnehmen wollte, und hat er bemerkt, dass in der Remise weiteres entzündbares Material (Stroh) gelagert war, so erstreckt sich der Vorsatz auch auf das Abbrennen der gesamten Remise: Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Versicherte um die leichte Brennbarkeit des Strohs wusste, da er zuvor wiederholt schon anderweitig Strohballen entzündet hatte, ebenfalls in der Absicht, Feuerwehreinsätze zu provozieren. Er konnte daher voraussehen, wie die Flammen aus den beladenen Strohwagen hochschlagen würden. Ein Alkoholspiegel von 1 ‰ zur Tatzeit spricht zumindest dann nicht gegen die Vorsatzannahme, wenn der Täter unmittelbar nach der Tat keine Ausfallerscheinungen zeigte.
58 cc) Schädigung Dritter anlässlich einer (versuchten) Selbsttötung. OLG München 11.3.2020 – 10 U 2150/18, NJW-RR 2020 921: VN, der in Selbsttötungsabsicht einem mit hoher Geschwindigkeit herannahenden ICE-Zug entgegengeht, um sich von diesem überfahren zu lassen, handelt hinsichtlich der Schäden an dem Zug und der daraus resultierenden Folgeschäden vorsätzlich. OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594: Bei einem erweiterten Suizid bezieht der VN, der nach der Tötung seines Sohnes seine eigene Wohnung in Brand setzt, um sich umzubringen, nicht zwangsläufig die Schädigung von Rechtsgütern der am Familienkonflikt unbeteiligten Mieterin in sein Vorstellungsbild ein. OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58: Der VN, der in Selbsttötungsabsicht einem mit 200 km/h herannahenden ICE-Zug entgegengeht, um sich von diesem überfahren zu lassen, handelt hinsichtlich der Schäden an dem Zug und der daraus resultierenden Folgeschäden vorsätzlich, wenn er trotz seiner psychischen Ausnahmesituation nach seinem Bildungsstand und seinen Kenntnissen von den Folgen eines derartigen Selbstmordes damit rechnen musste, dass solche Schadensfolgen zwangsläufig eintreten. Der Nachweis des Vorsatzes kann regelmäßig aus dem objektiven Geschehensablauf geführt werden. Dies bedeutet, dass dann, wenn nach den Verhältnissen anzunehmen ist, dass sich der Versicherte über die Folgen seines Tuns klar sein musste, daraus regelmäßig gefolgert werden kann, dass er sich über die Folgen auch tatsächlich bewusst war.133 133 Vgl. nur OLG Düsseldorf 29.3.1966 – 4 U 300/65, VersR 1966 481 und OLG Karlsruhe 16.6.1994 – 12 U 60/94, RuS 1995 408, 409. Koch
262
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
LG Aachen 19.10.1990 – 5 S 320/90, RuS 1990 409: Wer sich in Selbstmordabsicht aus einem Hochhaus stürzt und auf einen vor dem Haus parkenden Pkw fällt, handelt wegen der Sachbeschädigung des Pkws nicht vorsätzlich. Angesichts der psychischen Ausnahmesituation kann aus objektiven Tatsachen nicht auf die subjektive Einstellung des Selbstmörders geschlossen werden. Ob ein Selbstmord nicht mehr den „Gefahren des täglichen Lebens“ zugerechnet werden kann, ist sehr zweifelhaft und bleibt offen. Der Sprung aus einem Hochhaus in selbstmörderischer Absicht ist „ungewöhnlich und gefährlich“, so dass für dabei verursachte Schäden kein Deckungsschutz besteht. OLG Hamm 23.11.1984 – 20 U 187/84, VersR 1985 463: Werden infolge des Selbstmordes des VN Dritte geschädigt (hier: Zerstörung eines Hauses durch Explosion infolge der Öffnung der Gasleitungen durch den VN anlässlich seines Selbstmordes), so muss der Haftpflichtversicherer beweisen, dass der VN die Folgen seines Tuns (Explosion des Hauses) wollte oder billigend in Kauf nahm. Aus der sich in der Tat aufdrängenden Gefährlichkeit des Tuns des VN kann nicht darauf geschlossen werden, dass ihm dies auch bewusst war und er darüber hinaus die Gefährlichkeit etwaiger Folgen noch billigend in Kauf genommen hat, denn die Vorstellungen und Willensrichtungen eines Selbstmörders vor der Tat sind nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.
dd) Sachschäden. OLG Köln 25.3.1993 – 5 U 179/92, RuS 1993 333: Dem Kläger stand das 59 realistische Risiko eines Schadenseintrittes (Schäden an der Tankanlage) vor Augen, als er die Pappel ohne die im Gutachten genannten Sicherungsmaßnahmen fällte und die übrigen Pappeln im Schadensbereich schlechthin zu fällen bereit war. Wenn er dessen ungeachtet die Fällaktion auftragsgemäß durchführte, ohne bei der einen Pappel die oben genannten Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, und im Übrigen das bei den anderen Pappeln im Schadensbereich in jedem Fall bestehende Schadensrisiko hinnahm, ohne z.B. einen Haftungsausschluss insoweit mit dem Auftraggeber zu vereinbaren, so nahm er den möglichen bzw. naheliegenden Schadenseintritt im Sinne von bedingtem Vorsatz billigend in Kauf. ee) Schäden durch Lieferung oder Herstellung mangelhafter Waren, Erzeugnisse oder 60 Arbeiten (Ziff. 7.2 AHB/§ 4 II Ziff. 2 Satz 1 AHB a.F.). OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/ 02, VersR 2003 987: Bei der Lieferung oder Herstellung von Waren, Erzeugnissen oder Arbeiten steht die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der Waren usw. dem Vorsatz gleich. Die Gleichsetzung mit der vorsätzlichen Schadensherbeiführung macht dabei deutlich, dass hohe Anforderungen an die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit zu stellen sind. Nach den von der Beklagten in Bezug genommenen Feststellungen des Sachverständigen T war an den ihm übergebenen Untersuchungsstücken kein „versierter Handwerker“ tätig gewesen. Dies und der Umstand, dass die Heizrohre nach den Ausführungen des Sachverständigen T stellenweise nicht hinreichend bis zu 10 mm ineinander geschoben und teils auch nicht sachgemäß gelötet worden waren, vermag für sich allein betrachtet keine Kenntnis von der Mangelhaftigkeit der durchgeführten Handwerkerleistungen zu belegen. Mängel am Bauwerk in der beschriebenen Art sind in der Regel auf eine nicht genügende Beachtung der Verlegungs- und DIN-Vorschriften zurückzuführen und begründen ohne besondere weitere Anhaltspunkte nur eine fahrlässige Handlungsweise des Handwerkers. OLG Stuttgart 5.5.1994 – 7 U 313/93, RuS 1994 451: Stellt der VN einen Gasherd zu dicht an einer im Innern brennbares Material enthaltenden Wand auf, was gegen die einschlägigen technischen Richtlinien für die Gasinstallation verstößt, nimmt aber aufgrund des äußeren Zustands der Wand an, diese enthalte keine brennbaren Stoffe, liegt keine vorsätzliche Schadensherbeiführung vor. Für das Eingreifen des Risikoausschlusses nach § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB ist die positive Kenntnis von der Mangelhaftigkeit und der Schädlichkeit der Waren, Erzeugnisse oder Arbeiten erforderlich. An die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit und der Schädlichkeit (hier: der Werkleistung) sind hohe Anforderungen zu stellen. 263
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
OLG Nürnberg 10.1.1964 – 4 U 8/63, VersR 1965 225: Für den Tod des Dritten infolge Durchgehens eines mit unzutreffenden Eignungsangaben verkauften Pferdes besteht kein Versicherungssschutz gem. § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB, weil dem Verkäufer genau bekannt war, dass die von ihm gelieferte Rotschimmelstute für die Verwendung als Einspänner und Sattelpferd erst abgerichtet werden musste und dass eine Verwendung ohne vorherige Abrichtung und in Unkenntnis der mangelnden Abrichtung die Gefahr mit sich brachte, dass der Pferdelenker infolge Scheuens und Durchgehens des Pferdes körperlichen Schaden erlitt.
d) Verantwortlichkeit/Zurechnungsfähigkeit 61 aa) § 827 BGB. Im Zivilrecht setzen Haftungstatbestände, die ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit i.S.v. § 276 BGB) voraussetzen, persönliche Verantwortungsfähigkeit (Schuldfähigkeit) voraus. Folglich entfällt nach § 827 Satz 1 BGB die Einstandspflicht des Schädigers für Schäden infolge unerlaubter Handlungen, die mit natürlichem Vorsatz (Rn. 46) herbeigeführt worden sind, wenn er sich zum Zeitpunkt der Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. M.a.W. ist vorsätzliches Handeln im Rechtssinn nur so lange möglich, bis ein Täter den Zustand einer Zurechnungsunfähigkeit i.S.v. § 827 BGB erreicht und damit ein Ausschluss der Wahrnehmungsfähigkeit oder der freien Willensbestimmung eintritt.134 Dies gilt nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für das Vertragsrecht. Nach allgemeiner Ansicht ist § 827 Satz 1 BGB darüber hinaus überall dort anwendbar, wo eine Rechtsfolge an ein Verschulden anknüpft.135 Insoweit gelten die zu § 827 BGB entwickelten Grundsätze hinsichtlich des Erfordernisses der Zurechnungsfähigkeit auch für den subjektiven Risikoausschluss der Ziff. 7.1 AHB.136 62 Ist eine vorübergehende Schuldunfähigkeit zur Tatzeit auf Alkohol oder andere berauschende Mittel zurückzuführen, haftet der Schädiger nach § 827 Satz 2 BGB, „wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele“, es sei denn, ihn träfe an diesem Zustand kein Verschulden. Wird der VN nach § 827 Satz 2 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen, ist der VR somit zur Deckung verpflichtet. Der Ausschluss gem. Zif. 7.1 AHB greift nicht ein.137 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Grundsätze der actio libera in causa zum Tragen kommen, der VN sich also vor der Tat vorsätzlich (im Rechtssinn) in den Zustand der Willensunfreiheit gesetzt hat, um dem Opfer Schäden zuzufügen.138 Nimmt der Geschädigte den VN gem. § 829 BGB auf Schadensersatz in Anspruch, greift 63 Ziff. 7.1 AHB ebenfalls nicht ein, da für den Ausschluss nach Ziff. 7.1 AHB Vorsatz im natürlichen Sinne nicht genügt (zur Bedeutung der Haftpflichtversicherung im Rahmen des § 829 BGB vgl. Einleitung Rn. 27 ff. und 42). Unter den Voraussetzungen des § 832 BGB kommt eine Haftung der Aufsichtspflichtigen in Betracht. Eine bloße Minderung der Willenskraft führt nicht zum Ausschluss der Verantwortlich64 keit. Sie ist aber bei der Feststellung des Vorsatzes sowohl auf der Ebene der Haftungsbegründung als auch hinsichtlich des Schadensfolgen zu berücksichtigen und somit auch von Bedeu134 BGH 9.11.2005 – IV ZR 146/04. RuS 2006 99, 100 = NJW 2006 292, 294; OLG München 11.3.2020 – 10 U 2150/ 18, NJW-RR 2020 921. 135 Staudinger/Oechsler (2018) § 827 Rn. 4; MüKoBGB/Wagner § 827 Rn. 4. 136 Allg.M., vgl. BGH 20.6.1990 – IV ZR 298/89, BGHZ 111 372, 374 f. = NJW 1990 2387, 2388; OLG München 11.3.2020 – 10 U 2150/18, NJW-RR 2020 921: LG Dortmund 22.10.2015 – 2 O 203/13, RuS 2016 126, 128; Staudinger/ Oechsler (2018) § 827 Rn. 25; MüKoBGB/Wagner § 827 Rn. 5; Felsch RuS 2010 265, 273; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 8; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 15. 137 LG Dortmund 22.10.2015 – 2 O 203/13, RuS 2016 126, 128. 138 LG Dortmund 22.10.2015 – 2 O 203/13, RuS 2016 126, 128; MüKoBGB/Wagner § 827 Rn. 10; Grüneberg/Sprau § 827 Rn. 2; Staudinger/Caspers (2019) § 276 Rn. 106; vgl. auch zu § 61 VVG a.F. BGH 22.2.1989 – IVa ZR 274/87, RuS 1989 349, 350; OLG Hamm 31.5.2000 – 20 U 231/99, RuS 2001 55, 56; OLG Oldenburg 16.8.1995 – 2 U 103/95, VersR 1996 1270, 1271. Koch
264
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
tung für Ziff. 7.1 AHB.139 Gleiches gilt bei krankhafter Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen eines Handelns oder der Unfähigkeit zu vernünftigen Überlegungen.140 In allen diesen Fällen stellt sich die Frage, ob dem VN die erforderliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit für die Annahme auch nur bedingten Vorsatzes, bezogen auch auf die Schadensfolgen, fehlt.141 Betroffen ist vor allem der Bereich der Trunkenheit (Rn. 66).142
bb) § 828 BGB. Kinder, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, haften gem. 65 § 828 Abs. 1 BGB – abgesehen von dem Ausnahmefall des § 829 BGB – grundsätzlich nicht.143 Jugendliche im Alter von sieben bis 18 Jahren haften dagegen nach § 828 Abs. 2 Satz 2 BGB für die vorsätzliche Herbeiführung von Verletzungen. Hier kann der Ausschluss gem. Ziff. 7.1 AHB zum Tragen kommen, soweit sich der Vorsatz auch auf die Schadensfolgen erstreckt. Voraussetzung für eine Haftung nach § 828 Abs. 2 Satz 2 BGB ist jedoch, dass der Jugendliche zurechnungsfähig ist. Er muss gem. § 828 Abs. 3 BGB bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht gehabt haben. Nur dann handelt er vorsätzlich im Rechtssinn. Ob der Jugendliche die erforderliche Einsicht hatte, entzieht sich einer generellen Bewertung. Wie die Kasuistik belegt,144 sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Nicht entscheidend ist hingegen das Alter.
cc) Trunkenheit oder sonstige Berauschungszustände. Trunkenheit oder sonstige Berau- 66 schungszustände können in Extremfällen die freie Willensbetätigung (vorübergehend) ausschließen.145 Eine Haftung wegen Vorsatzes scheidet dann aus, soweit nicht ein Fall der actio libera in causa vorliegt (Rn. 62). Allerdings gibt es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration die freie Willensbetätigung ausgeschlossen ist.146 Nach der Rechtsprechung ist die Blutalkoholkonzentration zudem nicht allein 139 Vgl. OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594. 140 RG 22.2.1924 – III 259/23, RGZ 108 86, 90; BGH 5.7.1965 – 5.7.1965, VersR 1965 949, 950; BGH 25.4.1966 – II ZR 148/64, VersR 1966 579; BGH 25.1.1977 – VI ZR 166/74, VersR 1977 430, 431; BAG 28.2.1979 – 5 AZR 611/77, NJW 1979 2326; ebenso BGH 9.11.2005 – IV ZR 146/04, NJW 2006 292, 293 = VersR 2006 108, 109; OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594. 141 Vgl. BGH 17.6.1998 – IV ZR 163/97, RuS 1998 367, 368 = VersR 1998 1011; OLG Bamberg 8.8.2006 – 5 U 247/04, NZV 2007 237, 240: Affektstarre mit kurzzeitiger Handlungsunfähigkeit; OLG Hamm 18.8.2000 – 20 U 26/00, NVersZ 2001 134, 136 = RuS 2001 145, 147; OLG Düsseldorf 25.5.1999 – 4 U 84/98, NVersZ 2000 97, 98 = VersR 2000 447, 448: Insbesondere wenn der VN stark unter Alkoholeinfluss steht, ist nicht in jedem Fall die billigende Inkaufnahme aller eingetretenen Verletzungsfolgen anzunehmen. 142 Nach Ansicht des OLG München 11.3.2020 – 10 U 2150/18, NJW-RR 2020 921 f. lässt ein Selbstmord mit einem BAK von knapp 2 ‰ nicht den Schluss auf einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des VN zur Tatzeit zu. 143 Vgl. BGH 21.5.1963 – VI ZR 254/62, BGHZ 39 281, 284; RG 13.12.1934 – VI 340/34, RGZ 146 213, 245; ÖOGH 10.12.1987 – 7 Ob 55/87, VersR 1989 426 (Vorsatzverneinung bei sechsjährigem Kind). 144 OLG Schleswig 22.11.2007 – 16 U 9/07, RuS 2008 67 (Teilvorsatz eines Fünfzehnjährigen); AG Neuwied 23.11.1998 – 14 C 1267/98, RuS 1999 235, 236 (Vorsatz eines Vierzehnjährigen); OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/ 06, NJW-RR 2008 45, 46 und LG Saarbrücken 24.9.1999 – 13 AS 47/99, VersR 2000 882 (jeweils Vorsatz eines Dreizehnjährigen); OLG Düsseldorf 12.12.2000 – 4 U 46/00, VersR 2002 89, 90 = RuS 2001 500, 501 (Vorsatz eines Zwölfjährigen); LG Augsburg 26.5.1986 – 3 O 1672/86, zfs 1986 378 (Vorsatz eines Zwölfeinhalbjährigen); OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178, 179 (Vorsatz eines Elfjährigen); OLG Frankfurt 24.7.1997 – 15 U 143/96, VersR 1998 573, 575 (kein Vorsatz eines ca. zehnjährigen Kindes); LG Oldenburg 1.3.1996 – 2 S 1333/95, VersR 1996 1487, 1488 = NJW-RR 1997 92, 93 (Vorsatz eines Neunjährigen); AG Hannover 23.7.1996 – 534 C 6606/95, RuS 1997 12, 13 (Vorsatz eines achtjährigen Jungen). 145 MüKoBGB/Wagner § 827 Rn. 8; Staudinger/Oechsler (2018) § 827 Rn. 12. 146 BGH 29.10.2008 – IV ZR 272/06, RuS 2010 16, 18; BGH 17.5.1965 – II ZR 48/65, VersR 1965 656; BGH 17.11.1966 – II ZR 156/64, VersR 1967 125, 126. 265
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
maßgeblich für das Vorliegen eines alkoholbedingten, die freie Willensbetätigung ausschließenden Zustandes krankhafter Störung der Geistestätigkeit i.S.v. § 827 BGB. Selbst bei hohen Alkoholisierungsgraden sollen im Einzelfall psychodiagnostische Beweisanzeichen der Annahme einer krankhaften Störung entgegenstehen.147 Der BGH hatte zunächst bei BAK-Werten von 2,26 ‰ bzw. 2,5 ‰ Zurechnungsfähigkeit verneint.148 In späteren Entscheidungen hat er die Anforderungen an die fehlende Zurechnungsfähigkeit jedoch verschärft und selbst bei BAK von über 2,5 ‰ die Zurechnung bejaht.149 Diese Tendenz lässt sich auch in der Rechtsprechung der Obergerichte beobachten, die selbst bei BAK-Werten von 3,00 ‰ und mehr Zurechnung bejahen.150 Aber auch nur eine eingeschränkte, den bedingten Vorsatz ausschließende, Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit wird nur in Ausnahmefällen angenommen.151
4. Zurechnung des Verhaltens Dritter 67 In der Haftpflichtversicherung gilt der Grundsatz, dass nur derjenige Interesseträger, der vorsätzlich i.S.v. Ziff. 7.1 AHB handelt, seinen Versicherungsschutz verliert.152 Die Zurechnung des Verhaltens Dritter bedarf deshalb wie auch sonst besonderer Rechtfertigung.
147 BGH 29.10.2008 – IV ZR 272/06, RuS 2010 16, 18. 148 BGH 4.11.1966 – VI ZR 41/65, VersR 1967 82, 83; BGH 4.11.1966 – II ZR 156/64, VersR 1967 125, 126. 149 BGH 17.6.1998 – IV ZR 163/97, RuS 1998 367, 368 = VersR 1998 1011: (BAK-Wert von 2,56 ‰); BGH 4.11.1966 – II ZR 156/64, VersR 1967 125 ff.: BAK-Wert von 2,66 ‰). 150 OLG Koblenz 19.8.2013 – 5 U 847/13, MDR 2013 1346 (BAK-Wert im Bereich von 4 ‰); OLG Hamm 15.6.2005 – 13 U 63/05, zfs 2006 75, 76 (BAK-Wert von 2,28 ‰); OLG Hamm 31.5.2000 – 20 U 231/99, NVersZ 2000 524, 525 (BAK-Wert von 2,96 ‰); OLG Hamm 6.11.1996 – 20 U 28/96, RuS 1997 103, 104 (BAK-Wert von 2,3 bis 3,3 ‰); OLG Köln 24.1.1995 – 9 U 31/94, RuS 1995 406, 407 (BAK-Wert von 2,93 ‰); OLG Hamm 22.11.1991 – 20 U 141/91, VersR 1992 818 ff.; OLG Frankfurt/M. 14.4.1999 – 7 U 87/98, VersR 2000 883 (BAK-Wert von 3,00 ‰); OLG Köln 14.12.1977 – 2 U 67/77, VersR 1978 265, 266 = RuS 1978 99 (BAK-Wert von 2,4 ‰). 151 Vgl. OLG Nürnberg 7.6.2011 – 3 U 188/11, RuS 2012 65, 67: Vorsatz bejaht bei BAK zwischen 0,87 und 1,33 ‰ und Gamma-Hydroxybuttersäure (Iiquid ecstasy) in einer Konzentration von 70 μg/ml; OLG Hamm 15.6.2005 – 13 U 63/05, zfs 2006 75, 76: Vorsatz bejahend bei BAK von 2,28 ‰; OLG Bamberg 8.8.2006 – 5 U 247/04, NZV 2007 237; OLG Koblenz 12.8.2002 – 12 U 823/01, zfs 2003 68, 69 f.; OLG Hamm 6.2.2002 – 20 U 151/01, VersR 2002 1369, 1370 = RuS 2002 323, 324: „Die Alkoholisierung mag den Zeugen enthemmt haben; darauf, daß er bei einem Alkoholspiegel von ca. 1 ‰ zur Tatzeit erheblich in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gemindert war, deutet jedoch nichts hin“; OLG Hamm 6.11.1996 – 20 U 28/96, RuS 1997 103, 104: Vorsatz unter Berücksichtigung der Art der Verletzungshandlung und der Persönlichkeit des VN verneint bei BAK von 2,3 bis 3,3 ‰; Hans. OLG Hamburg 23.10.1991 – 4 U 95/91, RuS 1993 174 = VersR 1992 1127: Vorsatz bejahend bei BAK von 2 ‰ zur Tatzeit; OLG Nürnberg 27.4.1989 – 8 U 4187/88, RuS 1989 275, 276 = VersR 1990 375: Vorsatz bei BAK von mind. 1,81 ‰ mit der Begründung verneint, dass sich der Kläger aufgrund der polizeilichen Verfolgung, des Unfalles während der Verfolgungsfahrt, der bevorstehenden polizeilichen Kontrolle und der Furcht vor dem Verlust der Fahrerlaubnis, auf die er beruflich angewiesen ist, in einem zwar selbst verschuldeten, aber doch erheblichen Erregungszustand, ferner unter ebensolchem Alkoholeinfluss befand; LG Koblenz 1.10.1987 – 3 S 269/86, RuS 1989 5: Hat der alkoholisierte VN den Unfall nicht durch eine einmalige, alkoholbedingte Fehlreaktion herbeigeführt, sondern hat er während einer Verfolgungsjagd das Fahrzeug des Geschädigten 10- bis 15-mal von hinten angestoßen, bis dieser schließlich nach einem besonders starken Anprall die Herrschaft über sein Fahrzeug verlor und von der Straße abkam, so liegt eine bedingt vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles vor; OLG Frankfurt/M. 13.1.1977 – 1 U 63/76, RuS 1977 73: Wenn der VN gegen eine geschlossene Bahnschranke fährt, danach bei der Polizei die Selbstmordabsicht betont und etwa 14 Tage später tatsächlich Selbstmord begeht, ist von Vorsatz auszugehen. Depressive Zustände sowie eine BAK von 1,15 ‰ schließen die Möglichkeit einer freien Willensbestimmung nicht aus, solange der von Motiven gelenkte Wille noch Einfluss auf die Entscheidung des VN hat und sie insoweit verständlich macht. 152 Vgl. BGH 15.12.1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971 459 f. = VersR 1971 239. Koch
266
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
a) Mehrheit von VN. Bei einer Mehrheit von VN, die einen „einheitlichen“ Versicherungsver- 68 trag abschließen (z.B. Bruchteilsgemeinschaft, Gesamthandsgemeinschaft), hat die Rechtsprechung in der Sachversicherung im Rahmen des § 61 a.F. eine wechselseitige Zurechnung mit der Begründung bejaht, die Versicherung sei auf ein einheitliches und gleichartiges Interesse aller Mitversicherten bezogen.153 Ob dieser Ansicht zu folgen ist,154 kann dahinstehen. Da es in der Haftpflichtversicherung an einem einheitlichen, gemeinschaftlichen Interesse der VN fehlt, käme eine Zurechnung mit der für den Bereich der Sachversicherung von der Rechtsprechung gegebenen Begründung nicht in Betracht. Allein das Interesse jedes Einzelnen an der Freistellung von Haftpflichtansprüchen genügt insoweit nicht.155 Eine Zurechnung findet nur in den Fällen statt, in denen der vorsätzlich handelnde Mitversicherungsnehmer zugleich Repräsentant eines anderen (zum Begriff des Repräsentanten s. Rn. 79) ist.156 In diesem Fall verlieren beide VN ihren Versicherungsschutz.
b) Versicherung für fremde Rechnung aa) Vorsätzliche Schadenszufügung durch versicherte Personen. Im Falle der Fremdver- 69 sicherung sind nach Ziff. 27.1 Satz 1 AHB alle für den VN geltenden Bestimmungen auf die versicherten Personen anzuwenden. Dies bedeutet, dass alle gesetzlichen Obliegenheiten und Risikoausschlüsse und somit auch Ziff. 7.1 AHB für die versicherten Personen gelten. Entsprechend dem eingangs wiedergegebenen Grundsatz, dass jedenfalls derjenige, der vorsätzlich handelt, seinen Versicherungsschutz verliert, gilt, dass der VR nur gegenüber dem Versicherten leistungsfrei wird, der den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat.157 Der VR bleibt somit sowohl dem VN (im Rahmen der Eigenversicherung) als auch den anderen Versicherten (im Rahmen der Fremdversicherung) gegenüber zur Deckung verpflichtet. Etwas anderes gilt wiederum nur dann, wenn der vorsätzlich handelnde Versicherte als (Risiko-)Repräsentant des VN und/ oder der anderen Versicherten anzusehen ist.158 Abzulehnen ist die von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, die dem VR einen Regress 70 gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG gegen die mit Schadenszufügungsabsicht handelnde versicherte Person verwehren will, wenn bei einer kombinierten Eigen- und Fremdversicherung (z.B. Privat- oder Betriebshaftpflichtversicherung) der lediglich fahrlässig handelnde VN und die ver153 Vgl. BGH 16.11.2005 – IV ZR 307/04, NJW-RR 2006 460, 461; BGH 28.3.2001 – IV ZR 163/99, VersR 2001 713, 714 (betr. Miteigentum an versichertem Gebäude); BGH 24.1.1996 – IV ZR 270/94, NJW-RR 1996 665, 666 = RuS 1996 146; BGH 30.4.1991 – IV ZR 255/90, RuS 1992 240, 241 (Feuerversicherung); OLG Oldenburg 16.12.1998 – 2 U 221/98, RuS 1999 162; OLG Hamm 28.1.1987 – 20 U 238/86, VersR 1988 508 (Hausratversicherung); OLG Hamm 20.9.1989 – 20 U 272/88, VersR 1990 846, 847 (Kfz-Kasko). 154 Ablehnend z.B. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 86; Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 11. 155 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 22; Berliner Kommentar/Baumann § 152 Rn. 7; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 12; vgl. auch BGH 13.6.1957 – II ZR 35/57, BGHZ 24 378, 380 = VersR 1957 458 (vgl. BGH bejaht für Obliegenheitsverletzungen, offengelassen für § 152 a.F. in der Kfz-Haftpflichtversicherung); OLG Düsseldorf 28.2.1984 – 4 U 173/83, VersR 1984 1060 (Abgrenzung und Zurechnungsunterschiede Kfz-Haftpflichtversicherung von Kfz-Kaskoversicherung). 156 BGH 14.3.2007 – IV ZR 102/03, RuS 2007 273 = VersR 2007 673 zu § 61 VVG a.F.; BGH 25.3.1992 – IV ZR 17/91, RuS 1992 265, 266 = VersR 1992 865; OLG München 8.8.2008 – 25 U 5188/07, VersR 2009 59, 61 = NJW-RR 2008 1560; OLG Nürnberg 14.9.2000 – 8 U 1855/00, RuS 2001 100 = VersR 2001 634; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 4; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 20; Knappmann VersR 1997 261, 262. 157 BGH 15.12.1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971 459, 461 = VersR 1971 239, 241; OLG Stuttgart 19.1.1990 – 2 U 306/88, NJW-RR 1990 527; ÖOGH 24.3.1983 – 7 Ob 14/83, VersR 1984 1198, 1199; Looschelders VersR 2018 1413, 1415. 158 Vgl. BGH 15.12.1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971 459, 461 = VersR 1971 239; OLG Koblenz 13.1.2006 – 10 U 246/05, VersR 2007 787, 788; OLG Hamm 15.6.2005 – 13 U 63/05, RuS 2006 33, 34; OLG Schleswig 15.11.1994 – 9 U 85/93, VersR 1995 827; OLG Köln 1.7.1981 – 16 U 25/81, VersR 1982 383; OLG Hamm 28.9.1992 – 6 U 45/92, VersR 1993 1372, 1373 = NJW-RR 1993 1180, 1181; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 20. 267
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
sicherte Person gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden und der VR den Schaden reguliert.159 Der VR ist sowohl gegenüber dem VN als auch den versicherten Personen nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflichtet. Die von den Vertretern dieser Ansicht gegebene Begründung, zwar sei ein nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergangsfähiger Anspruch gemäß §§ 840, 426 BGB aus dem Gesamtschuldverhältnis gegeben, jedoch sei der Mitversicherte nicht Dritter, da Dritter nur eine außerhalb des Vertragsverhältnisses stehende Person sein könne, greift zu kurz.160 Dritter i.S.d. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG ist jeder, dessen Interesse nicht mitversichert ist. Dazu zählen in der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung sowohl VN als auch die versicherten Personen, soweit sie den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Deren Interesse, nicht mit einer Haftpflichtverbindlichkeit belastet zu werden, die aus einer mit Schädigungsabsicht begangenen Handlung resultiert, ist infolge von Ziff. 7.1 AHB nicht versichert und wäre im Übrigen auch nicht versicherbar. Versagte man dem VR den Regressanspruch gegen die versicherte Person, würde die gesamtschuldnerisch mit dem VN haftende versicherte Person keinen Schadensersatz zu leisten haben, was sich mit wesentlichen Grundsätzen des materiellen Rechts (§ 138 Abs. 1 BGB)161 nicht vereinbaren ließe.
71 bb) Vorsätzliche Schadenszufügung durch den VN. Fraglich ist, ob der VR dem Versicherten (im Rahmen der Fremdversicherung) gegenüber zur Deckung verpflichtet ist, wenn nur der VN den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat (ohne Repräsentant des Versicherten zu sein). Es geht dabei um die eher seltenen Fälle, in denen der VN und die versicherten Personen gemeinsam einen Schaden herbeiführen, die Voraussetzungen der Ziff. 7.1 AHB jedoch nur in der Person des VN vorliegen. Rechtsprechung zu dieser Problematik existiert – soweit ersichtlich – nicht. Die Urteile befassen sich nur mit der zuvor behandelten Problematik der vorsätzlichen Schadensherbeiführung durch den Versicherten und den Auswirkungen auf den Eigenversicherungsschutz des VN. Die Literatur spricht sich überwiegend dafür aus, im Falle der vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens durch den VN dem Versicherten den Fremdversicherungsschutz zu versagen.162 Zuweilen wird unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 15.12.1970163 die gegenteilige Ansicht vertreten.164 In dieser Entscheidung hatte der BGH über die Frage, welche Auswirkungen die vorsätzliche Schadensherbeiführung durch den VN auf den Fremdversicherungsschutz hat, freilich gar nicht zu entscheiden, weil es nur um die Auswirkungen der vorsätzlichen Schadensherbeiführung durch den Versicherten auf den Eigenversicherungsschutz des VN ging.165 72 Für die h. Lit. spricht die Recrhtsprechung des BGH zur Zurechnung von Obliegenheitsverletzungen. In seinem Urteil vom 14.12.1967 hat der BGH unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 28.1.1958 festgestellt, dass in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Verletzung von Obliegenheiten durch den VN, die vor Eintritt des Versicherungfalles zu erfüllen sind (Verwendungsklausel, vgl. D.1.1.1 AKB 2015), den VR von seiner Leistungspflicht auch gegenüber einem berechtigten Fahrer befreie, der die vertragswidrige Verwendung des Kfz nicht verschuldet habe.166 In der Begründung der Entscheidung aus dem Jahre 1958 heißt es, die Antwort auf die Frage, ob der Verstoß des VN auch den selbständigen Anspruch des mitversicherten Fahrers zu Fall brin-
159 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 103 VVG Rn. 11; Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 73; wie hier i.E. R. Johannsen RuS 2000 133, 135; Prölss/Martin/Armbrüster § 86 Rn. 31. 160 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 103 VVG Rn. 10; Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 73. 161 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 11, 110. 162 Prölss/Martin/Lücke § 103 VVG Rn. 2; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 VVG Rn. 17; Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 85; Langheid/Wandt/Halbach § 81 Rn. 95. 163 BGH 15.12.1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971 458, 461 = VersR 1971 239, 241. 164 Z.B. Späte § 4 Rn. 207; Littbarski § 4 Rn. 382. 165 So zutreffend der Hinweis von Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. V1 Anm. G 86. 166 BGH 14.12.1967 – II ZR 169/65, BGHZ 49 130, 134 = NJW 1968 447; BGH 28.1.1958 – VIII ZR 420/56, BGHZ 26 282, 287 ff. = NJW 1958 548, 549. Koch
268
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
gen könne, sei in dem Wesen der Kfz-Haftpflichtversicherung und dem Sinn der Verwendungsklausel zu finden. Ändere der VN den Verwendungszweck des versicherten Kfz, so werde der vertragliche Rahmen des Risikos, das der VR übernommen habe, überschritten und damit ein wesentliches und schutzwürdiges Interesse des VR betroffen. In einem solchen Fall bestimme die vom VN verletzte Obliegenheit auch den Rahmen für das geschützte Fremdinteresse des mitversicherten Fahrers. Daran, dass die vorsätzliche Schadensherbeiführung durch den VN den vertraglichen Rah- 73 men der vom VR übernommenen Gefahr überschreitet, kann kein Zweifel bestehen (Rn. 70). Wertungsmäßig wiegt die vorsätzliche Schadensherbeiführung als schwerster denkbarer Vertragsverstoß sogar schwerer als die vor Eintritt des Versicherungsfalls begangene Obliegenheitsverletzung. Es ist deshalb nur konsequent, dem nicht vorsätzlich handelnden Versicherten den Fremdversicherungsschutz zu versagen, wenn der VN den Schaden vorsätzlich herbeiführt.167 Etwas anderes gilt nur dann, wenn in BBR etwas anderes geregelt ist. So liegt der Fall beim Zusatzbaustein für Ansprüche aus Benachteiligungen für Privatpersonen in der Privathaftpflichtversicherung. Dort heißt es in Ziff. 10 Nr. 4.1 BBR PHV, dass „dem VN und/oder den mitversicherten Personen [-]die Handlungen oder Unterlassungen nicht zugerechnet [werden], die ohne ihr Wissen begangen worden sind“. In den neuen AHB-losen Musterbedingungen für die Privat- und Betriebshaftpflicht- 74 versicherung ist zu beachten, dass die Regelung in A1-2.3 AVB BHV, die vorsieht, dass der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen unabhängig davon entfällt, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, nach A1-7.1 Satz 2 AVB BHV/AVB PHV nicht für den Vorsatzausschluss gem. A1-7.1 AVB BHV/AVB PHV gilt. Hieraus folgt, dass der Versicherungsschutz der versicherten Personen durch eine vorsätzliche Schadenszufügung des VN nicht berührt wird.
c) Gesellschaften als VN aa) Vorsätzlich Schadenszufügung durch Organmitglieder (1) Juristische Personen. Juristische Personen können selbst nicht handeln und somit auch 75 nicht selbst vorsätzlich Dritten einen Schaden zufügen. Handelt es sich bei dem Interesseträger (VN/versicherte Person) um eine juristische Person, kann der Ausschluss gem. Ziff. 7.1 AHB folglich nur dann zum Tragen kommen, wenn der Schaden durch eine natürliche Person herbeigeführt worden ist, deren Verhalten als Handlung der juristischen Person gilt. Letzteres ist analog § 31 BGB zu bejahen, wenn es sich bei dem Handelnden um ein Organmitglied handelt.168 Eine direkte Anwendung scheidet aus, da § 31 BGB sich auf Schadensersatzpflichten bezieht. Umstritten ist, ob Voraussetzung für die Zurechnung der Schadenszufügung ist, dass das 76 Organ „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“, also in amtlicher Eigenschaft gehandelt hat, wie es § 31 BGB vorsieht. Das RG hat eine solche Einschränkung der Zurechnung im Versicherungsrecht in Bezug auf Obliegenheitsverletzungen als unbeachtlich angesehen.169 Hiergegen wendet Looschelders ein, dass Gründe für eine solche Haftungsverschärfung zulasten
167 Prölss/Martin/Lücke § 103 VVG Rn. 2; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. V1 Anm. G 86; Bruck/Möller/Sieg8 § 79 Anm. 9; Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 10.
168 RG 4.6.1907 – VII 379/06, RGZ 66 181, 184; OLG Saarbrücken 11.12.2002 – 5 U 17/00, RuS 2003 101, 104; OLG Köln 7.6.1994 – 9 U 70/94, VersR 1995 205; OLG Koblenz 25.6.1993 – 10 U 1274/92, VersR 1994 715, 716; OLG Karlsruhe 15.10.1981 – 12 U 23/81, VersR 1982 1189, 1190; vgl. auch BGH 9.7.1954 – 1 StR 677/53, NJW 1954 1576, 1577 (Strafsache). 169 RG 4.6.1907 – VII 379/06, RGZ 66 181, 184; zustimmend Bruck/Möller/Möller8 § 61 Anm. 61. 269
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
des VN nicht ersichtlich seien.170 Unangemessene Ergebnisse ließen sich durch eine sachgemäße Auslegung des Merkmals „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ vermeiden. Die Zurechnung sei erst dann ausgeschlossen, wenn das Handeln des Organs so weit außerhalb seines Aufgabenbereichs liege, dass ein innerer Zusammenhang mit den ihm obliegenden Verrichtungen nicht mehr erkennbar sei. Baumann will eine Ausnahme von der Einschränkung ebenfalls nicht anerkennen.171 Insbesondere könne die Zurechnung nicht mit der Erwägung verneint werden, das Organ habe nicht in amtlicher Eigenschaft gehandelt, weil der Schaden von einem Nichtorgan in gleicher Weise hätte verursacht werden können. Diese Gegenargumente überzeugen – jedenfalls für den Bereich der Haftpflichtversicherung – nicht. Eine Haftungsverschärfung zulasten der VN findet nicht statt, weil die Einschränkung auf haftungsrechtlicher Ebene ja nach wie vor zugunsten der VN zum Tragen kommt. Hat das Organmitglied nicht in amtlicher Eigenschaft gehandelt, muss sich die VN sein vorsätzliches Handeln nicht zurechnen lassen und haftet deshalb gegenüber dem Geschädigten nicht. Insoweit geht es in erster Linie um Abwehrschutz. Den kann der VR selbst dann nicht versagen, wenn der Dritte die VN wegen einer vorsätzlichen Schadensherbeiführung durch ein Organmitglied auf Ersatz in Anspruch nimmt und das Organmitglied dies bestreitet.172
77 (2) Rechtsfähige Personengesellschaften. Ist Interesseträger eine rechtsfähige Personengesellschaft i.S.d. § 14 Abs. 2 BGB (z.B. oHG, KG, Außen-GbR, Partnerschaft), kommt es wiederum entsprechend § 31 BGB auf die vorsätzliche Schadensherbeiführung durch einen vertretungsberechtigten Gesellschafter an.173
78 (3) Nicht eingetragene Vereine und Vorgesellschaften juristischer Personen. Auf die Organe nicht eingetragener Vereine i.S.v. § 54 BGB174 und von Vorgesellschaften juristischer Personen175 findet § 31 BGB entsprechende Anwendung, so dass die vorstehenden Ausführungen auch hier gelten.176
bb) Vorsätzliche Schadenszufügung durch Mitarbeiter des VN 79 (1) Haftung für Repräsentanten. Führen Mitarbeiter unterhalb der Organebene den Schaden vorsätzlich herbei, beurteilt sich die Zurechnung im Rahmen der Eigenversicherung nach den mittlerweile zu Gewohnheitsrecht erstarkten Grundsätzen der Repräsentantenhaftung.177 Die Repräsentantenhaftung knüpft entweder an die Risikoverwaltung oder die Vertragsverwaltung des Dritten an. Erstere ist dadurch gekennzeichnet, dass der VN einen Dritten in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder vertretungs-
170 171 172 173
Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 16; s.a. Langheid/Wandt/Halbach § 81 Rn. 99. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 91. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 45. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 92; Bruck/Möller/Heiss § 28 VVG Rn. 74; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Looschelders § 21 Rn. 17; Langheid/Wandt/Halbach § 81 Rn. 100; s. auch BGH 5.3.2008 – IV ZR 89/07, VersR 2008 634 für Kfz-Kaskoversicherung einer KG unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung (BGH 24.1.1990 – 24.1.1990, VersR 1990 380, 381; BGH 9.3.1964 – II ZR 216/61, WM 1964 592), wonach die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer Handelsgesellschaft im Rahmen eines von dieser geschlossenen Versicherungsvertrages als VN anzusehen seien. 174 Grüneberg/Ellenberger § 31 BGB Rn. 3 und § 54 BGB Rn. 6, 12. 175 OLG Stuttgart 2.11.1988 – 2 W 5/88, NJW-RR 1989 637, 638; Grüneberg/Ellenberger § 31 BGB Rn. 3. 176 Vgl. auch Bruck/Möller/Baumann9 § 81 VVG Rn. 94. 177 Zum Streit über die gewohnheitsrechtliche Anerkennung s. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 VVG Rn. 110; Bruck/ Möller/Heiss9 § 28 VVG Rn. 90 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 35 m.w.N. Koch
270
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
ähnlichen Verhältnisses an seine Stelle treten lässt.178 Der VN überträgt dem Dritten die Rolle in Bezug auf das versicherte Risiko, die er eigentlich selbst spielen müsste.179 Ob das der Fall ist, lässt sich nur aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände festellen. Die Rechtsprechung stellt maßgeblich darauf ab, ob der Dritte befugt ist, selbständig und in nicht ganz unbedeutendem Umfang für den VN zu handeln. Nicht erforderlich ist, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat.180 Die Vertragsverwaltung ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass der VN einen Dritten damit betraut, für ihn Rechte und Pflichten/Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen, zu beachten oder zu erfüllen. Der Dritte wird dabei erst dann zum Repräsentanten, wenn seine Aufgabe so umfassend ist, dass er an die Stelle des VN tritt. Einzelne begrenzte Aufgaben, etwa die Erstattung einer konkreten Schadensmeldung, lassen den Beauftragten noch nicht zum vertragsverwaltenden Repräsentanten werden.181 Voraussetzung für die Zurechnung ist, dass die schuldhafte Handlung des Repräsentanten 80 in einem inneren Zusammenhang mit den übernommenen Aufgaben steht.182 Überträgt ein VN dem Dritten die selbständige Wahrnehmung seiner Befugnisse nur in einem bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich, ist die Zurechnung darauf beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden.183 Eine solche, auf einen bestimmten Bereich bezogene, Repräsentantenstellung kommt insb. bei Geschäfts- und Betriebsversicherungen in Betracht.184 Der innere Zusammenhang wird nicht dadurch unterbrochen, dass der Repräsentant sich eigenmächtig verhält und gegen die Interessen des VN verstößt (Repräsentantenexzess). Solange der Repräsentant auf der Grundlage der ihm vom VN eingeräumten Möglichkeiten handelt, muss sich der VN dies zurechnen lassen.185 Der VN muss sich deshalb auch die vorsätzliche Herbeiführung von Schäden zurechnen lassen.186 Soweit die Gegenansicht argumentiert, nach Sinn und Zweck des § 81 VVG solle einem Versicherungsbetrug vorgebeugt werden, was nicht der Fall sei, wenn der Repräsentant den VN schädige,187 trägt dieses Argument in der Haftpflichtversicherung nicht. Die von der Rechtsprechung zur Bestimmung des (Risiko-/Vertrags-)Repräsenten maßgebli- 81 chen Eigenschaften lassen den „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“ i.S.v. § 31 BGB stets als Repräsentanten des VN erscheinen, was Anlass zu der Frage gibt, warum man nicht zumindest 178 BGH 14.5.2003 – IV ZR 166/02, NJW-RR 2003 1250, 1251; BGH 10.7.1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996 1229, 1230; BGH 21.4.1993 – IV ZR 34/92, BGHZ 122 250, 253 = VersR 1993 828; BGH 26.4.1989 – IVa ZR 242/87, BGHZ 107 229, 230, 231. 179 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch § 28 VVG Rn. 103. 180 BGH 14.5.2003 – IV ZR 166/02, NJW-RR 2003 1250, 1251; BGH 10.7.1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996 1229, 1230; BGH 21.4.1993 – IV ZR 34/92, BGHZ 122 250, 253 = VersR 1993 828; BGH 26.4.1989 – IVa ZR 242/87, BGHZ 107 229, 230, 231. 181 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch § 28 VVG Rn. 107. 182 Vgl. BGH 14.3.2007 – IV ZR 102/03, BGHZ 171 304 Rn. 8 f. = VersR 2007 673= NJW 2007 2038 m. Anm. Staudinger; BGH 19.3.1986 – IVa ZR 182/84, VersR 1986 541, 542 = NJW-RR 1986 767; OLG Köln 19.9.1995 – 9 U 338/94, RuS 1995 402 f.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch § 28 VVG Rn. 122. 183 BGH 14.3.2007 – IV ZR 102/03, BGHZ 171 304 Rn. 8 f. = VersR 2007 673= NJW 2007 2038 m. Anm. Staudinger. 184 BGH 14.3.2007 – IV ZR 102/03, BGHZ 171 304 Rn. 8 f. = VersR 2007 673= NJW 2007 2038 m. Anm. Staudinger; BGH 25.3.1992 – IV ZR 17/91, NJW-RR 1992 921, 922 = VersR 1992 865; BGH 14.4.1971 – IV ZR 17/70, VersR 1971 538, 539. 185 BGH 14.3.2007 – IV ZR 102/03, BGHZ 171 304 Rn. 8 = VersR 2007 673= NJW 2007 2038 m. Anm. Staudinger (beschränkt auf Risikoverwaltung); Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch § 28 VVG Rn. 112; Knappmann VersR 1997 261, 263 m.w.N. in Fn 26; a.A. OLG Köln 19.9.1995 – 9 U 338/94, RuS 1995 402 f. 186 Vgl. BGH 20.5.1981 – IVa ZR 86/80, VersR 1981 822, 823; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch § 28 VVG Rn. 110; Bruck/Möller/K. Johannsen/R. Johannsen8 Bd. III Anm. G 51; Berliner Kommentar/Beckmann § 61 Rn. 46; Knappman VersR 1997 261, 263; E. Lorenz VersR 2000 2, 6 mit Fn. 20; einschränkend Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 92; a.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 53; Looschelders VersR 1999 666, 673; Winter FS E. Lorenz 723, 727 ff. 187 Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 116. 271
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
in der Haftpflichtversicherung auch für diesen Personenkreis anstelle der Grundsätze der Repräsentantenhaftung auf § 31 BGB zurückgreift.188 Insoweit ist der Hinweis geboten, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter ebenfalls keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht besitzen muss. Es genügt vielmehr, wenn ihm „durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, für die Gesellschaft wesensmäßige Funktionen zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass er die Gesellschaft im Rechtsverkehr repräsentiert […] Sogar das unerlaubte Handeln eines bloßen Sachbearbeiters ist der Gesellschaft zuzurechnen, falls jenem eine wichtige Angelegenheit zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen worden ist.“189 Eine Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis schadet nicht, sofern der Vertreter nach außen selbstständig auftritt.190 Im Rahmen der Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung dürften all diejenigen, auf 82 die der VN eine ihn treffende Rücksichtspflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, eine Verkehrssicherungspflicht oder eine Organisationpflicht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB übertragen hat, als (Risiko-)Repräsentant anzusehen sein.
83 (2) Beispiele.191 Die Rechtsprechung hat die Repräsentanteneigenschaft desjenigen bejaht, der die laufenden Geschäfte in dem Unternehmen des VN selbständig führt oder faktisch Inhaber eines Betriebes ist, der nur formal die Unternehmensführung dem VN übertragen hat.192 Ob ein Betriebsleiter die Verantwortung für das versicherte Risiko vollständig übernommen hat, hängt von den Einzelheiten seiner Tätigkeit und davon ab, ob der VN bereit und in der Lage ist, jederzeit einzugreifen und ob er Kontrollmaßnahmen zur Überwachung des Betriebsleiters veranlasst hat, die dem VN ein Eingreifen ermöglichen.193 Bejaht worden ist die Repräsentantenstellung eines Baustellenleiters,194 eines technischen Betriebsleiters, der mit der Planung und Durchführung des Einsatzes der Tankwagen und mit der Überwachung der Fahrzeiten der einzelnen Fahrer betraut gewesen ist,195 sowie eines Prokuristen. 84 Verneint hat der BGH die Repräsentantenstellung des Betriebsleiters der Abfüll- und Kennzeichnungsanlage eines Mineralöllagers, weil diesem aufgrund der vom VN angebrachten besonderen technischen Kontrollen kein großer eigener Spielraum zukomme. In jenem Fall hatte der VR in einem Versicherungsschein über die Haftpflichtversicherung des Betreibers eines Mineralöllagers den Nachtrag aufgenommen, dass Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch nicht ordnungsgemäße Einfärbung von Mineralölen mitversichert seien. Der BGH stellte fest, dass der VR auch für Steuerschäden einzustehen habe, die dadurch verursacht worden seien, dass der Betriebsleiter die Abfüll- und Kennzeichnungsanlage manipuliert und infolgedessen ungekennzeichnetes Gasöl, das als ordnungsgemäß gefärbtes, steuerbegünstigtes Heizöl ausgewiesen gewesen war, als Dieselkraftstoff abgegeben habe. Dass dem Betriebsleiter die Aufgabe übertragen war, die Anlage auf ihre Funktionstauglichkeit zu überwachen, gab ihm nach Ansicht des BGH noch keine Vertrauensstellung, die es rechtfertigte anzunehmen, ihm sei die
188 Vgl. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 106 ff. 189 Vgl. BGH 3.5.2007 – IX ZR 218/05, NJW 2007 2490, 2491; BGH 10.2.2005 – III ZR 258/04, NJW-RR 2005 756, 758; BGH 5.3.1998 – III ZR 183-96, NJW 1998 1854, 1856; BGH 21.9.1971 – VI ZR 122/70, NJW 1972 334; BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49 19, 21 = NJW 1968 391; RG 14.3.1939 – III 128/37, RGZ 162 129, 166 ff. 190 BGH 12.7.1977 – VI ZR 159/75, NJW 1977 2259, 2260. 191 Die nachfolgenden Beispiele umfassen nicht nur Fälle des § 103/§ 152 a.F., sondern auch Urteile zur Repräsentation bei der Verletzung von Obliegenheiten. 192 OLG Koblenz 16.10.2003 – 10 U 1117/02, VersR 2004 642; OLG Köln 21.2.1995 – 9 U 108/94, VersR 1996 94. 193 BGH 25.3.1992 – IV ZR 17/91, VersR 1992 865, 866. 194 OLG Hamm 16.6.1999 – 20 U 92/98, VersR 2000 1104, 1105; OLG Celle 18.3.1999 – 8 U 48/98, VersR 2001 453, 454. 195 OLG Hamm 9.6.1976 – 20 U 284/75, VersR 1978 221, 222; vgl. auch BGH 15.11.1965 – II ZR 73/63, VersR 1966 131, 132. Koch
272
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Verantwortung über das Risiko der richtigen Kennzeichnung in vollem Umfang übertragen worden.196 Verneint hat die Rechtsprechung auch die Repräsentanteneigenschaft des Poliers.197 85 Dieser sei auf einer Baustelle nur einer von mehreren Fachkräften, die für den Bauunternehmer tätig seien und durch die dieser die Bauleistungen erbringen lasse. Er trage zwar in seinem Arbeitsbereich eine gewisse Verantwortung, weil er die ihm unterstellten Arbeiter einteile, bei ihrer Tätigkeit anleite und überwachen müsse. Er sei aber auch in dem ihm anvertrauten Teil der Baustelle nicht Vertreter des Bauunternehmers. Er sei dem Bauleiter unterstellt. Sein Entscheidungsspielraum sei auf seinen unmittelbaren Einsatzbereich beschränkt. Ebenfalls nicht als Repräsentant des Bauunternehmers anzusehen ist ein Schachtmeister.198 Dessen Tätigkeit beschränke sich auf die handwerklich/technische Abwicklung des konkreten Bauvorhabens. Zwar habe er gegenüber anderen Bauarbeitern eine herausgehobene Stellung inne, im Übrigen unterstehe er jedoch den Weisungen des allein verantwortlichen Bauleiters. Arbeiter des VN, die bei Dritten Parkettschleifarbeiten vornehmen, sind keine Repräsentanten des VN.199 Die angestellte Kellnerin ist keine Repräsentantin des Gastwirts,200ebensowenig weisungsgebundene Mitarbeiter eines WEG-Verwalters201 oder der den Unfallflug steuernde Pilot und der am Unfalltag eingesetzte Fallschirmsprungleiter.202
cc) Vorsätzliche Schadenszufügung durch Gesellschafter juristischer Personen und 86 nicht zur Geschäftsführung berechtigte Personengesellschafter. Haftet die juristische Person oder die Personengesellschaft (VN) gegenüber Dritten für das vorsätzlichen Verhalten ihrer nicht zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter, muss sich die VN deren Verhalten stets zurechnen lassen, wenn es sich bei diesen Personen um (Risiko- oder Vertrags-) Repräsentanten handelt.203 Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage, ob eine Zurechnung im Hinblick auf den Zweck der Ziff. 7.1 AHB in Betracht kommt. Bruck und Ehrenzweig haben die Leistungsfreiheit des SachVR damit begründet, dass es Treu und Glauben widerspreche, wenn sich der Täter auf den Unterschied zwischen dem juristischen und dem wirtschaftlichen Eigentum berufen könnte.204 Diese Argumentation verfängt jedoch nicht bei Fremdschäden. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird diese Frage ebenfalls nur bezogen auf § 81 VVG erörtert und bejaht.205 Soweit die maßgeblich beteiligten Gesellschafter auf den versicherten Gegenstand zugreifen könnten, bestünden keine Bedenken gegen eine teleologisch-extensive Auslegung des § 81 VVG. Dessen Normzweck, das subjektive und moralische Risiko im Interesse des VR und der Versichertengemeinschaft zu begrenzen, sei nicht nur tangiert, wenn sich der Geschäftsführer völlig sorglos oder unlauter verhalte, sondern auch, wenn Alleingesellschafter, Mehrheitsgesellschafter oder alle Gesellschafter gemeinschaftlich dieses Verhalten an den
196 197 198 199 200 201 202 203
BGH 25.3.1992 – IV ZR 17/91, VersR 1992 865, 866. OLG Hamm 16.6.1999 – 20 U 92/98, VersR 2000 1104, 1105. OLG Celle 18.3.1999 – 8 U 48/98, VersR 2001 453, 454. OLG Koblenz 13.1.2006 – 10 U 246/05, VersR 2007 787, 788. BGH 10.5.2000 – IV ZR 297/98, RuS 2002 119, 121 = VersR 2000 846, 847. LG Wiesbaden 24.11.2017 – 8 O 88/17, RuS 2018 136 (Vermögensschadenshaftpflichtversicherung). OLG Hamm 26.4.2013 – 20 U 201/12, RuS 2014 11, 14 (Luftfahrt-Haftpflichtversicherung). Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 92; Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 17 f.; a.A. Bruck/ Möller/Möller8 § 61 Anm. 62; Berliner Kommentar/Beckmann § 61 Rn. 36; für Repräsentantenstellung des persönlich haftenden Gesellschafters einer OHG/KG OLG Hamm 9.5.1958 – 7 U 198/57, VersR 1958 778, 779; OLG Celle 9.11.1973 – 8 U 9/73, VersR 1974 737. 204 Ehrenzweig Die Rechtsordnung der Vertragsversicherung (1929) 192; Bruck 653 Fn. 25. 205 Vgl. MüKoAktG/Heider, 5. Aufl. 2019, § 1 Rn. 60; BeckOGK/Fock AktG § 1 Rn. 70; MüKoGmbHG/Merkt § 13 Rn. 363; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 366. 273
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Tag legten.206 Diese am Normzweck des § 81 VVG anknüpfenden Argumente lassen sich auf § 103 und somit auch auf Ziff. 7.1 AHB übertragen, da § 103 VVG den gleichen Zwecken dient wie § 81 VVG.207 Muss die Gesellschaft für das vorsätzliche Verhalten ihrer Gesellschafter haftungsrechtlich einstehen, lässt sich deshalb durchaus vertreten, ihr dieses Verhalten zuzurechnen.
87 dd) Vorsätzliche Schadenszufügung durch sonstige Dritte. Für sonstige, nicht in das Unternehmen des VN eingegliederte Dritte gilt das zuvor zur Zurechnung des Mitarbeiterverhaltens Ausgeführte (Rn. 79 ff.) ensprechend. Eine Zurechnung vorsätzlicher Schäden erfolgt dann, wenn die Dritten Vertrags- oder Risikorepräsentanten des VN sind.
d) Natürliche Personen als VN/versicherte Personen 88 aa) Vorsätzliche Schadenszufügung durch gesetzliche Vertreter natürlicher Personen. Der nicht (voll) geschäftsfähige VN muss sich die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens durch seine Eltern (§§ 1626 ff. BGB) oder seinen Vormund (§§ 1773 ff. BGB) nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zurechnen lassen.208 Gleiches gilt für Pfleger (§§ 1909 ff. BGB) und Betreuer (§§ 1896 ff. BGB) hinsichtlich vorsätzlicher, im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung/-betreuung herbeigeführter Schäden.209
89 bb) Vorsätzliche Schadenszufügung durch Ehegatten/Lebenspartner/Kinder. Die Zurechnung der vorsätzlichen Schadensherbeiführung im Verhältnis zwischen Ehegatten und Lebenspartnern erfolgt ebenfalls nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung. Weder die Ehe noch eine Lebensgemeinschaft mit dem VN vermögen dabei für sich allein genommen eine Repräsentantenstellung zu begründen.210 Gleiches gilt für Eltern-Kind-Beziehungen. Vorsätzliches Verhalten von Kindern müssen sich die Eltern nur zurechnen lassen, wenn die Kinder Repräsentanten sind (und umgekehrt).211
90 cc) Vorsätzliche Schadenszufügung durch sonstige Dritte. Weder enge persönliche Beziehungen zum VN noch ein bloßes Nutzungsverhältnis mit dem VN vermögen eine Zurechung vorsätzlicher Schadensherbeiführung durch sonstige Dritte nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung auszulösen.212 206 Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 366; vgl. auch MüKoBGB/Reuter Vor § 21 Rn. 30 und Hübner JZ 1978 703, 705 (Durchgriff nur bei Alleingesellschafter). 207 Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 73. 208 RG 15.3.1932 – VII 247/31, RGZ 135 370, 371 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 27; Berliner Kommentar/Beckmann § 61 Rn. 45; a.A. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 95: § 254 Abs. 1 i.V.m. § 278 Abs. 1 Alt. 1 BGB. 209 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 27; Berliner Kommentar/Beckmann § 61 Rn. 45; vgl. auch OLG Nürnberg 5.4.2001 – 8 U 3457/00, NJW-RR 2002 820, 821 (Obliegenheitsverletzung). 210 Vgl. BGH 20.5.2009 – XII ZR 94/07, NJW 2009 2881, 2882; BGH 14.5.2003 – IV ZR 166/02, NJW-RR 2003 1250, 1251; BGH 2.5.1990 – IV ZR 48/89, VersR 1990 736, 737; BGH 4.7.1990 – IV ZR 158/89, NJW-RR 1990 1305, 1306; BGH 8.2.1965 – II ZR 171/62, VersR 1965 425, 429; OLG Hamm 26.1.1998 – 13 U 128/97, RuS 1998 500, 501; OLG Karlsruhe 16.5.1991 – 12 U 25/91, VersR 1992 1391, 1392; OLG Hamm 9.1.1991 – 20 U 325/89, VersR 1992 570, 571; OLG Karlsruhe 21.6.1990 – 12 U 56/90, VersR 1991 1048; Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 97; Berliner Kommentar/Beckmann § 61 Rn. 45 ff. 211 Vgl. OLG Hamm 15.2.1989 – 20 U 147/88, NJW-RR 1989 860. 212 Vgl. OLG Hamm 12.4.2002 – 29 U 73/01, VersR 2003 333, 335. Koch
274
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
e) Einstehen für Parteien kraft Amtes. In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, 91 dass der VN sich das Verschulden einer Partei kraft Amtes (Testamentsvollstrecker, Nachlass-, Insolvenz-213 oder Zwangsverwalter214) zurechnen lassen muss, soweit diese im Rahmen ihres Aufgabenbereichs handelt.215 Bezüglich der Zurechnung des Verhaltens eines Zwangsverwalters zulasten des VN hat der BGH explizit auf die Repräsentantenhaftung zurückgegriffen.216 Looschelders und Heiss haben sich für eine entsprechende Anwendung von § 31 BGB ausgesprochen.217
5. Rechtsfolge/Umfang der Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Schadensherbeiführung a) Im Hinblick auf die Leistungspflicht des Versicherers. Der VR ist gem. Ziff. 7.1 AHB 92 nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der VN „den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat“. Dieser Vorsatzbegriff schließt es nach Ansicht des BGH aus,218 „dem VN Schadensfolgen zuzurechnen, die er nicht oder nicht in ihrem wesentlichen Umfang als möglich erkannt und für den Fall ihres Eintritts gewollt oder im Sinne bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat.“
Die Erstreckung des Vorsatzerfordernisses auf die Schadensherbeiführung hat somit zur Konsequenz, dass der VR nur insoweit nicht zur Leistung verpflichtet ist, als die gegen den VN geltend gemachten Schadensersatzansprüche an Verletzungsfolgen anknüpfen, die erstens in objektiver Hinsicht adäquat-kausal auf der haftungsbegründenden Handlung beruhen und zweitens in ihrem wesentlichen Umfang vom VN als möglich erkannt und wenigstens billigend in Kauf genommen worden sind. Bei einem Gesamterfolg kann es deshalb – wie die Kasuistik zeigt – zu einer Aufspaltung in einen gedeckten und einen ungedeckten Teil, je nach der Willensrichtung des Handelnden, kommen.219 Tritt der VN gewaltsam eine Tür ein und werden dahinter stehende Personen in einer für 93 den VN nicht vorhersehbaren Weise durch umherfliegende Glassplitter verletzt, ist der VR nur hinsichtlich der Schäden an der Tür leistungsfrei. Ist der Eigentümer durch die Splitter verletzt worden und macht die Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend, sind die Prozesskosten entsprechend aufzuteilen. Wird beim Betätigen des Feuerlöschers in einer Kirche diese nicht nur, wie erwartet, verschmutzt, sondern werden auch wertvolle Kunstgegenstände beschädigt,
213 Vgl. OLG Köln 20.12.2005 – 9 U 99/05, VersR 2006 1207, 1208; KG 18.3.2005 – 6 U 244/04, RuS 2005 502, 503; OLG Celle 1.3.2001 – 13 U 103/00, VersR 2002 602, 603; LG Berlin 12.10.2004 – 7 O 601/03 (juris).
214 BGH 19.10.1994 – IV ZR 159/93, VersR 1994 1465. 215 Vgl. LG Wuppertal 27.10.1961 – 10 O 115/61, VersR 1962 629, 630; Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 19; Bruck/Möller/Heiss § 28 VVG Rn. 87; Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 96: §§ 254 Abs. 1 i.V.m. § 278 Abs. 1 Alt. 1 BGB; Berliner Kommentar/Beckmann § 61 Rn. 45; Bruck/Möller/Möller8 § 6 Rn. 70 und § 61 Rn. 66; Prölss/ Martin/Armbrüster § 28 VVG Rn. 85. 216 BGH 19.10.1994 – IV ZR 159/93, VersR 1994 1465; vgl. auch Bruck/Möller/K. Johannsen/R. Johannsen8 Bd. III Anm. G 56; Spielmann Sicherheitsvorschriften in der Leitungswasser-/Rohrbruchversicherung, VersR 2006 317, 320. 217 Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 21 Rn. 19; Bruck/Möller/Heiss § 28 VVG Rn. 87 jew. unter Bezugnahme auf MüKoBGB/Reuter § 31 BGB Rn. 17; Grüneberg/Ellenberger § 31 BGB Rn. 3. 218 BGH 17.6.1998 – IV ZR 163/97, RuS 1998 367, 368; vgl. auch OLG Hamm 18.8.2000 – 20 U 26/00, RuS 2001 145, 146 = NVersZ 2001 134. 219 Vgl. OLG Hamm 18.8.2000 – 20 U 26/00, RuS 2001 145, 146 = NVersZ 2001 134; Prölss/Martin/Lücke § 103 VVG Rn. 12; Langheid NVersZ 1999 253; zur ähnlichen Problematik nach §§ 104 ff. SGB VII vgl. BGH 11.2.2003 – VI ZR 34/ 02, VersR 2003 595; OLG Hamm 8.11.2013 – 26 U 31/13, RuS 2014 101. 275
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
ist der VR insoweit zur Deckung verpflichtet.220 Schlägt der VN seinen Gegenüber mit der Faust nieder, woraufhin dieser (unerwartet) eine Gehirnblutung erleidet und daran später verstirbt, besteht kein Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche, die typische Verletzungsfolgen eines Faustschlags sind, also äußere Gesichts- und Schädelverletzungen. Versicherungsschutz ist nur für die an den Tod anknüpfenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Hinterbliebenen gegeben.221 Wollte der VN sein Opfer dagegen umbringen, verletzt es jedoch nur schwer, besteht für die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Opfers keine Deckung (Rn. 49). 94 Die gegenteilige Ansicht, die zwischen ein- und mehraktigen Handlungen trennen und nur bei letzteren eine Aufspaltung in einen gedeckten und einen ungedeckten Teil vornehmen will,222 lässt sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren. Die Begründung, die Aufspaltung lasse sich bei einaktigen Handlungen nicht „überzeugend durchführen“,223 ist nicht recht nachvollziehbar und rechtfertigt nicht, auch vorhersehbare Schäden entgegen Ziff. 7.1 AHB in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Zu Recht weist Weitzel auf den Wertungswiderspruch hin, wenn „derjenige, der ‚nur‘ die Folgen herbeiführt, die er beabsichtigt, keinen Versicherungsschutz [erhält], während derjenige, der genau diese Folgen herbeiführt, darüber hinaus aber auch – wenn auch nicht gewollt – ein ‚Mehr‘ verwirklicht, vollen Versicherungsschutz erhält, also auch im Hinblick auf diejenigen Folgen, die genau seinem Tatplan entsprachen und für die eigentlich der Vorsatzausschluss eingreifen müsste.“224 Werden Schadens- und/oder Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht, ist somit im Ergebnis der Teil auszuscheiden, der auf die vorsätzlich zugefügten Verletzungen entfällt. Dieser ist, soweit es nicht in dem bindenden Haftpflichturteil geschehen ist, im Deckungsprozess – notfalls mit sachverständiger Hilfe – gem. § 287 ZPO zu schätzen.225
95 b) Personelle Reichweite. Der Ausschluss ist – wie zuvor dargestellt (Rn. 67 ff.) – im Grundsatz beschränkt auf den Versicherungsschutz desjenigen Interesseträgers (VN/versicherte Person), der vorsätzlich gehandelt hat. Führt beispielsweise in der Betriebshaftpflichtversicherung ein Mitarbeiter des versicherten Unternehmens vorsätzlich einen Schaden bei einem außenstehenden Dritten herbei, für den dieser sowohl das Unternehmen als auch den Mitarbeiter auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, besteht Versicherungsschutz nur für das Unternehmen, nicht hingegen für den Mitarbeiter. Der einheitliche Versicherungsvertrag ist insoweit aufzuspalten in eine Versicherung für eigene Rechnung (des VN) „mit einer gedanklich davon zu trennenden Fremdversicherung“. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich das Unternehmen das vorsätzliche Verhalten des Mitarbeiters zurechnen lassen muss, sei es, weil es sich hierbei um ein Organmitglied handelt, sei es, weil er Repräsentant ist. In diesen Fällen verliert auch das Unternehmen den Versicherungsschutz. Eine weitere Ausnahme betrifft den Fall, dass der Inhaber des (Einzel-)Unternehmens oder ein Mitglied des Geschäftsführungsorgans einer Gesellschaft den Schaden vorsätzlich herbeiführt. In diesem Fall verlieren sowohl das Unternehmen als auch der nur fahrlässig an der Schadensherbeiführung beteiligte (sonstige) Mitarbeiter den
220 A.A. OLG Schleswig 22.11.2007 – 16 U 9/07, RuS 2008 67, 69; OLG Celle 22.11.2007 – 8 U 161/07, OLGR Celle 2008 63. 221 Langheid/Rixecker/Langheid § 103 VVG Rn. 10; Prölss/Martin/Lücke § 103 VVG Rn. 12. 222 OLG Schleswig 22.11.2007 – 16 U 9/07, RuS 2008 67, 69; LG Bonn 8.10.2004 – 10 O 183/04, NJW-RR 2005 822, 824; vgl. auch Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 54; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 103 VVG Rn. 15; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 152 Rn. 5; Knappmann VersR 2000 11, 12; E. Lorenz VersR 2000 2, 6; ausdrücklich offengelassen OLG Hamm 18.8.2000 – 20 U 26/00, RuS 2001 145, 146 = NVersZ 2001 134. 223 Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 152 Rn. 5. 224 Weitzel VersR 2008 954, 955; Prölss/Martin/Lücke § 103 VVG Rn. 12. 225 Langheid/Rixecker/Langheid § 103 VVG Rn. 11; Prölss/Martin/Lücke § 103 VVG Rn. 12; Stiefel/Maier/Jahnke § 103 VVG Rn. 15 f.; Weitzel VersR 2008 954, 955; Langheid NVersZ 1999 253. Koch
276
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Versicherungsschutz (Rn. 71 bis 73). Entsprechendes gilt für andere Haftpflichtversicherungsverträge, bei denen eigene und fremde Interessen versichert sind (z.B. Privathaftpflichtversicherung), soweit nicht etwas anderes vertraglich vereinbart ist (Rn. 74).
c) Auswirkungen auf den Vertrag. Die vorsätzliche Herbeiführung eines Schadens lässt die 96 Wirksamkeit des Versicherungsvertrages unberührt und berechtigt den VR nur unter den Voraussetzungen der Ziff. 19.1 AHB oder des § 314 BGB zur außerordentlichen Kündigung.
d) Schadensersatzansprüche des Versicherers. Die vorsätzliche Herbeiführung eines Scha- 97 dens bei einem Dritten begründet für sich allein genommen keinen Schadensersatzanspruch des VR aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Es fehlt insoweit an einer Pflichtverletzung gegenüber dem VR. Zudem erleidet der VR keinen Schaden, da keine Deckung besteht. Zeigt der VN den Versicherungsfall an und erteilt dem VR falsche Auskünfte, weil er sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen will, verletzt er nicht nur die ihn nach §§ 30, 31 treffenden Obliegenheiten, sondern begeht auch den Tatbestand des versuchten (Versicherungs-)Betrugs. Hierin liegt eine Verletzung der allgemeinen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, die den VR nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz berechtigt. Daneben kommen § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 265 StGB und § 826 BGB als deliktische Anspruchsgrundlagen in Betracht. Ersatzfähig sind insbesondere die ihm im Zuge der Ermittlungen eines angezeigten Schadensfalls getätigten Aufwendungen (z.B. Detektiv- und Sachverständigenkosten).226 e) Rückforderungsansprüche des Versicherers. Werden Schadensersatzansprüche gegen 98 den VN geltend gemacht und wird ein vorsätzliches Verhalten des VN z.B. zur Begründung eines Schmerzensgeldanspruchs behauptet, ist der VR zunächst zur Anspruchsabwehr verpflichtet. Er ist nicht berechtigt, seine Deckungszusage bis zur endgültigen Klärung dieser Frage zurückzuhalten.227 Dies gilt selbst dann, wenn die Schadensersatzansprüche, die gegen den VN geltend gemacht werden, nicht zur Voraussetzung haben, dass sich der Vorsatz des VN auch auf die Schadensfolgen erstreckt (z.B. § 823 Abs. 1 BGB), und deshalb der Ausgang des Haftpflichtprozesses mangels Voraussetzungsidentität des Vorsatzbegriffs im Haftpflicht- und im Deckungsprozess keinerlei Bindungswirkung entfaltet (Ziff. 5 AHB Rn. 24 ff.). In der Praxis stellt der VR in Fällen, in denen der Anspruchssteller vorsätzliches Verhalten des VN behauptet, Abwehrschutz unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall zur Verfügung, dass der Vorsatz durch gerichtliche oder behördliche Entscheidung, Vergleich oder Anerkenntnis festgestellt wird. Gleiches gilt, wenn der Geschädigte zwar kein vorsätzliches Verhalten des VN behauptet, der von ihm vorgetragene Sachverhalt jedoch Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Schadensherbeiführung bietet. Diese Variante ist der Regelfall, da der gut beratene Geschädigte, der um die Haftpflichtversicherung des Schädigers weiß, tunlichst vermeidet, den Begriff „Vorsatz“ zu verwenden, wenn er Schadensersatzansprüche geltend macht. Ein solcher Vorbehalt kann verschiedene Bedeutung haben. Er kann zum einen dazu die- 99 nen, zu verhindern, dass die Leistung als deklaratorisches Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 226 Vgl. OLG Köln 2.12.2008 – 9 U 57/08, VersR 2009 1071, 1072 f. (Leitungswasserversicherung); OLG Saarbrücken 23.11.2005 – 5 U 70/05, VersR 2006 644, 647 (Krankentagegeldversicherung); OLG Köln 30.7.1992 – 5 U 91/90, RuS 1992 347, 348 (Feuerversicherung); OLG Düsseldorf 6.12.1994 – 4 U 267/93, NJW-RR 1995 1493, 1494 (Feuerversicherung); OLG Oldenburg 11.12.1991 – 2 U 167/91, VersR 1992 1150, 1151 (Einbruchdiebstahlversicherung); Hans. OLG Hamburg 19.2.1988 – 14 U 192/87, VersR 1988 482, 483 (Einbruchdiebstahlversicherung); LG Kiel 21.5.1999 – 9 O 7/ 99, RuS 2000 376, 377 (Rechtsschutzversicherung); vgl. auch OLG Celle 24.8.1979 – 8 U 52/79, zfs 1982 367 f. 227 LG Berlin 7.2.1989 – 7 O 272/88, RuS 1990 19, 20 (Rechtsschutzversicherung). 277
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Nr. 1 BGB verstanden wird und die Rückforderung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB an § 814 BGB scheitert.228 Zudem wird dem VN die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB genommen.229 Ein solcher (einseitiger) Vorbehalt hindert nicht die Erfüllungswirkung der Leistung nach § 362 BGB.230 Er kann aber auch bedeuten, dass der VR nur Abwehrschutz leistet, soweit kein Fall der Ziff. 7.1 AHB vorliegt.231 In letzterem Fall macht der VR die Leistung an den VN davon abhängig, dass dieser eine von den Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB unabhängige, bedingte Rückzahlungsverpflichtung eingeht. Auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung hat der VR freilich keinen Anspruch.232 Der VN kann ein solches Angebot des VR zurückweisen und den VR auf Erfüllung verklagen.233 Dies spricht selbst unter Zugrundelegung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB dagegen, formularmäßigen Vorbehaltsklauseln mit dem zuvor beschriebenen Inhalt eine über den Ausschluss der Wirkung des § 814 BGB hinausgehenden Inhalt beizumessen.234 Sollte der Vorbehalt in Ausnahmefällen als Antrag auf Abschluss einer eigenständigen Rückzahlungsverpflichtung zu verstehen sein, den der VN durch Inanspruchnahme der Leistungen des VR konkludent annimmt, ist diese Vereinbarung als unentgeltlicher Darlehensvertrag zu qualifizieren.235 Der einseitige Rückforderungsvorbehalt verändert nicht die Beweislastverteilung im 100 Rückforderungsprozess. Es bleibt dabei, dass der VR beweisen muss, dass der VN den Schaden vorsätzlich herbeigeführt und er somit ohne Rechtsgrund geleistet hat.236 Dabei kommt dem VR bei Vorliegen von Voraussetzungsidentität die Bindungswirkung der rechtskräftigen Feststellungen des Haftpflichtrichters zugute. Die Bindungswirkung greift insoweit auch im Rückforderungsprozess ein.237 Hat der VR (ausnahmsweise) vorbehaltlos Abwehrschutz geleistet, obgleich der Dritte 101 vorsätzliches Verhalten des VN behauptet hat und/oder seinen Anspruch auf Tatsachen gestützt hat, die auf eine vorsätzliche Schadensherbeiführung schließen lassen, liegt darin konkludent ein unwiderruflicher Verzicht auf die Geltendmachung des Ausschlusses in Ziff. 7.1. AHB, der jedoch in seiner Reichweite nur auf den Ersatz von Aufwendungen für die Anspruchsabwehr beschränkt ist (Ziff. 5 AHB Rn. 24).238 Konnte der VR aufgrund des vom Anspruchssteller behaupteten Sachverhalts nicht auf eine 102 vorsätzliche Schadensherbeiführung schließen, kommt der Abwehrschutzgewährung kein Er228 BGH 9.6.1992 – VI ZR 215/91, RuS 1993 333, 335; OLG Saarbrücken 20.12.2006 – 5 U 65/06, zfs 2007 522, 524; OLG Düsseldorf 14.3.1995 – 4 U 61/94, RuS 1996 278; OLG Köln 19.9.1995 – 9 U 6/95, RuS 1995 462, 463; OLG Düsseldorf 16.3.1988 – 19 U 38/87, NJW-RR 1989 27, 28; OLG Hamm 9.1.1987 – 20 U 263/86, NJW-RR 1987 985, 986 = VersR 1987 1129; vgl. auch OLG Köln 12.5.1995 – 9 U 232/94, RuS 1995 265, 266; Prölss/Martin/Armbrüster Vorbem. §§ 74–99 Rn. 137. 229 Vgl. BGH 20.10.2005 – III ZR 37/05, NJW 2006 286, 288; BGH 8.6.1988 – IVb ZR 51/87, NJW 1989 161, 162 (nicht versicherungsrechtlicher Fälle). 230 BGH 9.1.1999 – IV ZR 97/89, RuS 1991 100, 102; Prölss/Martin/Armbrüster Vorbem. §§ 74–99 Rn. 138. 231 Vgl. OLG Düsseldorf 14.3.1995 – 4 U 61/94, RuS 1996 278; OLG Düsseldorf 16.3.1988 – 19 U 38/87, NJW-RR 1989 27, 28; OLG Hamm 9.1.1987 – 20 U 263/86, NJW-RR 1987 985, 986 = VersR 1987 1129. 232 BGH 9.1.1991 – IV ZR 97/89, RuS 1991 100, 102. 233 Prölss/Martin/Armbrüster Vorbem. §§ 74–99 Rn. 139. 234 Vgl. auch BGH 9.6.1992 – VI ZR 215/91, RuS 1993 333, 335; OLG Düsseldorf 14.3.1995 – 4 U 61/94, RuS 1996 278; OLG Düsseldorf 16.3.1988 – 19 U 38/87, NJW-RR 1989 27, 28; OLG Hamm 9.1.1987 – 20 U 263/86, NJW-RR 1987 985, 986 = VersR 1987 1129; Glauber VersR 1993 1263. 235 Prölss/Martin/Armbrüster Vorbem. §§ 74–99 Rn. 139. 236 OLG Hamm 24.2.1989 – 20 U 220/88, RuS 1989 389; Prölss/Martin/Armbrüster Vorbem. §§ 74–99 Rn. 138 m.w.N.; vgl. auch BGH 8.2.1984 – IV b ZR 52/82, NJW 1984 2826, 1827; OLG Hamm 23.9.1992 – 20 U 89/92, VersR 1993 737, 738; OLG Köln 19.9.1995 – 9 U 6/95, RuS 1995 462, 463; Glauber VersR 1993 1263, 1264. 237 LG Frankfurt/M. 27.3.1990 – 2/14 O 425/89, RuS 1990 382, 383; AG St. Ingbert 23.11.1990 – 3 C 342/89, RuS 1991 205. 238 LG Berlin 7.2.1989 – 7 O 272/88, RuS 1990 19, 20; vgl. LG Köln 23.12.1992 – 24 O 55/92, RuS 1994 102, 103; LG Köln 13.11.1991 – 24 S 15/91, RuS 1992 277 f., jew. Rechtsschutzversicherung. Koch
278
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
klärungswert i.S.e. Verzichts zu.239 Auch wird hierdurch kein Vertrauenstatbestand geschaffen, der eine Rückforderung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe240 und ebenso wenig steht § 814 BGB einer Rückforderung entgegen.241 Auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB kann sich der VN in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht berufen.242 Erfährt der VR erstmals durch die spätere Übersendung der Klageschrift vom Vorliegen des Risikoausschlusses, kann er seine weiteren Leistungen unter Rückforderungsvorbehalt erbringen. Hat der VR die Entschädigungsleistung erbracht und erfährt erst im Nachhinein, dass der VN 103 den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, so kann er seine Leistung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB herausverlangen, weil der VN ohne rechtlichen Grund von seiner Schuld befreit worden ist.243 Daran ändert sich auch nichts im Fall des Direktanspruchs infolge der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten.244 Hat der VN den Schaden vorsätzlich herbeigeführt und ist der VR leistungsfrei, so ist kein Raum für einen Regress gegen Dritte (Mittäter) nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG.245
f) Verzicht. Der VR kann auf den Einwand der Leistungsfreiheit einseitig verzichten.246 Da die 104 Rechtswirkungen der Ziff. 7.1 AHB kraft Gesetzes eintreten und insoweit nicht abhängig vom Willen des VR sind, lässt sich ein solcher Verzicht dogmatisch nur als deklaratorisches Anerkenntnis konstruieren (wobei der Zugang der Annahme des VN beim VR nach § 151 BGB entbehrlich ist).247 An die Annahme eines Verzichtswillens sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen.248 Grundsätzlich hat der VR keinen Anlass, eine ihm vorteilhafte Rechtsposition aufzugeben. Im Übrigen darf der VR mit der Gewährung von Versicherungsschutz nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Soweit im Haftungsprozess mit bindender Wirkung gerichtlich festgestellt worden ist, dass der VN den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, wäre ein Verzicht, der über den Ersatz von Aufwendungen für die Anspruchsabwehr hinausgeht, nach § 138 Abs. 1 BGB, bei strafbaren Handlungen auch nach § 134 BGB, nichtig und deshalb im Deckungsprozess unbeachtlich. Gleiches gilt, wenn der VR den Verzicht bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles erklärt. Anders liegt der Fall, wenn ein Repräsentant des VN den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, weil §§ 138 Abs. 1, 242 BGB nur verlangen, dass der vorsätzlich Handelnde nicht in den Genuss der Versicherungsleistung kommt249 und im Übrigen der Repräsentant selbst wegen der Regressmöglichkeit des VR nicht begünstigt wird.250
239 Vgl. BGH 24.1.2007 – IV ZR 208/03, RuS 2007 241 Rn. 14; BGH 20.9.1978 – IV ZR 57/77, VersR 1978 1105; zur Deckungszusage in der Rechtsschutzversicherung BGH 18.3.1992 – IV ZR 51/91, VersR 1992 568, 570; vgl. auch OLG Hamm 17.12.2015 – 6 U 139/14, VersR 2016 1308, 1309. 240 Vgl. LG Essen 9.3.1999 – 3 O 649/98, RuS 2000 158 f.; LG Kiel 21.5.1999 – 9 O 7/99, RuS 2000 376; LG Essen 3.2.1992 – 2 O 479/91, RuS 1993 21, 22; LG Hechingen 1.10.1990 – 2 O 234/90, RuS 1991 307, 308; LG Köln 13.11.1991 – 24 S 15/91, RuS 1992 277, 278. 241 OLG Karlsruhe 19.5.1988 – 12 U 197/87, RuS 1991 187; LG Köln 13.11.1991 – 24 S 15/91, RuS 1992 277, 278. 242 Vgl. BGH 20.10.2005 – III ZR 37/05, NJW 2006 286, 288; BGH 8.6.1988 – IVb ZR 51/87, NJW 1989 161, 162. 243 Vgl. BGH 25.4.1960 – VII ZR 113/59, VersR 1960 529, 530; OLG Hamm 17.12.2015 – 6 U 139/14, VersR 2016 1308, 1309. 244 Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 187. 245 Vgl. Bruck/Möller/Möller8 § 61 Rn. 83. 246 Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 124; Bruck/Möller/Möller8 § 61 Rn. 81. 247 Vgl. BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 318; OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 205/00, RuS 2002 242, 243; Hans. OLG Hamburg 25.10.1973 – 3 U 60/73, VersR 1974 463, 464 f.; OLG Köln 10.11.1964 – 9 U 23/64, VersR 1965 54. 248 Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 91. 249 Vgl. auch Langheid/Wandt/Looschelders § 81 Rn. 154. 250 Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 124; Langheid/Wandt/Looschelders § 81 Rn. 154. 279
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
6. Verfahrens- und Beweisfragen 105 a) Berücksichtigung von Amts wegen. Bei Ziff. 7.1 AHB handelt es sich um eine rechtshindernde Einwendung, die als solche wie eine Tasache ipso iure wirkt. Anders als die Geltendmachung von (teilweiser) Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen, sind Risikoausschlüsse (selbst in der Revisionsinstanz noch) von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn sich die Voraussetzungen aus dem Vortrag der Parteien ergeben und kein (wirksamer) Verzicht auf die Rechtsfolgen seitens des VR erklärt wurde.251 Dies gilt auch dann, wenn der VR in den Tatsacheninstanzen nicht auf diese Bestimmung abgehoben hat.252
106 b) Darlegungs- und Beweislast. Der VR trägt die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Ziff. 7.1 AHB. Er muss darlegen und beweisen, dass der VN oder eine Person, deren Verhalten sich dieser zurechnen lassen muss, den Schaden kausal und vorsätzlich herbeigeführt hat.253 Nach herrschender Ansicht muss der VR auch die Voraussetzungen der Widerrechtlichkeit beweisen.254 Beruft sich der VN auf Unzurechnungsfähigkeit, muss er jedoch – ungeachtet der Regel, dass der VR für das Eingreifen von Ausschlusstatbeständen beweisbelastet ist – in entsprechender Anwendung des § 827 Satz 1 BGB den Beweis dafür führen.255 Dasselbe gilt für die Voraussetzungen des § 828 Abs. 2 BGB.256 Behauptet der VN sich über die Widerrechtlichkeit geirrt zu haben, trifft ihn ebenfalls die Beweislast dafür.257 107 Nach anderer Ansicht muss der VN darlegen und beweisen, dass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt und es deshalb an der Widerrechtlichkeit fehlt.258 Für diese Ansicht spricht zunächst, dass ein Gleichlauf zwischen Haftungs- und Versicherungsrecht erzielt wird. Zumindest bei unmittelbaren Rechtsgutsverletzungen indiziert haftungsrechtlich die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit und der Verletzer muss den Ausschluss der Widerrechtlichkeit beweisen.259 Die Minderansicht lässt sich jedoch nicht damit in Einklang bringen, dass (selbst nach Ansicht der Vertreter dieser Ansicht) für die Annahme von Vorsatz nach Ziff. 7.1 AHB erforderlich ist, dass der VN den pflichtwidrigen/rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Freilich ist auch die herrschende Ansicht nicht frei von Widersprüchen, wie die
251 OLG Saarbrücken 20.10.2016 – 4 U 104/15, NJW-RR 2017 350, 354. 252 BGH 12.6.1985 – IV a ZR 17/84, VersR 1985 1029, 1030; OLG Köln 25.5.1992 – 5 U 186/91, RuS 1992 343, 344. 253 Vgl. nur BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189; BGH 4.5.1988 – IVa ZR 278/86, BGHZ 104 256, 260 = RuS 1988 239; BGH 27.10.1954 – VI ZR 132/53, VersR 1954 591, 592; OLG Köln 30.4.2019 – 9 U 30/17, RuS 2020 20, 21; s.a. Nachweise bei Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 23; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 151; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 8. 254 OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781, 782; OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, VersR 1994 850, 851; LG Dortmund 24.11.2010 – 2 O 451/08, RuS 2012 114; ebenso Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 8; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 14; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 15. 255 BGH 29.10.2003 – IV ZR 16/03, VersR 2003 1561 f.; BGH 20.6.1990 – IV ZR 298/89, BGHZ 111 372, 374 = RuS 1990 291; BGH 1.7.1986 – VI ZR 294/85, zfs 1987 6, 7; OLG Köln 30.4.2019 – 9 U 30/17, RuS 2020 20, 21; OLG Hamm 11.1.2019 – 20 W 25/18, VersR 2019 871, 972; OLG Hamm 14.3.1996 – 6 U 188/95, RuS 1997 3, 4; OLG Frankfurt/M. 20.9.1989 – 19 U 249/87, VersR 1990 42, 43; OLG Hamm 29.5.1985 – 20 U 390/84, VersR 1987 89, 90; OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178, 180; LG Köln 24.4.2003 – 24 O 431/02, RuS 2004 183, 184; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 103 VVG Rn. 7; Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 62. 256 OLG Hamm 14.3.1996 – 6 U 188/95, RuS 1997 3, 4; OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178, 179 f.; Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 93. 257 Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 93; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 103 VVG Rn. 7; Langheid/ Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 62. 258 Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 62; Langheid/Rixecker/Langheid § 103 VVG Rn. 15; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 103 VVG Rn. 18; so auch Weitzel VersR 2006 783. 259 Vgl. BGH 31.10.2007 – VI ZR 132/06, NJW 2008 571, 573. Koch
280
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
abweichenden Beweislastregeln bei Unzurechnungsfähigkeit und Irrtum über die Widerrechtlichkeit zeigen. Hat der VN den Schaden vorsätzlich herbeigeführt, wäre er aber auch bei grober Fahrlässig- 108 keit eingetreten, stellt sich die Frage, ob dieser Einwand der hypothetischen Kausalität zugunsten des VN zu berücksichtigen ist.260 Der BGH hat diesen Einwand für den Bereich der Sachversicherung für relevant erachtet. Im Raum stand allerdings nicht der Vorwurf der vorsätzlichen, sondern der grob fahrlässigen Schadensherbeiführung.261 Das OLG Köln hatte sich mit dem Einwand der hypothetischen Kausalität in der Berufs-/Betriebshaftpflichtversicherung zu befassen. Der VN, ein Bauingenieur, hatte die Ausführungsplanung für die Errichtung einer Mauer erstellt und die Ausführung selbst veranlasst, ohne dass zuvor die Genehmigungsplanung einschließlich der Vorlage bei der Bauordnungsbehörde durchgeführt worden war. Diese Pflichtwidrigkeit erfolgte bewusst, da dem VN bekannt war, dass eine gültige Baugenehmigung notwendig war und nicht vorlag. Der VN berief sich darauf, dass die Planungsmängel auch bei der Durchführung des Genehmigungsverfahrens nicht aufgefallen wären. Das OLG Köln ging diesem Einwand nach, ließ ihn aber daran scheitern, dass der VN den Beweis eines solchen hypothetischen Kausalverlaufs nicht führen konnte.262 In der Krankenversicherung hält Rogler den Einwand des VN, dass der Versicherungsfall auch ohne sein vorsätzliches Handeln (§ 201) eingetreten wäre, für beachtlich.263 Abgesehen davon, dass der Einwand der hypothetischen Kausalität, für den der VN in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast trägt, in der Praxis kaum erfolgreich zu führen ist, dürfte er für den Deckungsausschluss bei vorsätzlicher Schadensherbeiführung ohnehin nur in den Fällen beachtlich sein, in denen der VN den Schaden durch Unterlassen herbeiführt. Hinsichtlich des Risikoausschlusses der wissentlichen oder bewussten Pflichtverletzung 109 (z.B. Ziff. 7.6.5.1 lit. k) BBR BHV, Ziff. 6.2.4 ProdHM 2008) ist es dem VN im Übrigen verwehrt, sich darauf zu berufen, dass derselbe Schaden nicht nur durch eine wissentliche Pflichtverletzung, sondern auch durch weitere, von ihm nicht wissentlich begangene Pflichtverletzungen mitverursacht worden ist. Nach Ansicht des BGH versteht der VN den Leistungsausschluss dahin, dass er schon dann Versicherungsleistungen ausschließt, wenn der Schaden durch eine wissentliche Pflichtverletzung mitverursacht ist.264
c) Beweisführung aa) Grundsatz. Grundsätzlich hat der VR den Vollbeweis i.S.v. § 286 ZPO der vorsätzlichen 110 Schadensherbeiführung zu führen.265 Soweit es darum geht, bei Schäden die Teile von der Deckung auszuschließen, auf die sich der Vorsatz bezieht, kann das Gericht – notfalls mit sachverständiger Hilfe – gem. § 287 ZPO schätzen.266
260 Vgl. BGH 17.4.1997 – I ZR 131/95, VersR 1998 82, 83; BGH 14.7.1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986 962, 963; OLG Köln 23.8.2005 – 9 U 204/04, RuS 2005 461, 462; OLG Karlsruhe 29.6.1995 – 12 U 186/94, VersR 1995 1306, 1308 f. 261 Vgl. BGH 17.4.1997 – I ZR 131/95, VersR 1998 82, 83; BGH 14.7.1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986 962, 963; OLG Karlsruhe 29.6.1995 – 12 U 186/94, VersR 1995 1306, 1308 f. 262 OLG Köln 23.8.2005 – 9 U 204/04, RuS 2005 461, 462. 263 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Rogler § 201 Rn. 11; LG Nürnberg-Fürth 11.12.2008 – 8 O 3170/07, BeckRS 2009 23429. 264 BGH 27.5.2015 – IV ZR 322/14, RuS 2015 386; OLG Saarbrücken 31.7.3007 – 5 U 510/06, zfs 2008 219, 221; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 4. 265 BGH 13.4.2005 – IV ZR 62/04, NJW-RR 2005 1051 f.; BGH 14.4.1999 – IV ZR 181/98, NJW-RR 1999 1184, 1185 = NVersZ 1999 390; BGH 8.11.1995 – IV ZR 221/94, NJW-RR 1996 275 = RuS 1996 410; BGH 25.4.1990 – IV ZR 49/89, VersR 1990 894; OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594. 266 OLG Hamm 18.8.2000 – 20 U 26/00, NVersZ 2001 134, 135 = RuS 2001 145; Weitzel VersR 2008 955; Langheid NVersZ 1999 253. 281
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
111 bb) Unzulässigkeit des Anscheinsbeweises. Beweiserleichterungen kommen dem VR für den Nachweis der Voraussetzungen der Ziff. 7.1 AHB nicht zugute. Es gibt keinen Anscheinsbeweis für vorsätzliches Vorhalten, da grundsätzlich keine allgemeinen Erfahrungssätze für die Aufklärung individueller innerer Vorgänge aufgestellt werden können.267
112 cc) Indizienbeweis. Gelingt dem VR der direkte Beweis nicht, bleibt nur noch die Möglichkeit des Indizienbeweises. Dabei darf aus dem äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß der objektiven Pflichtwidrigkeit auf den (bedingten) Schädigungsvorsatz geschlossen werden.268 Neben dem unmittelbaren Tatgeschehen sind die Vorgeschichte und insbesondere die – bereits vor dem Tatgeschehen und in demselben – nach außen zu Tage getretenen Persönlichkeitsmerkmale des Handelnden mit in die Beurteilung einzubeziehen.269 Steht eine wissentliche oder bewusste Pflichtverletzung im Raum, hat der VR Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Sache des VN ist es dann, im Rahmen der sekundären Darlegungslast Umstände vorzutragen, die für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sprechen bzw. Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentlich/bewusst begangene Pflichtverletzung nicht zulassen. Der Vortrag zusätzlicher Indizien ist nur dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann.270 Der Beweis (nach § 286 ZPO) ist einwandfrei geführt, wenn eine Mehrzahl von einzelnen Umständen, von denen jeder einzelne für sich genommen nicht voll beweiskräftig ist, in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die Überzeugung vom Vorliegen der unter Beweis gestellten Tatsache mit hinreichender Sicherheit vermitteln.271 Der Gewissheitsgrad muss vernünftigen restlichen Zweifeln Schweigen gebieten, ohne sie objektiv völlig auszuschließen:272 Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit ist nicht erforderlich.273 Maßstab ist die freie Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO, also ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit. Dazu ist aber eine Bewertung der einzelnen Indizien nach ihrer Aussagekraft und 267 Vgl. BGH 4.5.1988 – IVa ZR 278/86, VersR 1988 683, 684 = NZV 1988 101; BGH 28.4.1958 – II ZR 163/57, VersR 1958 361; OLG Köln 30.4.2019 – 9 U 30/17, RuS 2020 20, 21; OLG Rostock 5.2.2010 – 5 U 83/09, BeckRS 2010 17379; OLG Celle 16.4.2009 – 11 U 220/08, NJOZ 2009 2394, 2399; OLG Düsseldorf 19.1.2009 – 1 U 209/07, BeckRS 2009 09214; OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/06, NJW-RR 2008 45, 46; OLG Hamm 7.3.2007 – 20 U 132/06, VersR 2007 1550, 1551; OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781, 782; OLG Nürnberg 2.12.2004 – 2 U 2712/04, NJWRR 2005 466, 469; OLG Köln 11.11.1993 – 5 U 271/92, VersR 1994 339; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 10; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 23; a.A. KG 13.6.2006 – 6 U 67/06, VersR 2007 1076, 1077 f. (bei eindeutigen Verstößen gegen Notarpflichten). 268 BGH 13.4.2005 – IV ZR 62/04, NJW-RR 2005 1051, 1052; BGH 14.4.1999 – IV ZR 181/98, NJW-RR 1999 1184, 1185 = NVersZ 1999 390, 391; BGH 9.4.1997 – IV ZR 73/96, NJW-RR 1997 1112, 1113 = RuS 1997 294; BGH 24.1.1996 – IV ZR 270/94, NJW-RR 1996 665 f. = RuS 1996 146 f.; OLG Hamm 11.1.2019 – 20 W 25/18, VersR 2019 871, 872; OLG München 17.2.2017 – 10 U 2007/16, BeckRS 2017 112607; OLG Hamm 11.11.2011 – I-20 U 3/11, RuS 2012 284, 286; OLG Köln 28.4.2009 – 9 U 114/08, RuS 2009 371, 373; OLG Celle 22.11.2007 – 8 U 161/07, OLGR Celle 2008 63, 64; OLG Koblenz 6.7.2007 – 10 U 1748/06, NJW-RR 2008 45 = VersR 2007 1506; OLG Hamm 7.3.2007 – 20 U 132/06, VersR 2007 1550, 1551; OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781, 782; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 23. 269 OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594; OLG Bamberg 8.8.2006 – 5 U 247/04, NZV 2007 237. 270 Vgl. nur BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 21; OLG Köln 16.11.2021 – 9 U 253/20, NZI 2022 498, 500, jew. m.w.N. (zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung). 271 BGH 4.5.1989 – IV a ZR 39/88, RuS 1989 193, 195. 272 Vgl. BGH 14.12.1993 – VI ZR 221/92, NJW-RR 1994 567, 568; OLG Celle 16.4.2009 – 11 U 220/08, NJOZ 2009 2394, 2399; vgl. BGH 8.7.2008 – VI ZR 274/07, VersR 2008 1126, 1127; OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594. 273 Vgl. BGH 14.12.1993 – VI ZR 221/92, NJW-RR 1994 567, 568; OLG München 11.3.2020 – 10 U 2150/18, NJW-RR 2020 921; OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594. Koch
282
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
eine zusammenfassende Gesamtbetrachtung erforderlich.274 Der Indizienbeweis nähert sich so in gewisser Weise dem abgelehnten Anscheinsbeweis an.275 Nur wird hier vom Zivilrichter die volle Entscheidung der Vorsatzfrage im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung verlangt.276 Ein Indizienschluss auf den Vorsatz kann schwierig sein, wenn der VN in erheblichem Um- 113 fang alkoholisiert war. Solange nicht feststeht, dass die Alkoholisierung ein solches Ausmaß erreichte, dass ein Zustand der Zurechnungsunfähigkeit i.S.v. § 827 BGB vorlag und ein Ausschluss der freien Willensbestimmung erreicht war, bleibt vorsätzliches Handeln auch bei einer (starken) Alkoholisierung möglich. Lassen sich im PKH-Verfahren die tatrichterlichen Feststellungen nicht treffen, ob die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in einem Maße beeinträchtigt war, dass sie die Fähigkeit des VN beeinträchtigte, die (möglichen) Folgen seines Tuns zu erkennen und zu billigen, ist dem Antrag auf Prozesskostenhilfe stattzugeben.277 Einzelfälle aus jüngerer Zeit:278 114 OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594 (Privathaftpflichtversicherung): Indizienbeweis für vorsätzliche Tötung nicht erbracht, da nicht auszuschließen ist, dass der VN sich vor, während und nach der Tötung seines Sohnes in einem emotionalen Ausnahmezustand befand, der seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bezüglich der sich anschließenden Inbrandsetzung entfallen ließ. OLG Karlsruhe 27.9.2012 – 9 U 162/11, RuS 2012 592 (Privathaftpflichtversicherung): Im Fußball lässt der äußere Hergang eines groben Foulspiels grundsätzlich nicht auf einen die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers ausschließenden Verletzungsvorsatz schließen. Das gilt auch dann, wenn der Spieler mit 20 bis 30 Metern Anlauf und gestrecktem Bein von hinten in seinen Gegner hineingrätscht, ohne den Ball erreichen zu können. Hat er dem Gegner zuvor jedoch bereits gedroht, ihm bei der nächsten Aktion die Beine zu brechen, so kann der Schluss auf einen zumindest bedingten Verletzungsvorsatz ausnahmsweise gerechtfertigt bindend sein. OLG Köln 22.9.2008 – 20 W 43/08, VersR 2009 58 (Berufshaftpflichtversicherung): Das anwaltliche Unterlassen jeglicher Reaktionen auf ein zugegangenes Versäumnisurteil verstößt in einer derart krassen und fundamentalen Weise gegen elementare Pflichten eines Rechtsanwalts, dass andere Erklärungen als direkter Vorsatz nicht denkbar sind, jedenfalls aber so weit außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen, dass sie keiner Ausräumung im Rahmen eines Zivilprozesses bedürfen. OLG Celle 22.11.2007 – 8 U 161/07, OLGR Celle 2008 63 (Privathaftpflichtversicherung): Indizienbeweis für einen die konkreten Gesundheitsschäden umfassenden Vorsatz ist nicht geführt, wenn nicht auszuschließen ist, dass der VN dem Geschädigten aus Reflex mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat. OLG Hamm 7.3.2007 – 20 U 132/06, RuS 2007 279 (Berufshaftpflichtversicherung): Indizienbeweis für bewusst pflichtwidriges Verhalten eines Architekten ist erbracht, wenn dieser das Primär- oder Elementarwissen seines Berufs außer Acht gelassen hat, dass ein bloß deckendes Dach nur bei einer bestimmten Dachneigung geplant werden darf und dass ohne eine solche Neigung eine Abdichtung vorzusehen ist.
274 BGH 4.5.1989 – IV a ZR 39/88, RuS 1989 193, 195; vgl. OLG Köln 3.5.2018 – 9 U 126/17, RuS 2018 594; OLG Celle 16.4.2009 – 11 U 220/08, NJOZ 2009 2394, 2399.
275 Vgl. OLG Celle 25.2.1997 – 5 U 249/95 (juris): „Das Zusammentreffen der genannten Indizien ist kein Zufall. Sie erbringen in ihrer Gesamtheit nach Anscheinsbeweisgrundsätzen den Beweis dafür, daß die Kollision des gestohlenen Opel Kadett mit seinem Mercedes vom Kläger inszeniert worden ist, um den Schaden einem Haftpflichtversicherer gegenüber auf Gutachtenbasis überhöht abrechnen zu können.“. 276 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 225. 277 OLG Hamm 11.1.2019 – 20 W 25/18, VersR 2019 871, 972. 278 Beispiele aus der älteren Rechtsprechungspraxis bei Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 225; Beispiele zu § 81 VVGs. Bruck/Möller/Baumann9 § 81 Rn. 166. 283
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
OLG Frankfurt 26.2.2003 – 7 U 30/02, zfs 2003 359 (Privathaftpflichtversicherung): Indiz für eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens kann eine besonders gefährliche Gewalthandlung sein, bei der der Handelnde den glücklichen Ausgang ohne Gegenvorkehrungen dem Zufall überlässt. Das bloße Richten einer geladenen und ungesicherten Gaspistole auf den Geschädigten bei einem Treffen von Jugendlichen ist zwar eine gefährliche und leichtsinnige Handlungsweise, aber noch keine besonders gefährliche Gewalthandlung, die allein und ohne Gegenvorkehrungen zum Erfolg führt; hinzukommen muss vielmehr, dass der Handelnde den Abzug betätigt. OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58 (Privathaftpflichtversicherung): Der VN, der in Selbsttötungsabsicht einem mit 200 km/h herannahenden ICE-Zug entgegengeht, um sich von diesem überfahren zu lassen, handelt hinsichtlich der Schäden an dem Zug und der daraus resultierenden Folgeschäden vorsätzlich, wenn er trotz seiner psychischen Ausnahmesituation nach seinem Bildungsstand und seinen Kenntnissen von den Folgen eines derartigen Selbstmordes damit rechnen musste, dass solche Schadensfolgen zwangsläufig eintreten würden. OLG Köln 16.3.1999 – 9 U 99/98, NVersZ 1999 288 (Privathaftpflichtversicherung): Aus der Intensität und Gefährlichkeit eines Angriffs kann auf eine bedingt vorsätzliche Körperverletzung mit Umfassung der Verletzungsfolgen geschlossen werden.
115 dd) Bindungswirkung der Feststellungen im vorausgegangenen Haftungsprozess für den Deckungsprozess. Die Beweisführung wird dem VR erleichtert, wenn im vorausgegangenen Haftungsprozess mit Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess festgestellt worden ist, dass der VN vorsätzlich ein Rechtsgut und/oder eine Vertragspflicht verletzt hat und der daraus resultierende Schaden vom Vorsatz umfasst war. Die Bindungswirkung verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung sowie deren Grundlagen im Deckungsprozess in Frage gestellt werden.279 Sie erstreckt sich dabei nicht nur auf die allgemeine Feststellung der Haftungsfrage, sondern auch auf die Einzelfeststellungen, die das Haftpflichturteil zum Haftungstatbestand getroffen hat, soweit Voraussetzungsidentität besteht, d.h. das Vorliegen der vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens i.S.v. Ziff. 7.1 AHB sich auch im Haftpflichtprozess z.B. bei der Bemessung des Schmerzensgeldes als entscheidungserheblich erweist.280 116 Bei Ansprüchen aus § 826 BGB ist zu beachten, dass der Vorsatz zwar die Zufügung des Schadens umfassen muss, für die Sittenwidrigkeit aber bereits leichtfertiges und gewissenloses Verhalten genügen kann.281 Kann somit bereits die grobe Fahrlässigkeit in Form der Gewissenlosigkeit die Sittenwidrigkeit begründen, wirft dieser Befund die Frage auf, ob darüber hinausgehende Feststellungen des Haftpflichtrichters zum Vorsatz Bindungswirkung für den Deckungsprozess haben. Dies scheint fraglich. Unabhängig davon führt dieser Befund dazu, dass in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Ansprüche aus § 826 BGB Deckung bestehen kann, da dort in Abweichung von Ziff. 7.1 AHB nur die wissentliche Pflichtverletzung des VN 279 Vgl. BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 11; BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 10; BGH 24.1.2007 – IV ZR 208/03, RuS 2007 241, 242; BGH 18.2.2004 – IV ZR 126/02, RuS 2004 232, 233 = VersR 2004 590; OLG Brandenburg 29.11.2019 – 7 U 129/18, RuS 2020 154, 155; Bruck/Möller/Koch § 103 VVG Rn. 103. 280 Vgl. BGH 8.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011 203 Rn. 11; BGH 19.3.2003 – IV ZR 233/01, VersR 2003 635, 636; BGH 17.7. 2002 – IV ZR 268/01, VersR 2002 1141; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, NJW-RR 2001 1311, 1312 = NVersZ 2001 473, 474; BGH 21.2.1963 – II ZR 71/61, VersR 1963 421, 422; OLG Karlsruhe 24.9.2009 – 12 U 47/09, RuS 2010 372; OLG Hamm 6.2.2002 – 20 U 151/01, RuS 2002 323, 325; OLG Hamm 18.5.1988 – 20 U 353/87, RuS 1989 72, 73; OLG Koblenz 7.10.1994 – 10 U 189/94, RuS 1995 92 = VersR 1995 1298, 1299; OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58, 60; OLG Hamm 6.12.1985 – 20 U 126/85, VersR 1987 603, 604; OLG Hamm 25.6.1980 – 20 U 76/78, VersR 1981 178, 180; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 12; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 152. 281 BGH 26.9.2000 – X ZR 94/98, VersR 2002 72, 76; BGH 13.2.1992 – III ZR 28/90, NJW 1992 2080, 2083; BGH 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, NJW 1987 1758 f.; BGH 12.12.1978 – VI ZR 132/77, VersR 1979 283, 284; BGH 13.7.1956 – VI ZR 132/55, VersR 1956 641; OLG München 13.4.1995 – 24 U 86/93, WM 1997 613, 620. Koch
284
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
zur Leistungsfreiheit des VR führt, ohne dass sich der Vorsatz des VN auf die Schadenszufügung beziehen muss.
ee) Bindungswirkung der Feststellungen im vorausgegangenen Strafprozess/Adhäsi- 117 onsverfahren. Im Hinblick auf die Herleitung der Bindungswirkung (Ziff. 5 AHB Rn. 134 ff.) vermögen die im Strafverfahren getroffenen und eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung eines Menschen (§§ 223 ff. StGB) oder Sachbeschädigung (§ 303 BGB) tragenden Feststellungen keine Bindungswirkung im Deckungsprozess zu entfalten.282 Dies gilt selbst dann, wenn über die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Verletzten oder seiner Erben (§ 403 Abs. 1 StPO) im Adhäsionsverfahren entschieden wird. Zwar steht die in einem Strafverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über den Antrag, durch den der Verletzte den ihm aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch (§§ 403 f. StPO) geltend macht, gem. § 406 Abs. 3 Satz 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen rechtskräftigen Urteil gleich.283 Jedoch ist der VR am Adhäsionsverfahren nicht beteiligt. Er kann – anders als in einem 118 gegen seinen VN vor dem Zivilgericht geführten Haftungsprozess – das Verfahren weder als Prozessvertreter des Beschuldigten führen, noch hat er die Möglichkeit, zur Wahrung seiner Interessen dem Verfahren als Nebenintervenient beizutreten.284 Berücksichtigt man zudem die unterschiedlichen Verfahrensmaximen in Zivil- und Ermittlungsverfahren (Beibringungsmaxime kontra Amtsermittlungsgrundsatz) und die Doppelstellung des Opfers als Anspruchsteller und Zeuge lässt sich in diesen Verfahren nicht mehr von einer Prozessherrschaft des VR sprechen. Damit fehlt die Grundlage für die Bindungswirkung. Dies gilt auch dann, wenn im Adhäsionsverfahren Vorsatz verneint und der VN nur wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wird. Die gegenteilige Ansicht des OLG Karlsruhe285 überzeugt nicht. Soweit das OLG Karlsruhe zur Begründung anführt, der VR hätte bei einem Zivilprozess über die Haftungsfrage keinen Vorteil gehabt, weil es dem VR verwehrt gewesen wäre, im Haftpflichtprozess ein vorsätzliches Verhalten des VN geltend zu machen, trifft Letzeres zwar zu. Gleichwohl vermag diese Überlegung keine Bindungswirkung des Adhäsionsurteils zu rechtfertigen. Unzutreffend ist die weitere Feststellung des OLG Karlsruhe, dass die Feststellung einer lediglich fahrlässigen Haftung gegenüber dem Geschädigten im Deckungsverhältnis gegenüber dem VR verbindlich bleibt, wenn ein VN es im zivilprozessualen Haftpflichtprozess versäumt, dem VR die Führung des Prozesses zu überlassen (Ziff. 5 AHB Rn. 147).
d) Revisibilität. Ob Vorsatz vorliegt, ist eine Tatfrage, die das Tatgericht nach § 286 ZPO unter 119 Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat. An die Feststellungen des Tatgerichts ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO grundsätzlich gebunden. Die Feststellung, dass der VN den Schaden vorsätzlich herbeiführen wollte, ist vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob der Prozessstoff und die Beweisergebnisse umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt und dabei die Denkgesetze sowie Erfahrungssätze beachtet worden sind.286 282 OLG Hamm 18.1.2006 – 20 U 159/05, VersR 2006 781, 782 = RuS 2006 493, 494 f.; Langheid/Wandt/Littbarski § 103 VVG Rn. 63; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 103 VVG Rn. 20; vgl. auch OLG Zweibrücken 1.7.2010 – 4 U 7/10, NJW-RR 2011 496, 497 zur fehlenden Bindungswirkung der in einem Strafurteil getroffenen Feststellung von Tatsachen für das Zivilgericht. 283 BGH 20.1.2015 – VI ZR 27/14, RuS 2015 262 Rn. 6; BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163 Rn. 8. 284 BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163, 1164, vgl. auch Schirmer DAR 1988 121, 127. 285 OLG Karlsruhe 31.10.2019 – 9 U 77/17, VersR 2020 472, 474 f. 286 BGH 3.12.2013 – XI ZR 295/12, NJW 2014 1098 Rn. 26 zu § 826 BGB m.w.N. 285
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
II. Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen (Ziff. 7.2 AHB) 1. Inhalt und Zweck 120 Ziff. 7.2 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB 1999. Hier wird bestimmt, dass bei dem Inverkehrbringen von Erzeugnissen oder dem Erbringen von Arbeiten oder sonstigen Leistungen die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der Erzeugnisse, Arbeiten oder Leistungen dem Vorsatz gleichsteht. Dies bedeutet, dass der schädigende Erfolg selbst nicht mit in den Willen aufgenommen zu werden braucht.287 Ziff. 7.2 AHB lässt insoweit die wissentliche Pflichtverletzung genügen. Der Grund für diese Abweichung von § 103 VVG ist in den Beweisschwierigkeiten des VR zu sehen, die sich namentlich bei dem bestimmungsgemäßen Verkauf einer Ware ergeben können.288 Dem VN wird der naheliegende (und meist nicht zu widerlegende) Einwand abgeschnitten, er habe wohl die Schädlichkeit gekannt, aber darauf vertraut, dass kein Schaden eintrete. Ziff. 7.2 AHB dient somit auch zum Schutz des VR vor Moral Hazard des VN. Dabei kommt es, wie bei Ziff. 7.1 AHB/§ 103 VVG, nur auf die positive Kenntnis des VN selbst, der versicherten Personen oder ihrer Repräsentanten an.289 Grob fahrlässige Unkenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit lässt den Versicherungsschutz unberührt.290
2. Anwendungsbereich 121 a) Auslegung zu § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB 2002. In § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB 1999 hieß es noch „Lieferung und Herstellung von Waren, Erzeugnissen oder Arbeiten“. Diese Begriffe wurden umfassend verstanden. Nicht nur Lebensvorgänge aus dem Bereich des Handels und der Fabrikation, sondern auch (geistige) Leistungen anderer Berufe, wie z.B. die des Architekten, wurden erfasst, soweit es sich dabei um mangelhafte oder schädliche Sachen handelte. Eine Anwendung dieser Klausel auf die Vermietung mangelhafter Räume lehnte die Rechtsprechung (zu Recht) mit der Begründung ab, die Vermietung unterscheide sich rechtlich und wirtschaftlich von den Geschäften des Waren- und Dienstleistungsverkehrs.291 Nach Ansicht des OLG Koblenz war die Bezugnahme auf „Arbeiten“ unklar, weil darunter 122 verstanden werden könne „bei der Lieferung oder Herstellung von Arbeiten“ oder aber „bei
287 Vgl. BGH 26.1.1961 – II ZR 218/58, VersR 1961 265, 266; BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281 = VersR 2003 987, 988; OLG Koblenz 15.1.1999 – 10 U 1802/97, RuS 2000 192, 193 jew. zu § 4 II Ziff. 1 S. 2 AHB; ÖOGH 24.10.1974 – 7 Ob 152/74, VersR 1976 54, 55; ÖOGH 7.11.1973 – 7 Ob 209/73, VersR 1975 75. 288 OGHBrZ 10.2.1950 – II b ZS 24/49, NJW 1950 543, 544; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 15; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 33; Süß VersR 1950 84, 85. 289 Vgl. OLG Koblenz 13.1.2006 – 10 U 246/05, BeckRS 2006 15162; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281, 282. 290 BGH 26.1.1961 – II ZR 218/58, VersR 1961 265, 266; BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281, 282; OLG Stuttgart 5.5.1994 – 7 U 313/93, RuS 1994 451, 452 = VersR 1995 1229, 1230; vgl. ÖOGH 24.10.1974 – 7 Ob 152/74, VersR 1976 54, 55; ÖOGH 7.11.1973 – 7 Ob 209/73, VersR 1975 75. 291 BGH 29.11.1972 – IV ZR 162/71, NJW 1973 284, 285; BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, NJW 1965 755, 757 = VersR 1965 325, 327; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 34; a.A. E. Prölss VersR 1965 328, der sich für Koch
286
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Arbeiten“.292 Es hat deshalb die Anwendung der Kenntnisklausel auf die Durchführung von Werkarbeiten an einem Grundstück und dort befindlichen Baulichkeiten abgelehnt. Diese Unklarheit ist durch die Neufassung in Ziff. 7.2 AHB beseitigt worden, die zwischen dem Inverkehrbringen von mangelhaften oder schädlichen Erzeugnissen und dem Erbringen von mangelhaften oder schädlichen Arbeiten oder sonstigen Leistungen unterscheidet.293
b) Inverkehrbringen von Erzeugnissen aa) Begriff des Erzeugnisses. Der Begriff des Erzeugnisses ist in den AHB nicht erläutert. Im 123 Gesetz hat er Eingang in § 99 Abs. 1 BGB gefunden und kennzeichnet dort die „Frucht einer Sache“. Das sind alle natürlichen Tier- und Bodenprodukte.294 Ein solches Begriffsverständnis ist angesichts des weiten Anwendungsbereichs der AHB zu eng, da die AHB nicht nur der Versicherung von Betrieben, die Früchte i.S.v. § 99 Abs. 1 BGB gewinnen, zugrunde liegen. Unter dem Begriff „Erzeugnis“ fallen deshalb nicht nur Früchte einer Sache, sondern alle körperlichen Gegenstände i.S.v. § 90 BGB.295 Da Tierjungen, z.B. von den Muttertieren geworfene Kälber, Fohlen, Lämmer und die von der Henne ausgebrüteten Küken, als Tierprodukte gelten,296 sind grundsätzlich auch (lebende) Tiere als Erzeugnisse i.S.v. Nr. 7.2 AHB anzusehen (vgl. auch Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 9 f.).297 bb) Begriff des Inverkehrbringens. Der Begriff des Inverkehrbringens findet sich in § 1 124 Abs. 2 ProdHaftG. Nach der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2 ProdHaftG liegt ein Inverkehrbringen stets vor, wenn sich der Hersteller willentlich der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über das Erzeugnis begibt.298 Ausnahmsweise liegt ein Inverkehrbringen auch dann vor, wenn das Erzeugnis die Herrschaftssphäre des VN nicht verlassen hat, weil es sich um ein Erzeugnis handelt, das gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Person, für die es bestimmt ist, selbst in diese Herrschaftssphäre begeben muss (zu näheren Einzelheiten zum Begriff des Inverkehrbringens s. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 11 ff.).299 Soweit es das Inverkehrbringen betrifft, ist eine Einschränkung geboten. Hier findet 125 Ziff. 7.2 AHB angesichts der Orientierung der Auslegung an § 1 Abs. 2 ProdHaftG nur dann Anwendung, wenn der VN eine von ihm selbst hergestellte (neue) Sache veräußert (oder verschenkt).300 Keine Anwendung findet Ziff. 7.2 AHB auf den Fall, dass der VN die (mangelhafte oder schädliche) Sache von einem Dritten erworben hat und weiterveräußert (oder verschenkt).301 Hier hat nur der Hersteller die Sache durch Lieferung an den VN oder – soweit ein Verkauf über eine Kette von Vertriebsunternehmen hinweg erfolgte – an den ersten Vertriebseine entsprechende Anwendung der Kenntnisklausel auf die Vermietung von Sachen aussprach, wenn der VN den schadenauslösenden Mangel der vermieteten Sache schon bei Abschluss des Mietvertrages oder bei Übergabe der Sache an den Mieter gekannt habe. 292 OLG Koblenz 13.1.2006 – 10 U 246/05, VersR 2007 787, 788; OLG Koblenz 25.6.1993 – 10 U 1274/92, RuS 1994 9, 10. 293 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 154; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 18; krit. gegenüber der Neufassung Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 17. 294 MüKo-BGB/Stresemann § 99 Rn. 2; Staudinger/Stieper (2021) § 99 Rn. 6 f. 295 Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 35; Stockmeier AVB PHV A1-7.2 Rn. 9. 296 MüKoBGB/Stresemann § 99 Rn. 2; Staudinger/Stieper (2021) § 99 Rn. 7. 297 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 Rn. 17; zu § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB OLG Nürnberg 10.1.1964 – 4 U 8/63, VersR 1965 225. 298 EuGH 9.2.2006 – C-127/04, EuZW 2006 184, 185; EuGH 10.5.2001 – C-203/99, NJW 2001 2781, 2178. 299 EuGH 10.5.2001 – C-203/99, NJW 2001 2781, 2782. 300 A.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 18 (Verschenken ist kein Inverkehrbringen). 301 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 34. 287
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
partner in den Verkehr gebracht. Ziff. 7.2 AHB schließt somit – abweichend von § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB 1999 – nur noch Ansprüche aus, die gegen den Hersteller (mangelhafter oder schädlicher) Sachen geltend gemacht werden. Entsprechendes gilt für Tiere. 126 Diese Auslegung dürfte dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem allgemeinen Sprachverständnis entsprechen und ist somit auch bei der Auslegung von Ziff. 7.2 AHB zugrunde zu legen. Werden bewusst mangelhafte oder schädliche Erzeugnisse gegen den Willen des Herstellers aus seinem Herrschaftsbereich entfernt, sind sie deshalb nicht in den Verkehr gegeben und Ziff. 7.2 AHB findet keine Anwendung (s. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 14).302 Soweit ein Erzeugnis die Herrschaftssphäre des VN nicht verlassen hat, kann es zu einer Überschneidung zwischen dem Inverkehrbringen und dem Ausschluss bei Kenntnis von der Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit von Arbeiten oder sonstigen Leistungen kommen. So liegt der Fall, wenn das im Rahmen einer medizinischen Behandlung benutzte fehlerhafte Erzeugnis im Krankenhaus selbst hergestellt worden ist und Schäden z.B. bei Patienten verursacht (vgl. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 12).
127 c) Erbringen von Arbeiten oder sonstigen Leistungen. Unter den Begriff „Arbeiten und sonstige Leistungen“ i.S.v. Ziff. 7.2 AHB fallen alle Leistungen, die im Rahmen eines Werk-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstvertrages erbracht werden können.303 Die Vermietung einer Sache lässt sich nicht unter den Begriff „sonstige Leistungen“ subsumieren, weil die Voranstellung des Begriffs „Arbeiten“ die Annahme nahelegt, dass es sich bei den nachfolgend aufgeführten „sonstigen Leistungen“ um ähnliche Leistungen handelt, also um solche, bei denen der VN eine Tätigkeit entfaltet.304
3. Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit 128 a) Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit. Nach Späte und Wussow kommt den Begriffen „Mangelhaftigkeit“ bzw. „Schädlichkeit“ keine unterschiedliche Bedeutung zu, da ein Mangel immer nur dann versicherungsrechtlich bedeutsame Ansprüche zur Folge haben könne, wenn er zu einem Schaden führe. Dieser Ansicht ist insoweit zu folgen, als Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen, die schädliche Wirkungen haben, stets auch als mangelhaft anzusehen sind, wobei sich die schädliche Wirkung im Hinblick auf die nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB versicherten Schäden nicht auf reine Vermögensschäden beschränken darf, sondern auf Personen oder Sachen beziehen muss. Der Ausschluss ist nicht auf Schäden beim Vertragspartner des VN beschränkt. 129 Bei der Auslegung des Begriffes der Schädlichkeit wird von der Rechtsprechung darauf abgestellt, ob „die Ware bei üblichem oder bestimmungsgemäßem Verbrauch [oder Gebrauch] auch unter gewöhnlichen Umständen, nicht nur beim Zusammentreffen besonderer Umstände, eine schädigende Wirkung haben kann“.305 Diese Voraussetzungen seien, so der BGH, bei einer brennbaren Flüssigkeit dann nicht gegeben, wenn der Abnehmer die Brennbarkeit kenne. Dann setze der übliche und bestimmungsgemäße Verbrauch der Flüssigkeit voraus, dass bei ihm auch die erforderlichen und für solche brennbaren Flüssigkeiten vorgeschriebenen Feuerverhütungsvorschriften beachtet würden, sodass damit eine schädigende Wirkung vermieden werde.306
302 303 304 305
EuGH 9.2.2006 – C-127/04, EuZW 2006 184, 185; EuGH 10.5.2001 – C-203/99, NJW 2001 2781, 2178. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 36. OLG München 7.10.2011 – 25 U 4990/10, RuS 2012 484, 485. BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317; BGH 15.12.1951 – II ZR 116/50, VersR 1952 64; OLG Hamm 2.12.1992 – 20 U 162/92, RuS 1993 294; OGHBrZ 10.2.1950 – II b ZS 24/49, NJW 1950 543, 544 zu § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 37. 306 BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317. Koch
288
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Bekomme der Abnehmer die Flüssigkeit hingegen unter Umständen geliefert, die in ihm 130 die Vorstellung erwecken, dass sie völlig unbrennbar sei, entspreche es ihrem üblichen und bestimmungsgemäßen Verbrauch, wenn hierbei, wie auch sonst bei unbrennbaren Flüssigkeiten, die arbeits- und betriebserschwerenden Feuerverhütungsvorschriften nicht beachtet würden. Damit werde die brennbare Flüssigkeit zu einer schädlichen, weil dann der Umgang mit ihr auch unter gewöhnlichen Umständen eine schädigende Wirkung haben könne.307 Die Schädlichkeit von Erzeugnissen kann sich somit auch daraus ergeben, dass der VN es unterlässt, Hinweise zum gefahrlosen Gebrauch/Verbrauch zu geben. Arbeiten können schädliche Wirkung entfalten, wenn der VN vertragswidrig Maschinen einsetzt.308 Unberücksichtigt bleiben nur solche Umstände, mit denen der VN nicht rechnen konnte. Mit dem Begriff der Schädlichkeit werden somit auch Instruktionsfehler erfasst, die zu Schäden infolge eines Fehlgebrauchs der Ware führen.309
b) Kenntnis. Kenntnis von der Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit ist gegeben, wenn der VN weiß, 131 dass das Erzeugnis bei bestimmungsgemäßem Ge- oder Verbrauch oder die Arbeiten auch unter gewöhnlichen Umständen, nicht nur bei Zusammentreffen außergewöhnlicher Umstände, eine schädigende Wirkung haben können.310 Der Kenntnis von der Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit steht es gleich, wenn der VN Erdarbeiten statt von Hand vertragswidrig mit Maschinen ausführt und dabei einer von den Gegenständen beschädigt wird, die durch die Abrede „von Hand“ gerade geschützt werden sollten.311 Kein bewusst pflichtwidriges Verhalten ist beim Schallschutznachweis eines Statikers anzu- 132 nehmen, wenn die Mindestvoraussetzungen der BauO eingehalten sind. Ist ein höherer Schallschutz längst üblich, gilt dies jedenfalls dann, wenn er den Architekten darauf hingewiesen hat.312 Die Kenntnis der Schädlichkeit bei einem zum Zwecke des Alkoholgenusses gelieferten Getränk ist gegeben, wenn der VN zwar den Empfänger vor dem Genuss der üblichen Menge warnt, aber weiß, dass der Verbrauch der üblichen Menge gesundheitsschädlich ist.313 Oftmals wirkt sich die Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit von Produkten nicht zur gleichen Zeit 133 aus, so z.B. bei Serienschäden als Folge von Konstruktionsfehlern. Hier stellt sich die Frage, von welchem Zeitpunkt an man die Kenntnis des VN von der Mangelhaftigkeit oder der Schädlichkeit annehmen muss. Die bloße Kundenreklamation wird man allein noch nicht als maßgeblich ansehen können, da Reklamationen auch unbegründet sein können. Jedoch besteht für den VN die Pflicht, den Reklamationen nachzugehen, soweit sie ihrem Inhalt nach begründet erscheinen.314 Stellt der VN im Rahmen der Überprüfung die Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit fest, liegt Kenntnis vor, auch wenn er die genaue Ursache der Mangelhaftigkeit oder der Schädlichkeit nicht ermittelt hat.315 Geht der VN den Reklamationen bewusst nicht nach, obwohl er angesichts des Inhalts der Reklamationen mit der Mangelhaftigkeit oder der Schädlichkeit rechnen musste, greifen die zur Vornahme einer Gefahrerhöhung gem. § 23 VVG entwickelten Grundsätze ein, wonach es der Kenntnis gleichsteht, wenn sich der VN ihr „arglistig entzieht“.316
307 308 309 310 311 312 313 314 315 316
BGH 27.6.1953 – II ZR 176/52, VersR 1953 316, 317. OLG München 1.7.1986 – 9 U 2512/86, VersR 1987 755, 756. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 37. Vgl. OLG Hamm 2.12.1992 – 20 U 162/92, RuS 1993 294; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 14. OLG München 1.7.1986 – 9 U 2512/86, VersR 1987 755. OLG Karlsruhe 18.9.2003 – 12 U 42/03, VersR 2004 505, 506. BGH 15.12.1951 – II ZR 116/50, VersR 1952 64. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 46. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 46; Littbarski AHB § 4 Rn. 392. Vgl. nur BGH 26.5.1982 – IVa ZR 76/80, NJW 1983 121, 122 m.w.N.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 47. 289
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
4. Kausalität 134 Zur Anwendung von Ziff. 7.2 AHB ist erforderlich, dass die Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit für den Schaden ursächlich war.317
5. Beweislast 135 Das Vorliegen des Ausschlusstatbestands und damit die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit/ Schädlichkeit muss der VR darlegen und beweisen.318 Wegen der Gleichsetzung mit der vorsätzlichen Schadensherbeiführung stellt die Rechtsprechung wie bei anderen Klauseln, die bei einem bewussten/wissentlichen Pflichtverstoß einen subjektiven Risikoausschluss begründen,319 hohe Anforderungen an die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit/Schädlichkeit.320 Eine Beweisführung durch Anscheinsbeweis kommt nicht in Betracht.321 Zulässig ist es jedoch, aufgrund festgestellter äußerer Tatsachen im konkreten Fall im Wege der Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) Schlüsse auf die Bewusstseinslage und Willensbildung eines Täters zu ziehen.322 Zum Indizienbeweis s. Rn. 112 136 Zu Haftpflichtansprüchen wegen der Übertragung von Krankheiten s. Rn. 417 ff.
6. Geltung von Ziff. 7.2 AHB in der Privathaftpflichtversicherung 137 Die zu § 4 II Ziff. 1 Satz 2 AHB a.F. ergangene Rechtsprechung bezieht sich auf Lebensvorgänge aus dem gewerblichen und (frei-)beruflichen Bereich. In der Literatur bestand wegen der Begriffe „Herstellung“ und „Lieferung“ weitgehend Einigkeit darüber, dass die Kenntnisklausel auf den Privatrechtsverkehr und damit auf die Privathaftpflichtversicherung keine Anwendung finde.323 Fraglich ist, ob Ziff. 7.2 AHB sich ebenfalls nur auf die gewerbliche oder berufliche Sphäre bezieht. Büsken verneint dies zu Recht unter Hinweis auf den geänderten Wortlaut.324 Für das Erbringen von Arbeiten oder sonstigen Leistungen, auf das sich das von ihm 138 gewählte Beispiel des privathaftpflichtversicherten VN bezieht, der einmalig und ohne Wiederholungsabsicht eine vertragliche Schwarzarbeit in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit verrichtet, trifft das ohne Einschränkung zu. Soweit es das Inverkehrbringen von mangelhaften oder schädlichen Sachen betrifft, ist der – nicht auf privathaftpflichtversicherte VN beschränkte – Hinweis geboten, dass Ziff. 7.2 AHB nur dann Anwendung findet, wenn der VN eine von ihm selbst hergestellte (neue) Sache veräußert oder verschenkt (s. hierzu Rn. 125).
317 Späte § 4 Rn. 215; Kuwert Rn. 4163 f. 318 OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281, 282; OLG Stuttgart 5.5.1994 – 7 U 313/93, RuS 1994 451, 452 = VersR 1995 1229, 1230.
319 Vgl. BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, RuS 1991 45, 46 = VersR 1991 176, 177. 320 OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281, 282; OLG Stuttgart 5.5.1994 – 7 U 313/93, RuS 1994 451, 452 = VersR 1995 1229, 1230; OLG Hamm 2.12.1992 – 20 U 162/92, RuS 1993 294.
321 BGH 4.5.1988 – IVa ZR 278/86, VersR 1988 683; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281, 282. 322 BGH 9.11.1977 – IV ZR 160/76, VersR 1978 74, 75; OLG Karlsruhe 20.3.2003 – 12 U 214/02, RuS 2003 281, 282; OLG Karlsruhe 16.6.1994 – 12 U 60/94, RuS 1995 408, 409. 323 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 228; Littbarski AHB § 4 Rn. 389; Späte § 4 Rn. 214; Wussow § 4 Anm. 81. 324 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 154; Stockmeier AVB PHV A1-7.2 Rn. 3; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 19; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 14a (bezogen auf Geschenke). Koch
290
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
7. Wirksamkeit Bedenken gegen die AGB-rechtliche Wirksamkeit von Ziff. 7.2 AHB bestehen nicht. Im Hinblick 139 auf die Zielsetzung der Klausel (Rn. 120), ist die Abweichung von § 103 VVG durch berechtigte Interessen des VR gerechtfertigt.325
III. Über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehende vertragliche Ansprüche (Ziff. 7.3 AHB) 1. Inhalt und Zweck Nach Ziff. 7.3 AHB sind von der Versicherung ausgeschlossen Haftpflichtansprüche, soweit sie 140 auf Grund Vertrags oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers hinausgehen. Da nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB der VR nur Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gewährt, kommt dem Ausschluss nur deklaratorische Bedeutung zu.326 Hier wie dort geht es darum, das Haftpflichtrisiko für den VR kalkulierbar(er) zu machen. Die Einstandspflicht des VR soll sich allein nach dem Gesetz und nicht nach den Vereinbarungen der Parteien bestimmen, m.a.W. soll die Haftpflicht der Parteiwillkür entzogen werden.327
2. Anwendungsbereich Ziff. 7.3 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 I Ziff. 1 AHB 1999. Der Ausschluss erfasst vor- 141 nehmlich die Vertragshaftung. Konkurrieren außervertragliche Schadensersatzansprüche (z.B. aus §§ 823 ff. BGB) mit vertraglichen und erstrecken sich die Abreden auch auf die außervertraglichen Schadensersatzansprüche, ergreift der Ausschluss aber auch letztere. Ein Nebeneinander von vertraglicher und außervertraglicher Haftung kommt u.a. bei Lieferbeziehungen zwischen Zulieferer und Hersteller, bei der Lieferung von Maschinen sowie im Bereich des Werkund Mietvertragsrechts in Betracht.
3. Zum Begriff der über den gesetzlichen Umfang hinausgehenden Haftung Über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehende Haftungsverschärfungen bedürfen des beson- 142 deren Einschlusses in die Deckung. Die in Ziff. 7.3 AHB verwendeten Begriffe „Vertrag“ und „Zusage“ sind gleichzusetzen.328 Weder die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung noch das mangels Rechtswahl nach 143 Art. 4 ff. Rom I-VO anzuwendende Recht beeinträchtigen den Versicherungsschutz des VN.329 Deckung besteht deshalb auch dann, wenn das durch Parteivereinbarung zur Anwendung kommende Recht eine schärfere Haftung vorsieht als dasjenige Recht, das ohne entsprechende Vereinbarung zur Anwendung gekommen wäre. Eine andere Beurteilung kann allerdings dann Platz greifen, wenn die Vereinbarung des ausländischen Rechts als willkürlich erscheint. Das kann aber immer dann nicht angenommen werden, wenn es sich um das Recht einer der Ver325 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 156; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 17. 326 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 48; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 18; Langheid/ Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 158; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 21.
327 Späte § 4 Rn. 1. 328 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 48. 329 Vgl. Späte § 4 Rn. 13. 291
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
tragsparteien handelt, wenn man sich auf das Recht eines dritten Landes einigt, um keinem der Vertragspartner einen Vorteil zu geben, oder weil im internationalen Handel üblicherweise das Recht eines dritten Staates zugrundegelegt wird.330 144 Wird aber die zur Anwendung gelangende ausländische Rechtsordnung durch Parteivereinbarung verschärfend ergänzt – z.B. durch Vereinbarung einer sonst nicht vorgesehenen verschuldensunabhängigen Haftung –, besteht insoweit kein Versicherungsschutz.331 Soweit der VN mit dem geschädigten Dritten nach Eintritt des Versicherungsfalles ohne Zustimmung des VR eine Rechtswahl zugunsten ausländischen Rechts trifft, das eine über die Haftung nach deutschem Recht hinausgehende Haftung vorsieht, verletzt er seine Obliegenheit zur Schadensminderung gem. Ziff. 25.2 Satz 1 AHB.
4. Abgrenzung zwischen erhöhten Vertragspflichten und der Vereinbarung einer erhöhten Haftung 145 Zu unterscheiden von der Vereinbarung einer über den gesetzlichen Umfang der Haftung hinausgehenden Haftpflicht des VN sind Abreden, die den Kreis der Pflichten des VN erweitern oder ergänzen, ohne dabei die gesetzlichen Haftungsmaßstäbe selbst zu verändern. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Vertragspflichten fallen grundsätzlich in den Deckungsbereich der Haftpflichtversicherung, soweit nicht ein sonstiger Ausschluss eingreift.
a) Kaufvertrag 146 aa) Beschaffenheitsgarantie i.S.v. §§ 442 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 444 Alt. 2, 445 Alt. 2 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Beschaffenheitsangaben i.S.v. § 434 Abs. 2 und 3 BGB lassen die Deckung unberührt, weil der Verkäufer für das Vorhandensein einer vereinbarten Beschaffenheit nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit auf Schadensersatz haftet und insoweit der Haftungsmaßstab unberührt bleibt.332 Davon abzugrenzen ist die Beschaffenheitsgarantie nach §§ 442 Abs. Satz 2 Alt. 2, 444 Alt. 2, 445 Alt. 2 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB,333 bei der der Verkäufer für das Vorhandensein der Beschaffenheitsmerkmale verschuldensunabhängig haftet. Dies schließt Schadensersatzansprüche neben der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB ein, soweit die Auslegung der Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer ergibt, dass der Verkäufer verschuldensunabhängig auch für Schäden an anderen Rechtsgütern des Käufers einstehen will.334 Die Vereinbarung einer Beschaffenheitsgarantie ändert somit den Haftungsmaßstab im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung.
147 bb) Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie i.S.v. § 443 BGB. Kein Versicherungsschutz besteht für Schadensersatzansprüche, die an eine Beschaffenheitsgarantie oder Haltbarkeitsgarantie i.S.d. § 443 Abs. 1 BGB anknüpfen, da „dem Käufer im Garantiefall unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche die Rechte aus der Garantie zu den in der Garantieerklärung angegebenen Bedingungen“ zustehen. Während sich die Beschaffenheitsgarantie auf das Vorhandensein einer vereinbarten Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bezieht, ver-
330 331 332 333
Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 58. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 57. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 164. Vgl. BGH 12.3.2008 – VIII ZR 253/05, NZV 2008 344, 345; BGH 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170 86, 91 = NJW 2007 1346, 1348; Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 463; Braunschmidt/Vesper JuS 2011 393, 394. 334 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 164; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 33. Koch
292
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
spricht der Verkäufer bei einer Haltbarkeitsgarantie, dass die Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behalten wird.335
cc) Sonstige Garantien. Schließlich besteht auch keine Deckung für sonstige (selbstständige) 148 Garantien, die über die Mängelfreiheit der Kaufsache hinausgehen und insoweit ihre Grundlage außerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsrechte haben.336 Als Beispiel hierfür sei der Fall aufgeführt, dass ein Hersteller dem Produkt eine Garantiekarte beigibt und auf diese Weise ein Garantievertrag zwischen Hersteller und Endkunde zustandekommt. b) Werkvertrag. Beim Werkvertrag ist zu unterscheiden zwischen der Beschaffenheitsverein- 149 barung (§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB), der (unselbstständigen) Beschaffenheitsgarantie und der hiervon abgelösten (selbstständigen) Garantie, für die nicht die Regeln des Werkvertragsrechts gelten.337 Bei einer (unselbstständigen) Beschaffenheitsgarantie hat der Unternehmer bei Fehlen dieser Beschaffenheit oder beim Auftreten des Fehlers Schadensersatz zu leisten und zwar unabhängig davon, ob ihn hinsichtlich des Mangels ein Verschulden trifft. Ob der Unternehmer verschuldensunabhängig auch für Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers gem. §§ 634, 280 BGB einstehen will, ist durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln. Für Schadensersatzansprüche, die an eine unselbstständige Beschaffenheitsgarantie oder eine selbstständige Garantie anknüpfen, besteht keine Deckung.
c) Mietvertrag. Beim Mietvertrag haftet der Vermieter nach § 536a Alt. 1 BGB verschuldensun- 150 abhängig wegen eines anfänglichen Mangels der vermieteten Sache, der zu einem Personenoder Sachschaden geführt hat.338 Da das Gesetz eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht, greift der Ausschluss nicht ein.339 Bei nachträglichen Mängeln ist dagegen für die Haftung ein Verschulden des Vermieters erforderlich. In dieser Konstellation kommt der Ausschluss zum Tragen, wenn der Schadensersatzanspruch auf dem Nichtvorhandensein einer zugesicherten Eigenschaft i.S.v. § 536 Abs. 2 BGB beruht und die Auslegung ergibt, dass der Vermieter für das Vorhandensein der zugesicherten Eigenschaft unabhängig vom Verschulden Gewähr übernehmen wollte.340 d) Übernahme vertraglicher Verpflichtungen und Haftungsübernahme. Übernimmt der 151 VN vertraglich, z.B. als Mieter, die Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten, die einem Dritten (Vermieter) obliegen, liegt darin keine Erweiterung der gesetzlichen Haftung. Vielmehr verpflichtet sich der VN vertraglich, für den ordnungsgemäßen Zustand einer Sache zu sorgen.341 Erst an diese tatsächlich bestehende Verpflichtung knüpft die unmittelbare Haftung gegenüber dem Dritten an. In einer solchen Konstellation kann der Versicherungsschutz aber da335 336 337 338 339
Vgl. BeckOK BGB/Faust § 443 Rn. 14; MüKoBGB/H.P.Westermann § 434 Rn. 8 f. MüKoBGB/H.P. Westermann § 443 Rn. 3; BeckOK BGB/Faust § 443 Rn. 19. Vgl. BeckOK BGB/Voit § 634 Rn. 14 f. MüKoBGB/Häublein § 536a Rn. 15; BeckOK BGB/Wiederhold § 536a Rn. 28. Vgl. BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, BGHZ 43 88, 89 = NJW 1965 755; LG Detmold 7.1.1958 – S 216/57, NJW 1958 793, 793. 340 Vgl. Späte § 4 Rn. 12; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 19 zu § 463 BGB a.F.; Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 463; J. Prölss VersR 1967 432, 435 zu § 463 BGB a.F.; a.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 160. 341 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 160; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 18; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 33; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 52; Stockmeier A1-4 Rn. 149. 293
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
ran scheitern, dass die vertragliche Übernahme der Verkehrssicherungspflicht nicht vom versicherten Risiko umfasst wird (und kein Vorsorgeversicherungsschutz besteht).342 152 Übernimmt der VN von dem Dritten nicht die Erfüllung der Pflichten, sondern nur dessen Haftung für den Fall, dass der Dritte seine Pflichten nicht erfüllt, liegt eine vertragliche Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) fremder Haftpflicht vor, die auf Freistellung gerichtet ist. Für diese Verpflichtung des VN besteht kein Versicherungsschutz, da es sich um einen auf Erfüllung gerichteten Anspruch des Dritten handelt. Soweit der VN seine Pflicht zur Befreiung verletzt und deshalb der Dritte selbst den Anspruch seines Gläubigers erfüllt, ist der VN zur Ersatzleistung an den Dritten verpflichtet. Diese Verpflichtung ergibt sich entweder – stillschweigend – aus der vertraglichen Abrede der Parteien, aus § 670 oder aus einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 275, 280, 283).343 Unabhängig davon, worauf man den Anspruch auf Ersatzleistung stützt, handelt es sich dabei um ein Erfüllungssurrogat oder es steht einem solchen gleich (§ 670 BGB, vgl. Ziff. 1 AHB Rn. 59), sodass keine Deckung besteht.
153 e) Konzeptverantwortungsvereinbarungen. Vom Ausschlusstatbestand der Ziff. 7.3 AHB sind auch sog. Konzeptverantwortungsvereinbarungen zwischen Herstellern und Zulieferern umfasst, soweit die vertraglich vereinbarte Konzeptverantwortungs- und daraus resultierende Haftungsquote die gesetzliche Haftung des Lieferanten übersteigt.344
5. Kausalität 154 Ziff. 7.3 AHB lässt den VR nur in dem Umfang leistungsfrei werden, in dem der Anspruch aufgrund der Vereinbarung dem Grund und/oder der Höhe nach über die gesetzliche Haftpflicht hinausgeht. Insoweit ist stets ein Vergleich der Haftung auf Grundlage des Gesetzes mit derjenigen aufgrund der Vereinbarung anzustellen.345 Dies kann bei der Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Haftung oder Beweislastumkehr zum vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes, bei der Vertragsstrafe (Rn. 162) zu einer Reduktion des Anspruchs auf Versicherungsschutz führen. Dabei ist stets zu beachten, dass Ziff. 7.3 AHB nur eingreift, wenn die vertragliche Abrede wirksam ist.
6. Beispiele 155 Vereinbarungen, die über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehen, finden sich regelmäßig in Rahmenlieferverträgen und Qualitäts-Sicherungs-Vereinbarungen, teilweise in Allgemeinen Einkaufs- oder Lieferbedingungen, Konsignationslagerverträgen und Werkzeugbeistellverträgen.346
342 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 161; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 18; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 33; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 52. 343 Vgl. Staudinger/Klumpp (2020) § 329 Rn. 20; Soergel/Hadding § 329 Rn. 16. 344 Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 22; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 4; vgl. Beispiel für Konzeptverantwortungsvereinbarung bei Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 462: „Der Lieferant nimmt teil am System der Konzept-Verantwortungs-Vereinbarung (KVV) und wird mit dem Kunden eine Konzept-Verantwortungs-Quote (KVQ) abstimmen.“; zu solchen Vereinbarungen s. ferner Lenz PHi 2008 164 ff. 345 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 18. 346 Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 460, die diese Art von Verträgen unter den Begriff „Technische Verträge“ zusammenfassen. Koch
294
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
a) Abbedingung von § 377 HGB. Ein ausdrücklicher Verzicht des Lieferanten auf den Ein- 156 wand der verspäteten Mängelanzeige ist deckungsschädlich, soweit er Ansprüche aus Vertrag betrifft. Ebenfalls deckungsschädlich ist ein „verhüllter“ Verzicht z.B. durch Vereinbarung, dass die Gewährleistung und Haftung für die Produkte des Lieferanten dem Werkvertragsrecht unterliegen.347 Für Werkverträge gilt die Rügeobliegenheit des Abnehmers nach § 377 HGB nicht. Sowohl die Ausdehnung der Frist zur Mängelanzeige („unverzüglich“) als auch der zur Untersuchung („unverzüglich“) ist deckungsschädlich, da sich die (Gesamt-)Frist des § 377 Abs. 1 HGB für die Mängelanzeige aus der Frist für die Untersuchung und die daran anschließende (Abfassung der) Mängelanzeige zusammensetzt.348
b) Verlängerung der Verjährungsfrist. Nach h.M. ist die Verlängerung der gesetzlichen 157 Verjährungsfrist haftungserweiternd und damit deckungsschädlich (z.B. auf 60 Monate ab Wareneingang beim Auftraggeber).349 Gleiches muss dann auch für Vereinbarungen gelten, die die Verjährungsfrist später beginnen lassen, als nach dem Gesetz vorgesehen.350 Demgegenüber vertritt Lücke die Ansicht, Ziff. 7.3 AHB sei nicht zu entnehmen, dass neben den materiellen Grundlagen der Haftung auch die der zeitlichen Durchsetzung des Anspruches gemeint sein könnten. Der Umfang der gesetzlichen Haftpflicht, auf die die Klausel allein abhebe, werde durch die Dauer ihrer Durchsetzbarkeit nicht berührt. Jedenfalls sei eine solche Auslegung möglich und deshalb zulasten des VR maßgeblich (§ 305c Abs. 2 BGB).351 Diese Ansicht verdient Zustimmung. Zwar ist die Verjährung als materiell-rechtliche Einrede ausgestaltet.352 Wenn und soweit 158 man mit der hier vertretenen Ansicht Ziff. 7.3 AHB wegen Ziff. 1.1 Satz 1 AHB nur deklaratorische Bedeutung beimisst, kann es jedoch auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs zur Bestimmung des Umfangs der gesetzlichen Haftung nicht ankommen, weil die Durchsetzbarkeit im Rahmen von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB keine Rolle spielt. Nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB kommt es allein auf die Inanspruchnahme seitens des Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen an. In Betracht kommt allenfalls eine Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung gem. Ziff. 25.2 Satz 1 AHB, wenn der VN nach Eintritt des Versicherungsfalles einer Verlängerung der Verjährungsfrist zustimmt.353 Auch eine solche wird man im Ergebnis verneinen müssen, da die Wertung des § 105 VVG zu berücksichtigen ist. Die Freiheit des VN, den Haftpflichtanspruch anzuerkennen oder zu befriedigen, darf nach 159 § 105 VVG nicht durch versicherungsvertragliche Sanktionen eingeschränkt werden. Der VR kann sich deshalb nicht auf den Ausschluss gem. Ziff. 7.3 AHB berufen, wenn die Verjährungsfrist gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB infolge des Anerkenntnisses neu beginnt.354 Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass anstelle einer einseitigen Anerkenntniserklärung des VN eine (zweiseitige) Vereinbarung zwischen VN und VR tritt, die in ihren verjährungsrechtlichen Wirkungen nicht über ein Anerkenntnis hinausgeht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn VN und Geschädigter zum Nachteil des VR kollusiv zusammenwirken, um unbegründete Haftpflichtansprüche zu verfolgen.
347 Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 460. 348 Vgl. Oetker/Koch HGB 7. Aufl. (2021), § 377 Rn. 35. 349 LG Kaiserslautern 31.1.2005 – 3 O 354/04, NJW-RR 2005 1114, 1115; Schmidt-Salzer Produkthaftung Rn. 217 f.; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 163; Littbarski AHB § 4 Rn. 272; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 52; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 143; offengelassen von OLG Düsseldorf 3.3.1998 – 4 U 36/97, NVersZ 1999 82. 350 Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 460. 351 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 24; Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 24. 352 Grüneberg/Ellenberger § 214 Rn. 1. 353 OLG Düsseldorf 3.3.1998 – 4 U 36/97, NVersZ 1999 82. 354 Bruck/Möller/Koch § 105 VVG Rn. 24. 295
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
160
Ausschlüsse
Ziff. 7.3 AHB greift im Übrigen auch dann nicht ein, wenn der VN vereinbart, dass die Gewährleistungsfrist für die als Ersatz von fehlerhaften Teilen gelieferten Austauschteile oder für die ohne Austausch instand gesetzten Teile nach Einbau oder Instandsetzung stets neu beginnt.355 Diese Rechtsfolge entspricht § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
161 c) Freistellungsvereinbarungen. Vereinbart der Lieferant (VN) mit seinem Auftraggeber, diesen von Ansprüchen Dritter wegen Mängeln der Liefersache freizustellen, liegt darin entgegen Nickel/Nickel-Fiedler356 keine Erweiterung der gesetzlichen Haftung des VN. Dies gilt selbst dann, wenn VN und Auftraggeber als Gesamtschuldner z.B. nach § 840 BGB, § 5 ProdHaftG haften, weil diese Abrede nur für das Innenverhältnis bedeutsam ist. Insoweit kann eine solche Abrede jedoch als (vorsätzliche) Obliegenheitsverletzung analog § 86 Abs. 2 VVG357 zu qualifizieren sein, die den VR in dem Umfang leistungsfrei werden lässt, in dem ihm die Möglichkeit zum Regress genommen wird. Hat die Abrede bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages bestanden, ist zu prüfen, ob eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit gem. § 19 Abs. 1 VVG vorliegt.
162 d) Vertragsstrafen, Bearbeitungspauschalen etc. Vertragsstrafen oder Bearbeitungspauschalen, die an Mangelfolgeschäden anknüpfen, stellen selbst für den Fall, dass sie (zufällig) dem tatsächlichen Schaden entsprechen, eine Erweiterung der gesetzlichen Haftpflicht dar, weil sie den VN zur Leistung verpflichten, ohne dass der Geschädigte den Schaden nachweisen muss.358 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass formularmäßige Vereinbarungen, die eine Vertragsstrafe unabhängig von dem Verschulden des Verwendungsgegners vorsehen, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind.359
163 e) Schiedsgerichtsabreden. Schiedsgerichtsvereinbarungen erweitern die gesetzliche Haftpflicht des VN nicht, da sie keine materiell-rechtlichen, sondern nur prozessrechtliche Wirkungen entfalten.360
IV. Haftpflichtansprüche bestimmter Personengruppen (Ziff. 7.4, 7.5 AHB) 1. Inhalt und Zweck 164 Ziff. 7.4 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 7 Ziff. 2 AHB a.F. und Ziff. 7.5 AHB tritt an die Stelle von § 4 II Ziff. 2 AHB a.F. Sie regeln personale Ausschlüsse und dienen dem Zweck, Interessenkonflikte zwischen dem VN und einer ihm persönlich oder wirtschaftlich nahestehenden Person zu vermeiden361 und vom VR solche Schadensersatzansprüche fernzuhalten, bei denen
355 356 357 358 359
A.A. Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 462. Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 461. Vgl. Bruck/Möller/Voit § 86 Rn. 155; Prölss/Martin/Armbrüster § 86 Rn. 71. Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 462. BGH 6.12.2007 – VII ZR 28/07, NJW-RR 2008 615, 616; BGH 24.4.1991 – VIII ZR 180/90, NJW-RR 1991 1013, 1015; LG Aachen 23.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987 948. 360 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 24; a.A. Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 462. 361 Vgl. Littbarski AHB § 4 Rn. 395. Koch
296
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
eine besonders hohe Kollusionsgefahr besteht.362 Außerdem sollen solche Schäden ausgeschlossen werden, bei denen eine gewisse tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die Ansprüche ohne Bestehen einer Haftpflichtversicherung aus privater und/oder beruflicher Rücksichtnahme nicht geltend gemacht würden.363 Schließlich dienen die Ausschlüsse auch dem Zweck, Schäden von der Deckung auszunehmen, die den VN treffen können und deshalb wirtschaftlich betrachtet als Eigenschäden zu qualifizieren sind.364 In der Literatur spricht sich Lücke für eine „teleologische Reduktion“ des Ausschlusses aus, 165 wenn sein Zweck, einer möglichen Kollusion vorzubeugen, im Einzelfall eindeutig nicht eingreife.365 Ob dieser Weg mit AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätzen in Einklang zu bringen ist, scheint indes fraglich, da die teleologische Reduktion einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion nahekommt. Dem Problem ist vielmehr mit Hilfe des Restriktionsprinzips zu begegnen, weil der VN ein Interesse daran hat, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet.366 Die wenigen Urteile lassen im Übrigen vermuten, dass die praktische Bedeutung dieser Klausel gering ist.
2. Haftpflichtansprüche des VN und versicherter Personen (Ziff. 7.4 AHB) a) Übersicht. Ziff. 7.4 AHB schließt Haftpflichtansprüche (1) des VN und der mit ihm in einem 166 privaten oder beruflichen Näheverhältnis stehenden Personen gegen die Mitversicherten sowie (2) zwischen mehreren VN und (3) zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages aus. Ergänzend bestimmt der Zusatz zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 AHB, dass sich die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 AHB auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen erstrecken, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben. b) Voraussetzungen. Voraussetzung für die Anwendung von Ziff. 7.4 AHB ist, dass der Haft- 167 pflichtanspruch in der Person des VN oder eines Mitversicherten entstanden ist. Die Abtretung eines in der Person eines anderen entstandenen Haftpflichtanspruchs gegen andere VN oder Mitversicherte desselben Versicherungsvertrages an den VN oder einen Mitversicherten lässt den Versicherungsschutz unberührt, soweit der Geschädigte nicht selbst zu dem nach Ziff. 7.4 AHB ausgeschlossenen Personenkreis oder dessen Angehörigen zählt.367 aa) Haftpflichtansprüche des VN gegen versicherte Personen (Ziff. 7.4 (1) AHB). Ziff. 7.4 168 (1) AHB trägt dem Umstand Rechnung, dass der VN im Rahmen einer Fremdversicherung auch geschädigter Dritter sein kann, dem Haftpflichtansprüche gegen Mitversicherte zustehen.368 Für solche Ansprüche besteht keine Deckung. Aus dem Bereich der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung sei die D&O-Versicherung als Beispiel genannt.369 Erfasst werden nicht nur Haft362 OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 536; OLG Frankfurt/M. 7.4.1999 – 7 U 136/98, NVersZ 2000 242; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 60; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 26; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 165. 363 Vgl. OLG Hamm 1.3.1995 – 20 U 313/94, NJW-RR 1995 1309; Späte § 4 Rn. 219; Wussow § 4 Anm. 83. 364 Vgl. auch OLG Hamm 1.3.1995 – 20 U 313/94, NJW-RR 1995 1309; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 60. 365 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 28; vgl. auch OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 53; a.A. Stockmeier A1-7.4 Rn. 28 ff. 366 St. Rspr., vgl. nur BGH 26.2.2020 – IV ZR 235/19, VersR 2020 549 Rn. 9; BGH 17.12.2008 – IV ZR 9/08, VersR 2009 341 Rn. 17; Koch VersR 2015 133, 136; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 71. 367 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 63. 368 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 61. 369 BGH 13.4.2016 – IV ZR 304/13, VersR 2016 786 Rn. 18 ff.; BGH 13.4.2016 – IV ZR 51/14, AG 2016 395 Rn. 25 ff. 297
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
pflichtansprüche des VN gegen Mitversicherte, sondern auch Ansprüche der in Ziff. 7.5 AHB genannten Personen gegen Mitversicherte. Der Ausschluss von Ziff. 7.4 (1) AHB gilt deshalb unabhängig davon, ob der VN Ansprüche wegen eines selbst erlittenen Schadens oder aber Ansprüche als mittelbar Geschädigter z.B. aus §§ 844, 845 BGB geltend macht (Ziff. 1 AHB Rn. 80).370 169 Freihaltungsansprüche des VN, die sich daraus ergeben, dass der Geschädigte den Versicherten wegen § 104 SGB VII nicht in Anspruch nehmen kann, werden nach dem Zweck von Ziff. 7.4 AHB nicht erfasst.371 Letzteres gilt auch für Ausgleichsansprüche des VN gegen die Mitversicherten nach § 426 BGB.372 Aus einer gesamtschuldnerischen Haftung resultiert kein Interessenkonflikt und keine Kollusionsgefahr. Zu bedenken ist ferner, dass Ansprüche der Mitversicherten gegen den VN nicht betroffen sind (Rn. 172). Die Deckung für den Ausgleichsanspruch würde somit davon (vom Zufall) abhängen, ob der Geschädigte erst den VN in Anspruch nimmt oder den gesamtschuldnerisch mithaftenden Mitversicherten.
170 bb) Haftpflichtansprüche zwischen mehreren VN (Ziff. 7.4 (2) AHB). Der Ausschluss von Ansprüchen mehrerer VN desselben Versicherungsvertrages untereinander gem. Ziff. 7.4 (2) AHB kann Einzelpersonen betreffen, die ohne ein besonderes rechtliches Band zu den VN eines Vertrages zählen. Diese Fallgruppe dürfte der Ausnahmefall sein. In der Regel wird zwischen ihnen eine rechtliche Verbundenheit bestehen, z.B. weil sie Mitglieder einer BGB-Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB), Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB), Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB) oder Wohnungseigentümergemeinschaft sind.373
171 cc) Haftpflichtansprüche zwischen versicherten Personen (Ziff. 7.4 (3) AHB). Der Ausschluss von Ansprüchen zwischen Versicherten desselben Versicherungsvertrages nach Ziff. 7.4 (3) AHB ist vor allem im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung von Bedeutung. Betroffen sind Ansprüche zwischen mitversicherten selbstständigen Tochterunternehmen374 und Ansprüche mitversicherter Arbeitnehmer wegen Sachschäden. Für Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle im Betrieb oder im Haushalt des VN handelt, besteht bereits nach Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV (s. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 38) und Ziff. 2.3 BBR PHV (s. Ziff. 2 BBR PHV Rn. 24) keine Deckung.
172 c) Sonstige Einzelheiten. Unberührt von Ziff. 7.4 AHB bleiben Ansprüche von Mitversicherten375 und ihren Angehörigen gegen den VN.376 Dies gilt auch für den Anspruch auf Freistellung gegen den VN wegen eines Sachschadens, den ein mitversicherter Arbeitnehmer einem anderen Arbeitnehmer bei gefahrgeneigter Arbeit zugefügt hat (Ziff. 1 AHB Rn. 55).377 Soweit es sich bei den Mitversicherten um Angehörige des VN handelt, die mit ihm in häuslicher Gemein-
370 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 63; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 167; Littbarski AHB § 3 Rn. 400. 371 Vgl. BGH 7.1.1965 – II ZR 115/62, BGHZ 43 42=NJW 1965 158; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 63. 372 A.A. Wussow WI 1990, 145; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 64. 373 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 68. 374 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 74. 375 BGH 7.1.1965 – II ZR 115/62, BGHZ 43 42, 44 = NJW 1965 758; OLG Köln 30.4.2001 – 9 U 163/01, RuS 2002 279, 280; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 77; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 27; Littbarski AHB § 7 Rn. 39; Kuwert Rn. 7007. 376 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 167. 377 A.A. Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 153; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 76. Koch
298
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
schaft leben, oder sie zum Kreis der in Ziff. 7.5 (2)-(6) AHB genannten Personen zählen, sind deren Ansprüche jedoch nach Ziff. 7.5 (1)-(6) AHB ausgeschlossen. Die Voraussetzungen von Ziff. 7.4 AHB müssen im Zeitpunkt des Eintritts des Versiche- 173 rungsfalles vorliegen.378 Wird die Person, die den Haftpflichtanspruch geltend macht, erst nach Eintritt des Schadensereignisses Mitglied der häuslichen Gemeinschaft oder erlangt die Person, gegen die sich der Anspruch richtet, erst nach Eintritt des Schadensereignisses den Status eines Mitversicherten, besteht Deckung.
3. Haftpflichtansprüche gegen den VN (Ziff. 7.5 AHB) Ziff. 7.5 AHB hat Haftpflichtansprüche gegen den VN zum Gegenstand. Gem. Ziff. 27.1 AHB 174 gilt Ziff. 7.5 AHB entsprechend für Haftpflichtansprüche gegen mitversicherte Personen.379
a) Schadensfälle von Angehörigen des VN. Ziff. 7.5 (1) AHB betrifft Haftpflichtansprüche 175 aus Schadensfällen der Angehörigen des VN, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den mitversicherten Personen gehören.
aa) Ausgeschlossener Personenkreis. Als Angehörige des VN gelten gem. Ziff. 7.5 (1) AHB
176
„Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarer Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder.“
Der ausgeschlossene Personenkreis ist klar umrissen. Die Erwähnung der Adoptivkinder ist überflüssig, da diese den leiblichen Kindern nach dem Gesetz (§§ 1741 ff. BGB) ohnedies gleichgestellt sind. Der durch das Familienrecht nicht definierte Begriff der Pflegeeltern und -kinder wird 177 durch den Klammerzusatz erläutert. Pflegeeltern und -kinder sind danach nur solche „Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind“.
Daran fehlt es, wenn das fremde Kind nur für einen begrenzten Zeitraum jeweils sechs Tage in der Woche im Haushalt des VN versorgt wird, am Wochenende aber bei seinen leiblichen Eltern lebt.380 Besteht ein familienähnliches Verhältnis nur zu einem Elternteil und wird es durch den Lebenspartner des Elternteils geschädigt, der die Versicherung genommen hat, sind die Ansprüche des Kindes gegen den Schädiger gedeckt.381
378 Vgl. OLG Frankfurt/M. 7.4.1999 – 7 U 136/98, NVersZ 2000 242, 243; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 33; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 167; Stockmeier A1-7.3 Rn. 28. 379 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 96. 380 OLG Frankfurt/M. 28.6.1978 – 17 U 178/77, VersR 1978 910, 911; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 89; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 174; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 32. 381 Vgl. ÖOGH 18.3.1982 – 7 Ob 19/82, VersR 1984 950; a.A. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 174; Littbarski AHB § 4 Rn. 412. 299
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
178
Ausschlüsse
Der Kreis der Angehörigen i.S.v. Ziff. 7.5 (1) AHB ist abschließend.382 Bei geschiedenen Ehegatten greift der Ausschluss nicht ein, ebenso wenig bei Schadensfällen von Verlobten383 oder bei eheähnlichen (nicht häuslichen) Lebensgemeinschaften.384 Urgroßeltern und Urenkel sind ebenfalls von der Klausel nicht betroffen.385
179 bb) Leben in häuslicher Gemeinschaft. Die Angehörigen müssen mit dem VN in häuslicher Gemeinschaft leben. Der Grund für diese differenzierende Ausgestaltung des Versicherungsschutzes ist darin zu sehen, dass bei den in Ziff. 7.5 (1) AHB genannten Nähebeziehungen die Gefahr einer Kollusion erst dann als schwerwiegend angesehen wird, wenn enger Kontakt besteht.386 In der Privathaftpflichtversicherung sind standardmäßig der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner des VN, die unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden minderjährigen Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder) und die noch in einer Schul- oder sich unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befindenden volljährigen Kinder mitversichert (vgl. Ziff. 2.1 BBR PHV/A1-2.1 AVB PHV). Da nicht nur Ansprüche aus Schadensfällen von in häuslicher Gemeinschaft mit dem VN lebenden Personen, sondern auch der mitversicherten Personen ausgeschlossen sind, kommt es auf das Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft in der Privathaftpflichtversicherung somit nur in den Fällen an, in denen es um volljährige Kinder des VN geht, die nicht mehr in einer Schul- oder sich daran unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befinden, um (Adoptiv-)Eltern, Schwiegereltern, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder.
180 (1) Begriff der häuslichen Gemeinschaft. Der Begriff „häusliche Gemeinschaft“ ist der Rechtssprache nicht fremd. Er hat u.a. Eingang in das BGB (z.B. § 208 Satz 2, § 617 Abs. 1 Satz 1, § 618 Abs. 2 Satz 1, § 1567 Abs. 1 BGB), HGB (§ 62 Abs. 2 HGB), SGB (§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X) sowie das VVG (§ 86 Abs. 3 VVG) gefunden. Nach Ansicht des BGH ist „[i]hr Begriff [.] im Versicherungsvertragsrecht ein einheitlicher, gilt also gleichermaßen auch, soweit er zugunsten des VR einen Leistungsausschluß bedingt“.387
Zwar dient § 86 Abs. 3 VVG anderen Zwecken als Ziff. 7.5 (1) AHB. Dort geht es – vereinfacht gesagt – um das Interesse am unbelasteten Zusammenwohnen in häuslicher Gemeinschaft,388 hier um die Vermeidung der Kollusionsgefahr. Je enger die häusliche Gemeinschaft ist, desto größer ist jedoch sowohl das Interesse am unbelasteten Zusammenwohnen als auch die Kollusionsgefahr. Dieser Zusammenhang lässt es gerechtfertigt erscheinen, eine häusliche Gemeinschaft i.S.v. 181 Ziff. 7.5 (1) AHB anzunehmen, wenn eine solche i.S.v. § 86 Abs. 3 VVG vorliegt. Insoweit kann im Grundsatz auf die Rechtsprechung zu § 86 Abs. 3 VVG bzw. § 67 Abs. 2 VVG a.F. zurückgegriffen werden.389 Ein Rückgriff auf den Begriff des Familienangehörigen i.S.d. § 67 Abs. 2 VVG
382 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 31. 383 OLG Braunschweig 1.12.1959 – 1 U 49/59, BB 1960 1080; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 31; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 172. 384 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 167; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 31; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 72; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 89; Littbarski AHB § 4 Rn. 404. 385 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 31. 386 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 84. 387 BGH 16.2.1971 – VI ZR 150/69, VersR 1971 478 = NJW 1971 884, 885. 388 Vgl. Bruck/Möller/Voit9 § 86 VVG Rn. 162. 389 Vgl. OLG Hamm 9.10.1991 – 20 U 88/91, RuS 1992 118. Koch
300
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
a.F., der nicht auf Eheleute, Verwandte oder Verschwägerte im Rechtssinn beschränkt ist,390 ist wegen der abschließenden Aufzählung der Angehörigen in Ziff. 7.5 (1) AHB hingegen unzulässig.
(2) Gemeinsamer Haushalt. Voraussetzung für das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft 182 ist, dass ein gemeinsamer Haushalt besteht.391 Führt der Angehörige in einer eigenen Wohnung (im ausgebauten Dachgeschoss) seinen eigenen Haushalt, liegt keine häusliche Gemeinschaft vor.392 Darüber hinaus verlangt die Rechtsprechung für das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts, dass ein gemeinsames Familienleben mit einem örtlichen Mittelpunkt stattfinden muss.393 Ob diese Voraussetzungen vorliegen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Zugrundelegung der Verkehrsauffassung.394 Im Vordergrund steht die Frage, ob der betreffende Angehörige sich in den Organismus des Hauswesens eingefügt hat.395 Fraglich ist, ob man den heutigen Lebensverhältnissen nicht besser dadurch Rechnung tragen sollte, anstelle des örtlichen auf den gemeinsamen persönlichen Mittelpunkt abzustellen. In jedem Fall darf das Erfordernis des örtlichen Mittelpunkts nicht dahingehend verstanden werden, dass es nur einen geben kann. Möglich ist auch ein Leben in mehreren häuslichen Gemeinschaften, so z.B. wenn ein 183 Kind geschiedener Eltern die Wochenenden mal bei dem einen, mal bei dem anderen Elternteil verbringt.396 Unter Familienangehörigen, die über ein eigenes Einkommen verfügen, ist die finanzielle 184 Beteiligung an der Wirtschaftsführung ein wesentliches Indiz dafür, dass ein gemeinsamer Haushalt besteht und nicht etwa ein Familienmitglied von dem anderen nur wie ein Gast zu den Mahlzeiten eingeladen wird.397 Die Einkünfte müssen zusammenfließen und für die Ausgaben aller zur Verfügung stehen. Es muss also aus „einem Topf“ gewirtschaftet werden.398 Ohne Bedeutung ist dagegen, ob eine finanzielle Abhängigkeit zwischen den Angehörigen besteht.399 Gemeinsame Mahlzeiten und gemeinsam benutzte Wohn- und Schlafräume sind fast immer ein untrügliches Indiz für eine häusliche Gemeinschaft. Andererseits steht der Annahme einer häuslichen Gemeinschaft nicht entgegen, dass der VN nicht in der Wohnung oder dem Haus seiner Familie schläft, sondern in einem möblierten Zimmer400 oder in einem Nebengebäude. Notsituationen können zu von dem Normalfall abweichenden Wohngegebenheiten führen. Eine häusliche Gemeinschaft besteht auch dann, wenn die Angehörigen in einer Wohnung 185 leben, jeder aber für sich kocht und jeder sein eigenes Zimmer hat, sofern noch andere äußere Gemeinsamkeiten bestehen (gemeinsame Küchenbenutzung; grundsätzliche Erlaubnis, die Räu390 Vgl. BGH 22.4.2009 – IV ZR 160/07, RuS 2009 230 (auch Personen, die ohne familienrechtliche Verbindung, sei es aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder auch rein tatsächlich, mit anderen in einer Weise zusammenleben, die einem Familienverband ähnlich ist, werden von § 67 Abs. 2 a.F. erfasst). 391 Vgl. BVerfG 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, NJW 2011 1793, 1795 (zu § 116 Abs. 6 SGB X). 392 OLG Hamm 25.1.2012 – I-20 U 120/11, NJW-RR 2012 1056, 1057. 393 OLG Frankfurt/M. 7.4.1999 – 7 U 136/98, NVersZ 2000 242, 243; vgl. auch OLG Hamm 9.10.1991 – 20 U 88/91, RuS 1992 118; OLG Stuttgart 27.9.1950 – 1 U 122/50, VersR 1951 33, 35; LG Stade 7.7.1956 – 2 S 339/55, VersR 1957 638; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 167; Späte § 4 Rn. 224 m.w.N. zu § 4 II Ziff. 2 lit. a) AHB a.F.; vgl. auch BGH 28.6.2011 – VI ZR 194/10, RuS 2012 516, 519 (zu § 116 Abs. 6 SGB X). 394 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 91. 395 Vgl. auch BGH 15.1.1980 – VI ZR 270/78, VersR 1980 644, 645: „… daß es nicht genügt, wenn die Angehörigen gemeinschaftlich wohnen; das Gesetz fordert vielmehr, daß sie in häuslicher Gemeinschaft ‚leben‘“; vgl. auch OLG Hamm 9.10.1991 – 20 U 88/91, RuS 1992 118. 396 Vgl. BVerfG 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, NJW 2011 1793, 1795; BGH 28.6.2011 – VI ZR 194/10, RuS 2012 516, 519 (zu § 116 Abs. 6 SGB X). 397 Vgl. BGH 12.11.1985 – VI ZR 223/84, NJW-RR 1986 385, 386 zu § 67 Abs. 2. 398 BVerfG 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, NJW 2011 1793, 1795 (zu § 116 Abs. 6 SGB X). 399 Vgl. BGH 12.11.1985 – VI ZR 223/84, NJW-RR 1986 385, 386 zu § 67 Abs. 2. 400 BGH 2.11.1961 – II ZR 237/59, NJW 1962 41, 42. 301
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
186
187
188
189
Ausschlüsse
me des anderen jederzeit zu betreten und ähnliches). Anders liegt der Fall, wenn aufgrund gespannter Lebensverhältnisse kein weiterer Kontakt mehr vorhanden ist als der mit einem gewöhnlichen Untermieter (etwa auch noch mit genau vorgeschriebener Zeit für die Küchenbenutzung). Leben Ehegatten getrennt, aber dennoch unter einem Dach, so ist keine häusliche Gemeinschaft mehr gegeben.401 Kennzeichnend für eine häusliche Gemeinschaft ist „eine gewisse, auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit“.402 Das bedeutet aber nicht, dass man erst nach einer gewissen Zeit in die häusliche Gemeinschaft eintritt und bis dahin nicht dazugehört. Vielmehr kommt es auf die Vorstellungen der Beteiligten bei Aufnahme des betreffenden Familienmitgliedes in den eigenen Lebensbereich an. Der Ausschlusstatbestand greift daher auch dann ein, wenn die häusliche Gemeinschaft erst vor wenigen Tagen oder Stunden begonnen hat. Das Dauererfordernis ist nicht gegeben, wenn es sich um einen Ferienbesuch handelt. Dies gilt auch, wenn er sich jedes Jahr wiederholt. Vorübergehende Abwesenheit hebt die häusliche Gemeinschaft nicht auf. Für die Annahme einer häuslichen Gemeinschaft nicht erforderlich ist ein überwiegender Aufenthalt in der gemeinsamen Wohnung. Wie zuvor bereits bemerkt, ist es möglich, dass jemand in zwei häuslichen Gemeinschaften lebt. Eine Studierende, die zum Studium an einem anderen Ort bei Verwandten wohnt, befindet sich in deren häuslicher Gemeinschaft. Kommt sie am Wochenende zu ihren Eltern, so lebt sie in zwei häuslichen Gemeinschaften. Selbst eine längere Abwesenheit hebt die häusliche Gemeinschaft nicht auf, wenn sie auf äußeren Gründen beruht, die nicht für eine willkürliche Lockerung des Familienverbands sprechen.403 Wohnt die auswärtig Studierende allein, bleibt sie deshalb Mitglied der häuslichen Gemeinschaft, wenn sie ihr Zimmer im Elternhaus nicht aufgibt und an Wochenenden oder in den Semesterferien dort wohnt.404 Abzulehnen ist die Ansicht, die eine häusliche Gemeinschaft nur für den Zeitraum der Rückkehr in das Elternhaus annimmt.405 Diese Ansicht misst dem Erfordernis des gemeinsamen örtlichen Mittelpunkts eine zu große Bedeutung bei und lässt den gemeinsamen persönlichen Mittelpunkt unberücksichtigt, der bei Beibehaltung des Zimmers im Elternhaus bei allen Beteiligten dort bestehen bleibt. Die Angehörigen- und Versicherteneigenschaft oder häusliche Gemeinschaft im Sinne der Ausschlussbestimmung muss im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bestanden haben.406 Spätere Veränderungen dieses Status sind unerheblich; ebenso ist es gleichgültig, ob vor Eintritt des Schadensereignisses einmal Angehörigeneigenschaft im Sinne des Bedingungsrechts bestanden hat.
190 cc) Bedeutung der Formulierung „aus Schadensfällen“. Durch die Verwendung der Formulierung „aus Schadensfällen“ ist klargestellt, dass nicht nur die Haftpflichtansprüche der in der Ausschlussbestimmung genannten Angehörigen und ihrer Rechtsnachfolger gegen den VN aus solchen Schadensfällen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, sondern auch solche Ansprüche, die originär (z.B. nach § 110 SGB X) in der Person von Sozialversicherungsträ401 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 167; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 89.; Rüffer/ Halbach/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 31; Littbarski AHB § 4 Rn. 417. 402 Vgl. BGH 12.11.1985 – VI ZR 223/84, NJW-RR 1986 385, 386 zu § 67 Abs. 2; ÖOGH 29.3.1995 – 13 R 28/95, VersR 1996 915, 916 zu § 67 VersVG; vgl. auch BVerfG 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, NJW 2011 1793, 1795; OLG Dresden 21.4.2010 – 13 U 775/09, BeckRS 2011 23658 (zu § 116 Abs. 6 SGB X). 403 OLG Karlsruhe 16.4.1987 – 4 U 227/85, VersR 1988 483 zur Hausratversicherung. 404 Vgl. OLG Karlsruhe 16.4.1987 – 4 U 227/85, VersR 1988 483; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 35; Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 31. 405 So aber Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 7 AHB Rn. 95; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 171; zum Meinungsstand Littbarski AHB § 4 Rn. 418; vgl. auch Stockmeier A1-7.4 Rn. 12 und Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 35 (Ende der häuslichen Gemeinschaft bei Trennung der Eheleute, auch wenn die Wohnungen sich in demselben Haus befinden). 406 OLG Dresden 21.4.2010 – 13 U 775/09, BeckRS 2011 23658 (zu § 116 Abs. 6 SGB X). Koch
302
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
gern entstehen. Ausgeschlossen sind auch Ansprüche mittelbar Geschädigter nach §§ 844, 845 BGB, Ausgleichsansprüche aus Gesamtschuld (§ 426 BGB), Ansprüche aus übergeleitetem Recht (§ 116 SGB X, § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) und Regressansprüche Dritter, die wegen des bei dem Angehörigen des VN eingetretenen Schadens Ersatzleistungen zu erbringen hatten.407
b) Ansprüche von gesetzlichen Vertretern/Betreuern geschäftsunfähiger, beschränkt 191 geschäftsfähiger oder betreuter VN. Nach Ziff. 7.5 (2) AHB besteht keine Deckung für Haftpflichtansprüche gegen den VN, die von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern geltend gemacht werden, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist. Ausgeschlossen gemäß der Anmerkung zu Ziff. 7.4 und 7.5 AHB sind auch Ansprüche der Angehörigen der genannten gesetzlichen Vertreter, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben. Die Begriffe „gesetzliche Vertreter“ und „Betreuer“ sind ebenso wie die Begriffe „geschäftsunfähig“, „beschränkt geschäftsfähig“ und „betreut“ nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts zu bestimmen. Die Eltern als wichtigster Fall der gesetzlichen Vertreter einer natürlichen Person fallen ohnedies unter den Ausschluss nach Ziff. 7.5 (1) AHB. Der Ausschlussklausel kommt daher vor allem für die Ansprüche des Vormundes (§§ 1773 ff. BGB) Bedeutung zu. Auch ein Pfleger (§§ 1909 ff. BGB) kann als gesetzlicher Vertreter im Sinne der Ausschlussbestimmung aufgefasst werden, wenn er nämlich für einen geschäftsunfähigen Pflegling bestellt ist. Der Ausschluss trägt dem Umstand Rechnung, dass der gesetzliche Vertreter wirtschaftlich an die Stelle des VN tritt und hieraus eine Missbrauchsgefahr entsteht.408 Ein Missbrauchsrisiko ist auch beim Betreuer (§§ 1896 ff. BGB) nicht auszuschließen.409
c) Ansprüche von gesetzlichen Vertretern juristischer Personen und nicht rechtsfähi- 192 ger Vereine. Ist die VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein, sind Ansprüche ihrer gesetzlichen Vertreter gegen die VN gem. Ziff. 7.5 (3) AHB ausgeschlossen. Ausgeschlossen gem. der Anmerkung zu Ziff. 7.4 und 7.5 AHB sind auch Ansprüche der Angehörigen der genannten gesetzlichen Vertreter, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben. Wer gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person des privaten Rechts ist, bestimmt sich je 193 nach Gesellschaftsform nach den Vorschriften des BGB, AktG, GmbHG oder GenG. Gesetzliche Vertreter i.S.v. Ziff. 7.5 (3) AHB sind bei juristischen Personen des Handelsrechts (§ 82 Abs. 1 AktG, § 37 Abs. 2 GmbHG, § 27 Abs. 2 GenG) nur solche, deren Vertretungsmacht unbeschränkt und unbeschränkbar ist. Der Aufsichtsrat einer AG/Beirat einer GmbH ist kein gesetzlicher Vertreter, da sich seine Vertretungsmacht darauf beschränkt, die Gesellschaft in ihren Rechtsbeziehungen gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu vertreten (§ 112 AktG, § 52 GmbHG). Ergänzend sei bemerkt, dass auch ein stellvertretendes Vorstandsmitglied einer AG unter den Begriff des gesetzlichen Vertreters fällt (vgl. § 94 AktG). Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 278 AktG) ist gesetzlicher Vertreter der persönlich haftende Gesellschafter. Bei den juristischen Personen des Bürgerlichen Rechts (rechtsfähige Vereine und rechts- 194 fähige Stiftungen) zählen die Mitglieder des Vorstands zu den gesetzlichen Vertretern (§ 26 BGB). Nicht zu den gesetzlichen Vertretern gehört hingegen der besondere Vertreter nach § 30 BGB. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts kommt es auf die Bezeichnung der gesetz-
407 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 170; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 86; Wussow § 4 Anm. 84. 408 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 175; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 101. 409 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 101; Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 33. 303
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
lichen Vertreter nicht an.410 Zur Bestimmung des gesetzlichen Vertreters eines nicht rechtsfähigen Vereins gelten die Vorschriften des Vereinsrechts entsprechend.411
195 d) Ansprüche von Gesellschaftern der OHG, KG und GbR. Nach Ziff. 7.5 (4) AHB sind Haftpflichtansprüche der unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG (§ 105 HGB), einer KG (§ 161 HGB) oder einer GbR (§ 705 BGB) sowie ihrer Angehörigen, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben (Anmerkung zu Ziff. 7.4 und 7.5 AHB), gegen die Gesellschaft als VN von der Deckung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Gesellschafter gesetzliche Vertreter der VN sind. Für Ansprüche von Kommanditisten oder stillen Gesellschaftern der VN besteht Versicherungsschutz, da diese nicht unbeschränkt persönlich haften (vgl. §§ 171 Abs. 1, 232 Abs. 2 HGB).412
196 e) Ansprüche von Partnern der Partnerschaftsgesellschaft. Für Haftpflichtansprüche der Partner einer Partnerschaftsgesellschaft i.S.v. § 1 PartGG sowie ihrer Angehörigen, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben (Anmerkung zu Ziff. 7.4 und 7.5 AHB), die sich gegen die Gesellschaft als VN richten, besteht gemäß Ziff. 7.5 (5) AHB keine Deckung.
197 f) Ansprüche von Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern. Ziff. 7.5 (6) betrifft die gegen den VN gerichteten Ansprüche von Liquidatoren, Zwangsverwaltern (§ 150 ZVG) und Insolvenzverwaltern (§ 56 InsO) sowie ihrer Angehörigen, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben (Anmerkung zu Ziff. 7.4 und 7.5 AHB). Unter Liquidatoren sind alle Personen zu verstehen, die nach gesetzlichen Bestimmungen unter diesem Titel (§§ 146 ff. HGB, §§ 66 ff. GmbHG, §§ 46 ff., 76 BGB) für die Abwicklung einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft eingesetzt oder beauftragt werden. Hierzu zählt auch der Abwickler i.S.d. § 265 AktG,413 der ebenso wie der Liquidator z.B. einer GmbH (vgl. § 70 GmbHG) oder oHG/KG (vgl. § 149 HGB) die Aufgabe hat, die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen (§ 268 S. 1 AktG). Soweit der Liquidator zugleich gesetzlicher Vertreter der in der Liquidation befindlichen VN ist, kann sich der Ausschluss der Deckung bereits aus Ziff. 7.5 (3) AHB ergeben.
198 g) Numerus clausus der Ausschlusstatbestände. Der Ausschluss gem. Ziff. 7.5 AHB erstreckt sich nur auf den zuvor genannten Personenkreis.414 Für die Ansprüche des Allein- oder Mehrheitsgesellschafters einer GmbH oder AG gegen die versicherte Gesellschaft greift Ziff. 7.5 AHB nicht ein, obgleich Kollusionsgefahr wegen der wirtschaftlichen Gleichlagerung der Interessen zwischen VN und Allein-/Mehrheitsgesellschafter besteht. Nicht erfasst werden durch den Wortlaut der Ausschlussbestimmungen Tochtergesellschaften einer juristischen Person, deren Majorität dem VN oder einer der sonst genannten Ausschlusspersonen gehört. Ansprüche derartiger Tochtergesellschaften gegen die VN fallen demgemäß unter den Versicherungsschutz.415
410 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 103. 411 Vgl. BGH 11.7.1968 – VII ZR 63/66, BGHZ 50 325, 328 = NJW 1968 1830, 1830; MüKoBGB/Reuter § 26 Rn. 27; Grüneberg/Ellenberger § 54 Rn. 1. Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 179; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 105. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 110; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 181. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 36. Späte § 4 Rn. 237.
412 413 414 415
Koch
304
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
V. Miete, Pacht, Leasing, Leihe, Verwahrung und verbotene Eigenmacht (Ziff. 7.6 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.6 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 I Ziff. 6 lit. a) AHB 1999. Mit dieser Regelung soll 199 nach allgemeiner Ansicht dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der VN fremde Sachen bei derartigen Rechtsverhältnissen wie eigene besitzt und behandelt, nämlich häufig mit geringerer Sorgfalt.416 Immer wieder liest man auch, dass Schäden an solchen Sachen als Eigenschäden des VN anzusehen seien.417 Ob diese Überlegungen so allgemein zutreffen, scheint fraglich. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es naheliegender, dass der VN mit fremden Sachen, 200 die er im Besitz hat, weniger sorgfältig umgeht als mit eigenen. Für die daraus resultierenden Schäden will der VR aus naheliegenden Gründen nicht aufkommen. Die Klausel dient somit vor allem dem Schutz des VR vor Moral Hazard des VN.418 Zutreffend bemerkt Späte, dass ohne diese Ausschlussklausel in der Betriebshaftpflichtversicherung für den VN ein Anreiz bestünde, aus Rentabilitätserwägungen möglichst häufig fremde Sachen zu verwenden.419 Im Hinblick auf diese Zielsetzung von Ziff. 7.6 AHB ist es verständlich, dass es deckungsrechtlich unbeachtlich ist, wenn der VN die Sache so sorgfältig wie möglich behandelt hat. Entscheidend ist, dass der VN (trotz aller Sorgfalt) für den eingetretenen Schaden haftet.
2. Fremde Sachen a) Begriff der Sache. Der Begriff der Sache beurteilt sich nach § 90 BGB.420 (Lebende) Tiere 201 sind deckungsrechtlich als Sache zu behandeln (Ziff. 1 AHB Rn. 21).
b) Bestimmung des Merkmals der Fremdheit. Die Sache muss fremd sein, d.h. im Eigentum 202 eines Dritten stehen. Entscheidend sind die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt des Versicherungsfalles.421 Soweit die Sache im Miteigentum des VN steht, bezieht sich der Ausschluss nur auf die Ansprüche, die den Anteil des anderen Eigentümers betreffen (im Übrigen handelt es sich um einen nicht gedeckten Eigenschadensanteil).422 Haben beide Miteigentümer einen einheitlichen Versicherungsvertrag abgeschlossen, greift Ziff. 7.4 (2) AHB ein.423 Die Sachen brauchen nicht dem Vertragspartner des VN zu gehören.424 Sie können beweglich oder unbeweglich sein.425 Herrenlose Sachen zählen nicht zu den Sachen i.S.v. Ziff. 7.6 AHB, da sie in 416 Littbarski AHB § 4 Rn. 195; vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 114; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 182. 417 Vgl. Späte § 4 Rn. 110; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 182. 418 Vgl. OLG Frankfurt/M. 9.11.1982 – 8 U 85/82, VersR 1983 946; OLG Karlsruhe 18.1.1990 – 12 U 252/89, VersR 1990 845, 846; Wussow § 4 Anm. 32, 37. 419 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 114; vgl. auch OLG Jena 2.7.1997 – 4 U 469/96, VersR 1998 576. 420 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 38; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 115. 421 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 38; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 116; Stockmeier A1-6.6 Rn. 11; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 79; Späte § 4 Rn. 112. 422 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 38; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 117; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 183; Wussow § 4 Anm. 31; a.A. LG Aurich 28.10.1954 – 2 O 282/54, VersR 1955 475. 423 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 117. 424 BGH 5.6.1961 – II ZR 42/59, VersR 1961 602. 425 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 38. 305
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
niemandes Eigentum stehen (vgl. § 958 Abs. 1 BGB).426 Bei Beschädigung einer herrenlosen Sache kann deshalb eine Deckungspflicht bestehen, soweit nicht ein ungedeckter Vermögensschaden (z.B. Aneignungsrecht des Jagdberechtigten) vorliegt.427 203 Umstritten ist, ob für das Merkmal der Fremdheit eine rein juristische Betrachtung oder vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen ist. Die Befürworter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise wollen den unmittelbaren Besitzer von Sachen, die er unter Eigentumsvorbehalt erworben oder zur Sicherheit übereignet hat oder deren Eigentumsübertragung nichtig ist, versicherungsrechtlich als Eigentümer qualifizieren. Wussow begründet diese Ansicht damit, dass das Risiko, das den Gegenstand der Versicherung bilde, sich nicht nach dem richte, was letzen Endes richtig sei, sondern nach den Rechten und Pflichten des VN, wie sie sich den Beteiligten im Zeitpunkt des Schadensereignisses darstellten.428 Die Gegner einer wirtschaftlichen Betrachtung machen hingegen geltend, dass nur eine formal-juristische Sichtweise eine die Rechtssicherheit nicht beeinträchtigende Abgrenzung zulasse, wann Versicherungsschutz bestehe.429 Gerade in den Fällen, in denen Unsicherheit und Streit über die gegenseitigen Rechte und Pflichten herrsche, weil nicht klar sei, ob das Eigentum wirksam übergegangen sei, helfe eine wirtschaftliche Betrachtung nicht weiter.430 204 Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug. Ein formal-juristischer Maßstab trägt nicht nur der Einheit der Rechtsordnung und damit der Rechtssicherheit, sondern auch der Systematik des Versicherungsrechts Rechnung. Folgte man der gegenteiligen Auffassung, würde der Versicherungsschutz im Übrigen bereits daran scheitern, dass die Beschädigung nicht als Fremdschaden, sondern als vom Haftpflichtversicherungsschutz nicht umfasster Eigenschaden des VN zu qualifizieren wäre. Bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise hätte der VN nämlich nicht einen Dritten, sondern nur sich selbst geschädigt.431
205 c) Kenntnis des Merkmals der Fremdheit. Fraglich ist, ob der VN sich bewusst gewesen sein muss, dass es sich bei der in seinem Besitz befindlichen Sache um eine fremde handelt. Für den Tätigkeitsschadensausschluss nach § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. (= Ziff. 7.7 AHB) hat die Rechtsprechung dies verlangt und mit dem Sinn und Zweck des Ausschlusses begründet, „dass nämlich verhindert werden soll, dass der VN das unternehmerische Risiko selbst trägt, … denn da sich die Haftpflichtversicherung ihrem Wesen nach ohnehin nicht auf die Beschädigung oder Vernichtung eigener Sachen beziehen kann (…), kann als unternehmerisches Risiko bei § 4 AHB [a.F.] nur dasjenige Risiko in Betracht kommen, das der Versicherungsnehmer bei seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit bewußt in bezug auf fremde Sachen eingeht. Verrichtet er die Tätigkeit in der Vorstellung, es handle sich um seine eigene Sache, so handelt es sich bei dem Risiko ihrer Beschädigung oder Vernichtung nicht um dasjenige unternehmerische Risiko, das ihm durch die Ausschlußklausel aufgebürdet werden soll“.432 [Hervorhebung durch Verfasser]
Diese Erwägungen tragen auch bei Ziff. 7.6 AHB, sodass unter Berücksichtigung des Restriktionsprinzips (Rn. 1) Kenntnis von der Fremdheit der Sache erforderlich ist.433
426 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 38; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 116; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 183; Littbarski AHB § 4 Rn. 198. 427 Wussow § 4 Anm. 31; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 116. 428 Wussow § 4 Anm. 31, ihm folgend Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 116. 429 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 183; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 38; Littbarski AHB § 4 Rn. 199. 430 Littbarski AHB § 4 Rn. 199; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 183. 431 Vgl. LG München 19.8.1999 – 19 S 6799/99, NZV 1999 516. 432 BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499 = NJW 1959 1492, 1493; vgl. auch BGH 7.12.1959 – II ZR 166/58, VersR 1960 109, 110; BGH 27.10.1955 – II ZR 13/54, VersR 1955 706 = NJW 1956 23. 433 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 38. Koch
306
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
3. Gemietete, geleaste, gepachtete und geliehene Sachen a) Grundsätzliches. Unter Zugrundelegung AGB-rechtlicher Auslegungsmaßstäbe sind die Be- 206 sitzmittlungsverhältnisse, auf die Ziff. 7.6 AHB Bezug nimmt, im strengen Wortsinn des Bürgerlichen Rechts zu verstehen.434 Nach h.A. soll es dabei nach Sinn und Zweck von Ziff. 7.6 AHB nicht darauf ankommen, ob der Miet, Leasing-, Pacht-, Leih- oder besondere Verwahrungsvertrag rechtswirksam abgeschlossen ist oder nicht. Es reiche aus, dass dem VN der Besitz vom Eigentümer eingeräumt worden sei und sich daraus für ihn Obhuts- und Gewahrsamspflichten ergäben.435 Dieser Ansicht ist für alle Anfechtungsfälle zuzustimmen.436 Nach dem auch für den 207 durchschnittlichen VN erkennbaren Zweck der Klausel wäre es nicht zu billigen, dass durch eine Anfechtung wegen eines nach § 119 BGB relevanten Irrtums der Versicherungsschutz nachträglich auflebte. Derjenige, der aufgrund eines nachträglich – wenn auch mit ex-tunc Wirkung – vernichteten Vertrages der infrage stehenden Art eine Sache besessen hat, ist dem aufgrund eines wirksamen Vertrages besitzenden VN gleichzustellen, und zwar nach der Interessenlage auch für den Zeitraum nach erfolgter Anfechtung, solange er die Sache weiter wie ein Mieter, Pächter usw. behält (Rn. 213), nicht aber, wenn er die Sache berechtigt zurückbehält oder nur bei sich duldet, weil der Kontrahent meint, die Entgegennahme aus Rechtsgründen verweigern zu können.437 Den Anfechtungsfällen gleichzustellen ist nach der Interessenlage der versteckte Dissens (§ 155 BGB).438 Anders sind die Fälle einzuordnen, in denen es wegen Geisteskrankheit oder Minderjäh- 208 rigkeit nicht zu einem wirksamen Vertragsabschluss gekommen ist.439 Kein überzeugendes Argument stellen die Ausführungen von Wussow dar, dass in der Ausschlussbestimmung nicht ausdrücklich von rechtsgültigen Verträgen die Rede sei.440 Vielmehr ist zu entscheiden, ob trotz des gegen die Auslegung durch die h.M. sprechenden Wortlauts der Ausschlussbestimmung, die nämlich vom Vertragsrecht des Bürgerlichen Rechts ausgeht, eine extensive Auslegung möglich ist. Dies ist zu verneinen. Dabei ist zu bedenken, dass das bürgerliche Recht die Minderjährigen und Geisteskranken durch die Unwirksamkeit der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen schützen will.441 Ziff. 7.6 AHB findet nach Sinn und Zweck nur dann Anwendung, wenn das Schadenereignis 209 in der Zeit eintritt, in der der Besitz aufgrund der in der Klausel aufgeführten Rechtsverhältnisse besteht.442
b) Schäden an gemieteten/gepachteten Sachen. Es ist nicht erforderlich, dass die Sache 210 einem Mieter/Pächter zum Alleingebrauch überlassen wird. Die Einräumung eines Mitbenutzungsrechts genügt. Der Ausschluss kann deshalb auch eingreifen, wenn der Vermieter/Verpächter seinerseits ebenfalls zum Gebrauch der Sache und zum unmittelbaren Besitz berechtigt 434 Allg.M., vgl. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 39; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 33; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 184; Späte § 4 Rn. 112; Littbarski AHB § 4 Rn. 202; Kuwert Rn. 4088; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 80. 435 OLG Frankfurt/M. 9.11.1982 – 8 U 85/82, VersR 1983 946 = RuS 1983 224; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 147; Wussow § 4 Anm. 37. 436 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 147. 437 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 148 f. 438 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 147. 439 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 197. 440 Wussow § 4 Anm. 37. 441 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 147. 442 Vgl. OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 202/19, RuS 2020 499, 501 (selbst wenn jeweils eine Leihe vorgelegen haben sollte, ergibt sich nicht, dass gerade im Zeitpunkt des angeblichen Schadenseintritts ein solches Leihverhältnis bestand). 307
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
211
212
213
214
Ausschlüsse
ist, soweit sich der Gebrauch durch die verschiedenen Personen nicht nach Lage der Sache ausschließt.443 Mietet ein Mitglied einer BGB-Gesellschaft (hier: Hobbyfußballkicker) eine Ferienwohnung an, so wird der einzelne Gesellschafter nicht Mieter i.S.v. Ziff. 7.6 AHB.444 Werden Wohnräume oder sonstige Räume dem VN aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zugewiesen, so liegt keine Miete i.S.v. § 535 BGB vor, sondern ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis.445 Dagegen ist die Einräumung eines schuldrechtlichen Wohnrechts, je nachdem, ob eine entgeltliche oder unentgeltliche Gestaltung vorliegt, als Leihe oder Miete einzuordnen.446 Das Entgelt kann hier in der Übernahme der Betriebskosten (bei einer Eigentumswohnung in der Übernahme des Wohngeldes), aber auch in der Zahlung eines einmaligen Betrages bestehen. Werden dagegen alle Kosten vom Wohnungsgeber übernommen, so liegt eine Leihe vor. Der Ausschluss greift auch dann ein, wenn sich die Betriebshaftpflichtversicherung eines Gaststättenpächters gerade auf Haftpflichtansprüche bezieht, die aus Verstößen gegen die Pflichten resultieren, die ihm wie einem Hauseigentümer aufgrund der Innehabung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die gepachteten Räumlichkeiten gegenüber Dritten obliegen.447 Allerdings kann Ziff. 7.6 AHB auch insoweit durch besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen modifiziert sein.448 Allein aus der Mitversicherung betriebsüblicher Risiken, insbesondere als Eigentümer, Mieter, Pächter oder Leasingnehmer von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten in der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV) kann nicht auf eine Abbedingung von Ziff. 7.6 AHB geschlossen werden.449 Für Schäden im Rahmen des fortgesetzten Gebrauchs der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit besteht keine Deckung, weil sich das Mietverhältnis nach § 545 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert. Widerspricht der Vermieter der Fortsetzung und setzt der VN gleichwohl den Gebrauch fort, besteht nach Sinn und Zweck von Ziff. 7.6 AHB ebenfalls kein Versicherungsschutz.450 Bei der Miete einer Wohnung sind alle Schäden an der Wohnung selbst vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Stößt der Mieter einer Etagenwohnung einen Eimer mit Wasser um, so ist der Schaden am Fußboden nicht gedeckt, wohl aber der Haftpflichtanspruch wegen der Verunzierung der Zimmerdecke der darunterliegenden Wohnung.451 Nicht ausgeschlossen sind die in einem Mietshaus von einem der Mieter am gemeinsamen Treppenhaus angerichteten Schäden, wohl aber Schäden im Treppenhaus im Fall der Miete eines Einzelhauses durch den VN. Auch ein in einem Mietshaus an den gemeinschaftlichen Kellerräumen (z.B. Waschküche) angerichteter Schaden fällt nicht unter den Versicherungsschutz.452 Hier liegt Mitbesitz vor. Demgemäß umfasst der Ausschlusstatbestand bei der Miete eines Hotelzimmers nur dieses und die in diesem selbst befindlichen Sachen des Vermieters, nicht dagegen die allgemein den Hotelgästen zur Verfügung stehenden Einrichtungen (z.B. gemeinsamer Waschraum, Toilettenräume, Hotelhalle usw.). Wird einem Studierenden ein Zimmer mit Küchenbenutzung vermietet, besteht sowohl für Schäden an diesem Zimmer als auch an der Küche keine Deckung. Ist dagegen nur das Zimmer, wenn auch mit Frühstück, vermietet, so besteht für die in der Küche angerichteten Schäden Deckung, und zwar auch dann, wenn dem VN für einen Einzelfall (besonders frühes Aufstehen) die Benutzung der Küche zum Kaffeekochen gestattet war. 443 444 445 446 447 448 449
Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 122; Wussow § 4 Anm. 36. Vgl. LG Essen 7.4.2005 – 10 S 520/04, RuS 2005 504 zu § 4 I Ziff. 6 lit. a) AHB a.F. Vgl. Blank/Börstinghaus Miete 6. Aufl. (2020) § 535 Rn. 3. BGH 5.11.1997 – VIII ZR 55/97, NJW 1998 595. LG Düsseldorf 16.1.1987 – 11 O 251/86, zfs 1987 186; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 123. Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 83. BGH 9.6.2004 – IV ZR 228/03, RuS 2004 371, 372; so auch OLG Düsseldorf 2.12.1986 – 4 U 58/86, NJW-RR 1987 727 = VersR 1988 393; LG Frankfurt/M. 22.9.1988 – 2/7 O 488/87, zfs 1989 98; vgl. Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 7 Rn. 123; auch Schlegelmilch VersR 1993 176. 450 A.A. OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, RuS 2001 16, 17; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 33. 451 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 122. 452 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 122. Koch
308
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Nach dem Sinngehalt von Ziff. 7.6 AHB kann auch nur ein Teil einer Sache oder einer 215 Sachgesamtheit unter den Ausschluss fallen, sofern sich das vertragliche Gebrauchsrecht nur auf diesen Teil bezieht. Mietet ein VN nur einen Teil einer Fabrikhalle, so ist nur dieser Teil Ausschlussobjekt, auch wenn das Mietobjekt selbst nur betreten werden kann, wenn die gesamte Halle durchquert wird. Durch den An- oder Abtransport von Waren an der Halle entstehende Schäden werden also, soweit sie sich nicht auf das eigentliche Mietobjekt beziehen, vom Versicherungsschutz erfasst. Führen durch die vom VN gemieteten Räume einer Fabrikhalle im Eigentum des Vermieters stehende Starkstromkabel, die für einen anderen Mieter bestimmt sind, so lässt sich daran zweifeln, ob der Ausschlusstatbestand eingreift. Nach dem Sinn der Klausel ist aber die Anwendung zu bejahen. Es besteht eine vertraglich erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber dem Eigentum des Vermieters. Auch ist aus der Interessenlage kein Grund zu sehen für eine unterschiedliche Behandlung von Schäden an Kabelleitungen des Vermieters, die dem Betrieb des VN dienen, und solchen, die lediglich durch die gemieteten Räume führen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn es sich um Kabel handelt, die von dem anderen Mieter nachträglich gelegt worden sind und in dessen Eigentum stehen.
c) Schäden an geleasten Sachen. Der Leasingvertrag ist als solcher nicht gesetzlich defi- 216 niert. Die Leasingpraxis unterscheidet zwischen Operating-Leasing und Finanzierungsleasing. Beim Operating-Leasing erstrebt der Leasinggeber die volle Amortisation seines Anschaffungsaufwandes nicht bereits durch einmaliges, sondern erst durch mehrfaches Überlassen des Leasinggegenstands an verschiedene Leasingnehmer.453 Kennzeichnend für das Operating-Leasing ist deshalb, dass keine oder nur eine – im Verhältnis zur gewöhnlichen Nutzungsdauer der Leasingsache – sehr kurze feste Vertragslaufzeit vereinbart wird und der Vertrag im Übrigen jederzeit frei kündbar ist. Deshalb findet Mietrecht Anwendung.454 Für das Finanzierungsleasing ist seine Finanzierungsfunktion kennzeichnend.455 Dem 217 Leasingnehmer wird das mit Mitteln des Leasinggebers angeschaffte – und damit vorfinanzierte – Leasinggut zur Nutzung überlassen. Deshalb haben §§ 499, 500 BGB a.F. das Finanzierungsleasing als „Finanzierungshilfe“ behandelt und es in einzelnen Beziehungen dem Recht des (Verbraucher)Darlehens unterworfen. Infolge der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG456 zum 11.6.2010 ist der Begriff des Leasingvertrages aus dem BGB verschwunden. Jedoch wird das Finanzierungsleasing nach den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers als entgeltliche Finanzierungshilfe von § 506 Abs. 2 BGB erfasst. Lässt man den personellen Anwendungsbereich des § 506 Abs. 2 BGB unberücksichtigt (Beschränkung auf Verbraucherverträge), sind alle Verträge über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als Finanzierungsleasing zu qualifizieren, wenn vertraglich entweder eine Erwerbsverpflichtung des Leasingnehmers geregelt ist (Ziff. 1), dem Leasinggeber die Möglichkeit eingeräumt wird, von dem Leasingnehmer den Erwerb des Vertragsgegenstandes zu verlangen (Ziff. 2) oder der Leasingnehmer bei Vertragsablauf einen vereinbarten Restwert garantieren muss (Ziff. 3).457 Darüber hinaus erfasst Ziff. 7.6 AHB auch das sog. Null-Leasing, Kilometerabrechnungsverträge des Kfz-Leasings458 sowie den Mietkauf.459
453 BGH 11.3.1998 – VIII ZR 205/97, NJW 1998 1637, 1639 m.w.N. 454 BGH 11.3.1998 – VIII ZR 205/97, NJW 1998 1637, 1639; Graf von Westphalen Der Leasingvertrag 6. Aufl. (2007) Rn. B 76. Vgl. BGH 4.7.1990 – VIII ZR 288/89, BGHZ 112 65, 71. ABl. EG Ziff. L 133 v. 22.5.2008, S. 66. Vgl. BTDrucks. 16/11643 S. 92. Nach BGH 24.2.2021 – VIII ZR 36/20, BeckRS 2021 3466 Rn. 37 ff. sind § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nicht (auch nicht analog) auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung anzuwenden. 459 Graf von Westphalen Der Leasingvertrag 6. Aufl. (2007) Rn. B 78; zum Anwendungsbereich von § 506 Abs. 2 BGB vgl. Omlor NJW 2010 2694, 2697.
455 456 457 458
309
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
218 d) Schäden an geliehenen Sachen. Die Leihe ist ein (unvollkommen) zweiseitig verpflichtender Vertrag, der zunächst den Verleiher verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten (§ 598 BGB), und zwar für die Dauer einer etwa bestimmten Zeit oder jedenfalls so lange, dass der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch machen kann (vgl. § 604 Abs. 1 und 2 BGB). Bezeichnend für den Leihvertrag ist deshalb ein einklagbarer Anspruch auf Gebrauchsüberlassung.460 In Abgrenzung dazu liegt ein Gefälligkeitsverhältnis ohne vertragliche Bindung vor, wenn die zum Gebrauch überlassene Sache jederzeit zurückgefordert werden kann und dem Entleiher kein Besitz übertragen, sondern dieser vielmehr Besitzdiener wird.461 219 Ob nur ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, ist im Einzelfall nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und nach Interessenlage der Parteien zu beurteilen.462 Für die Annahme eines rechtsgeschäftlichen Bindungswillens sprechen der Wert des überlassenen Gegenstands und das Unvermögen des Eigentümers, sein Eigentum während einer längeren Abwesenheit zu überwachen.463 Fehlt es an einem entsprechenden Rechtsbindungswillen, greift Ziff. 7.6 AHB nicht ein.464 Abzulehnen ist das Urteil des LG Wuppertal, das die Überlassung von Wohnung und Hausratsgegenständen zu Mitbesitz unter Lebensgefährten als ein leiheähnliches Verhältnis bezeichnet, weil es den Rahmen nur gesellschaftlicher Kontakte und Freundlichkeiten überschreite.465 220 Ohne nähere Qualifikation des Vertragsverhältnisses hat das LG Darmstadt die Überlassung eines Pferdes zur Benutzung als einen Fall des Ziff. 7.6 AHB angesehen.466 Das LG Heidelberg hat einen Leihvertrag angenommen, wenn ein Musikverein seinem Mitglied für Konzerte eine vereinseigene Basstuba mit der in der Satzung verankerten Maßgabe zur Verfügung stellt, dass das Instrument schonend zu behandeln und das Mitglied für jede Beschädigung haftbar sei.467 Ein leiheähnliches Verhältnis mit der Folge der Anwendbarkeit des Haftungsausschlusses hat das OLG Frankfurt/M. in einem Fall bejaht, in dem der VN zumindest unmittelbaren Mitbesitz an einem Anhänger dadurch erlangt hatte, dass der Eigentümer diesen auf Bitten des VN hin auf dessen Grundstück abgestellt und dort zunächst unbestimmte Zeit stehengelassen hatte, damit der VN zwischenzeitlich Schutt aufladen konnte.468 221 Kein Leihvertrag, sondern eine nicht unter den Ausschluss fallende unverbindliche Gefälligkeitshandlung soll hingegen anzunehmen sein, wenn unter Geschwistern ein Kfz zum Zwecke 460 Vgl. OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 511; OLG Brandenburg 11.6.2008 – 4 U 139/07, RuS 2008 328, 329 zur Abgrenzung zwischen einer bloßen Gefälligkeit und einem besonderen Verwahrungsvertrag; OLG Jena 2.7.1997 – 4 U 469/96, VersR 1998 576; OLG Hamm 8.3.1995 – 20 U 280/94, RuS 1995 450; OLG München 3.12.1991 – 18 U 4746/91, NJW-RR 1993 215; LG Düsseldorf 12.12.2001 – 23 S 221/01, VersR 2002 838, 839; LG Hamburg 16.2.1995 – 302 S 118/94, RuS 1995 452; LG Köln 23.1.1991 – 24 S 3/90, VersR 1991 1046 (LS); LG Bochum 10.5.1991 – 5 S 438/90, VersR 1991 1401, 1402; AG Hannover 26.9.2001 – 554 C 9905/01, BeckRS 2001 31146224. 461 Vgl. OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 511; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 152. 462 OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 511; vgl. auch BGH 22.6.1956 – I ZR 198/54, BGHZ 21 102, 107 = NJW 1956 1313; OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 202/19, RuS 2020 499, 501; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 7 Rn. 152; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 42. 463 LG Düsseldorf 31.3.2000 – 20 S 159/99, NVersZ 2001 429, 430. 464 OLG Hamm 8.3.1995 – 20 U 280/94, RuS 1995 450; OLG München 3.12.1991 – 18 U 4746/91, NJW-RR 1993 215; vgl. auch OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 202/19, RuS 2020 499, 501; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 42; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 186; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 151; a.A. Bruck/ Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 194; LG Wuppertal 8.9.1989 – 10 S 312/89, RuS 1990 299; LG München I 10.1.1985 – 27 O 16112/84, zfs 1985 184; AG Spaichingen 18.11.1986 – 2 C 596/85, zfs 1987 121; unklar OLG Frankfurt/ M. 19.11.1982 – 8 U 85/82, VersR 1983 946, 947. 465 LG Wuppertal 8.9.1989 – 10 S 312/89, RuS 1990 299. 466 LG Darmstadt 12.3.1987– 13 O 95/86, RuS 1987 188; vgl. aber auch BGH 9.6.1992 – VI ZR 49/91, NJW 1992 2474, 2475 = VersR 1992 1145, 1147. 467 LG Heidelberg 9.12.1986 – 4 S 30/86, VersR 1988 257. 468 OLG Frankfurt/M. 9.11.1982 – 8 U 85/82, VersR 1983 946 = RuS 1983 224. Koch
310
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
einer lediglich eintägigen Fahrt überlassen wird.469 Verallgemeinernd folgert Schneider daraus, dass das Vorliegen verwandtschaftlicher oder sehr enger freundschaftlicher Beziehungen in der Regel auf eine echte Gefälligkeitshandlung ohne rechtsgeschäftlichen Hintergrund hindeute, während eine hohe wirtschaftliche Bedeutung eher auf den rechtsgeschäftlichen Charakter der Überlassung schließen lasse.470
4. Schäden an vom VN verwahrten Sachen a) Verwahrung als Hauptpflicht. Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden an Sachen, die der VN aufgrund eines besonderen Verwahrungsvertrages in Besitz hat. Ein besonderer Verwahrungsvertrag ist nur dann gegeben, wenn die Verwahrung eine objektiv selbstständige Bedeutung im Rahmen der Vertragsbeziehungen hat, und nicht lediglich im Rahmen einer Nebenpflicht aus einem anderen Vertrag besteht.471 Es muss sich m.a.W. um einen Verwahrungsvertrag i.S.v. § 688 BGB handeln. Verwahrungspflichten aufgrund Werkvertrages,472 Auftrages, Dienst-, Geschäftsbesorgungs-, Speditions- oder Sicherungsübereignungsvertrages, Kommissionsvertrages473 oder Kaufvertrages unter Eigentumsvorbehalt474 fallen demgemäß nicht unter den Ausschlusstatbestand.475 Weder die Überlassung des Firmen-Kfz im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zum privaten Gebrauch476 noch die Aufbewahrung der Garderobe des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber sind somit vom Ausschluss betroffen. Hierbei handelt es sich lediglich um Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag. Besondere Ausschlussklauseln für die Belegschaftshabe machen daher nur dann einen Sinn, wenn der Versicherungsschutz – wie es vielfach geschieht – auch auf das Abhandenkommen von Sachen erstreckt (abweichend von Ziff. 2.2 AHB) oder sogar festgelegt wird, dass bei der Beschädigung oder dem Abhandenkommen von Belegschaftshabe Ersatz zu leisten ist ohne Rücksicht darauf, ob eine Ersatzpflicht des VN besteht oder nicht. Hier wird zur Erhaltung des Betriebsfriedens einer Klärung der Rechtslage aus dem Wege gegangen. Als besonderer Verwahrungsvertrag ist nicht nur die Verwahrung i.S.d. §§ 688 ff. BGB, sondern vor allem auch das Lagergeschäft nach §§ 467 ff. HGB anzusehen, ferner die Sonderverwahrung nach § 2 DepotG und die Verwahrung nach §§ 432, 1217, 1281, 2039 BGB.477 Nicht hierher gehört hingegen ein durch Hoheitsakt begründetes öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, z.B. aufgrund einer polizeilichen Beschlagnahme.478 Anders ist es aber dann, wenn ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über die Verwahrung abgeschlossen wird.479 469 AG Mannheim 4.7.1995 – 2 C 1650/95, VersR 1995 1084, 1085. 470 Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 84. 471 OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 202/19, RuS 2020 499, 501; OLG Brandenburg 11.6.2008 – 4 U 139/07, RuS 2008 328, 329; OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 511; OLG Jena 2.7.1997 – 4 U 469/96, VersR 1998 576; OLG Karlsruhe 2.12.1993 – 12 U 232/93, VersR 1994 801, 802; OLG München 28.5.1993 – 23 U 1780/93, VersR 1993 1517; OLG Düsseldorf 2.10.1990 – 4 U 249/89, RuS 1992 226; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 129; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 188; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 86. 472 BGH 7.10.1987 – IVa ZR 140/86, VersR 1987 1181 = NJW-RR 1988 148; vgl. auch BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, NJW 1966 1073, 1074 = VersR 1966 434, 435. 473 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 139. 474 Vgl. OLG Hamm 12.2.2020 – 20 U 202/19, RuS 2020 499, 501; OLG Brandenburg 11.6.2008 – 4 U 139/07, RuS 2008 328, 329; OLG Hamm 8.6.1994 – 20 U 56/94, RuS 1994 409, 410 = VersR 1995 161; OLG Karlsruhe 18.1.1990 – 12 U 252/89, VersR 1990 845, 846. 475 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 129; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 40. 476 LG Hagen 31.1.2017 – 9 O 293/15, RuS 2017 185, 186 f. 477 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 130; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 86. 478 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 136. 479 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 135. 311
Koch
222
223
224
225
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Kein besonderer Verwahrungsvertrag liegt bei einem Kauf auf Probe vor.480 Wenngleich auch hier nach der Interessenlage ein Ausschluss unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt wäre, lässt doch der Wortlaut der Ausschlussbestimmung deren Anwendung nicht zu. 226 Stets bezieht sich ein Verwahrungsvertrag nur auf die Aufbewahrung beweglicher Sachen. Unbewegliche Sachen können nicht Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages i.S.d. Ziff. 7.6 AHB ein.481 Wenn der VN es also übernimmt, auf das Haus eines Dritten in dessen Abwesenheit „aufzupassen“, so findet auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung dieser Verpflichtung Ziff. 7.6 AHB keine Anwendung. Der Ausdruck „besonderer“ Verwahrungsvertrag ist im Übrigen nicht in dem Sinne zu ver227 stehen, dass ein „gesonderter“ Verwahrungsvertrag vorliegen müsste. Auch „gemischte“ Verträge können unter den Ausschlusstatbestand fallen (hierzu sogleich ausführlich Rn. 231 ff.).482 Mit Rücksicht auf das erwähnte gänzliche Ausscheiden der Nebenverpflichtungen ist aber eine besonders scharfe Analyse des Vertragsverhältnisses erforderlich. Wie zuvor bemerkt, ist entscheidend, ob die Verwahrungspflicht eine objektiv selbstständige Bedeutung hat. Danach ist bei der Übergabe einer Sache zur Bearbeitung die Verwahrungspflicht stets 228 dem eigentlichen Vertragszweck unterzuordnen, mag diese Sache auch noch so wertvoll sein, z.B. bei Schmucksachen.483 Anders ist es dagegen, wenn jemand eine lange Reise antreten will und aus diesem Grunde bei Übergabe der Sache zur Bearbeitung eine durch die eigentliche Arbeitszeit nicht erforderliche längere Aufbewahrung vereinbart. Hier lässt sich die Anwendung der Klausel rechtfertigen;484 dagegen nicht in dem Fall, in dem der säumige Vertragspartner die fertiggestellte Sache entgegen den Vereinbarungen über Wochen nicht abholt oder wenn das reparierte Motorboot wegen der Vereisung der Gewässer zunächst am Bootssteg des VN, der es repariert hatte, liegenbleibt. Wird ein Pelz im Sommer zur Überarbeitung gebracht und soll er erst zur kalten Jahreszeit wieder abgeholt werden, greift Ziff. 7.6 AHB ein.485 Nicht anwendbar ist die Klausel hingegen in Fällen, in denen Garderobe im Lokal an den Haken gehängt wird (anders bei Übernahme der Garderobe durch Personal gegen Entgelt), oder beim Abstellen eines Fahrzeuges auf dem Parkplatz eines Geschäftslokales.486
229 b) Unentgeltliche Verwahrung. Erfolgt die besondere Verwahrung unentgeltlich, ist eine Abgrenzung zur vom Versicherungsschutz nicht ausgeschlossenen bloßen Gefälligkeit erforderlich.487 Wiederum kommt für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens dem Wert der anvertrauten Sache, der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit, dem erkennbaren Interesse des Begünstigten sowie der nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbaren Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, besondere Bedeutung zu.488 Wer längerfristig ein fremdes, wertvolles Reitpferd in seinen Stall aufnimmt, das weiterhin vom Eigentümer gefüttert, gepflegt und bewegt wird, und dieses nach den Umständen mit zu überwachen hat, hat konkludent einen Verwahrungsvertrag über das Pferd geschlossen.489 Fremde Sachen sind 480 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 131; Wussow § 4 Anm. 44. 481 BGH 9.3.1961 – III ZR 44/60, BGHZ 34 349, 354 = NJW 1961 1164, 1165 (zum öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis); OLG München 30.3.1960 – 7 U 765/58, VersR 1962 54, 55; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 132; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 188; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 86. 482 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 133. 483 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 131. 484 Wussow § 4 Anm. 44. 485 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 131; Wussow § 4 Anm. 44. 486 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 40; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 131. 487 Hierzu Bruns VersR 2018 789, 793. 488 BGH 22.6.1956 – I ZR 198/54, BGHZ 21 102, 107 = NJW 1956 1313; OLG Brandenburg 11.6.2008 – 4 U 139/07, RuS 2008 328, 329; OLG Jena 2.7.1997 – 4 U 469/96, VersR 1998 576; OLG Karlsruhe 2.12.1993 – 12 U 232/93, VersR 1994 801. 489 OLG Düsseldorf 2.10.1990 – 4 U 249/89, RuS 1992 226, 227. Koch
312
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
im Übrigen auch dann noch Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrags i.S.v. Ziff. 7.6 AHB, wenn der Auftraggeber zeitweise selbst die tatsächliche Sachherrschaft über den zur Verwahrung gegebenen Gegenstand im Herrschaftsbereich des Auftragnehmers ausübt.490 Einen besonderen Verwahrungsvertrag hat die Rechtsprechung bejaht im Falle des Erwerbs 230 eines Fohlens, das der Erwerber nach dem Kauf absprachegemäß für die Dauer des Winters in dem Stall des Verkäufers belassen hatte,491 sowie bei einem Verpächter, der in der verpachteten Gaststätte Inventar zurückgelassen hatte in der Absicht, es später noch abzuholen.492 Hingegen wird durch die Übergabe von Gegenständen zur Reparatur an eine Reparaturwerkstatt ein besonderer Verwahrungsvertrag nicht geschlossen.493 Der Haftungsausschluss greift schließlich auch dann nicht ein, wenn nach dem Versicherungsvertrag gerade die Tätigkeit des VN als Verwahrer Gegenstand des Versicherungsschutzes ist.494
5. Gemischte Verträge Weist das Besitzmittlungsverhältnis nicht nur Elemente der vorgenannten Vertragstypen, son- 231 dern auch anderer Verträge auf, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit von Ziff. 7.6 AHB. Zieht man zur Beantwortung dieser Frage die (nicht versicherungsrechtliche) Rechtsprechung zu gemischten Verträgen heran, wäre Ziff. 7.6 AHB anwendbar, wenn die (un-)entgeltliche Gebrauchsüberlassung i.S.v. Miete, Pacht, Leihe, Leasing oder die Verwahrung im Mittelpunkt der vertraglichen Beziehungen stehen.495 Steht die Gebrauchsüberlassung (nur) gleichbedeutend neben anderen Leistungen, käme Ziff. 7.6 AHB bezüglich der zum Gebrauch überlassenen Sachen ebenfalls zum Tragen, da der mutmaßliche Wille der Vertragsparteien i.d.R. dahin geht, auf die jeweilige Leistungspflicht diejenigen Rechtsvorschriften anzuwenden, die zur Geltung kämen, wenn die Pflicht in einem gesonderten Vertrag begründet worden wäre.496 Die versicherungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur wählen einen etwas anderen An- 232 satz, kommen aber letztlich zu dem gleichen Ergebnis. Im Hinblick darauf, dass nach AGBrechtlichen Auslegungsgrundsätzen eine ausdehnende Anwendung von Ausschlussklauseln nicht zulässig ist,497 verlangen sie für die Anwendung von Ziff. 7.6 AHB, dass die Gebrauchsüberlassung die Tatbestandsmerkmale eines der ausgeschlossenen Besitzmittlungsverhältnisse aufweist.498 Für diese Ansicht spricht, dass Ziff. 7.6 AHB sich fest umrissener Begriffe der Rechtssprache bedient und insoweit alle unter diese Begriffe fallende Besitzmittlungsverhältnisse erfasst. Die Ausschlussbestimmung findet deshalb keine Anwendung auf den Nießbrauch an Sa- 233 chen und das dingliche Wohnrecht. Ziff. 7.6 AHB greift darüber hinaus nicht ein im Falle der 490 491 492 493 494 495
LG Hamburg 11.10.1989 – 79 O 233/89, VersR 1990 845. OLG Karlsruhe 2.12.1993 – 12 U 232/93, VersR 1994 801, 802. LG Darmstadt 29.5.1987 – 1 O 463/86, zfs 1988 150. BGH 7.10.1987 – IVa ZR 140/86, VersR 1987 1181 = RuS 1987 337. OLG München 28.5.1993 – 23 U 1780/93, VersR 1993 1517. Vgl. BGH 13.9.2007 – I ZR 207/04, NJW 2008 1072, 1073; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 138; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 188; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 86. 496 Vgl. BGH 13.9.2007 – I ZR 207/04, NJW 2008 1072, 1073. 497 Vgl. OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 512; OLG Koblenz 8.7.1994 – 10 U 126/94, RuS 1994 410, 411 = VersR 1995 1083, 1084; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 41; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 182. 498 Vgl. OLG Hamm 25.8.2004 – 20 U 105/04, RuS 2005 104, 105; OLG Koblenz 8.7.1994 – 10 U 126/94, RuS 1994 410, 411 = VersR 1995 1083; OLG Karlsruhe 2.12.1993 – 12 U 232/93, VersR 1994 801; LG Dortmund 7.4.2005 – 2 S 53/04, RuS 2007 18; LG Essen 7.4.2005 – 10 S 520/04, RuS 2005 504; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 185; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 80; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 138; Wussow § 4 Anm. 36; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 196. 313
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Überlassung einer Baumaschine zum Zweck ihrer technischen Erprobung,499 bei Überlassung eines Teppichs an den potentiellen Käufer, um ihn zum Kauf geneigt zu machen,500 der unentgeltlichen Nutzung eine Appartments aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses,501 oder des rechtsgrundlosen Besitzes eines Grundstücks, wegen Nichtigkeit des Kaufvertrages oder nach erfolgter Zwangsversteigerung.502 Auch der Mitbesitz unter Ehegatten/Lebenspartnern, Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder Mitgliedern einer Wohngemeinschaft fällt nicht unter den Ausschluss.503 Nach der Rechtsprechung bedarf es zur Feststellung, ob ein Mietverhältnis i.S.v. Ziff. 7.6 234 AHB vorliegt, konkreter Angaben zu einem bestimmten vertraglich vereinbarten und gerade auf die Nutzungsüberlassung bezogenen Entgelt.504 Daran fehlt es nach Ansicht des LG Dortmund beim Krankenhausaufnahmevertrag, soweit darin zwar vorgesehen ist, dass die Unterbringung in einem Zimmer mit Telefon und Fernsehen erfolgt, ein Entgelt für die Überlassung des Fernsehgeräts aber nicht vereinbart wurde.505 Keine Anwendung findet Ziff. 7.6 AHB auf einen „Mietvertrag für Veranstaltungs- und Promotionsflächen“, wenn der „Mieter“ keine Miete zahlt, sondern zur Durchführung einer für Kunden des „Vermieters“ attraktiven Veranstaltung verpflichtet ist und dafür – neben der Zurverfügungstellung der Fläche – ein Entgelt erhält.506 235 Wird dem VN eine Bordwohnung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ohne Abschluss eines Mietvertrags dergestalt von seinem Arbeitgeber überlassen, dass er entsprechend den betrieblichen Anforderungen und Erfordernissen während des Einsatzes auf dem Schiff jederzeit zu den erforderlichen Arbeitseinsätzen zur Verfügung stehen und in den dazwischen liegenden Zeiten in dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich nach Bedarf seine Freizeit verbringen kann, liegt ebenfalls kein Mietverhältnis vor.507 Die Nutzung des Kfz des Arbeitgebers zu einem von diesem bestimmten dienstlichen Zweck stellt keine Leihe dar.508 Es fehlt bereits an der Besitzübertragung, wenn der Arbeitnehmer nur die Stellung eines Besitzdieners i.S.v. § 855 BGB innehat. Dies genügt für den genannten Haftungsausschluss nicht.509 Die Überlassung einer Sache an den VN im Rahmen eines Dienstvertrages zur Ermöglichung seiner Dienstleistung rechtfertigt auch nicht die Annahme einer Leihe.510 Zu Recht qualifiziert das LG Hagen die Überlassung eines Dienstwagens auch zum Zwecke der privaten Nutzung nicht als Leihe i.S.v. § 598 BGB, weil es sich bei dem Dienstwagen um einen Sachbezug als Teil des geschuldeten Arbeitsentgeltes handelt und dessen Gebrauchsüberlassung eine zusätzliche Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung ist511
499 OLG Jena 2.7.1997 – 4 U 469/96, VersR 1998 576. 500 Hans. OLG Hamburg 7.6.1989 – 8 U 140/87, VersR 1989 1292; s. auch LG Düsseldorf 12.12.2001 – 23 S 221/01, VersR 2002 838, 839. 501 OLG Hamm 8.3.1995 – 20 U 280/94, RuS 1995 450 = VersR 1996 444 (LS); vgl. auch OLG München 3.12.1991 – 18 U 4746/91, NJW-RR 1993 215, 216 = VersR 1993 303. 502 OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, VersR 2001 888, 890; OLG Stuttgart 30.6.1994 – 7 U 228/93, VersR 1996 445. 503 Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 80; Littbarski AHB § 4 Rn. 203; Späte § 4 Rn. 121. 504 OLG Hamm 25.8.2004 – 20 U 105/04, RuS 2005 104, 105; OLG Koblenz 8.7.1994 – 10 U 126/94, RuS 1994 410, 411 = VersR 1995 1083; LG Berlin 2.3.2006 – 7 O 268/05, zfs 2006 698; LG Dortmund 7.4.2005 – 2 S 53/04, RuS 2007 18; LG Essen 7.4.2005 – 10 S 520/04, RuS 2005 504. 505 LG Dortmund 7.4.2005 – 2 S 53/04, RuS 2007 18; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 141. 506 OLG Hamm 25.8.2004 – 20 U 105/04, RuS 2005 104, 105; a.A. wohl Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 142. 507 OLG Koblenz 8.7.1994 – 10 U 126/94, RuS 1994 410. 508 OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 33/05, NZV 2005 585. 509 OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 33/05, NZV 2005 585; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 42; a.A. AG Reutlingen 27.3.1992 – 4 C 2249/91, RuS 1992 369, 370. 510 OLG Hamm 8.6.1994 – 20 U 56/94, RuS 1994 409: Überlassung eines Mischpultes zur Durchführung einer Veranstaltung. 511 LG Hagen 31.1.2017 – 9 O 293/15, RuS 2017 185, 186. Koch
314
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Das mietvertragliche Element dominiert bei Hotelaufnahme- oder Beherbergungsverträgen, weil bei diesen Vertragstypen die Raumüberlassung regelmäßig den Schwerpunkt bildet.512 Auch auf den Campingvertrag des Platzbetreibers mit einem Gast, der das Recht zum Aufstellen eines Zeltes oder Wohnwagens zum Gegenstand hat, wendet die Rechtsprechung Mietrecht an.513 Bei den Heimverträgen ist auf den Umfang der Betreuungspflicht abzustellen. Bei Studentenwohnheimen und Lehrlingswohnheimen geht das Gesetz (vgl. § 549 Abs. 3 BGB) davon aus, dass der Raumüberlassungsanteil generell überwiegt. Auch die Verträge über Altenwohnungen und zum Teil auch in Altenheimen mit gewisser Serviceleistung werden von der Raumüberlassung geprägt. Jedoch handelt es sich beim Vertrag über die Überlassung von Wohnraum, der zwischen einem Heimträger und einem volljährigen Verbraucher (Heimbewohner) abgeschlossen wird, seit Inkrafttreten des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) um einen eigenständigen Vertragstyp.514 Mietrechtliche Elemente von nur untergeordneter Bedeutung enthält der Gastaufnahmevertrag mit dem Gastwirt/Restaurantbetreiber. Hier stehen die dienst-, werk- und kaufvertraglichen Elemente bezüglich der servierten Speisen und Getränke im Vordergrund. Andere Vertragselemente überwiegen gegenüber der Miete auch beim Krankenhausvertrag zwischen Patient und Krankenhausträger515 sowie beim Beförderungsvertrag. Bei der Beförderung mit Schiff, Bahn oder Flugzeug steht die Beförderung (sowie ggf. weitere Dienstleistungen), nicht hingegen die Raumgewährung im Vordergrund. Das Chartern eines Beförderungsmittels ist Miete, wenn es ohne Besatzung und Ausrüstung auf Zeit gegen Entgelt erfolgt (bareboat charter oder dry lease).516 Beim Vertrag über die Aufnahme in ein Internat steht die schulische Erziehung im Vordergrund, sodass es sich um einen Dienstvertrag handelt.517 Dagegen ist der Vertrag über die Aufnahme in ein Schülerwohnheim (Pensionat), in dem lediglich Unterbringung und Versorgung des Schülers gewährt werden, im Schwerpunkt Mietvertrag, selbst wenn auch gewisse Betreuungsleistungen übernommen werden, wie etwa die Beaufsichtigung von Hausaufgaben.518 Ein Vertrag über den Besuch von Oper-, Theater-, Konzert-, Sport- und ähnlichen Veranstaltungen hat zwar wegen der Platzüberlassung mietrechtlichen Einschlag, es überwiegen jedoch die werkvertraglichen Elemente, sodass grundsätzlich die §§ 631 ff. BGB zur Anwendung kommen.519 Beim Automatenaufstellvertrag treten die mietvertraglichen Elemente einer schlichten Gebrauchsüberlassung gegenüber konkreten Handlungs- oder Unterlassungspflichten in den Hintergrund.520 Automatenmietverträge, bei denen der Automat gegen Entgelt überlassen und vom Übernehmer selbst aufgestellt/angebracht sowie auf eigene Rechnung betrieben wird, sind dagegen als Mietverträge zu qualifizieren. Wird der Automat gegen eine entsprechend erhöhte Miete überlassen und dem Übernehmer das Recht eingeräumt, das Gerät innerhalb eines bestimmten Zeitraums unter Anrechnung der gezahlten Miete zu erwerben, handelt es sich um Mietkauf. Verträge, durch die Räume entgeltlich und auf Zeit zum Betrieb einer Spielhalle überlassen werden, sind als Pachtverhältnis über die Räume anzusehen, wenn die Räume vom Überlassenden im Wesentlichen mit Spiel-, Waren- und Getränkeautomaten ausgestattet sind. Verträ512 BGH 29.3.1987 – VIII ZR 220/76, BGHZ 71 175, 177 = NJW 1978 1426; BGH 18.12.1974 – VIII ZR 187/73, BGHZ 63 333, 336; OLG Düsseldorf 20.12.2001 – 10 U 143/00, ZMR 2002 512, 513; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 140. 513 S. OLG Frankfurt/M. 20.6.1985 – 1 U 235/84, NJW-RR 1986 108; OLG Koblenz 24.5.1966 – 6 U 702/65, NJW 1966 2017. 514 Grüneberg/Weidenkaff WBVG § 1 Rn. 3; Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 14. Aufl. (2019) Vorbem. § 535 BGB Rn. 130. 515 Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 141. 516 MüKoBGB/Häublein Vorbemerkung § 535 Rn. 24. 517 BGH 28.2.1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985 2585; BGH 17.1.2008 – III ZR 74/07, BGHZ 175 102, 105 = NJW 2008 1064. 518 Vgl. Staudinger/Emmerich (2021) Vorbem. §§ 535 ff. Rn. 69 ff. 519 MüKoBGB/Häublein Vorbem. § 535 Rn. 23. 520 BGH 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, NJW 1978 1155, 1156. 315
Koch
236
237
238
239
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
ge, durch die ein Teil einer Hauswand oder Mauer, eines Zauns oder Grundstücks zum Anbringen eines Automaten gegen Entgelt überlassen wird (Automatenanbringungsvertrag), sind als Mietverträge zu qualifizieren.521 240 Filmleihverträge und dgl. haben die Auswertung eines Films durch öffentliche Vorführung, vor allem in Kinos, zum Gegenstand. Während im Verhältnis zwischen dem Filmhersteller und dem Verleihunternehmer der Erwerb der Rechte im Mittelpunkt steht und die physische Überlassung des Films meist dazu dient, die erforderlichen Kopien zu fertigen, weist das nachgeordnete Verhältnis zwischen Verleihunternehmer und Kinobetreiber (meist als Filmbestelloder Filmleihvertrag bezeichnet) ein starkes mietvertragliches Element auf. Letzteres wird daher als Mietverhältnis angesehen, verbunden mit einer (einfachen) Lizenz, durch die das Vorführungsrecht auf Zeit eingeräumt wird.522 Beim erstgenannten, dem eigentlichen Filmverleihvertrag, kann eine dauerhafte oder eine vorübergehende Überlassung des Ausgangsmaterials vereinbart werden. Im letzteren Fall wird verbreitet ein Pachtverhältnis angenommen.523 Bei Überlassung eines als Tankstelle eingerichteten Grundstücks handelt es sich meist um Pacht, während bei Überlassung eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle ein Mietvertrag zu gewerblichen Zwecken näherliegt.524
6. Aus verbotener Eigenmacht abgeleiteter Besitz 241 Der Begriff der verbotenen Eigenmacht ist der Rechtssprache entnommen und i.S.v. § 858 BGB zu verstehen.525 Verbotene Eigenmacht liegt nur dann vor, wenn ein Unbefugter ohne Willen des Berechtigten den Besitz ergreift, nicht aber bei Unterlassen der Rückgabe nach Beendigung des Besitzrechts.526 Ein beschränkt Geschäftsfähiger kann nicht in verbotener Eigenmacht handeln.527 Nimmt der VN eine fremde Videoausrüstung an sich, die ihm vom Eigentümer früher bereits einmal geliehen worden war, und wird diese durch sein Verschulden zerstört, so greift der Ausschluss wegen verbotener Eigenmacht in Form der Besitzstörung.528
7. Folgeschäden 242 Ziff. 7.6 AHB erfasst Haftpflichtansprüche „wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden“. Ausgeschlossen sind somit nicht nur Schäden an gemieteten, geleasten, gepachteten, geliehenen oder aufbewahrten Sachen, sondern auch alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden des Vermieters, Leasinggebers, Verpächters, Verleihers oder Hinterlegers, die z.B. daraus resultieren, dass sie die Sache nicht anderweitig nutzen können.529 Der Begriff „Vermögensschäden“ ist somit nicht gleichbedeutend mit dem gleichlautenden Begriff in Ziff. 2.1 AHB. Vielmehr sind damit Sachfolgeschäden i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB gemeint.
521 522 523 524 525 526
MüKoBGB/Häublein Vorbem. § 535 Rn. 43 ff. OLG 25.6.1965 Celle – 8 U 5/65, NJW 1965 1667. MüKoBGB/Häublein Vorbem. § 535 Rn. 48. MüKoBGB/Häublein Vorbem. § 535 Rn. 49. Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 51. OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, RuS 2001 16, 18; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 158. 527 LG Freiburg 22.2.1990 – 6 O 629/89, zfs 1990 137; vgl. LG München 1.10.1985 – 27 O 16112/84, zfs 1985 184; LG Aachen 8.4.1987 – 7 S 376/86, VersR 1988 619. 528 AG Köln 28.10.1994 – 120 C 333/94, zfs 1996 63; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 158. 529 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 46; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 186. Koch
316
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Versichert bleiben die sich aus dem Sachschaden ergebenden weiteren Schäden an anderen 243 nicht von Ziff. 7.6 AHB erfassten Sachen sowie Personenschäden und sich daraus etwa ergebende weitere Vermögensschäden.530 Mietet der einen Kfz-Betrieb unterhaltende VN einen Industrieroboter und beschädigt mit diesem versehentlich fremde Kfz, die zur Inspektion anstehen, fallen nur der Schaden am gemieteten Roboter sowie ein dem Vermieter ggf. entstehender Mietausfall unter den Ausschluss. Versicherungsschutz besteht jedoch für die Schadensersatzansprüche der geschädigten Fahrzeughalter, soweit nicht der Ausschluss gem. Ziff. 7.7 AHB eingreift. Versichert bleiben auch die Ansprüche Dritter, die sich an der nicht ausreichend gewarteten Mietsache verletzen.531
8. Hilfspersonenklausel a) Inhalt und Zweck. Der Anwendungsbereich von Ziff. 7.6 AHB wird durch die Anmerkung zu 244 Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 AHB erheblich erweitert. Sind die Voraussetzungen des Ausschlusses in der Person von Angestellten, Arbeitern, Bediensteten, Bevollmächtigten oder Beauftragten des VN gegeben, so entfällt gleichfalls der Versicherungsschutz, und zwar sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen. Durch die Hilfspersonenklausel soll verhindert werden, dass der VN den Ausschluss da- 245 durch umgeht, dass er die fremde Sache etwa durch einen Angestellten im eigenen Namen mieten lässt. Dieser Zweck begrenzt zugleich die Reichweite der Klausel. Sie greift nur ein, wenn die von der Hilfsperson ausgeübte Tätigkeit zu der gewerblichen oder beruflichen Sphäre des VN gehört, also etwa in dessen Betrieb ausgeübt wird.532 Schäden an Sachen, die die Mitarbeiter des VN für sich privat gemietet haben und für sich privat nutzen, bleiben dagegen versichert.533 Es wäre völlig unverständlich, wenn ein VN, der ein von seinem Mitarbeiter abgestelltes Kfz beschädigt, dafür Deckung genösse, wenn der Arbeitnehmer Eigentümer dieses Kfz wäre, nicht aber, wenn dieser es gemietet oder sich geliehen hätte. Gerade der Umstand, dass anders als beim Eigenschaden des VN dann Versicherungsschutz bestünde, wenn der betreffende Mitarbeiter Eigentümer der beschädigten Sache wäre, zeigt den Widersinn, der darin liegt, die Hilfspersonenklausel in Bezug auf die Besitzklausel immer Anwendung finden zu lassen, wenn nur eine der genannten Personen einen Vertrag der erwähnten Art geschlossen hat. b) Betroffener Personenkreis. Die Begriffe der Angestellten und Arbeiter sind im arbeits- 246 rechtlichen Sinne zu verstehen. Bedienstete sollen nach weit verbreiteter Meinung diejenigen sein, die Dienste höherer Art nach § 611 Abs. 2 BGB leisten, wie z.B. Ärzte und Anwälte.534 Dies dürfte sich mit dem heutigen Sprachverständnis indes nicht mehr vereinbaren lassen.535 Zu Recht bemerkt v. Rintelen, dass durchschnittliche VN Bedienstete wohl eher mit Dienstboten gleichsetzen dürften. Er mag hierunter noch Gärtner und Putzhilfen verstehen, aber keine Ärzte oder Anwälte.536 Bevollmächtigte sind nur rechtsgeschäftlich Bevollmächtig-
530 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 46; zum Teil a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 162. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 46. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 87. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 87; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 274. Späte § 4 Rn. 163; einschränkend auf ständige Dienstverhältnisse Wussow § 4 Anm. 70. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 270. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 106; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 87; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 212.
531 532 533 534 535 536
317
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
te, nicht aber gesetzliche Vertreter, deren Verhalten sich der VN stets zurechnen lassen muss.537 Beauftragter ist derjenige, der eine vom VN veranlasste oder zumindest gebilligte Tätigkeit erbringt, ohne dass es darauf ankommt, ob er diese selbstständig oder unselbstständig, entgeltlich oder unentgeltlich ausführt.538 Dabei ist zu beachten, dass die Hilfspersonenklausel – soweit sie sich auf Ziff. 7.6 AHB bezieht – eine „Beauftragung“ in Bezug auf den Besitz verlangt. 247 Auf andere als die aufgezählten Personengruppen ist die Klausel nicht anwendbar.539 Dies bedeutet, dass z.B. Ehegatten und auch mitversicherte Kinder nicht hierunter fallen, soweit sie nicht zugleich in einer dort ausdrücklich aufgeführten Eigenschaft tätig sind. Eine Einbeziehung dieses letztgenannten Personenkreises der Familienangehörigen verbietet sich nach Sinn und Zweck des Ausschlusses auch, soweit diese nicht auf Veranlassung des VN, sondern originär und eigenverantwortlich tätig werden.540 Eine Umgehung des Ausschlusses droht dann nämlich nicht. Beschädigt z.B. der auf einer Ferienreise befindliche (nach dem primären Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung generell mitversicherte) minderjährige Sohn das von ihm gemietete Hotelzimmer, so entfällt zwar nach Ziff. 27.1 AHB für ihn der Deckungsschutz, nicht aber für den wegen Verletzung der Aufsichtspflicht belangten VN. Gleiches gilt für die Einschaltung von eigenverantwortlichen und selbstständigen Subunternehmern.541 Sie zählen im Hinblick auf die Zwecksetzung der Klausel nur dann zu den Hilfspersonen, wenn sie im Rahmen ihrer Beauftragung Besitz halten. So liegt der Fall, wenn der VN den Subunternehmer mit der Anmietung von Baugerät für seine eigenen Zwecke beauftragt.542 248 Die Hilfspersonenklausel stellt keine unwirksame Repräsentantenklausel dar, da es sich bei Ziff. 7.6. AHB um einen objektiven Risikoausschluss handelt, auf den die Grundsätze der Repräsentantenhaftung keine Anwendung finden.543
9. Abbedingung 249 Nach Ansicht der Rechtsprechung beinhaltet allein die Mitversicherung betriebsüblicher Risiken, insbesondere als Eigentümer, Mieter, Pächter oder Leasingnehmer von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten in der Betriebshaftpflichtversicherung keine Abbedingung der Ziff. 7.6 AHB.544 Etwas anderes gilt dann, wenn gerade die Tätigkeit als Verwahrer Gegenstand des Versicherungsschutzes ist.545
537 Ebenso Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 106; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 271; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 212; a.A. Littbarski AHB § 4 Rn. 295; Späte § 4 Rn. 163; Bruck/ Möller/R. Johannsen8 Bd. IV, Anm. G 215. 538 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 272; Littbarski AHB § 4 Rn. 296. 539 OLG Köln 16.12.1993 – 5 U 230/92, VersR 1994 1220; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 87; Späte § 4 Rn. 164. 540 OLG Köln 16.12.1993 – 5 U 230/92, VersR 1994 1220. 541 OLG Karlsruhe 18.1.1990 – 12 U 252/89, VersR 1990 845, 846; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 88; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 64; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 274. 542 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 108. 543 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 64; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders § 2 Rn. 32. 544 BGH 9.6.2004 – IV ZR 228/03, RuS 2004 371, 372; OLG Düsseldorf 2.12.1986 – 4 U 58/86, VersR 1988 393; vgl. auch Schlegelmilch VersR 1993 176. 545 Vgl. OLG München 28.5.1993 – 23 U 1780/93, VersR 1993 1517 (Möbelspedition und Lagerung ohne direkten Umschlag von und zum Schiff); s. auch OLG Hamm 14.1.1987 – 20 U 169/86, RuS 1987 99 (zum Einschluss von Gewahrsamsschäden bei Land- und Forstwirtschaft); Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 44. Koch
318
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
VI. Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.7 AHB ist inhaltlich identisch mit der Nachfolgeregelung zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB 1999, 250 deren Anwendungsbereich gegenüber älteren Fassungen im Anschluss an das Urteil des BGH vom 3.5.2000546 auf sog. Benutzungsschäden und Wirkbereichsschäden ausgedehnt wurde.547 Obgleich man deshalb an sich vom Tätigkeits-, Benutzungs- und Wirkbereichsschadensausschluss sprechen müsste,548 wird nachfolgend zur Vereinfachung an der Verwendung des eingebürgerten Begriffs des Tätigkeitsschadensausschlusses festgehalten. Die Erweiterung gilt es bei der Betrachtung der Rechtsprechung zu älteren Fassungen zu berücksichtigen. Mit dem Tätigkeitsschadensausschluss soll einerseits dem Umstand Rechnung getragen 251 werden, dass der gewerblich oder beruflich tätige VN durch unmittelbares Bearbeiten einer Sache (= Ausschlussobjekt) diese in erhöhtem Maße der Gefahr einer Beschädigung aussetzt.549 Andererseits will der VR verhindern, dass der VN im Hinblick auf das Bestehen von Versicherungsschutz in qualitativer und quantitativer Hinsicht an personeller und sachlicher Ausstattung spart. Ziff. 7.7 AHB dient deshalb vor allem dazu, der Gefahr des Moral Hazard – hier hinsichtlich der Eingehung unternehmerischer Risiken – zu begegnen.550 Entgegen einigen Stimmen aus der Literatur551 kann aus der Praxis nicht hergeleitet werden, dass Tätigkeitsschäden in den Fällen, in denen Tätigkeiten an fremden Sachen berufstypisch sind,552 zu reduzierten Deckungssummen wieder in den Deckungsbereich der Betriebshaftpflichtversicherung eingeschlossen werden. Moral Hazard kann auf allen Ebenen der Risikoabgrenzung und mit allen Mitteln der Versicherungstechnik begegnet werden. Hierzu zählen nicht nur Selbstbehalte auf der primären Risikoabgrenzungsebene,553 sondern eben auch Wiedereinschlüsse mit Sublimit (Tertiärebene). Der Tätigkeitsschadensausschluss benachteiligt den VN nicht unangemessen i.S.v. § 307 252 Abs. 1 Satz 1 BGB, und zwar auch insoweit nicht, als er Benutzungsschäden und Wirkbereichsschäden umfasst.554 Erstens handelt es sich bei Schäden an den zu bearbeitenden und/oder zu benutzenden Sachen um ein für den VN kalkulierbares Risiko.555 Zweitens kann der VN den Versicherungsschutz für Wirkbereichsschäden nach Ziff. 7.7 (3) letzter Halbs. AHB sicherstellen, indem er zum Zeitpunkt der Tätigkeit die notwendigen Schutzvorkehrungen zur Vermeidung solcher Schäden trifft. Die Voraussetzungen für das Eingreifen des Ausschlusses sind – wie
546 BGH 3.5.2000 – IV ZR 172/99, RuS 2000 449, 450 = VersR 2000 963, 964; Aufgabe von BGH 25.9.1961 – II ZR 121/59, VersR 1961 974. 547 Zur Entwicklung der Tätigkeitsschadenklausel s. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 191. 548 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 191. 549 OLG Frankfurt/M. 11.1.2006 – 7 U 169/04, RuS 2007 55, 56 = VersR 2007 640, 641; OLG Köln 5.3.1987 – 5 U 224/86, RuS 1988 6, 7 = NJW-RR 1987 1052, 1053; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 47; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 166; Littbarski Ziff. 4 Rn. 219. 550 Vgl. auch BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499 = NJW 1959 1492, 1493; OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/ 07, VersR 2009 391, 393 = BeckRS 2009 08817; LG Düsseldorf 25.6.2003 – 11 O 615/02, NJW-RR 2003 1679; LG Berlin 5.1.1988 – 7 S 47/87, VersR 1989, 281; Littbarski AHB § 4 Rn. 219; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 167. 551 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 167; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 63; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 190. 552 Hierzu Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 49. 553 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 63. 554 Krit. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 78 f. 555 Vgl. auch OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 393 = BeckRS 2009 08817; LG Berlin 5.1.1988 – 7 S 47/87, VersR 1989 281; AG Aachen 6.6.1995 – 7 C 238/94, VersR 1996 1228; Späte § 4 Rn. 128; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 190. 319
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
nachstehend deutlich wird – hinreichend bestimmt, sodass auch keine Bedenken hinsichtlich des Transparenzgebotes des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehen.556
2. Schäden an fremden Sachen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden 253 Der Tätigkeitsschadensausschluss umfasst nicht nur Schäden an fremden Sachen, die Gegenstand einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des VN gewesen sind, ihrer Durchführung gedient oder sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben, sondern auch alle daraus resultierenden Vermögensschäden (= Sachfolgeschäden). Somit ist die Rechtsprechung des BGH zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB hinfällig, derzufolge Nutzungsausfallschäden ersatzfähig seien, weil Folgeschäden in der Klausel nicht erwähnt würden.557 Nach der Rechtsprechung greift der Ausschluss nur ein, wenn der VN Kenntnis davon hatte, dass es sich bei der Sache, an der er tätig wird, um eine fremde handelt (vgl. Rn. 201 ff.).558 Dabei spielt es keine Rolle, ob der Auftraggeber auch der Eigentümer der beschädigten fremden Sache ist.559 Verkauft der VN versehentlich fremdes Vieh anstelle des eigenen zum Schlachten, greift Ziff. 7.7 AHB somit nicht ein.
3. Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit 254 Ziff. 7.7 AHB setzt eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des VN (oder der ihm gleichgestellten Personen; vgl. dazu Rn. 244 ff.) voraus. Keine Anwendung findet der Ausschluss in der Privathaftpflichtversicherung.560 Folglich kann auf die in der Kommentierung zu Ziff. 1 BBR PHV vorgenommene Abgrenzung zwischen gewerblicher, beruflicher und privater Tätigkeit verwiesen werden (Ziff. 1 BBR PHV Rn. 5). Dient die Tätigkeit gleichzeitig sowohl gewerblichen/ beruflichen als auch privaten Zwecken, darf der private Zweck nicht gänzlich untergeordnet zum gewerblichen/beruflichen Zweck sein (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 24 ff.).
4. Tätigkeitsbegriff 255 Ziff. 7.7 (1) AHB nennt als Beispiele für gewerbliche oder berufliche Tätigkeiten „Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung und dgl.“ Die Aufzählung ist nicht erschöpfend („und dgl.“). Andere auf die Erfüllung des Auftrags gerichtete Tätigkeiten fallen ebenfalls unter den Ausschlusstatbestand.561 Maßgebend ist eine bewusste und gewollte Einwirkung auf die fremde Sache, wobei es auf die Intensität der Einwirkung nicht ankommt. Nicht erforderlich ist, dass
556 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 203 zu Ziff. 7.7 (2) AHB; Späte § 4 Rn. 162. 557 BGH 17.3.1991 – IV ZR 89/98, RuS 1999 192, 193; BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, RuS 1998 58 = VersR 1998 228, 229; BGH 21.9.1983 – IV a ZR 165/81, BGHZ 88 228, 231 = VersR 1984 750. 558 BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499 = NJW 1959 1492, 1493; BGH 7.12.1959 – II ZR 166/58, VersR 1960 109, 110; BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434, 435 = NJW 1966 1073, 1074; BGH 16.5.1966 – II ZR 21/64, VersR 1966 625; zum österreichischen Recht ÖOGH 21.12.1994 – 7 Ob 33/94, VersR 1996 219, 220. 559 KG 19.8.2008 – 6 U 67/07, NJOZ 2009 1704, 1711. 560 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 194; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 56; teilweise anders Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 174; Kuwert Rn. 4124; wohl auch Littbarski AHB § 4 Rn. 220 und 225; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 187. 561 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 69; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 169. Koch
320
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
die schadenstiftende Handlung selbst bewusst und gewollt vorgenommen wird.562 In diesem Fall wäre der Anwendungsbereich der Ziff. 7.1 AHB betroffen. Ein besonderes Besitz- oder Gewaltverhältnis ist nicht erforderlich,563 kann aber im Rah- 256 men eines Werkvertrages oder eines Kaufvertrages (im Zuge der Mangelbeseitigung) bestehen. Soweit ein besonderes Verwahrungsverhältnis an den zu bearbeitenden Sachen besteht oder der VN gemietete, geleaste oder geliehene Werkzeuge einsetzt, greift auch der Ausschluss gem. Ziff. 7.6 AHB ein.564 Gleichgültig ist, ob die Einwirkung zur Erfüllung des jeweiligen Auftrages des VN notwendig war bzw. von ihm als erforderlich angesehen wurde,565 oder ob sie irrtümlich erfolgte (Bsp.: VN demontiert versehentlich anstelle der defekten Rohrleitung des A die intakte Rohrleitung des B)566 oder dem Zweck des Auftrages widersprach.567 Nicht erforderlich ist, dass die Tätigkeit an der beschädigten Sache Endzweck der geplanten unternehmerischen Arbeitsleistung ist.568 Unerheblich ist, ob eine vertragliche Beziehung zwischen VN und Gläubiger/ Geschädigtem bestand.569 Grundsätzlich fallen auch Mangelbeseitigungsmaßnahmen im Rahmen der Nacherfül- 257 lung (§§ 439, 635 BGB) sowie darüber hinausgehende Maßnahmen zum Zwecke der Schadensminderung oder -beseitigung unter die Tätigkeitsklausel,570 sodass für (weitere) Schäden an dem Ausschlussobjekt infolge des Versuchs der Mängelbeseitigung oder Schadensminderung keine Deckung besteht:571 Bei einem Bearbeitungsschaden kann sich der VR auf einen Leistungsausschluss nach Ziff. 7.7 AHB nicht berufen, wenn der Schaden im Wesentlichen bereits durch eine vorausgegangene, nicht unter den Ausschlusstatbestand fallende, Tätigkeit des VN herbeigeführt wurde und der VN hiernach nur bei dem Versuch, eine Ausdehnung des Schadens zu verhindern, unter den Ausschluss fallende fehlerhafte Maßnahmen ergriffen hat.572 Maßnahmen, mit denen der VN seiner Obliegenheit zur Schadensminderung (Ziff. 25.2 Satz 1 AHB, § 82 VVG) nachkommen will, berechtigen ihn unter den Voraussetzungen des § 83 VVG zum Aufwendungsersatz.573 Zu beachten ist jedoch, dass keine Obliegenheit zur Schadensminderung besteht, wenn ein 258 Risikoausschluss eingreift574 und damit auch kein Anspruch aus § 83 VVG.575 Besteht für den ursprünglichen Schaden an der Sache wegen Eingreifens der Tätigkeitsklausel kein Versicherungsschutz, sind somit auch alle auf die Sache bezogenen Schadensminderungsmaßnahmen 562 BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, VersR 1998 228, 229; BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434 = NJW 1966 1073 f.; BGH 7.12.1959 – II ZR 166/58, VersR 1960 109; BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499 = NJW 1959 1492, 1493; BGH 27.10.1955 – II ZR 13/54, VersR 1955 706 = NJW 1956 23, 24; OLG Hamm 28.2.1996 – 20 U 260/95, VersR 1997 608; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 51. 563 OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 393 = BeckRS 2009 08817; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 52. 564 Vgl. BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434, 435 = NJW 1966 1073. 565 LG Koblenz 2.5.1974 – 3 S 429/72, VersR 1975 630; Späte § 4 Rn. 130; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 53. 566 BGH 21.5.1959 – II ZR 144/57, VersR 1959 499 = NJW 1959 1492, 1493; OLG Köln 28.6.1957 – 9 U 26/57, VersR 1957 636, 637 = NJW 1957 1807 f. 567 BGH 29.5.1961 – II ZR 20/59, VersR 1961 601; BGH 8.2.1962 – II ZR 20/60, VersR 1962 312; OLG Frankfurt/M. 30.10.1962 – 5 U 161/61, VersR 1963 571; OLG Hamm 16.3.1988 – 20 U 168/87, RuS 1988 293; OLG Hamm 16.6.1971 – 20 U 68/71, VersR 1973 509; ÖOGH 30.7.1987 – 7 Ob 50/87, VersR 1989 388; vgl. aber ÖOGH 28.2.1991 – 7 Ob 4/91, VersR 1991 1043, 1044. 568 BGH 25.9.1961 – II ZR 121/59, VersR 1961 974; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 171. 569 OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 393 = BeckRS 2009 08817. 570 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 80. 571 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 80; Späte § 4 Rn. 55; a.A. Hans. OLG Hamburg 18.4.1973 – 8 U 140/72, VersR 1974 1189, 1190. 572 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 54. 573 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 80; Späte § 4 Rn. 139. 574 Bruck/Möller/Koch9 § 82 VVG Rn. 87. 575 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 80; Späte § 4 Rn. 139. 321
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
nicht als Rettungskosten ersatzfähig. Dies gilt selbst dann, wenn es dem VN darum geht, Folgeschäden an anderen Sachen zu verhindern, weil es einen Rettungskostenersatz vor Eintritt des Versicherungsfalles in der Haftpflichtversicherung nur bei entsprechender Vereinbarung gibt (vgl. § 90 VVG).576 259 Das Erfordernis einer bewussten und gewollten Tätigkeit gilt nicht nur für Schäden an Sachen, die Auftragsobjekt sind, sondern auch für Schäden an Sachen, die der VN zum Zwecke der Durchführung des Auftrags als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche und dgl. benutzt (Ziff. 7.7 (2) AHB). An einem solchen finalen Zusammenhang fehlt es, wenn der Malermeister seinen Farbeimer auf einem auf dem Weg zum Arbeitsplatz befindlichen Tisch abstellt, um einem Kollegen zur Hand zu gehen und ihn nach der Hilfeleistung wieder aufnimmt.577 In diesem Fall wäre der Tisch nicht als Materialablagefläche i.S.v. Ziff. 7.7 (2) AHB zu qualifizieren, weil dieser nicht zur Durchführung der Malerarbeiten benutzt worden ist. Bei Schäden im Einwirkungsbereich der Tätigkeit (Ziff. 7.7 (3) AHB) ist erforderlich, dass die Gefährdung für den VN erkennbar gewesen ist (Rn. 291). 260 Eine Tätigkeit an (Ziff. 7.7 (1) AHB) oder mit (Ziff. 7.7 (2) AHB) einer Sache liegt nur dann vor, wenn eine physische Beziehung des VN zu der Sache besteht.578 Dies wird durch die in Ziff. 7.7 (1) und (2) AHB angeführten Beispiele wie „Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung“ und „als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche“ deutlich. Wie bereits erwähnt kommt es dabei nicht auf die Intensität der Einwirkung an. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Einwirkung überhaupt auf eine Änderung der Substanz oder der äußeren Gestalt der Sache gerichtet ist.579 Eine Einwirkung liegt deshalb auch dann vor, wenn Sachen nur aus sicherer Entfernung mit Strahlung, durch magnetische oder sonstige Wellen, durch Zufuhr von Wärme oder Kälte behandelt werden.580 Dagegen fehlt es an einer Einwirkung, wenn der Beitrag des VN an der Entstehung des Schadens lediglich darin besteht, dass er dem Eigentümer der Sache eine Rezeptur zu der von dem Eigentümer selbst vorzunehmenden Bearbeitung der Sache ausarbeitet581 oder wenn infolge einer fehlerhaften Berechnung eines Statikers die Decke eines Neubaus einstürzt.582 Die Ausschlussklausel ist auch nicht anwendbar bei bloß falscher Beratung hinsichtlich der Benutzung der vom VN einwandfrei installierten Sache.583 261 Tätigkeiten an oder mit Tieren unterfallen der Tätigkeitsschadenklausel. Hier genügt für die Einwirkung bereits die „Möglichkeit einer Verständigung mit dem Tier“.584 Eine berufliche Tätigkeit des Pferdeausbilders liegt deshalb auch beim Freispringen des Pferdes vor, bei dem das Tier ohne Reiter und unter Beschränkung auf ein Minimum menschlicher Anleitung den Springvorgang üben und selbst zu bewältigen lernen soll.585 Besteht ein unmittelbarer körperlicher Bezug, gilt das zuvor Ausgeführte. Bei einer fehlerhaften Spritze, die der Tierarzt setzt, oder einer misslungenen Operation ist eine Einwirkung zu bejahen. Stellt er ein falsches Rezept aus, sodass das Tier nach Einnahme der Medizin eingeht, fehlt es hinsichtlich dieser Handlung
576 Bruck/Möller/Koch9 § 90 Rn. 6. 577 Beispiel von Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 194. 578 BGH 21.9.1983 – IVa ZR 154/81, VersR 1983 1169, 1170; BGH 7.12.1959 – II ZR 166/58, VersR 1960 109, 110; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 52; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 80 f. 579 BGH 4.3.1987 – IVa ZR 13/86, RuS 1987 187 = VersR 1987 677; BGH 21.9.1983 – IVa ZR 154/81, VersR 1983 1169, 1170; BGH 7.12.1959 – II ZR 166/58, VersR 1960 109. 580 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 197; Späte § 4 Rn. 130; Nickel VersR 1987 965, 968. 581 BGH 21.9.1983 – IVa ZR 154/81, VersR 1983 1169, 1170: Rezeptur zur Mostbereitung. 582 Späte § 4 Rn. 130; Kuwert Rn. 4127. 583 OLG Hamm 18.6.1982 – 20 U 26/80, VersR 1983 525. 584 Treffend: Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 52. 585 BGH 4.3.1987 – IVa ZR 13/86, RuS 1987 187 = VersR 1987 677: Pferd verletzt sich beim freien Auslaufen nach Sprungtraining. Koch
322
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
am unmittelbaren körperlichen Bezug.586 Verwendet der VN ein fremdes Pferd zum Abtransport von Bäumen, ist das Pferd als Hilfsmittel zu qualifizieren. Beginnt der VN nicht mit der Tätigkeit und kommt es deshalb zu einem Schaden an der zu 262 bearbeitenden Sache, greift der Ausschluss gem. Ziff. 7.7 AHB nicht ein.587 So liegt der Fall, wenn ein Maurer trotz Reparaturauftrages die dringend notwendige Verfestigung einer Mauer unterlässt, die daraufhin einstürzt.588 Stürzt eine Mauer nach der Unterbrechung oder (vorzeitigen) Beendigung der Arbeit ein, weil die erforderliche Abstützung im Rahmen der bis zur Unterbrechung oder (vorzeitigen) Beendigung ausgeübten Tätigkeit unterblieben ist, besteht dagegen keine Deckung für Haftpflichtansprüche, die an die unterlassene Abstützung anknüpfen.589 Wird nicht (nur) die zu bearbeitende Sache beschädigt, sondern werden auch andere frem- 263 de Sachen beeinträchtigt, weil der VN nicht die zum Schutz dieser anderen Sachen erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, ist das Unterlassen keine Tätigkeit an diesen Sachen.590 Solche Sachen werden jedoch regelmäßig Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 (3) AHB sein, weil sie sich im Einwirkungsbereich der Tätigkeit am Auftragsobjekt befinden (Ziff. 7.7 (3) AHB). Auch Schäden durch Schutzmaßnahmen bei Anbringung oder Entfernung des Schutzmittels fallen unter den Ausschluss.591
5. Ausschlussobjekte Ob eine fremde Sache Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 AHB ist, hängt vom Inhalt des Vertragsver- 264 hältnisses ab, das der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des VN zugrunde liegt und Anlass zur Bearbeitung der Sache (Auftragsgegenstand) oder Benutzung der Sache (Hilfsmittel) gegeben hat.592 Bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen richtet sich die Bestimmung des Ausschlussobjekts darüber hinaus nach der Verkehrsanschauung (Rn. 275 ff.).593 Der Inhalt des Vertragsverhältnisses ist auch maßgeblich für die Frage, inwieweit Sachen als im unmittelbaren Einwirkungsbereich der (vertraglich geschuldeten) Tätigkeit befindlich angesehen werden können. Dabei ist bedingungsgemäß zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen zu unterscheiden.
a) Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 (1) AHB) aa) Bewegliche Sachen. Bewegliche Sachen sind grundsätzlich im Ganzen als Aus- 265 schlussobjekt anzusehen, und zwar auch dann, wenn nur ein Teil von ihnen bearbeitet
586 Späte § 4 Rn. 130; Kuwert Rn. 4127; Wussow § 4 Anm. 53; Littbarski AHB § 4 Rn. 239; vgl. auch BGH 21.9.1983 – IV a ZR 154/81, VersR 1983 1169, 1170.
587 Vgl. BGH 9.4.1975 – IV ZR 4/74, VersR 1975 557 = NJW 1975 1278. 588 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 82. 589 Vgl. BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434, 435; OLG Hamm 8.6.1994 – 20 U 56/94, RuS 1994 409, 410 = VersR 1995 161, 162; OLG Saarbrücken 22.12.1967 – 3 U 147/66, VersR 1969 123; LG Wuppertal 28.6.1968 – 10 O 104/ 68, VersR 1968 1031,1032; Späte AHB § 4 Rn. 131; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 82; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7.7 AHB Rn. 52. 590 Vgl. BGH 30.6.1971 – IV ZR 47/70, VersR 1971 807, 808; BGH 25.3.1970 – IV ZR 650/68, VersR 1970 609, 610; BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434, 435; OLG Frankfurt/M. 12.5.1966 – 11 U 13/66, NJW 1966 1973, 1974; Rottmüller VersR 1986 843, 849. 591 OLG Frankfurt/M. 12.5.1966 – 11 U 13/66, NJW 1966 1973, 1974; OLG Celle 21.1.1963 – 1 U 172/62, VersR 1963 418, 419 = NJW 1963 1206, 1207; OLG Celle 3.10.1963 – 1 U 98/63, VersR 1963 1215, 1216. 592 Vgl. BGH 3.5.2000 – IV ZR 172/99, RuS 2000 449, 500; OLG Frankfurt/M. 16.4.2008 – 15 U 154/07, RuS 2010 510, 512. 593 Vgl. BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, RuS 1998 58; BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637 f.; BGH 25.3.1970 – IV ZR 1073/68, VersR 1970 610 f.; BGH 30.6.1971 – IV ZR 47/70, VersR 1971 807 f. 323
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
wird.594 Für dieses Verständnis spricht der Wortlaut des Ausschlusstatbestandes und insbesondere auch das argumentum e contrario aus der Sonderregelung für unbewegliche Sachen, für die der Ausschluss nur insoweit gilt, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen waren.595 Bei Arbeiten an Teilen eines Kfz ist somit das ganze Fahrzeug Ausschlussobjekt.596 Nach h.M. ist bei Arbeiten an Schiffen das gesamte Schiff,597 bei Arbeiten an Flugzeugen das gesamte Flugzeug Ausschlussobjekt.598 R. Johannsen hat dieser Bewertung für Arbeiten an Schiffen widersprochen mit der Begrün266 dung, Schiffe würden nach unserer Rechtsordnung traditionell als „schwimmende Häuser“ behandelt.599 In der Tat gelten für im Schiffsregister eingetragene Schiffe teilweise Regelungen, die denen für Grundstücke entsprechen (vgl. SchiffRG, §§ 452 BGB, 870a ZPO, 162 bis 171, 181 ZVG). Gleiches gilt für die Belastung und Verwertung von Flugzeugen, die in der Luftfahrzeugrolle oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen sind (vgl. LuftRG, §§ 171a bis 171n, 181 ZVG). Jedoch sind sowohl auf Schiffe (vgl. die §§ 929a, 932a BGB) als auch auf Flugzeuge die für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften anzuwenden. Insofern behandelt unsere Rechtsordnung weder Schiffe noch Flugzeuge einheitlich als unbewegliche Sache. 267 Die Anknüpfung in weitem Umfang an das Immobiliarsachenrecht lässt es gerechtfertigt erscheinen, die für die Bestimmung des Ausschlussobjekts bei unbeweglichen Sachen geltende Rechtsprechung anzuwenden und bei Schiffen und Flugzeugen nicht nur auf den Gegenstand des Auftrags, sondern auch auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Schiffe und Flugzeuge sind deshalb so zu behandeln, wie in Ziff. 7.7 (1) AHB für unbewegliche Sachen vorgesehen, d.h. nur die unmittelbar von der Tätigkeit betroffenen Teile sind Ausschlussobjekt.600 Als Beispiel dafür, dass das Schiff im Ganzen Objekt der Tätigkeit ist, ist das Schleppen zu nennen. Späte hat sich darüber hinaus zu Recht für eine entsprechende Behandlung zusammengesetzter (beweglicher) Sachen ausgesprochen, die so große Ausmaße haben, „dass nach der Verkehrsauffassung die Arbeit an einem Teil davon vernünftigerweise nicht mehr als Tätigkeit an der Sache im Ganzen betrachtet wird“.601 268 Diese Ausnahmefälle dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch bei zusammengesetzten Sachen der Grundsatz gilt, dass die Gesamtsache (z.B. Maschine oder Kfz) Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 (1) AHB ist, selbst wenn nur ein Teil von ihr bearbeitet wird. Erfolgt die Bearbeitung jedoch nach der Herauslösung des Teiles getrennt von der Restsache, sind nur Schäden an dem herausgelösten Teil nicht versichert.602 Die Restsache kann hingegen Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 (3) AHB sein, wenn die Reparatur an dem herausgelösten Teil in ihrer
594 OLG Köln 28.10.1982 – 5 U 10/82, VersR 1984 26; AG Olpe 2.7.1980 – 9 C 152/80, VersR 1981 25, 26; ÖOGH 20.9.1990 – 7 Ob 27/90, VersR 1991 1043; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 61; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 184; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 209; Littbarski AHB § 4 Rn. 244; Wussow § 4 Anm. 65; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 54; a.A. KG 5.6.1958 – 4 U 485/58, VersR 1958 537 f.; OLG Koblenz 30.5.1958 – 2 U 11/58, VersR 1958 637, 638. 595 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 209; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 83. 596 BGH 13.6.1973 – IV ZR 79/72, VersR 1973 809 f.; OLG Köln 28.10.1982 – 5 U 10/82, VersR 1984 26; LG Hamburg 16.5.1979 – 79 O 58/79, VersR 1980 228; AG Olpe 2.7.1980 – 9 C 152/80, VersR 1981 25, 26. 597 LG Kiel 9.10.1964 – 6 O 201/63, VersR 1965 506 f.; LG Duisburg 15.10.1957 – 3 O 21/57, VersR 1957 797; Langheid/ Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 209; Späte § 4 Rn. 135; Littbarski AHB § 4 Rn. 252; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 83; Wussow § 4 Anm. 62; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 54. 598 Littbarski AHB § 4 Rn. 252; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 4 AHB Rn. 64; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 54. 599 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 206. 600 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski Ziff. 7 Rn. 54; a.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 83. 601 Späte § 4 Rn. 135; zustimmend Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 61. 602 OLG Köln 22.12.1965 – 6 U 131/65, OLGZ 1966 301, 302; vgl. auch OLG Köln 28.10.1984 – 5 U 10/82, VersR 1984 26; LG Tübingen 3.10.1972 – 3 O 125/72, VersR 1973 510; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 188. Koch
324
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
näheren Umgebung stattfindet.603 Hiervon ist wiederum der Fall zu unterscheiden, dass das Teil aus der Sache herausgelöst und (im reparierten Zustand) wieder eingebaut wird und beim Herauslösen/Wiedereinbau ein Schaden an der zusammengesetzten Sache entsteht. In dieser Konstellation ist die Gesamtsache Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 (1) AHB.604 Es handelt sich somit um einen ausgeschlossenen Tätigkeitsschaden, und zwar auch dann, 269 wenn sich der Fehler beim Wiedereinbau erst nach Abschluss der Arbeiten auswirkt.605 Werden nach dem Aufziehen neuer Reifen die Radmuttern nicht genügend angezogen und wird das Kfz nach dem Lösen des Rades beschädigt, besteht für den Schaden am Kfz somit kein Versicherungsschutz.606 Beruht der Schaden dagegen nicht auf dem fehlerhaften Wiedereinbau, sondern auf der fehlerhaften Reparatur des herausgelösten Teils, wird die zusammengesetzte Sache dadurch nicht zum Ausschlussobjekt.607 Hat der VN oder eine von ihm beauftragte Hilfsperson (Rn. 246 ff.) den reparierten Teil der 270 zusammengesetzten Sache selbst nicht eingebaut, greift der Ausschluss nicht ein, weil es am Tätigkeitsbewusstsein fehlt.608 Erst recht gilt das für solche Fälle, in denen dem VN nicht bekannt ist, wofür der von ihm reparierte Teil einer Sache verwendet werden soll. Ebenso wenig findet die Klausel Anwendung, wenn der reparierte Teil bereits dauernd von der zusammengesetzten Sache getrennt war, sodass nach der Verkehrsauffassung keine einheitliche zusammengesetzte Sache im Rechtssinne mehr vorlag.609 Das ist z.B. der Fall, wenn ein Transportunternehmer einmal im Jahr alle im Laufe der Zeit abgefahrenen Reifen zum Vulkanisieren gibt. Hier kann nicht von einer Tätigkeit an den Kfz die Rede sein, sodass ein bei späterer Verwendung der Reifen durch diese am Kfz angerichteter Schaden genauso gedeckt ist, als wenn er durch einen fehlerhaften, neu gekauften Reifen verursacht worden wäre. Nach der Tätigkeitsschadensklausel in den AHB-Fassungen vor 2002 waren Schäden ausge- 271 schlossen, „die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (z.B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung u. dgl.) entstanden sind“ (vgl. § 4 I Ziff. 6 b) AHB 1999). Schäden an Sachen im Einwirkungsbereich der Tätigkeit waren nicht ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Jedoch war nach Ansicht der Rechtsprechung das Ausschlussobjekt nicht nur auf die im Mittelpunkt der Bearbeitung stehenden Sachen begrenzt. Zu den Ausschlussobjekten zählten vielmehr auch solche Sachen, auf die bei Durchführung des Auftrages „praktisch erkennbar unvermeidlich bzw. zwangsläufig hätte eingewirkt werden müssen“.610 Schäden an Sachen im zwangsläufigen Einwirkungsund Gefahrenbereich der Arbeiten (z.B. bei Sandstrahl- oder Schweißarbeiten) sind nunmehr Gegenstand von Ziff. 7.7 (3) AHB (Rn. 286 ff.).
bb) Unbewegliche Sachen. Für unbewegliche Sachen gilt die Einschränkung, dass nur un- 272 mittelbar von der Tätigkeit betroffene Sachen oder Teile von ihnen Ausschlussobjekt sind. Im Vergleich zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB 1999 (und ältere Fassungen), der Schäden an unbeweglichen Sachen ausschloss, soweit diese Sachen oder deren Teile „unmittelbar Gegenstand der Tätig603 604 605 606 607 608 609 610
Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 209; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 188. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 61; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 188. Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 84. AG Olpe 2.7.1980 – 9 C 152/80, VersR 1981 25, 26. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 188; a.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 205. OLG Köln 22.12.1965 – 6 U 131/65, OLGZ 1966 301, 302. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 185. So die Formulierung von OLG Karlsruhe 7.10.2004 – 12 U 145/04, BeckRS 2004 09794; in diesem Sinne BGH 30.6.1971 – IV ZR 47/70, VersR 1971 807, 808; BGH 25.3.1970 – IV ZR 650/68, VersR 1970 609, 610; BGH 3.3.1966 – II ZR 244/63, VersR 1966 434, 435; Hans. OLG Hamburg 14.8.1996 – 5 U 14/96, VersR 1997 1137, 1138 f.; OLG Köln 19.5.1983 – 5 U 44/82, VersR 1984 73; OLG Bremen 19.5.1983 – 2 U 122/82, VersR 1984 127, 128; OLG Oldenburg 6.5.1981 – 2 U 80/81, VersR 1983, 357; OLG Hamm 10.1.1973 – 20 U 149/72, VersR 1973 633, 634; OLG Frankfurt/M. 12.5.1966 – 11 U 13/66, NJW 1966 1973, 1974 f.; a.A. offenbar BGH 15.9.2010 – IV ZR 113/08, VersR 2011 66. 325
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
keit“ waren, dürfte darin keine Erweiterung des Ausschlusses zu sehen sein. Soweit Sachen oder deren Teile sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befinden, greift Ziff. 7.7 (3) AHB ein.
273 (1) Begriff der unbeweglichen Sache. Zu den unbeweglichen Sachen zählen zunächst alle unbeweglichen Sachen im Rechtssinne, also vor allem Grundstücke und Gebäude. Darüber hinaus spricht sich die h.M. aus teleologischen Gründen dafür aus, auch Gebäude, die vom bürgerlichen Recht als bewegliche Sachen behandelt werden, als unbewegliche im Sinne der Ausschlussbestimmung zu qualifizieren.611 Es geht vor allem um Scheinbestandteile i.S.v. § 95 BGB, also z.B. um solche Fälle, in denen Mieter auf einem gemieteten Grundstück ein massives Wohngebäude errichten, dessen Beseitigung nach Ablauf des langjährigen Vertrages vorgesehen ist.612 Holzschuppen, Gartenlauben und ähnliche Bauwerke, die nur lose aufgestellt sind, sind hingegen als bewegliche Sachen anzusehen.613 274 Bei den betreffenden Grundstücks- und Gebäudeteilen braucht es sich nach dem Sinn der Ausschlussklausel nicht um solche von rechtlich oder wirtschaftlich selbstständiger Bedeutung zu handeln.614 Sonst, so der BGH, wäre die Klausel praktisch bedeutungslos, weil unbewegliche Sachen, vor allem bebaute Grundstücke, in aller Regel nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich ein einheitliches, nicht ohne Wertminderung teilbares, Ganzes bilden. Unter Teilen einer unbeweglichen Sache sind deshalb nur (un-/wesentliche) Bestandteile i.S.d. §§ 93 ff. BGB zu verstehen.615
275 (2) Unmittelbare Betroffenheit der unbeweglichen Sache. Nach der Rechtsprechung zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB 1999 (und ältere Fassungen) wird ein Betriebsinhaber als VN unter einem Grundstücksbestandteil, der unmittelbar Gegenstand der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des VN ist, „das Objekt verstehen, das er, wie es im Beispielkatalog des ersten Halbsatzes heißt, bearbeiten, reparieren, befördern oder prüfen soll“.616 Aus dem Wort „unmittelbar“ entnehme der VN weiterhin, dass der beschädigte Grundstücksbestandteil Auftragsgegenstand gewesen sein muss.617 Für die Beurteilung der Frage, ob der VN an der Sache bzw. an welchen Teilen der Sache er „unmittelbar“ tätig ist, stellt die Rechtsprechung auf die Verkehrsanschauung ab.618 Die Teile müssten nach „natürlicher Betrachtungsweise eines vernünftigen, unvoreingenommenen Beobachters, als Gegenstand der Bearbeitung anzusehen sein“.619
611 612 613 614
Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 210; Wussow § 4 Anm. 62; Kuwert Rn. 4137; Späte § 4 Rn. 136. Vgl. z.B. BGH 31.10.1952 – V ZR 36/51, BGHZ 8 1, 5 f. = NJW 1953 137, 138; RG 2.6.1915 – V 19/15, RGZ 87 43, 51. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 190; Littbarski AHB § 4 Rn. 251. BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637; vgl. weiter BGH 5.6.1961 – II ZR 42/59, VersR 1961 602; BGH 12.7.1962 – II ZR 85/60, VersR 1962 749. 615 BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637; vgl. LG Dortmund 14.12.2006 – 2 O 23/06, NJW-RR 2007 909, 910; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 191. 616 BGH 3.5.2000 – IV ZR 172/99, RuS 2000 449, 450 = VersR 2000 963; vgl. auch KG 19.8.2008 – 6 U 67/07, NJOZ 2009 1704, 1711. 617 BGH 3.5.2000 – IV ZR 172/99, RuS 2000 449, 450 = VersR 2000 963. 618 Vgl. BGH 3.5.2000 – IV ZR 172/99, RuS 2000 449, 450 = VersR 2000 963; BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, RuS 1998 58 = VersR 1998 228; BGH 10.7.1968 – IV ZR 543/68, VersR 1968 1029, 1030; BGH 5.6.1961 – II ZR 42/59, VersR 1961 602; BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637; KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 231; OLG Karlsruhe 16.12.1993 – 12 U 216/93, RuS 1995 11; OLG Oldenburg 24.6.1981 – 2 U 80/81, VersR 1983 357, 358; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 191. 619 KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 331; vgl. auch BGH 25.3.1970 – IV ZR 650/68, VersR 1970 609, 610; BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637; Hans. OLG Hamburg 14.8.1996 – 5 U 14/96, VersR 1997 1137, 1138; OLG Hamm 13.12.1985 – 20 U 156/85, VersR 1986 1117, 1118. Koch
326
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
An dieser Rechtsprechung ist auch nach der Neufassung von Ziff. 7.7 (1) AHB – obwohl es anstelle von „Gegenstand der Tätigkeit“ nunmehr „von der Tätigkeit betroffene [Sachen]“ heißt – festzuhalten. Wird ein Maurer auftragsgemäß an einer Mauer eines Hauses tätig, so ist nur der an dieser entstehende Schaden ausgeschlossen. Handelt es sich um eine Wand, die durch mehrere Stockwerke geht, soll diese Mauer aber nur innerhalb einer Wohnung repariert werden, so entspricht es der Verkehrsauffassung, dass nur der in dieser Wohnung befindliche Teil der Mauer vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Wurde hingegen der Auftrag zum Ausbrechen einer Mauer aus einem Haus mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf erteilt, dass z.B. von Seiten der Baupolizei besondere Stützungsaktionen wegen der für das gesamte Haus bestehenden Einsturzgefahr verlangt wurden, so ist das Haus im Ganzen Gegenstand der Tätigkeit. Der Fall liegt nicht anders, als wenn in einem kleinen Hause Stützbalken eingezogen werden und dabei das ganze Haus zusammenbricht. Ein gutes Beispiel bildet auch ein vom BGH im Jahre 1961 entschiedener Fall.620 Dort war der VN mit dem Abreißen der Hälfte einer Scheune beauftragt worden. Ursprünglich hatte es sich um ein einheitliches Gebäude gehandelt, das später mit der Teilung des Grundstückes durch eine Trennmauer ebenfalls aufgeteilt wurde. Das verbliebene Restgebäude des Nachbarn stürzte infolge des Abrisses ein. Dem Gericht ist darin zuzustimmen, dass es unrichtig wäre, deshalb eine Tätigkeit an der gesamten „zweiten“ Scheune anzunehmen, weil die Dachverbindungen gelöst wurden. Richtig ist auch dahin erkannt worden, dass der Schaden am gesamten Dachgerüst vom Versicherungsschutz nicht erfasst wurde. Mit dem Durchschneiden der Dachverbindungen war der VN auch am Dach der Restscheune tätig. Von der Deckung ausgeschlossen ist dabei auch der Schaden an der Trennmauer. Auf diese Trennmauer erstreckte sich zwangsläufig die Tätigkeit des Abreißens, da die Verbindungen gelöst wurden.621 Soll von einer fest mit dem Grund und Boden verankerten Krananlage, die eine Länge von etwa 100 m hat und bei der in einer Höhe von etwa 10 m zwei Kranbrücken auf Schienen fahren, eine dieser Brücken demontiert werden, so ist grundsätzlich nur diese Ausschlussobjekt, nicht dagegen die Pfeiler und Stützen der Krananlage. Erfolgt die Demontage in der Weise, dass die Brücke mit Seilen durch Motorkraft von der Laufschiene gezogen wird, so ist während des Ziehens auch die Schiene Ausschlussobjekt. Erfolgt eine Beschädigung der Schiene aber dadurch, dass infolge eines Fehlers die Brücke nicht auf die Erde vor der Krananlage schlägt, sondern gegen einen Pfeiler, dessen Einknicken eine Verformung der Schiene bewirkt, so ist die Gleisschiene kein Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 (1) AHB. Hier kommt nur Leistungsfreiheit nach Ziff. 7.7 (3) AHB in Betracht.622 Wird etwas an eine Mauer geschüttet, so ist diese Mauer Ausschlussobjekt. Erst recht greift die Ausschlussbestimmung ein, wenn beim Bau eines Hauses eine Zwischenmauer durch sandigen, feuchten Lehm hinterfüllt wird.623 Stürzt die Mauer dann um, so sind Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung der Mauer vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, die an anderen Teilen des Baues entstehenden Schäden hingegen nur nach Maßgabe von Ziff. 7.7 (3) AHB. Gerade bei der Errichtung von Neubauten wird der VN häufig nur an einem Teil der unbeweglichen Sache tätig. Zutreffend ist vom BGH624 angenommen worden, dass derjenige, der einen Auftrag zum Bau eines Dachstuhls habe, nach der Verkehrsauffassung nicht an anderen Teilen des Daches, z.B. der Dachhaut, der Dachrinne oder einer Dachantenne tätig werde. Andererseits widerspricht es aber auch der Verkehrsauffassung, das bearbeitete Gebäude in winzig kleine Teile 620 BGH 5.6.1961 – II ZR 42/59, VersR 1961 602 f. 621 So ausdrücklich BGH 28.9.1961 – II ZR 145/59, VersR 1961 975, 976 für eine gemeinsame Wand zwischen zwei Häusern; vgl. auch LG Saarbrücken 2.11.1981 – 9 O 138/81, RuS 1982 92, 93.
622 Vgl. Hans. OLG Hamburg 29.10.1970 – 9 U 181/68, VersR 1970 1021, 1022. 623 So LG Nürnberg-Fürth 26.5.1965 – 2 O 46/65, VersR 1965 1144, 1145. 624 BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637. 327
Koch
276
277
278
279
280
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
aufzuspalten.625 Wird ein Dach mit heißem Bitumen isoliert, ist das gesamte Dach unmittelbar Gegenstand der Arbeiten.626 Das Gleiche gilt, wenn elektrische Leitungen im Dachinneren verlegt werden,627 über ein Fabrikdach eine Röhrenleitung auf Metallstützen gelegt wird628 oder auf dem Dach eines Wohnhauses eine Neon-Reklameanlage installiert wird.629 Handelt es sich um ein größeres Fabrikgebäude und ist die Tätigkeit des VN von vornherein auf einen bestimmten Dachbereich beschränkt, so ist allein dieser Teil Ausschlussobjekt. Bei Neubauten wird man im Übrigen vielfach die Nichtanwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes schon daran erkennen können, dass die später beschädigten Grundstücksteile zur Zeit der Tätigkeit des VN selbst noch gar nicht errichtet waren.630 Wird ein VN, der die Überwachung einer Ölheizungsanlage vertraglich übernommen hat, 281 zur Reparatur eines Schadens gerufen, der die Funktionsfähigkeit der Anlage betrifft, so erstreckt sich seine Tätigkeit auch dann auf die gesamte Heizungsanlage, wenn er nur einen Sicherheitsschalter durch einen anderen ersetzt.631 Zu Recht hat deshalb auch das LG Frankfurt/ M. bei der probeweisen Vorführung einer automatischen Kesselwagenabfüllungsanlage diese im Ganzen als Ausschlussobjekt angesehen.632 Wird der VN beauftragt, einen Tankbehälter zu entleeren, zu reinigen und zu entgasen sowie sämtliche im Pumpenschacht und im Tankbehälter befindlichen Installationen wie Pumpen, Rohrleitungen und Armaturen auszubauen, sind nach Ansicht des OLG Hamm nur die zu demontierenden Rohre und Armaturen unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit.633 282 Häufig sind Leitungen für elektrische Energie oder für Gas Gegenstand der Bearbeitung. Soweit es sich dabei um in einem Gebäude befindliche Leitungen handelt, bilden diese Leitungen meist einen wesentlichen Bestandteil der unbeweglichen Sache. Der Handwerker ist im Sinne der Ausschlussklausel grundsätzlich nur an dem von ihm unmittelbar bearbeiteten Teil der Leitung tätig.634 Dazu zählen aber auch zu den Leitungen gehörige, nahe gelegene elektrische Zähler oder Gasuhren.635 Nach Ansicht des KG stellt nach der Verkehrsauffassung ein Arbeiten an der elektrischen Hauptleitung des Mietshauses nicht zugleich eine Tätigkeit an den einzelnen Leitungen der Mietwohnungen dar. Demnach seien auch die an die Leitung angeschlossenen Geräte grundsätzlich nicht Gegenstand der Tätigkeit.636 Etwas anderes könne sich allerdings dann ergeben, wenn die Tätigkeit eines Installateurs gerade darin bestehe, einen Motor an eine elektrische Leitung anzuschließen.637
283 b) Benutzungsschäden (Ziff. 7.7 (2) AHB). Für Schäden an beweglichen/unbeweglichen Sachen, die dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten (als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche und dgl.) benutzt hat, gelten keine von Ziff. 7.7 (1) AHB abweichenden Besonderheiten. Ausschlussobjekt ist grundsätzlich die als Werkzeug oder Hilfsmittel benutzte Sache im Ganzen, bei als Ablagefläche benutzten unbeweglichen Sachen nur der Teil, auf dem etwas abgelegt wird. Entscheidend 625 626 627 628 629 630 631
BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637. LG Wiesbaden 5.3.1974 – 3 O 376/73, VersR 1974 1169. OLG Hamm 16.6.1971 – 20 U 68/71, VersR 1973 509. LG Stuttgart 1.12.1956 – 4 S 372/55, VersR 1956 791. LG München 11.3.1965 – 5 O 1001/64, VersR 1965 774. BGH 27.9.1956 – II ZR 100/55, VersR 1956 637, 638. BGH 12.7.1962 – II ZR 85/60, VersR 1962 749, 750; ebenso LG Wuppertal 28.6.1968 – 10 O 104/68, VersR 1968 1031, 1032 (für das Auswechseln eines Steuerungselements). 632 LG Frankfurt/M. 9.7.1964 – 2/2 O 158/64, VersR 1964 1237 f. 633 OLG Hamm 26.9.1984 – 20 U 76/84, VersR 1985 377. 634 KG 5.6.1958 – 4 U 485/58, VersR 1958 537, 538. 635 Vgl. dazu OLG Frankfurt/M. 3.5.1955 – 5 U 45/55, VersR 1955 434. 636 KG 5.6.1958 – 4 U 485/58, VersR 1958 537, 538. 637 KG 5.6.1958 – 4 U 485/58, VersR 1958 537, 538. Koch
328
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
für die Einordnung als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche und dgl. ist die Benutzung zum Zwecke der Erfüllung des Auftrags. Nach Sinn und Zweck des Ausschlusses kommt es allein darauf an, dass der VN die Sache einsetzt, um – im Sinne eines Hilfsmittels oder Werkzeugs – die Arbeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung des Auftrags stehen, leichter, schneller oder besser erledigen zu können („instrumentale Verwendung“).638 Ob die Sache objektiv hierzu geeignet ist, ist unerheblich. An einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung des Auftrages fehlt es, wenn 284 Mitarbeiter eines Elektroinstallationsbetriebs in einem Gebäude Steckdosen ersetzen und dabei einen Aufzug benutzen, um zusammen mit ihren Arbeitsgeräten schneller und bequemer von einem Arbeitsplatz an einen anderen zu gelangen.639 Benutzt ein Umzugsunternehmen den Aufzug zum Transport der Einrichtungsgegenstände, fallen die hierbei verursachten Schäden dagegen unter Ziff. 7.7 (2) AHB. Gleiches gilt, wenn ein Fleischhändler beim Transport von Fleisch aus einem Kühlhaus zum Verkaufsstand in der Markthalle den dabei benutzten Lastenaufzug des Kühlhauses beschädigt.640 Setzt sich ein Handwerker, der die Wohnung renovieren soll, während einer Pause auf einen Stuhl, der daraufhin zusammenbricht, fehlt es dagegen an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung des Auftrags. Ziff. 7.7 (2) AHB greift nicht ein. Anders liegt der Fall, wenn er sich auf den Stuhl stellt, um eine Lampe zu montieren, und dabei der Stuhl zusammenbricht. Setzt der VN Material während des Transports zum Arbeitsplatz kurzfristig ab, weil ihn die 285 Kräfte verlassen und er kurze Erholung braucht, fehlt es an dem erforderlichen Zweckbezug, weil die Ablagefläche nicht dazu benutzt wird, den Auftrag leichter, schneller oder besser zu erledigen. Gleiches gilt, wenn der VN ein Gefäß mit Reinigungsflüssigkeit umstößt, das er auf einen Tisch abgestellt hat, um es zu entsorgen, und die Flüssigkeit die Tischoberfläche beschädigt. Auch in diesen Konstellationen ging es dem VN nicht darum, den Auftrag leichter, schneller oder besser zu erledigen, weshalb Boden und Tisch nicht als Hilfsmittel der beruflichen Tätigkeit beschädigt worden sind, sondern aufgrund unvorsichtiger Handhabung oder nicht ausreichender Schutzmaßnahmen.641 Anders liegt der Fall, wenn der VN beim Streichen von Fensterrahmen die Reinigungsflüssigkeit auf einem in der Nähe der Fenster stehenden Tisch abstellt, um sich Laufwege zu ersparen.642
c) Schäden im Einwirkungsbereich der zu bearbeitenden Sache (Ziff. 7.7 (3) AHB). 286 Schäden an (sonstigen) Sachen oder – sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt – deren Teilen sind ausgeschlossen, wenn sie sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit am Auftragsobjekt befinden. Dieser Ausschluss gilt jedoch nicht, „wenn der VN beweist, dass er die zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendigen Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte“. Zur Auslegung dieser Klausel kann auf ein Urteil des OLG Frankfurt/M. vom 12.5.1966 zurückgegriffen werden. Dort hatte der VN in mehreren Räumen eines Krankenhauses Schweißarbeiten an den Decken zum Zwecke der Anbringung von Verdunkelungseinrichtungen auszuführen. Zum Schutze vor abspringenden Schweißperlen deckten Arbeiter des VN die Kachelplatten der Wände ab. Trotz dieser Schutzmaßnahmen wurden durch herabfallende Schweißperlen die Wandplatten beschädigt.
638 OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, RuS 2017 1187, 1188; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 219. Vgl. BGH 27.11.1969 – IV ZR 637/68, VersR 1970 145. Hans. OLG Hamburg 6.4.1976 – 7 U 2/76, VersR 1976 869, 870. Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 71, 96. Vgl. AG Köln 8.11.1979 – 116 C 7429/79, zfs 1980 138; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 221; Littbarski AHB § 4 Rn. 259; a.A. offenbar Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 96.
639 640 641 642
329
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
287
Ausschlüsse
Nach Ansicht des OLG Frankfurt/M. machte die bloße Abdeckung der Platten diese noch nicht zum unmittelbaren Gegenstand. Sodann führte es aus, dass „[f]ür einen Schaden, der an einem nicht den unmittelbaren Gegenstand der schadensstiftenden Tätigkeit bildenden Sachteil eintritt, Versicherungsschutz nur versagt werden [kann], wenn [erstens] der beschädigte Sachteil infolge seiner räumlichen Nähe und der Art der unternehmerischen Tätigkeit von vornherein einer zwangsläufigen oder doch fast mit Sicherheit zu erwartenden Einwirkung und dadurch bedingten Schädigungsgefahr ausgesetzt ist, [zweitens] der Versicherungsnehmer oder seine Gehilfen diese Gefahr erkannt und dennoch [drittens] entweder überhaupt keine oder doch von vornherein völlig ungeeignete oder unzureichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. In diesem Falle würde der Versicherungsnehmer durch die schadensstiftende Tätigkeit an dem einen Sachteil auch auf den beschädigten anderen Sachteil bewußt und gewollt einwirken“.643 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Berücksichtigt man, dass die Rechtsprechung – insoweit abweichend von den Ausführungen des OLG Frankfurt/M. – zum Teil schon die Unvermeidbarkeit der Schadensverursachung als solche hat ausreichen lassen644 und zum Teil darüber hinausgehend gefordert hat, die beschädigte Sache müsse mit der konkret bearbeiteten Sache körperlich zusammenhängen und beide müssten als sachliche Einheit erscheinen,645 wird deutlich, dass der Wirkbereichsschadensausschluss der Ziff. 7.7 (3) AHB den Anwendungsbereich des § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB 1999 (und älteren Fassungen) nicht erweitert. Im Hinblick darauf, dass dem VN nur grob fährlässiges Fehlverhalten bei unzureichenden Schutzmaßnahmen schadet, ist vielmehr das Gegenteil der Fall.
288 aa) Bestimmung des unmittelbaren Einwirkungsbereichs. Der unmittelbare Einwirkungsbereich ist räumlich danach zu bestimmen, ob der beschädigte Sachteil infolge seiner räumlichen Nähe und der Art der unternehmerischen Tätigkeit von vornherein einer zwangsläufigen oder doch fast mit Sicherheit zu erwartenden Einwirkung und dadurch bedingten Schädigungsgefahr ausgesetzt ist. Es muss somit eine ernsthafte Schädigungsgefahr an in der Nähe befindlichen Sachen drohen. Ob eine solche Gefahr gegeben ist, hängt von dem Auftragsgegenstand und der Art der Tätigkeit ab. Ist Auftragsgegenstand die Neulackierung von Fensterrahmen, drohen beispielsweise Schäden an den Fensterscheiben und an den angrenzenden Fassadenfenstereinlassungen, wenn diese nicht abgeklebt werden. 289 Der Einwirkungsbereich wird nicht dadurch größer, dass die Neulackierung mittels eines Hubsteigers erfolgt, sodass aus dem Einsatz des Hubsteigers resultierende Schäden an der Fassade nicht unter den Wirkbereichsschadensausschluss fallen. Geht es um Tiefbauarbeiten mit einem Bagger an öffentlichen Straßen in der Nähe von Straßen-, Untergrund- oder Eisenbahnen, zählen unterirdisch verlegte Versorgungsleitungen zum Einwirkungsbereich. Beim Umfüllen des Öls vom Tanklastwagen in die Tankanlage eines Einfamilienhauses zählt der Boden unterhalb des Einfüllstutzens zum Einwirkungsbereich, sodass für Schäden durch ausfließendes Öl keine Deckung besteht.
290 bb) Bedeutung von Schutzmaßnahmen. Trifft der VN alle zum Zeitpunkt der Tätigkeit (exante-Sicht) offensichtlich notwendigen Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden, fehlt 643 OLG Frankfurt/M. 12.5.1966 – 11 U 13/66, NJW 1966 1973, 1974 f.; vgl. auch LG Berlin 10.8.1993 – 7 O 555/92, RuS 1994 51, 52.
644 So OLG Köln 19.5.1983 – 5 U 44/82, VersR 1984 73; offengelassen von OLG Köln 5.3.1987 – 5 U 224/86, RuS 1988 6 f. 645 Wie z.B. bei einer Fassade und den in sie eingelassenen Türen und Fenstern; vgl. dazu die sog. „Mörtelspritzerfälle“ des BGH 25.3.1970 – IV ZR 1073/68, VersR 1970 610 f.; BGH 10.7.1968 – IV ZR 543/68, VersR 1968 1029, 1030; s.a. OLG Koblenz 23.1.1998 – 10 U 1184/97, RuS 1998 190. Koch
330
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
es haftungsrechtlich an einer schuldhaften Schutz-/Verkehrspflichtverletzung.646 Die Einschränkung des Wirkungsbereichsschadensausschlusses ist dennoch nicht nur von Bedeutung, wenn es um die Abwehr unbegründeter Ansprüche geht, weil der Sorgfaltsmaßstab im Rahmen der Deckung niedriger ist als im Rahmen der Haftung. Während für die Haftung einfache Fahrlässigkeit ausreicht, entnimmt die Literatur der Formulierung „offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen“ zu Recht, dass dem VN deckungsrechtlich nur grobe Fahrlässigkeit schadet. Offensichtlich notwendig sind nämlich nur Schutzmaßnahmen, die sich jedermann aufdrängen mussten. Bei Unterlassung solcher Schutzvorkehrungen ist deshalb stets die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, weshalb der Rückschluss gut vertretbar ist, dass für einfache Fahrlässigkeit Versicherungsschutz besteht.647 Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhal- 291 ten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt.648 Allein aus dem Unterlassen offensichtlich erforderlicher Schutzvorkehrungen kann somit nicht ohne Weiteres auf grobe Fahrlässigkeit geschlossen werden. In subjektiver Hinsicht ist in jedem Fall erforderlich, dass die Gefährdung für den VN im Zeitpunkt der Tätigkeit erkennbar gewesen ist. Des Weiteren ist mit v. Rintelen grobe Fahrlässigkeit zu verneinen, wenn die vom VN getroffenen Schutzmaßnahmen auf erste Sicht geeignet schienen, die Realisierung der offen zutage liegenden Gefährdung zu vermeiden.649 Grobe Fahrlässigkeit ist hingegen zu bejahen, wenn sich der Tiefbauunternehmer nicht selbst über Lage und Verlauf der Versorgungsleitungen anhand zuverlässiger Unterlagen der in Betracht kommenden Versorgungsunternehmen vergewissert. Abzulehnen ist das Urteil des LG Berlin vom 10.8.1993, wonach ein unter den Tätigkeitsschadensausschluss fallender Schaden an der U-Bahn-Tunneldecke infolge von Arbeiten an der darüber liegenden Straßendecke nur dann gegeben sein soll, wenn der VN positive Kenntnis davon hatte, dass sich die U-Bahn-Tunneldecke unter der Straßendecke befindet.650
6. Kasuistik Bislang gibt es nur zwei veröffentliche Urteile zur Neufassung der Tätigkeitsschadensklausel, 292 die sich auf Ziff. 7.7 (2) und (3) AHB beziehen. Nachstehend wird deshalb der Versuch unternommen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit die seit 1970 ergangene Rechtsprechung zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. dem Tätigkeits-, Benutzungs- und Wirkbereichsschadensausschluss zuzuordnen.
a) Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 (1) AHB). KG 19.8.2008 – 6 U 67/07, NJOZ 2009 1704, 1710: 293 Müssen für das Herstellen des Baugrubenverbaus auch Grundanker auf dem Nachbargrundstück gesetzt werden, sind die hiervon betroffenen Teile des Nachbargrundstücks unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung durch das Tiefbauunternehmen. Für die Sachschäden an diesen Teilen, die durch die Beseitigung der Anker entstehen, besteht keine Deckung. OLG Koblenz 16.5.2008 – 10 U 446/07, RuS 2009 236, 237 = VersR 2009 248: Werden durch zu tiefes Fräsen eines Spargelfeldes die darin befindlichen Spargelpflanzen beschädigt, so sind auch diese Bearbeitungsgegenstand und somit Ausschlussobjekt. BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, RuS 1998 58: Reißt bei der Begrünung des Dachs eines Neubaus ca. 7 m oberhalb des Daches das Tuch, in dem das aufzubringende Substrat aus Lava 646 Zum Verhältnis zwischen Verkehrspflicht und Sorgfaltswidrigkeit/Fahrlässigkeit s. MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 62; Staudinger/Hager (2017) § 823 Rn. E 69 f.; BeckOGK BGB/Spindler § 823 Rn. 278 f. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 99; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 211. BGH 11.7.2007 – XII ZR 197/05, NJW 2007 2988, 2989; BGH 29.1.2002 – IV ZR 173/01, NJW 2003 1118, 1119. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 99. LG Berlin 10.8.1993 – 7 O 555/92, RuS 1994 51, 52 m. kritischer Anmerkung von Schimikowski RuS 1994 52.
647 648 649 650 331
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
und Bims an einem Kran auf das Dach hinuntergelassen werden soll, und stürzt das Dach daraufhin teilweise ein, so ist das gesamte Dach als Bearbeitungsgegenstand anzusehen und somit Ausschlussobjekt. OLG Hamm 20.11.1996 – 20 U 256/93, RuS 1997 151, 152 = VersR 1997 1475: Bei der Nachverlötung einzelner Kupferplatten einer Dachverkleidung sind nicht nur die einzelnen Platten, sondern auch die gesamte Dachverkleidung Ausschlussobjekt. OLG Hamm 8.6.1994 – 20 U 56/94, VersR 1995 161, 162: Besteht die berufliche Tätigkeit eines Tontechnikers darin, die Beschallung während einer Konzertveranstaltung durchzuführen, so ist bei einem Schaden durch Regenwassereintritt das von ihm benutzte, einem anderen gehörende Mischpult auch dann Ausschlussobjekt, wenn der Schaden erst nach Beendigung des Konzerts eingetreten ist. OLG Hamm 2.7.1993 – 20 U 194/92, RuS 1994 169, 171: Wird im Zuge der Durchführung der Maßnahmen des VN zur Sicherung (hier: Fixierung) einer anderen Sache (hier: eines Rohres im Erdreich) eine Verfüllung vorgenommen, so ist das zu fixierende Rohr unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit des VN und damit Ausschlussobjekt. OLG München 2.10.1990 – 18 U 2407/90, RuS 1991 260, 261: Bei dem Beladen eines Kfz liegt stets eine Tätigkeit an und mit diesem vor. Auch Beschädigungen des Ladegutes während des Ladevorgangs durch Herunterfallen der Ladung aufgrund zu frühzeitiger Inbetriebsetzung des Lkw fallen unter die Ausschlussklausel. OLG Saarbrücken 22.9.1987 – 2 U 112/85, RuS 1990 368: Ist zur Sanierung der Dachhaut eines Hauses eine 1,5 mm starke Dachpappe zu entfernen, so wird von der Tätigkeitsklausel die Dachhaut und die darunter liegende Verschalung umfasst, nicht aber der Dachstuhl. OLG Hamm 16.3.1988 – 20 U 168/87, RuS 1988 293: Wird ein zur Wartung an den VN übergebener Schaltschrank in der Werkstatt des VN bewusst verschoben, um Platz zu schaffen, und tritt dabei eine Beschädigung ein, so ist der Schaltschrank Ausschlussobjekt. BGH 3.6.1987 – IV a ZR 247/85, RuS 1987 248: Setzt ein VN beim Abladen einer von ihm bestellten, noch im Eigentum des Verkäufers stehenden Maschine gefälligkeitshalber ohne vertragliche Verpflichtung seinen eigenen Kran ein, so fällt ein beim Abladen an der Maschine entstandener Schaden unter den Ausschluss der Tätigkeitsklausel. ÖOGH 5.3.1987 – 7 Ob 10/87, VersR 1988 479: Werden Plakate fehlerhaft aufgeklebt und müssen durch neue überklebt werden, wobei die alten Plakate zerstört werden, so sind diese Ausschlussobjekt. OLG Köln 28.10.1982 – 5 U 10/82, VersR 1984 26: Wird bei der Bearbeitung der Antriebsachse eines Baggers, die mit dem Motorblock verbunden ist, versehentlich ein Kurzschlussfunken im Motor ausgelöst, woraufhin ein Brand im Motorblock entsteht, so ist nicht nur die Achse Ausschlussobjekt, sondern der gesamte Motor. BGH 21.9.1983 – IV a ZR 165/81, VersR 1984 750: Wird dem VN, einem Sachkundigen auf dem Gebiet der Unfallverhütungsvorschriften, ein Gabelstapler zur Überprüfung überlassen, so fallen bei Beschädigung des Gabelstaplers während der Überprüfung nur die unmittelbaren Schäden unter die Ausschlussklausel, nicht jedoch Folgeschäden wie beispielsweise die Miete für ein Ersatzgerät. OLG Saarbrücken 27.5.1982 – 8 U 250/80, RuS 1982 137, 138: Bei der Ummantelung eines Tanks mit hierfür ungeeignetem Sand sind sowohl der Tank als auch die anzubringende Ummantelung unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung und somit Ausschlussobjekte. LG Saarbrücken 2.11.1981 – 9 O 138/81, RuS 1982 92, 93: Haben Aushebungsarbeiten, die der VN in unmittelbarer Nähe einer Giebelmauer ausführt, zwangsläufig dadurch Einfluss auf das Mauerwerk, dass sie die Statik verändern, so liegt bei natürlicher Betrachtungsweise eine Tätigkeit in Bezug auf das Mauerwerk vor. OLG Koblenz 16.10.1981 – 10 U 706/80, VersR 1983 73: Kann ein Auftrag, der sich auf das Ausheben von Gräben bezieht, nur ausgeführt werden, wenn zugleich Fernmeldekabel freige-
Koch
332
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
legt werden, werden diese Fernmeldekabel zum Gegenstand unmittelbarer, bewusster und gewollter Einwirkung und damit zum Anschlussobjekt.651 BGH 25.2.1975 – IV ZR 57/74, VersR 1975 437: Bei der Düngung einer Wiese mit Hühnergülle ist die Wiese Ausschlussobjekt. LG Wiesbaden 5.3.1974 – 3 O 376/73, VersR 1974 1169: Wird durch die Arbeiten des VN (Isolieren der Pappauflage eines Flachdachs mit heißem Bitumen) die Dämmschicht eines Daches in Brand gesetzt, so ist das gesamte Dach unmittelbar Gegenstand der Arbeiten und somit Ausschlussobjekt. LG Mainz 11.7.1974 – 1 O 106/74, VersR 1976 378, 379: Soll vom VN die obere Schicht eines Daches entfernt werden, wofür diese mit einem Beil zerkleinert wird, und werden durch die Beilhiebe auch die unteren Schichten des Daches beschädigt, so sind sämtliche Dachschichten unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung und mithin Ausschlussobjekt. OLG Oldenburg 11.7.1974 – 3 U 10/74, RuS 1974 49, 51: Wird arsenhaltiger Schlamm vom VN bei seinem Auftraggeber abgeholt und auf eine nicht grundwassersichere Müllkippe transportiert, so ist diese Müllkippe Ausschlussobjekt. OLG Frankfurt 27.6.1973 – 21 U 32/73, VersR 1974 457: Wird bei der Reinigung von automatischen Glasschiebetüren deren Arretierung verschoben, sodass die Türen beim Schließen aneinander prallen und eine der Türen zerbricht, so sind nicht nur die zu reinigenden Scheiben, sondern auch die gesamte Tür inklusive des Schließmechanismus Ausschlussobjekt. OLG Hamm 16.6.1971 – 20 U 68/71, VersR 1973 509: Werden beim Verlegen elektrischer Leitungen im Dachinneren die Nägel versehentlich durch die Dachhaut geschlagen, obwohl gerade dieser Schaden vermieden werden sollte, so ist die Dachhaut unmittelbar Gegenstand der gewerblichen Tätigkeit und somit Ausschlussobjekt.
b) Benutzungsschäden (Ziff. 7.7 (2) AHB). OLG Dresden 22.5.2018 – 4 U 1579/17, RuS 2018 294 367: Betreffen die gegen die VN erhobenen Haftpflichtansprüche nicht die von ihr fehlerhaft plasmanitrierten Hülsen, sondern die Bahnzüge bzw. -kupplungen, in die die Hülsen verbaut worden sind, greift Ziff. 7.7 (2) und (3) AHB nicht ein, weil die geschädigten Züge bzw. Kupplungen nicht von der VN zur Ausführung ihrer Arbeiten benutzt wurden oder sich während der Plasmanitrierung im unmittelbaren Wirkungsbereich der VN befanden. OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, RuS 2017 1187: Stellen Mitarbeiter des von der VN beauftragten Vermessungsbüros ein mit Dornen bewehrtes Dreibeingestell auf dem beschädigten Flachdach ab und drücken die Dornen in das Dach ein, liegt ein Benutzungsschaden i.S.v. Ziff. 7.7 (2) AHB vor.652 BGH 15.10.2010 – IV ZR 113/08, RuS 2010 512: Der VN verwendet einen dem Verkäufer von Kies gehörenden Radlader zum Aufladen von gekauftem Kies. Infolge eines Fahrfehlers stürzt der Radlader in einen in der Kiesgrube befindlichen Baggersee. Dabei wird die Steuerelektronik des Radladers beschädigt. Der BGH hat die Ausschlussobjekteigenschaft des Radladers i.S.v. § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. verneint. BGH 3.5.2000 – IV ZR 172/99, RuS 2000 449: Auf dem Dach eines Parkhauses wird auf dessen oberster Parkfläche 56 cbm Erde für die Bepflanzung von Pflanzenkübeln zwischengelagert. Aufgrund des Gewichts der Blumenerde entstehen Risse im Beton und verformt sich die Stahlträgerkonstruktion. Der BGH hat die Ausschlussobjekteigenschaft der Parkfläche i.S.v. § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB a.F. verneint. 651 Vgl. auch OLG Frankfurt/M. 10.5.1978 – 17 U 14/78, VersR 1979 562; OLG Saarbrücken 6.11.1973 – 7 U 92/73, VersR 1974 794, 795; anders LG Bad Kreuznach 21.5.1980 – 3 O 438/79, VersR 1980 1138: hiernach lag ein Postkabel, neben dem ein weiteres Kabel verlegt werden sollte, zwar im Gefahrenbereich der Tätigkeit, ein bewusstes und gewolltes Einwirken auf jenes Kabel wurde jedoch verneint. 652 Das erstinstanzlich befasste LG Stuttgart hatte zudem einen Wirkbereichsschaden i.S.v. Ziff. 7.7 (3) AHB angenommen (LG Stuttgart 20.11.2015 – 3 O 201/15, RuS 2016 459 461). 333
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
OLG Oldenburg 24.6.1998 – 2 U 80/98, RuS 1998 369: Wird eine Positivform, welche die Vorlage für eine Negativform zur Herstellung von Rotorblättern für Windkraftanlagen ist, als Ablagefläche bei der Montage eines Untergestells für die Negativform durch den VN genutzt, so ist die Positivform Ausschlussobjekt. LG Hamburg 2.6.1977 – 96 O 125/11, VersR 1978 241: Beschädigt der VN durch das Aufstellen eines Malergerüstes auf dem Flachdach eines Hauses dieses Dach, so ist es Ausschlussobjekt. LG Heidelberg 3.2.1976 – O 60/75 KfH I, RuS 1976 112: Werden für den Innenausbau bestimmte Wandelemente auf einem Palettenwagen zu ihren jeweiligen Bestimmungsorten transportiert und wird hierbei aufgrund des hohen Gewichts von ca. 14 Zentnern der Boden beschädigt, so ist dieser Ausschlussobjekt. LG Berlin 8.11.1973 – 7 O 173/73, VersR 1974 557: Schleifen Mitarbeiter einer Möbelfabrik bei der Anlieferung von Holzmöbeln diese aufgrund ihres hohen Gewichts über einen neu verlegten PVC-Boden, woraufhin dieser stark beschädigt wird, so ist auch der Boden als eine Art Transportmittel Gegenstand der Tätigkeit und somit Ausschlussobjekt. ÖOGH 15.12.1971 – 7 Ob 204/71, VersR 1972 846: Wird eine Schubraupe bei dem Versuch, einen in einer Baustelle eingesunkenen Bagger zu befreien, beschädigt, so ist sie Ausschlussobjekt. OLG München 19.12.1972 – 4 U 185/72, VersR 1975 608: Wird bei der Bewegung eines auf dem Rand eines Flachdachs angebrachten Rundumgerüstes, an dem eine Gondel für Arbeiten an der Fassade des Gebäudes angebracht ist, die Dachhaut beschädigt, so ist diese Ausschlussobjekt.
295 c) Wirkbereichsschäden (Ziff. 7.7 (3) AHB). OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 392: Wird bei Erdarbeiten für die Ausschachtung eines Aufzugschachtes für ein Fischrestaurant die Baugrube nicht richtig verfüllt, sodass sich in der Folge die der Stadt gehörenden Gehwegplatten oberhalb der Ausschachtung absenken und der Grundstücksteil nicht mehr ausreichend tragfähig ist, so liegen diese Gehwegplatten im Gefahrenbereich der Arbeiten. OLG Frankfurt 11.1.2006 – 7 U 169/04, VersR 2007 640, 641: Entsteht bei dem Anschweißen einer Dachfolie, die Bearbeitungsgegenstand ist, ein auf unbewegliche Teile des Gebäudes übergreifender Schwelbrand, handelt es sich nicht zwangsläufig um eine Folge der Schweißarbeiten. LG Dortmund 14.12.2006 – 2 O 23/06, VuR 2007 119: Bei Dämmarbeiten an der Innenwand der Kirche liegt keine zwangsläufige Einwirkung auf die Kirchenorgel vor. OLG Karlsruhe 7.10.2004 – 12 U 145/04, VersR 2005 213: Bei der Untersuchung von Erdreich, das über einer Tiefgarage aufgeschüttet wurde, liegen die die Tiefgarage abdeckenden Vliesund Folienschichten nicht im Einwirkungsbereich der Tätigkeit des mit der Entnahme von Bodenproben beauftragten Chemielabors. KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229: Nimmt ein Malerbetrieb Lötarbeiten an einer Wasserleitung im Badezimmer eines reetgedeckten Hauses vor, so befindet sich das Dach, das durch die Lötarbeiten in Brand gesetzt wurde, nicht im Einwirkungsbereich dieser Arbeiten. OLG Koblenz 23.1.1998 – 10 U 1184/97, RuS 1998 190: Die Kücheneinrichtung liegt im Gefahrenbereich, wenn zur Reinigung des Bodens mittels einer Maschine mit schnell rotierenden Bürsten aggressive Lösungsmittel verwendet werden, die zu Schäden an der Kücheneinrichtung führen. LG Köln 2.10.1997 – 24 O 207/96, RuS 1998 104: Eine Steuerungsanlage liegt nicht im Einwirkungsbereich von Sandstrahlentrostungsarbeiten, wenn sich zwischen dem Bearbeitungsbereich und dem beschädigten Objekt zwei Wände befinden und der schädigende Staub lediglich durch Öffnungen in den Wänden zu dem geschädigten Objekt gelangt. OLG Hamm 28.2.1996 – 20 U 260/95, RuS 1997 191: Schäden, die ein Fensterreiniger mit dem hierbei eingesetzten Hubsteiger an der übrigen Fassade anrichtet, fallen nicht in den Einwirkungsbereich der Arbeiten an den Fenstern, da gerade der Einsatz des Hubsteigers einen zwangsläufigen Kontakt mit der Fassade ausschließt. Koch
334
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
OLG Karlsruhe 16.12.1993 – 12 U 216/93, RuS 1995 11: Fensterscheiben, die sich ca. 1,30 m entfernt von auf dem Handlauf einer Treppe befindlichen Schweiß- und Schleifspritzern befinden, zählen nicht zum Einwirkungsbereich der Schweißarbeiten an der Treppe. LG Berlin 10.8.1993 – 7 O 555/92, RuS 1994 51: Die Tunneldecke einer U-Bahn befindet sich im Einwirkungsbereich von Straßenbaumaßnahmen. Fahrlässige Unkenntnis vom Vorhandensein der Tunneldecke führt nicht zur Anwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes. LG Düsseldorf 24.6.1988 – 22 S 700/87, VersR 1989 282: Ein auf der Straße geparktes Kfz befindet sich nicht im Einwirkungsbereich von Abbeizarbeiten an einem Gebäude. OLG Saarbrücken 22.9.1987 – 2 U 112/85, VersR 1989 178: Wird eine 20–30 cm unterhalb der Holzverschalung angebrachte Dachisolierung beim Lösen der alten Dachhaut dadurch entzündet, dass die Brennerflamme durch eine Ritze durchschlägt, handelt es sich nicht um eine zwangsläufig notwendige Einwirkung, wenn dieses Durchschlagen bei waagerechter Haltung des Brenners ohne Weiteres vermeidbar war. OLG Saarbrücken 11.3.1987 – 5 U 33/86, VersR 1987 1003: Bei der Aufstockung eines Gebäudes befinden sich Schäden an den Sachen eines Mieters infolge unzureichender Abdeckung durch Regenwasser nicht im Einwirkungsbereich der Tätigkeit. OLG Köln 5.3.1987 – 5 U 224/86, RuS 1988 6: Gelangen bei einer Fußbodenreinigung mit verdünnter Salzsäure Spritzer auf die Edelstahlverkleidung einer auf einem Sockel stehenden Kücheneinrichtung, handelt es sich nicht um eine notwendige Einwirkung, wenn bei sorgfältigem und behutsamem Verteilen und Abspülen keine Salzsäure verspritzt worden wäre. AG Köln 8.1.1986 – 138 C 557/84, RuS 1986 173: Eine beim Abtransport eines Fernsehgerätes zufällig beschädigte Schrankwand befindet sich nicht im Einwirkungsbereich der Transporttätigkeit. OLG Hamm 13.12.1985 – 20 U 156/85, VersR 1986 1117: Bei einem durch Schweißarbeiten zur Verbindung von Lüftungsrohren mit der obersten Schweißbahn eines Flachdachs ausgelösten Feuer an den unteren Dachelementen befinden sich diese nicht zwangsläufig im Einwirkungsbereich der Arbeiten. OLG Hamm 26.9.1984 – 20 U 76/84, VersR 1985 377: Bei der Entleerung, Reinigung und Entgasung eines Tankbehälters und dem Ausbau sämtlicher im Pumpenschacht und im Tankbehälter befindlichen Installationen wie Pumpen, Rohrleitungen und Armaturen befindet sich der Pumpenschacht nicht im Einwirkungsbereich der Arbeiten, weil der Schacht selbst und die Wände nicht zwangsläufig mit der Tätigkeit des Abtrennens von Rohren in Berührung kommen. OLG Köln 19.5.1983 – 5 U 44/82, VersR 1984 73: Bei Schweiß- und Schleifarbeiten an einem Balkongeländer handelt es sich um eine notwendige Einwirkung, wenn in der Nähe befindliche Fensterscheiben durch Funkenflug beschädigt werden. OLG Oldenburg 6.5.1981 – 2 U 80/81, VersR 1983 357: Ein Plattenvibrierstampfwerk, das sich ca. 2 m unterhalb einer 80 m langen, unter dem Dach einer Produktionshalle anzubringenden Kübelbahn befindet, liegt im Einwirkungsbereich von Schweißarbeiten bei der Montage der Kübelbahn. LG München II 29.9.1981 – 1 O 3140/81, RuS 1982 47: Fensterscheiben, deren Rahmen im Zuge von Malerarbeiten abgeschliffen werden, liegen zwangsläufig im Einwirkungsbereich der Tätigkeit. OLG Karlsruhe 28.5.1980 – 12 U 74/79, VersR 1981 569: Werden durch Schweißarbeiten bei der Errichtung einer Feuer-Außentreppe an einem Verwaltungsgebäude die Fenster des Hauses trotz vorgenommener Abdeckung beschädigt, kann sich der VR der Schlosserei nicht auf Leistungsfreiheit wegen eines Bearbeitungsschadens berufen. BGH 19.5.1978 – IV ZR 62/77, VersR 1978 1009: Beim Aushub einer Baugrube befinden sich die direkt angrenzenden Gebäude der benachbarten Grundstücke nicht im Einwirkungsbereich von Unterfangungsarbeiten. Hans. OLG Bremen 2.8.1978 – 3 U 23/78, VersR 1978 1057: Fallen bei der Entladung eines Schiffes Güter, die mit dem Kran direkt vom Schiff auf ein bereitstehendes Transportfahrzeug gehoben werden sollen, neben dieses Fahrzeug auf die Pier und beschädigen diese, so ist die 335
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Pier als unbewegliche Sache nur dann Bearbeitungsobjekt, wenn die Entladungstätigkeit bewusst und gewollt davon ausging, auch die Pier bei der Entlöschung körperlich-instrumental einzusetzen, etwa durch Absetzen oder Zwischenlagern der Kranhieve auf der Pier. OLG Hamm 25.11.1977 – 20 U 133/77, VersR 1978 858: Wird ein Bohrrohr, durch das eine Sprengladung in einen Felsen herabgelassen wurde, nach dem Entfernen desselben aus dem Felsen durch die Explosion der Sprengladung beschädigt, weil diese unbemerkt im Rohr stecken geblieben ist, so befindet sich das Bohrrohr nicht im Einwirkungsbereich der Sprengtätigkeit. LG Saarbrücken 6.10.1977 – 10 O 60/77, RuS 1978 93: Auch mehr als 1 m von einer Schweißstelle entfernte Fenster befinden sich im Gefahrenbereich umherfliegender glühender Eisenteile. KG 8.10.1976 – 6 U 2157/75, VersR 1977 1141: Fallen Gegenstände von einem Beschickungswagen, der zur Seite geschoben wurde, um besseren Zugriff auf den vom VN zu reparierenden Sterilisator zu erlangen, so sind die heruntergefallenen Gegenstände Ausschlussobjekt, da der VN bewusst und gewollt auf den Wagen eingewirkt hat und die darauf befindlichen Gegenstände mit diesem eine Gesamtheit beweglicher Sachen bildeten. LG Wiesbaden 5.3.1974 – 3 O 376/73, VersR 1974 1169: Wird durch die Arbeiten des VN (Isolieren der Pappauflage eines Flachdachs mit heißem Bitumen) die Dämmschicht in Brand gesetzt und dabei eine durch das Dach verlaufende Antenne beschädigt, so liegt diese im Einwirkungsbereich. OLG Hamm 10.1.1973 – 20 U 149/72, VersR 1973 633: Fenster, die sich in einer mit flüssigem Reinigungsmittel zu reinigenden Fassade befinden, liegen im Gefahrenbereich der Tätigkeit. ÖOGH 12.7.1972 – 7 Ob 153/72, VersR 1973 139: Wird bei der Aushebung eines Abflussgrabens ein quer zu diesem Graben liegendes, freizulegendes Eternitrohr der städtischen Wasserleitung beschädigt, so liegt dieses Rohr im Einwirkungsbereich der Aushebungsarbeiten. BGH 30.6.1971 – IV ZR 47/70, VersR 1971 807: Wird bei der Imprägnierung des Dachstuhls einer Kirche gegen Schädlingsbefall im Druckansprühverfahren die Stuckdecke der Kirche beschädigt, so liegt diese im Einwirkungsbereich der Tätigkeit. BGH 25.3.1970 – IV ZR 1035/68, VersR 1970 612: Stroh, das mit einem Abstand von 15 cm hinter einer Drempelwand gelagert wird, liegt im Einwirkungsbereich von Arbeiten, die mit einem Schweißbrenner an der Drempelwand vorgenommen werden. BGH 25.3.1970 – IV ZR 1073/68, VersR 1970 610: Werden beim Verputzen einer Wandfläche die Metallrahmen der in die Fläche eingelassenen Türen und Fenster durch Mörtelspritzer beschädigt, so liegen diese im Einwirkungsbereich der Tätigkeit. BGH 25.3.1970 – IV ZR 650/68, VersR 1970 609: Wird ein Loch in die Decke eines Raumes gesägt und gelangen in der Folge durch dieses Loch von einem Schneidbrenner verursachte sog. „Spratzen“ auf den Dachboden und entzünden ca. 1,60 m von dem Loch entfernt liegendes Stroh, so liegt dieses im Einwirkungsbereich der Tätigkeit. Hans. OLG Hamburg 29.10.1969 – 9 U 181/68, VersR 1970 1021: Stürzt ein Laufkran bei dessen Demontage von der Kranbahn ab, so ist fraglich, ob die Stromleitungen, Stützen und Fundamente der Kranbahn im Einwirkungsbereich der Demontage des Laufkrans liegen.
7. Hilfspersonenklausel 296 Der Hilfspersonenklausel (Anmerkung zu Ziff. 7.6 und Ziff- 7.7 AHB) kommt für die Tätigkeitsschadensklausel – anders als für die Besitzklausel – weitgehend nur klarstellende Bedeutung zu. Im Übrigen kann auf die Kommentierung zu Ziff. 7.6 AHB verwiesen werden (Rn. 244 ff.).
Koch
336
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
VII. Herstellungs- und Lieferklausel (Ziff. 7.8 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.8 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 II Ziff. 5 AHB 1999. Ausgeschlossen sind nach 297 Ziff. 7.8 S. 1 AHB Haftpflichtansprüche „wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden“.653 Da die Herstellung und Lieferung einer mangelhaften Sache schon keinen Sachschaden begründet, kommt Ziff. 7.8 S. 1 AHB neben Ziff. 1.1 S. 1 AHB keine eigenständige Bedeutung zu. Ziff. 7.8 S. 2 AHB dehnt den Anwendungsbereich auf die Fallgruppe der Weiterfresserschäden (dazu sogleich Rn. 299) aus. Auch dieser Regelung kommt keine eigenständige Bedeutung zu, soweit zwischen dem VN und dem Geschädigten (kauf- oder werk)vertragliche Beziehungen bestehen, da für solche Schäden gemäß Ziff. 1.2 (6) AHB kein Versicherungsschutz besteht (Ziff. 1 AHB Rn. 136).654 Ziff. 7.8 S. 2 AHB kommt aber eigenständige Bedeutung gegenüber Geschädigten zu, zu denen keine vertraglichen Beziehungen bestehen.655 Im Vergleich zu § 4 II Ziff. 5 AHB 1999 bezieht die Neuregelung nicht nur Schäden an Sachen 298 und Arbeiten, sondern auch an „sonstigen Leistungen“ ein. Hierdurch soll klargestellt werden, dass auch geistige Leistungen von der Klausel erfasst werden.656 Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von Ziff. 7.8 S. 1 AHB ist damit jedoch nicht verbunden, weil die in § 4 II Ziff. 5 AHB 1999 verwandte Formulierung „Arbeiten“ auch „geistige Leistungen“ umfasst.657 Der Klausel liegt u.a. der allgemeine Gedanke zugrunde, dass das Risiko der Unternehmerleistung grundsätzlich nicht versicherbar sein soll.658
2. Weiterfresserschäden Unter § 4 II Ziff. 5 AHB 1999 (und älteren Fassungen) war umstritten, ob Haftpflichtansprüche 299 ausgeschlossen waren, die daraus resultierten, dass bei einem aus mehreren Einzelteilen bestehenden Erzeugnis ein funktionell abgrenzbares Einzelteil mit einem Mangel behaftet war und dieses nach einer gewissen Zeit zur Beschädigung oder Zerstörung der zusammengesetzten Sache oder von Teilen dieser Gesamtsache führte (sog. Weiterfresserschäden).659 Dieser Streit hat durch Hinzufügung von Ziff. 7.8 S. 2 AHB sein Ende gefunden. Danach sind Haftpflichtansprüche auch dann ausgeschlossen, wenn die Schadensursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt.660 Aus dem Sinnzusammenhang mit Ziff. 7.8 S. 1 AHB folgt, dass Ziff. 7.8 S. 2 AHB nur dann Anwendung findet, wenn die mangelhafte Teilleistung oder das mangelhafte Einzelteil Teil einer vom VN zu liefernden oder herzustellenden Gesamtsache ist.661 653 Zur Geschichte der Klausel vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 109. 654 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 90 ff.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 284; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 68. 655 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 90 ff.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 284. 656 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 91. 657 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 216; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 91. 658 OLG Köln 10.6.2008 – 9 U 144/07, VersR 2009 391, 392; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 287. 659 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 92; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 319 ff.; Littbarski AHB § 4 Rn. 506 ff.; Späte § 4 Rn. 254 f; Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.243. 660 Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 218; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 112. 661 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 93; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 321; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 112; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 218. 337
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
3. Schäden an nicht vom VN hergestellten/gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen sowie Personenschäden 300 a) Grundsatz. Ziff. 7.8 S. 1 und 2 AHB schließt nur Schäden an den vom VN selbst hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen sowie daraus fließende Vermögensfolgeschäden beispielsweise wegen Nutzungsausfalls oder entgangenen Veräußerungsgewinns von der Deckung aus. Durch die Einbeziehung von Vermögensfolgeschäden in den Ausschluss wird der zu § 4 II Ziff. 5 AHB 1999 (und älteren Fassungen) geführte Streit, zu dem die Rechtsprechung des BGH zu § 4 I Ziff. 6 lit. b) AHB 1999 (und älteren Fassungen) beigetragen hatte,662 obsolet, ob insbesondere auch Nutzungsausfallschäden ausgeschlossen sind.663 Unberührt von dem Ausschluss bleiben Schäden, die die vom VN hergestellten oder gelie301 ferten Sachen an anderen Sachen oder Personen verursachen, einschließlich sich daraus ergebender Vermögensfolgeschäden.664 Werden die vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen weiterverwendet, gilt es genau zu unterscheiden. Werden z.B. infolge des Einbaus eines defekten Einzelteils andere zuvor unversehrte Teile beschädigt, besteht Deckung für die daraus resultierenden Haftpflichtansprüche des Herstellers gegen den Zulieferer (= VN) aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB/§ 823 Abs. 1 BGB. Nicht ersetzt wird der Schaden am defekten Einzelteil. Beschränkt sich der Nachteil des Herstellers der Gesamtsache darauf, dass die Gesamtsache infolge des Einbaus des defekten Einzelteils mangelhaft ist, besteht mangels Sachschadens für die Schadensersatzansprüche des Herstellers kein Versicherungsschutz.665 Für die Ansprüche auf Nacherfüllung (§§ 437 Ziff. 1, 439 BGB) und Minderung (§§ 437 Ziff. 2, 441 BGB) sowie aus Rücktritt (§§ 437 Ziff. 2, 323 und 326 Abs. 5 BGB) besteht ohnehin keine Deckung, da diese Ansprüche nicht auf Schadensersatz gerichtet sind. Zu beachten ist, dass für zwangsläufig mit der Nacherfüllung verbundene Sachschäden nach Ziff. 1.2 (2) AHB keine Deckung besteht (Ziff. 1 AHB Rn. 111).666 Liefert z.B. ein VN an eine Kfz-Herstellerfirma Achsen, besteht Versicherungsschutz für den 302 Haftpflichtanspruch wegen des Sachschadens an einem Kfz, der dadurch entsteht, dass eine dieser Achsen nach verhältnismäßig kurzer Zeit zerbricht. Ausgeschlossen ist der Schaden an der Achse selbst – gleichgültig ist dabei, ob der Anspruch von dem ursprünglichen Vertragspartner oder von dem Erwerber des Wagens erhoben wird. Entsteht an dem Wagen – abgesehen vom Bruch der Achse – kein weiterer Schaden, so besteht insoweit überhaupt kein Haftpflichtversicherungsschutz, insbesondere auch nicht für den Nutzungsausfall des Wagens. Werden dagegen andere Teile des Wagens durch das Zusammenbrechen der Achse beschädigt, so besteht für den infolge des Nutzungsausfalls entgangenen Gewinn insoweit Haftpflichtversicherungsschutz, als dieser entgangene Gewinn auf die Beschädigung der anderen Teile des Wagens zurückzuführen ist.
303 b) Abgrenzungsfragen. Versorgt ein Zulieferbetrieb den Hersteller von Campingwagen mit Propangaskochern, welche in die Fahrzeuge eingebaut werden, und führt ein Defekt eines dieser Geräte dazu, dass Propangas ausströmt, sich entzündet und die darauf folgende Explosion den auf dem Werksgelände stehenden Caravan zerstört, hat der Zulieferer Versicherungsschutz bezüglich des Schadens am Caravan, nicht jedoch bezüglich des Schadens am defekten Kocher.667 Hat der Hersteller den Caravan zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles bereits an einen 662 663 664 665
Vgl. BGH 17.3.1999 – IV ZR 89/98, RuS 1999 192 f.; BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, RuS 1998 58. Vgl. Littbarski AHB § 4 Rn. 492 ff.; Späte § 4 Rn. 257 ff. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 90. A.A. offenbar Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 VVG Rn. 112; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 218. 666 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 286. 667 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 293 und 305. Koch
338
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Endkunden ausgeliefert, so hat der Hersteller wegen Ziff. 7.8 AHB gar keinen Versicherungsschutz. Zwar hat er das fehlerhafte Teil nicht hergestellt, wohl aber hat er die letztlich insgesamt fehlerhafte Sache geliefert.668 Werden mehrere Sachen geliefert oder mehrere Leistungen erbracht, kommt es darauf an, ob die Zusammenfassung der Gegenstände oder Leistungen in einem Vertrag im Sinne eines „inneren“ Zusammenhangs erfolgt oder ob dies nicht der Fall ist.669 Letzterenfalls besteht Versicherungsschutz wegen Schäden an den anderen Leistungsgegenständen, nicht aber bezüglich derjenigen gelieferten Sache oder geleisteten Arbeit, die sich selbst zerstört hat. Wenn also der VN z.B. von der gleichen Ware größere Mengen liefert – etwa 100 Radios – und durch einen Fehler des einen Radios ein anderes der gelieferten Radios beschädigt wird, so fallen die Ansprüche wegen dieses Schadens nicht unter Ziff. 7.8 AHB.670 Werden drei gelieferte Lkw nebeneinander abgestellt, sodass ein herstellungsbedingter Brand in einem Lkw auf die anderen übergreift, so ist der Schaden an dem brandursächlichen Lkw wegen Ziff. 7.8 AHB nicht gedeckt, wohl aber der darüber hinausgehende Schaden an den beiden anderen Lkw.671 Die Bestimmung, wann bei natürlicher Lebensanschauung und Verkehrsauffassung ein innerer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Arbeits- oder Leistungsteilen gegeben sein kann, bereitet angesichts der Vielfalt möglicher rechtlicher und tatsächlicher Gegebenheiten und mangels einer ausreichenden Judikatur mitunter Schwierigkeiten. Erfolgt die Leistung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, so wird häufig auch nur von einem Leistungsgegenstand auszugehen sein. Ein wichtiges Indiz ist im Übrigen der funktionale Zusammenhang zwischen den einzelnen Arbeits- oder Lieferungsteilen, bei dessen Vorliegen grundsätzlich von einer einheitlichen Arbeit oder Sache auszugehen ist, sodass Schäden hieran durch Ziff. 7.8 AHB insgesamt ungedeckt sind.672 Kein Versicherungsschutz besteht also, wenn der VN einen Gesamtauftrag zur Errichtung eines Dachstuhles einschließlich Dacheindeckung ausführt, danach jedoch der Wind wegen mangelhafter Verankerung des Dachstuhls das gesamte Dach wegreißt.673 Der funktionale Zusammenhang kann aber im Einzelfall von anderen Kriterien überlagert werden, sodass nach der Verkehrsanschauung dennoch von mehreren Leistungsgegenständen auszugehen ist. Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn eindeutige zeitliche oder räumliche Trennungen zwischen den einzelnen Leistungen gegeben sind. Schuldet der VN z.B. die Herstellung einer Dachkonstruktion und gleichzeitig die Lieferung der Treppe im Untergeschoss, so findet Ziff. 7.8 AHB keine Anwendung, wenn sich infolge eines Fehlers in der Dachkonstruktion später Schäden an der Treppe ergeben.674 Kein Versicherungsschutz besteht hingegen, wenn der VN in demselben Fall die Errichtung des gesamten Hauses schlüsselfertig schuldet; dann ist von einem einheitlichen Leistungsgegenstand auszugehen, der durch den einheitlichen Vertrag und durch den inneren Funktionszusammenhang geprägt ist.675 Beim Abschluss mehrerer Verträge ist gewöhnlich auch von mehreren Leistungsgegenständen auszugehen:676 Liefert der VN einen Kunststoffkanister mit Motorenöl und läuft dieses Öl beim Kunden infolge eines Lecks aus, so ist der Versicherungsschutz durch Ziff. 7.8 AHB ausgeschlossen. Wenn aber ein Kunde mit einem beim Händler A gekauften Benzinkanister
668 669 670 671 672
Beispiel bei Kuwert Rn. 4223; vgl. auch Wussow § 4 Anm. 109. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 308; Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8. 222. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 308; Wussow § 4 Anm. 109. Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.224; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 293 und 308. Im Einzelnen hierzu Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8. 225; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 308. 673 LG Traunstein 10.6.1968 – 3 O 3/68, VersR 1968 1029. 674 Abweichend in der Begründung Wussow § 4 Anm. 110, der auf eine Mehrheit von Einzelaufträgen abstellt. 675 Vgl. Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.228; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 309. 676 Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.229; vgl. hierzu auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 311; Kuwert Rn. 4226 und Wussow § 4 Anm. 109 und 115. 339
Koch
304
305
306
307
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
diesen bei der Tankstelle B auffüllt, so handelt es sich hierbei um zwei Verträge mit zwei verschiedenen Leistungsgegenständen, sodass der Schaden am auslaufenden Benzin – Sachschaden, kein Abhandenkommen677 – infolge des leckenden Kanisters in der Betriebshaftpflichtversicherung des A nicht durch Ziff. 7.8 AHB ausgeschlossen ist. 308 Jedoch kann nach der Verkehrsauffassung auch nur ein Leistungsgegenstand gegeben sein, der nur formell in mehrere Verträge aufgespalten ist:678 Das Aufspalten in verschiedene Einzelverträge geschieht aus Gründen, die mit der eigentlichen vertraglichen Leistung selbst nichts zu tun haben, etwa aus steuerlichen oder außenwirtschaftlichen Erwägungen. So liegt etwa der Fall, wenn nach Erteilung eines Grundauftrages die Lieferung durch Nachbestellungen ergänzt wird, wobei hier aber wiederum die zeitliche Komponente eine Rolle spielen kann, welche die Annahme von mehreren Leistungsgegenständen rechtfertigt. Erfolgt die weitere Leistung aufgrund einer neuen Entscheidung des Bestellers, so ist regel309 mäßig von mehreren Leistungsgegenständen auszugehen. Ziff. 7.8 AHB greift deshalb nicht ein, wenn der gelieferte Gegenstand den anderen – zuvor gelieferten – beschädigt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine bereits fertiggestellte Anlage im Hinblick auf neue Bedürfnisse des Bestellers geändert oder optimiert werden muss; die Änderungen oder Optimierungen sind dann jeweils als neue Leistungsgegenstände anzusehen.679 Bei mehrfacher Lieferung gleichartiger Ware in zeitlichem Abstand kommt es nicht darauf an, ob es sich um mehrere Einzelverträge oder um einen Sukzessivlieferungsvertrag handelt.680 Entscheidend ist hier, ob die zeitliche/ räumliche Einheit der einzelnen Lieferungen nach der Verkehrsauffassung die Annahme eines einzelnen Leistungsgegenstandes rechtfertigt.681
4. Kausalität 310 Zwischen dem eingetretenen Schaden und der Herstellung oder Lieferung muss adäquate Kausalität bestehen.682 Werden größere Mengen Zement mittels einer Maschine in einen entsprechenden Silo geblasen und kommt es dabei infolge Überdrucks zur Explosion, so können sich Abgrenzungsschwierigkeiten bezüglich des Schadens am bereits eingeblasenen Zement ergeben. Maßgebend muss insoweit die Verkehrsauffassung sein. Danach lässt sich grundsätzlich sagen, dass der gesamte bereits eingeblasene Zement noch als Liefergegenstand gilt. Anders ist aber zu entscheiden, wenn ein Sukzessivlieferungsvertrag vorliegt oder wenn ein Kaufvertrag über eine so große Menge abgeschlossen ist, dass sich die Lieferung über einen längeren Zeitraum erstreckt. Hier muss jede Teillieferung getrennt betrachtet werden. Im Übrigen wird es sich bei dem gebildeten Beispiel häufig um ein Kraftfahrzeughaftpflichtrisiko handeln, wenn der Zement nämlich von entsprechenden Spezialkraftfahrzeugen eingeblasen wird. 311 Um einen durch die Lieferung verursachten Schaden an gelieferten Sachen handelt es sich im Sinne der adäquaten Kausalität auch dann, wenn der Schaden als Folge mangelhafter Verpackung eingetreten ist. Demgemäß sind durch Ziff. 7.8 AHB z.B. die Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 447 Abs. 2 BGB vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.683 Das Gleiche gilt, wenn eine Maschine mit einer unzutreffenden Gebrauchsanweisung geliefert wird.684
677 678 679 680 681 682 683 684 Koch
Vgl. Wussow § 4 Anm. 114. Beispiele nach Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.229. Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.229; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 311. Schmidt-Salzer/Thürmann Rn. 8.239; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 311. Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 311. Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 318. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 318; Schmalzl VersR 1956 272 Anm. 22. Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 318. 340
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
5. Deckung für zugerechnete Haftung Dritter Nach Ziff. 7.8 S. 3 AHB findet der Ausschluss auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag 312 oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstige Leistungen übernommen haben. Anders als bei Ziff. 7.7 AHB werden somit auch Subunternehmer erfasst.685
VIII. Auslandsschäden (Ziff. 7.9 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.9 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 I Ziff. 3 AHB 1999. Ausgeschlossen sind Haftpflicht- 313 ansprüche aus im Ausland vorkommenden Schadensereignissen. Lediglich Ansprüche aus § 110 SGB VII bleiben bei ausländischen Schadensereignissen versichert (soweit sie nicht nach anderen Klauseln vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind). Hierbei handelt es sich um Rückgriffsansprüche des Sozialversicherungsträgers gegen den einen Personenschaden verursachenden Arbeitnehmer, dessen Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist. Sinn und Zweck dieser Klausel zutreffend erfassend soll hierdurch nach Ansicht des LG 314 Köln verhindert werden, „dass der Umfang der Haftung des VR durch die Anwendung ausländischen Rechts vergrößert und die Aufklärung durch größere Entfernung und sonstige Umstände schwieriger und teurer wird. Aufklärung, Schadenregulierung und Prozeßführung sind im Ausland in der Regel mit größeren Schwierigkeiten und mit höheren Kosten verbunden“.686
Ob dieses Ziel durch die Anknüpfung an den Ort des Versicherungsfalles erreicht wird, ist jedoch fraglich. Entscheidend für die „Haftung des VR“ ist vor allem, vor welchem Gericht und nach welchem Recht der Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird. Zwar wird es vielfach so sein, dass die Geschädigten am Ort des Eintritts des Versicherungsfalles ihren Wohn-/Geschäftsitz haben und den VN auch vor den dort zuständigen Gerichten verklagen. Zwingend ist aber weder das eine noch das andere. Bestehen zwischen dem VN und dem Geschädigten vertragliche Beziehungen, wird es zudem regelmäßig Vereinbarungen zum anwendbaren Recht und Gerichtsstand oder eine Schiedsgerichtsvereinbarung geben. In diesem Fall müssen sich insbesondere die gefürchteten US-Prozesskostenrisiken nicht immer verwirklichen.687 Sinnvoller wäre es deshalb, Beschränkungen des Versicherungsschutzes davon abhängig 315 zu machen, wo der VN verklagt wird und/oder welches Recht zur Anwendung gelangt. Durch eine solche Klausel würde auch der Problematik des „forum-shoppings“688 Rechnung getragen mit der damit verbundenen Gefahr, dass vom Versicherungsschutz erfasste Schadensfälle etwa vor US-Gerichten geltend gemacht würden.
685 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 93; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 322; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 219. 686 LG Köln 8.1.1992 – 24 O 303/91, RuS 1993 51, 52 (zum Ausschluss von Auslandsschäden in der Berufshaftpflichtversicherung für Architekten und Bauingenieure); vgl. auch Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 220; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 45; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 324; Littbarski AHB § 4 Rn. 47. 687 Späte § 4 Rn. 40. 688 v. Bar/Mankowski/Mankowski Internationales Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl. (2003) § 5 Rn. 157 beschreibt das Phänomen des „forum shoppings“ wie folgt: Der Kläger sucht sich unter mehreren international zuständigen Gerichten dasjenige heraus, das nach seinem Recht voraussichtlich die ihm günstigste Entscheidung treffen wird. 341
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
2. Eintritt des Versicherungsfalles im Ausland 316 Ziff. 1.1 Satz 2 u. 3 AHB definiert den Begriff des Schadensereignisses als „das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an“.
317
318
319
320
Ein Auslandsschaden liegt somit begrifflich immer dann vor, wenn der schädigende Erfolg im Ausland (z.B. Einsatzort der fehlerhaften Maschine) eingetreten ist, mag auch die Ursache im Inland (z.B. Ort der Herstellung der Maschine) gesetzt worden sein.689 Ohne Bedeutung ist, ob ein deutsches oder ein ausländisches Gericht angerufen wird. Wird ein deutscher VN z.B. in New York wegen eines Schadensfalles verklagt, der sich in Deutschland zugetragen hat, besteht Versicherungsschutz. Deckung besteht auch dann, wenn das ausländische Gericht sein eigenes Recht anwendet, gleichgültig ob der VN nach ausländischem Recht in weiterem Umfang haftet als nach deutschen Rechtsgrundsätzen. Bezogen auf das vorherige Beispiel bedeutet dies, dass Versicherungsschutz auch dann besteht, wenn ein Gericht in New York das in seinem Bundesstaat geltende Recht anwendet (z.B. weil der deutsche VN die Maschine in New York hat fertigen lassen). In der Literatur wird einhellig die Ansicht vertreten, der Begriff „Ausland“ sei staatsrechtlich zu verstehen und umfasse alle Gebiete außerhalb Deutschlands.690 Dabei werden Ausnahmen gemacht für Schiffe, die unter deutscher Flagge auf hoher See, d.h. in internationalen Gewässern, fahren. Dort auftretende Schäden werden wie inländische Versicherungsfälle behandelt.691 Anders liegt der Fall, wenn sich die Schiffe zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits in Hoheitsgewässern eines anderen Staates befinden. Entsprechendes soll bei in Deutschland registrierten Flugzeugen gelten. Solange sie sich nicht in ausländischem Luftraum befinden, besteht Versicherungsschutz für Schadensfälle in der Luft.692 Im Ergebnis verdient diese Einordnung von Versicherungsfällen Zustimmung. Die Herleitung allein aus dem staatsrechtlich auszulegenden Begriff des Auslands scheint jedoch mit den heutigen Maßstäben, die bei der Auslegung von AGB gelten, kaum vereinbar zu sein. Der Begriff des Auslands ist ebenso wenig gesetzlich geregelt wie der Begriff Europa. Insoweit gelten die vom LG Berlin in seinem Urteil vom 9.1.2007 zur Auslegung des Begriffs Europa i.S.d. § 6 Ziff. 3 Satz 1 VHB 74 getroffenen Feststellungen auch hier.693 In der vorbezeichneten Entscheidung ging es um die Frage, ob sich ein Versicherungsfall in der Hausratsversicherung, der auf Gran Canaria eingetreten ist, innerhalb Europas zugetragen hat. Nach der zutreffenden Ansicht des LG Berlin ist der Begriff Europa mehrdeutig. Er könne nämlich nicht nur rein geografisch, sondern auch politisch verstanden werden.694 Nach dem Grundsatz der verwenderfeindlichsten Auslegung von AGB (§ 305c Abs. 2 BGB) legte das LG Berlin sodann den Begriff zugunsten des VN im letztgenannten Sinn aus und bejahte wegen der politischen Zugehörigkeit der Insel zu Spanien einen Versicherungsfall in Europa. Auch der
689 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 96; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 31 Rn. 45; vgl. auch OLG Karlsruhe 17.6.1999 – 12 U 304/98, VersR 2000 448 = RuS 2000 13; OLG Saarbrücken 1.12.1964 – 2 U 150/63, VersR 1966 54, 55 f.; LG Köln 8.1.1992 – 24 O 303/91, RuS 1993 51, 52; LG Hamburg 16.5.1979 – 79 O 58/79, VersR 1980 228; LG Duisburg 20.12.1960 – 1 O 206/60, VersR 1961 938; ÖOGH 5.3.1987 – 7 Ob 54/86, VersR 1988 419. 690 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 96; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 329; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 31 Rn. 45; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 221. 691 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 221; Littbarski AHB § 4 Rn. 53; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 71; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 331, jew. m.w.N. 692 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 221; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 331; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 71. 693 A.A. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 96. 694 LG Berlin 9.1.2007 – 7 S 31/06, RuS 2008 476, 477 = VersR 2007 941, 942. Koch
342
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Begriff des Auslands kann nicht nur geografisch beurteilt werden,695 sondern eben auch nach staats- und völkerrechtlichen Maßstäben. Nur deshalb ist es gerechtfertigt, Versicherungsfälle auf unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen, die auf Hoher See unterwegs sind, sowie auf Kriegsschiffen, die nach den Regeln des Völkerrechts stets als Inland des Heimatstaates gelten,696 nicht als Haftpflichtansprüche anzusehen, die aus im Ausland vorkommenden Schadensereignissen resultieren.
3. Wiedereinschluss Der vollständige Ausschluss von Auslandsschäden trägt weder den Bedürfnissen von Unterneh- 321 mern noch von Privatpersonen angemessen Rechnung. Der Ausschluss wird deshalb standardmäßig in der Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung abbedungen und durch eine differenzierte Regelung ersetzt, worauf bei der Kommentierung dieser Sparten näher eingegangen wird (vgl. Ziff. 7.7 BBR BHV, Ziff. 5.1 BBR PHV)
4. Unionsrecht Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Versicherungsfälle in einem EU-Mitgliedsstaat 322 verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot gem. Art. 18 Abs. 1 AEUV.697
IX. Umweltschäden (Ziff. 7.10 lit. a) AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.10 lit. a) AHB schließt im Rahmen der Versicherung gewerblicher und beruflicher 323 Risiken Ansprüche aus, die gegen den VN wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz oder anderen auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie698 basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen geltend gemacht werden. Für die Versicherung dieser Risiken, von denen natürliche oder juristische Personen betroffen sind, die eine berufliche Tätigkeit i.S.v. § 2 Ziff. 4 USchadG ausüben, hat die Versicherungswirtschaft ein eigenständiges Konzept entwickelt (Rn. 328).
2. Begriff und Anwendungsbereich Die im Zuge der Umsetzung der Richtlinie eingeführte Haftung gem. §§ 4 bis 6 USchadG betrifft 324 keine Personen- oder Sachschäden, sondern Umweltschäden i.S.d. USchadG. Umweltschäden i.S.v. § 2 Ziff. 1 USchadG sind „a) eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 BNatSchG, b) eine Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des § 90 WHG,
695 Vgl. Kraft Außensteuergesetz 2009 § 1 AStG Rn. 72; Vögele/Raab Verrechnungspreise 3. Aufl. Kap. A Rn. 201 zum Begriff des Auslands im Rahmen des § 1 AStG.
696 Späte § 4 Rn. 21. 697 EuGH 11.6.2020 – C-581/18 (RB/TÜV Rheinland LGA Products GmbH u.a.), VersR 2020 1443 Rn. 45 ff. = NJW 2020 2169 m. Anm. Armbrüster. 698 RL 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. EU v. 30.4.2005 Ziff. L 143 S. 56. 343
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
c)
Ausschlüsse
eine Schädigung des Bodens durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen im Sinn des § 2 Abs. 2 des BBodSchG, die durch eine direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht“.
Es geht also um ökologische Schäden im Bereich des Naturschutzes, der Gewässer und des Bodens (Biodiversitätsschäden), nicht um Sach- oder Personenschäden.699 Zudem ist die Haftung öffentlich-rechtlicher Natur. Ziff. 7.10 lit. a) AHB kommt somit nur deklaratorische Funktion zu, da es bereits an einem nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ersatzfähigen Schaden fehlt.700 325 Der Ausschluss gilt nach Ziff. 7.10 lit. a) S. 2 AHB auch dann, wenn der VN von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Anspruch genommen wird. Hierbei ist an die Fälle gedacht, in denen ein Dritter behördlich in Anspruch genommen wurde und Regress beim VN nimmt, der den Umweltschaden (mit-)verursacht hat.701 Beispiel: Der VN verursacht fahrlässig einen Brand auf seinem Betriebsgrundstück, der auf das Nachbargrundstück übergreift. Dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, der auf dem Grundstück eine Mühle betreibt, gelingt es, den Brand mit Löschschaum unter Kontrolle zu bringen. Die Mühle wird zerstört. Durch den Einsatz des Löschschaums wird eine geschützte Hamsterpopulation vernichtet. Die zuständige Behörde zieht den Nachbarn als Verantwortlichen i.S.d. § 2 Nr. 3 USchadG zur Sanierung heran.
Der VN haftet für die Schäden an dem Grundstück des Nachbarn, die durch den Brand verursacht worden sind, sowie für alle Folgeschäden nach § 823 Abs. 1 BGB. Zu den Folgeschäden zählen auch die Kosten der Sanierungsmaßnahmen für den Umweltschaden i.S.v. § 2 Nr. 1 lit. a) USchadG, die der Nachbar als Verantwortlicher i.S.v. § 2 Nr. 3 USchadG nach § 9 USchadG zu tragen hat. Für den Brandschaden an der Mühle besteht Deckung in der Betriebshaftpflichtversicherung. Für den auf Ersatz der Kosten für die Sanierungsmaßnahmen gerichteten Schadensersatzanspruch des Nachbarn besteht dagegen wegen Ziff. 7.10 lit. a) Satz 2 AHB keine Deckung. 326 Der Versicherungsschutz bleibt gem. Ziff. 7.10 lit. a) Satz 3 AHB für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des USchadG oder anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. Auch insoweit enthält die Klausel keine Besonderheit, da die so beschriebene deckungsrechtliche Behandlung von versicherten Ansprüchen, die mit nicht versicherten Ansprüchen konkurrieren, aus allgemeinen Grundsätzen des Haftpflichtversicherungsrechts folgt.702 Soweit die Umweltschäden zu einem Sachschaden führen – Boden steht durchgängig im Privateigentum, so dass parallel zu einem Umweltschaden stets auch eine einem Sachschaden gleichstehende Eigentumsverletzung vorliegt –,703 besteht für solche Schäden Versicherungsschutz auf Grundlage der AHB. 327 Der Ausschluss gilt nach Ziff. 7.10 lit. a) Satz 4 AHB nicht im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken. Diese Ausnahme ist von Bedeutung für die nach Ziff. 7.10 lit. a)
699 Vgl. Landmann/Rohmer/Beckmann/Wittmann Umweltrecht 93. Erg-Lfg. 2020 § 2 USchadG Rn. 3. 700 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 75; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 341; Langheid/Wandt/Schimikowski UmwelthaftpflV/USV Rn. 2; zum USchaG – auch zur Versicherbarkeit dieses Risikos – vgl. Wagner VersR 2008 565, 578 f. 701 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 2; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 224. 702 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 86. 703 Vgl. MüKoBGB/Wagner § 823 BGB Rn. 1049. Koch
344
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Satz 2 AHB von der Deckung ausgeschlossenen Umweltschäden. Handelt es sich in dem vorstehenden Beispiel um ein Privatgrundstück, besteht für die Kosten der Sanierungsmaßnahmen, deren Ersatz der VN dem Nachbarn schuldet, als Sachfolgeschaden Deckung in der Privathaftpflichtversicherung. Soweit der VN wegen eines Umweltschadens in Anspruch genommen wird, der nicht Folge eines Sachschadens ist, besteht kein Versicherungsschutz, da es an einem nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB ersatzfähigen Schaden fehlt. Da der geltend gemachte Anspruch nicht in den Schutzbereich des Vertrages fällt, schuldet der VR auch keine Abwehrdeckung.704
3. Umweltschaden-Basisversicherung/Umweltschadensversicherung VN können sich gegen die nach den AHB nicht versicherte Inanspruchnahme wegen Umwelt- 328 schäden durch Abschluss einer Umweltschaden-Basisversicherung als Annex zur Betriebsund Berufshaftpflichtversicherung oder einer separaten Umweltschadensversicherung versichern (s. Kommentierung zur Umweltschadensversicherung und zur Umweltschadens-Basisversicherung).
X. Schäden durch Umwelteinwirkung (Ziff. 7.10 lit. b) AHB) 1. Inhalt und Zweck Gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB sind „Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelt- 329 einwirkung“ ausgeschlossen. Ziff. 7.10 lit. b) AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 I Ziff. 8 AHB a.F., die ihren Ausgangspunkt in der Verabschiedung des UmweltHG hatte, das am 1.1.1991 in Kraft trat und eine Gefährungshaftung für Schäden durch Umwelteinwirkungen (§§ 1, 3 UmweltHG) einführte. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Umwelthaftpflichtrisiko in der Betriebshaftpflichtversicherung versichert.705 Daneben gab es seit Inkrafttreten des WHG zum 1.3.1960 Deckungskonzepte, die auf die durch § 22 WHG a.F. (§ 89 WHG) statuierte Gefährdungshaftung zugeschnitten waren. Die Einführung der Haftung für den Betrieb umweltgefährdender Anlagen nahm die Versicherungswirtschaft zum Anlass, das sog. Umwelthaftpflicht-Modell (UmweltHM) einzuführen, das in Anlehnung an das Produkthaftpflicht-Modell (ProdHM) ein Baustein-System vorsieht, mit dem sämtliche umweltbezogenen Haftpflichtrisiken (einschließlich der Gewässerschadensrisiken) versichert sind.706 Zeitgleich mit der Einführung des UmweltHM, das am 27.7.1992 veröffentlich wurde, wurden 330 Schäden durch Umwelteinwirkungen in der allgemeinen Betriebshaftpflichtversicherung durch § 4 I Ziff. 8 AHB a.F. ausgeschlossen (sog. Nullstellung des Umwelthaftpflichtrisikos). Der Ausschluss dient somit der Abgrenzung zu Sonderdeckungen für Schäden durch Umwelteinwirkungen. Betroffen von der Nullstellung sind das Betriebsstättenrisiko (auch als allgemeines Umwelt-Betriebsrisiko bezeichnet) sowie das nichtanlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (s. hierzu Rn. 340 ff.), das auch als Umweltregressrisiko bezeichnet wird.
704 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 77; a.A. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 224; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 343.
705 Zur Historie vgl. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Zölch/Wittenberg 53 ff.; Vogel/Stockmeier/Vogel Einl. UHV Rn. 16 ff.; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 225; Littbarski AHB § 4 Rn. 354 ff. 706 Für das Medium Wasser stehen Ansprüche aus dem UmweltHG und dem WHG in zivilrechtlicher Anspruchskonkurrenz nebeneinander, vgl. Siedler/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 WHG Rn. 17. 345
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
2. Schäden durch Umwelteinwirkung a) Begriff der Umwelteinwirkung 331 aa) Auslegung. Sowohl die Rechtsprechung707 als auch die Literatur708 orientieren sich bei der Auslegung des Begriffs an § 3 Abs. 1 UmweltHG. Nach § 3 Abs. 1 UmweltHG entsteht ein Schaden durch eine Umwelteinwirkung, „wenn er durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht wird, die sich in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben“.709 Nach Ansicht von Schimikowski handelt es sich bei dem Begriff der „Schaden durch Umwelteinwirkungen“ ungeachtet dieser Legaldefinition nicht um einen festumrissenen Begriff der Rechtssprache. Vielmehr komme es bei der Auslegung auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen VN an. Danach werden die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands als erfüllt anzusehen sein, wenn entweder die Umwelt geschädigt ist oder ein Umweltmedium – Boden, Luft oder Wasser – an der Schadenentstehung mitgewirkt hat. 332 Die unterschiedliche Einordnung hat Konsequenzen für die Auslegung und ist deshalb nicht nur von theoretischer Bedeutung. Bei einem festumrissenen Rechtsbegriff ist anzunehmen, dass darunter auch die AVB nichts anderes verstehen wollen und der VN hinnimmt, was ihm über die Rechtssprache vorgegeben wird.710 Bei einer Übernahme von Gesetzestext oder einer für den Vertragspartner des Verwenders erkennbaren Bezugnahme auf eine gesetzliche Bestimmung ist nach Rechtsprechung für die Bestimmung des Inhalts die allgemeine Gesetzesauslegung zugrunde zu legen.711 Praxisrelevant werden die unterschiedlichen Auslegungsansätze, wenn es um die Frage geht, ob Schäden innerhalb von geschlossenen Räumen als Schäden durch Umwelteinwirkungen zu qualifieren sind. 333 Das OLG Köln hat diese Frage in einem Urteil aus dem Jahre 1995 verneint. Nach seiner Ansicht zählen zu den schädlichen Umwelteinwirkungen nur solche, die mit Gefahren für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft verbunden sind. Ohne auf § 3 Abs. 1 UmweltHG einzugehen, begründet das OLG Köln seine Ansicht damit, dass aus der Sicht eines durchschnittlichen VN der Ausschluss der Haftung für Umweltschäden nur dazu dienen könne, die Haftung des VR auf ein überschaubares Maß zu begrenzen, d.h. also solche Schäden auszuschließen, die beliebig viele Dritte treffen könnten. Das sei bei Schäden innerhalb geschlossener Räume nicht der Fall.712 Deshalb seien Schäden durch Farbnebel, der unmittelbar aufgrund der Sprühbewegung der Farbsprühgeräte auf einen Gegenstand trifft, nicht vom Umwelthaftpflichtausschluss erfasst. Anders liege es, wenn Farbpartikel durch den zusätzlichen Einfluss von Wind oder ähnlichen Kräften beliebig in die Höhe gewirbelt würden.713 334 Für das OLG München ergibt sich eine solche Begrenzung weder aus dem Begriff „Umwelt“, noch lasse das Umweltmedium „Luft“ eine solche Grenzziehung zu. Es sei deshalb auch nicht einsehbar, dass z.B. bei giftigen Dämpfen, die in einer Fabrikhalle entstehen und sich von dort nach außen ausbreiten, bei den Personen, die außerhalb geschädigt werden, ein Umweltschaden vorliegen soll und bei denjenigen, die im Inneren der Halle geschädigt werden, nicht. Zu707 OLG Karlsruhe 11.10.2019 – 12 W 10/19, VersR 2020 156, 158; OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, VersR 2009 350, 351 f. = RuS 2009 149; OLG München 27.5.1998 – 15 U 5947/97, RuS 1999 146, 147; AG Kehl 1.4.1999 – 4 C 462/98, VersR 2000 313 f.; unklar OLG Jena 3.2.2011 – 4 U 787/10, RuS 2011 248, das sich nach eigenem Bekunden an § 3 Abs. 1 UmweltHG orientiert, andererseits darauf verweist, nicht jeder durch die Umwelt vermittelte Schaden sei ausgeschlossen. 708 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 226; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 18; Vogel/Stockmeier/Stockmeier Ziff. 7.10 (b) Rn. 20; MAH VersR/Fränzer § 16 Rn. 28; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 2. 709 Zur Definition dieser Begriffe vgl. MAH VersR/Fränzer § 16 Rn. 29 ff. 710 BGH 8.5.2013 – IV ZR 174/12, RuS 2013 334 Rn. 21 m.w.N. 711 Vgl. BGH 10.3.2003 – VIII ZR 135/02, NJW 2003 2607, 2608; s.a. BGH 23.11.2006 – X ZR 16/05, NJW-RR 2007 1124, 1125; BGH 2.11.2011 – X ZR 43/11, NJW 2012 997, 999; umfassend Koch VersR 2015 133, 140 ff. 712 OLG Köln 25.4.1995 – 9 U 332/94, RuS 1995 248, 249 = VersR 1996 442 f. 713 OLG Köln 25.4.1995 – 9 U 332/94, RuS 1995 248, 249 = VersR 1996 442 f. Koch
346
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
dem ergebe sich auch aus dem Wortlaut des UmweltHG keine Beschränkung auf eine Mindestgröße der „Ausbreitung”. Es sei vielmehr der Wille des Gesetzgebers gewesen, dass auch Arbeiter, Angestellte, Besucher und andere Personengruppen, die sich innerhalb eines Anlagenbereichs aufhalten, bei Schädigung durch Umwelteinwirkung vom Anwendungsbereich des UmweltHG erfasst würden.714 Im Hinblick auf den Adressatenkreis – der Ausschluss findet nur Anwendung in der Be- 335 triebshaftpflichtversicherung – und mit Blick auf Ziff. 7.10 lit. b) Satz 3 2. Spiegelstrich AHB ist für den durchschnittlichen VN, der seinen Betrieb versichert, erkennbar, dass Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB auf das UmweltHG Bezug nimmt, weshalb die Auslegung von § 3 Abs. 1 UmweltHG auch das Maß für die Auslegung von Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB gibt und der Ansicht des OLG München der Vorzug gebührt.715 Die Orientierung an § 3 Abs. 1 UmweltHG erlaubt eine klare Zuordung und Abgrenzung zwischen der Betriebshaftpflichtversicherung und der UmwelthaftBasisversicherung und des UmweltHM, die im Hinblick auf die Unterschiede hinsichtlich der Definition des Versicherungsfalles und unterschiedlicher Versicherungssummen für alle Beteiligten wünschenswert ist. Der VN, der eine Betriebshaftpflichtversicherung und eine Umwelthaftpflichtversicherung – sei es als Annexdeckung in Form der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung, sei es als separaten Vertrag in Form des UmweltHM – abschließt, versteht den Begriff der Umwelteinwirkung einheitlich, ohne rechtsdogmatische Überlegungen im Hinblick auf die unterschiedliche Auslegung von primären und sekundären Risikobegrenzungen vorzunehmen.716
bb) Umweltmedienspezifische Ausbreitung. Abgesehen von der Behandlung von Schäden 336 innerhalb von geschlossenen Räumen ist nicht ersichtlich, dass die unterschiedlichen Auslegungsansätze zu verschiedenen Auslegungsergebnissen führen. Entscheidende Bedeutung für das Eingreifen von § 3 Abs. 1 UmweltHG/Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB hat die Ausbreitung der genannten Erscheinungen in den Umweltmedien Boden, Luft oder Wasser. Daran fehlt es, wenn der Schaden durch den Transport fester Stoffe in Wasser eingetreten ist. Bei Druck- und Explosionsvorgängen liegt ein Schaden durch Umwelteinwirkung vor, wenn Scheiben durch die Druckwelle zerstört werden. Umstr. ist, ob eine Umwelteinwirkung bei Druck- und Explosionsvorgängen vorliegt, die Schäden durch hinausgeschleuderte Bauteile aus Metall oder Stein erzeugen. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass hier die Schadensursache nicht umweltmedienspezifisch, sondern lediglich mechanisch vermittelt wurde.717 An einer Umwelteinwirkung fehlt es auch bei bloßer Einwirkung von Sachen durch Schwerkraft, etwa bei Erdrutschen718 oder Herunterfallen.719 Erdsenkungen oder -hebungen durch eine oberflächennahe Geothermiebohrung sind deshalb ebenfalls keine Schäden durch Umwelteinwirkung.720 Hier liegt nur ein mechanisch vermittelter Schaden vor. Bei Schädigungen durch bloßen Kontakt mit einem in einem Behälter befindlichen oder aus diesem entnommenen schädigenden Substrat,721 beim finalen Einwirken auf einen Gegenstand722 oder bei Schäden 714 OLG München 27.5.1998 – 15 U 5947/97, RuS 1999 146, 147. 715 Im Ergebnis auch Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 8; Looschelders/Pohlmann/Laschet Anhang F Rn. 6. 716 A.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 5; wohl auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 346. 717 Vgl. Staudinger/Kohler (2017) § 3 UmweltHG Rn. 10; Landmann/Rohmer UmweltR/Rehbinder UmweltHG § 3 Rn. 10; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 5; a.A. Landsberg/Lülling Umwelthaftungsrecht (1991) § 3 Rn. 7. 718 OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 153; Staudinger/Herrler (2017) § 3 UmweltHG Rn. 10. 719 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 2. 720 A.A. Schimikowski RuS 2017 113, 114. 721 BeckOGK/Nitsch UmweltHG § 3 Rn. 12. 722 Staudinger/Herrler (2017) § 3 UmweltHG Rn. 10. 347
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
durch elektromagnetische Felder723 liegt ebenfalls keine umweltmedienspezifische Ausbreitung vor. 337 Bei Schäden durch Brand ist zu unterscheiden. Rauchvergiftungen bei Menschen und Rußverschmutzungen an Sachen sind als Schäden durch Umwelteinwirkungen zu qualifizieren.724 Gleiches gilt, wenn das Feuer so stark ist, dass es zu einem Feuersturm kommt, bei dem andere Sachen beschädigt werden. Werden Sachen durch einen Funkenflug in Brand gesetzt, ist zu unterscheiden: Werden bei offener Verbrennung (Feuer mit Flamme) die Teilchen mit der aufsteigenden heißen Abluft mitgerissen, liegt eine umweltmedienspezifische Ausbreitung vor. „Frisst“ sich das Feuer dagegen in der Weise weiter, dass die Flammen benachbarte Gebäude oder sonstige Gegenstände ergreifen, ist die Ausbreitung über die Luft ebenfalls zweifelhaft.725 Bei Schäden, die beim Schleifen von Metall durch abgetragene Späne entstehen, die durch die Luft geschleudert werden, oder beim Schweißen liegen dagegen keine Umwelteinwirkungen vor. 338 Soweit Ansprüche wegen Schäden durch Brand bedingungsseitig vom Deckungsumfang der Betriebshaftpflichtversicherung ausgenommen und der Umwelthaftpflichtversicherung zugeordnet werden, um Schwierigkeiten bei der Zuordnung eines brandbedingten Schadens zur Betriebshaftpflichtversicherung oder zur Umwelthaftpflichtversicherung zu vermeiden, ist das Transparenzgebot zu beachten. Es muss vermieden werden, dass der VN die Klausel dahingehend verstehen kann, dass auch Brandschäden erfasst werden, die in keinerlei Zusammenhang mit Umwelteinwirkungen stehen (wie z.B. das versehentliche Inbrandsetzen eines PKW durch Schweißarbeiten). Vorsicht ist deshalb geboten bei Zusätzen wie z.B. „Schäden durch Brand oder Explosion gelten als durch Umwelteinwirkung eingetreten“.726
339 b) Ausgeschlossene Schäden. Abweichend von den Ausschlüssen gem. Ziff. 7.6 bis 7.8 AHB und von der Vorgängerregelung in § 4 I Ziff. 8 AHB 1999 weist Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB nicht den Zusatz „und alle sich daraus ergebenden weiteren Schäden“ auf. Eine sachliche Änderung ist mit der Streichung nicht verbunden.727 Der Zusatz war überflüssig, da Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB im Unterschied zu Ziff. 7.6 bis 7.8 AHB nicht daran anknüpft, dass der Schaden „an einer Sache“ entstanden ist, weshalb beim VN auch nicht der Eindruck entstehen kann, der Ausschluss sei nur auf unmittelbare Sachschäden aufgrund von Umwelteinwirkungen beschränkt. Folglich besteht weder für (Folge-)Schäden durch Umwelteinwirkung, die erst durch einen sonstigen Schaden ausgelöst wurden, der keine Umwelteinwirkung darstellt, noch für (Folge-)Schäden infolge eines Primärschadens durch Umwelteinwirkung Deckung. Beispiele:728 1) Ein Kran stößt ein Anlagenteil um. Das Anlagenteil fällt auf einen Öltank, der hierdurch zertrümmert wird. Das im Öltank lagernde Öl fließt aus und verursacht einen Sachschaden. Der Primärschaden am Anlagenteil und der erste Folgeschaden am Öltank stellen keinen Schaden durch Umwelteinwirkung dar, so dass Versicherungsschutz über die Betriebshaftpflichtversicherung besteht. Der durch die Ölkontamination entstandene weitere Folgeschaden stellt hingegen einen nicht gedeckten Schaden durch Umwelteinwirkung dar.
723 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 5; a.A. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 2; MAH VersR/ Fränzer § 16 Rn. 30; Vogel PHi 1999 2, 4; GDV-Erläuterungen 5; Salje/Peter/Salje UmweltHG, 2. Aufl. (2005) §§ 1, 3 UmweltHG § 3 Rn. 67; Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil B Rn. 37. 724 Staudinger/Halm/Wendt/Wendt2 UHV Rn. 20. 725 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 5; Schimikowski RuS 2019 704; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 8; bejahend Vogel PHi 1999 2, 5 f.; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 3. 726 Vgl. OLG Karlsruhe 11.10.2019 – 12 W 10/19, RuS 2019 701, 702 mit krit. Anmerkung Schimikowski RuS 2019 704. 727 Vogel/Stockmeier/Stockmeier UHV Rn. 4; vgl. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.10 AHB; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 225; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 101 ff. 728 Nach GDV-Erläuterungen 6; für weitere Beispiele s. Ziff. 2 UmweltHM Rn. 65. Koch
348
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
2) Eine Explosion in einem Steinbruch löst eine Druckwelle aus. Durch die Druckwelle wird ein Stein auf der gegenüberliegenden Böschung gelockert. Dieser löst sich allein aufgrund der Lockerung und der Schwerkraft – ohne von der Druckwelle weiter getragen zu werden – und verursacht einen Personen- oder Sachschaden. In diesem Fall ist der Personen- oder Sachschaden, der für sich (isoliert) betrachtet keinen Schaden durch Umwelteinwirkung darstellt, kausale Folge der durch die Explosion ausgelösten Druckwelle, die sich in der Luft ausgebreitet hat. Für den durch den Steinschlag verursachten Personen- oder Sachschaden besteht deshalb keine Deckung.
3. Vom Ausschluss ausgenommene Bereiche a) Private Umwelthaftpflichtrisiken. Keine Nullstellung erfolgt gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (1) 340 AHB für Schäden durch Umwelteinwirkungen im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken (z.B. Privathaftpflichtversicherung, Haftpflichtversicherung für Wassersportfahrzeuge, Pferde- und Hundehalter-Haftpflichtversicherung, Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung, Bauherren-Haftpflichtversicherung, Jagd-Haftpflichtversicherung, GewässerschadenHaftpflichtversicherung).
b) Betriebliche und berufliche Haftpflichtrisiken. Die Nullstellung des Umwelthaftpflichtri- 341 sikos gilt in der Betriebshaftpflichtversicherung nicht uneingeschränkt.
aa) Allgemeines Umwelt-Betriebsrisiko. Kein Versicherungsschutz besteht für Haftpflicht- 342 ansprüche wegen Schäden infolge Umwelteinwirkungen, die dem allgemeinen Umwelt-Betriebsrisiko (Betriebsstättenrisiko) zuzuordnen sind (z.B. Brandschaden im Betrieb, bei dem Ruß sich in der Nachbarschaft ausbreitet und dort Verschmutzungen verursacht). bb) Nicht-anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (sog. Umweltregressri- 343 siko). Für Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen und deshalb dem UmweltProdukthaftpflichtrisiko zuzuordnen sind, besteht dagegen gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (2) AHB Deckung, soweit sich die Erzeugnisse, Leistungen und Arbeiten nicht auf umweltrelevante Anlagen beziehen. Als Beispiele für das nicht-anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko lassen sich Gesundheitsschäden durch Baustoffe, Farben, Lacke, giftige Dämpfe oder Smartphones anführen.729 Als Erzeugnisse gelten ausweislich des Klammerzusatzes auch Abfälle. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen dürfte, fallen hierunter „alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.“
cc) Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko. Von dem Wiedereinschluss aus- 344 genommen ist nach Ziff. 7.10 lit. b) Satz 3 AHB das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko. Damit wird die Inanspruchnahme des VN durch den Anlagenhersteller oder einen sonstigen Dritten umschrieben wegen
729 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 82. 349
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
„Schäden durch Umwelteinwirkung, die aus der Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von –
Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen);
–
Anlagen gem. Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG-Anlagen);
–
Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen;
–
Abwasseranlagen
oder Teilen resultieren, die ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind“.
345 Nach Vogel ist unter Planung „die zielorientierte und rückkoppelnde Vorbereitung und Festlegung von Handlungen und Handlungssystemen auf der Grundlage umfassender Information über voraussichtliche Bedingungen und Folgen“ zu verstehen.730 Herstellung bedeutet „gewerbsmäßige Produktion“.731 Lieferung ist „die Zustellung, das Bringen oder Schicken einer gekauften Ware an den Käufer oder Nutzer“.732 Montage beinhaltet „Aufbau, Installation oder Zusammensetzung einer Anlage oder eines Anlagenteils (z.B. einer Maschine)“, wozu auch das Anschließen, Gebrauchsfertigmachen oder Zusammensetzen gehört.733 Demontage ist der „Abbau, Rückbau oder die Zerlegung von Anlagen oder Anlagenteilen“.734 Instandhaltung bedeutet, „eine Sache in einem brauchbaren Zustand zu halten“.735 Dies schließt kleinere Reparaturen und den Austausch von Verschleißteilen (z.B. Dichtungen, Schaltungen, Reibebeläge) mit ein.736 Wartung ist eine sich turnusmäßig wiederholende Tätigkeit.737 346 Soweit sich die vorbezeichneten Tätigkeiten auf Teile umweltrelevanter Anlagen beziehen, besteht jedoch auch für das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko Versicherungsschutz, sofern die Teile nicht ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind. Zugunsten des VN (§ 305c Abs. 2 BGB) ist der Begriff „ersichtlich“ subjektiv zu bestimmen. Legt man das allgemeine Sprachverständnis als Maßstab zugrunde und unternimmt den Versuch einer näheren Bestimmung dieses Verständnisses durch Heranziehung von Synonymen wie z.B. „bemerkbar, erkennbar, fassbar, fühlbar, nachvollziehbar, plausibel, sichtbar, spürbar, unübersehbar, wahrnehmbar“, ist unter dem Begriff „ersichtlich“ sicherlich nicht positive Kenntnis zu verstehen. Anderseits wird aus den Synonymen deutlich, dass dem VN nicht bereits einfache, sondern nur grob fahrlässige Unkenntnis von der Auslieferung in eines der vorbezeichneten Länder schadet.738 347 Nach Vogel sind Teile für Anlagen alle geformten, festen Produkte, die nicht für sich allein, sondern erst nach dem Einbau oder Zusammenbau technisch einsetzbar sind.739 Darüber hinaus fielen die dem Betrieb der Anlage zu dienen bestimmten Teile (Notstromaggregat, Warnanlagen o.ä.) unter diesen Baustein.740 Ähnlich fällt die Beschreibung von Gößl aus. Danach sind Anla-
730 731 732 733 734 735 736 737 738
Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 735. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 736. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 737. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 738. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 739. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 740. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 740. Vogel/Stockmeier/Vogel Zweiter Teil, C Rn. 741. Weitergehend zu Ziff. 2.6 UmweltHM s. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Zölch/Wittenberg/Brall 89 („Ersichtlich heißt, dass der Versicherungsnehmer konkret wissen muss, dass sein Produkt oder seine Leistung in den genannten Anlagen Verwendung findet oder er diesen ersichtlich vorhandenen Verwendungszweck infolge Sorglosigkeit nicht bemerkt.“). 739 Prölss/Martin/Voit Umwelthaftpfl. Ziff. 2 Rn. 15. 740 Prölss/Martin/Voit Umwelthaftpfl. Ziff. 2 Rn. 15; MAH VersR/Fränzer § 16 Rn. 59. Koch
350
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
genteile „selbstständig beurteilbare und abgrenzbare Teile einer Anlage. Dazu gehören auch technische Schutzvorkehrungen, die einer an sich für den Zweck funktionstüchtigen Anlage hinzugefügt werden, um eine Gewässergefährdung auszuschließen (z.B. Innenbeschichtung, Leckanzeigegerät, Grenzwertgeber)“.741 Diese Auslegung des Begriffs des Anlagenteils dürfte dem allgemeinen Sprachgebrauch/-verständnis entsprechen. Demzufolge sind Werkzeuge keine Anlagenteile,742 ebensowenig Flüssigkeiten743 und Teile, 348 die nur für die zu der Anlage gerechneten ortsveränderlichen Einrichtungen wie Geräte, Fahrzeuge oder bewegliche Maschinen bestimmt sind.744 Dies gilt selbst dann, wenn diese in einem betriebstechnischen Zusammenhang mit einer umweltrelevanten Anlage genutzt werden. Beispiel:745 Der VN liefert Bremsscheiben für einen Gabelstapler, von dem er weiß, dass dieser in einem betriebstechnischen Zusammenhang mit einer Anlage nach Anhang 1 zum UmweltHG genutzt wird. Aufgrund der Mangelhaftigkeit einer Bremsscheibe versagt die Bremsanlage des Gabelstaplers mit der Folge, dass der Gabelstapler gegen eine gasführende Leitung prallt und eine Umwelteinwirkung der Anlage verursacht. Für die Schäden an der Gasleitung besteht Deckung gem. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB und für die Sach- und Personenschäden durch die Umwelteinwirkung gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (2) AHB.
dd) Umwelthaftpflicht-Basisversicherung/Umwelthaftpflicht-Modell. Die aus Ziff. 7.10 349 lit. b) AHB resultierende Deckungslücke hinsichtlich des Umwelt-Betriebsrisikos und des anlagenbezogenen Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos kann der gewerbetreibende VN durch Abschluss einer Umwelthaftpflicht-Basisversicherung als Annex zur Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung oder einer separaten Umwelthaftpflichtversicherung (UmwelthaftpflichtModell) schließen. Die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung schließt zwar das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko zunächst aus (Ziff. 2.6 UHV Basis). Es kann aber aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung mitversichert werden (Ziff. 3 UHV Basis). Diese Möglichkeit besteht allerdings nur für Betreiber nicht umweltrelevanter Anlagen. VN, die eine umweltrelevante Anlage betreiben, können sowohl das Umwelt-Betriebsrisiko als auch das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko nur nach Maßgabe des Umwelthaftpflicht-Modells versichern. Zu näheren Einzelheiten s. die Kommentierung des Umwelthaftpflicht-Modells und der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung.
XI. Asbestausschluss (Ziff. 7.11 AHB) 1. Inhalt und Zweck Der Asbestschädenausschluss hat seit der Fassung 2004 Eingang in die AHB gefunden. Asbest 350 ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Silikat-Minerale, welche früher im industriellen Bereich, im Brandschutz und im Bauwesen (Wellasbest, Eternitdächer) weite Verbreitung gefunden haben.746 Die Herstellung und Verwendung von Asbest unterliegt wegen seiner gesundheitsschädlichen Wirkung gem. Art. 67 i.V.m. Ziff. 6 des Anhangs XVII der VO (EG) Nr. 1907/
741 Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Gößl WHG 54. Erg-Lfg. 2020 § 63 WHG Rn. 41. 742 Prölss/Martin/Voit Umwelthaftpfl. Ziff. 2 Rn. 15. 743 Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 Umwelthaftpfl. Ziff. 2 Rn. 16; a.A. Prölss/Martin/Voit Umwelthaftpfl. Ziff. 2 Rn. 15.
744 Prölss/Martin/Voit Umwelthaftpfl. Ziff. 2 Rn. 15. 745 Nach Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 2.64. 746 Vogel/Stockmeier/Vogel USV Rn. 336. 351
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)747 weitreichenden Beschränkungen. Die Versicherungswirtschaft wollte die Asbestrisiken nicht mehr standardmäßig decken, weil insbesondere die Rückversicherer die Kosten für die Schäden durch Asbest letztlich als nicht mehr kalkulierbar ansahen.748 351 Der Ausschluss erweist sich vor allem für Architekten und Bauunternehmen als problematisch.749 Kontakt zu Asbest findet heute vor allem im Rahmen von Rückbau- und Entsorgungsmaßnahmen statt.750 Inwieweit und zu welchen Deckungssummen die VR bereit sind, Wiedereinschlüsse im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung zu vereinbaren, ist nicht bekannt.751
2. Reichweite des Ausschlusses 352 Nach der Formulierung von Ziff. 7.11 AHB sind alle Schäden, d.h. Personen- und Sachschäden nebst Folgeschäden, von der Deckung ausgenommen, die auf Asbest oder auf asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind. Die Klausel ist insoweit klar und eindeutig.752 Nur für die kausal auf der Asbestverseuchung beruhenden Schäden, für die der VN in Anspruch genommen wird, besteht kein Versicherungsschutz. Verursacht der VN bei Abbrucharbeiten an seinem Haus Sachschäden an der Fassade des Nachbarhauses, in der Asbestzementplatten verarbeitet wurden, ist somit ein Vergleich anzustellen zwischen den Haftpflichtschäden, die der VN seinem Nachbarn ohne die Verseuchung hätte ersetzen müssen, und den Haftpflichtschäden, für die der VN aufgrund der Verseuchung zusätzlich haftet.
XII. Strahlenausschluss (Ziff. 7.12 AHB) 1. Inhalt und Zweck 353 Ziff. 7.12 AHB ist die Nachfolgeregelung von § 4 I Ziff. 7 AHB 1999. Die Neuregelung ist auf den Ausschluss von energiereichen ionisierenden Strahlen beschränkt. Laser- und Maserstrahlen werden nicht mehr genannt. Ionisierende Strahlung wird in der Medizin im Wesentlichen eingesetzt bei Röntgenuntersuchungen und in der Krebstherapie. Während man beim Röntgen an einer teilweisen Transmission der Strahlung durch das Gewebe interessiert ist, wobei die ionisierenden Effekte möglichst gering gehalten werden sollen, geht es der Strahlentherapie darum, solche ionisierenden Effekte vor allem für die Beseitigung von malignem Gewebe zu nutzen.753 Ziff. 7.12 AHB dient der Abgrenzung zu deckungsvorsorgepflichtigen Strahlenschädenrisi354 ken z.B. nach § 13 AtG. Diese Risiken müssen gesondert versichert werden.754 Das Strahlenrisiko kann in der Heilwesenversicherung für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Krankenhäuser und Tierkliniken wieder eingeschlossen werden.
747 748 749 750 751 752 753
ABl. EU v. 30.12.2006 Ziff. L 396 S. 1. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 226; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 235. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 105; Schamir DS 2005 10 f. Vogel/Stockmeier/Vogel USV Rn. 337; Vogel/Stockmeier/Stockmeier UHV Rn. 113 ff. Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 85; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 235. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 105; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 227. Suter Ionisierende Strahlung 191, abrufbar unter http://e3.physik.uni-dortmund.de/~suter/Vorlesung/Medizin physik_06/11_Ionisierende_Strahlung.pdf. 754 Im Einzelnen Littbarski AHB § 4 Rn. 343 ff.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 350. Koch
352
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
2. Reichweite des Ausschlusses Der Ausschluss betrifft nur Schäden im Zusammenhang mit „energiereichen ionisierenden 355 Strahlen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen)“. Nach dem Bundesamt für Strahlenschutz zählen zur ionisierenden Strahlung „sowohl elektromagnetische Strahlen – wie Röntgen- und Gammastrahlung – als auch Teilchenstrahlung – wie Alpha-, Beta- und Neutronenstrahlung. Sie ist dadurch charakterisiert, dass sie genügend Energie besitzt, um Atome und Moleküle zu ionisieren, das heißt aus elektrisch neutralen Atomen und Molekülen positiv und negativ geladene Teilchen zu erzeugen. Beim Durchgang durch Materie – zum Beispiel durch eine Zelle oder einen Organismus – gibt die ionisierende Strahlung Energie ab. Ist diese hoch genug, kann es zu schweren Strahlenschäden kommen.“755
Nicht unter den Ausschluss fallen somit Radio-, Radar- und Mikrowellen sowie Laser- oder Infrarotstrahlen, die nicht ionisierend strahlen.756 Der Ausschluss betrifft zwar vornehmlich Personenschäden, ist seinem Wortlaut nach aber 356 nicht darauf beschränkt und umfasst somit auch Sachschäden (z.B. die Verstrahlung von Tieren oder Lebensmitteln). Das Erfordernis „energiereich“ schließt Schäden infolge ionisierender Strahlung aus natürlichen Quellen aus. Den nach Ziff. 7.12 AHB notwendigen „unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang“ der Schäden mit der Strahlung dürfte ein durchschnittlicher VN dahin gehend verstehen, dass es nicht darauf ankommt, ob die Schäden aus direkter/unmittelbarer oder indirekter/mittelbarer Strahlung/Einwirkung resultieren.
XIII. Gentechnikausschluss (Ziff. 7.13 AHB) 1. Inhalt und Zweck Der Gentechnikschädenausschluss hat mit der Neufassung 2004 Eingang in die AHB gefunden. 357 Anlass für die Aufnahme dieses Ausschlusses gab die Richtlinie 2001/18/EG vom 12.1.2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt,757 die durch das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts umgesetzt wurde. Letzteres ist am 4.1.2005 in Kraft getreten.758 Da die (Langzeit-)Folgen, die aus der Herstellung oder Verwendung genetisch veränderter Organismen resultieren, nicht bekannt sind, lassen sich keine gesicherten Prognosen über Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe treffen, sodass die Haftungsrisiken unkalkulierbar sind. Deshalb hat sich die Versicherungswirtschaft für eine umfassende Nullstellung des Gentechnikrisikos entschieden.759
2. Reichweite des Ausschlusses Der Ausschluss nach 7.13 AHB umfasst alle Haftpflichtansprüche wegen Personen- (z.B. Allergi- 358 en, Antibiotika-Resistenzen), Sach- sowie Folgeschäden (z.B. Ertragsausfälle bei Anwendung der sog. grünen Gentechnologie in der Landwirtschaft), die zurückzuführen sind auf gentechnische Arbeiten, gentechnisch veränderte Organismen oder Erzeugnisse, die Bestandteile aus sol755 756 757 758 759
S. Information des Bundesamtes für Strahlenschutz, http://www.bfs.de/ion. S. Leitfaden-Laserstrahlung vom 24.10.2004 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. ABl. EG v. 17.4.2001 Ziff. L 106 S. 1. BGBl. I S. 186. Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.13 AHB Rn. 87; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 230; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 355; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 108.
353
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
chen Organismen enthalten oder aus oder mithilfe solcher Organismen hergestellt wurden.760 Die in Ziff. 7.13 AHB verwendeten Begrifflichkeiten orientieren sich terminologisch am GenTG.761 359 Nach § 3 Ziff. 2 GenTG zählen zu gentechnischen Arbeiten „a) die Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen, b) die Vermehrung, Lagerung, Zerstörung oder Entsorgung sowie der innerbetriebliche Transport gentechnisch veränderter Organismen sowie deren Verwendung in anderer Weise, soweit noch keine Genehmigung für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde“.
Ein gentechnisch veränderter Organismus ist nach § 3 Ziff. 3 GenTG „ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind“.
360 Da auch Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Erzeugnisse, auch (tote) Tiere, ausgeschlossen sind, die Bestandteile aus gentechnisch veränderten Organismen enthalten oder aus oder mithilfe solcher Organismen hergestellt wurden, erfasst Ziff. 7.13 AHB alle Stufen des Wirtschaftskreislaufes.762 Soweit in der Literatur deshalb AGB-rechtliche Bedenken wegen der Reichweite des Ausschlusses geäußert werden,763 sind diese unberechtigt. Der Ausschluss ist weder überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) noch intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder vertragszweckgefährdend (§ 307 Abs. 2 Ziff. 2 BGB).764 Aus der Formulierung „Schäden, die zurückzuführen sind auf …“ ist zu folgern, dass sich das Gentechnikrisiko verwirklicht haben muss, sodass nur Haftpflichtansprüche wegen Schäden ausgeschlossen sind, die aus spezifisch mit der Gentechnik verbundenen Risiken resultieren.765 361 Allerdings kommt die auf haftungsrechtlicher Ebene zugunsten des Geschädigten geltende Vermutung auf deckungsrechtlicher Ebene zugunsten des VR zum Tragen. Ist der Schaden durch gentechnisch veränderte Organismen verursacht worden, so wird nach § 34 Abs. 1 GenTG vermutet, dass er durch Eigenschaften dieser Organismen verursacht wurde, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen. Der VR muss also nur dartun, dass die Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen verursacht wurden. Sodann liegt es am VN, diese Vermutung zu entkräften, indem er Tatsachen darlegt und ggf. beweist, die es wahrscheinlich machen, dass der Schaden auf anderen Eigenschaften dieser Organismen beruht (vgl. § 34 Abs. 2 GenTG). Jedes andere Verständnis ließe den Ausschluss praktisch leerlaufen, da der VR den Kausalitätsbeweis – wenn überhaupt – nur mit erheblichen Schwierigkeiten führen könnte.766 In Versicherungsverträgen, denen ältere AHB-Fassungen zugrundeliegen, die diesen Ausschluss noch nicht enthalten, kann
760 761 762 763 764
Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.13 AHB Rn. 88. Vgl. Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 230. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 AHB Rn. 109. Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 90; Bechert VW 2006 1175, 1177. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.13 AHB Rn. 69, i.E. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 109. 765 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 231; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 358; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 109; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 90; Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.13 AHB Rn. 88; a.A. Bechert VW 2006 1175, 1177. 766 Vgl. Spickhoff/Fenger Medizinrecht (2011) § 34 GenTG Rn. 1. Koch
354
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
das von Ziff. 7.13 AHB erfasste Risiko ggf. im Rahmen der Vorsorgeversicherung versichert sein.767
XIV. Abwässer, Senkungen, Erdrutsch, Überschwemmung (Ziff. 7.14 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.14 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 I Ziff. 5 AHB 1999. Der dort vorgesehene Aus- 362 schluss sog. Allmählichkeitsschäden wurde mit der Neufassung der AHB im Jahre 2004 ersatzlos gestrichen. Anlass hierfür gab das OLG Nürnberg, das diesen Ausschluss mit Urteil vom 20.12.2001 als unklar und deshalb intransparent angesehen hatte.768 Zuvor hatte der BGH keinerlei Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses Ausschlusses geäußert.769 Nach Ansicht des LG Hannover geht dagegen aus § 4 I Ziff. 5 AHB mit der erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass der VR für Gefahrenlagen nicht einstehen wolle, bei denen erstens der Nachweis des Schadensursprungs und der Verantwortlichkeit oft sehr schwierig und deren Eintritt und Ablauf meist unberechenbar sei und zweitens die Gefahrenlagen auch in den Folgen so unübersehbar seien, dass sie von der für normale Verhältnisse kalkulierten Versicherungsprämie nicht gedeckt würden.770 Für den durchschnittlichen VN sei deshalb ohne Weiteres erkennbar, für welche Fälle der Ausschlusstatbestand gelten solle.771 Der Streit über die Wirksamkeit des Allmählichkeitsschadensausschlusses dürfte deshalb 363 bei Verträgen, denen ältere AHB-Fassungen zugrunde liegen, noch nicht beendet sein. Gleichwohl soll auf diesen Ausschluss nicht mehr eingegangen werden. Vielmehr kann insoweit auf die Kommentierung von Lücke verwiesen werden.772 Im Übrigen ist mit der Neufassung der Abwasserausschluss auf nichthäusliche Abwässer beschränkt worden und bei Senkungsschäden der Klammerzusatz („auch eines darauf errichteten Werkes …“) entfallen. Gestrichen wurden ferner die Ausschlüsse für Schäden durch Schwamm und Rammarbeiten sowie durch Weidevieh und Wild. Die in Ziff. 7.14 AHB zusammengefassten Ausschlusstatbestände betreffen Gefahrenlagen, 364 „deren Eintritt und Ablauf meist unberechenbar sind, die auch in den Folgen so unübersehbar sind, daß sie von der für normale Verhältnisse auskalkulierten Versicherungsprämie nicht gedeckt werden, und bei denen der Nachweis des Schadenursprungs und der Verantwortlichkeit oft sehr schwierig ist“.773
Insbesondere bei Erdrutschung und Überschwemmungen drohen Katastrophenschäden.774
767 R. Johannsen ZVersWiss 2005 179, 184. 768 OLG Nürnberg 20.12.2001 – 8 U 2497/01, RuS 2002 499 = VersR 2002 967. 769 Vgl. BGH 6.7.1994 – IV ZR 311/93, RuS 1994 330, 331 = VersR 1994 1171, 1172; BGH 9.5.1990 – IV ZR 61/89, RuS 1990 265, 266 = VersR 1990 733. 770 LG Hannover 19.8.2008 – 6 S 39/08, BeckRS 2009 12266; zustimmend Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 144. 771 LG Hannover 19.8.2008 – 6 S 39/08, BeckRS 2009 12266. 772 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 126 ff. 773 BGH 6.7.1994 – IV ZR 311/93, RuS 1994 330, 331; BGH 3.2.1988 – IVa ZR 202/86, RuS 1988 101 = VersR 1988 1259; BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080; OLG Schleswig 20.5.2010 – 16 U 16/10, VersR 2011 341, 342; OLG Saarbrücken 8.9.2004 – 5 U 21/04, VersR 2005 394, 395; OLG Koblenz 2.1.2004 – 10 W 587/03, RuS 2004 191, 192, jew. zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. 774 Vgl. BGH 19.11.1956 – II ZR 217/55, VersR 1956 789, 790 = NJW 1957 140; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 232; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 360. 355
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
2. Ausschluss von Sachschäden 365 Ziff. 7.14 AHB betrifft nur Sachschäden sowie alle daraus resultierenden Schäden an anderen Sachen und Vermögensschäden. Personenschäden bleiben versichert, selbst wenn sie die Folge ausgeschlossener Sachschäden sind. Die eingetretenen Schäden müssen adäquat-kausal auf einer der in Ziff. 7.14 AHB benannten Ursachen beruhen.775 Ob daneben noch andere Ursachen mitgewirkt haben, ist ohne Belang.776 Abzugrenzen von der so verstandenen Gesamtkausalität, in der der gesamte Schaden nur durch eine (einzelne) unter einen Ausschlusstatbestand fallende Ursache herbeigeführt worden ist, sind solche Fälle, in denen die ausgeschlossene Ursache nur einen Teil eines Gesamtschadens verursacht hat. Hier besteht nur bezüglich dieses Teils kein Versicherungsschutz (s. hierzu Ausführungen Rn. 19).777 366 Für das Eingreifen der Ausschlussklausel ist im Übrigen ohne Belang, ob der Ausschlusstatbestand gleichzeitig eine schuldhafte Handlung oder Unterlassung des VN darstellt oder ob der Schaden durch ein Verhalten des VN oder eine sonstige menschliche Handlung oder eine Naturkatastrophe eingetreten ist.778 Deshalb wird selbst dem unberechtigt wegen eines Senkungs- oder Erdrutschungsschadens in Anspruch genommenen VN kein Abwehrschutz gewährt.779
3. Ausgeschlossene Schadensursachen a) Nichthäusliche Abwässer (Ziff. 7.14 (1) AHB) 367 aa) Inhalt und Zweck. Ausgeschlossen bleiben Schäden durch nichthäusliche Abwässer. Schäden durch häusliche Abwässer sind dagegen gedeckt. Der Grund für den Ausschluss liegt in der besonderen Abwassergefahr aufgrund der unübersehbaren Veränderungen der Beschaffenheit, denen Gebrauchswasser nach seiner Nutzung unterliegen kann. Es kann Krankheitskeime, Fäulnisstoffe oder chemische Zusätze in sich aufnehmen, die ihm aggressive, gefährliche Eigenschaften verleihen, mit denen in der Natur vorkommendes Wasser regelmäßig nicht behaftet ist. Für diese typischen, unüberschaubaren Gefahren der Abwässer, die Anlass zu ihrer tunlichst gesicherten Ableitung geben, will der VR nicht einstehen.780 Der Ausschlussgrund ist objektiver Natur und unabhängig davon, auf wessen Handeln die Ableitung dieser Abwässer zurückgeht.781
368 bb) Begriffsbestimmung. Der Begriff des Abwassers ist in den AHB nicht definiert. Eine gesetzliche Definition enthält § 2 Abs. 1 AbwAG:
775 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 360, 363; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 112; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.13 AHB Rn. 89.
776 Vgl. BGH 20.9.1962 – II ZR 171/61, NJW 1962 2106, 2107; OLG München 2.5.1952 – 1 U 405/51, VersR 1952 270; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 363.
777 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 363. 778 BGH 3.2.1988 – IVa ZR 202/86, RuS 1988 101 = VersR 1988 1259; BGH 19.11.1956 – II ZR 217/55, VersR 1956 789, 790 = NJW 1957 140; OLG Koblenz 2.1.2004 – 10 W 587/03, RuS 2004 191, 192, jew. zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F.; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 364 f. 779 OLG Schleswig 20.5.2010 – 16 U 16/10, VersR 2011 341, 342; OLG Koblenz 2.1.2004 – 10 W 587/03, RuS 2004 191, 192; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 365. 780 BGH 26.3.2014 – IV ZR 422/12, VersR 2014 625 Rn. 44; BGH 13.12.1972 – IV ZR 154/71, VersR 1973 170; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 371; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 118; Langheid/Wandt/ Büsken Kap. 300 Rn. 233. 781 BGH 26.3.2014 – IV ZR 422/12, VersR 2014 625 Rn. 44. Koch
356
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
„Abwasser im Sinne dieses Gesetzes sind das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser). Als Schmutzwasser gelten auch die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten.“
DIN 4045 (Abwasserwesen, Fachausdrücke und Begriffserklärungen) umschreibt den Begriff als „nach häuslichem oder gewerblichem Gebrauch verändertes, insbesondere verunreinigtes, abfließendes und von Niederschlägen stammendes und in die Kanalisation gelangendes Wasser“.
Die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des AbwAG hat den Begriff des Abwassers „nach dem 369 allgemeinen Sprachgebrauch sowie dem Sinn und wirtschaftlichen Zweck des Ausschlusses in § 4 I Ziff. 5 AHB [a.F.] bestimmt“ und als Abwasser nur Wasser qualifiziert, „das infolge einer Beeinflussung in seiner Brauchbarkeit gemindert worden ist und deshalb abgeleitet wird“.782 Besonders aufschlussreich ist das Urteil des BGH vom 13.12.1972:783 „Benutztes und dadurch in seiner Qualität herabgemindertes Wasser, das wegen dieser Minderung beseitigt werden soll, ist stets Abwasser. Hierneben kann allerdings auch Wasser, das ohne Gebrauch von menschlichen Siedlungen abfließt, bei der Berührung mit diesen einer spezifischen Verschmutzung unterliegen, die es ebenfalls zum Abwasser macht … Die besondere Abwassergefahr ergibt sich aus dem Hauptfall des benutzten und sodann wegen seiner Qualitätsminderung abgeleiteten Wassers. Sie liegt in den unübersehbaren Veränderungen der Beschaffenheit, denen Gebrauchswasser nach seiner Nutzung unterliegen kann. Es vermag Krankheitskeime, Fäulnisstoffe oder chemische Zusätze in sich aufzunehmen, die ihm aggressive, gefährliche Eigenschaften verleihen, mit denen in der Natur vorkommendes Wasser regelmäßig nicht behaftet ist. Schon die Möglichkeit solcher schädlichen Veränderungen zwingt dazu, gebrauchtes Wasser abzuleiten. Das Berufungsgericht hat deshalb Abwässer sachlich und sprachlich zu Recht mit Abfällen auf eine Stufe gestellt …“
Die Rechtsprechung legt den Begriff des Abwassers i.S.d. AHB somit enger aus als in § 2 Abs. 1 370 AbwAG und DIN 4045. Niederschlagswasser fällt nicht per se unter den Abwasserbegriff, sondern nur dann, wenn es mit gebrauchtem und dadurch qualitätsgemindertem Wasser in Kontakt geraten und damit in einer Weise beeinflusst worden ist, dass es als Abfallstoff angesehen werden kann.784
cc) Einzelheiten. Diese am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des Abwasserschädenaus- 371 schlusses dürfte auch heutzutage dem Verständnis des durchschnittlichen VN entsprechen. Regenwasser ist somit kein Abwasser, solange es sich in der Regenrinne, im Fallrohr oder einem gesonderten Abflussrohr befindet.785 Mit Bausand vermischtes Regenwasser ist ebenfalls kein
782 BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080, 1081; vgl. auch OLG Brandenburg 23.10.2012 – 11 U 907/10, RuS 2013 125, 126; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 373; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 116. 783 BGH 13.12.1972 – IV ZR 154/71, NJW 1973 366. 784 Vgl. BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080, 1081; LG Duisburg 28.4.1977 – 18 O 34/77, VersR 1977 949; LG Kassel 29.5.1974 – 5 O 218/73, VersR 1974 1190. 785 OLG Karlsruhe 30.12.1983 – 12 U 5/81, VersR 1985 978, 979; ÖOGH 8.3.1990 – 7 Ob 4/90, VersR 1991 948 [Ls.]; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 376; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 119; Langheid/ Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 233. 357
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
372
373
374
375
Ausschlüsse
Abwasser.786 Wird Regenwasser durch Röhrenleitungen vom Betriebsgrundstück des VN in einen Bach geleitet, so liegt nach der Verkehrsanschauung auch dann kein Abwasser vor, wenn der neben dem Rohrleitungssystem liegende Öltank undicht wird und mit Öl versetztes Regenwasser im nächsten Teich einen großen Schaden anrichtet. Regenwasser, das wegen eines nicht geschlossenen Rückstauventils aus der Kanalisation in den Hauskeller eindringt, ist dagegen als Abwasser zu qualifizieren, da es sich in der Kanalisation mit anderem Schmutzwasser vermischt.787 Mit Eintritt in die Kanalisationsrohre wird das Wasser zum Abwasser. Wird ein Kanal ausgebaggert und läuft aus dem ausgebaggerten Schlamm und Geröll Spülwasser ab, so handelt es sich nicht um Abwasser, da es an einer Einwirkung auf die Zusammensetzung des Wassers i.S.d. Ziff. 7.14 AHB fehlt.788 Anders ist aber zu entscheiden, wenn es sich um einen Abwasserkanal mit entsprechendem Inhalt handelt. Kondenswasser eines Klimageräts, das keiner weiteren Beeinflussung als derjenigen der normalen Raumluft ausgesetzt ist, stellt kein Abwasser dar.789 Wasser, das im Bereich der gewerblich-industriellen und handwerklichen Produktion zum Abtransport, zur Kühlung oder zur Erwärmung eingesetzt wird, ist jedenfalls dann nicht als Abwasser zu qualfizieren, wenn es danach noch nahezu unverändert und in gleicher Weise (auch für den menschlichen Genuss) verwendbar ist wie Leitungswasser.790 Um Abwasser handelt es sich dagegen bei Wasser, das von einer Badewanne durch das Abflusssystem geleitet worden und aus einer Toilette wieder ausgetreten ist. Die Möglichkeit, dass es auf dem letzten Stück seines Weges an der Rohrwand abgelagerte Fäulnis- oder sonstige Schmutzstoffe aufgenommen hat, führt zu Mischwasser, das als Abwasser einzustufen ist.791 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Abwasser bei Reparaturarbeiten austritt, die gerade der Verringerung des Abwasserrisikos dienen sollen.792 Durch Rückstau einen Keller überflutendes Wasser, das zuvor durch einen Sinkkasten in das Abflusssystem gelangt ist, welcher Wasser nach Reinigung einer Gaststättentoilette aufgenommen und im Zuge des bestimmungsgemäßen Gebrauches verschmutzt hat, ist infolge des „Kontaktes“ mit den unsauberen Ablagerungen zu Abwasser geworden.793 Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass unter den Abwasserbegriff alle üblicherweise im Rahmen der Abwasserbeseitigung abgeleiteten Flüssigkeiten fallen sowie Flüssigkeiten, die zwar nicht von ihrem Ursprung her zum Abwasser zählen, die durch die Vermischung mit anderen Abwässern aber zu Abwasser werden.794 Verlässt Wasser eine Fabrik, ohne in dieser irgendwelche Zutaten erhalten zu haben, oder wird Wasser sonst ohne Veränderung abgeleitet, liegt somit kein Abwasser vor,795 es sei denn, dass dieses an sich unveränderte Wasser in ein Abwässersystem eingeleitet wird. In jedem Fall muss es sich bei dem Abwasser um Wasser handeln.796 Nicht als Abwässer sind deshalb flüssige Industrieprodukte zu werten, in denen es am Wasser fehlt. Wie hoch der 786 OLG Saarbrücken 11.3.1987 – 5 U 33/86, VersR 1987 1003 [Ls.]; vgl. auch OLG Hamm 10.2.1989 – 20 U 163/88, RuS 1989 179; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 376. 787 LG Karlsruhe 12.2.1988 – 9 S 359/87, RuS 1988 164; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 376; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 119. 788 BGH 11.1.1962 – II ZR 246/59, VersR 1962 150; vgl. auch OLG Düsseldorf 28.7.1959 – 4 U 263/58, VersR 1959 822, 823 (Vorinstanz). 789 OLG Karlsruhe 19.2.1981 – 12 U 169/80, VersR 1981 1121, 1122. 790 LG Duisburg 28.4.1977 – 18 O 34/77, VersR 1977 949; vgl. aber BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080 (auch Erhitzen oder Bestrahlen kann genügen). 791 OLG Köln 12.6.1986 – 5 U 100/86, RuS 1986 252. 792 OLG Köln 12.6.1986 – 5 U 100/86, RuS 1986 252. 793 LG Düsseldorf 12.5.1970 – 16 O 15/70, VersR 1970 945. 794 BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080. 795 BGH 11.1.1962 – II ZR 246/59, VersR 1962 150; BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080. 796 LG Kassel 29.5.1974 – 5 O 218/73, VersR 1974 1190.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 374; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 117; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 233. Koch
358
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Wassergehalt im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs sein muss, lässt sich nicht im Einzelnen festlegen. Maßgebend ist insoweit die Verkehrsanschauung.797 Ein verhältnismäßig geringer Zusatz von Wasser zu einer anderen Flüssigkeit macht dieses noch nicht ohne Weiteres zu Abwasser. Es muss den anderen Stoffen mindestens so viel Wasser zugesetzt sein, dass man von gebrauchtem, verschmutztem oder in sonstiger Weise entstelltem Wasser sprechen kann.798 Nach der Verkehrsanschauung nicht als Abwasser zu qualifizieren ist Gülle, bei der es sich 376 um flüssigen Stalldünger aus Kot und Harn handelt. Wird der Gülle Wasser zur besseren Verrieselung beigefügt, so stellt diese Vermischung ebenfalls kein Abwasser dar, vielmehr wird das Wasser lediglich Bestandteil des Flüssigdüngers.799 Bei Jauche handelt es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls nicht um Abwasser.800 Vermischt sich die Jauche mit Wasser oder Abwasser, entsteht wiederum Abwasser.801 Zementschleppe ist Abwasser.802 Nach der von der Rechtsprechung getroffenen Begriffsbestimmung ist weiter erforderlich, 377 dass es sich bei dem Wasser um ein Abfallprodukt handelt. Nicht zum Abwasser zählt deshalb (Brauch)Wasser, das in Leitungen geführt wird mit dem Ziel, es wieder der Produktion zuzuführen, um zu einer unmittelbaren Wiederverwendung der Stoffe zu kommen.803 Wasser in den Heizungsrohren ist ebenfalls kein Abwasser, da es zum Erhitzen und zur Wärmeabstrahlung verwendet wird.804 Auch eine gefährliche und schädigende wasserhaltige Flüssigkeit, die im Laufe eines Fabrikationsprozesses entsteht und bestimmungsgemäß weiter zu einem Fertigungsprodukt verarbeitet wird, ist kein Abwasser. Kommt somit dem Verwendungszweck maßgebliche Bedeutung zu, kann ein mit fremden Bestandteilen angereichertes Wasser in dem einen Betrieb Abwasser und in dem anderen ein Fertigungsprodukt oder sonstiges Betriebsmittel sein.805
dd) Ableitung. Umstritten ist, ob das in seiner Brauchbarkeit geminderte Wasser bewusst und 378 gewollt abgeleitet werden muss, um als Abwasser zu gelten. Das LG München hat diese Frage in einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 1958 bejaht. In jenem Fall ging es um mit Kühlwasser versetzte phenolhaltige Destillate, die bestimmungsgemäß verbrannt werden sollten, jedoch infolge der Undichtigkeit eines Kessels ausliefen. Das LG München bejahte den Versicherungsschutz. R. Johannsen hat sich diesem Urteil „mit Rücksicht auf die Verkehrsaufassung“ angeschlossen.806 Die Literatur hat sich hingegen mehrheitlich dafür ausgesprochen, die Ausschlussklausel auch dann zur Anwendung kommen zu lassen, wenn die Ableitung nur hingenommen werde oder sogar ohne Willen und Hinzutun von Menschen erfolge.807 In jüngerer Zeit hatte sich das OLG Hamm mit dieser Frage in einem Fall zu befassen, in 379 dem der VN unter Berufung auf die vom BGH gegebene Definition des Abwasserbegriffs („Wasser, welches … abgeleitet wird“)(Rn. 369) die Ansicht vertrat, dem Begriff des Ableitens sei ein subjektives Element zu entnehmen, weshalb es sich schon deshalb nicht um Abwässer handeln könne, weil er das Wasser nicht abgeleitet, sondern sich dieses seinen Weg selbst gesucht habe. Das OLG Hamm ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Nach seiner Ansicht kann es nicht darauf 797 Vgl. OLG Frankfurt/M. 5.11.1986 – 13 U 184/85, zfs 1987 58 (Säure aus Galvanisierbetrieb); Prölss/Martin/Lücke Ziff. 7 AHB Rn. 117. 798 Wussow § 4 Anm. 21. 799 BGH 25.2.1975 – IV ZR 57/74, VersR 1975 437. 800 LG Kassel 29.5.1974 – 5 O 218/73, VersR 1974 1190. 801 Späte § 4 Rn. 83; Prölss VersR 1975 318. 802 OLG Karlsruhe 16.6.1971 – 1 U 85/70, VersR 1971 1029; AG München 10.2.1971 – 9 C 2139/70, VersR 1972 241. 803 Wussow (§ 4 Anm. 21) unterscheidet drei Phasen zur Kennzeichnung des Wassers: reines Wasser, Brauchwasser und Abwasser; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 378. 804 LG Berlin 4.10.1971 – 7 S 11/71, VersR 1972 527. 805 Vgl. dazu auch LG Mosbach 3.12.1957 – O 110/57, VersR 1958 449, 450. 806 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 181. 807 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 382; Wussow § 4 Anm. 21; Kuwert Rn. 4064. 359
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
ankommen, ob im Einzelfall für Wasser, welches in seiner Brauchbarkeit gemindert ist, eine Ableitung vorhanden sei oder nicht. Andernfalls würde der VN bevorzugt, der es – aus welchen Gründen auch immer – unterlassen habe, für eine ordnungsgemäße Ableitung dieses Wassers zu sorgen. Die Definition des BGH sei daher so zu verstehen, dass es sich um Wasser handeln müsse, welches wegen seiner beeinträchtigten Brauchbarkeit „üblicherweise abgeleitet wird“.808 Der herrschenden Ansicht in der Literatur und der Begründung des OLG Hamm ist zu fol380 gen. Aus der vom BGH gegebenen Definition lässt sich nicht herleiten, dass die Ableitung oder das Ableitenwollen ein Wesensmerkmal des Abwasserbegriffs ist, mag auch die bewusste und gewollte Ableitung der Regelfall sein. Ob nach der Verkehrsauffassung etwas anderes gilt, scheint sehr fraglich. Immerhin sieht § 2 Abs. 1 Satz 2 AbwAG ausdrücklich vor, dass als Abwasser (in Form des Schmutzwassers) „auch die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten“ gelten (Rn. 368). Die Ausschlussklausel nach Ziff. 7.14 (1) AHB greift demnach schon dann ein, wenn das Abwasser ohne Willen des VN ausfließt und einen Sachschaden verursacht, z.B. weil der Behälter ein Leck hat oder übergelaufen ist.809 381 Um einen Abwasserschaden i.S.d. Ziff. 7.14 (1) AHB handelt es sich im Übrigen auch dann, wenn in einem Industriewerk infolge des Versagens einer Reinigungsanlage anstelle von gereinigtem Abwasser, das sich kaum merklich von unverfälschtem Abwasser unterscheidet, besonders gefährliche Abwässer das Werk verlassen. Darauf, dass der VN auf das Funktionieren der Reinigungsanlage vertraute, kommt es mit Rücksicht auf die tatsächlich vorgenommene Ableitung nicht an.
382 ee) Kausalität. Wenn auch das Abwasserrisiko wegen seiner besonderen Gefährlichkeit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist, so kommt es doch für Ziff. 7.14 (1) AHB nicht darauf an, ob der Schaden auf diese Gefährlichkeit zurückzuführen ist.810 Entscheidend ist, dass der Sachschaden adäquat kausal durch das Abwasser entstanden ist.811 Ob der Sachschaden ebenso durch reines Wasser hervorgerufen worden wäre, ist ohne Bedeutung.812 In jedem Fall muss das Wasser die Eigenschaft als Abwasser schon vor dem Schadenseintritt haben.813 Unerheblich ist, wer im Einzelnen das Wasser abgeleitet hat. Selbst wenn der VN für die Ableitung durch einen Dritten haftpflichtig gemacht wird (z.B. im Rahmen seiner Haftung für Minderjährige aus § 832 BGB), fällt der Schaden unter Ziff. 7.14 (1) AHB.814
383 ff) Wiedereinschluss. Wiedereinschlüsse von Abwasserschäden finden sich in der Betriebshaftpflichtversicherung. So sieht z.B. Ziff. 7.3.3 BBR BHV (A1-6.2.2 lit. e) AVB BHV) den Einschluss von Haftpflichtansprüchen wegen Sachschäden vor, die durch Abwässer aus dem Rückstau des Straßenkanals hervorgerufen werden. In der Haftpflichtversicherung für Ärzte, Zahnärzte und ambulante Gemeinschaftseinrichtungen (AVB Arzt) sind Sachschäden durch Abwässer aus der ärztlichen Praxis gedeckt (Ziff. A1-6.2 lit. e) AVB Arzt). In der Haftpflichtversi-
808 OLG Hamm 10.2.1989 – 20 U 163/88, RuS 1989 179. 809 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 382; Wussow § 4 Anm. 21. 810 BGH 13.12.1972 – IV ZR 154/71, NJW 1973 366, 367; BGH 2.10.1968 – IV ZR 506/68, VersR 1968 1080; KG 2.11.1959 – 4 U 1183/59, VersR 1960 589; ÖOGH 1.3.1979 – 7 Ob 16/79, VersR 1979 683.
811 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 383; Wussow § 4 Anm. 21; Kuwert Rn. 4066. 812 ÖOGH 1.3.1979 – 7 Ob 16/79, VersR 1979 683; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 383; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider3 § 24 Rn. 88; Wussow § 4 Anm. 21; anders OLG Düsseldorf 28.7.1959 – 4 U 263/ 58, VersR 1959 822, 824; LG Berlin 4.10.1971 – 7 S 11/71, VersR 1972 527. 813 LG Berlin 4.10.1971 – 7 S 11/71, VersR 1972 527: Überschwemmung durch ausfließendes Heizungswasser. 814 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 383. Koch
360
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
cherung für Krankenhäuser ist die Deckung für Sachschäden auf Schäden durch Abwässer aus dem Rückstau des Straßenkanals beschränkt (Ziff. A1-6.2 lit. e) AVB BHV-KH).
b) Senkungs- und Erdrutschungsschäden (Ziff. 7.14 (2) AHB) aa) Senkungsschaden. Ein Senkungsschaden i.S.d. Ziff. 7.14 (2) AHB liegt vor, wenn Bodenschichten aus irgendwelchen Gründen ihr Volumen verringern, dadurch ihre Festigkeit und Tragfähigkeit verlieren und infolgedessen zusammensinken.815 Senkungsschäden erfordern sinnlich wahrnehmbare Vorgänge. Daran fehlt es, wenn als Folge von Auskofferungsarbeiten ohne sichtbare Veränderung eine lediglich messbare Verformung des Bodens eintritt, die durch die Störung der bodenmechanischen Verhältnisse zum Reißen des Mauerwerks oder zum Abrutschen von Teilen desselben führt.816 Kein Senkungsschaden liegt vor, wenn Erdmassen seitwärts abrutschen. Hier greift vielmehr der Ausschlusstatbestand der Erdrutschungen ein (Rn. 388 ff.). Wird durch einen Wasserrohrbruch das Erdreich unter einem Haus weggespült und senkt sich daraufhin das Gebäude, so greift der Ausschlusstatbestand der Senkungsschäden ebenfalls nicht ein, da der Boden selbst sich im erwähnten Sinne nicht gesenkt hat.817 Ein Senkungsschaden ist dagegen zu bejahen, wenn eine fehlerhafte Gewindeherstellung und eine nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführte Rohrmontage den Wasseraustritt aus einem Rohr bewirken, welcher das Erdreich unterwäscht, und dadurch das Fundament einer Waschanlage und die davor liegende Fahrbahn beschädigt werden.818 Im Ausschlusstatbestand für Senkungsschäden an Grundstücken ist der frühere Klammerzusatz gestrichen worden, in dem ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass sich die Klausel auch auf Schäden an auf dem Grundstück errichteten Werken (oder Teilen eines solchen) beziehe. Gemeint waren damit in erster Linie Gebäude. Die Versicherungspraxis fasste diesen Zusatz als Klarstellung auf, dass nur der Sachschaden an dem Grundstück selbst und den darauf errichteten Werken, nicht aber an sonstigen beweglichen Sachen, die sich z.B. in einem Haus befinden, ausgeschlossen sei.819 Nach der Streichung des Klammerzusatzes ist für eine solche Auslegung kein Raum mehr. Der Ausschluss nach Ziff. 7.14 (2) AHB erfasst somit grundsätzlich jeden Sachschaden, der aus einer Senkung resultiert, d.h. sowohl Schäden an unbeweglichen als auch Schäden an beweglichen Sachen.820 Für das Verhältnis zwischen Senkung und Schaden gilt das Prinzip der adäquaten Kausalität.821 Nicht erforderlich ist, dass der Senkungsvorgang die alleinige Ursache für den Schadenseintritt gewesen ist. Vielmehr genügt es, dass er für den Schaden mitursächlich war. Haben
815 OLG Oldenburg 20.4.2004 – 3 W 5/04, RuS 2004 373 = VersR 2005 262; OLG Düsseldorf 12.7.1966 – 4 U 168/ 65, VersR 1968 161, 162; ÖOGH 26.1.1966 – 7 Ob 362/65, VersR 1966 552; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 387; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 122; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 234; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 97; Littbarski AHB § 4 Rn. 141 ff.; a.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 183 („Keinesfalls kommt es bei der Senkung darauf an, ob die betreffende Erdmasse an Festigkeit verliert.“), jew. zu § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. 816 OLG Oldenburg 20.4.2004 – 3 W 5/04, RuS 2004 373 = VersR 2005 262; OLG Düsseldorf 12.7.1966 – 4 U 168/ 65, VersR 1968 161, 162; Späte § 4 Rn. 94. 817 Vgl. dazu OLG Breslau 15.10.1930 VA 1930 256, 257; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 389; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 122. 818 ÖOGH 26.1.1966 – 7 Ob 362/65, VersR 1966 552. 819 So Späte § 4 Rn. 95; Boettinger VersR 1952 189; Schmalz VersR 1953 467, 468; a.A. Wussow § 4 Anm. 24; Kuwert Rn. 4073. 820 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 390 f.; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 234; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 97. 821 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 392. 361
Koch
384
385
386
387
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
daneben andere Ursachen, z.B. unsachgemäße Maßnahmen eines Bauunternehmers oder anhaltender Regen, den Schaden hervorgerufen, liegt ein Fall der Gesamtkausalität vor.822
388 bb) Erdrutschungen. Der Begriff Erdrutschungen ist eine Sammelbezeichnung für Erdbewegungen jeder Art, die auf einer Lösung des Zusammenhalts von kleinen und größeren Erdmassen beruhen.823 Im Gegensatz zur Senkung eines Grundstücks liegt eine Erdrutschung dann vor, wenn das Erdreich nicht in sich zusammensinkt, sondern sich ein Teil der Erdoberfläche aus seinem natürlichen Zusammenhang mit seiner Umgebung löst und in Bewegung übergeht.824 Erdrutschungen müssen ebenso wie Grundstückssenkungen sinnlich wahrnehmbare Vorgänge sein.825 Bodenmechanische Veränderungen, die zur Verminderung des Bodengegendruckes und zum Reißen von Mauerwerk führen, sind weder Erdrutschungen noch Grundstückssenkungen.826 389 Der Erdrutschungsschaden ist nicht auf natürliche Ereignisse beschränkt und findet deshalb auch Anwendung, wenn der VN durch eigenes Tun, z.B. durch Freilegung der Fundamente der Kegelbahnaußenmauer, den Erdrutsch verursacht.827 Im Sinne des Sprachgebrauchs ist ein Erdrutsch gegeben, wenn sich bei dem Abbau einer Sandgrube Sandmengen lösen.828 Nicht zu folgen ist hingegen der vom BGH vertretenen Ansicht, ein Erdrutsch liege auch dann vor, wenn eine durch Untergrabungen und Sprengungen gelockerte Felswand infolge des Übergewichts herabstürze.829 Diese Auslegung steht nicht mehr im Einklang mit dem Sprachgebrauch und lässt sich auch 390 nicht aus dem erkennbaren Zweck der Ausschlussbestimmung folgern. Das Umschlagen einer Felswand – wie auch das Lösen eines einzelnen Felsens – ist, wenn es nicht die Folge eines Erdrutsches selbst ist, nicht als Erdrutschung i.S.d. Ziff. 7.14 AHB anzusehen. Stürzt eine Laderampe wegen des Druckes des darauf gelagerten Materials auf daneben stehende Güterwagen, so liegt ebenfalls kein Erdrutsch vor.830 Ein typischer Fall für die Anwendung der Ausschlussklausel ist ein Gebäudeeinsturz, der darauf zurückzuführen ist, dass Ausschachtungsarbeiten neben einem Gebäude durchgeführt werden, wodurch die Erde darunter wegrutscht,831 oder Teile der Erdoberfläche infolge eines durch Fundamentarbeiten erhöhten Bodendrucks abrutschen.832 391 Keine Erdrutschung liegt vor, wenn eine Stützmauer infolge Überlastung der darauf ruhenden Laderampe einstürzt oder wenn aus einer Baugrube ausgebaggertes Erdreich neben der 822 OLG München 2.5.1952 – 1 U 405/51, VersR 1952 270; OLG Köln 22.2.1934, JPVR 1934 253; LG München 23.1.1953 – 5 OH 36/52, VersR 1953 251; ÖOGH 26.1.1966 – 7 Ob 362/65, VersR 1966 552; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 393; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 97. 823 OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 152; OLG Schleswig 21.11.2002 – 16 U 58/02, VersR 2003 190. 824 BGH 3.2.1988 – IV a ZR 202/86, NJW-RR 1988 732; BGH 19.11.1956 – II ZR 217/55, VersR 1956 789, 790 = NJW 1957 140; OLG Koblenz 2.1.2004 – 10 W 587/03, RuS 2004 191, 192; OLG Saarbrücken 8.9.2004 – 5 U 21/04, VersR 2005 394, 396; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 396; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 235; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 98; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 123; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 95. 825 OLG Schleswig 20.5.2010 – 16 U 16/10, VersR 2011 341, 342; OLG Schleswig 21.11.2002 – 16 U 58/02, VersR 2003 190; OLG Düsseldorf 12.7.1966 – 4 U 168/65, VersR 1968 161, 162. 826 OLG Düsseldorf 12.7.1966 – 4 U 168/65, VersR 1968 161, 162. 827 OLG Koblenz 2.1.2004 – 10 W 587/03, RuS 2004 191, 192; vgl. auch OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 152; OLG Schleswig 21.11.2002 – 16 U 58/02, VersR 2003 190. 828 BGH 19.11.1956 – II ZR 217/55, VersR 1956 789, 790 = NJW 1957 140; OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 152; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 398. 829 BGH 19.11.1956 – II ZR 217/55, VersR 1956 789, 790 = NJW 1957 140. 830 KG 12.11.1932 – 24 U 7310/32, JRPV 1933 60, 61. 831 OLG Hamm 4.12.1959 – 7 U 160/59, VersR 1960 338, 339; OLG Breslau 5.4.1930 VA 1930 37. 832 Vgl. OLG Schleswig 21.11.2002 – 16 U 58/02, VersR 2003 190. Koch
362
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Baugrube hoch geschichtet ist und – aus welchem Grund auch immer – dieser aufgeschüttete Sandberg in Bewegung gerät und in die Baugrube hineinfällt.833 Zur Begründung führt Wussow zutreffend aus, dass diese aufgeschütteten Erdmassen noch nicht die für den Begriff der „Erdrutschung“ wesentliche feste Verbindung mit dem übrigen Erdreich gehabt hätten.834 Eine Erdrutschung könne begrifflich nur vorliegen, wenn die betreffenden Bodenmassen vorher aufgrund einer natürlichen Verwachsung gebunden waren. Diese Bodengebundenheit liege regelmäßig bei künstlichen Aufschüttungen erst nach einer gewissen Zeit vor.835 Ob dies der Fall war, kann im Zweifel nur durch einen Sachverständigen ermittelt werden. Abzulehnen ist eine ältere Entscheidung des KG, das den aus der Füllung der Rampe auf den Güterwagen herabstürzenden Sand als Erdrutschung angesehen hat.836 Nach Ansicht des OLG Saarbrücken ist hingegen entscheidend, ob das aufgeschüttete Material als Teil der Erdoberfläche anzusehen ist, weil „es so bleiben soll“.837
cc) Wiedereinschlüsse. Im Baugewerbe werden Haftpflichtansprüche wegen Senkungsschä- 392 den und aus Erdrutschungen in der Regel wieder eingeschlossen, soweit es sich nicht um Schäden am Baugrundstück selbst handelt (vgl. A1-6.15 AVB BHV-BauHG/AB BHV_BauNG/AVB BHVBauträger).838 In der Bauherren-Haftpflichtversicherung sind Ansprüche wegen Schäden durch Grundstückssenkungen und Erdrutschungen ebenfalls regelmäßig eingeschlossen, soweit es sich nicht um Schäden am Baugrundstück selbst handelt (vgl. A1-6.2 AVB gewerbliche Bauherren-HV). In der Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren (AVB Arch./Ing.) sind Ansprüche wegen Schäden durch Grundstückssenkungen und Erdrutschungen ohne eine solche Einschränkung eingeschlossen.
c) Überschwemmungen (Ziff. 7.14 (3) AHB). Nach Ziff. 7.14 (3) AHB sind Haftpflichtschäden 393 wegen Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer ebenfalls von der Deckung ausgenommen. Solche Schäden sind zumeist nicht auf menschliches Verschulden zurückzuführen, sodass sich die nachteiligen Folgen dieses Ausschlusses darauf beschränken, dass kein Versicherungsschutz in Form der Abwehr eines unbegründeten Anspruches gewährt wird. Freilich verbleiben noch genügend Überschwemmungen, die durch menschliches Versagen verursacht worden sind. So liegt der Fall beim fehlerhaften Dammbau.839 Hier drohten dem VR ohne den Ausschluss „Katastrophenschäden“ mit unübersehbaren Folgen.840 Weitere Beispiele betreffen die falsche Bedienung eines Wehres841 oder die Stauung von Holz in dem ausgetrockneten Bett eines Wildbaches kurz vor Beginn der Schneeschmelze.842 Gerade in Fällen, in denen ein derartiges Verschulden vorliegt, ist der Ausschluss aus Sicht des VR besonders wichtig.843
833 So das Beispiel von Wussow § 4 Rn. 25; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 399; Littbarski AHB § 4 Rn. 159. Wussow § 4 Rn. 25. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 403; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 235. KG 12.11.1932 – 24 U 7310/32, JRPV 1933 60, 61. OLG Saarbrücken 8.9.2004 – 5 U 21/04, VersR 2005 394, 396 für aufgeschütteten und bereits geteerten Boden. Vgl. auch BGH 10.2.1971 – IV ZR 124/69, VersR 1971 457. BGH 21.2.1951 – II ZR 47/50, VersR 1951 79, 80. BGH 21.2.1951 – II ZR 47/50, VersR 1951 79, 80; LG Köln 20.6.1984 – 24 O 437/83, VersR 1985 749. Vgl. dazu den vom OLG Hamm 15.1.1960 – 7 U 150/59, VersR 1960 697, 698 entschiedenen Fall, in dem das Gericht ausführt, dass aus der schlichten Bekundung, die Haftpflicht aus dem Betrieb eines Wehres sei versichert, nicht ohne Weiteres geschlossen werden könne, dass § 4 I Ziff. 5 AHB a.F. bezüglich der Überschwemmungsschäden abbedungen sei. 842 Weitere Beispiele bei Boettinger VersR 1950 154, 156. 843 LG Freiburg 17.5.1966 – 7 O 32/66, VersR 1966 841: Bau eines Dammes im Bett eines ausgetrockneten Baches.
834 835 836 837 838 839 840 841
363
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
Zutreffend ist vom BGH844 die vom OLG Hamm845 vertretene Auffassung zurückgewiesen worden, der Ausschlusstatbestand greife nur ein, wenn im Gewässer selbst ein anomaler Wasserzustand herrsche, weil sonst nicht von einer Überschwemmung des stehenden Gewässers selbst die Rede sein könne. Diese Formalargumentation stützt sich darauf, dass es andernfalls heißen müsse, Überschwemmung „durch“ stehendes oder fließendes Gewässer. Folgte man ihr, wäre eine auf einen Dammbruch zurückzuführende Überschwemmung der Umgebung versichert, wenn im Gewässer selbst kein erhöhter Wasserstand herrschte. Damit würde aber der dem VN ohne Weiteres erkennbare Sinn und Zweck der Klausel verkannt, den VR in diesen Fällen nicht haften zu lassen. Demgemäß ist unter einer Überschwemmung stehender oder fließender Gewässer jede Überflutung von Gelände durch das Austreten von Wasser aus einem stehenden oder fließenden Gewässer zu verstehen. Aus welchem Grunde das Wasser über die Ufer tritt, ist unerheblich.846 395 Keine Überschwemmung im Sinne der Ausschlussbestimmung liegt vor, wenn sich wegen des hohen Wasserstandes in einem Gewässer (und des dadurch verursachten höheren Grundwasserspiegels) in der Nähe dieses Gewässers Wasser ansammelt.847 Ferner werden nur oberirdische, nicht auch unterirdische Wasserverschiebungen erfasst.848 Schon nach dem Sprachgebrauch fehlt es bei unterirdischen Gewässern an dem Überschwemmungsmerkmal.849 Im Übrigen ist der Begriff „Gewässer“ umfassend im Sinne der Verkehrsanschauung zu verstehen.850 Sowohl Flüsse als auch Seen und das Meer sowie künstlich angelegte Gewässer851 sind dazu zu rechnen.852 Wasseransammlungen in geschlossenen Leitungssystemen werden hingegen nicht erfasst.853 396 Wasser, das aus Rohrleitungen austritt, verursacht ebenfalls keine Überschwemmung im Sinne der Klausel;854 ebenso wenig Regenwasser, das sich bei einem Wolkenbruch in großen Mengen in einer tiefer gelegenen Unterführung ansammelt und sie unpassierbar macht.855 Etwas anderes gilt dann, wenn Starkregen dazu führt, dass vorhandene fließende oder stehende Gewässer über die Ufer treten.856 Auch Wasser in gesonderten Behältern, wie in kleineren Planschbecken, fällt nicht unter den Ausschlusstatbestand. Schließlich wird nach der Verkehrsanschauung auch ein künstliches Schwimmbassin im Freien von der Klausel nicht als „Gewässer“ erfasst.857
394
844 BGH 21.2.1951 – II ZR 47/50, VersR 1951 79. 845 OLG Hamm 24.7.1950 – 7 U 104/50, VW 1950 392. 846 BGH 11.1.1962 – II ZR 246/59, VersR 1962 150, 151; BGH 21.2.1951 – II ZR 47/50, VersR 1951 79, 80; OLG Düsseldorf 28.7.1959 – 4 U 263/58, VersR 1959 822, 824; LG Köln 20.6.1984 – 24 O 437/83, VersR 1985 749; LG Freiburg 17.5.1966 – 7 O 32/66, VersR 1966 841; LG Hagen 1.7.1955 – 3 O 73/55, VersR 1955 600; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 407; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 236; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 99. 847 BGH 11.1.1962 – II ZR 246/59, VersR 1962 150, 151 und als Vorinstanz OLG Düsseldorf 28.7.1959 – 4 U 263/58, VersR 1959 822, 824. 848 BGH 11.1.1962 – II ZR 246/59, VersR 1962 150, 151; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 407. 849 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 411; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 236; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 125; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 99. 850 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 408. 851 Z.B. Kanal, Stausee, Wassergraben (LG Hagen 1.7.1955 – 3 O 73/55, VersR 1955 600). 852 Späte § 4 Rn. 105. 853 Boettinger VersR 1950 154, 156; ders. VersR 1952 382; vgl. ferner KG 28.2.1964 – 6 U 1579/62, VersR 1964 1229, 1231; KG 28.1.1928 – 24 U 7264/27, JRPV 1928 155, 156. 854 KG 28.2.1964 – 6 U 1579/62, VersR 1964 1229, 1231; ÖOGH 8.3.1990 – 7 Ob 4/90, VersRdSch. 1990 309, 310. 855 OLG Hamm 29.10.1986 – 20 U 128/86, NJW-RR 1987 279; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 236; Späte § 4 Rn. 105. 856 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 236. 857 Ebenso Wussow § 4 Anm. 27; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 409. Koch
364
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
Nach dem Sinn der Ausschlussbestimmung sind alle durch eine Überschwemmung entstan- 397 denen Sachschäden vom Deckungsbereich ausgeschlossen.858 Bricht die Begrenzung eines zu landwirtschaftlichen Nutzungszwecken gestauten Teichs und steht der Begrenzungswall im Eigentum eines Dritten (etwa der betreffenden Gemeinde), so sind nicht nur die in der Umgebung durch das ausfließende Wasser entstehenden Schäden ausgeschlossen, sondern auch Haftpflichtansprüche wegen der Beschädigung des Walls. Der Sinn der Klausel geht dahin, auch solche Schäden zu erfassen, da sie mit dem Austreten des Wassers untrennbar verbunden sind.859 Hierzu zählen nicht nur Schäden, die unmittelbar durch das Wasser selbst verursacht werden, sondern auch solche durch Sachen, die vom Wasser mitgeführt werden (Baumstämme, Öl).860
XV. IT-Risiko-Ausschluss (Ziff. 7.15 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.15 AHB ist im Jahre 2004 neu eingefügt worden. Die in Ziff. 7.15 (1) bis (4) AHB beschriebe- 398 nen Sachverhalte erfassen jede denkbare Beeinträchtigung der Integrität, Verfügbarkeit und Vertraulichkeit von Daten und Programmen im Rahmen des Datenaustausches nicht nur per EMail, sondern auch mittels Datenträgern sowie der Bereitstellung von Informationen im Internet (z.B. Inhalte auf der Unternehmens-Homepage, Angebote zum (un-)entgeltlichen Herunterladen). Soweit daraus Sach- oder Personenschäden resultieren, besteht kein Versicherungsschutz (s. Beispiel Rn. 402). Der Ausschluss bewirkt somit eine Nullstellung für alle Schäden, die aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten (= ITnutzungsspezifische Risiken) entstehen,861 welche aber in der Privathaftpflichtversicherung standardmäßig (Ziff. 4 BBR PHV) und in der Betriebshaftpflichtversicherung durch Vereinbarung der Zusatzbedingungen zur Betriebshaftpflichtversicherung für die Nutzer von InternetTechnologien (BetrH IT) weitgehend wiedereingeschlossen werden. Soweit Daten und Programme betroffen sind, kommt es auf die rechtliche Qualifikation von Daten als Sachen nicht mehr an (hierzu Ziff. 1 AHB Rn. 22).
2. Reichweite des Ausschlusses a) Schäden aus Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung 399 von Daten. Ziff. 7.15 (1) AHB lehnt sich erkennbar an den Text von § 303a Abs. 1 StGB an, sodass – auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachverständnisses und des allgemeinen Sprachgebrauchs – auf die Auslegung dieser Vorschrift zurückgegriffen werden kann.862 Löschen von Daten i.S.v. § 303a Abs. 1 StGB ist das unwiederbringliche Unkenntlichmachen der konkreten Speicherung (Aufhebung der Verkörperung). Es setzt voraus, dass eine Rekonstruktion aufgrund der Aufhebung der physischen Verkörperung unmöglich ist. Als Beispiele werden in der Literatur das Überschreiben von Daten, der Einsatz von Virenprogrammen, die zur irre858 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 415. 859 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 415. 860 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 125; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 236; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 415; a.A. Littbarski AHB § 4 Rn. 177. 861 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 141; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 417; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 101; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 237; für eine Nullstellung lediglich der Risiken aus der Internet-Kommunikation Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 252. 862 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 420; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 104; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 238; Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 98. 365
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
versiblen Aufhebung des Datenzusammenhangs führen, sowie die Zerstörung des Datenträgers angeführt.863 400 Unterdrücken von Daten i.S.v. § 303a Abs. 1 StGB bedeutet, dass sie dem Zugriff des Berechtigten auf Dauer oder zeitweilig entzogen werden und er sie deshalb nicht mehr verwenden kann, ohne dass ihre physische Integrität beeinträchtigt wird. Eine auf unabsehbare Dauer gerichtete („zueignende“) Entziehungsabsicht ist nicht erforderlich. Eine Unterdrückung kann, neben der Entziehung des Datenträgers, auch durch „programmgesteuerte Errichtung von Zugangshindernissen“ geschehen (z.B. Eingabe von Passwörtern; Löschen des Inhaltsverzeichnisses; „Verstecken“ von Dateien; Änderung des Dateinamens usw.).864 Unbrauchbarmachen von Daten i.S.v. § 303a Abs. 1 StGB ist die Aufhebung der bestim401 mungsgemäßen Verwendbarkeit. Dies kann z.B. durch zusätzliche Einfügungen oder Verfälschung von verknüpften Datensätzen geschehen, aber auch durch den Einsatz einer Programmsperre, soweit es sich nicht nur um eine geringfügige Beeinträchtigung der Programmnutzung handelt.865 Verändern von Daten i.S.v. § 303a Abs. 1 StGB erfasst jede Form inhaltlichen Umgestaltens 402 gespeicherter Daten, aber auch den Austausch von Klartext und Code oder die Übersetzung in den Code einer anderen Programmiersprache ohne inhaltliche Änderung. Eine Minderung der Gebrauchstauglichkeit ist nicht erforderlich; auch „Verbesserungen“ oder die Behebung von Fehlern sind Veränderungen.866 Beispiel: Eine virusbehaftete E-Mail verändert Daten, die auf der Festplatte des privaten Empfängers gespeichert sind.
Für die Haftpflichtansprüche des Empfängers wegen der Verletzung der Datenintegrität besteht kein Versicherungsschutz. Bewirkt die Datenveränderung, dass elektronisch gesteuerte Geräte fehlerhaft arbeiten und werden dadurch andere Sachen oder sogar Personen verletzt, besteht ebenfalls kein Versicherungsschutz, da die Formulierung „wegen Schäden aus …“ keine Begrenzung auf den unmittelbaren Schaden an den nachteilig betroffenen Daten enthält. Wie zuvor bereits bemerkt, ist Ziff. 7.15 (1) AHB von ihrem Wortlaut her weder auf Schäden 403 infolge der Nutzung des Internets noch auf Schäden durch Computerviren oder sonstige Schadprogramme beschränkt. Von dem Ausschluss erfasst ist somit auch die Beeinträchtigung der Integrität von Daten beim Empfänger infolge fehlerhafter IT-Produkte (z.B. Standard-Software, Musikdateien) oder fehlerhafter IT-Dienstleistungen (z.B. fehlerhafte „Reparatur-Kits“), die online oder mittels eines Datenträgers angeboten oder übertragen werden.867 Beispiel: Die von einem Access-Provider hergestellte (Massen-)Zugangssoftware ermöglicht Kunden den Internetzugang. Sie nimmt Veränderungen von Betriebssystemdaten, insbesondere der Netzwerk- und DFÜ-Verbindungseinstellungen auf den Kundenrechnern vor.
404 Unabhängig davon, ob die Zugangssoftware online per Datenfernübertragung oder per Datenträger aufgespielt wird, besteht kein Versicherungsschutz, wenn Daten des Kunden durch die Software in ihrer Integrität nachteilig beeinträchtigt werden. Lediglich bei Schäden durch Computerviren und anderen Schadprogrammen halten sich 405 die Folgen dieses Ausschlusses in Grenzen. Insoweit gilt es auf der Ebene der Haftung zu berücksichtigen, dass gegenüber Unternehmern i.d.R. schon mangels entsprechender Verkehrs863 864 865 866
Vgl. Schönke/Schröder/Hecker § 303a Rn. 3, 5 m.w.N. Vgl. Schönke/Schröder/Hecker § 303a Rn. 6. Vgl. Schönke/Schröder/Hecker § 303a Rn. 7. Vgl. Schönke/Schröder/Hecker § 303a Rn. 8; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 420; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 104. 867 Vgl. Stockmeier AVB PHV A1-6.16 Rn. 12: Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 26/04 M v. 17.6.2004 S. 2. Koch
366
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
pflicht zum Virenschutz eine Haftung für virenverseuchte E-Mails oder Datenträger ausscheidet.868 Selbst wenn man eine solche Verkehrspflicht bejahte, würde bei neuartigen, bislang unbekannten Viren eine Haftung des Versenders am fehlenden Verschulden scheitern. Bei bereits bekannten Viren dürfte ferner ein überwiegendes Mitverschulden des Empfängers anzunehmen sein,869 sodass der Ausschluss in erster Linie den Abwehrschutz nachteilig berührt.
b) Schäden aus Nichterfassen oder fehlerhaftem Speichern von Daten. Die Nichterfas- 406 sung oder das fehlerhafte Speichern von Daten vermag im Zusammenhang mit dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten unmittelbar weder Sachschäden noch Personenschäden zu begründen. Denkbar sind jedoch mittelbare Sachschäden oder Personenschäden, so z.B. wenn per E-Mail erfolgte Anweisungen zur Bedienung von Maschinen oder zur Einnahme von Medikamenten fehlerhaft gespeichert werden.870 In diesen Fällen kommt dem Ausschluss gem. Ziff. 7.15 (2) AHB konstitutive Wirkung zu. Beispiel: Der VN vertreibt Lüfter zur Kühlung von Computern. Weil es in der Vergangenheit vereinzelt zu Problemen bei der Lüftung gekommen ist, lässt er den Käufern, die sich bei ihm registriert haben, vorbeugend Informationen per E-Mail zukommen, die helfen sollen, das Problem abzustellen. Für nicht registrierte Käufer sind die Informationen auf der Homepage erhältlich. Die vom VN erteilten Informationen sind auf Grund eines Fehlers beim Abspeichern falsch und führen bei den Käufern zu einem Totalausfall der Lüfter.
Weder für die Daten, die in ihrer Integrität beeinträchtigt werden, noch für daraus resultierende 407 Betriebsunterbrechungen oder weitere nachteilige Datenveränderungen besteht Versicherungsschutz. Unter Geltung der AHB 2002 – d.h. vor Nullstellung der IT-Risiken – wären die Schäden an den Daten, denen nach hier vertretener Ansicht Sachqualität zukommt (Ziff. 1 AHB Rn. 22), sowie die Betriebsunterbrechungsschäden und die Kosten der weiteren Datenveränderungen (Sachfolgeschäden) gedeckt.
c) Schäden aus Störung des Zugangs zum elektronischen Datenaustausch. Durch 408 Ziff. 7.15 (3) AHB sollen Internet-typische Schäden ausgeklammert werden, nicht hingegen Schäden durch Fehlfunktionen oder Ausfälle der vom VN gelieferten Hardware mit der Folge eines gestörten Internetzugangs.871 Er zielt insoweit auf Hacker- und sog. „Denial of Service“ (DoS)-Angriffe ab.872 Beruht die Störung des Zugangs (der Hard-/Software) auf Schadsoftware oder Viren, greift bereits Ziff. 7.15 (1) AHB ein.873 Abzulehnen ist die Ansicht, die allein ausgehend vom Wortlaut der Klausel Schäden infolge fehlerhafter Hardware von Ziff. 7.15 (3) AHB erfasst ansieht.874 Diese Ansicht be868 Koch NJW 2004 801, 804. 869 S. Nachweise auf die Rspr. bei Koch NJW 2004 801, 807 Fn. 86. 870 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 421; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 106; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 239. 871 Vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 26/04 M v. 17.6.2004 S. 2; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 142; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 240; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 107; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 255; Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 104. 872 Dies ist „ein meist in bösartiger Absicht geplanter Versuch, den Zugang zum Internet über einen bestimmten Rechner zu stören. Ein solcher Angriff überflutet einen Netz-Server mit Verbindungsanforderungen, die nicht ausgeführt werden können. Infolgedessen ist der Server so mit diesen Anforderungen beschäftigt, dass er weitere (reale) Verbindungsanforderungen nicht ausführt.“ Vgl. Brockhaus Computer und Informationstechnologie (2003), Stichwort „IT“. 873 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 107; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 240; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 255. 874 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 240 (der Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 107 fälschlicherweise als Vertreter seiner Ansicht aufführt). 367
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
rücksichtigt nicht hinreichend den erkennbaren Sinn und Zweck von Ziff. 7.15 (3) AHB. Zu Recht weist Schimikowski darauf hin, dass es bei reinen Hardwarefehlern an einem Schaden fehlt, der auf dem Austausch, der Übermittlung oder der Bereitstellung elektronischer Daten beruht.875
409 d) Schäden aus Übermittlung vertraulicher Daten oder Informationen. Fremdschäden, die aus dem Verlust der Vertraulichkeit von Daten und Informationen resultieren, können Anlass zu Ansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Rn. 411 ff.) und des Eingriffs in den Gewerbebetrieb geben. Für diese Ansprüche besteht keine Deckung auf Grundlage der AHB. Deshalb kommt dem Ausschluss nach Ziff. 7.15 (4) AHB im Wesentlichen deklaratorische Bedeutung zu. Werden durch Schadprogramme vertrauliche Daten eines Dritten weitergegeben und offengelegt und entsteht dem Dritten daraus ein Schaden, so greift regelmäßig bereits Ziff. 7.15 (1) AHB ein.876 Entgegen Stimmen in der Literatur877 geht es hier nicht um das (versehentliche) Bereitstellen vertraulicher Daten/Informationen.
3. Wiedereinschluss von IT-Risiken 410 Zugleich mit der Einführung des IT-Ausschlusses hat der GDV eine Deckung für Risiken aus der IT-Nutzung konzipiert, die in der Privathaftpflichtversicherung standardmäßig Eingang findet (Ziff. 4 BBR PHV). Für den beruflichen und betrieblichen Bereich wird Versicherungsschutz für Risiken aus der IT-Nutzung auf der Basis der Zusatzbedingungen zur Betriebshaftpflichtversicherung für die Nutzer von Internet-Technologien (BetrH IT) angeboten.
XVI. Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen (Ziff. 7.16 AHB) 1. Inhalt und Zweck 411 Ziff. 7.16 AHB wurde 2004 neu eingefügt. Das Risiko, das Persönlichkeitsrecht eines anderen zu verletzen, ist insbesondere durch das Internet erhöht.878 Bei Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen handelt es sich nach h.M. um Vermögensschäden (Ziff. 1 AHB Rn. 15), für die selbst bei deren Mitversicherung gem. Ziff. 2.1 AHB standardmäßig keine Deckung besteht, da Ziff. 7.6.5.2 lit. h) BBR BHV diese ausschließt. Ziff. 7.16 AHB kommt somit nur deklaratorische Bedeutung zu. Der GDV hat ihre Aufnahme damit begründet, dass die Frage der rechtlichen Einordnung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht unumstritten sei.879 Zudem würden Persönlichkeitsrechtsverletzungen nach vielen ausländischen Rechtsordnungen als Personenschäden qualifiziert.880 Insoweit kann der Ausschluss bei Mitversicherung von Auslandsschäden bedeutsam werden (hierzu Ziff. 7.7 BBR BHV Rn. 7 ff.).881
875 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 422; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 143; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 107. 876 Vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 26/04 M v. 17.6.2004 S. 2. 877 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 108; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 256. 878 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 424; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 146. 879 Vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 25/04 M v. 17.6.2004 S. 3. 880 Vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 25/04 M v. 17.6.2004 S. 3; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 84; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 91; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 242; R. Johannsen ZVersWiss 2005 179, 186. 881 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 109; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 425; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 242. Koch
368
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
2. Verletzung von Persönlichkeits- und Namensrechten Der Anwendungsbereich von Ziff. 7.16 AHB ist nicht auf Ansprüche wegen Verletzung des allge- 412 meinen Persönlichkeitsrechts beschränkt. Erfasst werden auch Ansprüche wegen Verletzung sog. besonderer Persönlichkeitsrechte.882 Hierunter fallen – das Namensrecht gemäß § 12 BGB für den privaten Bereich, §§ 17 ff. HGB und § 15 MarkenG für den gewerblichen Bereich; – das Urheberpersönlichkeitsrecht (§§ 12-14 UrhG) – das Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG); – die Ehre, der Ruf des von der Äußerung Betroffenen durch Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung (§ 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 185 ff. StGB); – der Angriff auf die Kreditwürdigkeit (§ 824 BGB); – das vertraulich gesprochene Wort (§ 201 StGB); – Privat- und Geschäftsgeheimnisse (§ 203 StGB, § 17 UWG); – personenbezogene Daten (§ 1 BDSG, Art. 1 DSGVO). Spindler hat unter Hinweis darauf, dass Marken i.S.v. § 1 Nr. 1 MarkenG die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung bezeichnen, nicht die einer Person, zu Recht Zweifel an der Einordnung des Markenrechts als Namensrecht geäußert.883 Zwar lassen sich bei einem weiten Begriffsverständnis Marken auch als der „Name eines Produkts“ verstehen.884 Da Ausschlüsse eng auszulegen sind, kann dieses Verständnis jedoch nicht der Auslegung von Ziff. 7.16 AHB (anders als bei den Einschlüssen in Ziff. 2.4 BetrH IT (A1-6.13.2.1 lit. d) AVB BHV) und Ziff. 1.5.5 BBR ITD) zugundegelegt werden.
XVII. Diskriminierung (Ziff. 7.17 AHB) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 7.17 AHB ist im Jahre 2004 neu eingefügt worden. Der Ausschluss dient vor allem der Ab- 413 grenzung zu Sonderdeckungen, die im beruflichen oder betrieblichen Bereich Schutz bieten gegen die Inanspruchnahme gem. § 15 AGG oder § 21 AGG wegen eines Personen-, Sach- oder Vermögensschadens infolge Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (vgl. Allgemeine Bedingungen zur Haftpflichtversicherung von Ansprüchen aus Benachteiligungen – AVB Benachteiligungen885). Allerdings geht Ziff. 7.17 AHB über den Anwendungsbereich des AGG hinaus, weil sie nicht auf die vorstehend genannten Benachteiligungsmerkmale des AGG beschränkt ist.
2. Praktische Bedeutung Die praktische Bedeutung von Ziff. 7.17 AHB ist gering, da erstens auf der Ebene der primären 414 Risikoabgrenzung nach Ziff. 1.1 S. 1 AHB ein Personenschaden vorliegen muss und zweitens Schäden wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Ziff. 7.16 AHB ausgeschlossen sind. Bedeutung erlangt Ziff. 7.17 AHB somit nur in den Fällen, in denen Anfeindung, Schikane, Beläs882 883 884 885
Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 109. Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 113. So z.B. Fezer Markenrecht 4. Aufl. (2009), MarkenG § 1 Rn. 13. Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/5914/6917e95ca2be04d90f66fb6cdf81f580/03-all gemeine-bedingungen-zur-haftpflichtversicherung-von-anspruechen-aus-benachteiligungen-avb-benachteiligungendata.pdf 369
Koch
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
tigung, Ungleichbehandlung oder sonstige Diskriminierungen Auswirkungen mit Krankheitswert (z.B. psychische Erkrankung) haben und der VN deswegen vom Betroffenen in Anspruch genommen wird.886 Solche Fälle dürften auf Beschäftigungsverhältnisse beschränkt sein, wobei Betriebszugehörigkeit nicht erforderlich ist.887 Richten sich die Ansprüche gegen Arbeitskollegen, ist Ziff. 7.4 (3) AHB zu beachten, derzu415 folge Haftpflichtansprüche zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Entgegen R. Johannsen ist Ziff. 7.17 AHB nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass nur Vorsatz i.S.v. § 103 VVG schadet.888 Dass nur die vorsätzliche Schadensherbeiführung ausgeschlossen sein soll, ist der Klausel nicht zu entnehmen.889 Sie wird jedoch vielfach zu bejahen sein und deshalb zum Eingreifen des Vorsatzausschlusses nach Ziff. 7.1 AHB führen.890
3. Mitversicherung von Ansprüchen aus Benachteiligungen für Privatpersonen 416 Für Privatpersonen besteht die Möglichkeit, sich gegen Ansprüche aus Benachteiligungen im Rahmen einer bestehenden Privathaftpflichtversicherung zu versichern, die gegen sie als Dienstherr von Personen erhoben werden, die in ihrem Privathaushalt oder sonstigen privaten Lebensbereich beschäftigt sind (zu Einzelheiten s. Ziff. 10 BBR PHV Rn. 4).
XVIII. Übertragung von Krankheiten (Ziff. 7.18 AHB) 1. Inhalt und Zweck 417 Ziff. 7.18 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 II Ziff. 4 AHB 1999. Sinn und Zweck dieses Ausschlusses ist es, das Haftpflichtwagnis vom Versicherungsschutz auszunehmen, dass der VN Entschädigung wegen eines Personen- oder Sachschadens zu leisten hat, der durch eigene Krankheit oder Krankheit der ihm gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden ist.891
2. Personenschaden infolge Krankheitsübertragungen 418 Voraussetzung für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes ist eine Erkrankung des VN. Der Begriff der Krankheit ist gesetzlich nicht definiert. Stellt man zur Definition des Begriffs auf die in der privaten Krankenversicherung geläufige Definition der Krankheit ab, wird damit ein anomaler geistiger oder körperlicher Zustand beschrieben, „der – bedingt durch eine Störung oder einen Ausfall körperlicher oder geistiger Funktionen – eine nicht ganz unerhebliche, das Maß des nach den allgemeinen Lebensverhältnissen Zumutbaren überschreitende Beeinträchtigung des Betroffenen zur Folge hat … Nicht jede Abweichung in der körperlichen Beschaffenheit von
886 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 426; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 147; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 112; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 243; Koch VersR 2007 288, 295. 887 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 113; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 243. 888 R. Johannsen ZVersWiss 2005 179, 186. 889 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 244. 890 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 426; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 147; Koch VersR 2007 288, 299; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 244; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 92. 891 BGH 30.10.1970 – IV ZR 1185/68, VersR 1970 1097. Koch
370
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
dem als normal zu betrachtenden oder als wünschenswert empfundenen Zustand, die objektiv oder subjektiv als mehr oder weniger gravierender Mangel empfunden wird, ist eine Krankheit. Krankheitswert kommt einer solchen Abweichung vielmehr nur dann zu, wenn sie über ein reines Mißempfinden hinaus zu Beschwerden oder Behinderungen im Sinne einer nicht ganz unerheblichen Funktionsstörung führt.“892
Diese vom OLG Karlsruhe vorgenommene Umschreibung dürfte dem Sprachgebrauch und damit auch der Verkehrsauffassung in der Haftpflichtversicherung entsprechen. Sie hat zur Folge, dass der VN selbst bereits ansteckend erkrankt sein muss und nicht bloß Wirt für die Erreger sein darf.893 Die Ausschlussklausel greift mithin nicht ein, wenn der VN als Ausscheider oder Keimträger Krankheitserreger auf einen Dritten überträgt, ohne selbst vor oder bei der Übertragung Krankheitserscheinungen zu zeigen.894 Ziff. 7.18 AHB kommt besondere Bedeutung für den Fall einer Übertragung des HI-Virus zu. Schimikowski will für die Bejahung des objektiven Tatbestands dieses Ausschlusses bereits die Infektion mit dem HI-Virus genügen lassen. Nach seiner Ansicht kommt bereits diesem Umstand Krankheitswert zu.895 Nach Spätes Ansicht findet der Ausschluss hingegen nur dann Anwendung, wenn der bereits an AIDS Erkrankte den HI-Virus überträgt.896 Beide Ansichten überzeugen nicht. Solange die medizinische Wissenschaft nicht sicher festgestellt hat, dass es bei jedem HI-Infizierten früher oder später zum Ausbruch der AIDS-Erkrankung kommt, kann die bloße Infektion nicht mit einer Krankheit im vorbezeichnet verstandenen Sinne gleichgesetzt werden, sodass der Versicherungsschutz bei grob fahrlässiger Übertragung nicht durch Ziff. 7.18 S. 1 AHB ausgeschlossen ist.897 Wegen des subjektiven Erfordernisses gem. Ziff. 7.18 S. 3 AHB ist – wie bereits erwähnt – weitere Voraussetzung für den Ausschluss nach Ziff. 7.18 Satz 1 AHB, dass die Krankheit sich auch dem Laien erkennbar zeigt.898 Im Übrigen muss der VN seine eigene Krankheit übertragen haben. Das ist nicht der Fall, wenn Ärzte, Labore oder sonstiges medizinisches Personal die Krankheit des einen Patienten auf den anderen übertragen.899 Handelt es sich bei dem VN um eine juristische Person, betrifft der Ausschluss nicht diese selbst. Nach h.M. findet der Ausschluss deshalb keine Anwendung, wenn das Organ oder leitender Angestellter einer juristischen Person erkrankt und durch die Übertragung dieser Krankheit Dritten ein Schaden zugefügt wird.900 Demzufolge verliert z.B. der Krankenhausträger seinen Versicherungsschutz nicht, wenn sein infizierter Chefarzt grob fahrlässig einen Patienten ansteckt.901 Selbstverständlich können aber das Organ und der leitende Angestellte einer juristischen Person bei grob fahrlässiger Übertragung einer Krankheit ihren eigenen Versicherungs892 Vgl. OLG Karlsruhe 17.1.1991 – 12 U 70/90, BeckRS 1991 31370409. 893 I.E. auch Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 245; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 150; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 429.
894 Späte § 4 Rn. 248; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 245; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 150, 152; Littbarski AHB § 4 Rn. 461. 895 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7.18 AHB Rn. 116; ihm folgend Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 7 Rn. 431; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 245; ähnlich Littbarski AHB § 4 Rn. 462. 896 Späte § 4 Rn. 248; vgl. auch Wilting VersR 1988 115, 117. 897 Späte § 4 Rn. 248; vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 151 (abhängig von der weiteren Klärung der medizinischen Seite, insbes. Hinsichtlich des Grads der Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs der Krankheit nach Infektion); a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 431; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 116; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 245; Voit VersR 1989 8, 13; Günther/Piontek RuS 2020 242, 247 (in Bezug auf COVID 19). 898 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 429. 899 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 150. 900 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 150; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 432; Wussow § 4 Anm. 105. 901 Wilting VersR 1988 115, 117; Späte § 4 Rn. 248. 371
Koch
419
420
421
422
Ziff. 7 AHB 2016
Ausschlüsse
schutz im Rahmen ihrer mitversicherten persönlichen Haftpflicht verlieren, so dass sie dem Regress des VR ausgesetzt sind.902
3. Sachschäden als Folge von Tierkrankheiten 423 Weiter schließt Ziff. 7.18 Satz 2 AHB grob fahrlässig herbeigeführte Sachschäden aus, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstehen. Personenschäden, die von einem Tier verursacht werden, umfasst der Ausschluss nicht.903 Der Ausschluss ist insbesondere für Tierhändler und -züchter von Bedeutung.904 Sach424 schäden kommen vor allem bei der Einschleppung von Tierseuchen in Betracht, z.B. durch Eingliederung in einen fremden Bestand.905 In der Literatur wird als weiteres Beispiel ein erkranktes Tier genannt, das fremde Sachen zerstört, sofern sich darin nicht nur die bloße Tiergefahr, sondern die spezifische Krankheitsgefahr verwirklicht.906 So liegt der Fall bei einem von einem tollwütigen Hund angerichteten Sachschaden.907 Ist streitig, ob der Sachschaden auf der Krankheit des Tieres oder auf der allgemeinen Tiergefahr beruht, so trifft die Beweislast den VR.908 Die Verwendung der Worte „gehörenden“ und „gehaltenen“ zeigt, dass der VN zur Zeit des 425 Schadensereignisses Eigentümer und/oder Halter gewesen sein muss.909 Ist das nicht mehr der Fall, so findet der Ausschluss gleichwohl Anwendung, wenn der VN das Tier veräußert hat.910 Setzt der VN das Tier aus oder lässt es zurück, um sich seiner zu entledigen, oder gibt der VN sein Eigentum an einem Tierkadaver gem. §§ 959 f. BGB auf, so greift die Ausschlussbestimmung für daraus entstehende Sachschäden ihrem Sinngehalt nach ebenfalls ein.911 Insoweit besteht für seine Haftung als Zustandsstörer gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, der er sich nicht durch eine zivilrechtlich wirksame Dereliktion (§§ 959 f. BGB) entziehen kann,912 keine Deckung.
4. Verschulden und Beweislast 426 Nach Ziff. 7.18 Satz 3 AHB greift der Ausschluss nicht ein, wenn der VN weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Vorsatz ist hier wie auch sonst i.S.d. § 103 VVG aufzufassen. Der VN muss also den schädigenden Erfolg in seinen Willen aufgenommen haben. Hinsichtlich des Begriffs der groben Fahrlässigkeit gelten die zu § 81 VVG entwickelten Grundsätze mit der Ein902 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 150; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 432. 903 Vgl. BGH 30.4.1962 – II ZR 135/60, VersR 1962 534, 535; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 436; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 93; Prölss/ Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 153. 904 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 117; Kuwert Rn. 4204. 905 Vgl. BGH 5.10.1965 – VI ZR 96 u. 97/64, VersR 1965 1198, 1200; OLG Oldenburg 3.8.2000 – 2 U 2/00, NJW-RR 2000 985, 986; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246; Littbarski AHB § 4 Rn. 466; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 436. 906 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246; vgl. auch Littbarski AHB § 4 Rn. 466; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 153. 907 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246. 908 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 153. 909 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 154; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 438; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246. 910 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246; Kuwert Rn. 4204. 911 Prölls/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 153; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 246; a.A. Wussow § 4 Anm. 106. 912 BeckOK BGB/Kindl § 959 Rn. 5; Staudinger/Heinze (2020) § 959 Rn. 8. Koch
372
B. Ausschlusstatbestände
Ziff. 7 AHB 2016
schränkung, dass nicht den VR die Beweispflicht für die vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadenszufügung trifft. Wie sich aus der Wortfassung ergibt, hat vielmehr der VN zu beweisen, dass er den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt hat.913 Entgegen R. Johannsen bestehen keine Bedenken, dem VN hinsichtlich der subjektiven Seite 427 die Beweislast aufzuerlegen. Es handelt sich bei Ziff. 7.18 AHB nämlich um einen Vollausschluss mit Wiedereinschluss für den Fall des Entlastungsbeweises, den nach allgemeinen Grundsätzen der Begünstigte zu führen hat.914 Der Ausschluss ist somit nicht an § 103 VVG zu messen, weshalb § 309 Ziff. 12 lit. a) BGB nicht eingreift.915 Soweit in der Literatur Ziff. 7.18 AHB im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Quotenregelung des § 81 Abs. 2 VVG als unwirksam angesehen wird,916 übersieht diese Ansicht, dass diese Norm keine Anwendung in der Haftpflichtversicherung findet, weshalb eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausscheidet. In jedem Fall folgt aus Ziff. 7.18 Satz 3 AHB, dass der VN Kenntnis von seiner Erkrankung haben muss.917
913 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 247; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 440; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 93; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 155; Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 118. 914 OLG Oldenburg 8.3.2000 – 2 U 2/00, RuS 2000 320, 321 = VersR 2001 91, 92;vgl. auch OLG Hamm 13.2.2001 – 20 W 2/01, RuS 2001 439; OLG Hamm 24.1.2003 – 20 U 173/02, RuS 2003 255; OLG Köln 22.5.2002 – 5 U 185/01, VersR 2003 1120, 1121; OLG Koblenz 3.3.2005 – 10 U 586/04, VersR 2005 1425; jeweils zum „Wiedereinschluss“ des § 2 III (2) AUB 94; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 155; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 93; a.A. R. Johannsen RuS 2000 133, 136 sowie Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 4 AHB Rn. 97. 915 OLG Oldenburg 8.3.2000 – 2 U 2/00, RuS 2000 320, 321 = VersR 2001, 91. Die Wirksamkeit von Ziff. 7.18 Satz 3 AHB bejahen: Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 247; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 7 Rn. 440; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 30 Rn. 94; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 155; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 7 AHB Rn. 118. 916 Genz VersR 2020 1481, 1498 f. 917 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 245; Kuwert Rn. 4203. 373
Koch
Ziff. 8 AHB 2016
Ziff. 8 Beginn des Versicherungsschutzes AHB 2016
AHB 1999
Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung Ziff. 8 Beginn des Versicherungsschutzes
§ 3 Beginn und Umfang des Versicherungsschutzes, Zahlung des Erstbeitrages
1
Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: I. 1. Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig zahlt. 2. Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungssteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat.
Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig im Sinne von Ziff. 9.1 zahlt. 2Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungssteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat.
Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: 8. Beginn des Versicherungsschutzes, Beitrag und Versicherungsteuer 8.1 Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig im Sinne von Ziff. 9.1 zahlt. 8.2 1Die Beiträge können je nach Vereinbarung in einem einzigen Betrag (Einmalbeitrag), durch Monats-, Vierteljahres-, Halbjahres- oder Jahresbeiträge (laufende Beiträge) entrichtet werden. 2 Die Versicherungsperiode umfasst bei unterjähriger Beitragszahlung entsprechend der Zahlungsweise einen Monat, ein Vierteljahr bzw. ein halbes Jahr. 8.3 Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungsteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 8 Satz 1 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 3 I Ziff. 1 u. 2 AHB 1999. Die Klausel stellt den Grundsatz auf, dass der materielle Versicherungsschutz erst mit rechtzeitiger Zahlung der Erst- oder Einmalprämie beginnt. Rechtzeitig i.S.v. Ziff. 9.1 Satz 1 AHB ist die Zahlung, wenn sie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins erfolgt.1 Ziff. 8 Satz 2 AHB dient der Klarstellung (zur Versicherungssteuer s. auch Ziff. 18 AHB Rn. 2).
B. Zahlung der Erst- oder Einmalprämie 2 Fraglich ist, ob es für Rechtzeitigkeit auf die Vornahme der Leistungshandlung (z.B. Erteilung des Zahlungsauftrages i.S.v. § 675 Abs. 4 Satz 2 BGB) oder den Eingang auf dem Konto des VR ankommt. Da die AHB hierzu keine näheren Ausführungen machen, ist zugunsten des VN (§ 305c Abs. 2 BGB) davon auszugehen, dass die Erteilung des Zahlungsauftrags genügt. Auf den Streit darüber, ob im Geschäftsverkehr im Lichte von Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) Zahlungsverzugs-
1 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 8 Rn. 1; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 8 Ziff. 8, Abs. 8_1 Rn. 1. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-013
374
C. Echte unterjährige Beitragszahlung
Ziff. 8 AHB 2016
RL2 der Betrag dem Konto des Gläubigers rechtzeitig gutgeschrieben sein muss, kommt es somit nicht an. Der EuGH hat Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) Zahlungsverzugs-RL dahin ausgelegt, dass bei einer Zah- 3 lung durch Banküberweisung der geschuldete Betrag dem Konto des Gläubigers rechtzeitig gutgeschrieben sein muss, wenn das Entstehen von Verzugszinsen vermieden oder beendet werden soll.3 Daraus lässt sich jedoch nicht Schluss ziehen, dass eine richtlinienkonforme Auslegung von § 270 BGB dazu führt, dass für Geldschulden nicht mehr nur die Leistungshandlung ausreicht, sondern auch der Erfolg. Zu Recht hat der VIII. Zivilsenat des BGH darauf hingewiesen, dass die Zahlungsverzugs-RL die von ihr erfassten Verzugsfolgen in den Fällen ausschließt, in denen der Zahlungsverzug nicht die Folge des Verhaltens eines Schuldners sei, der den üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen sorgfältig Rechnung getragen hat.4 Daher darf der Schuldner auch nach der Zahlungsverzugs-RL in ihrer Auslegung durch den EuGH nicht für Verzögerungen im Bereich der beteiligten Banken verantwortlich gemacht werden.5 Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die Erteilung des Zahlungsauftrags durch den VN nicht ausreichen ließe, wäre die Zahlung gleichwohl als rechtzeitig anzusehen, wenn die Prämie aus Gründen auf dem Konto des VR nicht einginge, die der VN nicht zu vertreten hätte. Bei Haftpflichtversicherungsverträgen mit Verbraucher-VN wäre die Zahlungsverzugs-RL ohnehin nicht anwendbar.6
C. Echte unterjährige Beitragszahlung Die Alternativregelung „echte unterjährige Beitragszahlung“ ist abzugrenzen von (monatli- 4 chen, viertel- oder halbjährlichen) Teilzahlungen i.S.v. Ziff. 12 AHB, die bei Versicherungsverträgen mit der nach § 12 VVG vorgesehenen einjährigen Versicherungsperiode vereinbart werden können (sog. unechte unterjährige Beitragszahlung). Die Alternativregelung kommt zur Anwendung, wenn die Parteien abweichend von § 12 VVG nicht eine einjährige, sondern eine kürzere Versicherungsperiode mit einer im Vergleich zur Jahresprämie entsprechend niedrigeren Prämie vereinbaren. In diesem Fall ist die Prämie für die kürzeren Zeiträume die „normale“ Prämie und keine Rate.7
2 3 4 5 6 7
RL 2000/35/EG v. 29.6.2000, Abl. EG L 200/35. EuGH 3.4.2008 – C-306/06, NJW 2008 1935 Rn. 30. BGH 5.10.2016 – VIII ZR 222/15, NJW 2017 1596 Rn. 30. Vgl. MüKoBGB/Krüger § 270 Rn. 17; ebenso Grüneberg/Grüneberg § 270 Rn. 5. BGH 5.10.2016 – VIII ZR 222/15, NJW 2017 1596 Rn. 31; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 8 Rn. 9. Bruck/Möller/Beckmann § 37 Rn. 21; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 8 Rn. 3.
375
Koch
Ziff. 9 AHB 2016
Ziff. 9 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 9 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster § 3 Beginn und Umfang des Versicherungsschutzes, oder einmaliger Beitrag Zahlung des Erstbeitrages 9.1 1Der erste oder einmalige Beitrag wird unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. 2Ist die Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, gilt als erster Beitrag nur die erste Rate des ersten Jahresbeitrags.
II. 1. 1Der erste oder einmalige Beitrag wird – wenn nichts anderes vereinbart ist – sofort nach Abschluß des Vertrages fällig. 2Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach Erhalt des Versicherungsscheins und der Zahlungsaufforderung (sowie nach Ablauf der im Versicherungsschein genannten Widerspruchsfrist von 14 3 Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: Tagen) erfolgt. Ist Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, gilt als erster Beitrag nur die erste Rate des 9.1 Der erste oder einmalige Beitrag wird ersten Jahresbeitrags. unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig.
9.2 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, beginnt der Versicherungsschutz erst ab diesem Zeitpunkt. 2Das gilt nicht, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. 3Für Versicherungsfälle, die bis zur Zahlung des Beitrags eintreten, ist der VR nur dann nicht zur Leistung verpflichtet, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung des Beitrags aufmerksam gemacht hat.
II. 2. Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, beginnt der Versicherungsschutz erst ab diesem Zeitpunkt.
9.3 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, kann der VR vom Vertrag zurücktreten, solange der Beitrag nicht gezahlt ist. 2 Der VR kann nicht zurücktreten, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat.
II. 3. 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, kann der VR vom Vertrag zurücktreten, solange der Beitrag nicht gezahlt ist. 2Es gilt als Rücktritt, wenn der VR den ersten oder einmaligen Beitrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Abschluß des Vertrages gerichtlich geltend macht.
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 9 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 3 Abs. 2 Ziff. 1 bis 3 AHB 19991 und regelt die Fälligkeit der Erst- oder Einmalprämie sowie die Folgen verspäteter Zahlung.
B. Fälligkeit der ersten oder einmaligen Prämie 2 Nach Ziff. 9.1 Satz 1 AHB ist die erste oder einmalige Prämie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. Diese Regelung entspricht sachlich
1 Vgl. auch Littbarski AHB § 3 Rn. 37 ff. (zur Fassung von zu § 3 Abs. 2 Ziff. 1 bis 3 AHB 1999). Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-014
376
C. Folgen verspäteter Zahlung der ersten oder einmaligen Prämie
Ziff. 9 AHB 2016
§ 33 Abs. 1 VVG, wenngleich dort die Widerrufsfrist als 14-Tages-Frist (anstelle von zwei Wochen) ausgestaltet wird.2 Auf die dortige Kommentierung kann Bezug genommen werden. Soweit in Ziff. 9.1 Satz 2 AHB bestimmt ist, dass bei Ratenzahlung als erster Beitrag nur die 3 erste Rate des ersten Jahresbeitrags gilt, kommt der Klausel lediglich deklaratorische Bedeutung zu.3 Dieser Regelung bedarf es nicht bei echter unterjähriger Beitragszahlung, weshalb Satz 2 in der Alternative gestrichen ist.
C. Folgen verspäteter Zahlung der ersten oder einmaligen Prämie Ziff. 9.2 AHB entspricht § 37 Abs. 2 VVG, Ziff. 9.3 AHB entspricht § 37 Abs. 1 VVG, sodass für 4 weitere Einzelheiten auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Solange der VN die fällige Erstprämie schuldhaft nicht gezahlt hat, kann der VR vom Versicherungsvertrag zurücktreten und ist der VR nicht zur Leistung verpflichtet, wenn er den VN auf diese Rechtsfolge in Textform hingewiesen hat. Nach dem Rücktritt ist der VR gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 VVG zu einer angemessenen Geschäftsgebühr berechtigt.
2 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs handelt es lediglich um eine redaktionelle Abweichung, die zu keiner Verlängerung der Frist führt (Vgl. BTDrucks. 16/11643 S. 146).
3 Vgl. Bruck/Möller/Beckmann § 37 Rn. 17. 377
Koch
Ziff. 10 AHB 2016
Ziff. 10 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 10 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/ Folgebeitrag
§ 8 Beitragszahlung, Beitragsregulierung, Beitragsangleichung, Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
10.1 1Die Folgebeiträge sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, am Monatsersten des vereinbarten Beitragszeitraums fällig. 2Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie zu dem im Versicherungsschein oder in der Beitragsrechnung angegebenen Zeitpunkt erfolgt
I. 1. 1Die Folgebeiträge sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, am Monatsersten des vereinbarten Beitragszeitraums fällig. 2Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie zu dem im Versicherungsschein oder in der Beitragsrechnung angegebenen Zeitpunkt erfolgt.
10.2 1Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, gerät der VN ohne Mahnung in Verzug, es sei denn, dass er die verspätete Zahlung nicht zu vertreten hat. 2 Der VR ist berechtigt, Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens zu verlangen. 3 Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, kann der VR dem VN auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. 4Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge des Beitrags, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Ziff. 10.3 und 10.4 mit dem Fristablauf verbunden sind.
3. 1Wird der Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, gerät der VN ohne Mahnung in Verzug, es sei denn, daß er die verspätete Zahlung nicht zu vertreten hat. 2 Der VR wird ihn schriftlich zur Zahlung auffordern und eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen setzen. 3 Der VR ist berechtigt, Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens zu verlangen.
10.3 Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, besteht ab diesem Zeitpunkt bis zur Zahlung kein Versicherungsschutz, wenn er mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 10.2 Abs. 3 darauf hingewiesen wurde.
Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: 4. Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, besteht ab diesem Zeitpunkt bis zur Zahlung kein Versicherungsschutz, wenn er mit der Zahlungsaufforderung darauf hingewiesen wurde.
10.4 1Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, kann der VR den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn er den VN mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 10.2 Abs. 3 darauf hingewiesen hat. 2 Hat der VR gekündigt, und zahlt der VN danach innerhalb eines Monats den angemahnten Betrag, besteht der Vertrag fort. 3Für Versicherungsfälle, die zwischen dem Zugang der Kündigung und der Zahlung eingetreten sind, besteht jedoch kein Versicherungsschutz. 4Die Leistungsfreiheit des VR nach Ziff. 10.3. bleibt unberührt.
5. 1Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, kann der VR den Vertrag kündigen, wenn er den VN mit der Zahlungsaufforderung darauf hingewiesen hat. 2 Hat der VR gekündigt, und zahlt der VN danach innerhalb eines Monats den angemahnten Betrag, besteht der Vertrag fort. 3Für Versicherungsfälle, die zwischen dem Zugang der Kündigung und der Zahlung eingetreten sind, besteht – soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde – jedoch kein Versicherungsschutz.
6. 1Ist die Zahlung des Jahresbeitrages in Raten vereinbart, sind die noch ausstehenden Raten sofort fällig, wenn der VN mit der Zahlung einer Rate im Verzug ist. 2Ferner kann der VR für die Zukunft jährliche Beitragszahlung verlangen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-015
378
D. Folgen verspäteter Zahlung der Folgeprämie
Ziff. 10 AHB 2016
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Fälligkeit der Folgeprämie
C.
Qualifizierte Mahnung
D.
Folgen verspäteter Zahlung der Folgeprä4 mie
2 3
A. Inhalt und Zweck Ziff. 10 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 8 I Ziff. 1, 3 bis 5 AHB 19991 und regelt die die Fällig- 1 keit der Folgeprämie sowie die Folgen verspäteter Zahlung.
B. Fälligkeit der Folgeprämie Ziff. 10.1 AHB regelt die Fälligkeit der Folgeprämie. Soweit der VN dem VR eine Einzugsermäch- 2 tigung erteilt, ist Ziff. 11 AHB zu beachten. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf den Eingang der Prämie beim VR an, sondern auf die Erteilung des Zahlungsauftrags (Ziff. 8 Rn. 2).2
C. Qualifizierte Mahnung Die in Ziff. 10.2 Satz 1 und 2 AHB beschriebenen Rechtsfolgen ergeben sich aus § 286 Abs. 2 3 Nr. 1 BGB. Ziff. 10.2 Satz 3 AHB entspricht § 38 Abs. 1 VVG, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Erforderlich ist eine qualifizierte Mahnung, die die rückständige Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die mit dem Fristablauf verbunden sind. Zu beachten ist, dass Ziff. 10.2 Satz 3 AHB eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen vorsieht. Das bedeutet, dass auch eine Zahlung, die am 15. Tag nach Zugang der Mahnung erfolgt, noch rechtzeitig ist. Die Aufforderung des VR, die Folgeprämie „innerhalb von zwei Wochen“ zu bezahlen, ist somit bedeutungslos und eine im Anschluss an den Fristablauf ausgesprochene Kündigung mithin unwirksam.3
D. Folgen verspäteter Zahlung der Folgeprämie Ziff. 10.3 AHB entspricht § 38 Abs. 2 VVG und Ziff. 10.4 AHB entspricht § 38 Abs. 3 VVG, wes- 4 halb auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Hat der VN nicht nach Fristablauf gezahlt, besteht ab diesem Zeitpunkt bis zur Zahlung kein Versicherungsschutz, wenn er mit der Zahlungsaufforderung auf diese Folge hingewiesen wurde. Der VR ist zudem zur fristlosen Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt. Auf der anderen Seite kann der VN die Wirkung der Kündigung durch Zahlung innerhalb eines Monats nach Fristablauf beseitigen.
1 Vgl. hierzu Littbarski AHB § 8 Rn. 3 ff. 2 A.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 10 Rn. 5. 3 OLG München 15.2.2000 – 25 U 4815/99, VersR 2000 1094, 1095; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 10 Rn. 9; Langheid/Rixecker/Rixecker § 38 Rn. 3; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Karzcewski § 38 Rn. 4; BeckOKVVG/Klimke § 38 Rn. 8.1; a.A. Prölss/Martin/Reiff § 38 Rn. 9; Reinhard VersR 2000 1095, 1096. 379
Koch
Ziff. 11 AHB 2016
Ziff. 11 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 11 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPALastschriftmandat
§ 3 Beginn und Umfang des Versicherungsschutzes, Zahlung des Erstbeitrages
1
II. 4. Ist die Einziehung des Beitrages von einem Konto vereinbart, gilt die Zahlung als rechtzeitig, wenn der Beitrag zu dem im Versicherungsschein angegebenen Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN einer berechtigten Einziehung nicht widerspricht.
Ist die Einziehung des Beitrags von einem Konto vereinbart, gilt die Zahlung als rechtzeitig, wenn der Beitrag zum Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN einer berechtigten Einziehung nicht widerspricht. 2 Konnte der fällige Beitrag ohne Verschulden des VN vom VR nicht eingezogen werden, ist die Zahlung auch dann noch rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach einer in Textform abgegebenen Zahlungsaufforderung des VR erfolgt. 3 Kann der fällige Beitrag nicht eingezogen werden, weil der VN das SEPA-Lastschriftmandat widerrufen hat, oder hat der VN aus anderen Gründen zu vertreten, dass der Beitrag nicht eingezogen werden kann, ist der VR berechtigt, künftig Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens zu verlangen. 4 Der VN ist zur Übermittlung des Beitrags erst verpflichtet, wenn er vom VR hierzu in Textform aufgefordert worden ist
§ 8 Beitragszahlung, Beitragsregulierung, Beitragsangleichung, Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung I. 2. Ist die Einziehung des Beitrags von einem Konto vereinbart, gilt die Zahlung als rechtzeitig, wenn der Beitrag zu dem im Versicherungsschein angegebenen Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN einer berechtigten Einziehung nicht widerspricht
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 11 AHB ist die Nachfolgeregelung zu §§ 3 II Ziff. 4 und 8 I Ziff. 2 AHB 1999. Sie hat die Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung zum Gegenstand. Im Unterschied zur Vorgängerregelung gilt Ziff. 11 AHB nicht nur für Folge-, sondern auch für Erstprämien.
B. SEPA-Lastschriftmandat 2 Hat der VN dem VR ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt, so entfällt die Übermittlungspflicht des VN, die Geldschuld wird zur Holschuld.1 Durch die Erteilung des SEPA-Lastschriftmandats wird die Bank des VN nicht nur autorisiert, den Betrag vom Konto des VN einzuziehen, sondern ihr wird auch die Weisung erteilt, die vom VR auf das Konto des VN gezogene SEPA-Lastschrift einzulösen. In dieser Generalweisung des VN liegt der Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, der der Bank des VN mit der Vorlage der SEPA-Lastschrift i.S.d. § 675n BGB zugeht. Diese konkretisierte Weisung wird vom VR und seiner Bank als Erklärungsbote i.S.d. § 120 BGB des VN über die Zahlungskette an die Bank des VN übermittelt.2 Das bedeutet, dass der VR sich um die Einbringung der geschuldeten Leistung kümmern und für die rechtzeitige Einreichung einer Lastschrift bei der Bank des VN sorgen muss.3 Fehler oder Verzögerungen seitens der Bank 1 BGH 10.6.2008 – XI ZR 283/07, NJW 2008 3348 Rn. 24; BGH 19.10.1977 – IV ZR 149/76, BGHZ 69 361, 366; Bruck/ Möller/Beckmann § 36 Rn. 37; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 11 Rn. 1.
2 Zu Einzelheiten s. MüKoBGB/Casper § 675f Rn. 100; BeckOK BGB/Schmalenbach § 675f Rn. 80 f. 3 BGH 19.10.1977 – IV ZR 149/76, BGHZ 69 361, 366; OLG Hamm 26.10.1983 – 20 U 80/83, VersR 1984 377. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-016
380
C. Einzelheiten
Ziff. 11 AHB 2016
des VR sind diesem zuzurechnen, da die Bank im Rahmen der Inkassovereinbarung mit dem VR insoweit sein Erfüllungsgehilfe ist (§ 278 BGB). Der VN hat das seinerseits Erforderliche getan, wenn er auf seinem Konto eine ausreichende Deckung vorhält und für die sonstigen Voraussetzungen einer Einlösung der Lastschrift sorgt. Deshalb kann der VN nicht in Verzug kommen, wenn der VR die Lastschrift nicht vorlegt. Die Einlösung der SEPA-Lastschrift bewirkt Erfüllung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB.4 Jedoch steht die Erfüllungswirkung wegen des Rechts, die SEPA-Basislastschrift über § 675x Abs. 2, 4 BGB noch zu Fall zu bringen, für den Schwebezeitraum von acht Wochen unter einer auflösenden Bedingung.5
C. Einzelheiten Ein Verzug des VN kommt nur in Betracht, wenn eine berechtigte Lastschrift aus Gründen nicht eingelöst wird, die er zu vertreten hat, z.B. infolge fehlender Kontodeckung oder Widerspruchs der Belastungsbuchung durch den VN (vgl. § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB). Dementsprechend sieht Ziff. 11 Satz 1 AHB vor, dass die Zahlung der Prämie als rechtzeitig gilt, wenn diese zum Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN der Einziehung nicht widerspricht. Eine durch seine Bank verschuldete Verzögerung hat der VN zu vertreten, da diese bei der Einlösung als Erfüllungsgehilfin des VN nach § 278 BGB handelt. Ziff. 11 Satz 2 AHB behandelt den Fall, dass die Lastschrift nicht rechtzeitig bei der Bank des VN eingereicht worden ist. Dies kann dem VN nicht zum Nachteil gereichen. Deshalb bestimmt Ziff. 11.2 AHB, dass in diesem Fall die Zahlung auch dann noch rechtzeitig ist, wenn sie unverzüglich (vgl. § 121 BGB) nach einer in Textform abgegebenen Zahlungsaufforderung des VR erfolgt. Nach Schimikowski ist ein Zeitraum von bis zu 14 Tagen noch als unverzüglich anzusehen.6 Dies begründet er u.a. damit, dass der VN erst durch die Aufforderung des VR davon Kenntnis erlange, dass die Abbuchung nicht erfolgen konnte. Dies müsse er zunächst einmal zur Kenntnis nehmen und ggf. durch Nachfrage klären dürfen. Zu beachten ist jedoch, dass der VN sich heutzutage über Kontoabbuchungen jederzeit ein Bild machen kann. Es ist daher für ihn nach Erhalt der Aufforderung schnell zu klären, ob der Einzug erfolgt oder unterblieben ist. Maximal 5 Bankarbeitstage (Werktage außer Sonnabend) dürften nach Erhalt der Aufforderung folglich ausreichen. Liegt dagegen einer der zuvor genannten Fälle vor, in denen der VN die Nichteinlösung zu vertreten hat, bestimmt Ziff. 11 Satz 3 AHB, dass der VR berechtigt ist, künftig Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens zu verlangen.7 Die Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens kann in Form der Überweisung erfolgen. Ziff. 11 Satz 3 AHB verlangt abweichend von § 3 II Ziff. 4 Satz 3, § 8 I Ziff. 2 Satz 3 AHB 2002 nicht mehr, dass die Prämie „wiederholt“ nicht eingezogen werden konnte. Warum der VR bislang im Falle des Verschuldens des VN mehrfach den Einzug der Prämie versucht haben musste, bevor er Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens verlangen konnte, im Falle seines eigenen Verschuldens dagegen nur einmalig, erschloss sich nicht. In Übereinstimmung mit § 33 Abs. 2 VVG sieht Ziff. 11 Satz 4 AHB vor, dass der VN zur Übermittlung des Beitrags erst verpflichtet ist, wenn er vom VR hierzu in Textform aufgefordert worden ist. Solange eine solche Anzeige nicht erfolgt ist, kann der VN die Zahlung auf einem anderen Wege verweigern.
4 5 6 7
BGH 20.7.2010 – XI ZR 236/07, NJW 2010 3510 Rn. 21 ff. BeckOK BGB/Schmalenbach § 675f Rn. 108 m.w.N. Rüffer/Halbach/Rüffer/Schimikowski Ziff. 11 AHB Rn. 2. Vgl. Präve NVersZ 1999 460 f.
381
Koch
3
4
5
6
Ziff. 12 AHB 2016
Ziff. 12 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 12 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung
§ 8 Beitragszahlung, Beitragsregulierung, Beitragsangleichung, Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
1
6. 1Ist die Zahlung des Jahresbeitrages in Raten vereinbart, sind die noch ausstehenden Raten sofort fällig, wenn der VN mit der Zahlung einer Rate im Verzug ist. 2 Ferner kann der VR für die Zukunft jährliche Beitragszahlung verlangen.
Ist die Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, sind die noch ausstehenden Raten sofort fällig, wenn der VN mit der Zahlung einer Rate im Verzug ist. 2 Ferner kann der VR für die Zukunft jährliche Beitragszahlung verlangen.
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 12 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 8 I Ziff. 6 AHB 1999. Diese Klausel hat die ratenweise Zahlung einer Jahresprämie und die Folgen bei verspäteter Ratenzahlung zum Gegenstand. Ist der VN mit der Zahlung einer (vollen) Rate in Verzug, stellt Ziff. 12 Satz 1 AHB den Restbetrag sofort fällig (Verfallklausel). Verzug mit dem Teil einer Rate genügt nicht.1 Ziff. 12 Satz 2 AHB berechtigt den VR zudem, die Ratenzahlungsabrede zu beenden und für die Zukunft jährliche Zahlung der Prämie zu verlangen.2
B. Einzelheiten 2 Zahlreiche Stimmen in der Literatur haben Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel erhoben, weil die Rechtsfolgen im Widerspruch zu der Leitentscheidung des Gesetzgebers zu §§ 37 f. VVG stünden und der VR den VN zudem nicht über die Rechtsfolgen des Verzugs mit einer Rate zu belehren habe.3 Diese Bedenken haben rechtspolitisch durchaus ihre Berechtigung. Eine für den VN nachteilige Abweichung i.S.d. § 42 VVG durch Ziff. 12 AHB dürfte jedoch zu verneinen sein, weil die Gesamtfälligstellung der Jahresprämie hinter den Rechtsfolgen zurückbleibt, die §§ 37, 38 VVG (Ziff. 9, 10 AHB) vorsehen (Rücktritt oder Kündigung/ Leistungfreiheit). 3 Die Gesamtfälligstellung stellt den VN zwar vor wirtschaftliche Probleme, weil es für ihn schwieriger wird, im Falle einer Kündigung gem. Ziff. 10.4 Satz 1 AHB das hierdurch beendete Vertragsverhältnis durch Zahlung des rückständigen Betrags nach Ziff. 10.4 Satz 2 AHB wieder aufleben zu lassen. Darin liegt jedoch kein rechtlicher Nachteil. Ziff. 12 Satz 1 AHB ist gegenüber einem Verbraucher-VN auch nicht wegen nachteiliger Abweichung von § 498 BGB gem. § 512 BGB unwirksam. Nach dem Urteil des BGH vom 6.2.2013 handelt es sich bei der Vereinbarung unterjährig zu leistender Versicherungsprämien selbst dann nicht um eine Kreditgewährung in
1 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 12 Ziff. 12, Abs. 12_gestr Rn. 1. 2 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 12 AHB Rn. 2. 3 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 12 Ziff. 12, Abs. 12_gestr Rn. 2; i.d.S. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 12 AHB Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 12 Rn. 4. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-017
382
B. Einzelheiten
Ziff. 12 AHB 2016
Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs i.S.v. § 506 Abs. 1 BGB, wenn die Summe der unterjährig gezahlten Prämien höher liegt als der Betrag der jährlichen Einmalzahlung.4
4 BGH 6.2.2013 – IV ZR 230/12, BeckRS 2013 02884; OLG Celle 9.2.2012 – 8 U 181/11 (juris); Hans. OLG Hamburg 18.11.2011 – 9 U 103/11, VersR 2012 41, 42; OLG Bamberg 10.11.2011 – 1 U 37/11 (juris); OLG Stuttgart 31.1.2011 – 7 U 199/10, VersR 2011 786, 787; OLG Köln 29.10.2010 – I-20 U 100/10, VersR 2011 248, 249; OLG Bamberg 24.1.2007 – 3 U 35/06, VersR 2007 529; LG Münster 24.2.2011 – 115 O 224/10 (juris); Looschelders VersR 2010 977, 979; Hadding VersR 2010 697, 698; a.A. LG Hamburg 3.5.2011 – 312 O 334/10, VuR 2011 269, 270; LG Bamberg 8.2.2006 – 2 O 764/ 04 (juris); Schürnbrand WM 2011 481, 483. 383
Koch
Ziff. 13 AHB 2016
Ziff. 13 Beitragsregulierung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 13 Beitragsregulierung
§ 8 Beitragszahlung, Beitragsregulierung, Beitragsangleichung, Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
13.1 1Der VN hat nach Aufforderung mitzuteilen, ob und welche Änderungen des versicherten Risikos gegenüber den früheren Angaben eingetreten sind. 2 Diese Aufforderung kann auch durch einen Hinweis auf der Beitragsrechnung erfolgen. 3Die Angaben sind innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung zu machen und auf Wunsch des VR nachzuweisen. 4Bei unrichtigen Angaben zum Nachteil des VR kann dieser vom VN eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschiedes verlangen. 5Dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass ihn an der Unrichtigkeit der Angaben kein Verschulden trifft.
II. 1. 1Der VN ist verpflichtet, nach Erhalt einer Aufforderung des VR, welche auch durch einen der Beitragsrechnung aufgedruckten Hinweis erfolgen kann, Mitteilung darüber zu machen, ob und welche Änderung in dem versicherten Risiko gegenüber den zum Zwecke der Beitragsbemessung gemachten Angaben eingetreten ist. 2Diese Anzeige ist innerhalb eines Monats nach Erhalt der Aufforderung zu machen. 3Auf Erfordern des VR sind die Angaben durch die Geschäftsbücher oder sonstige Belege nachzuweisen. 4Unrichtige Angaben zum Nachteil des VR berechtigen diesen, eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des freigestellten Beitragsunterschieds vom VN zu erheben, sofern letzterer nicht beweist, daß die unrichtigen Angaben ohne ein von ihm zu vertretendes Verschulden gemacht worden sind.
13.2 1Aufgrund der Änderungsmitteilung des VN oder sonstiger Feststellungen wird der Beitrag ab dem Zeitpunkt der Veränderung berichtigt (Beitragsregulierung), beim Wegfall versicherter Risiken jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung beim VR. 2Der vertraglich vereinbarte Mindestbeitrag darf dadurch nicht unterschritten werden. 3Alle entsprechend Ziff. 15.1 nach dem Versicherungsabschluss eingetretenen Erhöhungen und Ermäßigungen des Mindestbeitrags werden berücksichtigt.
2. 1Auf Grund der Änderungsanzeige oder sonstiger Feststellungen wird der Beitrag entsprechend dem Zeitpunkt der Veränderung richtiggestellt. 2Er darf jedoch nicht geringer werden als der Mindestbeitrag, der nach dem Tarif des VR z.Z. des Versicherungsabschlusses galt. 3 Alle entsprechend § 8 Ziff. III nach dem Versicherungsabschluß eingetretenen Erhöhungen oder Ermäßigungen des Mindestbeitrags werden berücksichtigt. 4Beim Fortfall eines Risikos wird der etwaige Minderbeitrag vom Eingang der Anzeige ab berechnet.
13.3 1Unterlässt der VN die rechtzeitige Mitteilung, kann der VR für den Zeitraum, für den die Angaben zu machen waren, eine Nachzahlung in Höhe des für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Beitrages verlangen. 2Werden die Angaben nachträglich gemacht, findet eine Beitragsregulierung statt. 3Ein vom VN zu viel gezahlter Beitrag wird nur zurückerstattet, wenn die Angaben innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung des erhöhten Beitrages erfolgten.
3. 1Unterläßt es der VN, die obige Anzeige rechtzeitig zu erstatten, so kann der VR für die Zeit, für welche die Angaben zu machen waren, an Stelle der Beitragsregulierung (Ziff. II 1) als nachzuzahlenden Beitrag einen Betrag in Höhe des für diese Zeit bereits gezahlten Beitrags verlangen. 2Werden die Angaben nachträglich, aber noch innerhalb zweier Monate nach Empfang der Aufforderung zur Nachzahlung gemacht, so ist der VR verpflichtet, den etwa zuviel gezahlten Betrag des Beitrags zurückzuerstatten.
13.4 Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwendung auf Versicherungen mit Beitragsvorauszahlung für mehrere Jahre.
4. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Versicherungen mit Beitragsvorauszahlung für mehrere Jahre Anwendung.
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
B.
Rechtsnatur
1
C.
Einzelheiten über Aufforderung und Anzeige nach Ziff. 13.1 AHB 3
2
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-018
384
C. Einzelheiten über Aufforderung und Anzeige nach Ziff. 13.1 AHB
7
D.
Inhalt der Anzeige
E.
Rechtsfolgen
I.
Ordnungsgemäße Anzeige
II. 1.
Verletzung der Anzeigepflicht Unrichtige Angaben (Ziff. 13.1 S. 3 AHB)
2. 10
III.
Ziff. 13 AHB 2016
a) Verwirkung einer Vertragsstrafe b) Wirksamkeit der Vertragsstrafe 18 c) Weitere Einzelheiten Unterlassene Anzeige (Ziff. 13.3 AHB) 20 a) Vertragsstrafe 22 b) Wegfall der Vertragsstrafe
12 13
Keine Unwirksamkeit von Ziff. 13 AHB gem. § 32 23 VVG
A. Inhalt und Zweck Ziff. 13 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 8 II Ziff. 1 bis 4 AHB 1999, welcher ohne sachliche 1 Änderungen übernommen worden ist. Sie findet Anwendung, wenn das versicherte Risiko sich innerhalb der Versicherungsperiode verändert oder wegfällt. Nach Ziff. 13.1 Satz 1 AHB hat der VN nach Erhalt einer Aufforderung durch den VR mitzuteilen, ob und welche Änderungen des versicherten Risikos eingetreten sind. Diese Klausel ergänzt Ziff. 3.2 AHB, durch den sichergestellt ist, dass für derartige Veränderungen grundsätzlich Deckung besteht. Die Formulierung „Änderung des versicherten Risikos“ bezieht sich nicht auf neue Risiken, für die die Regeln über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB) ein anderes Rechtsfolgenregime vorsehen. Ziff. 13.2 AHB regelt die Anpassung der Prämie und Ziff. 13.3 AHB die Folgen einer unterlassenen oder verspäteten Mitteilung. Es handelt sich bei Ziff. 13 AHB aus der Sicht des VN um eine abschließende Regelung, sodass ein Rückgriff auf §§ 23 ff. VVG ausscheidet (Ziff. 3 AHB Rn. 14).1
B. Rechtsnatur Bei der Pflicht zur Anzeige nach Ziff. 13.1 Satz 1 AHB handelt es sich nicht um eine Obliegenheit, 2 sondern um eine leistungsbezogene Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 1 BGB.2 Sie dient dem Zweck, den VN zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen des Prämienanspruchs anzuhalten, auf die der VR angewiesen ist.3 Der VR hat einen durchsetzbaren Auskunfts- und Zahlungsanspruch gegen den VN.4
C. Einzelheiten über Aufforderung und Anzeige nach Ziff. 13.1 AHB Die Anzeige ist nicht spontan, sondern nur nach Aufforderung durch den VR zu erstatten 3 (selbstverständlich kann der VN die Anzeige auch ohne Aufforderung vornehmen).5 Diese Aufforderung kann gem. Ziff. 13.1 Satz 2 AHB auch durch einen Hinweis auf der Prämienrechnung
1 Vgl. BGH 12.9.2012 – IV ZR 171/11, VersR 2012 1506, 1507 f. (zur D&O-Versicherung); Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 2.
2 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 2; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 13 AHB Rn. 2; ders. RuS 2012 435, 437; Staudinger/Halm/Wendt/Halm/Fritz AHB 2008 Ziff. 13 Rn. 2; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 13 Rn. 2; a.A. K. Sieg VersR 1963 1089, 1094 unter Hinweis auf RG 11.2.1938 – VII 165/37, RGZ 157 67, 72, das eine entsprechende Verpflichtung des VN in der Einbruchs-Diebstahl-Versicherung als Obliegenheit angesehen hat; MAH VersR/Stempfle § 15 Rn. 318; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 10 Rn. 1; Beckmann/MatuscheBeckmann/Schneider § 32 VVG Rn. 12. 3 Vgl. BGH 30.5.2012 – IV ZR 87/11, RuS 2012 435, 436 (zur Berufshaftpflichtversicherung für Architekten). 4 So auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 2. 5 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 3. 385
Koch
Ziff. 13 AHB 2016
Beitragsregulierung
erfolgen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme selbst kommt es dabei nicht an, sondern nur auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme im normalen Geschehenslauf. Die Veränderungsanzeige hat nach Ziff. 13.1 Satz 3 AHB innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung (§ 130 BGB) zu erfolgen. 4 Das bedeutet, dass die Anzeige dem VR innerhalb der Monatsfrist zugegangen sein muss, die rechtzeitige Absendung genügt nicht.6 Soweit es um die unterbliebene Anzeige geht, ist die praktische Bedeutung dieser Frage gering, da die nachteilige Folge (Nachzahlung in Höhe der für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Prämie) gem. Ziff. 13.3 Satz 3 AHB entfällt, wenn die Angaben innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung der erhöhten Prämie nachgeholt werden (Rn. 22). Ebenso wie bei der Aufforderung zur Anzeige eines neuen Risikos gem. Ziff. 4.1 (1) Satz 1 5 AHB ist auch hier zu verlangen, dass die Aufforderung nach der optischen Gestaltung an auffälliger Stelle erfolgt und so gedruckt ist, dass sie dem VN im Rahmen der gesamten Rechnung auffällt.7 Sie darf nicht auf der Rückseite oder zwischen anderen Hinweisen und Erläuterungen gleichsam „versteckt“ sein und muss auf die einzuhaltende Frist hinweisen (Ziff. 4 AHB Rn. 37). Auch hier stellt sich die Frage, ob der VR den VN über die Rechtsfolgen im Falle der Versäu6 mung der Anzeige oder unrichtiger Angaben belehren muss. Ebenso wie bei der Aufforderung zur Anzeige eines neuen Risikos ergibt sich eine solche Selbstverpflichtung des VR nicht aus der die Anzeigepflicht statuierenden Klausel. Da es bei Aufforderung zur Anzeige gem. Ziff. 13.1 Satz 2 AHB nicht um den Verlust/die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes geht, weil dieser durch die unterbliebene oder unrichtige Anzeige unberührt bleibt (Rn. 12 ff.), dürfte eine Hinweispflicht aus § 1a Abs. 1 Nr. 4, § 6 Abs. 4 VVG oder § 242 BGB zu verneinen sein.
D. Inhalt der Anzeige 7 Nicht jede Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist anzuzeigen. Der VR hat nur auf solche Mitteilungen einen Rechtsanspruch, die zu einer Prämienänderung führen. Abzustellen ist nach Ziff. 13.1 Satz 1 AHB auf Änderungen gegenüber denjenigen Angaben, die ursprünglich für die Prämienrechnung gemacht worden sind (also bei Vertragsschluss selbst oder aber bei der letzten Prämienregulierung). Zu den Faktoren, die bei der Prämienberechnung in der Betriebshaftpflichtversicherung eine Rolle spielen und folglich für eine Änderung bedeutsam sind, können beispielsweise die Zahl der Mitarbeiter, die Summe aller Gehälter oder der Jahresumsatz zählen. Maßgebend sind in erster Linie die Bestimmungen des zwischen den Parteien geschlosse8 nen Vertrages. Wird die im Voraus zu zahlende Prämie für die Haftpflichtversicherung des Inhabers eines Architekturbüros in der Weise berechnet, dass für jeden angestellten Architekten oder Bauingenieur ein besonderer Betrag zu zahlen ist, so stellt sich die Verringerung der Zahl der angestellten Architekten während der Versicherungsperiode als eine bereits vom Zeitpunkt der Verringerung an zu berücksichtigende Veränderung eines für die Bemessung der Prämie maßgeblichen Umstandes dar.8 Umgekehrt würde eine Erhöhung der Zahl der Mitarbeiter eine Prämienerhöhung nach sich ziehen. Gleiches gilt bei einem Anstieg der Jahreslohn- und Gehaltssumme, wenn sich die Prämie danach bestimmt.9 Nach Ziff. 13.1 Satz 3 AHB muss der VN auf Wunsch des VR die für eine Prämienanpassung relevanten Tatsachen nachweisen.10
6 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 3. 7 Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 3. 8 OLG Düsseldorf 9.3.1976 – 4 U 223/75, VersR 1977 1045. 9 Vgl. auch LG Berlin 9.12.2003 – 7 S 54/02, NJOZ 2004 1680, 1681. 10 Z.B. durch Vorlage von Geschäftsbüchern; vgl. OLG Köln 18.8.1998 – 9 U 27/98, RuS 1998 499, 500. Koch
386
E. Rechtsfolgen
Ziff. 13 AHB 2016
Im Übrigen darf und muss der Tarif des VR berücksichtigt werden, soweit nach den Umstän- 9 den des Einzelfalles zwischen den Parteien Einigkeit besteht oder nach Treu und Glauben bestehen musste, dass eine bestimmte Erweiterung prämienpflichtig sei, aber ausnahmsweise im Vertrag selbst eine Grundlage für die erforderliche Prämie nicht gefunden werden kann. Es ist im Einzelfall nach Treu und Glauben zu ermitteln, ob eine qualitative Gefahränderung, die nicht zugleich eine quantitative Veränderung (Erweiterung) des versicherten Risikos darstellt, eine Prämienerhöhung rechtfertigt. Dies wird im Allgemeinen zu verneinen sein,11 sodass insoweit auch keine Anzeigepflicht besteht.
E. Rechtsfolgen I. Ordnungsgemäße Anzeige Gem. Ziff. 13.2 Satz 1 AHB findet aufgrund der Änderungsmitteilung des VN oder sonstiger Fest- 10 stellungen eine Prämienregulierung statt. Für die Anpassung der Prämie ist kein Abänderungsvertrag erforderlich.12 Der VN braucht – bei Verringerung der Gefahr – auch keinen Antrag auf Ermäßigung der Prämie zu stellen, vielmehr muss der VR – wie sich aus der Formulierung „oder sonstiger Feststellungen“ ergibt – von sich aus die Prämie ermäßigen, wenn er aus anderen Quellen davon erfährt.13 Die Nachtragsprämie für erhöhte oder erweiterte Risiken ist Folgeprämie i.S.v. Ziff. 10 11 AHB.14 Vermindert sich die Prämie, bildet die Mindestprämie, die nach dem Tarif des VR zur Zeit des Vertragsschlusses galt, gem. Ziff. 13.2 Satz 2 AHB die Prämienuntergrenze. In der Zwischenzeit erfolgte Prämienangleichungen sind hinzuzurechnen.15
II. Verletzung der Anzeigepflicht 1. Unrichtige Angaben (Ziff. 13.1 S. 3 AHB) a) Verwirkung einer Vertragsstrafe. Macht der VN zulasten des VR unrichtige Angaben, be- 12 geht er eine Pflichtverletzung i.S.v. § 241 Abs. 1 BGB, die den VR grundsätzlich zum Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt. Der Schadensersatzanspruch ist jedoch nach Ziff. 13.1 Satz 4 AHB auf eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Prämienunterschiedes beschränkt.16 Auch insoweit handelt es sich bei Ziff. 13.1 Satz 4 AHB aus der Sicht des VN um eine abschließende Regelung. Entgegen R. Johannsen17 und Späte18 besteht deshalb kein Raum dafür, bei bewusst falschen Angaben die Vertragsstrafe auf einen etwa höher ausfallenden Schadensersatzanspruch des VR anzurechnen oder dem VR das Recht zur Kündigung einzuräumen. Keine Vertragsstrafe schuldet der VN, wenn er beweist (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass ihn an der Unrichtigkeit der Angaben kein Verschulden trifft.
11 Wussow § 8 Anm. 16. 12 BGH 24.1.1951 – II ZR 12/50, VersR 1951 76, 77 = NJW 1951 314, 316; Späte § 8 Rn. 18. 13 BGH 24.1.1951 – II ZR 12/50, VersR 1951 76, 77 = NJW 1951 314, 316 (Zerstörung des haftpflichtversicherten Gebäudes); Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 4; Späte § 8 Rn. 14. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 13 AHB Rn. 5; Frick VersR 1952 337. Späte § 8 Rn. 19; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 6. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 2; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 13 AHB Rn. 2. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. E 24. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 13; ihm folgend Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 13 AHB Rn. 2.
14 15 16 17 18
387
Koch
Ziff. 13 AHB 2016
Beitragsregulierung
13 b) Wirksamkeit der Vertragsstrafe. Im Schrifttum ist umstritten, ob die Höhe der Vertragsstrafe im Einzelfall ihrerseits unangemessen sein kann. Überwiegend wird die Wirksamkeit dieser Regelung ohne Einschränkung bejaht.19 Bereits R. Johannsen hat jedoch darauf hingewiesen, dass eine Vertragsstrafe in Höhe des dreifachen Prämienunterschiedes bei nur geringem Verschulden unter Umständen unangemessen sein könne.20 In diesen Fällen sei eine analoge Anwendung der Regelung, die für unterlassene Anzeigen gelte, geboten (dazu sogleich Rn. 20) oder die dreifache Differenzprämie vom Gericht nach § 343 BGB herabzusetzen.21 Gebauer will Vertragsstrafen nur bis zum Doppelten der Prämiendifferenz als angemessen akzeptieren.22 Der BGH hat diese Diskussion in seinem Urteil vom 30.5.2012 aufgegriffen. In jenem Verfah14 ren ging es um eine Klausel in einer Berufshaftpflichtversicherung für Architekten, die die Verletzung der Pflicht zu zutreffenden Angaben über die für die Prämienhöhe maßgeblichen Honorarumsätze durch eine Vertragsstrafe in Höhe des fünffachen Betrages der daraus folgenden Prämiendifferenz sanktionierte. Der BGH hat die Vertragsstrafenregelung als unangemessen und deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 unwirksam angesehen.23 Er ist dabei auch auf die Höhe der Vertragsstrafe in den AHB zu sprechen gekommen, hat es im Ergebnis jedoch dahinstehen lassen, ob der dreifache Betrag bereits eine unangemessene Benachteiligung begründet.24 Schimikowski hat in seiner Anmerkung zu diesem Urteil die Neuordnung der Sanktionen bei Obliegenheitsverletzungen aufgegriffen und es als problematisch bezeichnet, dass die Vertragsstrafe dem VN bereits bei einfacher Fahrlässigkeit auferlegt werden könne.25 Gegen die Heranziehung der Sanktionsregelungen bei Obliegenheitsverletzungen bestehen 15 dogmatische Bedenken, da es bei der Prämienanpassung wegen Risikoveränderungen nicht um den Anspruch des VN auf die Versicherungsleistung geht. Insoweit lassen sich die Überlegungen, die den Gesetzgeber dazu veranlasst haben, diesen Anspruch bei nur leicht fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzungen nicht zu kürzen, nicht auf die Verletzung einer Vertragspflicht, die diesen Anspruch völlig unberührt lässt, fruchtbar machen. Hält man die Vertragsstrafe in Höhe des dreifachen Prämienunterschiedes für unangemessen, dürfte die von R. Johannsen ins Spiel gebrachte analoge Anwendung der Heilungsregelung in Ziff. 13.3 Satz 3 AHB auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinauslaufen. Es stellt sich dann nur die Frage, ob die Möglichkeit der Herabsetzung gem. § 343 BGB eine andere rechtliche Bewertung rechtfertigt. Da der Grad des Verschuldens des Schuldners vom Gericht bei der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist,26 wäre der Schuldnerschutz gewährleistet. 16 Der Berücksichtigung des § 343 BGB steht jedoch entgegen, dass diese Norm auf Individualvereinbarungen zugeschnitten ist27 und nur bei verwirkten, also wirksam vereinbarten Vertragsstrafen eingreifen kann.28 Gegen die Berücksichtigung der Möglichkeit, die Vertragsstrafe auf Antrag durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabzusetzen, spricht zudem, dass eine solche Herabsetzung bei Kaufleuten wegen § 348 HGB nicht in Betracht kommen würde29 und deshalb bei der Prüfung der Angemessenheit außer Betracht bleiben müsste. Dies würde zu dem wertungsmäßig nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass ein Nichtkaufmann schlechter gestellt
19 So Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 § 8 AHB Rn. 3; Littbarski AHB § 8 Rn. 36 ff.; Schirmer/Marlow VersR 1997 782, 791. 20 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. E 22; ihm folgend Späte § 8 Rn. 16. 21 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 3. 22 Gebauer NVersZ 2000 7, 12. 23 BGH 30.5.2012 – IV ZR 87/11, RuS 2012 435, 436; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 9. 24 BGH 30.5.2012 – IV ZR 87/11, RuS 2012 435, 436. 25 Schimikowski RuS 2012 435, 437. 26 Vgl. MüKoBGB/Gottwald § 343 Rn. 18; Staudinger/Rieble (2020) § 343 Rn. 116. 27 BGH 18.11.1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983 385, 387; BGH 12.3.1981 – VII ZR 293/79, NJW 1981 1509, 1510. 28 OLG Köln 15.6.2010 – 19 U 53/10, BeckRS 2011 04593; OLG München 13.12.1995 – 7 U 5432/95, NJW-RR 1996 1181, 1182. 29 BGH 12.3.1981 – VII ZR 293/79, NJW 1981 1509, 1510. Koch
388
E. Rechtsfolgen
Ziff. 13 AHB 2016
wird als ein Vollkaufmann, da bei ersterem die Vertragsstrafe lediglich herabgesetzt würde, während letzterer mangels wirksamer Klausel nichts zu zahlen hätte.30 Im Hinblick darauf, dass Vertragsstrafenvereinbarungen trotz ihrer Druck- und Kompensati- 17 onsfunktion auch die Interessen des Vertragspartners ausreichend berücksichtigen müssen31 und ihre Höhe deshalb nicht außer Verhältnis zu dem möglichen Schaden geraten darf, der durch das mit der Vertragsstrafe sanktionierte Verhalten des Kunden ausgelöst wird,32 sind die VR gut beraten, die Vertragsstrafenklausel in Ziff. 13.1 Satz 2 AHB einer Revision zu unterziehen. In Betracht käme eine Regelung, die an den Grad des Verschuldens anknüpft. Vorzugswürdig scheint jedoch die Aufnahme einer Regelung, wie sie Ziff. 13.3 AHB für unterlassene Anzeigen vorsieht (dazu sogleich Rn. 20).
c) Weitere Einzelheiten. Da es sich um eine echte Vertragspflicht des VN handelt, hat dieser 18 nicht nur für das Verschulden seiner Repräsentanten, sondern auch für das seiner (sonstigen) Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB einzustehen.33 Die Vertragsstrafe scheitert nicht an § 309 Nr. 6 BGB, da keiner der dort genannten Fälle einschlägig ist.34 Neben der Vertragsstrafe kann der VR seinen Auskunftsanspruch im Wege der Klage 19 durchsetzen und im Anschluss daran, den sich aus dem Vertrag ergebenden Zahlungsanspruch durchsetzen (Rn. 2).
2. Unterlassene Anzeige (Ziff. 13.3 AHB) a) Vertragsstrafe. Unterlässt der VN die nach Ziff. 13.1 Satz 1 AHB vorgesehene Mitteilung in- 20 nerhalb der Monatsfrist, bestimmt Ziff. 13.3 Satz 1 AHB, dass der VR für den Zeitraum, für den die Angaben zu machen waren, eine Nachzahlung in Höhe der für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Prämie verlangen kann. Auch bei diesem Anspruch handelt es sich um eine Vertragsstrafe, obgleich die Nachzahlung nicht als solche bezeichnet wird.35 Deshalb ist auch hier ein Verschulden des VN erforderlich. § 309 Nr. 6 BGB steht wiederum nicht entgegen.36 Zutreffend ordnet Lücke die Nachzahlung nicht als pauschalierten Ersatz von Mehraufwendungen ein,37 sondern als eine Mehrprämie für vermutete Risikoerhöhung, die bei Nachmeldung zu korrigieren ist, ohne dass etwaige Mehraufwendungen zu berücksichtigen seien.38 Anders als bei Ziff. 13.1 Satz 4 AHB bestehen gegen die Wirksamkeit dieser Regelung keine Bedenken. Ziff. 13.3 Satz 1 AHB ist ein typischer Fall des § 340 BGB. Der VR hat ein Wahlrecht: Er 21 kann entweder seinen Anspruch auf Auskunftserteilung (und danach den Zahlungsanspruch) durchsetzen oder aber sich mit einer um 100 % erhöhten Prämie begnügen. Im letzteren Falle kann er daneben nicht das Prämienregulierungsverfahren nach Ziff. 13.2 AHB betreiben und einen etwa noch darüber hinausgehenden Anspruch durchsetzen.39
30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 389
Vgl. OLG Hamm 1.12.1983 – 18 U 99/83, MDR 1984 404. Vgl. BGH 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153 311, 324 f. BGH 7.5.1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997 3233, 3234. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 13 Rn. 10. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 3. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 13 AHB Rn. 4; Wussow § 8 Anm. 27. Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 6; Hansen VersR 1988 1110, 1113. Zweifelnd Martin VersR 1984 1107, 1111. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 13 Ziff. 13 Rn. 6. Wussow § 8 Anm. 27. Koch
Ziff. 13 AHB 2016
Beitragsregulierung
22 b) Wegfall der Vertragsstrafe. Holt der VN innerhalb der nach Ziff. 13.3 Satz 3 AHB vorgesehenen Frist von zwei Monaten die von ihm geforderten Angaben nach, entfällt der Anspruch auf die Vertragsstrafe. Der VR hat die zu viel gezahlte Prämie zu erstatten. Er kann nunmehr auch wieder einen über die in Ziff. 13.3 Satz 1 AHB vorgesehene Grenze hinausgehenden Prämienanspruch geltend machen. Der Fall ist so zu behandeln, als wäre die Anzeige nach der Aufforderung ordnungsgemäß erstattet worden.
III. Keine Unwirksamkeit von Ziff. 13 AHB gem. § 32 VVG 23 Es bestehen weder gegen die Ausgestaltung der Mitteilungspflichten als echte Rechtspflicht noch gegen die Rechtsfolgenregelung im Hinblick auf eine mögliche Umgehung von § 32 VVG Wirksamkeitsbedenken, da Ziff. 13 AHB auch unter Berücksichtigung der Vertragsstrafenregelungen bei einer Saldierung von Vor- und Nachteilen im Vergleich zu §§ 23 ff. VVG die günstigere Regelung ist (vgl. § 3 AHB Rn. 14 f.).
Koch
390
Ziff. 14 AHB 2016
Ziff. 14 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung AHB 2016
AHB 1999
Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 14 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
§ 8 Beitragszahlung, Beitragsregulierung, Beitragsangleichung, Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages hat der VR, soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, nur Anspruch auf den Teil des Beitrages, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat.
IV. Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages hat der VR, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, nur Anspruch auf den Teil des Beitrages, der der abgelaufenen Vertragszeit entspricht.
Ziff. 14 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 8 IV Satz 1 AHB a.F. und entspricht § 39 Abs. 1 Satz 1 1 VVG. Der Einschub „soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist“ bezieht sich auf die in § 39 Abs. 1 Satz 2 VVG genannten Fälle des Rücktritts nach § 19 VVG und der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 22 VVG i.V.m. § 123 BGB) sowie auf den Rücktritt wegen Erst-/ Einmalprämienverzugs gem. § 37 Abs. 1 VVG. In den beiden erstgenannten Konstellationen steht dem VR die Prämie bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu, im letztgenannten Fall kann der VR eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen.
391 https://doi.org/10.1515/9783110522686-019
Koch
Ziff. 15 AHB 2016
Ziff. 15 Beitragsangleichung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 15 Beitragsangleichung
§ 8 Beitragszahlung, Beitragsregulierung, Beitragsangleichung, Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
15.1 1Die Versicherungsbeiträge unterliegen der Beitragsangleichung. 2Soweit die Beiträge nach Lohn-, Bau- oder Umsatzsumme berechnet werden, findet keine Beitragsangleichung statt. 3 Mindestbeiträge unterliegen unabhängig von der Art der Beitragsberechnung der Beitragsangleichung.
III. 5. Soweit der Folgejahresbeitrag nach Lohn-, Bauoder Umsatzsumme berechnet wird, findet keine Beitragsangleichung statt.
15.2 1Ein unabhängiger Treuhänder ermittelt jährlich mit Wirkung für die ab dem 1. Juli fälligen Beiträge, um welchen Prozentsatz sich im vergangenen Kalenderjahr der Durchschnitt der Schadenzahlungen aller zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen VR gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht oder vermindert hat. 2Den ermittelten Prozentsatz rundet er auf die nächst niedrigere, durch fünf teilbare ganze Zahl ab. 3 Als Schadenzahlungen gelten dabei auch die speziell durch den einzelnen Schadenfall veranlassten Ausgaben für die Ermittlung von Grund und Höhe der Versicherungsleistungen. 4 Durchschnitt der Schadenzahlungen eines Kalenderjahres ist die Summe der in diesem Jahr geleisteten Schadenzahlungen geteilt durch die Anzahl der im gleichen Zeitraum neu angemeldeten Schadenfälle.
III. 1. 1Ein unabhängiger Treuhänder ermittelt zum 1. Juli eines jeden Jahres, um welchen Prozentsatz sich der Durchschnitt der Schadenszahlungen, welche die zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen VR im vergangenen Kalenderjahr geleistet haben, gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht oder vermindert hat. 2Den ermittelten Prozentsatz rundet er auf die nächstniedrigere, durch fünf teilbare ganze Zahl ab. 3 Als Schadenszahlungen gelten auch die speziell durch den einzelnen Schadensfall veranlaßten Ausgaben für die Schadensermittlung, die aufgewendet worden sind, um die Versicherungsleistungen dem Grunde und der Höhe nach festzustellen. 4 Als Durchschnitt der Schadenszahlungen eines Kalenderjahres gilt die Summe der in diesem Jahr geleisteten Schadenszahlungen, geteilt durch die Anzahl der im gleichen Zeitraum neu angemeldeten Schadensfälle.
15.3 1Im Falle einer Erhöhung ist der VR berechtigt, im Falle einer Verminderung verpflichtet, den Folgejahresbeitrag um den sich aus Ziff. 15.2 ergebenden Prozentsatz zu verändern (Beitragsangleichung). 2Der veränderte Folgejahresbeitrag wird dem VN mit der nächsten Beitragsrechnung bekannt gegeben. 3 Hat sich der Durchschnitt der Schadenzahlungen des VR in jedem der letzten fünf Kalenderjahre um einen geringeren Prozentsatz als denjenigen erhöht, den der Treuhänder jeweils für diese Jahre nach Ziff. 15.2 ermittelt hat, so darf der VR den Folgejahresbeitrag nur um den Prozentsatz erhöhen, um den sich der Durchschnitt seiner Schadenzahlungen nach seinen unternehmenseigenen Zahlen im letzten Kalenderjahr erhöht hat; diese Erhöhung darf diejenige nicht überschreiten, die sich nach dem vorstehenden Absatz ergeben würde.
III. 2. 1Im Falle einer Erhöhung ist der VR berechtigt, im Falle einer Verminderung verpflichtet, den Folgejahresbeitrag um den sich aus Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 ergebenden Prozentsatz zu verändern (Beitragsangleichung). 2 Hat sich der Durchschnitt der Schadenszahlungen des VR in jedem der letzten fünf Kalenderjahre um einen geringeren Prozentsatz als denjenigen erhöht, den der Treuhänder jeweils für diese Jahre nach Ziff. 1 Abs. 1 Satz 1 ermittelt hat, so darf der VR den Folgejahresbeitrag nur um den Prozentsatz erhöhen, um den sich der Durchschnitt seiner Schadenszahlungen nach seinen unternehmenseigenen Zahlen im letzten Kalenderjahr erhöht hat; diese Erhöhung darf diejenige nicht überschreiten, die sich nach dem vorstehenden Absatz ergeben würde.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-020
392
Beitragsangleichung
Ziff. 15 AHB 2016
AHB 2016
AHB 1999
15.4 1Liegt die Veränderung nach Ziff. 15.2 oder 15.3 unter 5 Prozent entfällt eine Beitragsangleichung. 2 Diese Veränderung ist jedoch in den folgenden Jahren zu berücksichtigen.
III. 3. 1Liegt die Veränderung nach Ziff. 1 Abs. 1 oder Ziff. 2 Abs. 2 unter 5 Prozent, so entfällt eine Beitragsangleichung. 2Diese Veränderung ist jedoch in den folgenden Jahren zu berücksichtigen.
Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung 15. Beitragsangleichung 15.1 1Die Versicherungsbeiträge unterliegen der Beitragsangleichung. Soweit die Beiträge nach Lohn-, Bau- oder Umsatzsumme berechnet werden, findet keine Beitragsangleichung statt. 2Mindestbeiträge unterliegen unabhängig von der Art der Beitragsberechnung der Beitragsangleichung. 3Sie wird jeweils ab Beginn desjenigen Versicherungsjahres wirksam, das ab dem 1. Juli beginnt. 15.2 1Ein unabhängiger Treuhänder ermittelt jährlich mit Wirkung für die Beiträge der ab dem 1. Juli beginnenden Versicherungsjahre, um welchen Prozentsatz sich im vergangenen Kalenderjahr der Durchschnitt der Schadenzahlungen aller zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen VR gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht oder vermindert hat. 2Den ermittelten Prozentsatz rundet er auf die nächst niedrigere, durch fünf teilbare ganze Zahl ab. 3Als Schadenzahlungen gelten dabei auch die speziell durch den einzelnen Schadenfall veranlassten Ausgaben für die Ermittlung von Grund und Höhe der Versicherungsleistungen. 4Durchschnitt der Schadenzahlungen eines Kalenderjahres ist die Summe der in diesem Jahr geleisteten Schadenzahlungen geteilt durch die Anzahl der im gleichen Zeitraum neu angemeldeten Schadenfälle. 15.3 1Im Falle einer Erhöhung ist der VR berechtigt, im Falle einer Verminderung verpflichtet, die Folgebeiträge um den sich aus Ziff. 15.2 ergebenden Prozentsatz zu verändern (Beitragsangleichung). 2Der veränderte Folgebeitrag wird dem VN mit der Beitragsrechnung bekannt gegeben. 3Hat sich der Durchschnitt der Schadenzahlungen des VR in jedem der letzten fünf Kalenderjahre um einen geringeren Prozentsatz als denjenigen erhöht, den der Treuhänder jeweils für diese Jahre nach Ziff. 15.2 ermittelt hat, so darf der VR die Folgebeiträge nur um den Prozentsatz erhöhen, um den sich der Durchschnitt seiner Schadenzahlungen nach seinen unternehmenseigenen Zahlen im letzten Kalenderjahr erhöht hat; diese Erhöhung darf diejenige nicht überschreiten, die sich nach dem vorstehenden Absatz ergeben würde. 15.4 Liegt die Veränderung nach Ziff. 15.2 oder 15.3 unter 5 Prozent, entfällt eine Beitragsangleichung. Diese Veränderung ist jedoch in den folgenden Jahren zu berücksichtigen.
393
Koch
Ziff. 15 AHB 2016
Beitragsangleichung
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 15 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 8 III AHB 1999. Neu hinzugekommen ist die Regelung über die Anhebung der Mindestbeiträge in Ziff. 15.1 Satz 3 AHB. Die Regelung bezweckt, den Beitragsbedarf des VR an die Entwicklung der Schadenskosten anzupassen. Die bei echter unterjähriger Beitragszahlung vorgesehene alternative Regelung weicht nur insoweit von Ziff. 15 AHB ab, als dort nach Ziff. 15.1 Satz 3 AHB die Beitragsberechnung jeweils ab Beginn desjenigen Versicherungsjahres wirksam wird, das ab dem 1. Juli beginnt, und Ziff. 15.3 AHB keine Beitragsanpassung für ein (ganzes) Versicherungsjahr vorsieht.
B. Einzelheiten 2 Ziff. 15.1 Satz 1 AHB sieht vor, dass die Versicherungsprämien der Anpassung unterliegen. Eine solche Klausel ist grundsätzlich zulässig.1 Keine Anpassung findet nach Ziff. 15.1 Satz 2 AHB statt für Haftpflichtversicherungsverträge, bei denen die Folgejahresprämien nach der Lohn-, Bau- oder Umsatzsumme berechnet werden. Da hier ohnedies eine laufende Anpassung an die sich ändernden wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt, ist eine Korrektur nicht erforderlich. Wird eine Prämie nach dem jeweiligen Jahresbruttomietwert berechnet, liegt i.S.d. Ziff. 15.1 Satz 2 AHB ebenfalls eine Umsatzprämie vor, sodass daneben nicht auch noch eine Erhöhung nach Ziff. 15.3 AHB in Betracht kommt.2 Anders liegt der Fall, wenn der Jahresbruttomietwert bei Vertragsschluss als Beitragsbemessungsgrundlage dient, weil er dann einem tariflichen Festbeitrag gleichzustellen ist.3 3 Nach Ziff. 15.2 Satz 1 AHB sind die VR zur Anpassung der Folgejahresprämie berechtigt bzw. verpflichtet, wenn sich im vergangenen Kalenderjahr der Durchschnitt der Schadenszahlungen aller zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen VR gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht bzw. vermindert hat. Im Ausgangspunkt ist somit nicht die Schadensquote des jeweiligen VR, sondern die der gesamten Branche maßgeblich.4 Die Erhöhung/ Verminderung ist von einem unabhängigen Treuhänder zu ermitteln. 4 Der vom Treuhänder ermittelte Veränderungswert wird gem. Ziff. 15.2 Satz 2 AHB auf die nächst kleinere durch 5 teilbare ganze Zahl gerundet (Beispiel: Bei Erhöhung um 8 % erfolgt Abrundung auf 5 %). Hat sich der Durchschnitt der Schadenszahlungen um mind. 5 % erhöht, kann der VR die Prämie nach Ziff. 15.3 Satz 1 erhöhen. Etwas anderes gilt nach Ziff. 15.3 Satz 3 AHB dann, wenn sich der Durchschnitt der Schadenszahlungen des VR in jedem der letzten fünf Kalenderjahre um einen geringeren Prozentsatz als denjenigen erhöht hat, den der Treuhänder jeweils für diese Jahre nach Ziff. 15.2 AHB ermittelt hatte. In diesem Fall darf der VR den Folgejahresbeitrag nur um den Prozentsatz erhöhen, um den sich der Durchschnitt seiner Schadenszahlungen nach seinen unternehmenseigenen Zahlen im letzten Kalenderjahr erhöht hat. Insoweit ist die unternehmensindividuelle Entwicklung bei den Schadenszahlungen maßgeblich. Soweit der VR nach Ziff. 15.3 AHB die Prämie um mind. 5 % erhöht hat (ohne den Umfang des Versicherungsschutzes zu erweitern), ist der VN nach Ziff. 18 Satz 1 AHB zur Kündigung berechtigt. Liegt der Veränderungswert um mindestens 5 % niedriger, muss der VR die Prämie reduzieren. Liegt der Veränderungwert unter 5 %, entfällt eine Prämienangleichung. Die Veränderung (Erhöhung, Reduktion) wird nach Ziff. 15.4 AHB in den folgenden Jahren berücksichtigt. 5 Gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen keine Bedenken. Dass Prämienerhöhungen grundsätzlich zulässig sind, folgt aus § 40 VVG. Unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten ist es 1 BVerwG 14.10.1980 – 1 A 12.78, VersR 1981 221, 225 bzgl. der Rechtsschutzversicherung. 2 Vgl. AG Homburg-Saar 25.10.1967 – 4 C 156/67, VA 1968 246 = VersR 1969 49; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 15 Rn. 10. 3 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 15 Rn. 11. 4 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 15 Rn. 6. Koch
394
B. Einzelheiten
Ziff. 15 AHB 2016
unbedenklich, dass die Erhöhung an den Durchschnitt aller Schadenszahlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums anknüpft, solange der VR spiegelbildlich auch zur Reduktion verpflichtet ist, falls sich die Zahlungen verringern.5 Das vertragliche Äquivalenzverhältnis bleibt auf diese Weise gewahrt.6 Dies wird durch die in Ziff. 15.3 Satz 3 AHB vorgesehene Korrektur der Branchenwerte durch unternehmenseigene Zahlen sichergestellt. Der VN wird auch nicht etwa dadurch unangemessen benachteiligt, dass er am Verfahren zur Bestellung des Treuhänders, zu dem er durch Abschluss des Versicherungsvertrages formularmäßig seine Zustimmung erteilt hat, nicht mitwirkt.7 Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob der VR selbst aufgrund eigener Kalkulation und ohne Beteiligung des VN den Durchschnitt der Schadenszahlungen ermittelt oder einen Dritten beauftragt, dies für ihn zu tun. Der VN ist durch die Einräumung eines Kündigungsrechts ausreichend geschützt.
5 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 15 Ziff. 15, Abs. 15_1 Rn. 2; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 15 AHB Rn. 1; Littbarski AHB § 9 Ziff. 55; Beckmann VersR 1996 540, 542. 6 Vgl. BGH 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008 2172, 2173 – zu Preisänderungsklauseln bei Gaslieferungsverträgen. 7 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 15 Rn. 14. 395
Koch
Ziff. 16 AHB 2016
Ziff. 16 Dauer und Ende des Vertrages AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 16 Dauer und Ende des Vertrages
§ 9 Vertragsdauer, Kündigung, Betriebsübergang, Wegfall des versicherten Risikos, Doppelversicherung
16.1 Der Vertrag ist für die im Versicherungsschein angegebene Zeit abgeschlossen.
I. 1. Der Vertrag ist für die im Versicherungsschein angegebene Zeit abgeschlossen.
16.2 Bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr, wenn nicht dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf der jeweiligen Vertragsdauer eine Kündigung zugegangen ist.
2. Bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr, wenn nicht dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres eine Kündigung zugegangen ist.
16.3 Bei einer Vertragsdauer von weniger als einem Jahr endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zum vorgesehenen Zeitpunkt.
3. Bei einer Vertragsdauer von weniger als einem Jahr endet der Vertrag, ohne daß es einer Kündigung bedarf, zum vorgesehenen Zeitpunkt.
16.4 Bei einer Vertragsdauer von mehr als drei Jahren kann der VN den Vertrag zum Ablauf des dritten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres kündigen; die Kündigung muss dem VR spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Jahres zugegangen sein
II. 6. Bei einer Vertragsdauer von mehr als fünf Jahren kann der Vertrag schon zum Ablauf des fünften Jahres oder jedes darauffolgenden Jahres gekündigt werden; die Kündigung muß dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres zugegangen sein.
Übersicht II.
Verlängerungsklausel (Ziff. 16.2 AHB)
3
Einzelheiten
III.
Unterjähriger Vertrag (Ziff. 16.3 AHB)
5
Vertrag auf bestimmte Zeit (Ziff. 16.1 2 AHB)
IV.
Längerfristiger Vertrag (Ziff. 16.4 AHB)
A.
Inhalt und Zweck
B. I.
1
6
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 16 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 9 I und § 9 II Ziff. 6 AHB 1999. Sie ist zuletzt mit Rücksicht auf § 11 Abs. 4 VVG im Jahre 2007 angepasst worden. Ziff. 16 AHB betrifft die Vertragsdauer (Zeitraum vom Abschluss bis zur Beendigung des Vertrages, sog. formeller Versicherungszeitraum).
B. Einzelheiten I. Vertrag auf bestimmte Zeit (Ziff. 16.1 AHB) 2 Ziff. 16.1 AHB betrifft Verträge, die auf bestimmte Zeit geschlossen sind. Dieser Regelung kommt kein eigenständiger Regelungsgehalt zu.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-021
396
B. Einzelheiten
Ziff. 16 AHB 2016
II. Verlängerungsklausel (Ziff. 16.2 AHB) Die Verlängerungsklausel gem. Ziff. 16.2 AHB entspricht den zeitlichen Vorgaben nach § 11 3 Abs. 1 und 3 VVG. Zur Wahrung der Kündigungsfrist muss die Kündigung innerhalb der DreiMonatsfrist zugegangen sein. Die Kündigung bedarf nicht der Schriftform (vgl. Ziff. 29.1 AHB). Der VR ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Kündigung zu bestätigen.1 Kündigt der VN verspätet (z.B. weil die Kündigung zum Jahresende dem VR erst Anfang 4 Oktober zugeht), ist die Kündigung in eine solche zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum Ende des Folgejahres, umzudeuten (§ 140 BGB).2 Darüber hinaus wird man den VR in den Fällen, in denen die Kündigung zwar rechtzeitig erklärt (z.B. mit Schreiben vom 28.9.), jedoch nicht rechtzeitig (z.B. erst am 2.10.) beim VR zugegangen ist, als nach § 6 Abs. 4 VVG oder § 241 Abs. 2 BGB (ggf. i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 4 VVG) verpflichtet ansehen, den VN auf den verspäteten Zugang hinzuweisen, damit der VN, der nur deshalb kündigt, weil er den VR wechseln will, keine Nachteile erleidet.
III. Unterjähriger Vertrag (Ziff. 16.3 AHB) Bei unterjährigen Verträgen bedarf es nach Ziff. 16.3 AHB keiner Kündigung. Rechtliche Beden- 5 ken hiergegen bestehen nicht.
IV. Längerfristiger Vertrag (Ziff. 16.4 AHB) Ziff. 16.4 AHB betrifft Verträge mit mehrjähriger Laufzeit. Die Regelung entspricht § 11 Abs. 4 6 VVG, so dass auf die Kommentierung zu § 11 VVG verwiesen werden kann.
1 OLG Schleswig 11.10.1995 – 16 W 222/95, RuS 1996 425 = VersR 1997 178. 2 Bruck/Möller/K. Johannsen/Koch § 11 VVG Rn. 43; Prölss/Martin/Armbrüster § Vorbem. § 11 Rn. 28; Langheid/ Wandt/Fausten § 11 Rn. 139; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 16 Rn. 13; vgl. auch ÖOGH 1.10.2003 – 7 Ob 210/03p VersR 2004 1627, 1628. 397
Koch
Ziff. 17 AHB 2016
Ziff. 17 Wegfall des versicherten Risikos AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 17 Wegfall des versicherten Risikos
§ 9 Vertragsdauer, Kündigung, Betriebsübergang, Wegfall des versicherten Risikos, Doppelversicherung
1
IV. Wenn versicherte Risiken vollständig und dauernd in Wegfall kommen, so erlischt die Versicherung bezüglich dieser Risiken.
Wenn versicherte Risiken vollständig und dauerhaft wegfallen, so erlischt die Versicherung bezüglich dieser Risiken. 2Dem VR steht der Beitrag zu, den er hätte erheben können, wenn die Versicherung dieser Risiken nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem er vom Wegfall Kenntnis erlangt.
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 17 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 9 IV AHB 1999. Die Klausel behandelt die Folgen des Wegfalls des versicherten Risikos für den Bestand des Versicherungsvertrags und die Prämienzahlungspflicht. Nach Ziff. 17 AHB erlischt die Versicherung und reduziert sich die Prämienschuld auf den Betrag, den der VR hätte beanspruchen können, wenn die Laufzeit von vornherein beschränkt gewesen wäre.
B. Vollständiger und dauerhafter Wegfall des versicherten Risikos (Ziff. 17 Satz 1 AHB) 2 Die Klausel entspricht § 80 Abs. 2 VVG, weshalb ergänzend auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Zwar spricht Ziff. 17 AHB nicht vom versicherten Interesse, sondern vom versicherten Risiko. Jedoch tritt das versicherte Risiko in der Haftpflichtversicherung, bei der es an einer besonderen Beziehung zu einem Bestandteil des Aktivvermögens (Sachen, Forderungen und sonstigen Rechten) fehlt, an die Stelle des Aktivguts als Anknüpfungspunkt für das versicherte Interesse (Einleitung Rn. 6). Im Übrigen ist auch nach § 80 Abs. 2 VVG ein vollständiger und dauerhafter Wegfall des Interesses des VN erforderlich.1 In der Kfz-Haftpflichtversicherung entfällt das Interesse, wenn das versicherte Kfz seine 3 Eigenschaft als Fortbewegungsmittel vollständig verloren hat.2 Das nur vorübergehende Ausdem-Verkehr-Ziehen und Abmelden reicht hingegen nicht aus.3 Erforderlich ist eine vollständige technische Zerstörung.4 In der Sportboothaftpflichtversicherung liegt nach Ansicht des AG Meldorf ein Interessewegfall nach dem Sinken eines Bootes vor, wenn auf das Wiederfinden oder die Wiederbeschaffung praktisch keine Aussicht mehr besteht.5 Die bloß geringere Wahr1 BGH 8.6.1988 – IVa ZR 100/87, VersR 1988 925, 926; OLG Hamm 5.12.1997 – 20 U 126/97, VersR 1999 50; OLG Hamm 12.6.1974 – 20 U 335/73, VersR 1975 174, 175; LG Saarbrücken 19.2.2004 – 2 S 225/03, VersR 2004 773, 774; Prölss/Martin/Armbrüster § 80 VVG Rn. 9; Langheid/Wandt/Halbach § 80 VVG Rn. 6. 2 LG Saarbrücken 19.2.2004 – 2 S 225/03, VersR 2004 773. 3 BGH 27.5.1981 – IVa ZR 52/80, VersR 1981 921, 922; BGH 22.9.1958 – II ZR 87/57, BGHZ 28 137, 140 = VersR 1958 749. 4 BGH 14.11.1960 – II ZR 253/58, VersR 1960 1107, 1108; OLG Saarbrücken 14.11.2001 – 5 U 267/01–20, NVersZ 2002 124, 125; KG 16.1.2001 – 6 U 4248/99, NVersZ 2001 426; OLG Hamm 30.6.1993 – 20 U 372/92, VersR 1994 802. 5 AG Meldorf 8.2.1989 – 31 C 435/88, VersR 1989 1144 (Ls.). Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-022
398
B. Vollständiger und dauerhafter Wegfall
Ziff. 17 AHB 2016
scheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles genügt dagegen nicht.6 So führt die Zerstörung des Hauses nicht zum Wegfall des versicherten Risikos in der Haus- und GrundbesitzerHaftpflichtversicherung, sondern nur zu einer Minderung des Risikos und des Beitrags nach Ziff. 13.2 AHB.7 Im Übrigen entfällt bei sachbezogenen versicherten Risiken wie z.B. bei der Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung oder Tierhalterhaftpflichtversicherung das versicherte Risiko nicht mit dem Tod des VN. Von einem vollständigen und dauerhaften Wegfall des versicherten Risikos lässt sich nur dann sprechen, wenn dem VN keine Haftung mehr aus der betrieblichen/beruflichen/privaten Tätigkeit oder Eigenschaft droht, an die das Risiko geknüpft war.8 Im Hinblick darauf, dass der Versicherungsfall nach Ziff. 1.1 Satz 2 AHB nicht an die haftungsbegründende Handlung, sondern den Eintritt des Schadens anknüpft, liegt ein Risikowegfall somit nicht bereits mit der Aufgabe einer bestimmten versicherten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit oder Eigenschaft oder mit dem Tod des VN vor, sondern erst dann, wenn eine Inanspuchnahme des VN oder seiner Rechtsnachfolger, die in die Rechte und Pflichten des Versicherungsvertrages eingetreten sind, ausgeschlossen ist.9 Abzulehnen ist deshalb der in der Literatur vertretene Ansatz, beim Tod des VN zwischen personen- und sach-/unternehmensbezogenen Risiken zu unterscheiden und für personengebundene Versicherungen einen Risikofortfall anzunehmen.10 Personengebundene Risiken, bei denen die Haftpflicht an ein Verhalten des VN anknüpft (z.B. Privat- und Berufshaftpflichtversicherung), kommen nicht bereits mit dem Tod des VN vollständig und dauernd in Wegfall, sondern erst dann, wenn die zum Risiko gehörenden laufenden Angelegenheiten, aus denen noch Haftpflichtansprüche entstehen können, abgewickelt sind.11 Begeht der VN etwa Selbstmord durch Leuchtgas und löst ein Nachbar durch Betätigen des Lichtschalters eine Explosion aus, besteht für die Haftpflichtansprüche des Nachbarn gegen die Erben des VN Deckung.12 Die Einstellung eines Betriebs führt ebenfalls nicht ohne Weiteres zum Erlöschen der Betriebshaftpflichtversicherung.13 Werden in einem Versicherungsvertrag verschiedene Risiken versichert, erlischt nur der Versicherungsschutz gegen das Risiko, das weggefallen ist (vgl. Ziff. 13.2 AHB).14 Ebenso wenig erlischt die Versicherung, wenn neue Risiken an die Stelle weggefallener Risiken treten. In diesem Fall besteht Versicherungsschutz für die neuen Risiken nach Maßgabe der Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB). Die Versicherung erlischt des Weiteren nicht in den Fällen, in denen ein Vertragsübergang stattfindet. So liegt der Fall bei der Unternehmensveräußerung gem. § 102 Abs. 2 VVG und bei der Veräußerung sachbezogener Haftpflichtversicherungen (§ 95 VVG),15 z.B. der Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung, Gewässerschaden-Haftpflichtversicherung, Tierhalter-Haftpflichtversicherung, Sportboothaftpflichtversicherung. Sind nicht nur die persönlichen Risiken des VN versichert, sondern auch die Risiken Dritter, erlischt der Versicherungsvertrag gleichwohl, soweit nicht eine Fortsetzung mit den versicherten Dritten vertraglich vorgesehen ist. Letzteres ist der Fall in der Privathaftpflichtversicherung. Nach 6 Langheid/Wandt/Halbach § 80 VVG Rn. 6. 7 Vgl. BGH 24.1.1951 – II ZR 12/50, VersR 1951 76 = NJW 1951 314, 315. 8 Prölss/Martin/Armbrüster § 80 VVG Rn. 17; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 13. 9 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 17 Ziff. 17 Rn. 4. 10 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 5 ff. 11 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 17 AHB Rn. 3; Littbarski AHB § 9 Rn. 54. 12 Ebenso Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 17 Ziff. 17 Rn. 4; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 7, 10; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 17 AHB Rn. 1. 13 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 17 Ziff. 17 Rn. 4; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 17 AHB Rn. 2: Nachhaftungsversicherung erforderlich. 14 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 2; Wussow § 1 Anm. 15; Kuwert Rn. 9036. 15 So ausdrücklich BTDrucks. 16/3945 S. 84; Prölss/Martin/Armbrüster § 95 Rn. 3; Langheid/Wandt/Reusch § 95 Rn. 28 f. (analoge Anwendung von § 95 VVG); a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 4; Littbarski AHB § 9 Rn. 53. 399
Koch
4
5
6
7
Ziff. 17 AHB 2016
Wegfall des versicherten Risikos
Ziff. 5.3 BBR PHV besteht im Falle des Todes des VN standardmäßig der Versicherungsschutz für den mitversicherten Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner des VN und/oder unverheiratete und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Kinder des VN bis zum nächsten Prämienfälligkeitstermin fort. Hierdurch wird verhindert, dass beim Tode des VN die überlebenden Familienangehörigen und Lebenspartner ungewollt den Versicherungsschutz verlieren.16
C. Prämienschicksal (Ziff. 17 Satz 2 AHB) 8 Nach Ziff. 17 Satz 2 AHB soll dem VR der Beitrag zustehen, der erhoben werden könnte, wenn die Versicherung bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, in welchem das versicherte Risiko weggefallen ist. Lücke äußert Wirksamkeitsbedenken, weil Ziff. 17 Satz 2 AHB § 39 VVG widerspreche, der nur eine zeitanteilige Abrechnung für die Dauer gestatte, in der tatsächlich Versicherungsschutz bestand.17 Dagegen spricht, dass Ziff. 17 Satz 2 – wenn auch mit anderen Worten – nur § 80 Abs. 2 VVG wiedergibt, sodass diese Klausel als wirksam anzusehen ist.18
16 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 8. 17 Prölss/Martin/Lücke Ziff. AHB Abs. 17 Ziff. 17 AHB Rn. 6. 18 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 17 Rn. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 17 AHB Rn. 3. Koch
400
Ziff. 18 AHB 2016
Ziff. 18 Kündigung nach Beitragsangleichung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 18 Kündigung nach Beitragsangleichung
§ 9 Vertragsdauer, Kündigung, Betriebsübergang, Wegfall des versicherten Risikos, Doppelversicherung
1
II. 1. 1Erhöht sich der Beitrag aufgrund der Beitragsangleichung gemäß § 8 Ziff. III 2, ohne daß sich der Umfang des Versicherungsschutzes ändert, kann der VN den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zu dem Zeitpunkt kündigen, in dem die Beitragserhöhung wirksam werden sollte. 2 Eine Erhöhung der Versicherungssteuer begründet kein Kündigungsrecht.
Erhöht sich der Beitrag aufgrund der Beitragsangleichung gemäß Ziff. 15.3, ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes ändert, kann der VN den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zu dem Zeitpunkt kündigen, in dem die Beitragserhöhung wirksam werden sollte. 2 Der VR hat den VN in der Mitteilung auf das Kündigungsrecht hinzuweisen. 3Die Mitteilung muss dem VN spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Beitragserhöhung zugehen. 4 Eine Erhöhung der Versicherungssteuer begründet kein Kündigungsrecht.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 18 AHB ist die um die Belehrungspflicht erweiterte Nachfolgeregelung zu § 9 II Ziff. 1 AHB 1 1999. Die Klausel gibt dem VN in Übereinstimmung mit § 40 Abs. 1 VVG bei einseitigen Vertragsänderungen ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn die Prämie ohne gleichzeitige Verbesserung des Versicherungsschutzes erhöht wird.
B. Einzelheiten Ziff. 18 Satz 1 AHB entspricht § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG. Insoweit kann auf die dortige Kommentie- 2 rung verwiesen werden. Ziff. 18 Satz 4 AHB hat zwar keine Entsprechung im Gesetz gefunden, stellt aber keine den VN benachteiligende Abweichung i.S.v. § 42 VVG dar.1 Wie insbesondere der Verweis in Ziff. 18 Satz 1 AHB auf Ziff. 15.3 AHB deutlich macht, besteht das Kündigungsrecht nach Ziff. 18 AHB nur bei Prämienerhöhungen wegen eines erhöhten Schadenskostenbedarfs des VR infolge einer Zunahme von Schadensfällen und/oder gestiegener Aufwendungen. Folgerichtig bestimmt Ziff. 18 Satz 4 AHB, dass die Erhöhung der Versicherungssteuer kein Kündigungsrecht des VN begründet. Erhöhungen der Versicherungssteuer berechtigten den VN im Übrigen auch nicht zur Kün- 3 digung nach § 40 VVG. Zwar „gilt“ nach § 7 Abs. 9 VersStG im Verhältnis zwischen dem VR und dem VN die Steuer als Teil der Prämie (vgl. Ziff. 8 Satz 2 AHB). Diese kommt jedoch nicht dem VR zugute, sondern gebührt dem Fiskus. Steuerschuldner ist der VN. Der VR, der für die Steuerschuld des VN nach § 7 Abs. 1 VerStG haftet, zieht dessen Steuerschuld lediglich ein und ist gegebenenfalls zur Klage befugt.2 Eine die Anwendung des § 40 VVG rechtfertigende Änderung der vertraglichen Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ist nicht gegeben. Dagegen findet § 40 VVG Anwendung, soweit es um Prämienerhöhungen geht, die nicht nach Ziff. 15.3 AHB, sondern auf Basis von Ziff. 15.4 AHB erfolgen. 1 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 18 Ziff. 18 Rn. 1. 2 Langheid/Wandt/Staudinger § 33 VVG Rn. 9. 401 https://doi.org/10.1515/9783110522686-023
Koch
Ziff. 19 AHB 2016
Ziff. 19 Kündigung nach Versicherungsfall AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 19 Kündigung nach Versicherungsfall
§ 9 Vertragsdauer, Kündigung, Betriebsübergang, Wegfall des versicherten Risikos, Doppelversicherung
19.1 1Das Versicherungsverhältnis kann gekündigt werden, wenn – vom VR eine Schadensersatzzahlung geleistet wurde, – der VR den Anspruch des VN auf Freistellung zu Unrecht abgelehnt hat oder – dem VN eine Klage über einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch gerichtlich zugestellt wird. 2 Die Kündigung muss dem Vertragspartner in Textform spätestens einen Monat nach der Schadensersatzzahlung, der Ablehnung oder der Zustellung der Klage zugegangen sein.
II. 2. Das Versicherungsverhältnis kann ferner gekündigt werden, wenn von dem VR aufgrund eines Versicherungsfalles eine Schadensersatzzahlung geleistet oder der Haftpflichtanspruch rechtshängig geworden ist oder der VR die Leistung der fälligen Entschädigung verweigert hat. 3. Die Kündigung muß dem Vertragspartner spätestens einen Monat nach der Schadenszahlung oder der Rechtshängigkeit des Haftpflichtanspruchs oder der Leistungsverweigerung des VR zugegangen sein.
19.2 1Kündigt der VN, wird seine Kündigung sofort nach ihrem Zugang beim VR wirksam. 2Der VN kann jedoch bestimmen, dass die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende der laufenden Versicherungsperiode, wirksam wird. 3 Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam.
4. 1Kündigt der VN, wird seine Kündigung sofort nach dem Zugang beim VR wirksam. 2Der VN kann jedoch bestimmen, daß die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende des laufenden Versicherungsjahres wirksam wird. 3Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam.
Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: 19.2 1Kündigt der VN, wird seine Kündigung sofort nach ihrem Zugang beim VR wirksam. 2Der VN kann jedoch bestimmen, dass die Kündigung zu jedem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres, wirksam wird. 3Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Schadensersatzleistung des VR (Ziff. 19.1 Satz 1 2 Spiegelstrich 1 AHB)
II.
Unberechtigte Ablehnung des Freistellungsanspruchs (Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 2 7 AHB)
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-024
III.
Klagezustellung (Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 3 AHB) 8
IV.
Monatsfrist (Ziff. 19.1 Satz 2 AHB)
V.
Ziff. 19.2 AHB
VI.
Alternative für die echte unterjährige Beitrags14 zahlung
12
13
402
B. Einzelheiten
Ziff. 19 AHB 2016
A. Inhalt und Zweck Ziff. 19 AHB begründet ein befristetes außerordentliches Sonderkündigungsrecht der am Versi- 1 cherungsvertrag beteiligten Parteien nach Eintritt des Versicherungsfalles. Während die Vorgängerregelung des § 9 II Ziff. 2 bis 4 AHB 1999 beiden Parteien ein Kündigungsrecht allgemein bei Rechtshängigkeit des Haftpflichtanspruchs einräumte und somit auch die Zustellung eines Mahnbescheides erfasste, verlangt Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 3 AHB die Zustellung einer Klage. Im Jahr 2004 wurde das Kündigungsrecht des VN bei Leistungsverweigerung des VR bzgl. der fälligen Entschädigung gestrichen. Mit der Fassung 2016 hat in Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 2 AHB das in § 111 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VVG vorgesehene Kündigungsrecht wegen zu Unrecht erfolgter Ablehnung des Freistellungsanspruchs Eingang gefunden. Zu Sinn und Zweck des Sonderkündigungsrechts s. Kommentierung zu § 111 VVG.
B. Einzelheiten I. Schadensersatzleistung des VR (Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 1 AHB) Abweichend von § 111 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG, der auf das Anerkenntnis des Freistellungsanspruchs durch den VR gegenüber dem VN abstellt, kann das Versicherungsverhältnis nach Ziff. 19.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich AHB gekündigt werden, wenn vom VR eine Schadensersatzzahlung geleistet wurde. Da unter den Begriff des Anerkenntnisses i.S.v. § 111 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG auch Schadensersatzzahlungen an den Geschädigten fallen, weicht Ziff. 19.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich AHB jedoch sachlich nicht von der gesetzlichen Regelung ab. Der VR muss tatsächlich eine Schadensersatzzahlung an den geschädigten Dritten zum Zwecke der Tilgung des Haftpflichtanspruchs gegen den VN geleistet haben. Hat der VN den Dritten mit bindender Wirkung für den VR befriedigt (§ 106 Satz 2 VVG), steht die Leistung an den VN einer Schadensersatzzahlung gleich. Die Zahlung eines Teilbetrages löst das Kündigungsrecht nur einmal aus.1 Spätere Zahlungen des VR an denselben geschädigten Dritten begründen somit nicht jedes Mal wieder ein neues Kündigungsrecht.2 Anders liegt der Fall, wenn Zahlungen an verschiedene geschädigte Dritte erfolgen.3 Tilgt der VR die gegnerische Haftpflichtforderung durch Erklärung der Aufrechnung, steht dies einer Schadensersatzzahlung insofern gleich, als die Aufrechnungserklärung dem Empfänger tatsächlich zugegangen und dadurch die Erfüllungswirkung eingetreten ist.4 Das Gleiche gilt für die Zahlung aufgrund eines Haftungs- oder Deckungsvergleichs.5 Fraglich ist, ob Zahlungen, die der VR als „Kulanzzahlung“ und/oder mit der Einschränkung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erbringt, als Schadensersatzzahlung i.S.v. Ziff. 19.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich AHB zu qualifizieren sind. Da das Sonderkündigungsrecht den Eintritt eines Versicherungsfalles zur Voraussetzung hat („Kündigung nach Versicherungsfall“), ist diese Frage zu verneinen, wenn der VR trotz eindeutig fehlender Haftung („aus Pflege der
1 2 3 4
Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 13; Littbarski AHB § 9 Rn. 20. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 13. Bruck/Möller/Koch § 111 VVG Rn. 21. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 19 AHB Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 10; Littbarski AHB § 9 Rn. 19. 5 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 17 AHB Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 10; Littbarski AHB § 9 Rn. 19; vgl. auch § 111 VVG Rn. 11, 13. 403
Koch
2
3
4
5
6
Ziff. 19 AHB 2016
Kündigung nach Versicherungsfall
Kundenbeziehung“) in aufsichtsrechtlich unzulässiger Weise die Zahlung erbringt.6 Desgleichen ist die Frage zu verneinen, wenn Deckung eindeutig nicht gegeben ist.7 Lassen sich Haftung und Deckung nicht eindeutig feststellen, steht die Zahlung aufgrund eines Vergleichs mit dem geschädigten Dritten/VN sowohl im Haftungs- als auch im Deckungsverhältnis einer Schadensersatzzahlung i.S.v. Ziff. 19.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich AHB gleich.8 Erweiterungen des Versicherungsschutzes aus Anlass eines nicht versicherten Schadensfalles berechtigen nicht zur außerordentlichen Kündigung (VR übernimmt z.B. einen nicht gedeckten Mietsachschaden unter der Voraussetzung, dass solche Schäden zukünftig versichert sind).9
II. Unberechtigte Ablehnung des Freistellungsanspruchs (Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 2 AHB) 7 Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 2 AHB entspricht § 111 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VVG. Ein Kündigungsrecht ist somit nicht gegeben, wenn zwischen VR und VN Streit über den Umfang des Versicherungsschutzes besteht und der Standpunkt des VR sich erst später aufgrund einer rechtskräftigen Abweisung der Deckungsklage als richtig erweist.10 In diesem Fall hat der VR den Freistellungsanspruch des VN nämlich nicht „zu Unrecht“ abgelehnt. Es versteht sich von selbst, dass es keinen Kündigungsgrund darstellt, wenn der VR den Versicherungsschutz – sei es wegen einer Obliegenheitsverletzung, sei es wegen des Eingreifens einer Ausschlussbestimmung – zu Recht verweigert.11
III. Klagezustellung (Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 3 AHB) 8 Ziff. 19.1 Satz 1 Spiegelstrich 3 AHB hat keine Entsprechung in § 111 VVG. Die Kündigungsoption hängt von der Zustellung der Klage ab, sodass grundsätzlich ein Kündigungsrecht auch bei unbegründeten Klagen besteht. Dies lehnt Lücke unter Bezugnahme auf den Sinn und Zweck der Klausel ab.12 Der Grund des Kündigungsrechtes liege darin, dass der VR sich von einem unzuverlässigen VN trennen können solle. Gegen die Erhebung unbegründeter Klagen könne sich der VN jedoch nicht wehren. Sie spreche auch nicht für dessen Unzuverlässigkeit, sodass es keinen Anlass für ein Kündigungsrecht gebe. Diese Argumentation überzeugt nicht, weil eine Klage nicht „aus heiterem Himmel“ gegen den VN erhoben wird. Der Geschädigte geht diesen Weg erst dann, wenn der von ihm geltend gemachte Anspruch vom VR dem Grunde und/oder der Höhe nach als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Insoweit hat eine Prüfung der Haft6 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 19 Ziff. 19 Rn. 4; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 13; vgl. auch LG Hagen 28.10.1982 – 16 O 280/82, VersR 1983 1147 (Kulanzzahlung ist keine Schadensersatzzahlung aufgrund eines Versicherungsfalls); a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 19 AHB Rn. 2. 7 Vgl. ÖOGH 9.7.2008 – 7 Ob 83/08 v, VersR 2009 1292 (Zahlung des Rechtsschutz-VR von an sich nicht gedeckten Vertretungskosten); Späte § 9 Rn. 19 (VR übernimmt einen nicht gedeckten Mietsachschaden unter der Voraussetzung, dass der VN eine Anschlussvereinbarung für solche künftigen Fälle trifft); BeckOK-VVG/Gädtke/Car § 111 VVG Rn. 11; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Ziff. 19 Rn. 14. 8 Vgl. Prölss/Martin/Lücke § 111 VVG Rn. 4; Berliner Kommentar/Baumann § 158 VVG Rn. 14; Späte/Schimikowski/ Harsdorf-Gebhardt AHB Ziff. 19 Rn. 10. 9 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB Ziff. 19 Rn. 14 („Vertragsmodernisierung“). 10 Vgl. auch Berliner Kommentar/Baumann § 158 VVG Rn. 8; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 111 VVG Rn. 8; Rüffer/Halbach/Schimikowski § 111 VVG Rn. 4. 11 LG Kleve 10.3.1967 – 2 O 236/66, VersR 1967 649, 650; BeckOK-VVG/Gädtke/Car § 111 VVG Rn. 12; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 111 VVG Rn. 8; Berliner Kommentar/Baumann § 158 Rn. 18; Heimbücher VW 1990 1140, 1141; BTDrucks. 16/3945 S. 87. 12 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 19 Ziff. 19 Rn. 3; so auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 19 AHB Rn. 2; wie hier: Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 10; Littbarski AHB § 9 Rn. 4. Koch
404
B. Einzelheiten
Ziff. 19 AHB 2016
pflichtfrage durch den VR stattgefunden und es kommen die Überlegungen zum Tragen, die den Gesetzgeber dazu veranlasst haben, beiden Parteien die Möglichkeit zur Kündigung zu geben (§ 111 Abs. 1 Satz 2 VVG), wenn der VR dem VN die Weisung erteilt, es zum Rechtsstreit über den Anspruch kommen zu lassen. Insoweit beschränkt sich die Abweichung zu § 111 Abs. 1 Satz 2 VVG darauf, dass der Kündigungsgrund dort erst mit Rechtskraft des Haftpflichturteils entsteht.13 Erhebt der geschädigte Dritte lediglich eine Feststellungsklage, so genügt auch dies für ein Kündigungsrecht.14 Nach Sinn und Zweck des Sonderkündigungsrechts – einerseits dem VR die Möglichkeit zur 9 Vertragsbeendigung zu geben, wenn er zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu den bisherigen Konditionen nicht mehr risikoadäquat ist,15 und andererseits dem VN im Hinblick auf das Regulierungsverhalten des VR ebenfalls ein solches Recht einzuräumen –16 ist es nicht zu beanstanden, dass dem VR und dem VN eine Kündigungsmöglichkeit für den Fall eingeräumt wird, dass der Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend macht. Eine weitere Abweichung von der gesetzlichen Regelung ist im Übrigen darin zu sehen, dass hier auch die – seltene – Durchführung eines Haftungsprozesses auf Veranlassung des VN beide Parteien zur Kündigung berechtigt. Lücke ist auch insoweit nicht zu folgen, als er die Kündigung des VR bei einem sich abzeich- 10 nenden Serienschaden als rechtsmissbräuchlich ansieht.17 Zu Recht weist Harsdorf-Gebhardt daraufhin, dass die Verklammerung der verschiedenen (Einzel-)Schadensereignisse zu einem (Gesamt-)Schadensereignis sich für den VN erkennbar nur auf die Versicherungssumme und Selbstbehalte, also die summenmäßige Begrenzung der Deckung bezieht.18 Der VN ist zudem nicht schutzwürdig, da er eine Herauskündigung aus der Serie durch Vereinbarung der sog. alternativen Serienschadensklausel verhindern kann (Ziff. 6 AHB Rn. 11). Arrestgesuch (§ 920 ZPO) und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 936, 11 920 ZPO) haben keine der Klage entsprechende Bedeutung, da es auf die Zustellung nicht ankommt. Die Entscheidung kann vielmehr auch ohne vorheriges rechtliches Gehör des Schuldners ergehen (§ 128 Abs. 4 ZPO; vgl. auch § 922 Abs. 2, 3 ZPO).
IV. Monatsfrist (Ziff. 19.1 Satz 2 AHB) Nach Ziff. 19.1 Satz 2 AHB muss die Kündigung dem Vertragspartner in Textform (§ 126b BGB) 12 spätestens einen Monat nach der Schadensersatzzahlung (Rn. 3), der zu Unrecht erfolgten Ablehnung des Freistellungsanspruchs oder der Zustellung der Klage zugegangen sein. Diese Frist entspricht hinsichtlich der Länge der Kündigungserklärungsfrist dem § 111 Abs. 2 Satz 1 VVG. Die Frist beginnt bei Schadensersatzzahlung des VR mit dem Zeitpunkt des Leistungserfolgs,19 im Übrigen mit Zustellung der Klage. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist. Mit ihrem Ablauf erlischt das Kündigungsrecht.20 Kündigungen, die nach Ablauf der Monatsfrist vorgenommen werden, sind unwirksam.21
13 14 15 16 17 me
18 19 20 21
Zu weiteren Einzelheiten s. Bruck/Möller/Koch § 111 VVG Rn. 15 ff. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 15. Bruck/Möller/Koch § 111 VVG Rn. 3. Bruck/Möller/Koch § 111 VVG Rn. 4. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 19 Ziff. 19 Rn. 5; ähnlich Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 308; ohne StellungnahRüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 19 AHB Rn. 2. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 8. A.A. OLG Koblenz 29.9.2000 – 10 U 1937/99, NVersZ 2001 237 = VersR 2002 699, 700. OLG Koblenz 29.9.2000 – 10 U 1937/99, NVersZ 2001 237 = VersR 2002 699, 700. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 19 Rn. 21.
405
Koch
Ziff. 19 AHB 2016
Kündigung nach Versicherungsfall
V. Ziff. 19.2 AHB 13 Ziff. 19.2 AHB betrifft den Wirksamkeitszeitpunkt der innerhalb der Frist des Ziff. 19.1 Satz 1 AHB erklärten Kündigung. Kündigt der VN, wird seine Kündigung gem. Ziff. 19.2 Satz 1 AHB sofort nach ihrem Zugang beim VR wirksam, soweit er nicht bestimmt, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende der laufenden Versicherungsperiode, wirksam wird. Diese Regelung stimmt mit §§ 111 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 92 Abs. 2 Satz 3 VVG überein. Ziff. 19.2 Satz 2 AHB, der bestimmt, dass die Kündigung des VR einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam wird, entspricht §§ 111 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 92 Abs. 2 Satz 2 VVG.
VI. Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung 14 Falls echte unterjährige Beitragszahlung vereinbart wurde, wird in Ziff. 19.2 Satz 2 AHB nicht auf die Versicherungsperiode, sondern auf das Versicherungsjahr abgestellt.
Koch
406
Ziff. 20 AHB 2016
Ziff. 20 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 20 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen
§ 9 Vertragsdauer, Kündigung, Betriebsübergang, Wegfall des versicherten Risikos, Doppelversicherung
20.1 1Wird ein Unternehmen, für das eine Haftpflichtversicherung besteht, an einen Dritten veräußert, tritt dieser an Stelle des VN in die während der Dauer seines Eigentums sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. 2 Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen wird.
III. 1. 1Wird ein Unternehmen, für das eine Betriebshaftpflichtversicherung besteht, an einen Dritten veräußert, tritt dieser an Stelle des VN in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten ein. 2 Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen wird.
20.2 Das Versicherungsverhältnis kann in diesem Falle – durch den VR dem Dritten gegenüber mit einer Frist von einem Monat, – durch den Dritten dem VR gegenüber mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode in Textform gekündigt werden.
III. 2. Das Versicherungsverhältnis kann in diesem Falle – durch den VR dem Dritten gegenüber mit einer Frist von einem Monat, – durch den Dritten dem VR gegenüber mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluß der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden.
Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: 20.2 Das Versicherungsverhältnis kann in diesem Falle – durch den VR dem Dritten gegenüber mit einer Frist von einem Monat, – durch den Dritten dem VR gegenüber mit sofortiger Wirkung oder zu jedem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres in Textform gekündigt werden. 20.3 Das Kündigungsrecht erlischt, wenn III. 3. Das Kündigungsrecht erlischt – der VR es nicht innerhalb eines Monats von dem – wenn der VR es nicht innerhalb eines Monats von Zeitpunkt an ausübt, in welchem er vom Übergang dem Zeitpunkt an ausübt, in welchem er vom auf den Dritten Kenntnis erlangt; Übergang auf den Dritten Kenntnis erlangt; – der Dritte es nicht innerhalb eines Monats nach – wenn der Dritte es nicht innerhalb eines Monats nach dem Übergang ausübt, wobei das dem Übergang ausübt, wobei das Kündigungsrecht Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monats von bis zum Ablauf eines Monats von dem Zeitpunkt an dem Zeitpunkt an bestehen bleibt, in dem der bestehen bleibt, in dem der Dritte von der Dritte von der Versicherung Kenntnis erlangt. Versicherung Kenntnis erlangt. 20.4 Erfolgt der Übergang auf den Dritten während einer laufenden Versicherungsperiode und wird das Versicherungsverhältnis nicht gekündigt, haften der bisherige VN und der Dritte für den Versicherungsbeitrag dieser Periode als Gesamtschuldner.
III. 4. Erfolgt der Übergang auf den Dritten während einer laufenden Versicherungsperiode, haften der bisherige VN und der Dritte für den Versicherungsbeitrag dieser Periode als Gesamtschuldner.
20.5 1Der Übergang eines Unternehmens ist dem VR durch den bisherigen VN oder den Dritten unverzüglich anzuzeigen. 2 Bei einer schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht
III. 5. 1Der Übergang eines Unternehmens ist dem VR durch den bisherigen VN oder den Dritten unverzüglich anzuzeigen. 2Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: 3Bei einer schuldhaften Verletzung der
407 https://doi.org/10.1515/9783110522686-025
Koch
Ziff. 20 AHB 2016
Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen
AHB 2016
AHB 1999
besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen, und der VR den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. 3 Der Versicherungsschutz lebt wieder auf und besteht für alle Versicherungsfälle, die frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt eintreten, in dem der VR von der Veräußerung Kenntnis erlangt. 4Dies gilt nur, wenn der VR in diesem Monat von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. 5 Der Versicherungsschutz fällt trotz Verletzung der Anzeigepflicht nicht weg, wenn dem VR die Veräußerung in dem Zeitpunkt bekannt war, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen.
Anzeigepflicht besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen, es sei denn, diese Rechtsfolge steht außer Verhältnis zur Schwere des Verstoßes. 4Der Versicherungsschutz fällt trotz Verletzung der Anzeigepflicht nicht weg, wenn dem VR die Veräußerung in dem Zeitpunkt bekannt war, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. 5Der Versicherungsschutz lebt wieder auf und besteht für alle Versicherungsfälle, die frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt eintreten, in dem der VR von der Veräußerung Kenntnis erlangt hat. 6 Dies gilt nur, wenn der VR in diesem Monat von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 20 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 9 III AHB 1999. Die Klausel begründet ein befristetes außerordentliches Sonderkündigungsrecht des VR und des Erwerbers des haftpflichtversicherten Unternehmens.
B. Einzelheiten 2 Ziff. 20.1 AHB entspricht § 102 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG, Ziff. 20.2 AHB wiederum § 96 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG, Ziff. 20.3 AHB der Regelung in § 96 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 VVG und Ziff. 20.4 AHB entspricht § 95 Abs. 2 VVG. Ziff. 20.5 AHB stimmt sachlich mit § 97 VVG überein. Da § 102 Abs. 2 Satz 2 VVG auf § 95 Abs. 2 und 3 VVG sowie die §§ 96 und 97 VVG Bezug nimmt, kann vollständig auf die Kommentierungen zu §§ 96, 97 und 102 VVG verwiesen werden.1 An dieser Stelle soll es bei dem Hinweis bleiben, dass der Begriff „Unternehmen“ weit zu verstehen ist, und zwar als eine selbständige Organisationseinheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Unternehmensträger eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft ist und die Einheit in Gewinnerzielungsabsicht handelt.2 Maßgebend ist allein die tatsächliche, nach außen in Erscheinung tretende Fortführung des Unternehmens durch einen Dritten.3 Nach der Alternative zu Ziff. 20.2 AHB für die echte unterjährige Beitragszahlung kann 3 das Versicherungsverhältnis durch den Dritten dem VR gegenüber nicht nur mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode, sondern zu jedem späteren Zeitpunkt bis spätestens zum Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres gekündigt werden.
1 Bruck/Möller/Koch § 102 VVG Rn. 43 ff. 2 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 20 Rn. 3. 3 Bruck/Möller/Koch § 102 VVG Rn. 47. Koch
408
Ziff. 21 AHB 2016
Ziff. 21 Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 21 Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften
§ 1 Gegenstand der Versicherung
1
2. 2Bei Erhöhungen des übernommenen Risikos, die durch Änderung bestehender oder durch Erlaß neuer Rechtsnormen eintreten, gilt folgendes: 3 Der VR ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. 4Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Erhöhung bestanden hat.
Bei Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 2Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 21 AHB tritt an die Stelle von § 1 Nr. 2 Satz 2 bis 4 AHB 1999. Die Klausel gewährt dem VR 1 ein Sonderkündigungsrecht im Falle der Änderung bestehender oder des Erlasses neuer Rechtsvorschriften (zum Begriff s. Ziff. 3 AHB Rn. 37), durch die das versicherte Risiko erhöht wird. Ziff. 21 Satz 1 AHB beschreibt eine objektive Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 3 VVG und muss sich wegen § 32 VVG an der Rechtsfolgenregelung des § 24 Abs. 2 und 3 VVG messen lassen.1 Hinsichtlich der Kündigungsfrist stimmt Ziff. 21 Satz 2 AHB mit den gesetzlichen Vorschriften überein. Die Klausel weicht jedoch insoweit von § 24 Abs. 3 VVG ab, als dass das Kündigungsrecht 2 des VR nicht erlischt, wenn im Zeitpunkt der Kündigungserklärung der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestand (anders noch § 1 Nr. 2 Satz 4 AHB 1999). Eine solche Wiederherstellung kommt nicht in Betracht, da eine Aufhebung der Vorschriften innerhalb der Monatsfrist praktisch nicht vorstellbar ist.2 Eine nachteilige Abweichung von § 32 VVG durch Ziff. 21 Satz 2 AHB liegt somit nicht vor,3 zumal die Wiederherstellung innerhalb der Monatsfrist die Kündigung nach § 24 Abs. 3 VVG nicht unwirksam werden lässt.4
B. Einzelheiten Voraussetzung für das Sonderkündigungsrecht nach Ziff. 21 AHB ist, dass die geänderten oder 3 neu erlassenen Rechtsnormen zu einer Erhöhung des versicherten Risikos führen. Damit ist die Erhöhung der Gefahr einer Inanspruchnahme des VN sowohl dem Grund als auch der Höhe (z.B. Wegfall der Möglichkeit, Ersatzansprüche vertraglich zu begrenzen) nach gemeint. Es muss mithin ein unter den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallendes Haftpflichtrisiko betroffen sein. Die Änderung von Unfallverhütungsvorschriften – würde man sie entgegen der hier 1 2 3 4
Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 21 AHB Rn. 1. So auch Wussow § 1 Anm. 99. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 21 AHB Rn. 1 Fn. 1. H.M., vgl. Bruck/Möller/Matusche-Beckmann § 30 VVG Rn. 19; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Loacker § 30 VVG Rn. 17; Looschelders/Pohlmann/Looschelders § 30 VVG Rn. 16; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Karczewski § 30 VVG Rn. 6; a.A. Prölss/Martin/Armbrüster § 24 VVG Rn. 11; differenzierend Langheid/Wandt/Reusch § 24 VVG Rn. 20. 409 https://doi.org/10.1515/9783110522686-026
Koch
Ziff. 21 AHB 2016
Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften
vertretenen Ansicht (Ziff. 3 AHB Rn. 38) zu Rechtsvorschriften i.S.v. Ziff. 22 Satz 1 AHB zählen – berechtigt den VR deshalb nicht zur Kündigung, weil keine Deckung für Haftpflichtansprüche aus Personenschäden besteht, bei denen es sich um Arbeitsunfälle im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. Ein gutes Beispiel für die Erhöhung der Gefahr einer Inanspruchnahme des VN ist die Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung. Beweislastverschärfungen oder Kausalitätsvermutungen können die Gefahr ebenfalls erhöhen.5
C. Beginn der Kündigungsfrist 4 Die Kündigungsfrist beträgt nach Ziff. 21 Satz 2 AHB einen Monat ab Kenntnis des VR von der Risikoerhöhung, mithin ab Kenntnis von dem Erlass oder der Änderung der Rechtsvorschrift. Lücke hat sich dafür ausgesprochen, statt auf die Kenntnis des VR auf den Zeitpunkt des „Erlasses der Rechtsvorschrift“ abzustellen – wobei nicht klar ist, ob er damit den Zeitpunkt der Verkündung oder des Inkrafttretens der Rechtsnorm meint.6 Hierfür gibt der Wortlaut von Ziff. 21 Satz 2 AHB jedoch keinen Raum. Andere Autoren lassen für die Kenntnis bereits die Verkündung der Rechtsnorm in den dafür vorgesehenen Verkündungsblättern ausreichen.7 Dies erscheint jedoch sehr fraglich, da Kennenmüssen der Kenntnis nicht gleichsteht und ein Fall des arglistigen Kenntnisentzuges nicht vorliegen dürfte.
5 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 21 Rn. 2; Werber VersR 1991 522 ff. 6 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 21 Ziff. 21 Rn. 2. 7 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 21 Rn. 5; Wussow § 1 Anm. 96. Koch
410
Ziff. 22 AHB 2016
Ziff. 22 Mehrfachversicherung AHB 2016
AHB 1999
Ziff. 22 Mehrfachversicherung
§ 9 Vertragsdauer, Kündigung, Betriebsübergang, Wegfall des versicherten Risikos, Doppelversicherung
22.1 Eine Mehrfachversicherung liegt vor, wenn das Risiko in mehreren Versicherungsverträgen versichert ist.
V. 1. Eine Doppelversicherung liegt vor, wenn ein Interesse gegen dieselbe Gefahr in mehreren Versicherungsverträgen versichert ist.
22.2 Wenn die Mehrfachversicherung zustande gekommen ist, ohne dass der VN dies wusste, kann er die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen.
V. 2. Wenn eine Doppelversicherung zustande gekommen ist, ohne daß der VN dies wußte, kann er die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen.
22.3 1Das Recht auf Aufhebung erlischt, wenn der VN es nicht innerhalb eines Monats geltend macht, nachdem er von der Mehrfachversicherung Kenntnis erlangt hat. 2Die Aufhebung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die Erklärung, mit der sie verlangt wird, dem VR zugeht
V. 3. 1Das Recht auf Aufhebung erlischt, wenn der VN es nicht unverzüglich geltend macht, nachdem er von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt hat. 2Die Aufhebung wird mit dem Ablauf der Versicherungsperiode wirksam, in der sie verlangt wird.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 22 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 9 V AHB 1999. Ziff. 22.1 AHB definiert den Begriff der 1 Mehrfachversicherung, Ziff. 22.2 und 22.3 AHB befassen sich mit der Aufhebung der Mehrfachversicherung. Die Rechtsfolgen der Mehrfachversicherung ergeben sich aus § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG.
B. Begriff der Mehrfachversicherung (Ziff. 22.1 AHB) Nach Ziff. 22.1 AHB liegt eine Mehrfachversicherung vor, wenn das Risiko in mehreren Versiche- 2 rungsverträgen versichert ist. Da das versicherte Risiko in der Haftpflichtversicherung an die Stelle des Aktivguts als Anknüpfungspunkt für das versicherte Interesse tritt (Einleitung Rn. 6), definiert Ziff. 22.1 AHB den Begriff der Mehrfachversicherung insoweit abweichend von § 78 Abs. 1 VVG. Eine Mehrfachversicherung i.S.v. Ziff. 22.1 AHB liegt auch dann vor, wenn zwei Haftpflicht- 3 versicherungsverträge bei einem VR bestehen. Bestehen Haftpflichtversicherungsverträge mit unterschiedlichen VR, lässt dies die Verpflichtung des einzelnen VR unberührt, dem VN vollen Deckungsschutz zu gewähren, da sie gesamtschuldnerisch haften.1 Zu beachten ist, dass bei unterschiedlich hohen Versicherungssummen wegen Ziff. 6.6 AHB eine gesamtschuldnerische Haftung für die Kosten der Anspruchsabwehr nur bezogen auf die niedrigere Versicherungssumme besteht, wenn die begründeten Haftpflichtansprüche die niedrigere Versicherungssumme übersteigen. Beispiel: A verklagt B auf A 10 Mio. B ist bei VR C (Deckungssumme A 10 Mio.) und VR D (Deckungssumme A 5 Mio.) versichert. Wird B zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von A 7,5 Mio. verurteilt, haften VR C und VR D als Gesamtschulder (2/3 zu 1/3). Zahlt VR C den ausgeurteilten Betrag an A, hat er nach § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG gegen VR D einen Ausgleichanspruch in Höhe von A 2,5 Mio. Hinsichtlich der Kosten der erfolglosen
1 Vgl. OLG Karlsruhe 7.12.2006 – 12 U 133/06, VersR 2007 788, 789 = NJOZ 2007 5957. 411 https://doi.org/10.1515/9783110522686-027
Koch
Ziff. 22 AHB 2016
Mehrfachversicherung
Anspruchsabwehr trägt VR D gem. Ziff. 6.6 AHB nur die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche. Dies bedeutet, dass der VR D im Außenverhältnis zum VN nur 2/3 der Kosten trägt und nur in dieser Höhe eine Gesamtschuld mit VR C besteht.
C. Vertragsaufhebung (Ziff. 22.2 und 22.3 AHB) 4 Ziff. 22.2 AHB weicht insoweit von § 79 Abs. 1 VVG ab, als der VN nur berechtigt ist, die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages zu verlangen, nicht jedoch die Herabsetzung der Versicherungssumme unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie auf den Teilbetrag, der durch die frühere Versicherung nicht gedeckt ist. Diese Abweichung ist der Besonderheit der Haftpflichtversicherung geschuldet, die keinen Versicherungswert kennt und bei der deshalb ex ante keine Aussage möglich ist, ob im Versicherungsfall eine Mehrfachversicherung vorliegt.2 Wenn in diesen Fällen die Mehrfachversicherung zustande kommt, ohne dass der VN dies wusste, kann er die Aufhebung und damit nur die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen.3 5 Die Monatsfrist nach Ziff. 22.3 Satz 1 AHB, innerhalb derer der VN sein Aufhebungsverlangen ausüben muss, weicht ebenfalls von § 79 Abs. 1 VVG ab, der anders als § 60 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. („Aufhebung muss unverzüglich verlangt werden“) keine Befristung mehr vorsieht. Da § 79 VVG keine halbzwingende Vorschrift ist (vgl. § 87 VVG), sind Abweichungen an § 307 BGB zu messen. Mit Blick auf die Begründung des Gesetzgebers für die Abschaffung von § 60 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. dürfte die Befristung als Abweichung von wesentlichen Grundgedanken des § 79 Abs. 1 VVG zu bewerten sein, welche gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ziff. 1 BGB zur Unwirksamkeit von Ziff. 22.3 Satz 1 AHB führt.4 Der Gesetzgeber begründet die Abschaffung nämlich wie folgt: „Die zeitliche Beschränkung nach § 60 Abs. 3 S. 2 VVG für das Recht des VN, die Beseitigung der Mehrfachversicherung zu verlangen, ist sachlich nicht gerechtfertigt und soll daher ebenfalls entfallen; für den VR ergibt sich hieraus kein unangemessener Nachteil.“5 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Nach dem Willen des Gesetzgebers hat es der VR somit hinzunehmen, dass der VN die Aufhebung ohne zeitliche Beschränkung verlangen kann. Keine Bedenken bestehen hingegen bezüglich Ziff. 22.3 Satz 2 AHB, wonach die Aufhebung erst mit Zugang der Erklärung beim VR wirksam wird.
2 Bruck/Möller/Schnepp9 § 79 Rn. 115. 3 Bruck/Möller/Schnepp9 § 79 Rn. 121. 4 Vgl. auch i.E. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 22 Ziff. 22 Rn. 2; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt Ziff. 22 AHB Rn. 2; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 22 AHB Rn. 1. 5 BTDrucks. 16/3945 S. 79. Koch
412
Ziff. 23 AHB 2016
Ziff. 23 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN AHB 2016
AHB 1999
Obliegenheiten des VN Ziff. 23 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
§ 11 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
23.1 Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände 1 Der VN hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung dem VR alle ihm bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, nach denen der VR in Textform gefragt hat und die für den Entschluss des VR erheblich sind, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen. 2 Der VN ist auch insoweit zur Anzeige verpflichtet, als nach seiner Vertragserklärung, aber vor Vertragsannahme der VR in Textform Fragen im Sinne des Satzes 1 stellt. 3 Gefahrerheblich sind die Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des VR Einfluss auszuüben, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. 4 Wird der Vertrag von einem Vertreter des VN geschlossen und kennt dieser den gefahrerheblichen Umstand, muss sich der VN so behandeln lassen, als habe er selbst davon Kenntnis gehabt oder dies arglistig verschwiegen.
Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: I. 1. 1Der VN oder sein Bevollmächtigter sind verpflichtet, dem VR bei Abschluß des Vertrages alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände schriftlich, wahrheitsgemäß und vollständig anzuzeigen, insbesondere die im Versicherungsantrag gestellten Fragen ebenso zu beantworten. Gefahrerheblich sind die Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluß des VR Einfluß auszuüben, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. 2Ein Umstand, nach dem der VR ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als gefahrerheblich. 2. Wird der Vertrag von einem Bevollmächtigten des VN oder einem Vertreter ohne Vertretungsvollmacht geschlossen und kennt dieser den gefahrerheblichen Umstand, muß sich der VN so behandeln lassen, als habe er selbst davon Kenntnis gehabt oder dies arglistig verschwiegen.
23.2 Rücktritt (1) Unvollständige und unrichtige Angaben zu den gefahrerheblichen Umständen berechtigen den VR, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten. (2) 1Der VR hat kein Rücktrittsrecht, wenn der VN nachweist, dass er oder sein Vertreter die unrichtigen oder unvollständigen Angaben weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gemacht hat. 2 Das Rücktrittsrecht des VR wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht besteht nicht, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. (3) 1Im Fall des Rücktritts besteht kein Versicherungsschutz. 2 Tritt der VR nach Eintritt des Versicherungsfalls zurück, darf er den Versicherungsschutz nicht versagen, wenn der VN nachweist, dass der unvollständig oder unrichtig angezeigte Umstand weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung ursächlich war. 3Auch in diesem Fall besteht aber kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt hat. 4 Dem VR steht der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht.
II. 1. 1Unvollständige und unrichtige Angaben zu den gefahrerheblichen Umständen berechtigen den VR, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten. 2Dies gilt auch dann, wenn ein Umstand nicht oder unrichtig angezeigt wurde, weil sich der VN der Kenntnis der Wahrheit arglistig entzogen hat. 3Der Rücktritt kann nur innerhalb eines Monats erfolgen. *Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der VR von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt. 5Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung gegenüber dem VN. 2. 1Der VR hat kein Rücktrittsrecht, wenn er die nicht angezeigten gefahrerheblichen Umstände oder deren unrichtige Anzeige kannte. 2Dasselbe gilt, wenn der VN nachweist, daß die unrichtigen oder unvollständigen Angaben weder von ihm noch von seinem Bevollmächtigten schuldhaft gemacht wurden. 3 Hatte der VN die gefahrerheblichen Umstände anhand schriftlicher, vom VR gestellter Fragen anzuzeigen, kann der VR wegen einer unterbliebenen Anzeige eines Umstandes, nach dem nicht ausdrücklich gefragt worden ist, nur zurücktreten, wenn dieser Umstand entweder vom VN oder von dessen Bevollmächtigtem arglistig verschwiegen wurde 3. 1Im Fall des Rücktritts besteht kein Versicherungsschutz. 2Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, darf der VR den Versicherungsschutz nicht versagen, wenn der VN nachweist, daß der unvollständig oder unrichtig angezeigte Umstand weder auf den Eintritt
413 https://doi.org/10.1515/9783110522686-028
Koch
Ziff. 23 AHB 2016
Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
AHB 2016
AHB 1999 des Versicherungsfalles noch auf den Umfang der Leistung Einfluß gehabt hat. 3Im Fall des Rücktritts sind VR und VN verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren; eine Geldsumme ist vom Zeitpunkt des Empfanges an zu verzinsen. 4Der VR behält aber seinen Anspruch auf den Teil des Beitrages, der der im Zeitpunkt des Rücktritts abgelaufenen Vertragszeit entspricht
23.3 Beitragsänderung oder Kündigungsrecht 1 Ist das Rücktrittsrecht des VR ausgeschlossen, weil die Verletzung einer Anzeigepflicht weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte, kann der VR den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat in Schriftform kündigen. 2 Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. 3 Kann der VR nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, aber zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR rückwirkend Vertragsbestandteil. 4Hat der VN die Pflichtverletzung nicht zu vertreten, werden die anderen Bedingungen ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. 5 Erhöht sich durch die Vertragsanpassung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließt der VR die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der VN den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR fristlos kündigen. 6 Der VR muss die ihm nach Ziff. 23.2 und 23.3 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. 7Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem er von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. 8Er hat die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung abgeben, wenn für diese die Monatsfrist nicht verstrichen ist. 9 Dem VR stehen die Rechte nach den Ziff. 23.2 und 23.3 nur zu, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. 10 Der VR kann sich auf die in den Ziff. 23.2 und 23.3 genannten Rechte nicht berufen, wenn er den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
Koch
III. 1Ist das Rücktrittsrecht des VR ausgeschlossen, weil eine Anzeigepflicht des VN ohne Verschulden verletzt wurde, hat der VR, falls für die höhere Gefahr ein höherer Beitrag angemessen ist, auf diesen Beitrag ab Beginn der laufenden Versicherungsperiode Anspruch. 2Das gleiche gilt, wenn bei Abschluß des Vertrages ein für die Übernahme der Gefahr erheblicher Umstand dem VR nicht angezeigt worden ist, weil er dem VN nicht bekannt war. 3Wird die höhere Gefahr nach den für den Geschäftsbetrieb des VR maßgebenden Grundsätzen auch gegen einen höheren Beitrag nicht übernommen, kann der VR den Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat, nachdem der VR von der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt hat, kündigen. 4 Die Kündigung wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam. 5Das Recht auf Beitragserhöhung oder Kündigung erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an geltend gemacht wird, in dem der VR von der Verletzung der Anzeigepflicht oder von dem nicht angezeigten Umstand Kenntnis erlangt.
414
C. Rücktritt (Ziff. 23.2 AHB)
Ziff. 23 AHB 2016
AHB 2016
AHB 1999
23.4 Anfechtung 1 Das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt. 2Im Fall der Anfechtung steht dem VR der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht.
IV. Das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrumstände anzufechten, bleibt unberührt.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände (Ziff. 23.1 2 AHB)
C.
Rücktritt (Ziff. 23.2 AHB)
D.
Beitragsänderung oder Kündigungsrecht 6 (Ziff. 23.3 AHB)
E.
Anfechtung (Ziff. 23.4 AHB)
8
3
A. Inhalt und Zweck Ziff. 23 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 11 AHB 1999. Die Klausel regelt die Voraussetzungen, 1 nach denen der VN zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände verpflichtet ist, sowie die Rechtsfolgen für den Fall, dass der VN seiner Obliegenheit nicht nachkommt. Die Klausel ist im Hinblick auf § 32 VVG (Massenrisiken) und § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Großrisiken i.S.v. § 210 Abs. 2 VVG) an den Vorgaben der §§ 19 bis 22 VVG zu messen. In der Haftpflichtversicherung spielt die Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten in der Rechtsprechung praktisch keine Rolle.1
B. Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände (Ziff. 23.1 AHB) Ziff. 23.1 Satz 1 und 2 AHB entsprechen § 19 Abs. 1 VVG. Die Definition der Gefahrerheblichkeit 2 in Ziff. 23.1 Satz 3 AHB stellt vor dem Hintergrund, dass der VR in jedem Fall nach gefahrerheblichen Umständen gefragt haben muss, keine für den VN nachteilige Abweichung dar. Ziff. 23.1 Satz 4 AHB entspricht sachlich § 20 VVG.
C. Rücktritt (Ziff. 23.2 AHB) Wirksamkeitsbedenken im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB beste- 3 hen gegen Ziff. 23.2 (1) AHB. Die Formulierung „Unvollständige und unrichtige Angaben zu den gefahrerheblichen Umständen berechtigen den VR, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten“ macht nämlich nicht deutlich, dass der VR nur zum Rücktritt berechtigt ist, wenn er nach solchen Umständen in Textform gefragt hat. Um den gesetzlichen Vorgaben des § 19 Abs. 2 VVG 1 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 23 Rn. 2; zur D&O-Versicherung s. OLG Düsseldorf 23.8.2005 – 4 U 140/04, NJW-RR 2006 1260, 1261. 415
Koch
Ziff. 23 AHB 2016
Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
Rechnung zu tragen, hätte entweder eine am Wortlaut des Gesetzes orientierte Formulierung gewählt oder Ziff. 23.2 (1) AHB um den Zusatz „und nach denen der VR in Textform gefragt hat“ ergänzt werden müssen.2 4 Seit der Neufassung der AHB in 2004 ist der Zusatz, wonach der VR auch dann zum Rücktritt berechtigt ist, „wenn ein Umstand nicht oder unrichtig angezeigt wurde, weil sich der VN der Kenntnis der Wahrheit arglistig entzogen hat“, nicht mehr in den AHB vorgesehen. Im Hinblick auf die Leistungsfreiheit des VR bei Arglist nach § 21 Abs. 2 Satz 2 VVG wird die Rechtsprechung die – wohl zu bejahende – Frage zu klären haben, ob ein VN, der sich arglistig der Kenntnis der Wahrheit entzieht, stets seine Anzeigepflicht arglistig verletzt. 5 Ziff. 23.2 (2) Satz 1 und Satz 2 AHB entsprechen § 19 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 VVG. Ziff. 23.2 (3) Satz 1 bis 3 AHB regeln die Rechtsfolgen des Rücktritts in Übereinstimmung mit § 21 Abs. 2 VVG. Ziff. 23.2 (3) Satz 4 AHB entspricht § 39 Abs. 1 Satz 2 VVG. Die Monatsfrist gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG sowie das Begründungserfordernis gem. § 21 Abs. 1 Satz 3 VVG haben keinen Eingang in Ziff. 23.2 AHB gefunden, sondern wurden in Ziff. 23.3 Satz 6 bis 8 AHB aufgenommen. Die Rechtsfolgenbelehrung gem. § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG sowie der Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 19 Abs. 5 Satz 2 VVG haben ebenfalls nur Eingang in Ziff. 23.3 Satz 9 und 10 AHB gefunden. Ziff. 23.3 AHB trägt jedoch die Überschrift „Beitragsänderung oder Kündigungsrecht“ und lässt deshalb keine Regelungen zum Rücktrittsrecht vermuten, sodass wiederum Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot bestehen, das verlangt, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar dargestellt sind (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).3 Eine Überarbeitung von Ziff. 23.2 AHB ist geboten. Ein ohne Begründung ausgesprochener Rücktritt ist nach § 21 Abs. 1 Satz 3 VVG unwirksam.
D. Beitragsänderung oder Kündigungsrecht (Ziff. 23.3 AHB) 6 Ziff. 23.3 Satz 1 und 2 AHB behandeln in Übereinstimmung mit § 19 Abs. 3 Satz 2 und § 19 Abs. 4 Satz 1 VVG das Recht des VR zur Kündigung, während Ziff. 23.3 Satz 3 und 4 AHB den Vertragsinhalt für den Fall regeln, dass der nicht angezeigte Umstand zu einem Vertragsschluss mit anderen Bedingungen geführt hätte und deshalb die Rechte des VR auf Rücktritt oder Kündigung ausgeschlossen sind. Diese Klauseln entsprechen § 19 Abs. 4 VVG.4 Ziff. 23.3 Satz 5 AHB beschreibt in Übereinstimmung mit § 19 Abs. 6 VVG das Kündigungs7 recht des VN bei Prämienerhöhung oder Ausschluss des nicht angezeigten Risikoumstandes. Das Schriftformerfordernis ist nach § 32 Satz 2 VVG zulässig. Ziff. 23.3 Satz 6 bis 8 AHB entsprechen § 21 Abs. 1 VVG. Ziff. 23.3 Satz 9 und 10 AHB folgen § 19 Abs. 5 VVG.
E. Anfechtung (Ziff. 23.4 AHB) 8 Ziff. 23.4 Satz 1 AHB entspricht § 22 VVG. Ziff. 23.4 Satz 2 AHB trägt § 39 Abs. 1 Satz 2 VVG Rechnung, von dem nach § 42 VVG ebenfalls nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden kann. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist somit grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Rücktritt wegen des Fehlens einer der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht 2 A.A. offenbar Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 23 Ziff. 23 Rn. 4; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 23 Rn. 5.
3 St.Rspr., vgl. nur BGH 13.1.2016 – IV ZR 38/14, NJW 2016 1646 Rn. 24; s. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 23 Ziff. 23 Rn. 5.
4 Zur Kritik am Wirksamwerden der Vertragsänderung ab der laufenden Versicherungsperiode bei Schuldlosigkeit und einfacher Fahrlässigkeit auf Seiten des VN vgl. Schimikowski RuS 2009 353, 355; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 23 Ziff. 23 Rn. 8. Koch
416
E. Anfechtung (Ziff. 23.4 AHB)
Ziff. 23 AHB 2016
kommt. Hierdurch wird der Schutzzweck des § 19 Abs. 1 VVG nicht unterlaufen. Dieser besteht darin, den VN von dem Risiko zu entlasten, die Anzeigepflicht infolge einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit eines Umstandes zu verletzen.5 Der VN darf somit grundsätzlich davon ausgehen, dass Umstände, nach denen der VR nicht gefragt hat, nicht gefahrerheblich sind. Jedoch wird dieser Schutzzweck bei arglistiger Täuschung des VN nicht berührt, weil diese 9 „subjektiv mehr voraus[setzt] als bloßen Täuschungsvorsatz, d.h. als das Bewußtsein und den Willen, durch das Vorspiegeln oder Verschweigen von Tatsachen im Erklärungsgegner einen Irrtum zu erregen. Der Täuschende muß darüber hinaus das Bewußtsein haben, daß dieser Irrtum für die Entschließungen des Getäuschten ursächlich sein werde oder zumindest sein könne“.6
Eine arglistige Täuschung liegt somit erst dann vor, wenn der VN auch ohne entsprechende Frage selbst von der Gefahrerheblichkeit des verschwiegenen Umstandes ausging. In einem solchen Fall ist der VN nicht schutzwürdig.7
5 BTDrucks. 16/3945 S. 64. 6 BGH 13.5.1957 – II ZR 56/56, NJW 1957 988. 7 Zu Recht Prölss/Martin/Armbrüster § 22 VVG Rn. 3. 417
Koch
Ziff. 24 AHB 2016
Ziff. 24 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles AHB 2016
AHB 1999
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Ziff. 24 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
§ 4 Ausschlüsse
1
II. Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben: 3. 1Haftpflichtansprüche, die darauf zurückzuführen sind, daß der VN besonders gefahrdrohende Umstände, deren Beseitigung der VR billigerweise verlangen konnte und verlangt hatte, nicht innerhalb einer angemessenen Frist beseitigte. 2Ein Umstand, welcher zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne weiteres als besonders gefahrdrohend.
Besonders gefahrdrohende Umstände hat der VN auf Verlangen des VR innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. 2Dies gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. 3Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne weiteres als besonders gefahrdrohend.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Rechtsnatur
C.
Voraussetzungen
I.
Besonders gefahrdrohende Umstände
II.
Beseitigungsverlangen
3
4
10
III.
Zumutbarkeit der Beseitigung
IV.
Angemessenheit der Frist
12
V.
Gefährlichkeitsvermutung
14
D.
Betriebshaftpflichtversicherung
16
7
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 24 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 4 II Ziff. 3 AHB 1999. Sie zielt darauf ab, den VR von solchen Gefahren freizuhalten, die über das normale Risiko hinaus mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen.1 Der Klausel kommt vor allen Dingen nach Eintritt des Versicherungsfalles Bedeutung zu. Sie erweitert das Handlungsspektrum des VR, der von seinem Kündigungsrecht nach Ziff. 19 AHB keinen Gebrauch machen will oder infolge Verfristung nicht mehr machen kann.2 Daneben kann die Klausel nach Anzeige einer Risikoerhöhung/-erweiterung i.S.v. Ziff. 3.1 2 Abs. 2 AHB zur Anwendung kommen. Nur in seltenen Fällen wird der VR auf andere Weise – z.B. aufgrund eigener Wahrnehmung – Kenntnis von besonders gefahrdrohenden Umständen erlangen. Es dürfte sich hierbei um Zufälle handeln.
1 Vgl. auch Littbarski AHB § 4 Rn. 448; Kuwert Rn. 4195. 2 Vgl. auch Rüffer/Halbach/Schimikowksi/Schimikowski AHB § 30 Rn. 1, der diese Klausel als „„Maulkorbparagraph“ bezeichnet, weil er dem Tierhalterhaftpflichtversicherer die Möglichkeit gibt, dem VN als Tierhalter aufzuerlegen, den Hund nur noch mit Maulkorb auszuführen. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-029
418
C. Voraussetzungen
Ziff. 24 AHB 2016
B. Rechtsnatur Die Klausel entspricht sachlich § 4 II Ziff. 3 AHB 1999. Die Vorgängerregelung war unter der 3 Überschrift „Ausschlüsse“ platziert, obgleich sie von der Rechtsprechung und Literatur als (sog. verhüllte) Obliegenheit qualifiziert wurde,3 die dem VN zum Zwecke der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Gefahrerhöhung die „Gefahrverwaltung“ auferlegt.4 Die Neufassung beseitigt diese Intransparenz und fasst die Klausel unter dem Abschnitt „Obliegenheiten“ mit den sonstigen Obliegenheiten zusammen. Soweit das Merkmal der Billigkeit durch das der Zumutbarkeit ersetzt worden ist, welche im Rahmen einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen ist, begründet dies keine sachliche Änderung.5
C. Voraussetzungen I. Besonders gefahrdrohende Umstände Besonders gefahrdrohend i.S.v. Ziff. 24 Satz 1 AHB sind solche Umstände, die die Wahrschein- 4 lichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles erheblich erhöhen.6 Der VR kann also dann nicht die Beseitigung des besonders gefahrdrohenden Umstands verlangen, wenn für die entstehenden Haftpflichtansprüche ohnehin kein Versicherungsschutz bestünde.7 Dabei gilt nach Ziff. 24 S. 3 AHB ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, ohne Weiteres als besonders gefahrdrohend. Es handelt sich hierbei um eine vertragliche Fiktion („gilt“).8 In allen anderen Fällen beurteilt sich die besondere Gefährlichkeit nach der Verkehrsauffassung.9 Alle Umstände des Einzelfalls sind dabei in Betracht zu ziehen. Im Gegensatz zu der Regelung über die Risikoerhöhung/-erweiterung nach Ziff. 3.1 Abs. 2 5 AHB und dem Begriff der Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 1 VVG10 genügt für die Anwendung des Ziff. 24 AHB nicht bereits die abstrakte Gefährdung i.S.e. Eignung zur Förderung des Eintritts des Versicherungsfalles.11 Vielmehr ist eine konkrete Gefährdung i.d.S. erforderlich, dass der Versicherungsfall jeden Augenblick eintreten kann. Wie nicht zuletzt Ziff. 24 Satz 3 AHB deutlich macht, ist es gleichgültig, ob der Zustand vorübergehend eingetreten, dauerhaft ist oder bereits bei Vertragsschluss bestanden hat.12 Dieser Befund gibt Anlass zu der Frage, ob es sich bei Ziff. 24 AHB nicht um eine von § 23 Abs. 1 VVG nachteilig abweichende Regelung (§ 32 VVG) handelt. Diese Frage dürfte zu verneinen sein, weil Ziff. 24 AHB den VN nicht zu einem Unterlassen oder Nichtgestatten verpflichtet, so dass es im Fall der Zuwiderhandlung zu Überschneidungen mit der gesetzlichen Obliegenheit zur Gefahrstandswahrung gem. § 23 Abs. 1 VVG nicht kommen kann.
3 Zur Unwirksamkeit verhüllter Obliegenheiten Koch VersR 2014 283 ff; vgl. auch Felsch RuS 2015 59 ff. 4 BGH 29.11.1972 – IV ZR 162/71, VersR 1973 145, 146 = NJW 1973 284; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 3; Wussow § 4 Anm. 97; Littbarski AHB § 4 Rn. 448. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 1; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 359. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 4; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 1. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 10. Littbarski AHB § 4 Rn. 457; Späte § 4 Rn. 247; a.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 14: unwiderlegliche Vermutung. 9 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 4. 10 Vgl. BGH 16.6.2010 – IV ZR 229/09, RuS 2010 331, 332; BGH 5.5.2004 – IV ZR 183/03, RuS 2004 328, 330 (Die Annahme einer Gefahrerhöhung setzt weiter voraus, dass ein Zustand geschaffen wird, der „den Eintritt des Versicherungsfalles zu fördern geeignet ist“). 11 Vgl. Späte § 1 Rn. 233. 12 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 2; Littbarski AHB § 4 Rn. 451.
5 6 7 8
419
Koch
Ziff. 24 AHB 2016
6
Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
In der Literatur ist umstritten, ob mit den gefahrdrohenden Umständen neben dem Zustand einer Sache auch menschliches Verhalten gemeint ist.13 Nach überwiegender Ansicht spielt menschliches Handeln nur insofern eine Rolle, als eine nicht ordnungsgemäße gefährliche Anlage benutzt oder der gefahrdrohende Zustand einer Sache nicht geändert wird.14 Nach R. Johannsen würde es „zu unerträglichen Konsequenzen führen, wenn der VR dem VN auferlegen wollte, nicht mehr als Radler betrunken am Straßenverkehr teilzunehmen oder aber nicht mehr bei ‚Rot‘ als Fußgänger eine Straße zu überqueren“.15
Diese Ansicht ist gut vertretbar und ihr ist im Ergebnis zu folgen. Nicht nur die von R. Johannsen beispielhaft genannten Verhaltensauflagen dürften freilich i.d.R als unzumutbar i.S.v. Ziff. 24 Satz 2 AHB anzusehen sein, sodass es auf den Streit nicht ankommt.16
II. Beseitigungsverlangen 7 Die Beseitigung des besonders gefahrdrohenden Umstandes setzt ein entsprechendes Verlangen des VR voraus. Bei dem Verlangen handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form bedarf. Es muss so unmissverständlich, so klar und eindeutig sein, dass es für den VN über dessen Bedeutung keinen Zweifel geben kann.17 Eine Empfehlung genügt daher nicht; vielmehr ist eine präzise Aufforderung durch den VR unerlässlich.18 Auch kann der VR keine Rechte daraus herleiten, dass ein anderer VR, eine Behörde oder sonst jemand die Beseitigung eines gefahrdrohenden Zustandes verlangt hat.19 Diese Anforderungen, die nicht zuletzt wegen irreführender Platzierung der Klausel in § 4 II Ziff. 3 AHB 1999 unter der Überschrift „Ausschlüsse“ an das Beseitigungsverlangen gestellt wurden, gelten auch nach der klarstellenden Einordnung von Ziff. 24 AHB als Obliegenheit fort. Das Beseitigungsverlangen kann auch durch eine mündliche Erklärung eines Bevollmächtigten des VR gestellt werden. 8 Wie bereits bei der Aufforderung zur Anzeige nach Ziff. 4.1 (1) AHB (Ziff. 4 AHB Rn. 39) und Ziff. 13.1 AHB (Ziff. 13 AHB Rn. 6) stellt sich auch hier die Frage, ob der VR den VN auf die Rechtsfolgen hinweisen muss, die diesen treffen, wenn er dem Verlangen nicht nachkommt. R. Johannsen hat diese Frage mit der Begründung bejaht, nur hierdurch werde letzte Klarheit darüber erreicht, dass es sich nicht nur um eine Empfehlung handele.20 Der BGH hat die Frage in seiner Entscheidung vom 18.1.1965 ausdrücklich offen gelassen.21 Die besseren Gründe sprechen dafür, den VR aus § 6 Abs. 4 VVG als verpflichtet anzusehen, nicht nur einen Hinweis auf die
13 Bejahend Wussow § 4 Anm. 95; Hartung 100. 14 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 2; Littbarski AHB § 4 Rn. 451; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 14; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 4; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowksi/Schimikowski AHB § 30 Rn. 1. 15 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 14. 16 Vgl. auch das Beispiel von Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 2. 17 Vgl. BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, VersR 1965 325, 327 = NJW 1965 755; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 1; Späte § 4 Rn. 242; Littbarski AHB § 4 Rn. 452. 18 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 1; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 5; Littbarski AHB § 4 Rn. 452. 19 Vgl. OLG Hamm 2.12.1960 – 7 U 235/60, VersR 1962 413, 414 in einem Fall, in dem eine Berufsgenossenschaft ein derartiges Verlangen gestellt hatte; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 5. 20 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 14; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 5; a.A. Wussow § 4 Anm. 97. 21 Vgl. BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, VersR 1965 325, 327 = NJW 1965 755. Koch
420
C. Voraussetzungen
Ziff. 24 AHB 2016
Rechtsfolgen, sondern auch eine Begründung dafür zu geben, worin er die gefahrdrohende Eigenschaft des betreffenden Umstandes sieht.22 Zwar kann der VR dem VN nicht vorschreiben, in welcher Form die Beseitigung der gefahr- 9 drohenden Umstände erfolgen soll, und ist deshalb nicht gehalten, Hinweise auf konkrete Reparaturmaßnahmen zu geben.23 Es bleibt dem VN somit unbenommen, den Umstand als solchen zu beseitigen oder nur die von ihm ausgehende besondere Gefahr herabzusetzen.24 Dies hat freilich zur Voraussetzung, dass der VR ihm die gefahrdrohende Eigenschaft des betreffenden Umstandes mitteilt. Die Schwierigkeiten für den VN bei der Beurteilung, ob die Beseitigung für ihn zumutbar ist und eine Obliegenheit insoweit überhaupt besteht, geben einen vom VR selbst geschaffenen Anlass zur Beratung, die sich zunächst auf die Angabe der – aus Sicht des VR – besonders gefahrdrohenden Umstände und einen Hinweis auf die Rechtsfolgen im Fall deren Nichtbeseitigung beschränkt.
III. Zumutbarkeit der Beseitigung Nach Ziff. 24 Satz 2 AHB darf die Beseitigung für den VN unter Abwägung der beiderseitigen 10 Interessen nicht unzumutbar sein. Dies gilt auch in den Fällen des Satzes 3. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Abwägung fällt zugunsten des VN aus, wenn der VR bei Vertragsschluss Kenntnis von den besonders gefahrdrohenden Umständen hatte oder der VN den VR früher auf diese Umstände hingewiesen hat, dieser jedoch, etwa um Vertragsschluss/-fortsetzung nicht zu gefährden, Beseitigung nicht verlangt hat.25 Liegt zugleich eine Risikoerhöhung/-erweiterung vor und nimmt der VR deshalb eine Prä- 11 mienerhöhung nach Ziff. 13.2 AHB vor, ist es dem VR nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, Beseitigung der Gefahrumstände zu verlangen. Im Übrigen wäre die Beseitigung dem VN auch unzumutbar. Ansonsten spielen bei der Interessenabwägung insbesondere die Kosten der Gefahrbeseitigung für den VN eine Rolle,26 die – weil vor Eintritt des Versicherungsfalles angefallen – nicht nach § 83 Abs. 3 VVG ersatzfähig sind.27 Unzumutbarkeit ist zu bejahen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalleintritts und der mögliche Schadensumfang in einem auffälligen Missverhältnis zu den Kosten der Beseitigung stehen.28
IV. Angemessenheit der Frist Nach Ziff. 24 Satz 1 AHB hat der VN die gefahrdrohenden Umstände auf Verlangen des VR inner- 12 halb angemessener Frist zu beseitigen. Erst nach Ablauf der Frist liegt objektiv eine Obliegenheitsverletzung vor. Die Angemessenheit beurteilt sich wiederum nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei kommt dem Merkmal der Zumutbarkeit besondere Bedeutung zu. Die Frist muss so bemessen sein, dass es für den VN zumutbar ist, die Gefahr innerhalb dieser Frist zu beseitigen. Auch insofern ist eine Abwägung zwischen der drohenden Gefahr und dem für die
22 A.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 5. 23 Vgl. BGH 29.11.1972 – IV ZR 162/71, VersR 1973 145 = NJW 1973 284; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 5. 24 Zu dieser Differenzierung s. Späte § 4 Rn. 242; Wussow § 4 Anm. 99. 25 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 4; Littbarski AHB § 4 Rn. 453; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 30 Rn. 6. 26 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 1; Littbarski AHB § 4 Rn. 456. 27 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 83 VVG Rn. 24; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 1; Littbarski AHB § 4 Rn. 456. 28 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 7; Rüffer/Halbach/Schimikowksi/Schimikowski AHB § 30 Rn. 2. 421
Koch
Ziff. 24 AHB 2016
Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
Beseitigung erforderlichen Aufwand (einschließlich des Aufbringens der Kosten für die Beseitigung des Gefahrumstandes) geboten.29 Darüber hinaus ist die übliche Dauer etwa erforderlicher Reparatur- oder Bauarbeiten zu berücksichtigen.30 13 Nach dem Wortlaut ist nicht erforderlich, dass der VR dem VN eine Frist zur Gefahrbeseitigung setzt. Es bedarf daher nicht der Nennung eines bestimmten Endtermins. Nennt er aber einen Endtermin, kann er sich im Versicherungseintrittsfalle nicht darauf berufen, die besonders gefahrdrohenden Umstände hätten schon vorher beseitigt werden können.31 Ist der Termin zu kurz bemessen, liegt keine Obliegenheitsverletzung vor, wenn der VN die Gefahr nicht fristgemäß beseitigt.
V. Gefährlichkeitsvermutung 14 Ziff. 24 Satz 3 AHB fingiert, dass ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, ohne Weiteres besonders gefahrdrohend ist. In der Literatur ist umstritten, ob der Schaden während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetreten sein muss. Die überwiegende Zahl der Autoren verlangt, dass das vorangegangene Schadensereignis zwar vom primären Deckungsbereich des Versicherungsvertrages erfasst sein muss, lehnt eine zeitliche Beschränkung unter Hinweis auf den Wortlaut der Klausel aber ab.32 Der Zweck der Klausel – Handlungsalternative zur Kündigung – spricht für eine solche 15 Beschränkung.33 Rechtsprechung zu dieser Problematik fehlt, was bereits ein Indiz dafür ist, dass der Streit eher von theoretischer Bedeutung ist. Kein VR schließt einen Versicherungsvertrag ab, ohne den Antragsteller nach früheren Verträgen und den Gründen für deren Beendigung sowie nach Haftpflichtvorschäden und deren Ursachen zu befragen. Hat der VR aber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits Kenntnis von den gefahrdrohenden Umständen oder weiß er, dass der Vorvertrag wegen Schadensfällen gkündigt worden ist, kann er später nicht deren Beseitigung vom VN verlangen (Rn. 10). Unabhängig davon ist mit Blick auf das Restriktionsprinzip und die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB zu verlangen, dass der Schaden während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetreten ist.34
D. Betriebshaftpflichtversicherung 16 Ebenfalls als vor Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtende (verhüllte und deshalb unwirksame) Obliegenheit sind Bestimmungen in älteren Bedingungswerken in der Betriebshaftpflichtversicherung zu qualifizieren, wonach Haftpflichtansprüche aus vorschriftswidrigem Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen „nicht versichert“ sind.35 Bei der aktuellen Fassung von Ziff. 7.4.5 BBR BHV, bei der das Wort „bewusst“ eingefügt worden ist, handelt es sich dagegen um einen subjektiven Risikoausschluss (Ziff. 7.4 Rn. 31 BBR BHV).
29 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 7; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 7. 30 Littbarski AHB § 4 Rn. 454. 31 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 24 Ziff. 24 Rn. 7; Littbarski AHB § 4 Rn. 454; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 30 Rn. 9. Littbarski AHB § 4 Rn. 257; Wussow § 4 Anm. 101; Späte § 4 Rn. 247. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 14. A.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 30 Rn. 13. BGH 24.10.1979 – IV ZR 182/77, NJW 1980 837, 838 = VersR 1980 153; BayObLG 12.12.1980 – 2 Z 63/80, VersR 1981 1045, 1046; vgl. auch BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887 = NJW-RR 1990 1115; OLG Koblenz 4.12.1981 – 10 U 129/80 VersR 1982 1089; zum Ausschluss für Feuer- und Explosionssachschäden aus Anlass von Schweiß- oder Lötarbeiten s. OLG Schleswig 16.3.1972 – 7 U 167/71, VersR 1972 823.
32 33 34 35
Koch
422
Ziff. 25 AHB 2016
Ziff. 25 Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles AHB 2016
AHB 1999
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers
II. Der Versicherungsfall (§§ 5–6)
Ziff. 25 Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
§ 5 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, Verfahren
25.1 1Jeder Versicherungsfall ist, auch wenn noch keine Schadensersatzansprüche erhoben worden sind, dem Versicherer innerhalb einer Woche anzuzeigen. 2Das Gleiche gilt, wenn gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche geltend gemacht werden.
2. 1Jeder Versicherungsfall ist dem Versicherer (§ 14) unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, schriftlich anzuzeigen. 3 Macht der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, so ist dieser zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Erhebung des Anspruchs verpflichtet.
25.2 1Der Versicherungsnehmer muss nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. Weisungen des Versicherers sind dabei zu befolgen, soweit es für den Versicherungsnehmer zumutbar ist. 2Er hat dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen. 3Alle Umstände, die nach Ansicht des Versicherers für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden.
3. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unter Beachtung der Weisungen des Versicherers nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und alles zu tun, was zur Klarstellung des Schadensfalles dient, sofern ihm dabei nichts Unbilliges zugemutet wird. Er hat den Versicherer bei der Abwehr des Schadens sowie bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen, ihm ausführliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten, alle Tatumstände, welche auf den Schadensfall Bezug haben, mitzuteilen und alle nach Ansicht des Versicherers für die Beurteilung des Schadensfalles erheblichen Schriftstücke einzusenden.
25.3 Wird gegen den Versicherungsnehmer ein staatsanwaltschaftliches, behördliches oder gerichtliches Verfahren eingeleitet, ein Mahnbescheid erlassen oder ihm gerichtlich der Streit verkündet, hat er dies unverzüglich anzuzeigen.
2. 2Wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder ein Strafbefehl oder ein Mahnbescheid erlassen, so hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu erstatten, auch wenn er den Versicherungsfall selbst bereits angezeigt hat. 4 Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, die Prozeßkostenhilfe beantragt oder wird ihm gerichtlich der Streit verkündet, so hat er außerdem unverzüglich Anzeige zu erstatten. Das gleiche gilt im Falle eines Arrestes, einer einstweiligen Verfügung oder eines Beweissicherungsverfahrens.
25.4 1Gegen einen Mahnbescheid oder eine Verfügung von Verwaltungsbehörden auf Schadensersatz muss der Versicherungsnehmer fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen. 2Einer Weisung des Versicherers bedarf es nicht.
4. 2Gegen Mahnbescheide oder Verfügungen von Verwaltungsbehörden auf Schadensersatz hat er, ohne die Weisung des Versicherers abzuwarten, fristgemäß Widerspruch zu erheben oder die erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen.
25.5 1Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Haftpflichtanspruch gerichtlich geltend gemacht, hat er die Führung des Verfahrens dem Versicherer zu überlassen. 2Der Versicherer beauftragt im Namen des Versicherungsnehmers einen Rechtsanwalt. 3Der Versicherungsnehmer muss dem Rechtsanwalt
4. 1Kommt es zum Prozeß über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozeßführung dem Versicherer zu überlassen, dem von dem Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig erachteten Aufklärungen zu geben.
423 https://doi.org/10.1515/9783110522686-030
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
AHB 2016
AHB 1999
Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Anzeigeobliegenheiten
I.
Eintritt des Versicherungsfalles (Ziff. 25.1 Satz 1 2 AHB) Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen ge7 gen den VN (Ziff. 25.1 Satz 2 AHB)
II.
III.
1.
2. 3.
Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen, behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens (Ziff. 25.3 AHB) 12 Gerichtliches Verfahren 13 a) Staatliche Gerichtsbarkeit 14 b) Schiedsgerichtsbarkeit Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen oder 15 behördlichen Verfahrens 16 Unverzüglichkeit der Anzeige
C.
Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit (Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 1 und 4 AHB)
I.
Abgrenzung zu § 31 VVG
II.
Verhältnis zur Anzeigeobliegenheit
III.
Sinn und Zweck
IV. 1. 2. 3.
Umfang 24 Grundsätzliches 26 Reichweite der Aufklärungsobliegenheit Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem 28 VR 32 Berichtigung falscher Angaben 35 Verschwiegenheitspflicht des VR Erstattung ausführlicher und wahrheitsgemäßer Schadensberichte 36 a) Tatsachenbezogene Fragen b) Tatsachenbezogene Bewertungen des Versi42 cherungsnehmers 44 c) Deckungsbezogene Tatsachen
VI.
Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheitsverlet46 zungen Dritter
D.
Rettungsobliegenheiten
I.
Zur Qualifikation als nach Eintritt des Versiche48 rungsfalles zu erfüllender Obliegenheit
II.
Abgrenzung zur Rechtsschutzfunktion
III.
Allgemeine Rettungsobliegenheit (Ziff. 25.2 Satz 50 1 und 2 AHB) Offensichtlich begründete Haftpflichtansprü52 che (Ganz oder teilweise) unbegründete Haftpflicht55 ansprüche
1. 2.
IV. 1. 2. 3.
4. 5. 6.
V.
Koch
17 21
22
V. 1. 2. 3. 4.
49
61 Besondere Rettungsobliegenheiten Unterstützung bei der Schadensermittlung und 62 -regulierung (Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 2 AHB) Einlegung von Rechtsbehelfen (Ziff. 25.4 66 AHB) Überlassung der Prozessführung (Ziff. 25.5 68 AHB) a) Prozessführung 70 aa) Grundsätzliches 72 bb) Prozesshandlungen 73 (1) Bewirkungshandlungen 75 (2) Erwirkungshandlungen cc) Geltendmachung von Regressansprü76 chen b) Anwaltsbeauftragung im Namen des Versi77 cherungsnehmers 79 Billigkeitsgesichtspunkte 80 Art des Verfahrens 83 Prozessführung Mitwirkung des Versicherungsnehmers Analoge Anwendung von §§ 665, 666 89 BGB
85
Auskunftsobliegenheiten nach Deckungsableh45 nung
424
B. Anzeigeobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
A. Inhalt und Zweck Ziff. 25 AHB, die Nachfolgeregelung zu der sehr unübersichtlich gestalteten Regelung in § 5 AHB 1 1999, zählt abschließend alle nach Eintritt des Versicherungsfalles vom VN (und den versicherten Personen, Ziff. 27.1 Satz 1 AHB) zu beachtenden Obliegenheiten auf und konkretisiert/ ergänzt die gesetzlichen Anzeige-, Auskunfts-/Aufklärungs- und Rettungsobliegenheiten in §§ 31, 82 und 104 VVG.
B. Anzeigeobliegenheiten I. Eintritt des Versicherungsfalles (Ziff. 25.1 Satz 1 AHB) Nach Ziff. 25.1 Satz 1 AHB hat der VN jeden Versicherungsfall dem VR innerhalb einer Woche anzuzeigen. Hierdurch soll der VR in die Lage versetzt werden, sich schon möglichst schnell in die Schadenermittlungen und -verhandlungen einzuschalten und notwendige eigene Feststellungen zu treffen.1 Abweichend von § 104 Abs. 1 Satz 1 VVG knüpft die Klausel nicht an die Tatsachen an, die eine Verantwortlichkeit des VN zur Folge haben können, sondern an den Eintritt des Versicherungsfalles i.S.v. Ziff. 1.1 AHB. Die Anzeigeobliegenheit wird also erst mit dem Eintritt des Schadensereignisses ausgelöst. Dabei kommt es nach dem Wortlaut von Ziff. 25.1 Satz 1 AHB nicht darauf an, ob bereits Schadensersatzansprüche erhoben worden sind oder nicht. Die Anzeigeobliegenheit setzt somit erst zu einem im Vergleich mit der gesetzlichen Regelung späteren Zeitpunkt ein. Eine für den VN nachteilige Abweichung i.S.v. § 112 VVG liegt deshalb nicht vor.2 Weitere Voraussetzung für die Entstehung der Anzeigeobliegenheit ist, dass der VN Kenntnis vom Versicherungsfall hat. Zwar lässt sich dieses Erfordernis dem Wortlaut von Ziff. 25.1 Satz 1 AHB nicht entnehmen. Für den durchschnittlichen VN erschließt es sich jedoch aus dem Begriff und dem Wesen der Anzeigepflicht. Eine Tatsache kann nur anzeigen, wer sie kennt.3 Der Versicherungsfall ist innerhalb einer Woche ab Kenntnis vom Versicherungsfall anzuzeigen.4 Diese Frist entspricht § 104 Abs. 1 Satz 1 VVG. Keine Regelung enthält Ziff. 25.1 Satz 1 AHB zu der Frage, ob zur Fristwahrung Zugang der Anzeige erforderlich ist oder die Absendung genügt. Dies ist unter Transparenzgesichtspunkten als kritisch anzusehen, da nach der halbzwingenden Vorschrift des § 104 Abs. 3 Satz 1 VVG die Absendung genügt. Entsprechend dem Zweck von Ziff. 25.1 Satz 1 AHB (Rn. 2) sind an den Inhalt der Anzeige keine großen Anforderungen zu stellen. Der VN muss noch keine ausführliche Darstellung zum Eintritt des Versicherungsfalles machen. Eine kurze Nachricht genügt. Nähere Einzelheiten sind erst auf Nachfrage des VR mitzuteilen (Rn. 21).5 Die Einhaltung einer Form ist nicht vorgesehen, so dass auch eine (fern-)mündliche Anzeige genügt. Adressat der Erklärung ist gem. Ziff. 29.1 AHB die Hauptverwaltung des VR oder die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle. Die Entgegennahme der Anzeige durch einen Vermittlungsvertreter (§ 69 Abs. 1 Nr. 2 VVG) oder einen zur Regulierung befugten Versicherungsmakler muss der VR gegen sich gelten lassen.6
1 BGH 23.11.1967 – II ZR 105/65, VersR 1968 58 (zur Kfz-Haftpflichtversicherung). 2 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 3. 3 I.E. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 25 AHB Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 4, 8; Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 21 ff.
4 Vgl. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 7. 5 BGH 23.11.1967 – II ZR 105/65, VersR 1968 58 (zur Kfz-Haftpflichtversicherung); vgl. auch Späte/Schimikowski/ Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 10.
6 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 9. 425
Koch
2
3
4
5
6
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
II. Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen gegen den VN (Ziff. 25.1 Satz 2 AHB) 7 Nach Ziff. 25.1 Satz 2 AHB hat der VN dem VR innerhalb einer Woche anzuzeigen, wenn gegen ihn Haftpflichtansprüche geltend gemacht werden. Diese Regelung entspricht § 104 Abs. 1 Satz 2 VVG. Wiederum genügt nach § 104 Abs. 3 Satz 1 VVG die Absendung. Der VN kann sich auf die Weiterleitung der Geltendmachung beschränken und die Nachfragen des VR abwarten.7 Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, die Erklärung der Aufrechnung 8 oder die Wegnahme eines dem VN gehörenden Gegenstandes wegen eines Schadensersatzanspruchs stehen der Geltendmachung gleich. Ob der VN den geltend gemachten Anspruch für unbegründet hält oder glaubt, nur irrtümlich in Anspruch genommen zu werden, ist unerheblich.8 Die Erklärung des Anspruchsstellers ist an keine bestimmte Form gebunden. Grund9 sätzlich reichen mündliche und sogar konkludente Erklärungen aus.9 Die Erklärung muss den Schaden zudem nicht konkret beziffern.10 Das Verlangen nach Zahlung von Schadensersatz oder Anerkennung der Schadensersatzforderung reichen ebenso aus wie das Verlangen nach Abgabe eines auf den Grund des Anspruchs beschränkten Anerkenntnisses der Schadensersatzpflicht.11 Die Aufforderung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, ist dagegen nicht als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme vom VN zu verstehen.12 Anders liegt der Fall, wenn der Anspruchsteller den VN unter Androhung der Erhebung einer Feststellungsklage hierzu auffordert und feststeht, dass nur der VN als Anspruchsgegner in Betracht kommt und das Ob und die Höhe des Schadens nur vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängen.13 Gemessen an diesen Maßstäben sind bloße Vorwürfe, Anschuldigungen, Drohungen und Redensarten noch nicht als Inanspruchnahme anzusehen.14 Die Erklärung der Inanspruchnahme muss nicht vom Geschädigten selbst abgegeben 10 werden. Eine Abgabe durch einen hierzu bevollmächtigten Vertreter reicht aus. Bei Angehörigen des Verletzten ist davon auszugehen, dass derartige Erklärungen aufgrund zu vermutender Vollmacht oder Geschäftsführung ohne Auftrag abgegeben werden.15 Erklärungen unbeteiligter Vierter, etwa dem aufnehmenden Polizeibeamten, dass mit der Erhebung von Ansprüchen zu rechnen sei, stellen keine Geltendmachung dar.16 Die Inanspruchnahme des VN ist nicht entbehrlich und eine Geltendmachung ist folglich zu verneinen, wenn der Dritte im Hinblick auf sein persönliches Verhältnis zum VN von dessen Inanspruchnahme absieht.17 Der Anspruch muss gegenüber dem VN oder einer versicherten Person18 geltend ge11 macht werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Geschädigte direkt an den VN wenden muss.19 Voraussetzung für die Geltendmachung ist lediglich, dass dem VN oder seinem Emp-
7 Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 25. 8 Prölss/Martin/Lücke § 104 VVG Rn. 11; Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 10; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 52. 9 BGH 3.11.1966 – II ZR 52/64, VersR 1967 56, 57; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 36; Berliner Kommentar/Baumann § 153 Rn. 21, jew. m.w.N. zur Rspr. 10 RG 23.10.1936 – VII 67/36, RGZ 152 235, 242; vgl. auch OLG Köln 5.3.1996 – 9 U 172/95, RuS 1998 323; KG 21.2.2003 – 6 U 301/01, VersR 2003 1246, 1247; OLG Düsseldorf 16.7.1963 – 4 U 65/63, VersR 1964 178, 179. 11 BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117, 1118. 12 BGH 3.10.1979 – IV ZR 45/78, VersR 1979 1117, 1118. 13 OLG Karlsruhe 16.2.2006 – 19 U 110/05, NJOZ 2006 1413, 1414. 14 Berliner Kommentar/Baumann § 153 VVG Rn. 22; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 36. 15 RG 14.1.1938 – VII 151/37, RGZ 156 378, 383; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 104 VVG Rn. 9; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 54. 16 Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebert/Retter § 104 VVG Rn. 6. 17 LG Karlsruhe 25.6.1987 – 9 S 99/87, MDR 1987 850. 18 Hierzu OLG Frankfurt/M. 13.3.2008 – 16 U 134/07, RuS 2010 61, 62. 19 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 54; Berliner Kommentar/Baumann § 153 VVG Rn. 24. Koch
426
B. Anzeigeobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
fangsvertreter – hierzu zählt aufgrund seiner (Regulierungs-)Vollmacht20 auch der VR21 – die anspruchserhebende Erklärung des Dritten i.S.v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugeht.22 Für den Fall, dass aus einem Schadensereignis mehrere Geschädigte Ersatzansprüche stellen, ist die Geltendmachung für jeden Anspruch eines geschädigten Dritten gesondert festzustellen.23 Gleiches gilt in den Fällen, in denen aus einem Schadensereignis neben der unmittelbar geschädigten Person einem Dritten ein originärer Rückgriffsanspruch gegen den VN erwächst (z.B. aus § 426 Abs. 1 BGB, § 110 SGB VII).
III. Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen, behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens (Ziff. 25.3 AHB) 1. Gerichtliches Verfahren Wird gegen den VN ein gerichtliches Verfahren eingeleitet, ein Mahnbescheid erlassen oder ihm 12 gerichtlich der Streit verkündet, hat er dies dem VR nach Ziff. 25.3 AHB unverzüglich anzuzeigen.
a) Staatliche Gerichtsbarkeit. Abweichend von § 5 Ziff. 2 Satz 4 u. 5 AHB 1999 wird der PKH- 13 Antrag nicht mehr ausdrücklich aufgeführt; ebenso wenig das Arrest-, einstweilige Verfügungsoder Beweissicherungsverfahren. Da es sich dabei jeweils um gerichtliche Verfahren handelt, weicht Ziff. 25.3 AHB sachlich weder von § 5 Ziff. 2 Satz 4 u. 5 AHB 1999 noch von § 104 Abs. 2 VVG ab.24 Auch das PKH-Bewilligungsverfahren ist nach § 118 ZPO als gerichtliches Verfahren anzusehen.25 Eine Anzeigeobliegenheit ist darüber hinaus anzunehmen bei Geltendmachung des Anspruchs im Adhäsionsverfahren (§§ 403, 404 StPO)26 und der Anmeldung von Ansprüchen zur Insolvenztabelle (§ 174 InsO). Eine gerichtliche Geltendmachung stellt auch die (Hilfs-)Aufrechnung durch den Dritten im Prozess dar.27
b) Schiedsgerichtsbarkeit. Von Ziff. 25.3 AHB werden auch Schiedsgerichtsverfahren er- 14 fasst.28 Eine ausdrückliche Regelung ist in der Betriebshaftpflichtversicherung getroffen worden (vgl. Ziff. 7.6.6 BBR BHV: „Der VN ist verpflichtet, dem VR die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren unverzüglich anzuzeigen“). 2. Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen oder behördlichen Verfahrens Der VN hat gem. Ziff. 25.3 AHB auch die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen oder behörd- 15 lichen Verfahrens anzuzeigen (z.B. Zustellung einer Anklageschrift, eines Antrages auf Eröff20 21 22 23 24 25
Bruck/Möller/Koch Bd. 4 Ziff. 5 AHB Rn. 8 ff. Vgl. OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, NVersZ 2002 135 = VersR 2002 1020. BGH 3.11.1966 – II ZR 52/64, VersR 1967 56, 59; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 104 VVG Rn. 3. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 26; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 54. Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 14 ff. Vgl. auch KG 15.1.1938 VA 1937 215–216 Ziff. 3014; OLG Frankfurt/M. 15.1.1931 – 3 U 264/30, JRPV 1931 260; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 25 AHB Rn. 12; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 60. 26 A.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 60. 27 Späte § 5 Rn. 15; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 60. 28 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 26; Koch SchiedsVZ 2007 281, 288; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 384; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 56. 427
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
nung der Voruntersuchung oder eines Strafbefehls).29 Die Anzeige behördlicher Verfahren stellt nach Ansicht Lückes eine Abweichung von § 104 Abs. 2 Satz 2 VVG dar.30 Dies überzeugt nicht. Der Begriff des Ermittlungsverfahrens i.S.v. § 104 Abs. 2 Satz 2 VVG ist zwar strafverfahrensrechtlich (§ 160 StPO) zu verstehen. Im Hinblick darauf, dass das Bußgeldverfahren in ein Strafverfahren übergehen kann, im Bußgeldverfahren sinngemäß die Strafprozessordnung gilt und die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten hat, können jedoch auch behördliche Verfahren die Anzeigeobliegenheit nach § 104 Abs. 2 Satz 2 VVG auslösen.31 Richtet sich das Verfahren gegen einen Mitversicherten, trifft nur diesen eine Anzeigeobliegenheit, nicht hingegen den VN.32
3. Unverzüglichkeit der Anzeige 16 Die Anzeige i.S.v. Ziff. 25.3 AHB hat unverzüglich zu erfolgen (wobei nach § 104 Abs. 1 Satz 3 VVG die Absendung genügt). Dies entspricht § 104 Abs. 2 VVG, weshalb zur Auslegung des Begriffs auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.33 Die Obliegenheit zur Anzeige eines staatsanwaltschaftlichen oder behördlichen Verfahrens, das sich nicht gegen den VN, sondern gegen einen Mitversicherten richtet, wird nicht von Ziff. 25.3 AHB erfasst.34
C. Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit (Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 1 und 4 AHB) I. Abgrenzung zu § 31 VVG 17 Nach § 31 Satz 1 VVG ist der VR nach dem Eintritt des Versicherungsfalles berechtigt, vom VN jede Auskunft zu verlangen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR erforderlich ist. Belege kann der VR nach § 31 Satz 2 VVG insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem VN billigerweise zugemutet werden kann. § 31 VVG gilt auch für die Haftpflichtversicherung. Da § 31 VVG eine lex imperfecta ist, treten Verletzungsfolgen nur ein, wenn diese – wie in Ziff. 26.2 AHB geschehen – vereinbart sind. 18 Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 1 AHB konkretisiert § 31 Satz 1 VVG nunmehr dahin gehend, dass der VN dem VR ausführliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten und ihn bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen hat. Ergänzt wird Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 1 AHB durch Ziff. 25.2 Satz 4 AHB, soweit dort vorgesehen ist, dass alle Umstände, die nach Ansicht des VR für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, mitgeteilt werden müssen. 19 Diese Formulierung („müssen“) gibt Anlass zu dem Hinweis, dass der VR gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG, der nach § 32 VVG zwingendes Recht ist, Belege nur insoweit verlangen kann, als deren Beschaffung dem VN billigerweise zugemutet werden kann. Während § 5 Ziff. 3 Satz 1
29 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 57. 30 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 25; so auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 56. 31 Vgl. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 25 AHB Rn. 13 Fn. 13; Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 18. 32 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 59; vgl. auch Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 14 ff.; Prölss/Martin/Lücke § 104 VVG Rn. 16. 33 Vgl. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 25 AHB Rn. 13 Fn. 13; Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 28. 34 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 28; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 25 AHB Rn. 8; Bruck/Möller/Koch § 104 VVG Rn. 28. Koch
428
C. Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit
Ziff. 25 AHB 2016
AHB 1999 diesem Erfordernis durch die Formulierung „alles zu tun, was zur Klarstellung des Schadensfalles dient, sofern ihm dabei nichts Unbilliges zugemutet wird“ in gewisser Weise Rechnung trug, fehlt eine solche Einschränkung in der aktuellen Fassung in Bezug auf die Übersendung von Belegen. Die Formulierung „müssen übersandt werden“ lässt keinen Raum für Zumutbarkeitserwägungen, sodass Ziff. 25.2 Satz 4 AHB für den VN in nachteiliger Weise von § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG abweicht. Da letztlich auch die Übersendung von Schriftstücken zur Schadensermittlung und -regulie- 20 rung dient, wird der VN jedoch die Unterstützungspflicht nach Ziff. 25.2 Satz 4 AHB so verstehen, dass er gehalten ist, dem VR alle Schriftstücke – hier aber mit der Einschränkung, dass ihm nach Treu und Glauben nichts Unbilliges zugemutet werden darf (dazu sogleich Rn. 26) – zu überlassen, die für die Beurteilung des Schadensfalles erheblich sind.35
II. Verhältnis zur Anzeigeobliegenheit Der wesentliche Unterschied zwischen der Obliegenheit zur Auskunft und der Anzeigeobliegen- 21 heit besteht darin, dass der VN bei der Auskunftsobliegenheit nicht – wie bei der Anzeigeobliegenheit – ungefragt von sich aus sein Wissen dem VR offenbaren muss. Die Auskunftsobliegenheit wird vielmehr nur und erst durch ein entsprechendes Verlangen des VR ausgelöst.36 Auf den ersten Blick scheint daher eine klare Abgrenzung möglich zu sein. Gleichwohl gibt es Randbereiche, bei denen eine Einordnung schwierig ist. Je nachdem, welche Anforderungen man an den Inhalt der Anzeige stellt, wird man in der bloßen Aufforderung des VR, die Anzeige zu konkretisieren, noch kein Auskunftsverlangen sehen können.37
III. Sinn und Zweck Der VR kann die Ansprüche des geschädigten Dritten nur dann richtig beurteilen und eine sach- 22 gemäße Entscheidung treffen, wenn er über den Sachverhalt erschöpfend unterrichtet wird. Gibt der VN unvollständige oder unrichtige Auskünfte, so läuft der VR Gefahr, unbegründete Haftpflichtansprüche zu befriedigen oder überflüssige Haftpflichtprozesse für den VN zu führen. Der VR ist daher auf vollständige Auskünfte und umfassende Sicherstellung der Beweise angewiesen. Er muss sich darauf verlassen können, dass der VN richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht und dass der drohende Verlust seines Anspruchs geeignet ist, ihn zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben anzuhalten.38 Hierzu zählt auch die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängender 23 Tatsachen, die dem VR die Prüfung ermöglichen, ob und in welchem Umfang er überhaupt zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet ist.39 Der VN muss deshalb die ihm vom VR in dieser Beziehung gestellten Fragen ebenfalls nach Treu und Glauben vollständig und wahrheitsgemäß beantworten, selbst wenn er dadurch seinen Anspruch auf Versicherungsschutz ge35 Vgl. OLG Köln 13.8.2010 – 20 U 22/09, RuS 2011 21, 22 = VersR 2011 339; vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 28 unter Hinweis auf OLG Koblenz 22.8.2016 – 5 U 564/16, VersR 2018 92.
36 vgl. hierzu BGH 23.11.1967 – II ZR 105/65, VersR 1968 58, 59. 37 Vgl. auch OGH 26.6.1986 – 7 Ob 26/86, VersR 1987 1255. 38 Vgl. BGH 5.12.2001 – IV ZR 225/00, RuS 2002 51, 53; BGH 1.12.1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000 222 = RuS 2000 94, 95; BGH 7.7.1993 – IV ZR 131/92, RuS 1993 370, 371; BGH 29.9.1992 – VI ZR 286/91, BGHZ 119 268, 272 = RuS 1992 406; BGH 24.6.1981 – IVa ZR 133/80, VersR 1982 182 f.; BGH 22.3.1962 – II ZR 195/59, VersR 1962 501, 502; BGH 3.12.1962 – II ZR 47/60, NJW 1963 487, 488; BGH 16.2.1967 – II ZR 73/65, BGHZ 47 101, 105. 39 BGH 1.12.1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000 222 = RuS 2000 94, 95; BGH 12.11.1997 – IV ZR 338/96, VersR 1998 228, 229; BGH 15.4.1987 – IVa ZR 28/86, VersR 1987 657, 658; BGH 22.12.1976 – IV ZR 1/76, VersR 1977 272, 273; BGH 12.11.1975 – IV ZR 5/74, NJW 1976 371, 372 = VersR 1976 84; OLG Karlsruhe 6.4.2006 – 12 U 266/05, VersR 2006 1206. 429
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
fährdet (z.B. bei doppelrelevanten Tatsachen, die gleichzeitig die Haftpflicht- und die Deckungsfrage betreffen).40
IV. Umfang 1. Grundsätzliches 24 Wie alle anderen haftpflichtversicherungsrechtlichen Obliegenheiten steht auch die Aufklärungslast unter dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten sind gegeneinander abzuwägen. Hierzu führt der BGH41 aus: „An die Aufklärungspflicht des haftpflichtversicherten Kraftfahrers sind sachgerechte, keine übertriebenen und unerfüllbaren Anforderungen zu stellen. Was der VN zur Aufklärung des Tatbestandes zu tun hat, bestimmt sich letztlich immer nach den unterschiedlichen Umständen und Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles. Allgemein verbindliche Maßnahmen können dafür bei der Vielfalt des Lebens nicht vorgeschrieben werden. Die Entscheidung darüber, was alles zur Aufklärung eines Unfalles an Ort und Stelle dienlich sein kann, darf natürlich nicht dem subjektiven Ermessen des jeweiligen VN überlassen bleiben. Inhalt und Umfang der Aufklärungslast sind, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat …, vom Standpunkt eines verständigen und verantwortungsbewußten VN in dem für die Sachaufklärung maßgeblichen Zeitpunkt zu beurteilen. Der VN soll sich so verhalten wie ein verständiger Kraftfahrer, wenn er nicht versichert wäre.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]
25
Nichts anderes gilt für den VN in der freiwilligen Haftpflichtversicherung. Ebenso wie bei den Rettungsobliegenheiten42 ist zur Bestimmung des Umfangs der Aufklärungsobliegenheit nicht nur deren Zweck heranzuziehen, sondern auch auf die Sichtweise des idealtypischen VN als Person abzustellen, die sich so verhält, als wäre sie nicht versichert. Es gehört daher mit zur Aufklärungslast des VN, dass er sich um eine Rekonstruktion des Schadensereignisses bemüht und dabei auch Sorge dafür trägt, dass die zu seinen Gunsten sprechenden Beweismittel gesichert werden, weil sich auch ein Nichtversicherter so verhalten würde. Der VN kann auch dazu verpflichtet sein, sich die Namen von Zeugen zu notieren. Die genaue Markierung der Stellung der am Schadensfall beteiligten Personen und Gegenstände (z.B. Fahrrad) wird man von ihm dagegen nur ausnahmsweise verlangen können.43 Nach dem Zweck des Aufklärungsgebots stellt es keine Obliegenheitsverletzung dar, wenn der VN auch die gegen ihn sprechenden Tatsachen festhält; im Gegenteil, das gerade erwartet der VR von ihm zur objektiven Beurteilung des Vorganges. Nur dadurch wird der VR in die Lage versetzt, sachgemäß einen Haftpflichtfall zu entscheiden.
2. Reichweite der Aufklärungsobliegenheit 26 In seinem Urteil vom 22.10.2014 hat der BGH zur Reichweite der Aufklärungsobliegenheit des VN gegenüber dem VR in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung umfänglich Stellung genommen. Nach der dortigen Klausel war der VN u.a. verpflichtet, „alles zu tun, was zur Klar40 BGH 13.4.2016 – IV ZR 152/14, VersR 2016 793 Rn. 14; BGH 10.3.1966 – II ZR 61/64, VersR 1966 433; BGH 3.12.1962 – II ZR 47/60, NJW 1963 487, 488; BGH 9.7.1956 – II ZR 286/55, VersR 1956 485; ÖOGH 12.6.1963 – 7 Ob 152/ 63, VersR 1965 170; enger noch RG 16.12.1932 VA 1933 96–97 Ziff. 2537, das die Auffassung vertrat, die Aufklärungslast beziehe sich auf den Hergang des Unfalls. 41 BGH 7.12.1967 – II ZR 24/65, VersR 1968 140, 141. 42 Hierzu Bruck/Möller/Koch § 82 VVG Rn. 4, § 83 VVG Rn. 43. 43 So im Falle BGH 10.7.1961 – II ZR 35/59, VersR 1961 794; vgl. aber auch BGH 7.12.1967 – II ZR 24/65, VersR 1968 140, 141, wo der Ausnahmecharakter der Entscheidung vom 10.7.1961 hervorgehoben wird. Koch
430
C. Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit
Ziff. 25 AHB 2016
stellung des Schadenfalles dient, sofern ihm dabei nichts Unbilliges zugemutet wird“ und hat „alle Tatumstände, welche auf den Schadenfall Bezug haben, mitzuteilen …“. Der Inhalt dieser Klausel entspricht im Wesentlichen Ziff. 25.2 Satz 4 AHB, weshalb die Ausführungen des BGH auch für die auf den AHB basierenden Haftpflichtversicherungssparten bedeutsam ist. Nach Ansicht des BGH gilt zur „[18]… Reichweite der Auskunftspflicht […], dass es grundsätzlich Sache des Versicherers ist, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Dazu gehören auch Umstände, die lediglich Anhaltspunkte für oder gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalles liefern können. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob sich die vom VN geforderten Angaben am Ende nach dem Ergebnis der Prüfung als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erweisen (…). Somit ist die Frage der Erforderlichkeit der erbetenen Auskünfte ex ante zu beurteilen, wobei dem Versicherer ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist. [19] Maßgeblich für die Zulässigkeit von Auskunftsersuchen des Versicherers und die Reichweite der sich daraus ergebenden Auskunftspflicht des VN [.] der Zweck der Aufklärungsobliegenheit, die dem Versicherer die sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, was auch der durchschnittliche VN in Anbetracht der Regelung über die Weisungsbefugnis des Versicherers und die weite Fassung der Klausel mit Einbeziehung aller Tatumstände, die auch nur ‚Bezug‘ auf den Schadenfall haben, erkennen kann. Danach erstreckt sich die Auskunftspflicht auf jeden Umstand, der zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann (…), soweit dem VN nichts ‚Unbilliges zugemutet‘ wird.“44 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Bedeutsam ist insbesondere die Feststellung, dass dem VR grundsätzlich ein erheblicher Beur- 27 teilungsspielraum zukommt, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um die Entscheidung über seine Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Sie findet ihren Ausdruck in Ziff. 25.2 Satz 4 AHB, wonach alle Umstände, „die nach Ansicht des Versicherers für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind“ mitgeteilt werden müssen.
3. Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem VR Die Obliegenheit zur Aufklärung besteht gegenüber dem VR. Falsche Angaben des VN gegen- 28 über Dritten, z.B. den Strafverfolgungsbehörden oder den Strafgerichten, stellen grundsätzlich keine Obliegenheitsverletzung dar.45 Allein die fehlende Mitwirkung im Strafverfahren hat somit keine Auswirkung auf das Versicherungsverhältnis. In diesem Sinn hat das OLG Hamm einen Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit gem. § 5 Ziff. 3 AHB a.F. in einem Fall verneint, in dem der VN seinen 13-jährigen Sohn nach einem durch diesen verursachten Brand mit erheblichem Personenschaden dauerhaft ins Ausland verbrachte, um ihn den polizeilichen Ermittlungen zu entziehen. Nach Ansicht des OLG Hamm könne eine Obliegenheitsverletzung nach § 5 Ziff. 3 AHB a.F. nur angenommen werden, wenn der VN eine Aufforderung des VR, den Aufenthalt seines Sohnes mitzuteilen, nicht befolgt hätte.46 Etwas anderes gilt, wenn durch die unrichtigen Angaben gegenüber den Strafverfolgungs- 29 behörden zugleich auch das Aufklärungsinteresse des VR unmittelbar nachteilig berührt wird.47 Der BGH hat dies in einem Fall aus der Kraftfahrtversicherung, in dem der VN gegenüber der Polizei falsche Angaben bezüglich der Anfertigung eines Nachschlüssels machte, mit der
44 BGH 22.10.2014 – IV ZR 242/13, VersR 2015 45 Rn. 18 f. 45 BGH 18.4.1963 – II ZR 176/60, NJW 1963 1404; OLG Hamm 3.12.1963 – 7 U 126/63, VersR 1964 1133, 1134; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 27.
46 OLG Hamm 3.12.2010 – 20 U 16/10, BeckRS 2011 02728. 47 Littbarski AHB § 5 Rn. 59; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 27; Wussow § 5 Anm. 15. 431
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
Begründung verneint, das Polizeiprotokoll sei dem VR erst später zugegangen als der Fragebogen, in dem der VN die Anfertigung eines Nachschlüssels angegeben hatte.48 30 Dagegen ist das Aufklärungsinteresse des VR betroffen, wenn der VN Unfallspuren beseitigt oder die polizeilichen Ermittlungen durch wahrheitswidrige Angaben in eine falsche Richtung lenkt und dadurch dem VR die sachgerechte Prüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht erschwert, wozu auch die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängender Tatsachen gehört, aus denen sich seine Leistungsfreiheit ergeben kann.49 So liegt der Fall, wenn sich die Lebensgefährtin des VN vor der Polizei als Fahrerin bezeichnet, der VN aber gegenüber dem VR (wahrheitsgemäß) mitteilt, dass er selbst gefahren sei. Das Aufklärungsinteresse des VR ist hier deswegen nachteilig berührt, weil die Ermittlungen der Polizei in eine falsche Richtung gelenkt werden und später eine Prüfung nicht mehr möglich ist, ob der VN als Fahrer zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert gewesen ist.50 31 Das Aufklärungsinteresse ist stets verletzt, wenn das Verhalten des VN den Straftatbestand der Unfallflucht (§ 142 StGB) verwirklicht, weil der VR bei einem Schadensfall immer Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallhergangs und der Unfallursachen hat und der VN dieses mit Verlassen des Unfallorts nachhaltig beeinträchtigt.51 Die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung berechtigt den VN im Übrigen nicht zu unrichtigen Angaben gegenüber dem VR.52 Dies gilt auch für die Gefahr einer Strafverfolgung gegen nahe Verwandte.53
4. Berichtigung falscher Angaben 32 Falsche Angaben des VN erfüllen ausnahmsweise den objektiven Tatbestand nicht, wenn sie so schnell berichtigt werden, dass die korrigierte Information dem VR bereits in dem Zeitpunkt vorliegt, in dem er sich erstmals mit dem Vorgang befasst.54 33 Nach der Rechtsprechung zu VVG a.F. konnte sich der VR darüber hinaus nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn der Zweck der Aufklärungsobliegenheit durch die Berichtigung der falschen Angaben letztlich doch erreicht wurde. Diesem Zweck, so der BGH in seinem Urteil vom 5.12.2001 „entspricht es nicht, wenn es dem Versicherungsnehmer von vornherein abgeschnitten wäre, die Sanktion der Leistungsfreiheit durch eine Korrektur seiner Angaben zu vermeiden. Das wirtschaftliche Interesse des Versicherers an richtigen Angaben besteht fort, solange ihm durch die falschen Angaben noch kein Nachteil, etwa durch Verlust von Aufklärungsmöglichkeiten, entstanden und ihm die Unrichtigkeit noch nicht aufgefallen ist. Der Versicherungsnehmer, der die Vermögensinteressen des Versicherers durch falsche Angaben bereits gefährdet hat, kann dem drohenden Anspruchsverlust aber nur dann entgehen, wenn er dem Versicherer den wahren Sachverhalt aus eigenem Antrieb vollständig und unmissverständlich offenbart und nichts verschleiert oder zurückhält. Dass dies geschehen ist, hat er darzulegen und ggf. zu beweisen … Kann nicht ausgeschlossen werden, dass die falschen Angaben bereits zu einem Nachteil für den Versicherer geführt haben oder nicht freiwillig berichtigt worden sind, bleibt es bei der Leistungsfreiheit.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]
48 BGH 24.5.1995 – IV ZR 167/94, RuS 1995 328 = VersR 1995 1043, 1044; OLG Saarbrücken 30.4.2008 – 5 U 614/ 07, RuS 2008 465, 466.
49 Vgl. BGH 1.12.1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000 222 = RuS 2000 94, 95. 50 Vgl. LG Saarbrücken 1.10.2001 – 12 O 184/01, zfs 2002 244. 51 Vgl. BGH 15.12.1982 – IVa ZR 33/81, VersR 1983 258; BGH 12.11.1975 – IV ZR 5/74, NJW 1976 371, 372 = VersR 1976 84. 52 BGH 25.10.1952 – II ZR 24/52, VersR 1952 428; vgl. zu § 7 AKB a.F. OLG Saarbrücken 30.4.2008 – 5 U 614/07, RuS 2008 465, 466; OLG Hamm 11.4.1975 – 20 U 253/74, VersR 1976 579; LG Koblenz 12.12.1994 – 5 O 342/94, RuS 1996 300. 53 OLG Oldenburg 7.12.1994 – 2 U 185/94, VersR 1995 952, 953. 54 BGH 5.12.2001 – IV ZR 225/00, RuS 2002 51, 52 f.; vgl. dazu BGH 30.11.67 – II ZR 13/65, VersR 1968 137; OLG Hamm 19.11.1999 – 20 U 205/98, RuS 2000 139 = VersR 2000 577. Koch
432
C. Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit
Ziff. 25 AHB 2016
Dieses Urteil und die daran anknüpfende Rechtsprechung dürften nach der Reform des VVG weitgehend bedeutungslos sein. Diese Rechtsprechung war nämlich dem Umstand geschuldet, dass vor der Reform bei Vor- 34 liegen einer Obliegenheitsverletzung die Vorsatzvermutung eingriff mit der Folge, dass es nicht darauf ankam, ob der VR einen Nachteil erlitten hatte. Nach der Reform besteht erstens nur die Vermutung grober Fahrlässigkeit, die zweitens nicht zwingend zu einer vollständigen, sondern im Regelfall nur zu einer teilweisen, in Ausnahmefällen sogar zu gar keiner Leistungskürzung führt. Im Übrigen wird drittens dem VN nicht nur bei grob fahrlässiger, sondern selbst bei vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit die Möglichkeit eingeräumt, darzulegen und zu beweisen, dass der VR keinen Nachteil erlitten hat (vgl. Ziff. 26.2 Satz 5 AHB). Die vom BGH im Rahmen von § 242 BGB berücksichtigten Umstände dürften nur noch Berücksichtigung finden, wenn es darum geht, den Verschuldensgrad des VN und bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit den Umfang der Leistungskürzung zu bestimmen.
5. Verschwiegenheitspflicht des VR Korrelat zur Aufklärungsobliegenheit des VN ist die Verschwiegenheitspflicht des VR. Hierbei 35 handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB,55 die so weit reichen soll, dass der VR die ihm gemachten Angaben auch nicht den Strafverfolgungsbehörden mitteilen oder ihnen diesbezügliche Unterlagen zur Verfügung stellen darf.56 Im Hinblick darauf, dass eine Beschlagnahme der Schadensakten des VR unter den Voraussetzungen des § 94 StPO zulässig ist57 und dem VR im Strafprozess kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, sodass seine Mitarbeiter zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet sind,58 ist jedoch – wie beim Bankgeheimnis (vgl. Ziff. 2 (1) AGB-Banken) – die Einschränkung geboten, dass keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht vorliegt, wenn der VR aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Auskunft verpflichtet ist oder der VN eingewilligt hat.
6. Erstattung ausführlicher und wahrheitsgemäßer Schadensberichte a) Tatsachenbezogene Fragen. Die Obliegenheit nach Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 1 AHB, dem VR 36 ausführliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten, bezieht sich auf alles, was der Aufklärung des Sachverhalts dienlich sein kann.59 Sie setzt erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der VR an den VN herantritt und die Informationen anfordert, die er aus seiner Sicht zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistungspflicht benötigt.60 Der VN hat dem VR die Umstände des Schadensfalles mitzuteilen und alle damit zusam- 37 menhängenden sachdienlichen Fragen, die der Prüfung dienen, ob und in welchem Umfang der VR überhaupt zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet oder ob er leistungsfrei ist, mit zutreffenden und vollständigen Angaben wahrheitsgemäß zu beantworten.61 Es geht hier vor allem um die eigene Wahrnehmung des VN. Entsprechen die vom VN erteilten Auskünf55 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 29; Littbarski AHB § 5 Rn. 60; Kuwert Rn. 5030. 56 Vgl. BGH 12.3.1976 – IV ZR 79/73, VersR 1976 383, 384; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 30. 57 Vgl. BVerfG 10.2.1981 – 2 BvR 46/81, zfs 1982 13; LG Hamburg 5.6.1984 – 33 Qs 643/84, MDR 1984 867; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 30. 58 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 30. 59 OLG Köln 13.8.2010 – 20 U 22/09, RuS 2011 21, 22 = VersR 2011 339, 340; Späte § 5 Rn. 25. 60 BGH 16.11.2005 – IV ZR 307/04, RuS 2006 185, 186; BGH 7.7.2004 – IV ZR 265/03, RuS 2004 368, 369 = VersR 2004 1117 für Kaskoversicherung; BGH 21.4.1993 – IV ZR 34/92, VersR 1993 828, 829; vgl. auch OLG Saarbrücken 6.10.2010 – 5 U 88/10, BeckRS 2011 18062 (jeweils zur Kfz-Kaskoversicherung). 61 OLG Karlsruhe 6.4.2006 – 12 U 266/05, VersR 2006 1206. 433
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
te seinem Kenntnisstand, sind sie wahrheitsgemäß. Auf die objektive Unrichtigkeit kommt es nicht an, es sei denn, der VN hat Anhaltspunkte, dass sein Kenntnisstand unrichtig oder unvollständig sein könnte.62 Fragen, die mit dem Schadensfall nichts zu tun haben, braucht der VN nicht zu beantworten.63 Weitergehend als bei den Anzeigeobliegenheiten muss sich der VN über die Tatsachen, zu denen der VR berechtigterweise Auskunft verlangt, gegebenenfalls erkundigen.64 Bei der Frage, ob eine Schadensanzeige unwahre Angaben enthält, ist insgesamt ein ver38 ständiger Maßstab anzulegen, der die Irrtumsmöglichkeiten der jeweiligen Auskunftspersonen mit umfasst.65 Werden nebensächliche oder unerhebliche Fragen unrichtig oder gar nicht beantwortet, so ist darin regelmäßig keine Obliegenheitsverletzung zu sehen.66 Vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des BGH vom 10.3.1966:67 „Die Fragen und Antworten einer Schadensanzeige sind vom Standpunkt eines verständigen VN zur Zeit der Ausfüllung zu beurteilen. Dabei darf dem VN nicht unterstellt werden, den VR täuschen zu wollen. Legt man diesen Maßstab an, so hält sich die Angabe der Führerscheinklasse III zur kurzen und geläufigen Kennzeichnung des entsprechenden österreichischen Führerscheins für Pkw noch in den Grenzen einer zutreffenden Beantwortung der Frage nach der Führerscheinklasse. Die gegebene Antwort wäre nur dann als falsch oder irreführend anzusehen, wenn entweder allgemein von einer Täuschungsabsicht des VN auszugehen wäre oder der übrige Inhalt der Schadensanzeige – z.B. durch die hier nicht gestellte Frage nach einer in- oder ausländischen Fahrerlaubnis oder der Ausstellungsbehörde – die Angabe des Bekl. verbieten würde.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]
39 Beantwortet der VN Fragen falsch oder trotz mehrfacher Mahnungen gar nicht, verstößt er gegen die ihm obliegende Aufklärungsobliegenheit. Das Schweigen auf sachgerechte Fragen steht somit deren unrichtiger Beantwortung gleich, weil es ebenfalls geeignet ist, das Aufklärungsinteresse des VR zu gefährden.68 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass den VR unter Umständen eine Rückfrageobliegenheit trifft, deren Verletzung dazu führen kann, dass ihm trotz unrichtiger oder unvollständiger Auskunft nach Treu und Glauben69 eine Berufung auf die Obliegenheitsverletzung des VN versagt ist. Nach Brömmelmeyer ergibt sich die Rückfrageobliegenheit auch aus § 6 Abs. 4 VVG – ggf. in Verbindung mit § 1a VVG.70 Eine Rückfrageobliegenheit besteht z.B., wenn sich aus einer formularmäßig gestalteten 40 Schadensanzeige Widersprüche oder offenkundige Unrichtigkeiten in den Angaben des VN ergeben,71 wenn der VN im Zusammenhang mit der Nichtbeantwortung einer Frage Beratungsbe-
62 Langheid/Wandt/Wandt § 31 VVG Rn. 69. 63 Vgl. Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 31 VVG Rn. 28. 64 BGH 13.12.2006 – IV ZR 252/05, VersR 2007 389; BGH 21.4.1993 – IV ZR 34/92, VersR 1993 828, 829; OLG Saarbrücken 6.10.2010 – 5 U 88/10, BeckRS 2011 18062. 65 OLG Stuttgart 2.8.2005 – 10 U 88/05, VersR 2006 1489. 66 So auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 43. 67 BGH 10.3.1966 – II ZR 61/64, VersR 1966 433, 434. 68 OLG Saarbrücken 31.5.2006 – 5 U 165/05, VersR 2007 1646, 1647; OLG München 30.11.1979 – 19 U 2334/79, VersR 1980 570, 571; vgl. auch OLG Karlsruhe 19.9.1991 – 12 U 57/91, RuS 1992 335 = VersR 1992 1256; LG Kleve 10.3.1967 – 2 O 236/66, VersR 1967 649. 69 BGH 14.11.1979 – IV ZR 41/78, VersR 1980 159, 160; BGH 11.6.1976 – IV ZR 84/75, VersR 1976 821, 824; OLG Brandenburg 27.6.2007 – 4 U 171/06, RuS 2008 325, 326; OLG Bremen 2.10.2007 – 3 U 27/07, VersR 2007 1692, 1693; OLG Karlsruhe 6.2.2003 – 12 U 204/02, NJW-RR 2003 607, 608; OLG Hamm 18.2.2000 – 20 U 68/99, RuS 2000 493 = VersR 2001 1419; OLG Köln 21.1.1997 VersR 1997 962. 70 Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 31 VVG Rn. 10; a.A. Landheid/Wandt/Wandt § 31 VVG Rn. 78. 71 BGH 6.11.1996 – IV ZR 215/95, RuS 1997 84; OLG Brandenburg 27.6.2007 – 4 U 171/06, RuS 2008 325, 326; OLG Bremen 2.10.2007 – 3 U 27/07, VersR 2007 1692, 1693; OLG Hamm 18.2.2000 – 20 U 68/99, RuS 2000 493 = VersR 2001 1419; OLG Karlsruhe 6.2.2003 – 12 U 204/02 (juris) Rn. 12. Koch
434
C. Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit
Ziff. 25 AHB 2016
darf hinsichtlich der Auskunftserteilung signalisiert,72 wenn für den VR Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der VN eine Frage unabsichtlich nicht beantwortet hat,73 wenn der VN mit einem Fragezeichen geantwortet hat,74 wenn offensichtlich Tipp- oder Schreibfehler vorliegen,75 wenn der VR erkennen muss, dass der VN davon ausgeht, eine bestimmte Frage schon (vollständig) beantwortet zu haben,76 oder wenn in dem Schadensanzeigeformular nur eine knappe Beantwortung erfolgt und für weitere Angaben auf eine ausführliche Anzeige bei der Polizei verwiesen wird.77 Kein Fall der Unklarheit soll vorliegen, wenn der VN in das Antwortfeld eines Fragebogens 41 einen Quer- oder Schrägstrich einfügt. Einen solchen Strich bewertet die Rechtsprechung (eindeutig) als Verneinung.78 Vereitelt der VN den Zugang eines Auskunftsverlangens, begründet dies ebenfalls eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit.79 Nach Ansicht des OLG Düsseldorf liegt eine Verletzung der Obliegenheit zur ausführlichen und wahrheitsgemäßen Schadensberichterstattung des Weiteren vor, wenn der VN die Fragen nicht fristgemäß beantwortet und das Schadensanzeigeformular nicht rechtzeitig rücksendet.80
b) Tatsachenbezogene Bewertungen des Versicherungsnehmers. Die Obliegenheit, aus- 42 führliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte abzugeben, bezieht sich in erster Linie auf Tatsachen, die der Sachaufklärung dienen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Klausel, in dem von „Schadensberichten“ die Rede ist.81 Falsche Angaben des VN zu der Vorgeschichte und zum Hergang eines Schadensfalles stellen danach eine Obliegenheitsverletzung dar.82 Darüber hinaus hat der VN aber auch auf Fragen zu antworten, deren Beantwortung von ihm im gewissen Rahmen eine eigene (Be-)Wertung fordert.83 Hierbei geht es um solche Begriffe, denen eine gewisse Unsicherheitszone zu eigen ist, die man als Erforderlichkeit einer Wertung begreifen kann (z.B. der Begriff der Gewohnheitsmäßigkeit). Insoweit stellen sich hier ähnliche Fragen wie bei der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit.84 Zu Recht weist Armbrüster in seiner Kommentierung zu § 19 VVG darauf hin, dass solche Fragen dem VN einen Beurteilungsspielraum einräumen mit der Folge, dass Antworten richtig sind, die sich in dessen äußersten Grenzen halten und der Einschätzung des VN entsprechen.85 Damit dürfte den Interessen des VN in der Tat grundsätzlich Genüge getan sein.86 Zu weit ginge es jedoch, auch solche Fragen als von der Aufklärungsobliegenheit umfasst 43 anzusehen, die dem VN eine fachspezifische Bewertung eines tatsächlichen Geschehens abverlangen, wie sie in einem Rechtsstreit typischerweise ein Sachverständiger zu leisten hat.87 Bei 72 Langheid/Wandt/Wandt § 31 VVG Rn. 79. 73 Vgl. OLG Hamm 8.2.1995 – 20 U 236/94, VersR 1996 53; OLG Stuttgart 18.5.1966 – 5 U 10/66, VersR 1967 465, 466. 74 Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 31 VVG Rn. 50. 75 BGH 14.11.1979 – IV ZR 41/78, VersR 1980 159, 160. 76 BGH 11.6.1976 – IV ZR 84/75, VersR 1976 821, 824. 77 OLG Frankfurt/M. 9.11.1983 – 9 U 140/82, VersR 1985 774, 775; Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 31 VVG Rn. 55. 78 OLG Bremen 29.7.1997 – 3 U 160/96, VersR 1998 1149; OLG Köln 5.7.1990 – 5 U 244/89, VersR 1991 766, 767; OLG Hamm 18.6.1986 – 20 U 13/86, VersR 1987 1233, 1234; OLG München 30.12.1976 – 19 U 1091/76, VersR 1977 539, 540. 79 OLG Karlsruhe 6.4.2006 – 12 U 266/05, VersR 2006 1206; OLG Karlsruhe 5.6.1997 – 12 U 308/96, RuS 1997 381. 80 OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, RuS 2001 16, 19. 81 OLG Köln 13.8.2010 – 20 U 22/09, RuS 2011 21 = VersR 2011 339, 340. 82 Vgl. OLG Köln 14.2.2006 – 9 U 3/05, BeckRS 2006 06158; OLG Hamm 1.6.1990 – 20 U 53/90, RuS 1990 408; LG Dortmund 1.2.2007 – 2 O 154/06, NJOZ 2007 5086. 83 Vgl. BGH 27.2.1964 – II ZR 65/61, VersR 1964 475, 476; BGH 6.5.1965 – II ZR 133/63, VersR 1965 654, 655. 84 Vgl. Prölss/Martin/Armbrüster § 19 VVG Rn. 44. 85 Vgl. Prölss/Martin/Armbrüster § 19 VVG Rn. 44. 86 Zu eng OLG Frankfurt/M. 14.5.2009 – 7 U 185/08, OLGR 2009 943. 87 OLG Köln 13.8.2010 – 20 U 22/09, RuS 2011 21, 22 = VersR 2011 339, 340. 435
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
der Obliegenheit gemäß Ziff. 25.2 Satz 4 AHB geht es nämlich vornehmlich darum, dem VR eine möglichst breite Tatsachengrundlage zum Schadensfall zu vermitteln, damit dieser in den Stand versetzt wird, sowohl Haftung als auch Deckung zu prüfen. Es ist Sache des VR, sich – falls erforderlich – gutachterlich beraten zu lassen. Ob der VN über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, ist unerheblich, da er auch wenn dies der Fall sein sollte, in seiner Eigenschaft als VN betroffen und nicht gehalten ist, fachliche Wertungen abzugeben. Soweit es um medizinische Wertungen geht, die einem Sachverständigen vorbehalten sind, entspricht es demgemäß obergerichtlicher Rechtsprechung, dass keine sanktionsbewehrte Obliegenheit des VN zur Mitwirkung besteht, selbst wenn dieser medizinisch vorgebildet ist.88
44 c) Deckungsbezogene Tatsachen. Von entscheidender Bedeutung aus der Sicht des VR sind auch diejenigen Fragen, deren Beantwortung Aufschluss darüber gibt, ob für den Schadensfall Versicherungsschutz besteht oder nicht, ob also die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter das versicherte Risiko fallen, Ausschlüsse eingreifen oder Obliegenheiten verletzt worden sind.89 In der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt das Gesagte z.B. für die Frage danach, ob der Fahrer des Unfallwagens einen Führerschein hatte,90 ob die Fahrt mit Wissen und Wollen des VN ausgeführt wurde91 oder ob das Unfallfahrzeug gemietet war oder nicht.92 Das Aufklärungsinteresse entfällt auch nicht etwa deshalb, weil der VN den Haftpflichtanspruch anerkennt (§ 105 VVG). Ganz im Gegenteil ist der VR gerade in diesen Fällen darauf angewiesen, sich ein eigenes Bild von dem Schaden und der Haftung des VN dem Grunde und der Höhe nach zu machen.
V. Auskunftsobliegenheiten nach Deckungsablehnung 45 Die Obliegenheit, wahrheitsgemäße Schadensberichte abzugeben, entfällt entgegen der h.M. nicht stets, sobald der VR den Versicherungsschutz endgültig ablehnt.93 In diesem Fall ist der VN nur berechtigt, trotz der Ablehnung an ihn gerichtete Fragen des VR nicht zu beantworten. Entscheidet sich der VN gleichwohl dazu, müssen die Antworten wahr sein. Ein schutzwürdiges Interesse des VN an der Unwahrheit besteht nicht. Die Rechtsprechung des BGH, wonach selbst ein arglistig falscher Prozessvortrag des VN nicht zur Leistungsfreiheit des VR führt, solange dieser an seiner Leistungsablehnung festhält,94 ist fragwürdig und lässt sich nicht auf die Situation außerhalb eines Deckungsprozesses übertragen.
88 OLG Köln 13.8.2010 – 20 U 22/09, RuS 2011 21, 22 = VersR 2011 339, 340; OLG Frankfurt/M. 14.5.2009 – 7 U 185/ 08, OLGR 2009 943; OLG Frankfurt/M. 10.12.1998 – 3 U 28/98, NVersZ 1999 230, 231; KG 3.5.1983 -7 O 168/82, VersR 1986 353, 355; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 14 a.E. 89 Vgl. BGH 13.4.2016 – IV ZR 152/14, VersR 2016 793 Rn. 14; OLG Köln 14.2.2006 – 9 U 3/05, BeckRS 2006 06158; OLG Hamm 19.12.1997 – 20 U 150/97, RuS 1998 168 (Feststellung, ob das schadenstiftende Pferd zum versicherten Bestand gehörte und ob die Haltereigenschaft des VN als Voraussetzung der einschlägigen Haftpflichtnorm des § 833 BGB gegeben war); OLG Hamm 1.6.1990 – 20 U 53/90, RuS 1990 408 (Feststellung der Haltereigenschaft des VN im Schadenszeitpunkt); LG Dortmund 1.2.2007 – 2 O 154/06, NJOZ 2007 5086; OLG Bamberg 21.5.1952 – 1 U 21/ 52, VersR 1952 316, 317 (Feststellung, ob und wann der Betrieb an den Ehemann der Anspruchstellerin verpachtet worden war, was in Bezug auf § 151 Abs. 2 VVG a.F. und § 4 II Ziff. 2 AHB a.F. von wesentlicher Bedeutung war). 90 BGH 10.3.1966 – II ZR 61/64, VersR 1966 433, 434. 91 BGH 9.7.1956 – II ZR 286/55, VersR 1956 485. 92 BGH 3.12.1962 – II ZR 47/60, NJW 1963 487, 488. 93 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 41; Littbarski AHB § 5 Rn. 67; Späte § 4 Rn. 32. 94 Z.B. BGH 22.9.1999 – IV ZR 172/98, RuS 1999 495, 496. Koch
436
D. Rettungsobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
VI. Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheitsverletzungen Dritter Erstattet nicht der VN, sondern ein von ihm betrauter Dritter den Schadensbericht, so muss sich 46 der VN falsche Angaben dieses sog. Wissenserklärungsvertreters in analoger Anwendung von § 166 BGB zurechnen lassen, auch wenn dieser nicht zugleich sein Repräsentant ist.95 Hiervon ist der Fall zu unterscheiden, dass der die Auskunft Erteilende als versicherte Person die ihn nach Ziff. 27.1 AHB selbst treffende Aufklärungsobliegenheit erfüllen will. Die unrichtigen Angaben gehen dann allein zulasten des Fremdversicherungsschutzes der versicherten Person. Erfährt der VN, dass ein Dritter ein Schadensformular mit im Wesentlichen unrichtigen und 47 unvollständigen Angaben ohne sein Wissen eingesandt hat, so obliegt es ihm, diese Angaben richtig zu stellen.96 Unterschreibt der VN die Schadensmeldung, macht er sich die Angaben des Dritten zu eigen, auch wenn er die Meldung nicht selbst ausgefüllt hat. Aus Sicht des VR erscheint das vom VN unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten.97
D. Rettungsobliegenheiten I. Zur Qualifikation als nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllender Obliegenheit Nach Ziff. 25.2 Satz 1 u. 2 AHB muss der VN nach Möglichkeit für die Abwendung und Minde- 48 rung des Schadens sorgen und dabei Weisungen des VR befolgen, soweit es für ihn zumutbar ist (zu den Grenzen s. Rn. 79 ff.). Abweichend von § 82 Abs. 1 u. 2 VVG knüpfen Rettungsobliegenheiten somit nicht an den Eintritt des Versicherungsfalles, sondern an den Schaden an. Hieraus folgt aber kein inhaltlicher Unterschied, da Ziff. 25 AHB ausnahmslos Obliegenheiten aufführt, die der VN bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat.98 Dies bedeutet, dass es im Rahmen des Ziff. 25.2 Satz 1 u. 2 AHB wegen der begrifflichen Festlegung des Schadensereignisses als Versicherungsfall zwischen dem Zeitpunkt des Verstoßes (der Schadenursache) und dem Schadensereignis keine Rettungslast gibt.99
II. Abgrenzung zur Rechtsschutzfunktion Systematisch abzugrenzen ist die Rettungslast von der Rechtsschutzfunktion der Haftpflichtver- 49 sicherung, die im älteren Schrifttum vielfach als auf den VR übertragene Schadensminderungslast des VN charakterisiert worden ist.100 Dadurch, dass der VR Rechtsschutz als Hauptleistung eigener Art im untrennbaren Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Freistellung von begründeten Ansprüchen gewährt,101 entfällt tatsächlich ein wesentlicher Teil der theoretisch denkbaren Rettungslast des VN. Gleichwohl sind die dem VN nach Ziff. 25.2 Satz 1 und 2, 25.4 und 25.5 95 Vgl. hierzu etwa BGH 14.12.1994 – IV ZR 304/93, VersR 1995 281; BGH 2.6.1993 – IV ZR 72/92, BGHZ 122 388, 389 = RuS 1993 281, 282; OLG Köln 26.4.2005 – 9 U 113/04, RuS 2005 240; OLG Köln 18.1.2005 – 9 U 60/04, RuS 2006 235; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 46. 96 BGH 2.5.1963 – II ZR 192/61, VersR 1963 547, 548. 97 BGH 14.12.1994 – IV ZR 304/93, VersR 1995 281 f.; OLG Saarbrücken 6.10.2010 – 5 U 88/10, BeckRS 2011 18062; OLG Saarbrücken 12.7.2006 – 5 U 6/06, VersR 2007 532, 533; vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 46. 98 So schon BGH 18.1.1965 – II ZR 135/62, BGHZ 43 88, 90 = VersR 1965 325; vgl. auch Späte/Schimikowski/ Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 12. 99 Vgl. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. F 76. 100 Vgl. die Nachweise bei Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. B 35. 101 Vgl. zur Qualifikation des Leistungsversprechens des VR § 100 VVG Rn. 20. 437
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
AHB obliegenden Unterstützungslasten bei der Abwehr, wie z.B. die Vollmachtserteilung an den vom VR ausgesuchten Anwalt und eine sonstige bei der Führung des Haftpflichtprozesses durch den VR begehrte Unterstützung, als Rettungsobliegenheit zu charakterisieren. Diese Unterstützungsobliegenheiten stellen damit gewissermaßen das Korrelat zu der Rechtsschutzleistung des VR dar.102
III. Allgemeine Rettungsobliegenheit (Ziff. 25.2 Satz 1 und 2 AHB) 50 Wie jeder andere VN ist auch der Haftpflicht-VN gehalten, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Für die allgemeinen Grundsätze sei daher auf die Kommentierung zu § 82 VVG verwiesen. Bei Anwendung dieser Grundsätze muss die besondere Gestaltung der Haftpflichtversicherung mit dem doppelten Leistungsversprechen (Freistellung von berechtigten Ansprüchen und Abwehr unbegründeter Ansprüche) berücksichtigt werden. In großer Zahl werden von den geschädigten Dritten überhöhte und gänzlich unbegründete Ansprüche geltend gemacht. Hier ist der Hauptplatz der Rettungslast des VN in der Haftpflichtversicherung. Es wird von ihm erwartet, dass er dem VR in jeder Beziehung tatkräftig hilft, damit dieser den unbegründeten Ansprüchen wirksam entgegentreten kann, sodass sich die Verlustmöglichkeit nicht durch ein falsches Urteil zu einem Verlust auswächst. Die Rettungsmöglichkeiten sind so vielfältig, dass sie in den Bedingungen nicht abschließend aufgezählt werden können. Es war vielmehr erforderlich, die Generalklausel des § 82 VVG zu wiederholen. 51 Die Schadensminderungslast gegenüber begründeten Ansprüchen hat ein anderes Ausmaß als die gegenüber unbegründeten Forderungen, weshalb eine getrennte Betrachtung der Rettungslast gegenüber (offensichtlich) begründeten Ansprüchen (Rn. 52 ff.) und (ganz oder teilweise) unbegründeten Ansprüchen (Rn. 56 ff.) angebracht ist. Im weiteren Sinne gehört zur Rettungslast auch die Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit, die Gegenstand der soeben behandelten Ziff. 25.2 Satz 3 und 4 AHB ist. Ihre selbstständige Behandlung rechtfertigt sich – wie im System des VVG (§ 31) – daraus, dass sie vornehmlich der Schadensfeststellung und nicht der Schadensminderung dienen soll. Schadensminderungslast und Aufklärungsobliegenheit können sich aber überschneiden.103 Bei einer unrichtigen Darstellung des Schadensherganges gegenüber dem VR ist regelmäßig nur ein Verstoß gegen die Aufklärungs- und nicht auch zugleich gegen die Rettungslast anzunehmen. Bei einer Kollision zwischen Aufklärungs- und Rettungsobliegenheit kommt letzterer Vorrang zu.104
1. Offensichtlich begründete Haftpflichtansprüche 52 Ist ein Schaden dadurch eingetreten, dass das Vermögen des VN bereits mit begründeten Haftpflichtansprüchen belastet worden ist, kommt eine Schadensminderung durch den VN begrifflich nur insoweit in Betracht, als er sich so zu verhalten hat, dass sich durch sein Verhalten (Tun oder Unterlassen) der eingetretene Schaden nicht vergrößert. Der VN ist demgemäß z.B. verpflichtet, dem durch ihn Verletzten erste Hilfe zu leisten, ihn ins Krankenhaus zu fahren oder einen Arzt herbeizuholen. 53 Der VN ist dagegen nicht verpflichtet, den VR bei der Abwehr begründeter Ansprüche zu unterstützen. Eine Verpflichtung zur Abwehr begründeter Ansprüche im Verein mit dem VR vertrüge sich weder mit der sozialen Aufgabe noch mit der Zweckbindung der Haftpflichtversicherung. Letztlich beruht unsere Rechtsordnung auf dem Grundgedanken, dass ein rechtstreu Handelnder gegen ihn gerichtete begründete Haftpflichtansprüche genauso ohne Prozess erfüllt 102 Siebeck 102. 103 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 82 VVG Rn. 28. 104 Vgl. BGH 7.12.1967 – II ZR 24/65, VersR 1968 140 ff. Koch
438
D. Rettungsobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
wie andere Verbindlichkeiten, z.B. eine Kaufpreisschuld. Von dieser Grundthese ging bereits das RG aus: „Wenn und soweit der Versicherte den Anspruch des Verletzten als begründet erkennt, besteht für ihn keine Obliegenheit, den VR, dem er bedingungsgemäß die Prozeßführung überlassen mußte, bei der Abwehr des Anspruchs zu unterstützen.“105
Der BGH hat es sogar abgelehnt, einen Verstoß gegen die Schadensminderungslast darin zu sehen, dass der VN den Dritten dazu ermuntert, seine begründeten Ansprüche zu erheben.106 Ein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit liege nur dann vor, wenn der VN den Dritten ermuntere, unbegründete Ansprüche zu erheben.107 Überlässt der VN dem Dritten eine Abschrift seiner wahrheitsgemäßen Anzeige an den VR, liegt darin kein Verstoß gegen die allgemeine Schadensminderungslast.108 Dieser Rechtsprechung ist beizupflichten. Sie geht insbesondere von einem zutreffenden 54 Schadensbegriff in der Haftpflichtversicherung aus, der bei begründeten Ansprüchen in der Belastung des Vermögens des VN mit diesen Ansprüchen liegt, und zieht daraus ausdrücklich die Konsequenz, dass hier insoweit begrifflich eine Schadensminderungslast entfalle. Nach der Reform des VVG folgt mittelbar aus der Untersagung von Anerkenntnisverbotsklauseln (§ 105 VVG) und der Bindungswirkung eines dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erteilten Anerkenntnisses (§ 106 VVG), dass den VN nicht die Obliegenheit trifft, begründete Ansprüche abzuwehren. Vor diesem Hintergrund dürfte heute kein Verstoß mehr gegen die Schadensminderungslast anzunehmen sein, wenn der VN z.B. für den Dritten die Klage anfertigt,109 sonst die prozessualen Lasten für den Dritten erledigt oder eidesstattliche Versicherungen zugunsten des Dritten sammelt oder selbst abgibt.110 Kein Verstoß gegen die Schadensminderungslast liegt auch vor, wenn der VN dem geschädigten Dritten zur Überwindung der durch den Unfall angespannten finanziellen Situation ein Darlehen gewährt.111
2. (Ganz oder teilweise) unbegründete Haftpflichtansprüche Besteht im Ergebnis somit keine Obliegenheit des VN, begründeten Ansprüchen entgegenzutre- 55 ten oder den VR bei der Abwehr derartiger Ansprüche zu unterstützen, gilt es doch zu beachten, dass die Entscheidung darüber, ob ein Haftpflichtanspruch begründet oder unbegründet ist, in erster Linie dem VR obliegt, der hierüber im Anschluss an die Prüfung der Haftpflichtfrage, bei der ihm ein Beurteilungsspielraum zusteht, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (vgl. Ziff. 5 AHB Rn. 44 ff.). Da der VN nicht berechtigt ist, seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle derjenigen des VR zu setzen, ist er daher regelmäßig gehalten, den VR mit allen Kräften zu unterstützen.112
105 RG 30.8.1938 – VII 72/38, JW 1938 2834 f. 106 BGH 25.4.1955 – II ZR 6/54, VersR 1955 340 f.; ebenso OLG Nürnberg 16.11.1964 – 5 U 2/64, VersR 1965 175, 176; zustimmend Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 14; Littbarski AHB § 5 Rn. 51; a.A. Siebeck 103; Venzmer VersR 1955 612. 107 BGH 25.4.1955 – II ZR 6/54, VersR 1955 340, 341; vgl. dazu RG 24.9.1915 – VII 119/15, VA 1915 Anh. S. 90 f. Ziff. 904; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 15. 108 KG 21.3.1931 VA 1931 S. 23 f. Ziff. 2251. 109 Vgl. OLG Düsseldorf 31.1.1938 – 6 U 158/37, JRPV 1938 89, 90. 110 Vgl. OLG Hamm 10.3.1939 – 4 U 358/38, Hans RGZ 1940 A Sp. 103 f.; a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 15. 111 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 15; A.A. OLG Köln 30.12.1935 – 6 U 161/35, Hans RGZ 1936 A Sp. 142. 112 Vgl. auch Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 17. 439
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
56
57
58
59
60
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
Dies gilt nicht nur für unbegründete Ansprüche und Sachverhalte, in denen teils begründete, teils unbegründete Forderungen gestellt werden, sondern auch in den Fällen, in denen die erhobenen Ansprüche zwar begründet sind, die Begründetheit aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ohne Weiteres ersichtlich ist. Seine Mitwirkung bei der Abwehr der geltend gemachten Haftpflichtansprüche darf der VN nur dann ablehnen, wenn deren Begründetheit jedem verständigen Betrachter einleuchtet und demgemäß der gegenteilige Standpunkt des VR geradezu ein grob fahrlässiges Verkennen der Situation bedeutet. Deshalb ist die Obliegenheit gem. Ziff. 25.4 Satz 1 AHB, derzufolge der VN gegen einen Mahnbescheid oder eine Verfügung von Verwaltungsbehörden auf Schadensersatz grundsätzlich „fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen [muss]“ (Rn. 66), nicht zu beanstanden, da diese Mitwirkungshandlung nur dazu dient, dem VR die Möglichkeit zur Prüfung des Anspruchs zu geben. Die nach § 5 Ziff. 6 AHB 1999 noch als Obliegenheit ausgestaltete Verpflichtung des VN, Abänderungsklage zu erheben, ist durch eine nach Ziff. 5.4 AHB begründete Vollmacht des VR ersetzt worden, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, falls der VN oder ein Mitversicherter nachträglich ein solches Recht erlangt. Den VN trifft aber nach dem allgemeinen Schadensminderungsgebot des Ziff. 25.2 Satz 1 AHB die Obliegenheit, den VR bei Kenntnis solcher Umstände unverzüglich zu unterrichten.113 Nicht speziell festgelegt ist die sich ebenfalls aus dem allgemeinen Schadensminderungsgebot ergebende Obliegenheit des VN, auf Weisung des VR Klage auf Feststellung im sozialgerichtlichen Verfahren zu erheben, dass z.B. der Unfall, aus dem der VN ersatzpflichtig gemacht wird, sich als vom Sozialversicherungsschutz erfasster Arbeitsunfall in seinem eigenen Betriebe zugetragen hat. Gleiches gilt für den Fall, dass dem VN der Streit in einem Vorprozess verkündet wird. Hier ist er nach Weisung des VR grundsätzlich zum Beitritt verpflichtet. Das Besondere in den beiden letztgenannten Fällen besteht darin, dass anders als im Falle des § 323 ZPO nicht ausdrücklich vereinbart worden ist, wer die Prozessführung hat und ob der VN den vom VR vorgeschlagenen Anwalt akzeptieren muss. Eine entsprechende Anwendung von Ziff. 25.4 AHB scheidet aus, da der Haftpflichtanspruch im eigentlichen Sinne nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Demgemäß hat in erster Linie der VN das Vorschlagsrecht und der VR bei der Prozessführung nur ein Mitspracherecht, aber keine Entscheidungsbefugnis. Entgegen einer Entscheidung des OLG Düsseldorf114 stellt es noch keinen Verstoß gegen die zur Schadensminderung gehörende Hilfe bei der Schadensfeststellung und -regulierung dar, wenn der VN ein unberechtigtes Anspruchsschreiben kritiklos weitergibt. Vielmehr darf der VN grundsätzlich auf sachgerechte Fragen des VR warten. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der VN klar erkennt, dass die Ansprüche des Dritten unbegründet sind und wenn nach den besonderen Umständen des Falles nicht zu erwarten ist, dass der VR die Unbegründetheit des Anspruchs erkennen kann. Anerkennt der VN einen nicht bestehenden Haftpflichtanspruch, verletzt er seine Obliegenheit aus Ziff. 25.2 Satz 1 AHB und ggf. aus Ziff. 25.5 Satz 1 AHB. Da der VR gem. Ziff. 5.1 Satz 3 AHB aufgrund eines ohne seine Zustimmung abgegebenen Anerkenntnisses nur in dem Umfang zur Freistellung verpflichtet ist, wie der Anspruch auch ohne Anerkenntnis bestanden hätte, bleibt der Verstoß des VN jedoch folgenlos.
IV. Besondere Rettungsobliegenheiten 61 Neben der allgemeinen Rettungsobliegenheit nach Ziff. 25.2 Satz 1 AHB, deren Umfang erst im Schadensfall im einzelnen konkretisiert werden kann, sieht Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 2 AHB vor, dass 113 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 5 AHB Rn. 38. 114 OLG Düsseldorf 31.1.1938 – 6 U 158/37, JRPV 1938 89 f.; wie hier Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 15. Koch
440
D. Rettungsobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
der VN den VR bei der Schadensermittlung und -regulierung unterstützt. Ziff. 25.4 AHB enthält das Gebot, rechtzeitig Rechtsbehelfe gegen Mahnbescheide und verwaltungsrechtliche Verfügungen einzulegen, um zu verhindern, dass sich der Dritte vorschnell einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel verschafft. Nach Ziff. 25.5 Satz 1 und 3 AHB hat der VN dem VR die Prozessführung zu überlassen und dem vom VR bezeichneten Anwalt Prozessvollmacht zu erteilten („Prozessmuntschaft“ des Haftpflicht-VR).
1. Unterstützung bei der Schadensermittlung und -regulierung (Ziff. 25.2 Satz 3 Alt. 2 AHB) Die Obliegenheit des VN, den VR (im Innenverhältnis) bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen, ist das Gegenstück zur Regulierungsvollmacht gem. Ziff. 5.2 Satz 1 AHB (im Außenverhältnis). Die Unterstützungsobliegenheit geht weiter als die Obliegenheit, ausführliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten. Der VN ist nicht nur gehalten, auf ein Verlangen des VR hin Auskunft zu erteilen, vielmehr hat er aus eigener Initiative an der Aufklärung des Schadensereignisses aktiv mitzuwirken.115 Er darf insoweit weder Anfragen noch Weisungen des VR abwarten, vielmehr muss er auch zweckdienliche Nachforschungen anstellen.116 Die Obliegenheit setzt also zeitlich früher ein. Ebenso wie die Anzeigeobliegenheit hat sie zur Voraussetzung, dass der VN Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalles hat. Die Unterstützungspflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Verhalten des VN am Ort des Eintritts des Versicherungsfalles.117 So ist die Unterstützungsobliegenheit verletzt, wenn der VN die polizeilichen Ermittlungen durch wahrheitswidrige Angaben in eine falsche Richtung lenkt, Spuren beseitigt oder sich unerlaubt vom Schadenort entfernt (Rn. 31).118 Erlangt der VN erst nach Auskunftserteilung Kenntnis, dass sich eine angegebene Tatsache abweichend von der bereits erteilten Auskunft ereignet hat, muss er seine bereits erteilte Auskunft berichtigen.119 Hier hat die ursprünglich gegebene Auskunft den Wissensstand des VN korrekt wiedergegeben und war deshalb wahrheitsgemäß. Eine Auskunftsobliegenheitsverletzung liegt nicht vor. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der VN bewusst eine unrichtige Auskunft erteilt hat, die er später berichtigt. Die Unterstützungspflicht endet in dem Moment, in dem der VR seine Leistung verweigert. Aber auch hier gilt, dass der VN nicht zur Manipulation von Beweisen u.a. berechtigt ist.
62
63
64
65
2. Einlegung von Rechtsbehelfen (Ziff. 25.4 AHB) Die Obliegenheit gem. Ziff. 25.4 AHB zur Einlegung von Rechtsbehelfen auch ohne vorherige 66 Weisung des VR beginnt – abweichend von E.1.2.5 AKB (Obliegenheit im Schadensfall in der Kfz-Haftpflicht-Versicherung) – nicht erst mit drohendem Fristablauf. Gegen einen Vollstreckungsbescheid oder ein Versäumnisurteil würde der Einspruch infrage kommen.120 Aus Ziff. 25.2 Satz 1 AHB ist der VN auch im Rahmen seiner allgemeinen Rettungsobliegenheit gehal-
115 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 26; Littbarski AHB § 5 Rn. 66; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 25 Ziff. 25 Rn. 14. 116 Späte § 5 Rn. 30 f.; Littbarski AHB § 5 Rn. 66; Wussow § 5 Anm. 19; Kuwert Rn. 5031. 117 BGH 1.12.1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000 222 = RuS 2000 94, 95. 118 BGH 15.12.1982 – IVa ZR 33/81, VersR 1983 258. 119 BGH 21.4.1993 – IV ZR 34/92, VersR 1993 828, 829 = NJW 1993 1862, 1863 mit Anm. Lücke VersR 1993 1098, insoweit in BGHZ 122 250 nicht abgedruckt (Auskunftspflicht zur Feststellung von Umfang und Höhe des Schadens dauert bis zur endgültigen Feststellung an). 120 Vgl. OLG Düsseldorf 26.6.2007 – 4 U 64/06, BeckRS 2010 02790. 441
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
ten, auf Vermeidung unnötiger Kosten zu achten. Aufwendungen, die ihm hierbei durch Bestellung eines eigenen Prozessbevollmächtigten erwachsen, muss er daher selbst tragen.121 67 Anerkennt der VN einen nicht bestehenden Haftpflichtanspruch oder vergleicht er sich mit dem Anspruchssteller, anstelle einen Rechtsbehelf einzulegen, verletzt er seine Obliegenheit aus Ziff. 25.4 AHB. Da der VR gem. Ziff. 5.1 Satz 3 AHB aufgrund eines ohne seine Zustimmung abgegebenen Anerkenntnisses nur in dem Umfang zur Freistellung verpflichtet ist, wie der Anspruch auch ohne Anerkenntnis bestanden hätte, bleibt der Verstoß des VN jedoch folgenlos (Rn. 60).
3. Überlassung der Prozessführung (Ziff. 25.5 AHB) 68 Nach Ziff. 25.5 Satz 1 AHB hat der VN dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen und nach Satz 3 „muss“ er dem vom VR im eigenen Namen beauftragten Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen. Diese Obliegenheit ist das Gegenstück zu Ziff. 5.2 Satz 2 AHB. Aus Ziff. 25.5 AHB folgt jedoch nicht die Berechtigung des VR, im Namen des VN einem von ihm ausgewählten Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen (Ziff. 5 AHB Rn. 203 f.). Dem VR steht insoweit trotz der Formulierung „muss“ kein klagbarer Anspruch auf Erteilung einer derartigen Prozessvollmacht zu. Die gegenteilige Auffassung ist mit dem Rechtscharakter der Obliegenheit unvereinbar.122 Durch die Einholung eines Gutachtens zur Schadensursache seitens des VN wird die Verfah69 rensherrschaft des VR nicht verletzt. Sie stellt daher nicht ohne Weiteres eine Obliegenheitsverletzung dar.123 Im Übrigen steht es dem VR im Rahmen der ihm übertragenen Prozessführungsbefugnis grundsätzlich frei, im Haftpflichtprozess – einschließlich des Kostenfestsetzungsverfahrens124 – den versprochenen Rechtsschutz durch einen eigens für den Versicherten beauftragten Rechtsanwalt oder lediglich mittels einer Nebenintervention zu gewährleisten, in dem er dem Rechtsstreit auf Seiten des VN beitritt.125 In Erfüllung seiner Rechtsschutzverpflichtung im Haftpflichtprozess hat der Haftpflichtversicherer die Interessen des VN so zu wahren, wie es ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt tun würde. Der VR verstößt dagegen gröblichst gegen seine Pflicht zur Rechtsschutzgewährung, wenn er dem Rechtsstreit als Nebenintervenient aufseiten des Anspruchsstellers beitritt (Ziff. 5 AHB Rn. 58).
a) Prozessführung 70 aa) Grundsätzliches. Die Obliegenheit zur Überlassung der Führung des Verfahrens beginnt mit der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Ziff. 25.3 AHB („gerichtliches Verfahren“) verwiesen werden (Rn. 12). Der VN ist auch dann gehalten, dem VR die Prozessführung zu überlassen, wenn der Rechtsstreit in einem Schiedsgerichtsverfahren ausgetragen wird.126 Entgegen Späte bedarf er keiner Sondervereinbarung, um
121 AG Frankfurt/M. 3.2.1972 – 38 C 862/71, VersR 1973 516. 122 So zutreffend BGH 4.12.1967 – II ZR 151/65, VersR 1968 162, 163; ebenso als Vorinstanz OLG Köln 24.5.1965 – 12 U 32 u. 128/64, VersR 1965 950, 951.
123 OLG Hamm 15.3.1985 – 20 U 238/84, VersR 1986 229 zu § 5 Ziff. 4 AHB a.F. 124 OLG Celle 30.11.2012 – 2 W 306/12, BeckRS 2012 25574. 125 Vgl. nur BGH 15.9.2010 – IV ZR 107/09, RuS 2010 504 Rn. 13 f.; BGH 6.6.2010 – VI ZB 31/08, VersR 2010 1472 Rn. 9 f.; BGH 9.3.1993 – IV ZR 249/92, RuS 1994 212 = VersR 1993 625; OLG Hamm 19.8.2019 – 8 W 6/19, RuS 2019 698, 699; OLG Hamm 29.4.1996 – 6 U 187/95, NJW-RR 1997 156. 126 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski Ziff. 25 AHB Rn. 12; Koch SchiedsVZ 2007 281, 287; Littbarski AHB § 5 Rn. 83, a.A. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 68. Koch
442
D. Rettungsobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
eine Verpflichtung des VR zur Übernahme des Schiedsgerichtsverfahrens zu begründen.127 Zu beachten ist, dass den VN in der Betriebshaftpflichtversicherung die Obliegenheit trifft, dem VR die Mitwirkung am Schiedsgerichtsverfahren entsprechend der Mitwirkung an Verfahren des ordentlichen Rechtsweges zu ermöglichen und den VR bei der Auswahl des vom VN zu benennenden Schiedsrichters eine entscheidende Mitwirkung einzuräumen (Ziff. 7.6.6 BBR BHV). Keine Überlassungspflicht besteht im Strafverfahren, weil es dort nicht um einen Prozess über den Haftpflichtanspruch geht.128 Der VR kann nur insoweit beratend mitwirken, als er gem. Ziff. 5.3 AHB einen Strafverteidiger auf seine Kosten bestellt.129 Die Obliegenheit zur Überlassung der Prozessführung bedeutet, dass der VN sich grundsätz- 71 lich jeder Einflussnahme auf die Prozessführung zu enthalten hat.130 Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen der geltend gemachte Anspruch des Dritten die Deckungssumme des Vertrages übersteigt, und zwar auch bezüglich des nicht vom Versicherungsschutz erfassten Teiles der gegnerischen Forderung.131 Die Interessen des VN sind hinreichend geschützt, da der VR seine Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Versicherungsvertrag verletzt, wenn er ohne Zustimmung des VN zu dessen Lasten rechtsgeschäftliche Erklärungen in der Form eines Vergleiches oder eines Anerkenntnisses abgibt, die die Deckungssumme übersteigen (Ziff. 5 AHB Rn. 171). Darüber hinaus ist der VN bei nicht ausreichender Deckungssumme zur (zusätzlichen) Beauftragung eines Anwalts seines Vertrauens, zum Widerruf der Prozessführungsvollmacht des VR und der Prozessvollmacht des von diesem beauftragten Anwalts berechtigt, ohne gegen seine Obliegenheiten aus Ziff. 25.5 Satz 1 und 3 AHB zu verstoßen (vgl. Ziff. 25 AHB Rn. 71).
bb) Prozesshandlungen. Inhaltlich bedeutet die Überlassung der Prozessführung, dass der 72 VN die Ausübung der ihm als Partei zur Verfügung stehenden Prozesshandlungen dem VR bzw. dem von diesem beauftragten Anwalt überlassen muss. Hierzu zählen alle Betätigungen, die darauf abzielen, ein Verfahren zu beginnen, weiterzuführen oder zu beenden.132 (1) Bewirkungshandlungen. Darunter fallen zum einen Bewirkungshandlungen, durch die 73 unmittelbar eine prozessuale Rechtswirkung erzielt wird, z.B. Klageerhebung, Rechtsmitteleinlegung, Einspruch gegen Vollstreckungsbescheid, Nebenintervention, Streitverkündung, Anerkenntnis, Verzicht auf Kostenantragstellung im Falle einer Klagerücknahme,133 Geständnis,134 Prozessvergleich.135 Zu den Prozesshandlungen zählt grundsätzlich auch die Aufrechnung. Jedoch erstreckt 74 sich die Herrschaft des VR nicht auf die Gegenansprüche des VN. Auch ist der VN nicht gehalten, sich vor der Geltendmachung seiner eigenen Ansprüche mit seinem VR abzustimmen.136 Rechnet der Dritte allerdings mit seiner wirklichen oder vermeintlichen Forderung auf, so muss
127 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 68; Späte § 5 Rn. 39. 128 Vgl. BGH 11.12.1961 – II ZR 48/59, VersR 1962 127, 128 = NJW 1962 491, 492; vgl. auch BGH 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013 1163, 1164. 129 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 68; Wussow § 3 Anm. 18. 130 Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 70. 131 Vgl. RG 4.12.1923 VA 1924 132 f. Ziff. 1416; LG Köln 24.1.1964 – 3 O 226/63, VersR 1964 398. 132 Musielak/Voit/Musielak ZPO Einleitung Rn. 58; vgl. auch OLG Brandenburg 7.9.2006 – 6 W 244/05, NJW 2007 1470, 1471; enger OLG Oldenburg vom 28.7.1993 – 3 WF 62/93, FamRZ 1996 682 (zu § 121 BRAGO a.F.) (jede Handlung einer Partei, die auf die Beendigung eines anhängigen Rechtsstreits gerichtet ist). 133 LG Dortmund 29.1.2009 – 2 S 33/08, NJW-RR 2009 969. 134 Musielak/Voit/Musielak ZPO Einleitung Rn. 61; BeckOK-ZPO/Wendtland § 230 Rn. 2.1. 135 Vgl. MüKoZPO/Rauscher Einleitung Rn. 375. 136 LG Kiel 9.5.1962 – 8 S 21/62, VersR 1962 1075. 443
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
der VN dem VR in einem dann notwendig werdenden Aktivprozess,137 soweit es sich um die gegnerische Haftpflichtforderung handelt, entscheidenden Einfluss auf die Prozessführung einräumen. Hat der VN bereits einen Anwalt zur Wahrung seiner Ansprüche gegen den Dritten beauftragt, kann der VR einen Anwaltswechsel nur aus wichtigem Grund verlangen und unter gleichzeitigem Erbieten, die dadurch entstehenden Mehrkosten zu tragen.
75 (2) Erwirkungshandlungen. Zum anderen zählen zu den Prozesshandlungen auch die sog. Erwirkungshandlungen, bei denen der Erfolg nicht unmittelbar, sondern erst aufgrund eines Tätigwerdens des Gerichts eintritt, z.B. Anträge, Behauptungen und Beweisführungen.138 Der VN ist verpflichtet, dem VR bzw. dem von diesem beauftragten Anwalt die Informationen zu geben, die dieser benötigt, um eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Prozesshandlung er vornehmem soll. Soweit der VR Prozesshandlungen in Form sog. Erwirkungshandlungen vornehmen will, ist der VN zur Mitwirkung verpflichtet, auch wenn er keine Ladung vom Gericht erhält, sondern nur eine Aufforderung des VR oder des Anwalts zum Erscheinen im Termin (z.B. zwecks Befragung von Zeugen).139 Es versteht sich von selbst, dass der VN nicht versuchen darf, die Prozessführung des VR zu vereiteln oder zu durchkreuzen.140 So hat das LG Dortmund eine Obliegenheitsverletzung des VN für den Fall angenommen, dass der VR den Anspruch der Gegenseite regulierte, der vom VN beauftragte eigene Anwalt aber trotzdem an seinem Antrag auf Klageabweisung festhielt.141
76 cc) Geltendmachung von Regressansprüchen. Die Obliegenheit des VN zur Wahrung von Regressansprüchen gegen weitere Beteiligte und zur Mitwirkung bei deren Durchsetzung durch den VR folgt nicht aus Ziff. 25.2 Satz 1 AHB, sondern aus § 86 Abs. 2 Satz 1 VVG. Mit Rücksicht darauf, dass die Abwicklung der Haftpflichtschäden ganz in der Hand des VR liegt, wird man hier aber Schritte des VN grundsätzlich nur auf ausdrückliche Weisung des VR verlangen können. Da § 82 VVG keine Anwendung auf die Geltendmachung von Regressansprüchen findet und deshalb § 83 VVG nicht eingreift, ist der VN zu kostenauslösenden Maßnahmen nur verpflichtet, wenn der VR die Kosten übernimmt.142
77 b) Anwaltsbeauftragung im Namen des Versicherungsnehmers. Die Auswahl des Anwalts zur Prozessführung obliegt dem VR. Dies ergibt sich aus Ziff. 5.2 Satz 2 i.V.m. Ziff. 25.5 Satz 2 und 3 AHB, wonach der VR den Anwalt beauftragt und der VN diesem Anwalt Prozessvollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen muss. Würde der VN sich selbst den Anwalt aussuchen können, hätte es einer solchen Regelung nicht bedurft. Der VN verletzt nach dem Wortlaut dieser Regelungen somit seine Obliegenheit aus Ziff. 25.5 Satz 2 und 3 AHB, wenn er ohne Zustimmung des VR einen eigenen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt oder einem vom VR bestellten Anwalt nicht alle erforderlichen Auskünfte erteilt und angeforderten Unterlagen zur Verfü-
137 138 139 140
Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 130 ff. Musielak/Voit/Musielak ZPO Einleitung Rn. 61. Stiefel/Maier/Maier AKB 2015 Rn. 212. LG Dortmund 29.1.2009 – 2 S 33/08, NJW-RR 2009 969; LG Nürnberg-Fürth 30.8.1971 – 11 S 62/71, VersR 1973 511, 512; KG 21.3.1931 VA 1931 S. 23–24 Ziff. 2251. 141 LG Dortmund 29.1.2009 – 2 S 33/08, NJW-RR 2009 969. 142 Vgl. Bruck/Möller/Koch9 § 82 VVG Rn. 60, § 83 VVG Rn. 4. Koch
444
D. Rettungsobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
gung stellt.143 Im Übrigen ist der VN bereits aus der allgemeinen Schadensminderungsobliegenheit nach Ziff. 25.2 Satz 1 AHB verpflichtet, den vom VR beauftragten Anwalt ggf. von sich aus über wesentliche Tatumstände aufzuklären.144 Angesichts der Formulierung „muss“ begegnet Ziff. 25.5 Satz 3 AHB ähnlichen Bedenken 78 wie Ziff. 25.2 Satz 3 AHB (Rn. 19), lässt diese Formulierung aus der Sicht des VN doch keinen Raum für Billigkeitserwägungen (hierzu sogleich Rn. 79 ff.). Durch diese Formulierung wird sich der VN dazu gezwungen sehen, den vom VR ausgewählten Anwalt zu akzeptieren. Ein solcher Zwang besteht jedoch nicht stets. So sieht der BGH den VN nicht als verpflichtet an, einen vom VR ausgesuchten Anwalt zu akzeptieren, der bereits früher Prozesse gegen ihn geführt hat.145 Fraglich ist deshalb, ob die Regelung eine nachteilige Abweichung i.S.v. § 87 VVG darstellt bzw. bei Großrisiken i.S.v. § 210 Abs. 2 VVG einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhält.146 Gegen eine nachteilige Abweichung spricht, dass die Interessen des VN durch die Bindungen und Beschränkungen, die der VR im Innenverhältnis zu beachten hat (Ziff. 5 Rn. 171 ff.), sowie durch sein Recht zur Beauftragung eines (zusätzlichen) Anwalts seines Vertrauens sowie zum Widerruf der Prozessführungsvollmacht des VR und der Prozessvollmacht des von diesem beauftragen Anwalts ausreichend geschützt sind (Ziff. 5 Rn. 214).
V. Billigkeitsgesichtspunkte Entsprechend den Vorgaben von § 82 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG bestimmt Ziff. 25.2 Satz 1 und 79 2 AHB, dass der VN unter Beachtung der Weisungen des VR nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen habe, sofern ihm dabei nichts Unbilliges zugemutet werde.
1. Art des Verfahrens Im Zivilverfahren hat der VN grundsätzlich den Weisungen des VR Folge zu leisten. Sache des 80 VR ist es, dem VN eindeutige Weisungen zu erteilen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der VR vom üblichen Regulierungsschema abweicht und aus bestimmten Gründen z.B. den VN darum bittet, von sich aus einen Anwalt im Haftpflichtprozess zu beauftragen.147 Weisungen des VR über das Verhalten des VN im Strafverfahren brauchen dagegen vom 81 VN grundsätzlich nicht befolgt zu werden.148 Der VN ist z.B. nicht gehalten, auf Weisung des VR gegen einen Strafbefehl Einspruch einzulegen, weil die Möglichkeit einer Strafverschärfung besteht. Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn die Weisung des VR allein die zivilrechtliche 82 Seite eines Schadensfalles betrifft, z.B. die Anweisung, gem. § 406a Abs. 2 StPO ein Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, soweit dieses im Adhäsionsverfahren einen Schadenbetrag zugesprochen hat. Nach dem allgemeinen Schadensminderungsgebot kann der VN auch verpflichtet
143 Vgl. Littbarski AHB § 5 AHB Rn. 78; offengelassen von BGH 30.4.1981 – IVa ZR 129/80, NJW 1981 1952, 1952; einschränkend LG Dortmund 29.1.2009 – 2 S 33/08, NJW-RR 2009 969; Stiefel/Maier AKB 2008 E. 2.4 Rn. 15: nur bei Beeinträchtigungen der Prozessführung. 144 Stiefel/Maier AKB 2008 E. 2.4 Rn. 15. 145 Vgl. BGH 30.4.1981 – IVa ZR 129/80, NJW 1981 1952, 1953; s.a. BGH 23.10.1990 – VI ZR 105/90, RuS 1992 110, 111; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 71. 146 Verneinend H. Koch/Hirse VersR 2001 405; krit. Späte § 5 Rn. 40. 147 Vgl. den vom OLG Celle 11.4.1933 VA 1933 347 f. Ziff. 2586 entschiedenen Fall. 148 BGH 11.12.1961 – II ZR 48/59, VersR 1962 127, 128 = NJW 1962 491, 492. 445
Koch
Ziff. 25 AHB 2016
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
sein, auf Weisung des VR ohne besondere gerichtliche Aufforderung als Zeuge im Strafverfahren aufzutreten.149
2. Prozessführung 83 Wie zuvor erwähnt, kann es dem VN in Ausnahmefällen nicht zuzumuten sein, einem vom VR ausgewählten Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen (Rn. 78). Keinen Verstoß gegen das Gebot, dem VR die Prozessführung zu überlassen, stellt es dar, wenn der VN bei einer Pfändung gegen den Dritten (wegen einer Kostenerstattungsforderung aus einem dem Haftpflichtprozess vorangegangenen Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung) aus Gründen der Menschlichkeit den Versteigerungstermin herausschieben lässt.150 Dass der wahrheitsgemäße Vortrag des VR den VN in ein schlechtes Licht stellen kann, ist nicht als unbillig anzusehen; diese Konsequenz hat der VN sich selbst zuzuschreiben, wenn er z.B. betrunken Auto gefahren ist und der VR aus der Kenntnis des Mitfahrers von dieser Trunkenheit eine Mitschuld i.S.d. § 254 BGB zu folgern sucht. 84 Im Fall der Deckungsablehnung, braucht der VN nicht einem vom VR benannten Anwalt die Prozessführung zu überlassen.151 Dies gilt auch dann, wenn der VR ausdrücklich erklärt, dass er durch die Deckungsablehnung nicht auf die Erfüllung von Obliegenheiten verzichten wolle, sondern ein bestimmtes Verhalten des VN verlange.152 Hat der VN gegen ein Versäumnisurteil rechtzeitig Einspruch eingelegt, kann er diesen zurücknehmen, wenn der VR den Versicherungsschutz versagt.153
3. Mitwirkung des Versicherungsnehmers 85 Unbilligkeit ist stets zu bejahen, wenn vom VN verlangt wird, in seiner persönlichen Vernehmung eine unrichtige tatsächliche Darstellung abzugeben, oder ihm angetragen wird, ein den Sachverhalt unrichtig darstellendes Schriftstück im PKH-Verfahren zu unterzeichnen.154 Der VN darf nicht dazu angehalten werden, an einer unrichtigen Entscheidung des Haftpflichtprozesses mitzuwirken.155 Dem VR ist es auch bei unbegründeten Ansprüchen des Dritten nicht gestattet, dem VN zur „Vereinfachung“ der Prozesssituation einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht zuzumuten. Das Gleiche gilt, wenn der VR im Prozess etwas in tatsächlicher Beziehung Unrichtiges vorträgt. Die Bemühungen des VN, den Verstoß gegen die Wahrheit zu beseitigen, stellen keine Verletzung der Schadensminderungspflicht dar, so z.B. wenn der VN im Prozess der unrichtigen Darstellung des Sachverhalts durch den vom VR ausgesuchten Anwalt entgegentritt.156 86 Durch die Erhebung der Verjährungseinrede wird dem VN nichts Unbilliges zugemutet. Wenn er meint, es nicht hinnehmen zu können, dass in seinem Namen eine derartige Einrede erhoben werde, so mag er den Schaden selbst tragen. Er kann sich nur dadurch absichern, dass er bei Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages eine Sonderklausel aufnehmen lässt, die dem VR die Einrede der Verjährung untersagt.
149 Späte § 5 Rn. 29. 150 RG 16.10.1917 – VII 204/17, VA 1918 Anh. S. 26–28 Ziff. 1029. 151 BGH 7.11.1966 – II ZR 12/65, NJW 1967 202, 203 = VersR 1967 27, 28; RG 30.8.1938 – VII 64/38, JRPV 1938 308, 309; Hans OLG Hamburg 10.4.1931 VA 1931 33 Ziff. 2261. BGH 7.11.1966 – II ZR 12/65, NJW 1967 202, 203 = VersR 1967 27, 28. OLG Düsseldorf 26.6.2007 – 4 U 64/06, BeckRS 2010 02790. Vgl. OLG Frankfurt/M. 15.1.1931 – 3 U 264/30, JRPV 1931 260, 261. KG 21.3.1931 VA 1931 S. 23–24 Ziff. 2251. RG 30.8.1938 JW 1938 2834, 2835; OLG Hamm 10.3.1939 – 4 U 358/38, Hans RGZ 1940 A Sp. 103 f.
152 153 154 155 156
Koch
446
D. Rettungsobliegenheiten
Ziff. 25 AHB 2016
Gibt der VR dem VN die Weisung, dass er dem Dritten gegenüber das Bestehen einer be- 87 gründeten Haftpflichtversicherung zu verneinen habe, so ist diese Anordnung ohne rechtliche Verbindlichkeit, da sie den VN zur Unwahrheit anhält.157 Als zu weitgehend ist die Auffassung anzusehen, dass der VN von sich aus die Verhältnisse 88 des Dritten, den er geschäftlich oder privat kennt, fortlaufend beobachten müsse, um den VR bei wesentlichen Veränderungen unaufgefordert auf die Möglichkeit einer Abänderungsklage hinzuweisen und ihm ein Tätigwerden nach Ziff. 5.4 AHB zu ermöglichen.158 Ein Verlangen, das nach rechtskräftigem Abschluss des Haftpflichtprozesses dergestalt von dem VR an den VN gestellt wird, dass dieser laufend die Verhältnisse des Dritten zu beobachten habe, ist ebenfalls als unzumutbare Anforderung zu behandeln. Für den VR bietet sich hier vielmehr die normale Erledigung solcher Probleme durch Einschaltung einer Detektei an.
4. Analoge Anwendung von §§ 665, 666 BGB Befolgt der VN die ihm vom VR erteilten Weisungen, kann dieser dem VN eine Verletzung der 89 Abwendungs- und Minderungsobliegenheit grundsätzlich nicht entgegenhalten.159 Weisungen, die dem VN unzweckmäßig erscheinen, darf er jedoch nicht einfach befolgen. Vielmehr hat er dem VR analog § 666 BGB seine Bedenken mitzuteilen und dessen Entschließung abzuwarten, soweit nicht mit dem einhergehenden zeitlichen Aufschub Gefahr verbunden ist.160 Entsprechendes gilt, wenn der VR offensichtlich fehlerhafte Weisungen erteilt hat oder die Weisungen durch zwischenzeitliche Veränderung der Umstände überholt sind.161 Befolgt der VN eine ihm unzweckmäßig erscheinende Weisung, ohne mit dem VR Rücksprache zu halten, verletzt er die aus § 82 Abs. 1 VVG folgende Schadensabwendungs- und -minderungsobliegenheit, soweit sich der versicherte Schaden – nicht die Rettungskosten–162 hierdurch erhöhen. Abzulehnen ist die Ansicht, die sich für einen Schadensersatzanspruch ausspricht.163 Entsprechend § 665 Satz 1 BGB ist der VN berechtigt, von Weisungen abzuweichen, wenn 90 er den Umständen nach annehmen darf, dass der VR bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde.164 Das ist der Fall, wenn die Abweichung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Weisung und der konkreten Situation interessengemäß ist und mit dem mutmaßlichen Willen des VR übereinstimmt. Insoweit ist die Situation mit derjenigen bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag vergleichbar. Lässt sich beispielsweise der angestrebte Rettungseffekt mit einem anderen gleichwertigen Mittel bedeutend billiger erreichen, entspricht die Wahl des billigeren Mittels dem mutmaßlichen Willen des VR. Analog § 665 Satz 2 BGB hat der VN vor der Abweichung dem VR Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.165
157 Vgl. OLG Hamm 15.10.1934 VA 1935 17 Ziff. 2765. 158 So aber Wussow § 5 Anm. 25. 159 Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann § 15 Rn. 52; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 21.
160 Vgl. Grüneberg/Sprau § 666 BGB Rn. 2; Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann § 15 Rn. 52; Langheid/ Wandt/Looschelders § 82 VVG Rn. 50; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 25 Rn. 21. 161 Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann § 15 Rn. 52. 162 Bruck/Möller/Koch9 § 82 VVG Rn. 56. 163 Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel § 82 VVG Rn. 26; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 82 VVG Rn. 20. 164 Hans. OLG Hamburg 17.11.1983 – 6 U 43/83, VersR 1984 258, 259; Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann § 15 Rn. 52; Rn. 120; Langheid/Wandt/Looschelders § 82 VVG Rn. 50; a.A. Prölss/Martin/Voit § 82 VVG Rn. 25; BeckOK-VVG/Car § 82 VVG Rn. 20. 165 Langheid/Wandt/Looschelders § 82 VVG Rn. 50. 447
Koch
Ziff. 26 AHB 2016
Ziff. 26 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten AHB 2016
AHB 1999
Obliegenheiten des VN Ziff. 26 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten
§ 6 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten
26.1 1Verletzt der VN eine Obliegenheit aus diesem Vertrag, die er vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat, kann der VR den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung fristlos kündigen. 2Der VR hat kein Kündigungsrecht, wenn der VN nachweist, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
II. 1Wird eine Obliegenheit, die vor Eintritt des Versicherungsfalles oder zur Gefahrverhütung/ verminderung dem VR gegenüber zu erfüllen ist, verletzt, hat der VN keinen Versicherungsschutz, wenn der VR von seinem Recht Gebrauch macht, den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung fristlos zu kündigen. 2Der VR hat kein Kündigungsrecht und der Versicherungsschutz bleibt bestehen, wenn die Obliegenheitsverletzung unverschuldet war. 3Bezweckte die verletzte Obliegenheit allerdings die Gefahrminderung oder die Verhütung einer Gefahrerhöhung, verliert der VN seinen Versicherungsschutz dann nicht, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung gehabt hat.
26.2 1Wird eine Obliegenheit aus diesem Vertrag vorsätzlich verletzt, verliert der VN seinen Versicherungsschutz. 2Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der VR berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen. 3 Der vollständige oder teilweise Wegfall des Versicherungsschutzes hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. 4 Weist der VN nach, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat, bleibt der Versicherungsschutz bestehen. 5 Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn der VN nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung ursächlich war. 6Das gilt nicht, wenn der VN die Obliegenheit arglistig verletzt hat. 7 Die vorstehenden Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob der VR ein ihm nach Ziff. 26.1 zustehendes Kündigungsrecht ausübt.
I. 1Wird eine der in § 5 genannten Obliegenheiten oder eine andere im oder nach dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheit verletzt, verliert der VN seinen Versicherungsschutz, es sei denn, er hat die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. 2Bei grob fahrlässiger Verletzung behält der VN insoweit seinen Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat. 3Bezweckt die verletzte Obliegenheit die Abwendung oder Minderung des Schadens, behält der VN seinen Versicherungsschutz bei grober Fahrlässigkeit insoweit, als der Umfang des Schadens auch bei Erfüllung der Obliegenheit nicht geringer gewesen wäre. 4Bei vorsätzlicher Verletzung behält der VN seinen Versicherungsschutz insoweit nur, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des VR ernsthaft zu beeinträchtigen, oder wenn den VN kein erhebliches Verschulden trifft.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-031
448
B. Einzelheiten
Ziff. 26 AHB 2016
A. Inhalt und Zweck Ziff. 26 AHB, die Nachfolgeregelung zu § 6 AHB 1999, regelt in Übereinstimmung mit § 28 VVG 1 die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten, die vor (Ziff. 26.1 AHB) und nach (Ziff. 26.2 AHB) Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten sind. Insoweit wird auf die Kommentierung zu § 28 VVG verwiesen.
B. Einzelheiten Ziff. 26.1 AHB entspricht – sprachlich leicht modifiziert – § 28 Abs. 1 VVG. Ziff. 26.2 Satz 1 AHB 2 entspricht § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG. Ziff. 26.2 Satz 2 AHB entspricht § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 VVG. Ziff. 26.2 Satz 3 AHB entspricht § 28 Abs. 4 VVG. Ziff. 26.2 Satz 4 AHB entspricht § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 VVG. Ziff. 26.2 Satz 5 AHB entspricht § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG. Ziff. 26.2 Satz 6 AHB entspricht § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG. Ziff. 26.2 Satz 7 AHB hat keine Entsprechung im Gesetz. Mit Ausnahme der Kfz-Haftpflichtversicherung (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) spielt 3 die Verletzung von Obliegenheiten, die nach Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten sind, in der Rechtsprechung zur Haftpflichtversicherung praktisch keine Rolle. In den Urteilen des OLG Karlsruhe und des OLG Dresden, die veröffentlicht wurden, geht es um fehlerhafte Schadensberichte, die ohne die nach Ziff. 26.2 Satz 3 AHB erforderliche Belehrung von der VN abgegeben wurden. Die beklagten VR beriefen sich jeweils darauf, dass die unterbliebene Belehrung folgenlos sei, weil die VN ihre Aufklärungspflicht arglistig verletzt hätten.1
1 OLG Dresden 2.5.2018 – 4 U 1782/17, BeckRS 2018 8933 (Privathaftpflichtversicherung); OLG Karlsruhe 6.6.2013 – 12 U 204/12, NJW-RR 2013 1191, 1192 (Jagdhaftpflichtversicherung, noch zu AHB a.F.). 449
Koch
Ziff. 27 AHB 2016
Ziff. 27 Mitversicherte Person AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 27 Mitversicherte Person
§ 7 Versicherung für fremde Rechnung, Abtretung des Versicherungsanspruchs
27.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden. 2 Die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4.) gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Mitversicherten entsteht.
1. 1Soweit sich die Versicherung auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den VN selbst erstreckt, finden alle in dem Versicherungsvertrag bezüglich des VN getroffenen Bestimmungen auch auf diese Personen sinngemäße Anwendung.
2 27.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. steht ausschließlich dem VN zu; dieser bleibt neben dem 2 Er ist neben den Mitversicherten für die Erfüllung der Versicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten Obliegenheiten verantwortlich. verantwortlich.
Übersicht 1
1.
A.
Inhalt und Zweck
B.
Geltung der AHB-Regelungen für Mitversi4 cherte
C.
Geltendmachung der Rechte
D.
Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Obliegenheiten
I.
Anwendungsbereich von Ziff. 27.2 Satz 2 11 AHB
II.
Auswirkungen von Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers auf den Fremdversi12 cherungsschutz
8
2.
Rechtsprechung zur Kfz-Haftpflichtversiche13 rung Übertragbarkeit auf die freiwillige Haftpflichtver16 sicherung
E.
Verwirklichung eines Risikoausschlusses in der Person des Versicherungsnehmers oder anderer versicherter Perso20 nen
F.
AHB-lose Musterbedingungen für die Privat22 und Betriebshaftpflichtversicherung
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 27 AHB, die Nachfolgeregelung von § 7 Nr. 1 AHB 1999, bestimmt die Rechtsstellung mitversicherter Personen. Diese Klausel findet immer dann Anwendung, wenn die Haftpflichtversicherung als Versicherung für fremde Rechnung ausgestaltet ist, d.h. nicht nur der VN, sondern auch oder sogar ausschließlich Nichtvertragsparteien gegen die Inanspruchnahme durch den Geschädigten geschützt werden. Nach dem Gesetz ist nur die Betriebshaftpflichtversicherung (auch) als Fremdversicherung ausgestaltet (§ 102 Abs. 1 Satz 2 VVG). Vertragsseitig trifft dies jedoch nahezu für sämtliche Haftpflichtversicherungszweige zu, die auf den AHB basieren. 2 Ziff. 27.1 Satz 1 AHB greift den in § 47 Abs. 1 VVG normierten Grundsatz auf, dass im Rahmen der Fremdversicherung die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten der Kenntnis
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-032
450
B. Geltung der AHB-Regelungen für Mitversicherte
Ziff. 27 AHB 2016
und dem Verhalten des VN gleichstehen.1 Der VN kann sich somit weder den Verhaltensanforderungen noch den Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung dadurch entziehen, dass er einen anderen mit dem Abschluss einer Versicherung in seinem Interesse beauftragt.2 Ziff. 27.2 Satz 1 AHB gibt den Inhalt von § 45 Abs. 1 VVG wieder. Nach Ziff. 27.2 Satz 2 AHB 3 bleibt der VN im Rahmen der Fremdversicherung neben den mitversicherten Personen für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
B. Geltung der AHB-Regelungen für Mitversicherte Ziff. 27.1 Satz 1 AHB stellt klar, dass alle für den VN geltenden AHB-Bestimmungen auf die Versi- 4 cherten entsprechend anzuwenden sind. Hiervon macht Ziff. 27.1 Satz 2 AHB eine Ausnahme für die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB), soweit das neue Risiko nur in der Person eines Versicherten entstanden ist. Durch diese Ergänzung von § 7 Ziff. 1. Satz 1 AHB 1999 (und älteren Fassungen) erübrigt sich der Streit in der Literatur darüber, ob Versicherte Deckung nach Maßgabe der Vorsorgeversicherung erhalten, wenn das Risiko allein in ihrer Person eingetreten ist.3 Entscheidend für die Anwendung von Ziff. 27.1 Satz 2 AHB ist, dass das neue Risiko sowohl in der Person des VN als auch in der Person der Mitversicherten entstehen kann. So liegt der Fall, wenn der in der Privathaftpflichtversicherung mitversicherte Ehemann als Bauherr Umbauten in dem gemeinsam bewohnten Haus vornimmt und dabei die Bausumme von EUR 50.000 überschritten wird (Ziff. 1.3 BBR PHV) oder sich bei einer Privathaftpflichtversicherung nicht der VN, sondern seine mitversicherte Ehefrau einen Hund zulegt. Keine Anwendung findet Ziff. 27.1 Satz 2 AHB dagegen in den Fällen, in denen zusätzliche Risiken allein der versicherten Person mitversichert sind. Wird z.B. mit der Betriebshaftpflichtversicherung für das Unternehmen zugleich Versicherungsschutz für den Geschäftsführer der VN als Privatperson vereinbart, greift die Vorsorgeversicherung ein, wenn sich der Geschäftsführer einen Hund zulegt.4 Im Hinblick darauf, dass die versicherte Person nach § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG nur hinsichtlich 5 des Anspruchs auf die Versicherungsleistung materiell berechtigt ist, die den Versicherungsvertrag als Ganzes berührenden Rechte jedoch gem. § 45 Abs. 1 VVG dem VN zustehen, ist die „entsprechende Anwendung“ im Grundsatz auf die Vertragsbestimmungen beschränkt, die den primären und sekundären Umfang des Versicherungsschutzes betreffen (Ziff. 1 bis 7 sowie Ziff. 23 bis 32 AHB). Insbesondere treffen die Versicherten auch die Obliegenheiten. Im Fall der Verwirklichung von Risikoausschlüssen haben sie keinen Versicherungsschutz (Ziff. 7 AHB Rn. 69). Keine entsprechende Anwendung finden z.B. die Vorschriften zur Prämienzahlung 6 (Ziff. 8 ff. AHB) und zur Kündigung des Versicherungsvertrages (Ziff. 18 ff. AHB).5 Wäre der Versicherte Prämienschuldner, würde durch die Mitversicherung im Übrigen ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter begründet. Im Hinblick auf dieses Verbot kommt auch eine entsprechende Anwendung der Vollmachtklausel nach Ziff. 5.2 Satz 1 AHB nicht in Betracht. Zu Erklärungen im Namen der Mitversicherten ist der VR nur aufgrund einer von ihnen (oder von ihren rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertretern) zu erteilenden Schadensbearbeitungsvollmacht berechtigt.6 Allerdings ergibt sich aus Ziff. 25.5 Satz 1 AHB für den Versicherten die Obliegenheit, 1 Vgl. Bruck/Möller/Brand § 47 VVG Rn. 4; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 VVG Rn. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner § 47 VVG Rn. 2. Bruck/Möller/Brand § 47 VVG Rn. 4; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 VVG Rn. 1. Hierzu ausführlich Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. H 21; Späte § 7 Rn. 8. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 15; Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. H 21. Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 16. Vgl. BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, BGHZ 101 276, 285 = NJW 1987 2586, 2587; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 27 Rn. 16 und Ziff. 5 AHB Rn. 35.
2 3 4 5 6
451
Koch
Ziff. 27 AHB 2016
Mitversicherte Person
spätestens nach Eintritt des Versicherungsfalles dem VR Vollmacht zu erteilen.7 Nur in der KfzHaftpflichtversicherung ist der VR berechtigt, nicht nur seine eigene Schadensersatzverpflichtung und die des VN, sondern auch die der mitversicherten Personen mitzuregulieren.8 7 Wer zum Kreis der versicherten Personen gehört, wird vertragsseitig entweder individualvertraglich (selten) oder in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (Regelfall) festgelegt. Dabei sind die versicherten Personen i.d.R. nicht namentlich bezeichnet, sondern durch persönliche Merkmale individualisiert (siehe hierzu Ziff. 2 BBR PHV und Ziff. 7.1.2 BBR BHV).
C. Geltendmachung der Rechte 8 Ziff. 27.2 Satz 1 AHB bestimmt, dass die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem VN zusteht. Gemeint sind die Forderungsrechte, die den Eintritt des Versicherungsfalles zur Voraussetzung haben oder an den Eintritt des Versicherungsfalles anknüpfen, hier also vor allem der Freistellungsanspruch, nicht die Rechte, die den Versicherungsvertrag als Ganzes berühren (Rn. 5). 9 Diese Klausel trägt den Besonderheiten der Fremdversicherung Rechnung. Danach stehen die Forderungsrechte nach § 44 Abs. 1 VVG zwingend dem Versicherten zu. Die Verfügungsmacht über diese Rechte einschließlich der Klagebefugnis nach § 45 Abs. 1 VVG sind dagegen allein dem VN zugewiesen (Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft). Die Aufspaltung von materieller Anspruchsberechtigung und formeller Verfügungsmacht dient dem Interesse des VR, sich nur mit seinem Vertragspartner über den Anspruch auf die Versicherungsleistung auseinandersetzen zu müssen,9 u.a. auch deshalb, weil er dann nur in Bezug auf diesen das Prozesskostenrisiko tragen muss.10 Ziff. 27.2 Satz 1 AHB ändert § 44 Abs. 2 VVG dahin gehend ab, dass der Versicherte selbst 10 dann nicht verfügungsbefugt ist, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist11 oder der VN zugunsten des Versicherten auf die Geltendmachung des Anspruchs aus der Versicherung verzichtet hat.12 Solche Klauseln sieht die Rechtsprechung mit Blick auf den Zweck der Aufspaltung von materieller Anspruchsberechtigung und formeller Verfügungsmacht als mit § 307 BGB vereinbar an. Soweit der VN ohne billigenswerten Grund nicht gewillt ist, sein Einziehungsrecht zugunsten des Versicherten wahrzunehmen, und der Versicherte deshalb Gefahr läuft, seinen Anspruch nicht durchsetzen zu können, ist es dem VR nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf Ziff. 27.2 Satz 1 AHB zu berufen.13 Lehnt der VR die Deckung vorprozessual nicht wegen fehlender Aktivlegitimation des Versicherten, sondern aus anderen Gründen ab, ist
7 Vgl. BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, BGHZ 101 276, 285 = NJW 1987 2586, 2587; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 27 Ziff. 27 Rn. 3; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 16. 8 Vgl. BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, BGHZ 101 276, 285 = NJW 1987 2586, 2587. 9 Vgl. BGH 29.4.1998 – IV ZR 21/97, NJW 1998 2449, 2450; OLG Düsseldorf 15.7.1993 – 4 U 114/93, RuS 1994 118 = VersR 1995 525; OLG Köln 18.4.1994 – 5 U 244/93, RuS 1994 475, 476 = VersR 1995 525. 10 Vgl. BGH 4.5.1964 – II ZR 153/6, BGHZ 41 327, 329 = NJW 1964 1899; OLG Hamm 6.10.2004 – 20 U 53/04, RuS 2005 406, 407 = VersR 2005 934. 11 Vgl. BGH 11.3.1987 – IVa ZR 240/85, NJW-RR 1987 856; s. auch § 12 Ziff. 1 Satz 3 AFB 2008. 12 Vgl. OLG Hamm 6.10.2004 – 20 U 53/04, RuS 2005 406, 407 = VersR 2005 934; OLG Stuttgart 7.2.1991 – 7 U 176/ 90, RuS 1992 331, 332; AG Köln 8.2.1996 – 117 C 382/95 und LG Köln 31.10.1996 – 24 S 21/96, RuS 1997 465, 466. 13 Vgl. BGH 11.3.1987 – IVa ZR 240/85, NJW-RR 1987 856, 857 (zu AKB); BGH 4.5.1983 – IVa ZR 106/81, VersR 1983 823 (zu AHB); OLG Hamm 6.10.2004 – 20 U 53/04, RuS 2005 406, 407 = VersR 2005 934; OLG Stuttgart 7.2.1991 – 7 U 176/90, RuS 1992 331, 332; LG Karlsruhe 11.1.2012 – 2 O 370/11, VersR 2013 352, 353; AG Köln 8.2.1996 – 117 C 382/ 95 und LG Köln 31.10.1996 – 24 S 21/96, RuS 1997 465, 466; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 10; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 27 Ziff. 27 Rn. 4. Koch
452
D. Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Obliegenheiten
Ziff. 27 AHB 2016
die Berufung auf die fehlende Verfügungsbefugnis des Versicherten im nachfolgenden Prozess ebenfalls rechtsmissbräuchlich.14
D. Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Obliegenheiten I. Anwendungsbereich von Ziff. 27.2 Satz 2 AHB Gem. Ziff. 27.2 Satz 2 AHB ist der VN neben den Mitversicherten für die Erfüllung der Obliegen- 11 heiten verantwortlich. Diese Klausel bezieht sich auf den Fremdversicherungsschutz.15 Die Formulierung „neben dem Versicherten“ hat zur Folge, dass solche Obliegenheiten von Ziff. 27.2 Satz 2 AHB nicht erfasst werden, die aus Rechtsgründen eben nicht auch vom VN, sondern nur vom Versicherten zu erfüllen sind, wie z.B. das Gebot, dem VR die Führung des Haftpflichtprozesses zu überlassen.
II. Auswirkungen von Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers auf den Fremdversicherungsschutz Fraglich ist, ob Obliegenheitsverletzungen des VN nicht nur seinen eigenen Versicherungs- 12 schutz, sondern auch den der Versicherten nachteilig berühren.
1. Rechtsprechung zur Kfz-Haftpflichtversicherung Der Wortlaut der Klausel lässt dies offen. Der BGH hat zu der mit Ziff. 27.2 Satz 2 AHB identischen 13 Formulierung in § 3 Ziff. 2 Halbs. 2 AKB a.F. festgestellt, „[e]s ist daher nicht daran vorbeizukommen, daß § 3 Ziff. 2 Halbs. 2 AKB […] die Möglichkeit vorsieht, dem Versicherten einen von ihm nicht verschuldeten Verstoß des VN entgegenzuhalten, obwohl er und nicht der Versicherungsnehmer insoweit der Träger des versicherten Interesses und damit des Versicherungsanspruchs ist“.16
Der BGH hat diesen Grundsatz für die Kfz-Haftpflichtversicherung jedoch dahingehend eingeschränkt, dass dem Mitversicherten nur solche Handlungen oder Unterlassungen des VN schaden könnten, die die Fremdversicherung und das durch sie geschützte Interesse des Mitversicherten beträfen. Dies hat der BGH für die Verwendungsklausel des § 2 Ziff. 2a AKB a.F., eine vor dem Eintritt des Versicherungsfalles vom VN zu erfüllende Obliegenheit bejaht, weil durch die Änderung des Verwendungszwecks des versicherten Kfz der vertragliche Rahmen des Risikos, das der VR übernommen habe, überschritten worden sei und damit ein wesentliches und schutzwürdiges Interesse des VR betroffen sei.17
14 Vgl. auch BGH 22.2.1978 – IV ZR 105/76, VersR 1978 409; BGH 7.1.1965 – II ZR 115/62, BGHZ 43 42, 43; OLG Frankfurt/M. 7.2.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617, 619 (zu § 154 a.F.); OLG Hamm 6.10.2004 – 20 U 53/04, RuS 2005 406, 407 = VersR 2005 934; OLG Stuttgart 7.2.1991 – 7 U 176/90, RuS 1992 331, 332; LG Wiesbaden 29.6.2012 – 7 O 272/09, BeckRS 2012 19492; LG Karlsruhe 11.1.2012 – 2 O 370/11, VersR 2013 352, 353; AG Köln 8.2.1996 – 117 C 382/ 95 und LG Köln 31.10.1996 – 24 S 21/96, RuS 1997 465, 466; vgl. auch OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, NVersZ 2001 93; Bruck/Möller/Brand § 44 Rn. 37 ff.; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 10; Looschelders/ Pohlmann/Koch § 44 Rn. 24; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 27 Ziff. 27 Rn. 4. 15 Vgl. auch BGH 14.12.1967 – II ZR 169/65, BGHZ 49 130, 132. 16 BGH 14.12.1967 – II ZR 169/65, BGHZ 49 130, 132. 17 BGH 28.1.1958 – VIII ZR 420/56, BGHZ 26 282, 287. 453
Koch
Ziff. 27 AHB 2016
Mitversicherte Person
Dagegen sind nach Ansicht des BGH schutzwürdige Interessen des VR nicht betroffen, wenn nur der mitversicherte Fahrer, nicht aber auch der VN (Halter) einen Schadensbericht abgibt. Deshalb sei der Entzug des Versicherungsschutzes für den Versicherten durch die darin liegende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht gerechtfertigt.18 Nach verbreiteter Ansicht in der Literatur beansprucht dieser vom BGH zur Kfz-Haftpflichtversicherung entwickelte Grundsatz auch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung Geltung.19 Dieser Auffassung ist im Ergebnis zuzustimmen. Der BGH begründet seine Rechtsprechung mit den Besonderheiten der Kfz-Haftpflichtversi15 cherung. So sei nach dem Gesetz nur der Halter zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung verpflichtet. Der Fahrer sei deshalb von Gesetzes wegen darauf verwiesen, sich auf den Halter zu verlassen. Damit werde sein Vertrauen geweckt, durch die vom Halter abzuschließende Versicherung hinreichend geschützt zu sein. Daneben diene die Kfz-Haftpflichtversicherung auch dem Zweck, den Fahrer aus sozialen Gründen von drückenden Haftpflichtverbindlichkeiten freizustellen.
14
2. Übertragbarkeit auf die freiwillige Haftpflichtversicherung 16 Die Schutzbedürftigkeit eines Großteils der Versicherten in der freiwilligen Haftpflichtversicherung unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von der eines Fahrers in der Kfz-Haftpflichtversicherung. So besteht für Personen mit Arbeitnehmerstatus keine Möglichkeit, sich selbst gegen die Risiken ihrer beruflichen und betrieblichen Tätigkeit zu versichern. Sie sind deshalb auf die Mitversicherung in der Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung angewiesen. Gleiches gilt für Hausangestellte, die in der Privathaftpflichtversicherung mitversichert sind. Hinzu kommt, dass sich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der schutzwürdigen Interes17 sen des VR eine unterschiedliche Behandlung der Auswirkungen von Obliegenheitsverletzungen des VN auf den Versicherungsschutz des Versicherten in der obligatorischen und freiwilligen Haftpflichtversicherung nicht rechtfertigen lässt. Ob sich Obliegenheitsverletzungen des VN nachteilig auf den Versicherungsanspruch des Versicherten auswirken, hängt somit auch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung vom Zweck der Obliegenheit und dem Gewicht der durch sie geschützten Interessen des VR ab.20 Aufgrund des Kausalitätserfordernisses nach Ziff. 26.2 Satz 5 AHB/§ 28 Abs. 3 VVG kann die 18 Streitfrage in den Fällen offenbleiben, in denen der Versicherte die Obliegenheit erfüllt. Zeigt der VN anzeigepflichtige Umstände nicht an, erleidet der VR hierdurch keinen Nachteil, wenn wenigstens der Versicherte seinen Anzeigeobliegenheiten nachkommt. In diesem Fall wird es dem Versicherten gelingen, den (Kausalitätsgegen-)Beweis zu führen, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich war.21 Der VR wird bei Erfüllung der Anzeigeobliegenheit durch den Versicherten dagegen die Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses bei Erfüllung der Obliegenheit auch durch den VN nicht nachweisen können.
18 BGH 14.12.1967 – II ZR 169/65, BGHZ 49 130, 132. 19 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 27 Ziff. 27 Rn. 5; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 17; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 411 ff.; Wussow § 7 Anm. 3; a.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. H 19 und Littbarski AHB § 7 Rn. 27, die für eine solche Beschränkung keinen Anhaltspunkt in den AHB sehen; ausdrücklich offengelassen OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, NVersZ 2001 93, 96. 20 Vgl. auch Bruck/Möller/Brand § 47 VVG Rn. 36; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 VVG Rn. 27. 21 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 27 AHB Rn. 5; Späte § 7 Rn. 9; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 411 ff.; Wussow § 7 Anm. 3; a.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. H 19 und Littbarski AHB § 7 Rn. 27, die für eine solche Beschränkung keinen Anhaltspunkt in den AHB sehen; ausdrücklich offengelassen OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, NVersZ 2001 93, 96. Koch
454
E. Verwirklichung eines Risikoausschlusses
Ziff. 27 AHB 2016
Anders mag die Situation bei Verletzungen von Aufklärungs- und Rettungsobliegen- 19 heiten zu beurteilen sein, weil die Tatsachen, die jeweils Gegenstand eigener Wahrnehmung gewesen sind, sich naturgemäß unterscheiden können, und die Zumutbarkeit von Rettungsmaßnahmen hinsichtlich der Person des VN und der versicherten Personen unterschiedlich zu bewerten sein kann. In diesen Konstellationen kommt es darauf an, ob durch die Obliegenheitsverletzung des VN der Rahmen des vom VR übernommenen Vertragsrisikos überschritten wurde. Bei arglistigen Obliegenheitsverletzungen besteht mit Blick auf die in § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG getroffene grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für die Sanktionierung von arglistigen Obliegenheitsverletzungen von vornherein kein Raum für einen Rückgriff auf das Kausalitätserfordernis.
E. Verwirklichung eines Risikoausschlusses in der Person des Versicherungsnehmers oder anderer versicherter Personen Ziff. 27.2 Satz 2 AHB behandelt nicht die Frage, ob die Verwirklichung eines Ausschlusstatbe- 20 standes nur in der Person des VN oder eines von mehreren versicherten Personen den (Fremd-)Versicherungsschutz der anderen versicherten Personen nachteilig berührt. Soweit vertragliche Regelungen fehlen, lässt sich diese Frage nur durch Auslegung des jeweiligen Ausschlusstatbestandes beantworten. Nach der Hilfspersonenklausel (Anmerkung zu Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 AHB) entfällt der Versicherungsschutz (in der Betriebshaftpflichtversicherung) nicht nur für den VN, sondern auch für die durch den Versicherungsvertrag mitversicherten Personen, wenn die Voraussetzungen der Ausschlüsse in Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 AHB in der Person von Angestellten, Arbeitern, Bediensteten, Bevollmächtigten oder Beauftragten des VN gegeben sind. Nach Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV entfällt der Versicherungsschutz für alle Versicherten (VN oder Mitversicherte), wenn der Ausschluss gem. Ziff. 7.4.3.1 oder Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV (Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers oder Wasserfahrzeugs) in der Person eines Versicherten erfüllt ist (vgl. Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 22). Stellt der Ausschlusstatbestand auf bestimmte persönliche Merkmale wie z.B. Eigentümer, Vermieter, Besitzer, Halter oder Hüter ab, verliert nur derjenige den Versicherungsschutz, in dessen Person diese Merkmale vorliegen.22 Hier kann – vorbehaltlich abweichender Regelungen – der (Eigen-)Versicherungsschutz des VN für denselben Versicherungsfall hinter dem (Fremd-)Versicherungsschutz der versicherten Person zurückbleiben. Vorstehendes gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass die Voraussetzungen des Vor- 21 satzausschlusses nur bei einer von mehreren versicherten Personen vorliegen. Nur diejenige versicherte Person, die vorsätzlich gehandelt hat, verliert den (Fremd-)Versicherungsschutz. Anders liegt der Fall, wenn die Voraussetzungen des Vorsatzausschlusses in der Person des VN vorliegen. Hierbei geht es um die eher seltenen Fälle, in denen der VN und die versicherten Personen gemeinsam einen Schaden herbeiführen, die Voraussetzungen von Ziff. 7.1 AHB/§ 103 VVG jedoch nur in der Person des VN vorliegen. In dieser Konstellation überschreitet die vorsätzliche Schadensherbeiführung durch den VN den vertraglichen Rahmen der vom VR übernommenen Gefahr, so dass auch die nur fahrlässig oder ohne Verschulden handelnde versicherte Person keinen (Fremd-)Versicherungsschutz hat (Ziff. 7 AHB Rn. 71 ff.).
22 OLG Brandenburg 3.9.2014 – 11 U 28/14, RuS 2014 599, 602; OLG Hamm 18.9.1992 – 20 U 122/92, RuS 1993 9; vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 27 Ziff. 27 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 27 Rn. 14. 455
Koch
Ziff. 27 AHB 2016
Mitversicherte Person
F. AHB-lose Musterbedingungen für die Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung 22 In den neuen, nicht mehr auf den AHB basierenden Musterbedingungswerken des GDV für die Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung ist ausdrücklich geregelt, dass der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen unabhängig davon entfällt, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person vorliegen (A1-2.3 AVH BHV/AVB PHV). Bei den Ausschlüssen mit „Vorsatzkomponenten“ gibt es jedoch Wiedereinschlüsse, z.B. in A1-7.1, A1-7.2 AVB PHV/AVB BHV.23 Soweit diese eingreifen, kommt ein Verlust des Versicherungsschutzes des VN oder der versicherten Person nur nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung in Betracht, die durch A1-2.3 AVB BHV/AVB PHV unberührt bleiben.
23 Vgl. Stockmeier AVB PHV A1-2 Rn. 71. Koch
456
Ziff. 28 AHB 2016
Ziff. 28 Abtretungsverbot
AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 28 Abtretungsverbot
§ 7 Versicherung für fremde Rechnung, Abtretung des Versicherungsanspruchs
1
3. Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des VR nicht übertragen werden.
Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des VR weder abgetreten noch verpfändet werden. 2Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 28 AHB ist an die Stelle von § 7 Nr. 3 AHB 1999 getreten. Die Regelung bezieht sich auf den 1 Anspruch des VN auf Freistellung von begründeten Haftpflichtansprüchen. Satz 1 bestimmt, dass der Freistellungsanspruch vor der endgültigen Feststellung des Haftpflichtanspruchs nur mit ausdrücklicher Zustimmung des VR abgetreten oder verpfändet werden kann. Satz 2 erlaubt die Abtretung an den geschädigten Dritten. Mit dieser Ausnahmeregelung soll den Vorgaben des § 108 Abs. 2 VVG Rechnung getragen werden, dem zufolge die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten nicht mehr – wie in § 7 Nr. 3 AHB 1999 vorgesehen – formularmäßig ausgeschlossen werden darf. Mit § 7 Nr. 3 AHB 1999 wollten die VR die – wegen § 399 Alt. 1 BGB1 und § 156 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ohnehin nur an den geschädigten Dritten mögliche – Abtretung des Freistellungsanspruchs verhindern. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Verfasser bei der Neuregelung in Ziff. 28 AHB an 2 sich auf die Formulierung beschränken können, dass der Freistellungsanspruch nur an den geschädigten Dritten abgetreten (oder verpfändet) werden darf. Raum für die Anwendung von Ziff. 28 Satz 1 AHB besteht nur in den Fällen, in denen der Geschädigte den an ihn abgetretenen Freistellungsanspruch an einen sonstigen Vierten abtreten will.2
B. Abtretungsverbot als Individualvereinbarung Ist das Abtretungsverbot das Ergebnis einer Individualvereinbarung i.S.v. §§ 305 Abs. 1 Satz 3, 3 305b BGB, kommt Ziff. 28 Satz 2 AHB nicht zur Anwendung; § 108 Abs. 2 VVG greift nicht ein.3 Allerdings kann die Berufung auf ein individuell vereinbartes Abtretungsverbot rechtsmissbräuchlich sein. Insoweit gilt die Rechtsprechung (zum formularmäßigen Abtretungsverbot) vor der Reform des VVG fort. Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn das Abtretungsverbot „nicht von einem beachtlichen, im Zweckbereich der Bestimmung liegenden Interesse gedeckt wird“.4 So 1 Vgl. BGH 12.10.2011 – IV ZR 163/10, RuS 2012 74 Rn. 8 (Abtretung eines Freistellungsanspruchs ist allerdings trotz § 399 Alt. 1 BGB zulässig, wenn sie an den Gläubiger der Forderung, von welcher der VN zu befreien ist, erfolgt). 2 Bruck/Möller/Koch § 108 VVG Rn. 37. 3 Bruck/Möller/Koch § 108 VVG Rn. 32; Prölss/Martin/Lücke § 108 VVG Rn. 24; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Ebert/Retter § 108 VVG Rn. 16; Langheid/Rixecker/Langheid § 108 VVG Rn. 15. 4 BGH 13.7.1983 – IVa ZR 226/81, VersR 1983 945; BGH 4.5.1983 – IVa ZR 106/81, VersR 1983 823; BGH 4.5.1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41 327, 329 f. = VersR 1964 709 f.; OLG Köln 13.11.2007 – 9 U 204/06, RuS 2008 239, 240; OLG Saarbrücken 15.9.1999 – 5 U 389/99-28, VersR 2002 351, 352; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 28 Ziff. 28 Rn. 4; Späte/ Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 28 VVG Rn. 5. 457 https://doi.org/10.1515/9783110522686-033
Koch
Ziff. 28 AHB 2016
Abtretungsverbot
liegt der Fall, wenn der Dritte einen vollstreckbaren Titel in den Händen hält, aufgrund dessen er in den Freistellungsanspruch vollstrecken kann.5 Beruft sich der VR gegenüber einer auf die Abtretung gestützten Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug nicht auf das Verbot, ist darin eine konkludente Genehmigung der Abtretung zu sehen.6 4 Zu beachten ist, dass das Verbot der Abtretung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) wegen § 105 VVG auch nicht durch eine Individualvereinbarung ausgeschlossen werden kann. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich der Rechtsfolgen der Abtretung, siehe die Kommentierung zu Ziff. 5 AHB Rn. 83 f. sowie zu § 108 Abs. 2 VVG.
5 OLG Saarbrücken 8.9.2004 – 5 U 21/04-1, VersR 2005 394, 395; OLG Düsseldorf 28.10.1982 – 10 U 49/82, VersR 1983 625, 626; Hans. OLG Hamburg 21.12.1971 – 7 U 51/71, VersR 1972 631. 6 BGH 25.11.1953 – II ZR 7/53, BGHZ 11 120, 122; OLG Stuttgart 2.8.2005 – 10 U 88/05, VersR 2006 1489, 1490; OLG Köln 17.4.1975 – 1 U 162/74, VersR 1975 1113, 1114. Koch
458
Ziff. 29 AHB 2016
Ziff. 29 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 29 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung
§ 14 Anzeigen und Willenserklärungen
29.1 Alle für den VR bestimmten Anzeigen und Erklärungen sollen an die Hauptverwaltung des VR oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden.
1. 1Alle für den VR bestimmten Anzeigen und Erklärungen sind schriftlich abzugeben. 2Sie sollen an die Hauptverwaltung des VR oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden.
29.2 1Hat der VN eine Änderung seiner Anschrift dem VR nicht mitgeteilt, genügt für eine Willenserklärung, die dem VN gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem VR bekannte Anschrift. 2Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Briefes als zugegangen. 3Dies gilt entsprechend für den Fall einer Namensänderung des VN.
2. 1Hat der VN eine Änderung seiner Anschrift dem VR nicht mitgeteilt, genügt für eine Willenserklärung, die dem VN gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem VR bekannte Anschrift. 2Die Erklärung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ohne die Anschriftserklärung bei regelmäßiger Beförderung dem VN zugegangen sein würde.
29.3 Hat der VN die Versicherung für seinen Betrieb abgeschlossen, finden bei einer Verlegung der betrieblichen Niederlassung die Bestimmungen der Ziff. 29.2 entsprechende Anwendung.
3. Hat der VN die Versicherung für seinen Gewerbebetrieb abgeschlossen, finden bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung die Bestimmungen der Ziff. 2 entsprechende Anwendung.
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
B.
Inhalt
1
I.
Anzeigen und Willenserklärungen
II.
Anschriftenänderung
2
5
A. Inhalt und Zweck Ziff. 29 AHB betrifft die Kommunikation zwischen VR und VN während der Dauer des Versi- 1 cherungsverhältnisses. Diese zeitliche Beschränkung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Klausel. Sie folgt jedoch daraus, dass die AHB erst mit Vertragsschluss wirksam Vertragsbestandteil werden. Abweichend von § 14 Ziff. 1 AHB 1999 ist Schriftlichkeit nicht mehr erforderlich. Es handelt sich nur um eine Soll-Vorschrift („sollen“). Die Anzeigen und Erklärungen können auch gegenüber dem Versicherungsvertreter abgegeben werden (§§ 69 Abs. 1 Satz 2, 72 VVG).1
B. Inhalt I. Anzeigen und Willenserklärungen Während Ziff. 29.1 AHB an Anzeigen und (Willens-)Erklärungen anknüpft, unterscheidet das 2 VVG terminologisch zwischen Anträgen (z.B. Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrags) und deren Widerruf, der Kündigung, dem Rücktritt und sonstigen das 1 Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 29 Ziff. 29 Rn. 1; Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt AHB § 29 Rn. 7. 459 https://doi.org/10.1515/9783110522686-034
Koch
Ziff. 29 AHB 2016
Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung
Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen sowie den während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu erstattenden Anzeigen (vgl. § 69 Abs. 1 Ziff. 2 VVG). Bei Letzteren handelt es sich nicht um Willens-, sondern um Wissenserklärungen.2 3 Welche Anzeigen während der Laufzeit des Vertrages zu erstatten sind, ergibt sich in erster Linie aus dem Versicherungsvertrag, ergänzend aus dem VVG. Die AHB sehen Anzeigepflichten hinsichtlich der Erhöhung und Erweiterung des versicherten Risikos (Ziff. 13.1 AHB), der Entstehung neuer Risiken (Ziff. 4.1 AHB), des Übergangs des Unternehmens (Ziff. 20.5 AHB) und nach Eintritt des Versicherungsfalles (Ziff. 25.1, 25.3 AHB) vor. 4 Den Anzeigen stehen Auskünfte gleich, deren Erteilung den VN als Obliegenheit trifft. Vor Eintritt des Versicherungsfalles handelt es sich z.B. um Auskünfte, die der Berechnung der Prämienhöhe dienen (vgl. Ziff. 13.1 AHB), nach Eintritt des Versicherungsfalles um Angaben (einschließlich deren Korrekturen) zum Versicherungsfall (Ziff. 25.2, 25.5 AHB).
II. Anschriftenänderung 5 Ziff. 29.2 und 3 AHB entsprechen inhaltlich § 13 VVG, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Weitergehende Rechtsfolgen können sich ergeben, wenn die Nichtmitteilung einer Adressänderung zugleich eine Verletzung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit begründet.3
2 Vgl. MüKoBGB/Armbrüster Vorbem. § 116 Rn. 16; Reiff RuS 1998 89, 96. 3 Vgl. OLG Karlsruhe 6.4.2006 – 12 U 266/05, VersR 2006 1206, 1207. Koch
460
Ziff. 30 AHB 2016
Ziff. 30 Verjährung AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 30 Verjährung
§ 10 Verjährung, Klagefrist
30.1 1Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren. 2Die Fristberechnung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB.
Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: 1. 1Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in zwei Jahren. 2Die Frist beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. 3 Ist ein Anspruch des VN bei dem VR angemeldet worden, zählt der Zeitraum von der Anmeldung bis zum Zugang der schriftlichen Entscheidung des VR bei der Fristberechnung nicht mit.
30.2 Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag bei dem VR angemeldet worden, ist die Verjährung von der Anmeldung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des VR dem Anspruchsteller in Textform zugeht.
2. 1Hat der VR den Versicherungsschutz abgelehnt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn der VN diesen nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend macht. 2Die Frist beginnt mit dem Zugang der schriftlichen Ablehnung des VR. 3Die Rechtsfolgen der Fristversäumnis treten nur ein, wenn der VR dabei auf die Notwendigkeit der fristgerechten gerichtlichen Geltendmachung hingewiesen hat.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 30 AHB ist die Nachfolgeregelung zu § 10 AHB 1999. Die Klausel betrifft die Verjährungsfrist 1 von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag und trifft für die Hemmung der Verjährung von Ansprüchen des VN eine Sonderregelung. Ziff. 30.2 AHB nimmt erkennbar Bezug auf § 15 VVG, dem er nahezu wortwörtlich entspricht.
B. Einzelheiten Ziff. 30.1 AHB stellt klar, dass Ansprüche aus Versicherungsverträgen der dreijährigen Regel- 2 verjährung nach dem BGB unterliegen. Hinsichtlich des Beginns, der Dauer und der Unterbrechung der Verjährung gelten §§ 195 ff. BGB. Die Neufassung ist erforderlich geworden, weil die Sonderregelung für die Verjährungsfrist bei Versicherungsverträgen (§ 12 Abs. 1 VVG a.F.) und die Möglichkeit zur Setzung einer Klagefrist (§ 12 Abs. 3 VVG a.F.) ersatzlos gestrichen worden sind. Die Hemmungsregelung in Ziff. 30.2 AHB entspricht – wie bereits ausgeführt – § 15 VVG. Die 3 Anmeldung hängt nicht von der Stellung das Anmelders als Partei des Versicherungsvertrages ab. Entscheidend ist die materielle Berechtigung des Anmeldenden.1 In der freiwilligen Haftpflichtversicherung ist der Geschädigte – anders als in der obligatorischen Haftpflichtversicherung (§ 115 Abs. 2 Satz 3 VVG) – nur dann zur Anmeldung berechtigt, wenn der Freistellungsanspruch des VN auf ihn übergegangen ist (durch Abtretung oder Pfändung und Überweisung).2 Ist dies noch nicht 1 Bruck/Möller/K. Johannsen/Koch § 15 VVG Rn. 22; Looschelders/Pohlmann/Klenk § 15 VVG Rn. 12. 2 Bruck/Möller/K. Johannsen/Koch § 15 VVG Rn. 23; a.A. OLG Düsseldorf 26.6.2001 – 4 U 210/00, RuS 2002 106, 107 = VersR 2002 1020; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 30 Rn. 3; Späte/Schimikowski/HarsdorfGebhardt AHB § 30 Rn. 2; Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 30 Ziff. 30 Rn. 3. 461 https://doi.org/10.1515/9783110522686-035
Koch
Ziff. 30 AHB 2016
Verjährung
geschehen, bleibt den Geschädigten nur der Weg der Erhebung einer Feststellungsklage, um eine drohende Verjährung zu vermeiden.3 Werden aus einem Schadensereignis Ansprüche nicht nur gegen den VN, sondern auch gegen versicherte Personen geltend gemacht, für die der VN einstehen muss (z.B. Mitarbeiter in der Betriebs- und minderjährige Kinder in der Privathaftpflichtversicherung), wirkt die Anmeldung durch den VN oder eine versicherte Person für den jeweils anderen.
3 Vgl. BGH 15.11.2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001 90. Koch
462
Ziff. 31 AHB 2016
Ziff. 31 Zuständiges Gericht AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 31 Zuständiges Gericht
§ 13 Gerichtsstände
31.1. 1Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VR bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 2 Ferner ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz, den Sitz seiner Niederlassung oder seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 3Verlegt jedoch der VN nach Vertragsschluss seinen Sitz, den Sitz seiner Niederlassung, seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland, sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der VR seinen Sitz hat.
1. 1Für Klagen, die aus dem Versicherungsvertrag gegen den VR erhoben werden, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 2Hat ein Versicherungsagent am Zustandekommen des Vertrages mitgewirkt, ist auch das Gericht des Ortes zuständig, an dem der Versicherungsagent zur Zeit der Vermittlung oder des Abschlusses seine gewerbliche Niederlassung oder – bei Fehlen einer gewerblichen Niederlassung – seinen Wohnsitz hatte.
31.2 1Ist der VN eine natürliche Person, müssen Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen ihn bei dem Gericht erhoben werden, das für seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts zuständig ist. 2 Ist der VN eine juristische Person, bestimmt sich das zuständige Gericht auch nach dem Sitz oder der Niederlassung des VN. 3Das gleiche gilt, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist.
2. 1Klagen des VR gegen den VN können bei dem für den Wohnsitz des VN zuständigen Gericht erhoben werden. 2 Soweit es sich bei dem Vertrag um eine betriebliche Versicherung handelt, kann der VR seine Ansprüche auch bei dem für den Sitz oder die Niederlassung des VN zuständigen Gericht geltend machen.
31.3 Sind der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VN nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 31 AHB regelt den Gerichtsstand für Klagen des VN und des VR aus dem Versicherungs- 1 vertrag. Die Nachfolgeregelung zu § 13 AHB 1999 trägt der Neuregelung des § 215 Abs. 1 VVG Rechnung, von dem nach §§ 215 Abs. 3 VVG nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf. In der dieser Kommentierung zugrunde liegenden Neufassung 2016 ist die Beschränkung in Ziff. 31.1 Satz 2 AHB auf natürliche Personen aufgegeben worden.1
1 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 31 Ziff. 31 Rn. 1. 463 https://doi.org/10.1515/9783110522686-036
Koch
Ziff. 31 AHB 2016
Zuständiges Gericht
B. Aktivklagen des Versicherungsnehmers 2 Nach Ziff. 31.1 Satz 1 AHB kann der VN gegen den VR entsprechend § 35 ZPO wahlweise entweder vor den nach § 17 ZPO oder nach § 21 ZPO zuständigen Gerichten Klage erheben. Daneben ist er nach Ziff. 31.1 Satz 2 AHB berechtigt, auch Klage an seinem Sitz, seinem Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zu erheben. Darin liegt keine Abweichung von § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG, da der BGH klargestellt hat, dass § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG auch Klagen aus einem Versicherungsvertrag erfasst, dessen VN eine juristische Person ist, wobei auf deren Sitz im Sinne des § 17 ZPO abzustellen ist.2 Insoweit ist die in den AHB in der Fassung vor 2016 enthaltene Beschränkung auf natürliche Personen unwirksam.
C. Aktivklagen des Versicherers 3 Ziff. 31.2 Satz 1 AHB regelt den Gerichtsstand für Klagen des VR gegen den VN in Übereinstimmung mit § 215 Abs. 1 Satz 2 VVG, soweit es sich bei dem VN um eine natürliche Person handelt (Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts). Ziff. 31.2 Satz 2 und 3 AHB finden Anwendung, wenn es sich bei dem VN um eine juristische Person, eine oHG, KG, GbR oder eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft handelt. In diesem Fall ist das Gericht nicht nur am Sitz der VN, sondern auch am Ort der Niederlassung der VN zuständig. 4 In Ziff. 32.3 AHB macht der VR von der ihm nach § 215 Abs. 3 VVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, von der Regelung des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG abzuweichen, falls der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des VN im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist. In diesem Fall ist der VR berechtigt, den VN wahlweise entweder am Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung zu verklagen.3
2 BGH 8.11.2017 – IV ZR 551/15, NJW 2018 232 Rn. 17 ff. 3 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 31 Ziff. 31 Rn. 2. Koch
464
Ziff. 32 AHB 2016
Ziff. 32 Anzuwendendes Recht AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen
III. Das Versicherungsverhältnis (§§ 7–14)
Ziff. 32 Anzuwendendes Recht
§ 12 Anzuwendendes Recht
Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.
Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Rechtswahlvereinbarung
I.
Großrisiken
2
II. 1. 2. 3.
Massenrisiken Bedeutung der Risikobelegenheit Außerhalb der EU belegene Risiken Innerhalb der EU belegene Risiken
4 5 6
3
A. Inhalt und Zweck Ziff. 32 AHB enthält eine Rechtswahlvereinbarung zugunsten deutschen Rechts. Nach § 1 Abs. 1 1 Ziff. 17 VVG-InfoV i.V.m § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG hat der VR den VN auf das auf den Vertrag anwendbare Recht hinzuweisen.
B. Rechtswahlvereinbarung Die Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilt sich nach der Rom I-VO. Diese enthält in Art. 7 Rom I-VO 2 Sonderregeln für Versicherungsverträge.1
I. Großrisiken Keinerlei Beschränkungen unterliegen Haftpflichtversicherungsverträge über Großrisiken i.S.d. 3 § 210 Abs. 2 VVG und zwar unabhängig davon, ob das Risiko in einem Mitgliedstaat der EU belegen ist (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt Rom I-VO). Bei diesen Verträgen können die Parteien das anwendbare Recht gem. Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Rom I-VO frei wählen.
II. Massenrisiken 1. Bedeutung der Risikobelegenheit Geht es um Versicherungsverträge, die Massenrisiken (≠ Großrisiko) zum Gegenstand haben, 4 findet Art. 7 Rom I-VO nur dann Anwendung, wenn das Risiko in einem Mitgliedsstaat der EU belegen ist (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. Rom I-VO). Die Risikobelegenheit bestimmt sich nach Art. 7 Abs. 6 Rom I-VO. Dieser verweist wieder auf das einschlägige Richtlinienrecht. Nach
1 Hierzu ausführlich Bruck/Möller/Dörner9 Art. 7 Rom I-VO. 465 https://doi.org/10.1515/9783110522686-037
Koch
Ziff. 32 AHB 2016
Anzuwendendes Recht
Art. 13 Nr. 13 lit. d) Solvency-II-RL2 ist maßgeblich für die Risikobelegenheit in der Haftpflichtversicherung der Mitgliedstaat, in dem der VN als natürliche Person seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei juristischen Personen wird an den Ort der Niederlassung angeknüpft, auf die sich der Vertrag bezieht.
2. Außerhalb der EU belegene Risiken 5 Bei außerhalb der EU belegenen Risiken besteht im Grundsatz gem. Art. 3 Rom I-VO freie Rechtswahl. Handelt es sich bei dem VN um einen Verbraucher, findet jedoch nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO zwingend das Recht des Staates Anwendung, in dem dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
3. Innerhalb der EU belegene Risiken 6 Hat der VN seinen persönlichen Aufenthalt oder Sitz in Deutschland, dürfen die Parteien gem. Art. 7 Abs. 3 lit. a) Rom I-VO das Recht eines jeden Mitgliedstaats wählen, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist. Daneben können die Parteien gem. Art. 7 Abs. 3 lit. b) Rom I-VO das Recht des Staates wählen, in dem der VN seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beschränken sich die versicherten Risiken auf Schadensfälle, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Risikobelegenheit eintreten können, kann nach Art. 7 Abs. 3 lit. d) Rom I-VO das Recht des Schadenseintrittsstaates gewählt werden. Übt der VN eine gewerbliche, industrielle oder freiberufliche Tätigkeit aus und deckt 7 der Versicherungsvertrag zwei oder mehr Risiken ab, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten belegen sind und in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des VN stehen, kann für den Vertrag nach Art. 7 Abs. 3 lit. e) Rom I-VO insgesamt entweder das Recht eines jeden Mitgliedstaates, in dem sich ein Teilrisiko befindet, oder das Recht des Staates gewählt werden, in dem der gewöhnliche Aufenthaltsort des VN liegt.3
2 RL 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)(Neufassung), ABl. EU v. 17.12.2009 L 335, 1 (vormals Art. 2 lit. d) 4. Spiegelstrich der 2. Schadensversicherungs-RL 88/357EWG, ABl. v. 4.7.1988 L 172, 1. 3 Zu den Einzelheiten s. Bruck/Möller/Dörner9 Art. 7 Rom I-VO Rn. 47 ff. Koch
466
Ziff. 33 AHB 2016
Ziff. 33 Begriffsbestimmung AHB 2016
AHB 1999
Weitere Bestimmungen Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: Ziff. 33 Begriffsbestimmung
Fehlanzeige
Versicherungsjahr: 1 Das Versicherungsjahr erstreckt sich über einen Zeitraum von zwölf Monaten. 2Besteht die vereinbarte Vertragsdauer jedoch nicht aus ganzen Jahren, wird das erste Versicherungsjahr entsprechend verkürzt. 3 Die folgenden Versicherungsjahre bis zum vereinbarten Vertragsablauf sind jeweils ganze Jahre.
Die Klausel dient der Klarstellung für den Fall, dass echte unterjährige Beitragszahlung (Ziff. 8 1 AHB Rn. 4) vereinbart worden ist (vgl. auch die Sonderregelungen für die echte unterjährige Beitragszahlung in Ziff. 8, Ziff. 9.1, Ziff. 15, Ziff. 19.2, Ziff. 20.2 AHB).
467 https://doi.org/10.1515/9783110522686-038
Koch
Teil 3 Privathaftpflichtversicherung A. Tarifstruktur IX – Privathaftpflicht (BBR PHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: April 2016)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Ziff. 1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) Ziff. 2 Mitversicherte Personen Ziff. 3 Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge Ziff. 4 Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung Ziff. 5 Versicherungsfälle im Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod des VN Ziff. 6 Mitversicherung von Vermögensschäden Ziff. 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG) Ziff. 8 Forderungsausfalldeckung Ziff. 9 Beitrag Ziff. 10 Zusatzbaustein für Ansprüche aus Benachteiligungen für Privatpersonen
Schrifttum Allgaier Die kleine Benzinklausel in der Privathaftpflichtversicherung, VersR 1985 917; Bayer Benzinklausel und Gesamtkausalität – Zur Reichweite der ‚kleinen Benzinklausel‘ in der Privathaftpflichtversicherung, VersR 1985 305; Eberwein Widerstand gegen die Staatsgewalt – Eine Gefahr des täglichen Lebens – i.S.d. Privathaftpflichtversicherung? RuS 1985 321; Hohlbein Ein Plädoyer für erweiterten Haftpflichtversicherungsschutz, VersR 2021 682; ders. Der Forderungsausfall in der Haftpflichtversicherung – zwischen Irrtum und Innovation, ZfV 2010 630; Hohlbein/ Evers Zwischen Lebensrisiken und Klagen: Haftpflichtrechtliche Anmerkungen zu beruflichen Risiken, ZfV 2022 44; Schimikowski Die „Benzinklausel“ in der Privathaftpflichtversicherung – Auslegung des Begriffs „Gebrauch des Kraftfahrzeugs“, RuS 2016 14; ders. Die neuen Musterbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung, RuS 2015 373; ders. Privathaftpflichtversicherung – aktuelle Themen und Rechtsprechung, RuS 2006 7; Schimikowski/Wilke Drohnen und Privathaftpflichtversicherung, RuS 2019 490; Wilke Versicherungsschutz für private Halter und Steuerer von Drohnen im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung, DAR 2018 288. Vgl. ferner die Literaturangaben vor AHB 2016.
Vorbemerkung Die Privathaftpflichtversicherung schützt natürliche Personen vor der Inanspruchnahme auf 1 Schadensersatz wegen eines Tuns, Duldens oder Unterlassens, das weder einer selbständigen oder unselbständigen beruflichen Tätigkeit noch einer gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der nachstehenden Kommentierung der Privathaftpflichtversicherung liegt die vom GDV 2 unverbindlich empfohlene Tarifstruktur IX – Privathaftpflicht (Stand: 2016) zugrunde, die der traditionellen Aufteilung zwischen Allgemeinen Bedingungen und Besonderen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung folgend auf den AHB 2016 aufbaut und durch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) ergänzt wird. Seit 2013 hat der GDV damit begonnen, die Allgemeinen Bedingungen und die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen in einem Bedingungswerk zusammenzufassen mit dem Ziel, den Umfang des Versicherungsschutzes für den Kunden verständlicher darzustellen. Das bis dato bestehende System, dem zufolge Ausschlüsse, die in den AHB 2016 vorgesehen sind, in den BBR zum Teil wieder eingeschlossen
469 https://doi.org/10.1515/9783110522686-040
Koch
BBR PHV
Vorbemerkung
werden, sollte durch positive Leistungsbeschreibungen ersetzt werden. Die AHB 2016 und die Tarifstruktur IX – Privathaftpflicht wurden zu den AVB PHV zusammengefasst. 3 Ob und inwieweit die „AHB-losen“ AVB PHV seither Eingang in die Vertragspraxis gefunden haben, ist nicht bekannt. In der bisherigen veröffentlichten Rechtsprechung scheinen sie jedenfalls (noch) keine Rolle zu spielen. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Kommentierung nicht die AVB PHV zum Ausgangspunkt gemacht, sondern die Tarifstruktur IX – Privathaftpflicht (zitiert als BBR PHV). Erst im Anschluss daran werden die AVB PHV synoptisch in den Blick genommen und untersucht, ob sich der Umfang des Versicherungsschutzes für den VN durch diese Strukturreform verändert hat.
Koch
470
Ziff. 1 BBR PHV
Ziff. 1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) 1.
1
Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachstehenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes. 2 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus (1) einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (2) oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung. 3 Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.1 als Familien- und Haushaltsvorstand (z.B. aus der Aufsichtspflicht über Minderjährige); 1.2 als Dienstherr der in seinem Haushalt tätigen Personen; 1.3 aus den Gefahren einer nichtverantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit oder Freiwilligenarbeit aufgrund eines sozialen unentgeltlichen Engagements 1.4 als Inhaber (1) einer oder mehrerer im Inland gelegener Wohnungen (bei Wohnungseigentum als Sondereigentümer), einschließlich Ferienwohnung, Bei Sondereigentümern sind versichert Haftpflichtansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums. Die Leistungspflicht erstreckt sich jedoch nicht auf den Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum. (2) eines im Inland gelegenen Einfamilienhauses, (3) eines im Inland gelegenen Wochenend-/Ferienhauses, sofern sie vom VN ausschließlich zu Wohnzwecken verwendet werden, einschließlich der zugehörigen Garagen und Gärten sowie eines Schrebergartens. Hierbei ist mitversichert die gesetzliche Haftpflicht – aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen). Das gilt auch für die durch Vertrag vom VN ausschließlich als Mieter, Pächter oder Entleiher übernommene gesetzliche Haftpflicht für Verkehrssicherungspflichten des Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter) in dieser Eigenschaft; – aus der Vermietung von nicht mehr als drei einzeln vermieteten Wohnräumen; nicht jedoch von Wohnungen, Räumen zu gewerblichen Zwecken und Garagen. Werden mehr als drei Räume einzeln vermietet, entfällt die Mitversicherung. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB); – als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Grabearbeiten) bis zu einer Bausumme von EUR 50.000,- je Bauvorhaben. Wenn dieser Betrag überschritten wird, entfällt die Mitversicherung. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB); – als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestand; – der Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter in dieser Eigenschaft; 1.5 als Radfahrer; 1.6 aus der Ausübung von Sport, ausgenommen ist eine jagdliche Betätigung und die Teilnahme an Pferde-, Rad- oder Kfz-Rennen sowie ein zur Vorbereitung des Rennens von einem Veranstalter organisiertes oder vorgeschriebenes Training bei dem die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten geübt wird.
471 https://doi.org/10.1515/9783110522686-041
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
1.7 aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen, nicht jedoch zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen; 1.8 als Halter oder Hüter von zahmen Haustieren, gezähmten Kleintieren und Bienen, nicht jedoch von Hunden, Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, wilden Tieren sowie von Tieren, die zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden. 1.9 1Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht des VN – als nicht gewerbsmäßiger Hüter fremder Hunde oder Pferde, – als Reiter bei der Benutzung fremder Pferde, – als Fahrer bei der Benutzung fremder Fuhrwerke zu privaten Zwecken, soweit Versicherungsschutz nicht über eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung besteht. 2 Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche der Tierhalter oder -eigentümer sowie Fuhrwerkseigentümer, es sei denn es handelt sich um Personenschäden.
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
1
B.
Gefahren des täglichen Lebens
I.
Begriff
II.
Abgrenzung von Gefahren betrieblicher und be5 ruflicher Tätigkeiten 9 Gefahren eines Betriebes 11 Gefahr eines Berufs Zuordnung von Nebentätigkeiten zur Privathaftpflichtversicherung 13 a) Grundsatz 15 b) Abgrenzungen
1. 2. 3.
III.
1. 2. 3.
IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Koch
b) c) d)
3
Abgrenzung von Gefahren eines Dienstes, Amtes, einer verantwortlichen Betätigung in Verei23 nigungen aller Art 26 Dienst 27 Amt Verantwortliche Betätigung in Vereinigungen al28 ler Art Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung 31 Rechtsnatur und Zweck 34 Beschäftigung 41 Ungewöhnlich 44 Gefährlich 45 Kasuistik a) Straftaten (Schadensfälle infolge krimineller Handlungen) aa) Brandverursachung/Herbeiführung einer Brandgefahr i.S.v. §§ 306 ff. 46 StGB bb) Diebstahl/Hausfriedensbruch i.S.v. 47 § 242, § 123 StGB
e) f)
48 cc) Sonstiges 49 Explosionen/Schusswaffen 50 Selbstmord Heimwerkertätigkeit/Hobbyaktivitäten aa) Bedienung eines Schweißge51 räts 52 bb) Sonstiges 53 Verhalten Minderjähriger 54 Varia
C.
Beispiele von Haftpflichtgefahren des täglichen Lebens (Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV)
I.
Vorbemerkung
II.
Gesetzliche Haftpflicht als Familien- und Haus59 haltungsvorstand (Ziff. 1.1 BBR PHV)
III.
Gesetzliche Haftpflicht als Dienstherr (Ziff. 1.2 60 BBR PHV)
IV.
Nichtverantwortliche ehrenamtliche Tätigkeit und Freiwilligenarbeit (Ziff. 1.3 BBR 61 PHV) Nichtverantwortliche ehrenamtliche Tätig62 keit 63 Freiwilligenarbeit
1. 2. V.
1.
55
Gesetzliche Haftpflicht als Inhaber von Wohnungen, Einfamilien- und Wochenendhaus (Ziff. 1.4 64 BBR PHV) Wohnungs- und Hausrisiko a) (Eigentums-/Ferien-)Wohnungen, Einfami65 lien- und Wochenend-/Ferienhaus aa) Eigentums-/Ferienwohnung (Ziff. 1.4 66 (1) BBR PHV) 472
A. Inhalt und Zweck
2.
3. 4.
bb) Einfamilienhaus (Ziff. 1.4 (2) BBR 67 PHV) cc) Wochenend-/Ferienhaus (Ziff. 1.4 (3) 69 BBR PHV) 70 (1) Ferienhaus 71 (2) Wochenendhaus 72 dd) Inlandsbelegenheit 73 b) Begriff des Inhabers c) Verwendung ausschließlich zu Wohnzwe74 cken Vermieterhaftpflichtrisiko a) VN als Vermieter, Verleiher oder Verpäch77 ter b) VN als Mieter, Entleiher oder Päch79 ter 80 Bauherrenrisiko Grundstücksbesitzerrisiko/ 83 Insolvenzverwalterhaftpflicht
1. 2.
3.
IX. 1. 2.
3. 4.
VI. 1. 2.
Radfahrer (Ziff. 1.5 BBR PHV) 84 Begriff 86 Elektromobilität
VII. Sportrisiko (Ziff. 1.6 BBR PHV) 1. Teilnahme an Pferde-, Rad- oder Kfz-Ren89 nen 94 2. Training
X. 1. 2.
Ziff. 1 BBR PHV
96 Inhalt und Zweck 97 Begrifflichkeiten 98 a) Schusswaffen 99 b) Munition 100 c) Geschosse 101 d) Hieb- und Stoßwaffen Versicherte Gefahren 102 a) Erlaubter privater Besitz b) Gebrauch von Waffen und Muni107 tion Haustierhaltung/-hütung (Ziff. 1.8 BBR PHV) 111 Inhalt und Zweck Haftung als Tierhalter oder Tierhüter 112 a) Tierhalter 114 b) Tierhüter Zahme Haustiere, gezähmte Kleintiere und Bie117 nen Hunde, Rinder, Pferde, sonstige Reit- und Zugtiere, wilde Tiere sowie zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehaltene 120 Tiere Hüter und Reiter fremder Tiere, Fuhrwerksfahrer (Ziff. 1.9 BBR PHV) 123 Inhalt und Zweck 125 Einzelheiten
VIII. Waffenklausel (Ziff. 1.7 BBR PHV)
A. Inhalt und Zweck Ziff. 1 BBR PHV bestimmt das versicherte Risiko in der Privathaftpflichtversicherung („Gefahren 1 des täglichen Lebens“) und begrenzt es zugleich, in dem es betriebliche und berufliche Risiken, Gefahren eines Dienstes, Amtes, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art sowie die Haftpflicht aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung von der Deckung ausnimmt. Ziff. 1.1 bis Ziff. 1.9 BBR PHV enthalten nicht nur Beispiele („insbesondere“) für versicherte Gefahren des täglichen Lebens, sondern zugleich auch Einschränkungen in der Deckung, was unter Transparenzgesichtspunkten nicht unproblematisch ist (hierzu Rn. 57) und den Musterbedingungsgeber bei der Neufassung der AVB PHV dazu veranlasst, die Beispiele mit dem Klammerzusatz „Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse“ zu versehen (A1-6 AVB PHV). Soweit es in Satz 1 einleitend heißt „[V]ersichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versiche- 2 rungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachstehenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen“, bedeutet das nicht, dass AHB und BBR PHV gleichrangig Anwendung finden, da dem Sprachgebrauch zufolge besondere Vereinbarungen den allgemeinen vorgehen. Der Versicherungsschutz richtet sich deshalb vorrangig nach dem BBR PHV.1 Die AHB kommen nur insoweit zur Anwendung, als die Regelungen der BBR PHV nicht abschließend sind. Dies ist aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen VN einer Privathaftpflichtversicherung in jedem Einzelfall vor einem Rückgriff auf die AHB zu klären. Beispiel-
1 Vgl. LG München 20.12.2012 – 12 O 12009/12, BeckRS 2013 03140. 473
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
haft seien Ziff. 1.1 AHB 2016, der den Eintritt des Versicherungsfalles bestimmt, und die Ausschlüsse in Ziff. 7 AHB 2016 genannt.
B. Gefahren des täglichen Lebens I. Begriff 3 Der Begriff „Gefahren des täglichen Lebens“ dient dem bildhaften Verständnis des Versicherungsumfangs. Da sich diese Gefahren nicht positiv abschließend festlegen lassen, hat der Bedingungsgeber Beispiele für versicherte Haftpflichtrisiken in Ziff. 1 Satz 3 Ziff. 1.1–1.9 BBR PHV aufgeführt und sich im Übrigen darauf beschränkt, den Umfang des Versicherungsschutzes negativ durch den Ausschluss der Haftpflicht des VN aus „den Gefahren eines Dienstes, Amtes, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art“ oder einer „ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung“ zu begrenzen. 4 Nach Ansicht des BGH enthält der Schutzbereich der privaten Haftpflichtversicherung durch die in den BBR regelmäßig gebrauchte Formulierung „als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens“ für sich genommen keine Einschränkung, sondern ist weit abgesteckt und wird erst durch die begleitenden negativen Risikobeschreibungen eingeschränkt.2 Der durchschnittliche VN habe abgesehen von den aus den negativen Risikobeschreibungen ersichtlichen Begrenzungen des Versicherungsschutzes keine Anhaltspunkte dafür, dass bereits der Begriff der Gefahren des täglichen Lebens eine Begrenzung des Versicherungsschutzes enthalten solle, zumal ihm keine Maßstäbe dafür an die Hand gegeben würden, Gefahren des täglichen Lebens von anderen, nicht alltäglichen Gefahren zu unterscheiden. Er wird, so der BGH, das Leistungsversprechen mithin als Allgefahrenversicherung verstehen, von der nur die in den BBR PHV eigens genannten Gefahrbereiche ausgenommen sein sollen.3
II. Abgrenzung von Gefahren betrieblicher und beruflicher Tätigkeiten 5 Der Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos dient nicht nur zur Abgrenzung der versicherten Risiken in der Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung. Er zwingt auch zu einer „Entweder-Oder“-Abgrenzung zwischen der Betriebs- und der Privathaftpflichtversicherung.4 Gefahren des täglichen Lebens, die den VN als Privatperson betreffen, können sich nicht mit Risiken aus dem Bereich eines Betriebs oder Berufs, Dienstes oder Amtes überschneiden. Daraus folgt im Grundsatz, dass ein Ereignis grundsätzlich dem privaten Bereich zuzurechnen ist, wenn es nicht in den Bereich eines Betriebs oder Berufs, Dienstes oder Amtes fällt.5 Gleichwohl hat sich die Versicherungswirtschaft in ihren älteren Bedingungswerken nicht 6 auf die positive Abgrenzung „als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens“ beschränkt, sondern diese durch den Zusatz „mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Beru-
2 BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 22; BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012 172 Rn. 13; BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004 591; BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142, 145 = VersR 1997 1091; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 11; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 4. 3 BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 22. 4 Vgl. BGH 11.12.1980 – IVa ZR 29/80, BGHZ 79 145, 150 = VersR 1981 271 (Prinzip der Spezialität bedeutet begrifflich, dass ein Ereignis nicht sowohl dem privaten als auch dem beruflichen oder betrieblichen Bereich zugeordnet werden kann); BGH 19.12.1990 – IV ZR 212/89, VersR 1991 293; s. auch Schneider VersR 2020 667, 669. 5 BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142, 145 = RuS 1997 451, 452; BGH 19.12.1990 – IV ZR 212/89, RuS 1991 120, 121 = VersR 1991 293, 294; BGH 10.12.1980 – VIII ZR 327/79, BGHZ 79 124, 126 ff.; KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229; OLG Düsseldorf 14.1.2003 – I – 4 U 51/02, NJOZ 2003 2427, 2428; OLG Düsseldorf 12.4.1994 – 4 U 75/93, RuS 1994 291, 292; OLG Bamberg 19.9.1991 – 1 U 2/91, VersR 1993 734, 735. Koch
474
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
fes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes6), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art“ ergänzend negativ abgegrenzt.7 Diese Formulierung hat die Rechtsprechung indessen nicht als Klarstellung i.S.e. Beschränkung auf das Privathaftpflichtrisiko begriffen, sondern als Ausschlusstatbestand, dessen Voraussetzungen der VR darzulegen und zu beweisen hat.8 Dies überzeugt nicht. Wenn sich betriebliche/berufliche und private Risiken gegenseitig 7 ausschließen, ist es widersprüchlich, sie auf unterschiedlichen Risikoabgrenzungsebenen anzusiedeln. Ausgehend vom Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos hätte es somit dieses (klarstellenden) Zusatzes gar nicht bedurft, weil der VN im Schadensfall den Nachweis, dass sich eine Gefahr des täglichen Lebens realisiert hat, die ihn als Privatperson trifft, auch durch den Negativbeweis erbringen kann, dass der Schadensfall nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufs resultiert.9 Den gleichen Bedenken begegnet die Einordnung der Gefahren eines „Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art“ als Ausschluss.10 Auch hier schließen private und mit der Übernahme solcher Tätigkeiten verbundene Haftungsrisiken einander aus. Die VR haben als Reaktion auf die Rechtsprechung die Risikobeschreibung in den BBR PHV 8 neu formuliert. In der Fassung 2016 heißt es nunmehr, „[V]ersichert ist … die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes“.11 Durch diese Formulierung („und nicht“) soll klargestellt werden, dass es sich um eine anspruchsbegründende Voraussetzung handelt und deshalb der VN darzulegen und zu beweisen hat, dass ihn ein privates und nicht ein Risiko des Berufes oder Betriebes getroffen hat.12
1. Gefahren eines Betriebes Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 19.12.1990 festgestellt, dass
9
„[u]nter der Gefahr eines Betriebes [.] die Gefahr zu verstehen [ist], wegen des Betreibens eines (gewerblichen, kaufmännischen, landwirtschaftlichen oder freiberuflichen) Unternehmens auf Haftpflicht in Anspruch genommen zu werden; diese Gefahr besteht aber nur für den, der dieses Unternehmen betreibt“.13
6 In der dieser Kommentierung zugrundeliegenden Fassung der BBR PHV sind die Gefahren einer nichtverantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit versichert, vgl. Ziff. 1.3 BBR PHV.
7 Vgl. z.B. Ziff. I Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflichtversicherung bei Späte 671; Hervorhebung durch Verfasser.
8 Vgl. nur BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189 = VersR 2004 591 f.; OLG Celle 12.4.2007 – I – 8 U 33/ 05 (juris); KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229; OLG Hamm 2.11.1990 – 20 U 78/90, VersR 1991 652; OLG Hamm 2.11.1990 – 20 U 78/90, RuS 1991 83 f.; OLG Hamm 16.5.1984 – 20 U 387/83, VersR 1985 438; OLG Schleswig 25.11.1983 – 14 U 215/83, VersR 1984 954, 955; OLG Hamm 9.12.1977 – 20 W 29/77, VersR 1980 1037; LG Limburg 16.11.2007 – 3 S 116/07, VersR 2008 814 f.; s. aber auch OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158/16, RuS 2017 629, 630 f. (Beweislast für das Nichtvorliegen einer den Versicherungsschutz ausschließenden gewerblichen Nutzung des Hundes im Rahmen der Tierhalterhaftpflichtversicherung). 9 Vgl. Wussow § 1 Anm. 103; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3017; a.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 31 Rn. 9; ders. VersR 2020 667, 669. 10 Vgl. BGH 6.2.1991 – XII ZR 57/90, RuS 1991 299 = VersR 1991 803. 11 Hervorhebung durch Verfasser. 12 Vgl. OLG Köln 1.3.2016 – 9 W 6/16, RuS 2016 346; OLG Hamm 2.10.2015 – I – 20 U 139/14, RuS 2016 32, 33; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4; Stockmeier AVB PHV A1-1 Rn. 7; zweifelnd Schneider VersR 2020 667, 672. 13 BGH 19.12.1990 – IV ZR 212/89, RuS 1991 120, 121 = VersR 1991 293, 294; OLG Düsseldorf 14.1.2003 – I – 4 U 51/ 02, VersR 2004 323 f.; OLG Köln 20.6.1995 – 9 U 362/94, RuS 1996 52; OLG Düsseldorf 12.4.1994 – 4 U 75/93, RuS 1994 291, 292. 475
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Nicht zuletzt mit Blick auf die Legaldefinition in § 14 BGB könnte es in Ziff. 1 Satz 1 BBR PHV statt „Gefahren des Betriebes“ auch heißen „Gefahren aus unternehmerischer Tätigkeit“ oder noch kürzer „Gefahren als Unternehmer“. 10 Ein Betrieb i.S.v. Ziff. 1 Satz 1 BBR PHV liegt vor, wenn persönliche und sachliche Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit getroffen worden sind. Daran fehlt es beim Betrieb einer Photovoltaikanlage, wenn die notwendigen oder nützlichen Geschäfte keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordern und die Höhe der Einnahmen nicht darauf schließen lässt, der Betreiber verschaffe sich damit eine einkommensersetzende, berufsmäßige Einnahmequelle.14 Zudem muss ein nach außen selbstständiger, von der privaten Sphäre des Betriebsinhabers getrennter Lebensbereich gegeben sein.15 Freizeit- und Hobbywerkstätten fallen nicht darunter.16 Die Grenze zur unternehmerischen Tätigkeit ist erst dann überschritten, wenn die Tätigkeit über eine längere Zeit hinweg planmäßig und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt wird.17
2. Gefahr eines Berufs 11 Ob eine Gefahr dem beruflichen Bereich zuzuordnen ist, bestimmt sich nach dem Begriff des Berufs. Hierunter ist nach Ansicht des BGH eine „auf Dauer angelegte, zumeist dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit“ zu verstehen.18 Nicht erforderlich ist, dass der VN im Zeitpunkt des Schadenseintritts die Tätigkeit bereits über einen längeren Zeitraum ausgeübt hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass der VN die Absicht hat(te), die Tätigkeit auf Dauer auszuüben.19 Nicht entscheidend ist, ob die Tätigkeit einem Berufsbild entspricht, ob sie durch eine be12 sondere Ausbildung des Handelnden oder durch eine in früheren Berufen erworbene Fähigkeit begünstigt wird und ob ein Entgelt für die Tätigkeit verlangt wird.20 Als privat wird die Tätigkeit der Hausfrau angesehen.21
3. Zuordnung von Nebentätigkeiten zur Privathaftpflichtversicherung 13 a) Grundsatz. Die Frage der Abgrenzung von privaten und beruflichen Tätigkeiten wird in der Literatur vornehmlich am Beispiel eines privathaftpflichtversicherten VN diskutiert, der außerhalb seines Betriebs/Berufes einer selbstständigen (un-)entgeltlichen (Neben-)Tätigkeit nachgeht und sich dabei seiner beruflich erlangten Kenntnisse und Fertigkeiten bedient. Nach einer vereinzelt von Obergerichten und vom Schrifttum vertretenen Ansicht besteht Deckung in der Privathaftpflichtversicherung, wenn der VN seine Kenntnisse und Fertigkeiten in der Hauptsache zu privaten Zwecken und aus privaten Motiven einsetzt.22 Nach Wussow liegt eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auch dann vor, wenn sie im Einzelfall aus privaten oder freund14 Vgl. OLG Celle 2.12.2010 – 8 U 131/10, RuS 2011 390, 319; Stockmeier AVB PHV A1-1 Rn. 45. 15 BGH 27.11.1961 – II ZR 169/59, VersR 1962 33 f.; OLG Oldenburg 3.11.1993 – 2 U 63/93, OLGR Oldenburg 1994 261; OLG Hamm 2.10.1992 – 20 U 81/92, RuS 1993 210, 211; vgl. auch Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 8; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 5. 16 OLG Oldenburg 3.11.1993 – 2 U 63/93, OLGR Oldenburg 1994 261. 17 OLG Düsseldorf 14.1.2003 – I – 4 U 51/02, VersR 2004 323 f. 18 BGH 11.12.1980 – Iva ZR 29/80, BGHZ 79 145, 150 = VersR 1981 271. 19 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 8. 20 BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189 = VersR 2004 591; BGH 11.12.1980 – IVa ZR 29/80, BGHZ 79 145, 150 = VersR 1981 271, 272; OLG Celle 12.4.2007 – I – 8 U 33/05 (juris); OLG Düsseldorf 14.1.2003 – I – 4 U 51/ 02, NJOZ 2003 2427, 2430; OLG Düsseldorf 12.4.1994 – 4 U 75/93 – 13, RuS 1994 291, 292; OLG Hamm 2.10.1992 – 20 U 81/92, RuS 1993 210, 211. 21 Späte § 4 Rn. 132. 22 OLG Hamm 9.12.1977 – 20 W 29/77, VersR 1980 1037; vgl. auch OLG Celle 14.1.1961 – 1 W 6/61, VersR 1961 169. Koch
476
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
schaftlichen Motiven ausgeübt wird (z.B. handele ein Radiomonteur, der seinem Freund abends aus Gefälligkeit einen Radioapparat ausbessere, im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit).23 Nach Lücke ist nur der spontane, ungeplante Einsatz beruflicher Kenntnisse aus akutem Anlass dem privaten Bereich zuzurechnen.24 Diese Ansicht führt zu einer nicht unerheblichen Einschränkung des Versicherungsschutzes 14 in der Privathaftpflichtversicherung und ist deshalb abzulehnen. Soweit und solange die (Neben-)Tätigkeit des VN nicht auf Dauer angelegt und dem Erwerb des Lebensunterhalts dient, muss im Grundsatz Deckung in der Privathaftpflichtversicherung bestehen. Dies gilt selbst dann, wenn der VN sich nicht nur der Kenntnisse und Fertigkeiten bedient, die er im Betrieb/ Beruf erworben hat, sondern auch der Einrichtung oder sonstiger Mittel des Betriebs. Nimmt die (Neben-)Tätigkeit des VN solche Ausmaße an, dass sie bereits als Beruf oder betriebliche Tätigkeit zu qualifizieren ist, besteht Versicherungsschutz nur unter einer eigenständig vom VN hierfür abzuschließenden Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung.25 Als (Neben-)Tätigkeit des VN, die (noch) nicht als beruflich oder betrieblich zu qualifizieren ist, ist die Vermietung von nicht mehr als drei einzeln vermieteten Wohnräumen oder die Tätigkeit als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten anzusehen (Ziff. 1.4 BBR PHV). Die Führung eines privaten Haushalts ist schon keine gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit, sodass die Inanspruchnahme des VN in seiner Eigenschaft als Dienstherr (Ziff. 1.2 BBR PHV) zu den Gefahren des täglichen Lebens zählt. Wird der VN für einen Schaden verantwortlich gemacht, den eine Haushaltsgehilfin verursacht hat, besteht deshalb Deckung.26
b) Abgrenzungen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Deckung in der Privathaftpflichtversi- 15 cherung ist unter Zugrundelegung der Judikatur zur Abgrenzung von Privat- und Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung in den Fällen geboten, in denen der privathaftpflichtversicherte VN im Rahmen seiner noch nicht als Betrieb oder Beruf anzusehenden (Neben-)Tätigkeit Arbeiten und Aktivitäten erbringt, die dem Interesse seines Betriebs/Berufs dienen und in einem unmittelbaren inneren ursächlichen Zusammenhang zur Betriebs-/Berufstätigkeit stehen, m.a.W. wenn die (Neben-)Tätigkeiten unmittelbar betriebs-/berufsbezogen sind. Dies ist im Zweifel zu bejahen, wenn der VN die (Neben-)Tätigkeit aus betrieblicher oder beruflicher Veranlassung erbracht hat.27 Ein Zusammenhang zur Betriebs-/Berufstätigkeit ist zu bejahen, wenn der VN beim Abladen 16 einer von ihm bestellten Maschine seinen firmeneigenen Kran einsetzt, ohne dass es darauf ankommt, ob der VN gegenüber seinem Vertragspartner zur Kranhilfe vertraglich verpflichtet war,28 oder die (Neben-)Tätigkeit dem guten sozialen Klima am Arbeitsplatz/im Betrieb dienen (soll), etwa weil das reparierte Fahrzeug einer Betriebsangehörigen gehört.29 An einer betrieblichen/beruflichen Veranlassung fehlt es dagegen, wenn es sich bei der (Neben-)Tätigkeit um familiären Beistand oder um eine Freizeitbeschäftigung handelt, die zur Pflege der Freundschaft, Nachbarschaft oder aus reiner Gefälligkeit betrieben wird, wenn ein Karosseriebauer aus
23 Wussow § 4 Anm. 50, 51. 24 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 6. 25 Vgl. OLG Köln 20.4.1999 – 9 U 9/99, RuS 1999 366, 367; OLG Köln 19.12.2000 – 9 U 153/99, VersR 2001 1418, 1419; OLG Frankfurt 28.6.1978 – 17 U 178/77, VersR 1978 910. 26 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7; Stockmeier AVB PHV A1-1 Rn. 57. 27 Vgl. auch OLG Köln 5.3.1991 – 5 U 160/91, RuS 1992 228, das eine Zuordnung zur Privathaftpflichtversicherung vornimmt, wenn die berufliche/betriebliche Tätigkeit nur den äußeren Rahmen bildet, in dem auch die schadenstiftende bzw. -verursachende Handlung vorgenommen wird, und einen Fall der Berufshaftpflicht annimmt, wenn die schadenstiftende bzw. -verursachende Handlung die berufliche/betriebliche Tätigkeit ermöglicht oder erleichtert. 28 BGH 3.6.1987 – Iva ZR 247/85, RuS 1987 248 = VersR 1988 125. 29 Vgl. BGH 7.10.1987 – Iva ZR 140/86, RuS 1987 337. 477
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
17
18
19
20
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Gefälligkeit für seinen Freund Schweißarbeiten an dessen Kfz ausführt,30 ein Heizungsbauer Heizungsrohre zum Zwecke der Errichtung einer Kfz-Werkstatt verlegt31 oder ein angestellter Bodenleger in seiner Freizeit aus Gefälligkeit eine Zimmerdecke verlegt.32 Die Aufbewahrung des Schlüssels zum Büro beim Arbeitgeber stellt ebenfalls keine berufliche Tätigkeit dar.33 Anders liegt der Fall, wenn der VN dienstlich verpflichtet ist, den Schlüssel im Interesse des Betriebes bei sich zu verwahren (z.B. Filialleiterschlüssel zum Auf- und Abschließen bei Geschäftsbeginn und -schluss) (vgl. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 65). Mithilfe der hier formulierten Zweifelsregel (Rn. 15) lassen sich auch die Fälle befriedigend lösen, in denen die (Neben-)Tätigkeit nicht nur betrieblichen/beruflichen Zwecken, sondern zugleich auch privaten Belangen dient (sog. Mischtätigkeiten, s. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 24). Nimmt ein Mitarbeiter einer Firma, die Maler-, Rigips- und Trockenbauarbeiten übernommen hat, Lötarbeiten an der Wasserleitung des Hauses der Auftraggeberin vor, um einen Wasseranschluss im Dachgeschoss als Arbeitserleichterung für seine Malerarbeiten zur Verfügung zu haben, ist diese Tätigkeit betriebsbezogen, selbst wenn sie mit den eigentlichen Malerarbeiten nichts zu tun hat und der Mitarbeiter der Auftraggeberin damit einen Gefallen erweisen will. Die Lötarbeit ist nach ihrem Zweck noch so nah mit der für seine Firma auszuführenden Malerarbeit verbunden, dass ein innerer Zusammenhang vorliegt.34 Der Mitarbeiter hätte die Lötarbeiten ohne die Beauftragung seines Unternehmens nicht durchgeführt. Eine Tätigkeit, die der Beseitigung oder Minderung eines bei der Berufsausübung angerichteten Schadens dient, ist ebenfalls Berufsausübung, auch wenn die beschädigte Sache nicht Gegenstand des Auftrags war.35 Handlungen, die darauf abzielen, den Absatz des versicherten Unternehmens zu fördern, sind ebenfalls betriebsbezogen. So liegt der Fall, wenn der Inhaber einer Firma, deren Gegenstand die Montage von Sanitärtrennwänden und der Verkauf von Kacheln für Kachelöfen ist, sich dazu bereit erklärt, den Kachelofen auch zu errichten, um den Kunden zum Kauf der Kacheln zu bewegen.36 Abzulehnen ist die Entscheidung des OLG Hamm vom 16.5.1984,37 das eine Zuordnung zum betrieblichen Bereich mit der Begründung bejaht hat, es habe sich bei der Herbeiführung des Schadens durch Benutzung der Betriebseinrichtungen „die typische Gefahr eines derartigen Betriebes verwirklicht“, weshalb die Tatsache, dass der privathaftpflichtversicherte VN diese Arbeiten außerhalb seiner Dienstzeit verrichtet habe, unbeachtlich sei. Deshalb könne offen bleiben, ob die Gefahr, die sich in dem zum Haftpflichtanspruch führenden Ereignis verwirklicht hat, dem beruflichen Bereich zuzurechnen sei. Dieses Urteil ist nicht mehr mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen, derzufolge die Gefahr eines Betriebs nur für denjenigen besteht, der dieses Unternehmen betreibt (Rn. 9). In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte der als Meister in der technischen Betriebsverwaltung einer Universität beschäftigte VN das Kfz eines Verwandten in der Werkstatt der Verwaltung repariert. Bei der Reparatur kam es infolge von Schweißarbeiten zu einem Brand. Da die Tätigkeit weder objektiv im Interesse der Betriebsverwaltung lag, noch
30 OLG Düsseldorf 12.4.1994 – 4 U 75/93, RuS 1994 291, 292 = VersR 1994 1172, 1173; vgl. auch OLG Köln 23.12.1993 – 5 U 237/92, VersR 1994 1056.
31 OLG Bamberg 19.9.1991 – 1 U 2/91, VersR 1993 734, 735. 32 ÖOGH 20.12.1995 – 7 Ob 7/94, VersR 1996 1439 f. 33 OLG Köln 5.3.1991 – 5 U 160/91, RuS 1992 228; LG Limburg 16.11.2007 – 3 S 116/07, VersR 2008 814 f.; Prölss/ Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7; Stockmeier AVB PHV A1-1 Rn. 34.
34 KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 230. 35 BGH 13.6.1973 – IV ZR 79/72, VersR 1973 809; OLG Braunschweig 1.3.1955 – 1 WF 76/94, VersR 1955 245 f.; AG Leer 17.5.1974 RuS 1974 18 f.; AG Köln 6.11.1957 – 43 C 1759/57, VersR 1958 282 f.
36 OLG Frankfurt 28.2.1992 – 2 U 147/91, RuS 1993 51; vgl. auch OLG Köln 20.4.1999 – 9 U 9/99, RuS 1999 366, 367 zum beruflichen Charakter unentgeltlicher handwerklicher Arbeiten für Kunden zum Zwecke der Kundenakquisition. 37 OLG Hamm 16.5.1984 – 20 U 387/83, VersR 1985 438, 439 = zfs 1985 219. Koch
478
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
dazu bestimmt war, deren betrieblichen Belangen zu dienen, hätte das OLG Hamm den Schaden dem Privathaftpflichtrisiko zurechnen müssen. Keine Zustimmung verdient auch das Urteil des LG Amberg vom 16.10.1985,38 das unter 21 Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamm das Ausmisten eines Hühnerstalls mit der automatischen Entmistungsanlage durch die Schwester des Inhabers des Stalls als Betriebsgefahr angesehen und folglich der Schwester Deckung aus der Privathaftpflichtversicherung versagt hat. Reinigt der Betreiber einer Wäscherei hingegen nicht nur die Wäsche von Hotels, sondern 22 auch unentgeltlich die Wäsche von Freunden und wird diese bei einem Waschgang beschädigt, verwirklicht sich ein betriebliches, nicht privates Risiko, weil der VN bei lebensnaher Betrachtung die Reinigung nicht ohne den Betrieb der Wäscherei vorgenommen hätte. Ein arbeitsloser Schreiner, der mit Erlaubnis seines früheren Arbeitgebers in dessen Betrieb für sich privat eine Schreinerarbeit ausführt, übt dagegen keine berufliche Tätigkeit aus.39
III. Abgrenzung von Gefahren eines Dienstes, Amtes, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art Nach – kritikwürdiger (Rn. 6 f.) – Ansicht der Rechtsprechung zu älteren Bedingungswerken der 23 Privathaftpflichtversicherung, denen zufolge „die gesetzliche Haftpflicht des VN als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens – mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes40), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung – …“41 versichert ist, handelt es sich bei diesem Tatbestand um einen Ausschluss, dessen Voraussetzungen der VR darzulegen und zu beweisen hat.42 An dieser Qualifikation durch die Rechtsprechung dürften die heutigen Formulierungen „und nicht aus den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes“ (Rn. 8) sowie „Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus (1) einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art“ (Ziff. 1 Satz 2 (1) BBR PHV) nichts ändern. Nach Lücke sind diese Einschränkungen als Ausschluss konzipiert.43 Bei diesem Ausschluss handelt es sich nach Ansicht des BGH nicht um eine überraschende 24 Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB, weil die mit solchen Tätigkeiten verbundenen Risiken über die allgemeinen Risiken aus den Gefahren des täglichen Lebens hinausgehen.44 Der VN könne deshalb nicht erwarten, dass für diese Tätigkeiten Deckung in der Privathaftpflichtversicherung besteht. Aus dem gleichen Grunde benachteilige der Haftungsausschluss den VN auch nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.45 Nach Sinn und Zweck der Ziff. 1 Satz 1 und Satz 2 (1) BBR PHV muss sich eine typische 25 Gefahr des Dienstes, Amtes oder einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art realisiert haben.46 Ebenso wie bei der Abgrenzung zwischen betrieblichen/beruflichen und privaten Risiken genügt ein auf Kausalität beschränkter, lediglich äußerer Zusammenhang zwischen der schadensstiftenden Tätigkeit und dem Dienst, Amt oder der verantwortlichen Betäti38 LG Amberg 16.10.1985 – 2 O 359/85, VersR 1987 402. 39 OLG Hamm 30.5.1986 – 20 U 423/85, RuS 1986 226, 227; vgl. auch LG Karlsruhe 8.2.1991 – 9 S 395/90, RuS 1992 298 f.
40 In der dieser Kommentierung zugrundeliegenden Fassung der BBR PHV sind die Gefahren einer nichtverantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit versichert, vgl. Ziff. 1.3 BBR PHV. 41 Vgl. Klausel, die BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188 zugrundelag. Hervorhebung durch Verfasser. 42 BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189; BGH 6.2.1991 – IV ZR 49/90, RuS 1991 299 = VersR 1991 803. 43 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 13; vgl. auch Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 5. 44 BGH 6.2.1991 – IV ZR 49/90, RuS 1991 299 = VersR 1991 803, 804. 45 BGH 6.2.1991 – IV ZR 49/90, RuS 1991 299 = VersR 1991 803, 804. 46 OLG Frankfurt 7.2.2012 – 5 U 92/11, VersR 2013 617, 618 (Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH 5.12.2012 – IV ZR 56/12 – unveröffentlicht – zurückgewiesen); LG Wiesbaden 29.6.2012 – 7 O 272/09, BeckRS 2012 19492. 479
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
gung in einer Vereinigung nicht. Erforderlich ist vielmehr ebenso wie bei den Gefahren des Betriebs und Berufs (Rn. 15) ein innerer unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem übertragenen Aufgabenkreis und der Schadenszufügung. Daran fehlt es, wenn ein Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr der örtlichen Polizei das Gelände des Gerätehauses für ein Grillfest zur Verfügung stellt und beim Ingangbringen des Grills hilft, bei dem ein Teilnehmer infolge fehlerhaften Einsatzes von Brennspiritus Verbrennungen erleidet. Weder gehört das Grillen für die Polizei zum Aufgabenkreis der Freiwilligen Feuerwehr, noch hat der Ortsbrandmeister eine Tätigkeit in seiner Funktion als Ortsbrandmeister (verantwortliche Tätigkeit in einer Vereinigung, Rn. 28 ff.) wahrgenommen. An dieser Bewertung ändert sich nichts, wenn er Uniform trägt.47
1. Dienst 26 Der Begriff „Dienst“ erfasst solche Tätigkeiten, die mit einer beruflichen Tätigkeit vergleichbar sind, von der Bezeichnung „Beruf“ aber nach allgemeinem Sprachgebrauch ebenso wenig umfasst werden wie die weiter aufgezählten Tätigkeiten als Inhaber eines Amtes oder im Rahmen einer verantwortlichen Tätigkeit in Vereinigungen aller Art.48 Unter „Dienst“ i.S.v. Ziff. 1.2 (1) BBR PHV ist z.B. der Bundesfreiwilligendienst i.S.d. BFDG und der Wehr- oder Ersatzdienst i.S.v. Art. 17a Abs. 1 GG zu verstehen.49
2. Amt 27 In den Vorgängerfassungen war der Versicherungsschutz auch für ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeschlossen. In der Neufassung der BBR PHV 2016 sind nur die Gefahren eines Amtes ausgeschlossen. Ehrenamtliche Tätigkeiten sind nunmehr nach Ziff. 1.3 BBR PHV mitversichert, soweit es um eine nichtverantwortliche ehrenamtliche Tätigkeit oder Freiwilligenarbeit aufgrund eines sozialen unentgeltlichen Engagements geht. Die Gefahren eines Amtes treffen den VN in seiner Eigenschaft als Amtsträger. Wer Träger eines Amtes ist, wird in § 11 Abs. 1 Ziff. 2 StGB legaldefiniert. Hierzu zählen Beamte, Richter, weitere Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen (z.B. Notare) und sonstige Dienstkräfte, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (z.B. Wahlhelfer). Diese Definition dürfte dem allgemeinen Sprachverständnis und -gebrauch des VN entsprechen.
3. Verantwortliche Betätigung in Vereinigungen aller Art 28 Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet man als Vereinigung den auf eine bestimmte Dauer berechneten Zusammenschluss mehrerer Personen, bei dem die Mitglieder zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele in eine gewisse organisatorische Beziehung zueinander treten.50 Klassischer Fall einer Vereinigung ist ein Verein (i.S.d. bürgerlichen Rechts, §§ 21 ff. BGB).51 Im Hinblick darauf, dass die Gefahren einer nichtverantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit oder Freiwilli47 OLG Frankfurt 7.2.2012 – 5 U 92/11, VersR 2013 617, 618 (Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH 5.12.2012 – IV ZR 56/12 – unveröffentlicht – zurückgewiesen); LG Wiesbaden 29.6.2012 – 7 O 272/09, BeckRS 2012 19492; Späte/ Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 21. 48 Vgl. LG Wiesbaden 29.6.2012 – 7 O 272/09, BeckRS 2012 19492. 49 Vgl. BGH 11.12.1980 – IVa ZR 29/80, BGHZ 79 145 155 f. = VersR 1981 271. 50 BVerfG 30.10.1963 – 2 BvL 7/61, 2 BvL 2/63, 2 BvL 9/63, NJW 1964 539, 540. 51 Kuwert/Erdbrügger Rn. 3053. Koch
480
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
genarbeit aufgrund eines sozialen unentgeltlichen Engagements nunmehr nach Ziff. 1.3 BBR PHV mitversichert sind, geht es hier vor allem um den Bereich der verantwortlichen ehrenamtlichen Betätigung in einer Vereinigung. Die verantwortliche Tätigkeit erfordert, dass der Handelnde nicht nur bloßer „Befehlsemp- 29 fänger“ ist.52 Die Bedienung eines Grills anlässlich eines Pfarrfestes fällt deshalb nicht unter den Risikoausschluss einer verantwortlichen Tätigkeit in Vereinigungen aller Art.53 Um die Haftpflichtrisiken aus der verantwortlichen (ehrenamtlichen) Betätigung in Vereinigungen zu versichern, bedarf es des Abschlusses einer Vereinshaftpflichtversicherung,54 die erforderlichenfalls durch eine D&O-Versicherung zu ergänzen ist.55 Regelmäßig wird es dabei um die Tätigkeit von Mitgliedern des Vorstands der Vereinigung 30 gehen.56 Nach Ansicht des OLG München umfasst diese Formulierung aber auch Tätigkeiten unterhalb der Vorstandsebene in gehobener Position. Hierzu zählt die Leitung eines KinderKletterkurses wegen des mit dieser Position verbundenen Anordnungs- und Weisungsrechts sowie der Überwachungspflichten und der Verantwortung für das Kursgeschehen.57 Bei der freiwilligen Feuerwehr, bei der es sich um einen nichtrechtsfähigen Verein i.S.v. § 54 BGB handelt,58 zählen die Gemeinde- und Ortsbrandmeister zu den ehrenamtlichen Führungskräften (vgl. § 20 NBrandSchG).
IV. Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung 1. Rechtsnatur und Zweck Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus einer „ungewöhnlichen und gefährli- 31 chen Beschäftigung“ (Ziff. 1 Satz 2 (2) BBR PHV). Bei diesem Merkmal handelt es sich nach Ansicht der Rechtsprechung wiederum um einen Ausschluss, der dazu dient den Begriff „Gefahren des täglichen Lebens“ zu umschreiben.59 Die Auslegung anspruchsbegründender Tatbestandsmerkmale mit Hilfe von Ausschlusstatbeständen ist dogmatisch bedenklich, weil es zu einer Vermischung von primären und sekundären Risikobegrenzungen führt. Vorzugswürdig ist deshalb die Einordnung als negative primäre Risikobegrenzung. Nach Ansicht des BGH lässt sich aus dem Begriff „Gefahren des täglichen Lebens“ keine 32 Beschränkung des Versicherungsschutzes herleiten.60 Dieser besteht vielmehr auch für nicht alltägliche, ja sogar leichtsinnige und selbst verbotene Tätigkeiten. In der Entscheidung vom 25.6.1997 ging es um die Deckung von Schadensersatzansprüchen eines Kfz-Eigentümers, die daraus resultierten, dass sich der mitversicherte Sohn des VN in Selbsttötungsabsicht von der oberen Etage eines Parkhauses gestürzt hatte und dabei auf das vor dem Gebäude geparkte 52 53 54 55 56
Späte PrivH Rn. 14; vgl. auch Kuwert/Erdbrügger Rn. 3054. OLG Nürnberg 23.5.1985 – 8 U 3778/84, zfs 1985 248; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 23. Willy Haftung und Versicherung im Ehrenamt (2021) 386 ff. Willy Haftung und Versicherung im Ehrenamt (2021) 400 ff. Vgl. BGH 6.2.1991 – IV ZR 49/90, RuS 1991 299 = VersR 1991 803, 804; LG Nürnberg 23.5.1985 – 8 U 3778/84, zfs 1985 248; LG Bielefeld 20.10.1981 – 23 O 290/81, zfs 1982 122; Willy Haftung und Versicherung im Ehrenamt (2021) 385. 57 OLG München 27.4.1999 – 5 U 6071/98, NVersZ 2001 288; das Urteil ist durch Nichtannahme der Revision (BGH 11.10.2000 – IV ZR 187/99) rechtskräftig geworden; vgl. auch Dickmann VersR 2016 489, 491; Stockmeier AVB PHV A1-6.2 Rn. 20; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 23; Veith/Gräfe/Gebert/Betz § 14 Rn. 321; Willy Haftung und Versicherung im Ehrenamt (2021) 382. 58 Vgl. BeckOK-BGB/Schöpflin BGB § 54 Rn. 14, 14.1. 59 BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189; BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142 145 = RuS 1997 451, 452; BGH 17.1.1996 – IV ZR 86/95, RuS 1996 129, 130 = VersR 1996 495; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 24 ff. 60 BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142 145 = RuS 1997 451, 452. 481
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Kfz gefallen war. Der beklagte VR hatte unter Bezugnahme auf obergerichtliche Urteile61 argumentiert, der Begriff „Gefahren des täglichen Lebens“ sei dahingehend einschränkend auszulegen, dass der VN Versicherungsschutz nur erwarten könne, soweit er nicht bewusst grundlegende Regeln des sozialen Zusammenlebens missachte und für sich außer Kraft setze. Dabei sei diese Einschränkung nicht auf Straftaten zu begrenzen. Auch ein Selbstmord sei eine so weitreichende Abweichung von allgemeinen Regeln und üblichem Verhalten, dass sich für den Selbstmörder damit nicht mehr die Gefahren des täglichen Lebens verwirklichten. 33 Der BGH ist dieser Argumentation – ebenso wie das OLG Karlsruhe in der Berufungsinstanz62 – nicht gefolgt und hat die Revision gegen das der Klage auf Gewährung von Deckungsschutz stattgebende Berufungsurteil zurückgewiesen. Nach Ansicht des BGH geben weder der Wortlaut der Klausel noch ihr erkennbarer Sinn „Raum für eine Abgrenzung des Versicherungsschutzes danach, ob ein Verhalten des VN als ‚sozialwidrig‘ oder als aus dem Rahmen des ‚Normalbürgers‘ fallend einzustufen ist.“63
Vielmehr ergebe sich aus der Regelung im Zusammenwirken mit der Vorsatzausschlussklausel gem. § 4 II Ziff. 1 AHB a.F. (= Ziff. 7.1 AHB 2016) für den VN, „daß der ihm mit Ziff. 1 BBR als Privatperson versprochene Versicherungsschutz aus den Gefahren des täglichen Lebens jede Tätigkeit, jedes Verhalten umfasst, soweit es sich dabei nicht um eine ungewöhnliche oder gefährliche Beschäftigung handelt und soweit der VN den Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. Für eine weitere Differenzierung fehlt es an einem dem VN erkennbaren Anhalt in den Versicherungsbedingungen.“64
2. Beschäftigung 34 Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung nicht bereits dann vor, wenn sich die Haftpflicht auslösende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstellt. Vielmehr muss „die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten vorgenommen worden [sein], die ihrerseits ‚ungewöhnlich und gefährlich‘ ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt. Lässt sich die schadenstiftende Handlung nicht in den Kreis einer allgemeinen Betätigung einordnen, greift die Klausel nicht ein … Wenn die Ausschlussklausel schon dann eingreifen würde, wenn die den Haftpflichtanspruch auslösende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist, wäre der grundsätzlich auch grob fahrlässige Schadenverursachung abdeckende Versicherungsschutz zumindest teilweise wertlos. Schadenstiftende Handlungen sind als Ausdruck von Leichtsinn oder Übermut oft ungewöhnlich und ihrem Wesen nach gefährlich.“65
61 Hans. OLG Hamburg 10.1.1995 – 9 W 55/94, RuS 1995 175 f. = VersR 1995 1475, 1476; OLG Hamm 23.11.1984 – 20 U 187/84, VersR 1985 463, 464.
62 OLG Karlsruhe 18.7.1996 – 12 U 86/96, RuS 1996 433. 63 BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142, 145 = RuS 1997 451, 452; vgl. BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189; BGH 17.1.1996 – IV ZR 86/95, RuS 1996 129, 130 = VersR 1996 495; aus der jüngeren Rspr. der Obergerichte s. OLG Hamm 27.4.2011 – I – 20 U 10/11, BeckRS 2011 18634; OLG Celle 12.4.2007 – 8 U 33/05, BeckRS 2010 11357; OLG Jena 25.1.2006 – 4 U 639/05, RuS 2006 107, 108 = VersR 2006 1064; OLG Hamm 25.8.2004 – 20 U 123/04, RuS 2005 16 f. = VersR 2005 680 f.; OLG Düsseldorf 7.12.1999 – 4 U 237/98, RuS 2001 105; OLG Karlsruhe 8.11.2001 – 12 U 26/01, NVersZ 2002 134 = VersR 2002 562. 64 BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142, 145 = RuS 1997 451, 452; vgl. auch BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 22; BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189 = VersR 2004 591; OLG Oldenburg 4.11.2011 – 5 W 58/11, RuS 2011 171; OLG Hamm 27.4.2011 – I – 20 U 10/11 RuS 2011 469, 470. 65 BGH 17.1.1996 – IV ZR 86/95, RuS 1996 129, 130 = VersR 1996 495 f.; vgl. auch BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 28 (zur Forderungsausfallversicherung); BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 22; BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, RuS 2004 188, 189; BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136 142 145 = RuS 1997 451, 452 m.w.N. Koch
482
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Der BGH leitet somit aus dem Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung her, dass die ungewöhnliche und gefährliche Handlung, die den Schaden verursacht, aus einer besonderen Gefahrensituation folgen muss, die ihrerseits aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung i.S.v. Ziff. 1 Satz 2 (2) BBR PHV resultiert. Aus dem Vergleich des Begriffs der „ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung“ mit 35 den übrigen in Ziff. 1 Satz 1 und Satz 2 (2) BBR PHV enthaltenen Ausnahmen folgert der BGH, dass „mit der ‚Beschäftigung‘ nicht lediglich eine einzelne Handlung, sondern ein Gefahrenbereich gemeint ist, also eine allgemeine, in gewissen Zeitabständen wiederholte oder wiederkehrende Betätigung als Rahmen für die konkrete schadenstiftende Handlung vorausgesetzt wird“.66
Die ungewöhnliche und gefährliche allgemeine Beschäftigung muss somit von gewisser – nicht 36 notwendig längerer – Dauer sein. Der Zeitraum, innerhalb dessen das durch die ungewöhnliche und gefährliche allgemeine Beschäftigung (Rahmenbetätigung) geschaffene gesteigerte Risiko akut bis in das Stadium der Verwirklichung hineingesteigert wird, darf nicht derart kurz bemessen werden, dass eine Trennung zwischen der Betätigung und der die Haftung auslösenden ungewöhnlichen und gefährlichen Handlung gekünstelt erscheint. Ähnlich wie bei der Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 VVG ist ein „in gewissem Umfang typisierbarer, auf ein Minimum an zeitlicher Dauer oder Nachhaltigkeit aufbauender Lebenssachverhalt“ erforderlich, durch den die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles erhöht wird.67 Dies alles gilt auch dann, wenn anstelle des Begriffs der Beschäftigung die Formulierung „Tun“ gewählt wird.68 Impulsive und spontane Handlungen sind somit keine Beschäftigung i.S.v. Ziff. 1 Satz 2 37 (2) BBR PHV.69 Umgekehrt liegt eine „Beschäftigung“ nicht schon dann vor, wenn sich der VN nicht spontan oder impulsiv, sondern planvoll verhält.70 Auch ein planvolles Vorgehen des VN vermag die aufgezeigten Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung nicht zu erfüllen oder zu ersetzen, solange es sich auf ein punktuelles Geschehen von wenigen Stunden beschränkt.71 Bezüglich des Fällens dreier großer Bäume innerhalb eines Tages hat der BGH eine Beschäftigung verneint.72 Das OLG Oldenburg hat eine Beschäftigung bei einem mehrjährigen 66 BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 27 (zur Forderungsausfallversicherung); BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21 Rn. 15; vgl. auch OLG Naumburg 2.5.2019 – 4 U 95/18, NJOZ 2020 619 620 f.; OLG Köln 1.3.2016 – 9 W 6/16, RuS 2016 346. 67 OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, RuS 1995 334; vgl. auch BGH 9.11.2011 RuS 2012 21, 22 f. 68 BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 Rn. 27 (zur Forderungsausfallversicherung). 69 GH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 23; OLG Jena 25.1.2006 – 4 U 639/05, VersR 2006 1064; OLG Saarbrücken 15.9.1999 – 5 U 389/99 – 28, VersR 2002 351 f.; OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, RuS 1994 209 f.; OLG Düsseldorf 14.3.1995 – 4 U 105/94, RuS 1997 11, 12; OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, RuS 1995 334; Hans. OLG Hamburg 8.3.1990 – 6 U 224/89, VersR 1991 92 f.; OLG Frankfurt/M. 29.9.1995 – 24 U 75/94, VersR 1996 964, 965; krit. Späte PrivH Rn. 15; Schimikowski RuS 1995 335 (Anm. zu OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, RuS 1995 334). 70 BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 23; vgl. auch OLG Hamm 27.4.2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469, 470; OLG Jena 25.1.2006 – 4 U 639/05, VersR 2006 1064; OLG Hamm 22.6.2005 – 20 U 104/05, RuS 2005 374, 375 f.; OLG Hamm 25.8.2004 – 20 U 123/04, VersR 2005 680 f.; OLG Hamm 12.3.1993 – 20 U 332/92, VersR 1994 339; OLG Hamm 9.1.1981 – 20 U 163/80, VersR 1981 1122; OLG Frankfurt 29.9.1995 – 24 U 75/94, VersR 1996 964, 965; OLG Oldenburg 15.12.1995 – 2 W 141/95, VersR 1996 1487 (planmäßig und sich nicht nur auf einen ganz kurzen Zeitraum erstreckend); OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, RuS 1994 209 f. (von einer gewissen Regelmäßigkeit oder aber doch wenigstens längerer Dauer); Hans. OLG Hamburg 8.3.1990 – 6 U 224/89, VersR 1991 92 f. (gewisse Regelmäßigkeit); ÖOGH 16.3.1978 – 7 Ob 11/78, VersR 1979 69; s.a. OLG München 20.7.2004 – 25 U 2027/04, VersR 2004 1167 f.; ausdrücklich offengelassen OLG Karlsruhe 26.1.1995 – 12 U 263/94, RuS 1995 376, 377; ohne Erörterung dieses Erfordernisses eine ungewöhnliche oder gefährliche Beschäftigung bejahend: OLG Oldenburg 20.4.2004 – 3 W 5/04, VersR 2005 262; OLG Schleswig 25.11.1983 – 14 U 215/83, VersR 1984 954, 956; OLG Hamm 29.4.1981 – 20 W 13/81, VersR 1982 565; krit. Späte PrivH Rn. 15; Schimikowski RuS 1995 335 (Anm. zu OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, RuS 1995 334). 71 BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 22. 72 BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 22. 483
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Nachstellen i.S.v. § 238 StGB (Stalking) bejaht.73 Sehr fragwürdig ist dagegen die Entscheidung des OLG Hamm vom 27.4.2011, in der es bereits einen Zeitraum von mehr als 5 Minuten bei sexuell motivierten Spielen, bei denen es zu Personenschäden kam, als Beschäftigung genügen lässt.74 38 Nach dieser unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten (§ 305c Abs. 2 BGB) zu billigenden Auslegung des Begriffs der Beschäftigung stellt sich selbst die vorsätzliche Verletzung fremder Rechtsgüter nur als eine Gefahr des täglichen Lebens dar. Unter dem Aspekt des Entwertungsgedankens ist die Einbeziehung vorsätzlichen Verhaltens zwar nicht zwingend geboten, weil es der VN in der Hand hat, sich den Versicherungsschutz durch Unterlassen der ungewöhnlichen und gefährlichen Betätigung zu erhalten. Das muss auch dem durchschnittlichen VN einleuchten. Auf der anderen Seite nimmt Ziff. 7.1 AHB 2016 – ebenso wie § 103 VVG – nur solche Schäden von der Deckung aus, auf die sich der Vorsatz des VN bezieht. Der VN erwartet somit auch bei vorsätzlichem Verhalten den Ersatz solcher Schäden, auf die sich sein Vorsatz nicht erstreckt hat. 39 Fraglich ist jedoch, ob das auch für vorsätzlich begangene Straftaten gilt. So ist kaum vorstellbar, dass der durchschnittliche VN ernsthaft Versicherungsschutz für die Folgen einer von ihm spontan begangenen (versuchten) Vergewaltigung75 oder eines Einbruchsdiebstahls76 erwartet. Bei Selbsttötungsversuchen wird man im Hinblick auf die Ausführungsart zu unterscheiden haben, weil hiervon die Zahl möglicherweise betroffener Unbeteiligter abhängt.77 In Fällen, in denen eine Vielzahl Unbeteiligter betroffen ist, handelt es sich bei lebensnaher Betrachtung nicht mehr um eine „Gefahr des täglichen Lebens“. Deshalb haben sich vereinzelt Stimmen in der Literatur für eine positive Bestimmung dieses Begriffs ausgesprochen. Handlungen, die eindeutig und schwerwiegend gegen die Grundregeln der Rechtsordnung und des sozialen Zusammenlebens verstoßen, könnten nicht mehr als Gefahren des täglichen Lebens qualifiziert werden, weshalb eine ungewöhnliche und gefährliche Rahmenbetätigung als Ausgangspunkt für die daraus resultierende schadenstiftende strafbare Handlung nicht erforderlich sei.78 Dabei sei nicht bei jeder Straftat stets ein schwerer Verstoß zu bejahen. Körperverletzungen als Folge von Raufereien stellten z.B. keinen schwerwiegenden Verstoß dar.79 40 Diese Kritik hat im Kern durchaus ihre Berechtigung. Die Auslegung des Begriffs der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung durch die Rechtsprechung belegt, dass sich die Gefahren des täglichen Lebens mit Hilfe der Verkehrsauffassung durchaus normativ positiv bestimmen lassen. Gerade das Beispiel von Schäden infolge von Straftaten des VN macht deutlich, dass die unterschiedlichen Ansätze – selbstständige Bestimmung auf der Ebene der primären Risikobegrenzung oder unselbstständige Bestimmung mithilfe des Mittels der sekundären Risikobegrenzung – nur Auswirkungen bezüglich der Beweislast haben, auch weil die Rechtsprechung – wie das oben angesprochene Urteil des OLG Hamm belegt (Rn. 38) – zum Teil sehr kurze Zeiträume für die Rahmenbetätigung genügen lässt. Gleichwohl kann die Kritik im Ergebnis nicht verfangen, weil sie den aus § 305c Abs. 2 BGB folgenden Grundsatz der VN-freundlichen Auslegung unberücksichtigt lässt.
73 74 75 76 77
OLG Oldenburg 4.11.2011 – 5 W 58/11, RuS 2012 171. OLG Hamm 27.4.2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469, 470; m. krit. Anm. von Schimikowski RuS 2012 171, 172. Vgl. OLG München 10.3.1997 – 28 W 2542/96, RuS 1997 409, 410. OLG Hamm 29.4.1981 – 20 W 13/81, VersR 1982 565, 566. OLG Hamm 29.4.1981 – 20 W 13/81, VersR 1982 565, 566; zu weitgehend LG Köln 6.12.1989 – S 278/89, RuS 1990 368, 369, wonach schon Blutspritzer auf Einrichtungsgegenständen für die Annahme einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung ausreichen sollen; vgl. auch Späte PrivH Rn. 17; Eberwein RuS 1995 321, 323 f. 78 Vgl. auch Weitzel VersR 2004 1167; Schimikowski RuS 1995 335 (Anm. zu OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, RuS 1995 334); Eberwein RuS 1995 321, 323. 79 Vgl. auch Weitzel VersR 2004 1167. Koch
484
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
3. Ungewöhnlich Ungewöhnlich ist die allgemeine Beschäftigung, wenn sie objektiv ihrer Art nach deutlich aus 41 dem Rahmen der gewöhnlichen Betätigungsarten herausfällt.80 Dies beurteilt sich danach, was nach heutiger Verkehrsauffassung allgemein und nicht nur in Einzelfällen noch als gewöhnliche Betätigung im Rahmen eines Privathaushalts angesehen werden kann. Hierbei dienen die Gepflogenheiten des Durchschnittsbürgers, nicht aber die bestimmter Kreise als Maßstab.81 Die Grenzen der Gefahren des täglichen Lebens sind erreicht, wenn die fragliche Tätigkeit wegen der mit ihr verbundenen Gefahren von einem durchschnittlich verständigen VN vernünftigerweise nicht mehr ausgeübt würde.82 Trotz des Abstellens auf den durchschnittlichen VN als Maßstab für die Beurteilung der 42 Ungewöhnlichkeit sollen nach verbreiteter Ansicht besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen einer Betätigung das Merkmal des Ungewöhnlichen nehmen können.83 So könne das ungesicherte Herumlaufen auf einem Dach eine ungewöhnliche Beschäftigung sein, nicht jedoch für einen Dachdecker oder Schornsteinfeger.84 Andererseits könnten Blindheit, Taubheit und andere Behinderungen eine gewöhnliche Betätigung zu einer ungewöhnlichen machen, wenn damit Gefahren verbunden sind, die dem Behinderten vernünftigerweise eine solche Betätigung allgemein verbieten (Führen von Fahrzeugen, Schusswaffengebrauch durch Blinde).85 Nach Ansicht des OLG Köln ist ein unvernünftiges und leichtsinniges Spiel von Jugendlichen im Alter von 16 Jahren (Herumspritzen mit Nitroverdünnung in der Mittagspause von Lehrlingen) nicht ungewöhnlich, wenn es nicht völlig aus dem Rahmen von allgemeinen Betätigungen Gleichaltriger fällt.86 Bei einem Alkoholiker, der betrunken zu Straftaten neigt, wertet das OLG Hamm das Sichbetrinken nicht als ungewöhnliche Beschäftigung.87 Gegen das Abstellen auf besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen spricht an 43 sich, dass dann zur Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eine Vergleichsgruppe herangezogen werden muss, die mit dem durchschnittlichen VN einer Privathaftpflichtversicherung nichts gemeinsam hat und für die möglicherweise in der Privathaftpflichtversicherung gar kein Versicherungsschutz bestünde. Gleichwohl ist diese Auslegung nicht fernliegend und somit gemäß § 305c Abs. 2 BGB zugunsten des VN zugrunde zu legen.
4. Gefährlich Die Beschäftigung muss nicht nur ungewöhnlich sein, sondern auch gefährlich. Beide Voraus- 44 setzungen müssen gem. Ziff. 1 Satz 2 (2) BBR BHV kumulativ vorliegen. Das Merkmal der Gefährlichkeit ist zu bejahen, wenn sich durch die allgemeine Betätigung die Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht für den VN
80 Vgl. OLG Hamm 27.4. 2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469, 470; OLG Celle 12.4.2007 – 8 U 33/05, BeckRS 2010 11357, im Anschluss an Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PHV Rn. 18.
81 OLG Hamm 27.4. 2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469, 470; OLG Oldenburg 20.4.2004 – 3 W 5/04, VersR 2005 262; Späte PrivH Rn. 18. 82 OLG Hamm 27.4.2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469, 470; OLG Frankfurt/M. 18.7.2008 – 7 U 56/07, BeckRS 2008 21813; OLG Oldenburg 20.4.2004 – 3 W 5/04, VersR 2005 262; LG Braunschweig 28.7.1965 – 2 O 38/65, VersR 1966 482; LG Berlin 15.1.1980 – 83 T 8/80, zfs 1983 374, 375; Späte PrivH Rn. 18. 83 Z.B. OLG Celle 12.4.2007 – 8 U 33/05, BeckRS 2010 11357; OLG Hamm 19.2.1999 – 20 U 165/98, NVersZ 1999 338 = RuS 2000 12; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PHV Rn. 19. 84 OLG Celle 12.4.2007 – 8 U 33/05, BeckRS 2010 11357; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PHV Rn. 19. 85 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PHV Rn. 19. 86 OLG Köln 17.1.1991 – 5 U 82/90, VersR 1992 88. 87 OLG Hamm 22.6.2005 – 20 U 104/5, RuS 2005 374, 376; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PHV Rn. 19; a.A. OLG Köln 2.5.1991 – 5 U 157/90, VersR 1991 1283. 485
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
erhöht.88 Wie beim Merkmal ungewöhnlich kommt es bei der Gefährlichkeit auf den konkreten Einzelfall an. Abweichend vom Merkmal der Ungewöhnlichkeit gibt für die Gefährlichkeit nicht das Verständnis des VN das Maß, so dass hier besondere Fertigkeiten des VN ohne Weiteres Berücksichtigung finden und einer für den durchschnittlichen VN gefährlichen Betätigung das Merkmal des Gefährlichen nehmen können. Umgekehrt können Behinderungen des VN dazu führen, eine grundsätzlich ungefährliche zu einer gefährlichen Betätigung zu machen.
5. Kasuistik 45 Nachstehend werden exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit Beispiele aus der Rechtsprechung zur Reichweite des Ausschlusses in der Privathaftpflichtversicherung für die Fallgruppe der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigungen gegeben. Insbesondere mit Blick auf das Urteil des BGH vom 9.11.2011, in dem er betont, dass das Wort „Beschäftigung“ ein Verhalten verlange, das auf eine gewisse Dauer angelegt sei und aus dem sich mit gewisser Regelmäßigkeit besondere Gefahrenlagen ergeben könnten,89 dürften viele der nachstehend angeführten Entscheidungen, in denen ein Eingreifen des Ausschlusses bejaht wurde, kritischer Prüfung nicht standhalten.90
a) Straftaten (Schadensfälle infolge krimineller Handlungen) 46 aa) Brandverursachung/Herbeiführung einer Brandgefahr i.S.v. §§ 306 ff. StGB. OLG Köln 1.3.2016 – 9 W 6/16, RuS 2016 346: Kommt es zu einem Brand, weil der VN auf dem Spitzboden eines Hauses eine Hanfplantage betreibt und aus seiner Wohnung Stromleitungen auf dem Spitzboden verlegt, um die Pflanzen durch den Betrieb von Heizstrahlern mit Wärme zu versorgen, verwirklicht sich die Gefahr einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung. OLG Frankfurt/M. 7.2.2012 – 3 U 307/10, VersR 2013 617: Bei der Betätigung des Grills handelt es sich um eine im privaten gesellschaftlichen Bereich alltäglich vorkommende Tätigkeit, die keine besonderen Gefahren mit sich bringt, sondern nur die Gefahren des täglichen Lebens betrifft. OLG Düsseldorf 11.4.2000 – 4 U 67/99, VersR 2001 888: Entfachen eines Kaminfeuers mittels Brennspiritus stellt für sich zwar eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar, jedoch kann die als Rahmenbeschäftigung in Betracht kommende Handlung des Anzündens des Feuers im Kaminofen an sich weder als ungewöhnlich noch als gefährlich angesehen werden. OLG Düsseldorf 7.12.1999 – 4 U 237/98, RuS 2001 105: Verwendung eines aufgeschnittenen Öltanks bzw. einer Stahlwanne zu dem Zweck, in einer fremden Halle einen Ofen zu schaffen und in diesem Müll zu verbrennen, stellt nur dann eine ungewöhnliche und gefährliche Rahmenbeschäftigung dar, wenn diese Rahmenhandlung eine gewisse Regelmäßigkeit aufweist oder doch wenigstens von längerer Dauer ist, was bei nur zweimaliger „Müllentsorgung“ noch nicht vorliegt. BGH 17.6.1998 – IV ZR 163-97, VersR 1998 1011: Spontane Entzündung eines Feuerzeuges und Inbrandsetzung eines Anwesenden mit benzingetränkter Hose stellt keine allgemeine Betätigung im Sinne einer Rahmenhandlung dar. OLG Hamm 19.7.1995 – 20 U 66/95, RuS 1996 96: Öffnen einer Propangasflasche, um daran zu „schnüffeln“, ist nicht als gefährlich einzustufen, da es insoweit auf die gesundheitlichen 88 Vgl. BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004 591 f.; OLG Oldenburg 4.11.2011 – 5 W 58/11, RuS 2012 171; OLG Hamm 27.4.2011 – I-20 U 10/11, RuS 2011 469, 470; OLG Celle 12.4.2007 – 8 U 33/05, BeckRS 2010 11357; Prölss/ Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PHV Rn. 16. 89 BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21, 22. 90 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 21; Schimikowski RuS 2012 172. Koch
486
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Gefahren für den Handelnden selbst nicht ankommt und eine Gefährlichkeit in Bezug auf dritte Personen oder Sachen erst dann in Betracht kommt, wenn Sicherungsmaßnahmen unterlassen werden. OLG Düsseldorf 14.3.1995 – 4 U 61/94, RuS 1997 11: Hat der versicherte Ehemann nach einer ehelichen Auseinandersetzung in alkoholisiertem Zustand die Kleidung der VN in einem Kleiderschrank in Brand gesteckt, den Brand dann jedoch mit einem Feuerlöscher gelöscht und sich entfernt, ohne zu bemerken, dass der vermeintlich gelöschte Brand weiterschwelte und später auf das Haus übergriff, so ist der Haftpflichtversicherer nicht leistungsfrei, weil die einmalige und kurzfristige Handlung des Ehemannes keine allgemeine Betätigung und damit keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung darstellt. OLG Hamm 27.4.1994 – 20 U 372/93, VersR 1995 161: Aufstellen und Betreiben eines Propangasofens zu Heizzwecken in einer privaten Garage stellt jedenfalls dann keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung des VN dar, wenn keine weiteren Gefahrenmomente hinzutreten. Nach der Verkehrsauffassung ist der Betrieb einer derartigen Heizung mit offener Flamme allgemein nicht ungewöhnlich, da insbesondere Garagen, die von ihrem Mieter/Eigentümer auch als Werkstatt für private Zwecke genutzt werden, vielfach mit Heizungsanlagen ausgestattet sind, wobei mit Propangas betriebene Öfen wegen ihrer Unabhängigkeit vom Stromnetz durchaus nicht selten sind. ÖOGH 26.9.1991 – 7 Ob 28/91, VersR 1992 1497: Setzt der VN mit einem Gasfeuerzeug aus Bosheit – also bewusst und gewollt – die Hose eines Betrunkenen in Brand, und kann sich dieser infolge seiner alkoholbedingt herabgesetzten Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit nicht von der brennenden Hose befreien und erleidet Brandverletzungen, so ist dieser Schaden nicht von der Privathaftpflichtversicherung gedeckt. OLG Köln 2.5.1991 – 5 U 157/90, VersR 1991 1283: Weiß der VN, der Alkoholiker ist, dass er nach übermäßigem Alkoholkonsum regelmäßig Straftaten, insbesondere Brandstiftungen, begeht, so stellt die Tatsache, dass er sich in einen Vollrausch versetzt, im Hinblick auf seine Person eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar. ÖOGH 4.9.1991 – 7 Ob 26/91, VersR 1993 211: Die Schaffung einer Brandgefahr durch „Zündeln“ stellt keinen „Ausrutscher eines Durchschnittsmenschen“ dar und ist nicht mit dem kontrollierten Entzünden von Gegenständen (etwa Kerzen) zu vergleichen, sondern mit gefährlichen Bosheitsakten, und zwar auch dann, wenn der tatsächliche Erfolg weit über die Erwartungen hinausgeht. Auch handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Gefahr, da es genügt, wenn die Gefahr theoretisch häufig, praktisch aber seltener eintritt. OLG Hamm 18.10.1989 – 20 W 45/89, VersR 1990 775: Ausbrennen eines Wespennestes mit einer Lötlampe ist weder ungewöhnlich noch gefährlich, da dies zu den üblichen Methoden der Bekämpfung von Wespen gehört und auch grundsätzlich nicht gefährlich ist, wenn es unter Beachtung der gebotenen Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen wird. Der Mangel der gebotenen Sorgfalt macht eine übliche Tätigkeit noch nicht zu einer gefährlichen Betätigung. LG Frankfurt/M. 10.10.1989 – 2/13 O 149/89, VersR 1991 454: Wird verbotenerweise ein im Bau befindlicher S-Bahn-Tunnel betreten und werden dort herumliegende Schaumstoffe aus „Jux“ angezündet, wodurch ein Brandschaden in Millionenhöhe eintritt, so liegt eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung vor. LG Bremen 16.8.1989 – 5 O 264/89, VersR 1990 776: Anzünden von Telefonbüchern in Telefonzellen unter Drogeneinfluss ist (auch) als allgemeine (Rahmen-)Betätigung ungewöhnlich und gefährlich. OLG Hamm 17.11.1987 – 20 W 53/87, VersR 1988 1038: Anzünden von in einem fremden Schuppen lagernden Spänen ist eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung. OLG Hamm 27.5.1987 – 20 U 277/86, RuS 1987 277: Anzünden von Fußmatten in einem Treppenhaus, um Licht zu machen, ist eine ungewöhnliche und gefährliche Betätigung, da Feuer an einem Ort entzündet wird, an dem es normalerweise kein offenes Feuer gibt, und sich das Verhalten unter Berücksichtigung des Zwecks als kaum noch nachvollziehbare Tätigkeit darstellt. 487
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
LG Bielefeld 20.10.1981 – 23 O 290/81, zfs 1982 122: Bedienung eines mit Brennspiritus befeuerten Bratrostes anlässlich eines Sportfestes ist keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung. BGH 11.12.1980 – IVa ZR 29/80, VersR 1981 271: Reinigung einer Schärmaschine mit einem Benzin-Rohölgemisch in der Nähe eines elektrischen Heizlüfters ist weder ungewöhnliche noch gefährliche Tätigkeit. ÖOGH 16.3.1978 – 7 Ob 11/78, VersR 1979 69: Verbrennen von Reisig im Garten mithilfe von Benzin stellt keine ungewöhnliche Beschäftigung dar, da diese für einen Gartenbesitzer periodisch auftretende Tätigkeit dem täglichen Leben zuzuordnen ist und dies auch bleibt, wenn dabei die gebotene Sorgfalt nicht eingehalten wird. ÖOGH 18.3.1976 – 7 Ob 19/76, VersR 1977 461: Einschlafen mit brennender Zigarette auf einem aus leicht entzündlichen Material hergerichteten Notlager ist an sich noch nicht als ungewöhnlich zu betrachten. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der VN nicht in seinem Bett, sondern in einem Abstellraum eingeschlafen ist, in den er ohne Wissen und Willen des Hauseigentümers widerrechtlich eingestiegen war, wodurch der Brand verursacht wurde, ist die geschaffene Gefahrenlage jedoch eine ungewöhnliche.
47 bb) Diebstahl/Hausfriedensbruch i.S.v. § 242, § 123 StGB. LG Köln 8.2.2006 – 20 O 182/ 04, BeckRS 2006 04471: Die Verwirklichung eines Ladendiebstahls ist nicht als übliche, sondern als ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung des VN anzusehen, sodass bei der anschließenden Flucht begangene Handlungen – hier: Umrennen einer Frau, die sich die Kniescheibe brach – eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung darstellen. OLG Oldenburg 12.3.1997 – 2 U 1/97, VersR 1998 446: Das Betreten von Räumen als solches und der Aufenthalt darin (hier: Kfz-Werkstatt, um nach Dienstschluss aus einem Kundenmotorrad Benzin zu entwenden) stellt sich – auch in psychologischer Hinsicht – nicht als Verhaltensweise im Rahmen einer Ausnahmesituation dar, die mit besonderen Gefahrenmomenten belastet wäre, sodass eine gefährliche Beschäftigung nicht vorliegt. OLG Oldenburg 15.12.1995 – 2 W 141/95, VersR 1996 1487: Ein Hausfriedensbruch des Versicherten, der sich zur Nachtzeit um 3.30 Uhr in ein Jugendzentrum begeben hat, um dort noch Jugendliche anderer politischer Einstellung anzutreffen und bei dieser Gelegenheit „ein bisschen aufzumischen“, der dann unter Anwendung von körperlicher Gewalt in das verschlossene, leere Gebäude eingedrungen ist und dort in der Folge durch unachtsamen Umgang mit einem Feuerzeug oder einer brennenden Zigarette einen Brand verursacht hat, ist eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung, für die kein Versicherungsschutz besteht. LG Essen 11.1.1994 – 3 O 598/93, RuS 1995 52: Betätigung als Ladendieb ist nicht als übliche Beschäftigung des durchschnittlichen VN anzusehen und stellt vielmehr einen Ausnahmefall dar, bei dem sich der Täter in der Regel in einer psychologischen Ausnahmesituation befindet, die gewöhnlich mit besonderen Gefahrenmomenten belastet ist. LG Siegen 18.7.1986 – 2 O 213/86, zfs 1987 23: Fahrlässige Brandverursachung unter vorausgehendem Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung als ungewöhnliche und gefährliche Rahmenbeschäftigung stellt keine Verwirklichung der Gefahren des täglichen Lebens dar. OLG Schleswig 25.11.1983 – 14 U 215/83, VersR 1984 954: Ein Brandschaden, den der VN fahrlässig bei einem versuchten Einbruchdiebstahl verursacht, fällt nicht unter das versicherte Risiko, da die Betätigung des VN als Einbrecher aus der Sicht eines sich gesetzeskonform verhaltenen Bürgers ungewöhnlich ist und auch gefährlich, da sich auch ein unbewaffneter Täter in einer psychischen Ausnahmesituation befindet und seine Tätigkeit durch besondere Gefahrenmomente belastet ist. OLG Hamm 29.4.1981 – 20 W 13/81, VersR 1982 565: Ein Einbruch ist eine Betätigung, die allgemein ungewöhnlich und gefährlich ist. Die Beteiligung des VN an einer Schlägerei bedeutet hingegen eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos.
Koch
488
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
cc) Sonstiges. LG Dortmund 22.10.2015 – 2 O 203/13, RuS 2016 126: Drogenkonsum kann unter 48 den Ausschlusstatbestand fallen, wenn durch den Drogenkonsum des konkreten VN eine gesteigerte Gefahr für relevante Fremdschäden erhöht wird. OLG Oldenburg 4.11.2011 – 5 W 58/11, RuS 2012 171: Stellt ein VN über mehrere Jahre einem anderen Menschen i.S.v. § 238 StGB nach (Stalking), so handelt es sich dabei um eine ungewöhnliche und gefährliche Betätigung. OLG Jena 25.1.2006 – 4 U 639/05, VersR 2006 1064: Fußtritt in die Glasscheibe einer Eingangstür, wodurch das Glas zersplitterte und ein Splitter das Auge einer dahinter stehenden Person traf, ist eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung, die im Rahmen einer länger andauernden Gewalttätigkeit (vorsätzliche Sachbeschädigung) verübt wurde. OLG Hamm 22.6.2005 – 20 U 48/05, RuS 2005 374: Ein Angriff des VN auf dessen Ehefrau stellt keine ungewöhnliche und gefährliche (Rahmen-)Beschäftigung dar, da insoweit keine Betätigung von gewisser Dauer vorliegt, sondern nur eine spontane, impulsive Handlung, die auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als allgemeine „Beschäftigung“ verstanden werden kann. Auch genügt es nicht, auf das dem Angriff vorausgehende Betrinken abzustellen, da dies jedenfalls keine ungewöhnliche Beschäftigung ist. LG Dortmund 17.2.2005 – 2 O 148/04, BeckRS 2005 122305: Alkoholkonsum des VN kann grds. als ungewöhnliche und gefährliche (Rahmen-)Beschäftigung angesehen werden, da hierdurch in erhöhtem Maß die Gefahr schadenstiftender Handlungen entsteht, jedoch muss sich die Gefahr der Verursachung eines Fremdschadens erhöhen, was namentlich bei Haftpflichtansprüchen aus Schadensfällen von Angehörigen des VN gem. § 4 II Ziff. 2 lit. a) AHB a.F. ausgeschlossen ist. OLG Hamm 25.8.2004 – 20 U 123/04, VersR 2005 680: Das Nichtbefolgen eines Platzverweises durch den VN ist keine ungewöhnliche und gefährliche (Rahmen-)Beschäftigung, da insoweit bereits zweifelhaft ist, ob das Verweilen an einem Ort als Beschäftigung angesehen werden kann, dieses jedenfalls aber nicht als gefährlich zu bewerten ist. Verbale Auseinandersetzungen und auch die Störung der Nachtruhe gehören im Übrigen noch zu den Erscheinungen des täglichen Lebens. OLG München 20.7.2004 – 25 U 2027/04, VersR 2004 1167: Bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung handelt es sich um eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung, die, wenn sie im Rahmen von mehrmonatigen Nachstellungen in Verbindung mit sexuellen Nötigungen vorgenommen wird, zum Ausschluss der Deckung führt. OLG München 10.3.1997 – 31 U 5564/95, RuS 1997 409: Vorbereitungshandlungen einer versuchten sexuellen Nötigung oder einer versuchten Vergewaltigung stellen eine ungewöhnliche und gefährliche Rahmenbeschäftigung dar, weil sie in erhöhtem Maß die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen bergen, wohingegen allgemein verbale Streitigkeiten um Alltagsprobleme, die in Tätlichkeiten ausarten, zum täglichen Leben gehören. OLG Koblenz 7.7.1995 – 10 U 1707/94, VersR 1996 444: Losreißen aus dem Zugriff des dadurch verletzten Polizisten ist impulsive, aus der Situation heraus sich spontan aufbauende Reaktion, die lediglich auf die Flucht vor der drohenden Blutprobe ausgerichtet war und keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung darstellt. OLG Düsseldorf 11.1.1994 – 4 U 250/92, VersR 1994 850: Einmaliger Messerstich mit einem Klappmesser in Putativnotwehr im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung ist keine allgemeine Beschäftigung, da es an einer gewissen Regelmäßigkeit oder aber doch wenigstens an einer längeren Dauer fehlt. OLG Köln 11.11.1993 – 5 U 271/92, VersR 1994 339: Spontanes Losreißen des erheblich alkoholisierten Täters von ihn festhaltenden Polizeibeamten, stellt sich bei vernünftiger Betrachtungsweise als eine impulsive, aus der Situation heraus sich spontan aufgebaute Reaktion dar, bei der jedenfalls von einer ungewöhnlichen und (gleichzeitig) gefährlichen Betätigung nicht gesprochen werden kann. ÖOGH 25.6.1992 – 7 Ob 12/92, VersR 1993 1259: Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht eines Jugendlichen, der ein in der Dunkelheit nicht erkennbares Hindernis in Form einer quer 489
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
über die Straße gelegten Zaunlatte aufbaut, um einen provozierten Verfolger zum Stürzen zu bringen, da es sich nicht unter die Gefahr des täglichen Lebens subsumieren lässt, sondern als bewusstes und gewolltes Schaffen einer Gefahr im Rahmen eines Bosheitsakts, ohne dass hierfür die geringste Notwendigkeit besteht. ÖOGH 23.10.1980 – 7 Ob 59/80, VersRdsch 1982 274: Der Wurf eines Bierkrugs im Zuge einer Rauferei ist keinesfalls ein im Privatleben eines Menschen üblicherweise vorkommender Vorfall und daher nicht von den Gefahren des täglichen Lebens umfasst. OLG Hamm 24.8.1973 – 20 U 65/73, VersR 1973 1133: Die Beteiligung des VN an einer tätlichen Auseinandersetzung kann nicht als allgemeine (Rahmen-)Beschäftigung angesehen werden, auch wenn die schadenstiftende Handlung (hier: wuchtige Faustschläge in das Gesicht des Opfers, das bewusstlos zu Boden sinkt) als solche ungewöhnlich und gefährlich sein mag. ÖOGH 17.2.1971 – 7 Ob 23/7, VersR 1971 1134: Verletzung eines Unbeteiligten durch eine Bierflasche, die der VN zerschlägt, um sich auf eine Auseinandersetzung mit einem bewaffneten Gegner vorzubereiten, stellt einen ungewöhnlichen Schadensfall dar, auf den sich der Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Gefahren des täglichen Lebens nicht erstreckt.
49 b) Explosionen/Schusswaffen. OLG Frankfurt 18.7.2008 – 7 U 56/07, OLGR Frankfurt 2008 967: Die Erprobung eines nicht näher bekannten Gewehres auf einem Sägeblock ohne die erforderliche fachliche Qualifikation stellt eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar. LG Berlin 16.11.2000 – 7 O 242/00, VersR 2003 55: Zünden einer mit Schottersteinen aufgefüllten und mit Moltofill verfüllten Kugelbombe in der Silvesternacht stellt eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar. OLG Hamm 19.2.1999 – 20 U 165/98, RuS 2000 12: Das Abbrennen einer kleinen Menge eines selbst entwickelten (und patentgeschützten) Sprengstoffs in der Silvesternacht stellt keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar, da bei der Qualifikation als ungewöhnlich und gefährlich auf die Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelnden abzustellen ist, der vorliegend über nicht unerhebliche chemische Kenntnisse verfügt, wie aus seiner Patentanmeldung folgt. Auch das Herstellen, Lagern und Abbrennen hochbrisanten Sprengstoffes in einem Wohnhaus stellt keine taugliche Rahmenbeschäftigung dar, weil sonst die nur zeitlich aufeinanderfolgenden Tätigkeiten unzulässig zu einer allgemeinen Beschäftigung zusammengefasst würden und sich die Gefahren einer Tätigkeit auf die Vornahme der nächsten nicht auswirken. OLG Frankfurt/M. 29.9.1995 – 24 U 75/94, VersR 1996 964: Abfeuern einer Farbmarkierungspistole in einer Menschenansammlung stellt als schadenstiftende Handlung einen gefährlichen und ungewöhnlichen Einzelakt bzw. eine punktuelle Handlung dar, womit es an einer allgemeinen Beschäftigung, die sich über eine gewisse Zeit hinziehen muss, aber fehlt. OLG Karlsruhe 26.1.1995 – 12 U 263/94, RuS 1995 376: Schießübungen mit einer erlaubnisfreien Luftdruckpistole in einer Wohnung, wobei das Projektil an einem Heizkörper abprallte und die Geschädigte in das rechte Auge traf, sind jedenfalls nicht als ungewöhnlich anzusehen. LG Zweibrücken 17.7.1992 – 1 O 267/92, VersR 1993 431: Das Herstellen von Sprengkörpern und das Herbeiführen von Explosionen liegt außerhalb der Verhaltensweisen des täglichen Lebens und der sich daraus ergebenden Gefahrensituationen, da nicht nur eine ungewöhnliche, sondern auch eine besonders gefährliche Beschäftigung vorliegt. OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, RuS 1992 47: Beim Schuss aus einer halbautomatischen Schreckschusspistole vom Typ „Reck-Baby-Automatic 8 mm Knall“ in unmittelbarer Nähe einer Person ist es bereits zweifelhaft, ob das spontane Herausholen einer Pistole eine allgemeine (Rahmen-)Beschäftigung darstellt. Das Hantieren mit der Waffe ist nicht als gefährlich zu werten, da eine Verletzungsgefahr nur dann gegeben ist, wenn die Waffe in unmittelbarer Nähe zum Körper eines Menschen oder Tieres abgefeuert wird, und es im Übrigen nicht ungewöhnlich ist, eine Waffe erlaubnisfrei zu erwerben und zu gebrauchen.
Koch
490
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
OLG Hamburg 8.3.1990 – 6 U 224/89, VersR 1991 92: Anzünden von Feuerwerkskörpern aus grobem Unfug in Geschäftsräumen ist deswegen nicht als allgemeine Beschäftigung zu verstehen, da Beschäftigung nicht mit einer einzelnen gefährlichen Handlung gleichgesetzt werden kann. OLG Hamm 3.11.1989 – 20 U 66/89, RuS 1990 360: Abfeuern eines verfallenen pyrotechnischen Seenotsignals – Signalrakete – ist weder ungewöhnliche noch gefährliche Betätigung, da es durchaus üblich ist, dass in Häfen Seenotraketen als Silvesterfeuerwerk eingesetzt werden, und es ferner der Lebenserfahrung und der menschlichen Natur entspricht, dass zu Silvester nicht nur handelsübliches Feuerwerk gezündet wird, sondern auch andere Lärm- oder Lichteffekte auslösende, nicht nur harmlose Objekte, vor allem aber solche, die überlagert und daher für den Notfall möglicherweise nicht mehr geeignet sind, verwendet werden, weil sie Feuerwerksraketen in Funktion und Farbeffekt sehr ähnlich sind.91 OLG Frankfurt/M. 28.1.1987 – 7 U 80/86, zfs 1987 153: Verschießen von Feuerwerkskörpern aus Schreckschusspistolen ist angesichts ständiger Übung keine ungewöhnliche oder gefährliche Beschäftigung. ÖOGH 17.9.1981 – 7 Ob 42/81, VersR 1984 498: Unvorsichtiges (fahrlässiges) Hantieren mit einer Faustfeuerwaffe (Revolver) stellt eine gefährliche Beschäftigung dar, die nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens gehört. LG Darmstadt 25.3.1980 – 10 O 522/79, zfs 1981 88: Verwenden eines hochexplosiven Kontaktklebers ist selbst dann ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung, wenn der VN wegen seines Berufes nicht ungeübt im Umgang mit diesem Material ist. ÖOGH 4.4.1973 – 7 Ob 47/73, VersR 1974 404: Schießen zwei Schützen vorsätzlich aus verschiedenen Richtungen, und zwar jeder aus dem Schussbereich des anderen, auf dasselbe Ziel, so wird hierdurch eine ungewöhnliche – nicht alltägliche – Gefahrenlage begründet.
c) Selbstmord. OLG München 29.3.1999 – 30 U 761/98, RuS 2000 58: Handlungen, die in 50 Selbsttötungsabsicht (hier: Zurennen auf einen mit 200 km/h herannahenden ICE-Zug) vorgenommen werden, stellen keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar. BGH 25.6.1997 – IV ZR 269/96, VersR 1997 1091: Sprung in Selbsttötungsabsicht von einem Parkhaus mit der Folge der Beschädigung eines unten geparkten Pkw durch den Aufprall stellt keine ungewöhnliche und gefährliche Betätigung dar, insbesondere kann die Selbsttötungsabsicht als solche keine Rahmenhandlung sein. OLG Karlsruhe 18.7.1996 – 12 U 86/96, VersR 1997 177: Sturz auf ein geparktes Kfz bei einem in Selbstmordabsicht ausgeführten Sprung aus dem Fenster stellt im Rahmen des Risikos, dass ein VN seinen Lebenswillen so weit verliert, dass er sich zur Selbsttötung entschließt, keine derart ungewöhnliche Beschäftigung dar, als dass mit einem derartigen Lebenssachverhalt im Privatleben eines VN nicht gerechnet werden müsste.92 LG Köln 6.12.1989 – 10 S 278/89, RuS 1990 368: Schäden Dritter (hier: Blutspritzer auf Einrichtungsgegenständen), die durch eine Selbsttötung entstehen, sind jedenfalls dann als im Rahmen einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung verursacht anzusehen, wenn der VN keine Erlaubnis für die zur Selbsttötung verwendete Waffe besaß, da die Selbsttötung auch derart weitgehend von den allgemeinen Regeln und üblichen Verhaltensnormen abweicht, dass sich für den Selbstmörder nicht mehr die Gefahren des täglichen Lebens verwirklichen.
91 Ähnlich OLG Hamm 12.7.1989 – 20 W 21/89, VersR 1990 40; AG Rahden 9.12.1988 – 2 C 145/88, zfs 1989 281. 92 Ebenso Hans. OLG Hamburg 10.1.1995 – 9 W 55/94, VersR 1995 1475, 1476; LG Köln 6.12.1989 – 10 S 278/89, VersR 1990 778; a.A. LG Aachen 19.10.1990 – 5 S 320/90, VersR 1991 871: Sprung aus einem Hochhaus in Selbstmordabsicht ist sowohl „ungewöhnlich“ als auch „gefährlich“, denn ein solcher ist in erhöhtem Maße geeignet, Rechtsgüter Dritter zu verletzen und damit den Versicherungsfall herbeizuführen. 491
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
OLG Hamm 23.11.1984 – 20 U 187/84, VersR 1985 463: Öffnen der Gasleitung, sodass Gas ungehindert und unbewacht ausströmen kann, ist eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung, da auch bei lebensnaher Betrachtungsweise und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Selbstmords keine Verwirklichung der Gefahren des täglichen Lebens darstellen.
d) Heimwerkertätigkeit/Hobbyaktivitäten 51 aa) Bedienung eines Schweißgeräts. BGH 17.1.1996 – IV ZR 86/95, VersR 1996 495: Die Bedienung eines Schweißgeräts im Zustand der Schuldunfähigkeit infolge akuter Psychose ist als Verhalten, durch das spontan ein Brand gelegt und zugleich eigenes wie fremdes Eigentum beschädigt wurde, nicht allgemeine Betätigung im Sinne einer Rahmenhandlung. OLG Bamberg 19.9.1991 – 1 U 2/91, VersR 1993 734: Schweißarbeiten im Zusammenhang mit der Verlegung von Heizungsrohren in einer Werkhalle stellen allgemein zwar („auch heutzutage“) noch eine gefährliche Tätigkeit dar, jedoch keine ungewöhnliche mehr. OLG Celle 15.3.1989 – 8 U 63/88, RuS 1990 224: Schweißarbeiten am Fahrzeug eines Bekannten gerade zum Reparieren alter Kraftfahrzeuge ist („in der heutigen Zeit“) keine ungewöhnliche Beschäftigung. LG Kassel 22.4.1987 – 4 O 406/86, VersR 1989 797: Durchführung von Schweißarbeiten in Hobby-Reparaturwerkstatt ist eine ungewöhnliche und gefährliche Betätigung, da es über den gewöhnlichen Umfang der Heimwerkertätigkeit hinausgeht. LG Essen 8.1.1987 – 6 O 542/86, zfs 1987 152: Schweißarbeiten des VN an der unterhalb des Walmdachs angebrachten ausgetrockneten Holzkonstruktion eines alten Gebäudes stellen eine den Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung ausschließende ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar.
52 bb) Sonstiges. OLG Naumburg 2.5.2019 – 4 U 95/18, NJOZ 2020 619: Der schadenstiftende Versuch, einen Autogastank zu leeren, war zweifelsohne außerordentlich gefährlich und mag als ungewöhnlich anzusehen sein. Es handelte sich dabei jedoch um eine einzelne Handlung, auf deren Ungewöhnlichkeit und Gefährlichkeit es, wie oben ausgeführt, gerade nicht ankommt. BGH 9.11.2011 – IV ZR 115/10, RuS 2012 21: Beim Absägen von drei ca. 20 m hohen Pappeln mit Hilfe einer Motorkettensäge an einem Tag, liegt keine Tätigkeit von ausreichend langer Dauer vor, um eine Beschäftigung i.S.d. Ausschlussklausel anzunehmen. OLG Celle 12.4.2007 – 8 U 33/05, BeckRS 2010 11357: Ausritt einer nicht als Reitlehrerin ausgebildeten Hobbyreiterin ins Gelände mit einer Gruppe von 13 ihr bis dahin nicht bekannten kindlichen Reitschülern ist gefährlich, aber die Begleitung eines derartigen Ausritts einer in ihren reiterlichen Fähigkeiten nicht bekannten Reitschülergruppe durch eine solche Person auf Reiter- bzw. Ponyhöfen ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. OLG Oldenburg 20.4.2004 – 3 W 5/04, VersR 2005 262: Der Einsatz eines Baggers zur Auskofferung großflächiger und kellertiefer Baugruben (2,50 m tief/50 qm) stellt eine ungewöhnliche und gefährliche (Rahmen-)Beschäftigung dar, wenngleich zum Begriff des „Ungewöhnlichen“ die Tendenz erkennbar ist, bei der erforderlichen Abgrenzung auf den Umfang der üblicherweise von Heimwerkern im „do it yourself“-Verfahren erbrachten Bauleistungen abzustellen und dabei auch die Verfügbarkeit verwendeter Werkzeuge in Baumärkten, Versandhandel oder im Rahmen der gewerblichen Vermietung von Werkzeugen und Bauzubehör zu berücksichtigen. BGH 10.3.2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004 591: Apnoetauchen in große Tiefen birgt aufgrund der Druckverhältnisse, der schlechten Sicht und der dadurch im Unglücksfall erschwerten Hilfeleistung besonders hohe Risiken, die aber nicht als gefährlich i.S.d. Ziff. 1.1 der BBR zu Koch
492
B. Gefahren des täglichen Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
qualifizieren sind, weil aus der Betätigung keine Risikoerhöhung für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden resultiert. Für das Vorliegen von Rettungs- bzw. besonderen Schutzpflichten Dritter bspw. aus Organisationsverschulden und den damit verbundenen Gefahren eines Fremdschadens muss Beweis angetreten werden. ÖOGH 30.1.1992 – 7 Ob 1/92, VersR 1993 595: Beim Ausladen eines Tontaubenschleudergeräts aus einem Transportfahrzeug handelt es sich um eine Tätigkeit des täglichen Lebens. In den Deckungsbereich einer österreichischen Haushaltsversicherung, die auch eine Haftpflichtversicherung umfasst, sind auch Gefahren einer nichtberufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd, einbezogen. Eine derartige Sportausübung ist auch das Tontaubenschießen. Es ist dem (Schieß-)Sport und nicht der Jagd zuzuordnen. OLG Nürnberg 29.9.1988 – 8 U 950/88, VersR 1989 582: Arbeiten mit einem elektrisch betriebenen Trennschleifgerät (Flex) am Blechdach eines landwirtschaftlichen Gebäudes stellen selbst dann keine gefährliche oder ungewöhnliche Betätigung dar, wenn ein Funkenflug nicht auszuschließen ist, da Selbsthilfe- und Heimwerkertätigkeiten sich in zunehmendem Maße ausbreiten und der Markt im Hobby- und Baumarktbereich immer mehr Maschinen hierfür anbietet, um auch schwierige Arbeiten zu erleichtern. OLG Karlsruhe 19.3.1987 – 12 U 188/86, RuS 1987 157: Einmaliges Baumfällen in der Freizeit ist weder gefährliche noch ungewöhnliche Beschäftigung. OLG Hamm 30.5.1986 – 20 U 18/86, RuS 1986 304: Schließung und Neuinstallation einer (unzureichenden) Lüftungsöffnung beim Umbau eines Duschraumes mit Gasboiler im Anbau eines Wohnwagens sind weder als gefährliche noch ungewöhnliche Beschäftigung, allenfalls als unsachgemäß einzuordnen. ÖOGH 8.9.1983 – 7 Ob 50/83, VersR 1984 1197: Sachschaden infolge des Anschlusses einer Waschmaschine an den Wasserhahn stellt eine Verwirklichung der Gefahren des täglichen Lebens dar, da eine einmalige oder doch nur gelegentliche Reparatur in einem privaten Haushalt sich nicht als gefährliche, im Sinne einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehrende Beschäftigung qualifizieren lässt. Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, sind danach vom Versicherungsschutz umfasst, ohne dass solche Gefahren geradezu täglich auftreten müssten. OLG Hamm 9.1.1981 – 20 U 163/80, zfs 1982 56: Das Abdichten eines Daches durch Aufkleben von mittels eines Propangasbrenners erwärmten Teerpappebahnen durch einen hierfür nicht ausgebildeten Heimwerker ist weder ungewöhnliche noch gefährliche Betätigung. LG Berlin 15.1.1980 – 7 O 273/80, zfs 1983 374: Abtrennen eines alten Anstrichs am Gebälk eines Hauses mittels Lötlampe ist als ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung anzusehen, da eine handwerkliche Tätigkeit, die wegen des Umfangs, der Gefährlichkeit und der Erforderlichkeit besonderer Werkzeuge oder Ausrüstung in der Regel von gewerblichen Handwerkern ausgeführt werden muss, nicht mehr als gewöhnlich qualifiziert werden kann. LG Braunschweig 28.7.1965 VersR 1966 482: Beim Betrieb, Verleihen oder Vermieten einer elektrischen Betonmischmaschine handelt es sich um eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung.
e) Verhalten Minderjähriger. OLG Karlsruhe 30.3.2007 – 12 U 176/06, BeckRS 2009 18303: 53 Einbruch eines 13-Jährigen in ein fremdes Gebäude, bei dem aus Furcht vor Entdeckung kein helles Licht gemacht und deshalb mit offenem Feuer hantiert wird, stellt zwar eine gefährliche, aber deswegen keine ungewöhnliche Beschäftigung dar, weil viele der Umstände, die ein Einbrechen oder Einschleichen zu Diebstahlszwecken bei Erwachsenen zu einer Ausnahmesituation machen, bei Kindern geradezu zum Alltag gehören. LG Karlsruhe 28.7.2006 – 7 O 180/06, BeckRS 2009 18305: Einsteigen in einen Kindergarten und Entzünden eines Vorhangs durch 13-Jährigen ist als gefährliche, aber nicht als ungewöhnliche Beschäftigung anzusehen, da es als Ausfluss des kindlichen Spieltriebs zu bewerten ist.
493
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
OLG Düsseldorf 17.12.2002 – 4 U 107/02, I-4 U 107/02, RuS 2004 457: Entleeren eines Benzinkanisters und Anzünden des Benzins durch 12 1/2-Jährigen ist nicht vom Deckungsumfang ausgeschlossen, da das Spielen eines Kindes als Rahmenbeschäftigung nicht ungewöhnlich und auch nicht allgemein gefährlich ist, ohne dass es auf die Gefährlichkeit in concreto ankäme. OLG Karlsruhe 8.11.2001 – 12 U 26/01, VersR 2002 562: Einschleichen in ein Gebäude zum verbotenen Absaugen von Kraftstoff durch den 13-jährigen Sohn eines VN stellt keine ungewöhnliche (Rahmen-)Beschäftigung dar. Da Kinder und Jugendliche gelegentlich nicht über hinreichende Barmittel zum Erwerb des Kraftstoffs verfügen, liegen auch ungewöhnliche Beschaffungsaktionen, selbst gesetzwidrige, nicht außerhalb der Übungen des entsprechenden Umfelds. OLG Saarbrücken 15.9.1999 – 5 U 389/99 – 28, 5 U 389/99, VersR 2002 351: Flucht vor Polizeibeamten, um sich der Festnahme zu entziehen und die damit zusammenhängende Herausforderung der Verfolger ist keine allgemein gefährliche und unübliche (Rahmen-)Betätigung. Dies gilt auch für das Fahren ohne Versicherungsschutz und ohne gültige Fahrerlaubnis eines 17-Jährigen, da es keineswegs als etwas für einen Jugendlichen derart Atypisches bezeichnet werden kann. OLG Karlsruhe 23.6.1998 – 19 W 33/98, VersR 1999 843: Die Herstellung und das Mitsichführen von Molotowcocktails durch einen 17-Jährigen stellt eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar, da das Mitsichführen von solchen Brandsätzen als verbotene Rahmenbetätigung die Gefahr in sich birgt, sie auszuprobieren oder anderweitig einzusetzen. OLG Köln 17.1.1991 – 5 U 82/90, zfs 1992 90: Das Herumspritzen mit Nitroverdünnung durch Lehrlinge im Sinne eines unvernünftigen und leichtsinnigen „Spiels“ von Jugendlichen im Alter von 16½ Jahren ist nicht ungewöhnlich, wenn es nicht völlig aus dem Rahmen von allgemeinen Betätigungen Gleichaltriger fällt. ÖOGH 4.10.1979 – 7 Ob 42/79, VersR 1980 984: Hantieren von Kindern mit Sprengkörpern (-kapseln) ist eine Gefahr des täglichen Lebens, da hierfür genügt, dass sie erfahrungsgemäß im normalen Leben immer wieder häufiger oder auch nur seltener vorkommt, und Kinder eben erfahrungsgemäß dazu neigen, mit Sprengkörpern zu hantieren. ÖOGH 2.7.1969 – 7 Ob 97/69, VersR 1970 654: Eine Verwundung, die darauf zurückzuführen ist, dass sich Minderjährige beim Indianerspielen gegenseitig mit Luftdruckgewehren beschießen, stellt keinen auf Gefahren des täglichen Lebens beruhenden Schadensfall dar.
54 f) Varia. OLG Hamm 27.4.2011 – I-20 U 10/11, 20 U 10/11, RuS 2011 469: Wiederholtes Zuziehen eines der Partnerin um den Hals gelegten Gürtels bis zur Bewusstlosigkeit zum Zwecke der sexuellen Stimulation erfüllt die Voraussetzungen der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung, da das Herumführen eines auf allen Vieren kriechenden Menschen an einem um den Hals gelegten Gürtel – auch für nur 5 Minuten –, zumindest vom Standpunkt des Durchschnittsbürgers aus betrachtet, als „schon“ ungewöhnlich anzusehen und obendrein mit erheblichen Gefahren verbunden ist und damit als Betätigung einer gewissen Dauer den Risikoausschluss verwirklicht. ÖOGH 23.2.1994 – 7 Ob 36/93, VersR 1994 1007: Beim Umstürzen eines Grabsteins – durch das Streifen eines Kindes –, für den der VN instandhaltungspflichtig ist, realisiert sich eine Gefahr des täglichen Lebens, da dieser Begriff jene Gefahren umfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben gerechnet werden muss, ohne dass solche Gefahren täglich auftreten müssten. Es genügt, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. BGH 26.3.1956 – II ZR 209/54, VersR 1956 283: Beim Eingreifen des VN in das Lenkrad, um einer vermeintlich unmittelbar bevorstehenden Gefahrenlage auszuweichen, wird der Risikoausschluss der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung nicht verwirklicht, da sich die
Koch
494
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
schadenstiftende Handlung hier überhaupt nicht in den Kreis einer notwendigen allgemeinen Betätigung einordnen lässt.
C. Beispiele von Haftpflichtgefahren des täglichen Lebens (Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV) I. Vorbemerkung Nach Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV ist „[i]nsbesondere [.] versichert“ die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dort näher aufgeführten Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten des VN. Entgegen der Eingangsformulierung, die beim Leser den Eindruck erweckt, es handele sich nur um Beispiele zur Erläuterung des Begriffs der Gefahren des täglichen Lebens, dienen die Erläuterungen auch der Risikobegrenzung. Soweit sie nämlich Eigenschaften (z.B. „im Inland gelegenes Einfamilienhaus“), Rechtsverhältnisse (z.B. „als Inhaber“) und Tätigkeiten (z.B. erlaubter privater Besitz von Waffen) positiv beschreiben, folgt daraus im Umkehrschluss, was insoweit nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein soll (z.B. im Ausland gelegenes Haus, unerlaubter Besitz von Waffen).93 Nach Ansicht des BGH94 und ihm folgend Lücke95 handelt es sich bei diesen Risikobegrenzungen um Risikoausschlüsse, die in eine positive Risikobeschreibung gekleidet sind. Dieser Bewertung ist im Ergebnis zu folgen. Die Bedenken, die gegen die Einordnung der Einschränkungen gem. Ziff. 1 Satz 2 (1) und (2) BBR PHV geäußert wurden, kommen hier nicht zum Tragen, weil es nicht mehr um die Bestimmung des versicherten Risikos („Gefahren des täglichen Lebens“) geht, sondern um die Nichtversicherung von bestimmten Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten des VN, die – wie die Wendung „[i]nsbesondere [.] versichert“ deutlich macht – grundsätzlich zu den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson zählen. Die Einordnung der in Ziff. 1.1.–1.9 BBR PHV enthaltenen Beschränkungen als Risikoausschluss hat zur Folge, dass für die hiernach ausgeschlossenen Risiken kein Vorsorgeversicherungsschutz besteht, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist (z.B. Ziff. 1.4 BBR PHV). Solche in positive Risikobeschreibungen gekleideten Risikoausschlüsse sind der Versicherungspraxis nicht fremd. Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz ist eine solche Vertragsgestaltung nicht optimal und sollte deshalb besser unterbleiben. Gleichwohl hat der BGH die Einkleidung von Risikoausschlüssen in eine positive Risikobeschreibung in der Privathaftpflichtversicherung bei der sog. Waffenklausel (Ziff. 1.6 BBR PHV) als unbedenklich angesehen und lediglich festgestellt, bei der Auslegung sei in besonderem Maße zu beachten, „dass der durchschnittliche VN nicht damit zu rechnen braucht, dass sein Versicherungsschutz Lücken hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden“.96 Ob die hier in Rede stehende Darstellungsweise in Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV diesen Anforderungen gerecht wird, ist fraglich, soweit sich die Ausschlüsse nicht als Beispiel für eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung qualifizieren oder dem betrieblichen/beruflichen Bereich zuordnen lassen. Die Eingangsformulierung „[i]nsbesondere ist versichert …“ lässt Deckungsausschlüsse jedenfalls nicht vermuten. An einer klärenden Überschrift, wie sie aus anderen Zweigen der Haftpflichtversicherung bekannt ist (z.B. „Risikoabgrenzungen“, vgl. Ziff. 6 ProdHM), fehlt es.
93 Vgl. BGH 3.11.2004 – IV ZR 250/03, RuS 2005 57, 58 (zur Waffenklausel). 94 Vgl. BGH 3.11.2004 – IV ZR 250/03, RuS 2005 57, 58 (zur Waffenklausel). 95 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 23; vgl. auch Schneider VersR 2020 667, 673; Späte/Schimikowski/ Schimikowski BB PHV Rn. 35.
96 BGH 3.11.2004 – IV ZR 250/03, RuS 2005 57, 58 m.w.N; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 23. 495
Koch
55
56
57
58
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
II. Gesetzliche Haftpflicht als Familien- und Haushaltungsvorstand (Ziff. 1.1 BBR PHV) 59 Versichert sind Ansprüche, die aus elterlicher Aufsichtspflichtverletzung nach § 832 BGB hergeleitet werden,97 soweit nicht die Ausschlüsse gem. Ziff. 7.4 und 7.5 AHB 2016 eingreifen.
III. Gesetzliche Haftpflicht als Dienstherr (Ziff. 1.2 BBR PHV) 60 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht als Dienstherr der im Haushalt des VN tätigen Personen. Zu diesem Kreis zählen alle solche Personen, die zumindest als Verrichtungsgehilfen i.S.d. § 831 BGB anzusehen sind.98 Nicht erforderlich ist, dass ein Anstellungsverhältnis besteht. Insoweit finden hier die gleichen Grundsätze Anwendung, die für die Bestimmung des Dienstverhältnisses im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung gelten. Auch ohne (wirksamen) Dienst- oder Arbeitsvertrag i.S.v. § 611a BGB sind im Haushalt Tätige als mitversichert anzusehen, soweit und solange sie ihre Tätigkeit mit Wissen und Willen des VN in seiner Eigenschaft als Dienstherr ausüben und seinen Weisungen unterliegen.99 Zur Mitversicherung der im Haushalt des VN beschäftigten Personen s. Ziff. 2.3 BBR PHV.
IV. Nichtverantwortliche ehrenamtliche Tätigkeit und Freiwilligenarbeit (Ziff. 1.3 BBR PHV) 61 Seit der Neufassung der BBR PHV 2016 besteht Versicherungsschutz insbesondere für die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren einer nichtverantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit oder Freiwilligenarbeit aufgrund eines sozialen unentgeltlichen Engagements. Für verantwortliche Tätigkeiten im Ehrenamt gilt Ziff. 1 Satz 2 (1) BBR PHV. Für VN in ihrer Eigenschaft als ehrenamtlicher Bürgermeister oder ehrenamtlicher Richter besteht somit kein Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung. In Betracht kommt jedoch Versicherungsschutz über eine von den Bundesländern (freiwillig) abgeschlossene Haftpflichtversicherung (zum Begriff der verantwortlichen Tätigkeit s. Rn. 28 ff.).100
1. Nichtverantwortliche ehrenamtliche Tätigkeit 62 Eine gesetzliche Definition des Begriffs Ehrenamt fehlt. Im ursprünglichen Sinne ist es ein öffentliches Amt, für das kein Gehalt, aber eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird.101 Heute ist das Ehrenamt durch ein freiwilliges Tätigwerden im gemeinnützigen Bereich gekennzeichnet.102 Hierunter fällt insbesondere die Mitarbeit in der Kranken- und Altenpflege, der Flüchtlingshilfe, der Behinderten-, Kirchen- und Jugendarbeit, in Vereinen, Bürgerinitiativen, Parteien und Interessenverbänden, bei der Freizeitgestaltung, in Sportvereinen, Musikgruppen, bei Pfadfindern oder gleichartig organisierten Gruppen.103 Im Rahmen des Merkmals der Unent-
97 OLG Hamm 25.8.1989 – 20 U 98/89, RuS 1990 46. 98 BGH 19.3.1952 – II ZR 122/51, VersR 1952 141 f.; Späte PrivH Rn. 41. 99 Bruck/Möller/Koch § 102 VVG Rn. 19 ff.; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 25; Stockmeier AVB PHV A1-6.1 Rn. 8. 100 Dickmann VersR 2016 489, 493; Stockmeier AVB PHV A1-6.2 Rn. 29. 101 Küttner Personalbuch 28. Aufl. (2021) Kap. E Rn. 1. 102 Willy Haftung und Versicherung im Ehrenamt (2021) 381 (am Gemeinwohl orientiertes Engagement). 103 Stockmeier AVB PHV A1-6.2 Rn. 14. Koch
496
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
geltlichkeit ist eine Aufwandsentschädigung unschädlich.104 Entgegen Stockmeier kann aus der Zahlung einer solche Entschädigung nicht auf eine verantwortliche Tätigkeit des VN geschlossen werden.105
2. Freiwilligenarbeit Unter Freiwilligenarbeit wird der VN überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorien- 63 tierten Einrichtungen verstehen, die jederzeit aufgegeben werden kann. Zu den Einrichtungen zählen z.B. alle in § 3 Abs. 1 BFDG genannten Einsatzbereiche, d.h. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, einschließlich der Einrichtungen für außerschulische Jugendbildung und für Jugendarbeit, Einrichtungen der Wohlfahrts-, Gesundheits- und Altenpflege, der Behindertenhilfe, der Kultur und Denkmalpflege, des Sports, der Integration, des Zivil- und Katastrophenschutzes und Einrichtungen, die im Bereich des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes und der Bildung zur Nachhaltigkeit tätig sind. Der Erhalt einer Aufwandsentschädigung ist unschädlich.
V. Gesetzliche Haftpflicht als Inhaber von Wohnungen, Einfamilien- und Wochenendhaus (Ziff. 1.4 BBR PHV) Nach Ziff. 1.4 BBR PHV ist mitversichert die gesetzliche Haftpflicht aus der Verletzung von Pflich- 64 ten, die dem VN als Inhaber (1) einer oder mehrerer im Inland gelegener (Ferien-)Wohnungen (2) eines im Inland gelegenen Einfamilienhauses oder (3) eines im Inland gelegenen Wochenend-/ Ferienhauses treffen. Es geht vor allem um die Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten z.B. bei Versäumnissen bei der baulichen Instandhaltung, Beleuchtung und Reinigung, beim Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen. Bei Sondereigentümern sind zudem versichert Haftpflichtansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums (ausgenommen den Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum).
1. Wohnungs- und Hausrisiko a) (Eigentums-/Ferien-)Wohnungen, Einfamilien- und Wochenend-/Ferienhaus. Versi- 65 cherungsschutz besteht insbesondere für die gesetzliche Haftpflicht, die den VN trifft als Inhaber einer oder mehrerer im Inland gelegenen und ausschließlich zu Wohnzwecken verwendeten (Ferien-)Wohnungen (Ziff. 1.4 (1) BBR PHV) oder eines im Inland gelegenen und ebenfalls ausschließlich diesen Zwecken dienenden Einfamilienhauses (Ziff. 1.4 (2) BBR PHV) oder Wochenend-/Ferienhauses (Ziff. 1.3 (4) BBR PHV).106 Die zugehörigen Garagen und Gärten sind mitversichert, ebenso ein Schrebergarten. Schrebergarten ist auch ein einzeln gelegener Kleingarten.107 Im Unterschied zu Wohnungen (eine oder mehrere) ist der Versicherungsschutz bei Häusern zahlenmäßig beschränkt auf ein Einfamilienhaus und ein Wochenend- oder Ferienhaus.108
104 105 106 107 108 497
Dickmann VersR 2016 489, 494. Stockmeier AVB PHV A1-6.2 Rn. 18; wie hier Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 25. Zum Begriff des Wochenendhauses s. OLG Hamm 30.5.1986 – 20 U 18/86, VersR 1987 194, 195 f. LG Bonn 22.12.1978 – 3 O 432/78, VersR 1979 570; Späte PrivH Rn. 21; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3082. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 41. Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
66 aa) Eigentums-/Ferienwohnung (Ziff. 1.4 (1) BBR PHV). Eine „Wohnung“ ist jede Zusammenfassung von Räumen, die Wohnzwecken dient (zum Begriff der Ferienwohnung s. Ausführungen zum Ferienhaus, Rn. 69). Handelt es sich bei der Wohnung um eine Eigentumswohnung, besteht für die Haftpflichtansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums kein Versicherungsschutz für den Miteigentumsanteil des VN an dem gemeinschaftlichen Eigentum (kein Fremd-, sondern Eigenschaden). Insoweit ist eine quotale Kürzung der Ansprüche vorzunehmen.
67 bb) Einfamilienhaus (Ziff. 1.4 (2) BBR PHV). Nach der Begründung des Gesetzes über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser vom 12.6.2020109 ist ein Einfamilienhaus „jedes Gebäude, das in erster Linie den Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts dient. Unschädlich ist jedoch eine weitere Wohnung von untergeordneter Bedeutung (zum Beispiel Einliegerwohnung). Auf die rechtliche Ausgestaltung kommt es nicht an“.110 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Ob der durchschnittliche VN ein Einfamilienhaus gleichsetzen wird mit einem Haus, das den Mitgliedern eines einzelnen Haushalts zu Wohnzwecken dient, ist fraglich. Er dürfte für die Abgrenzung, ob ein Ein- oder Mehrfamilienhaus vorliegt, eher auf die Bauweise abstellen. 68 Charakteristisch für ein Mehrfamilienhaus sind mehrere, jeweils für sich abgeschlossene Wohnungen mit gesonderter Wohnungstür. Wird ein Anwesen zum Bewohnen durch die Familie errichtet und als Einfamilienhaus konzipiert, verliert es durch die spätere Vermietung einzelner Bereiche seinen Charakter nicht.111 Gleiches gilt, wenn das Einfamilienhaus eine abgeschlossene „Einliegerwohnung“ hat, in der mitversicherte Familienangehörige leben.112 Im letztgenannten Fall kann auch ein zuvor als Mehrfamilienhaus dienendes Gebäude Einfamilienhaus sein.
69 cc) Wochenend-/Ferienhaus (Ziff. 1.4 (3) BBR PHV). Für die Einordnung als Wochenendoder Ferienhaus kommt es nicht auf die Zahl der Haushalte an, dem es dient. Maßgeblich ist vielmehr der Zweck der Nutzung im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Wochenend- und Ferienhäuser dienen der Erholung.
70 (1) Ferienhaus. Blickt man ins Baunutzungsrecht, sind nach § 10 Abs. 4 BauNVO in Ferienhausgebieten Ferienhäuser zulässig, „die aufgrund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen“.
Insbesondere das Merkmal, dass sie bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen, dürfte nach dem Verständnis des durchschnittlichen VN charakteristisch für ein Ferienhaus sprechen. Dieses Merkmal ist auch für den Begriff der Ferienwohnung in Abgrenzung zur (Dauer-)Wohnung wesentlich.
109 110 111 112 Koch
BGBl. 2020 I 1245. BTDrucks. 19/15827 S. 18 zu § 556b BGB. OLG Karlsruhe 8.5.1996 –13 U 107/95, RuS 1996 346, 347. Vgl. Späte PrivH Rn. 21; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3084. 498
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
(2) Wochenendhaus. Eine vergleichbare Legaldefinition für den Begriff des Wochenendhau- 71 ses enthält die BauNVO nicht. Auch die einschlägige Rechtsprechung hat bislang keine Definition entwickelt. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung muss es sich in Abgrenzung zum Dauerwohnen bei Wochenendhausnutzungen um vorübergehende Wohnnutzungen handeln,113 mag das Wochenendhaus auch tatsächlich zum dauernden Wohnen geeignet sein.114 Die Nutzung ist weniger intensiv als z.B. diejenige eines Ferienhauses.115 Dieses Verständnis ergibt sich für den VN aus dem Begriffsteil „Wochenend-“ sowie der Zweckbestimmung. Insbesondere sind Wochenendhäuser – anders als Ferienhäuser – nicht dazu bestimmt, ständig wechselnden Benutzern zur Verfügung zu stehen. Vielmehr dient ein Wochenendhaus einem zumindest kaum wechselnden Nutzerkreis, also etwa einer primären Nutzung durch den Eigentümer. Nicht ausgeschlossen ist allerdings eine gelegentliche Überlassung an Dritte (z.B. Freunde und Bekannte).116 Der Begriffsteil „Wochenend-“ bedeutet im Übrigen nicht, dass das Haus ausschließlich an Wochenenden benutzt wird.117
dd) Inlandsbelegenheit. Unter dem Begriff Inland ist das gesamte Hoheitsgebiet der Bun- 72 desrepublik Deutschland zu verstehen. Für (Ferien-)Wohnungen und (Einfamilien-/Wochenend-/Ferien-)Häuser im Ausland ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dies ergibt sich auch aus Ziff. 7.9 AHB 2016. Standardmäßig wird Versicherungsschutz für die vorübergehende Benutzung oder Anmietung (nicht den Eigentumserwerb) von im Ausland gelegenen Wohnungen und Häusern für einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt von bis zu einem Jahr gewährt (Ziff. 5.1 BBR PHV). Ziff. 1.4 BBR PHV findet keine Anwendung auf andere, nicht unter diese Aufzählung fallende Objekte. Für Risiken aus dem Besitz eines Pferdestalles besteht deshalb grundsätzlich Deckung, soweit nicht ein Ausschlusstatbestand eingreift, z.B. weil dieses Risiko dem beruflichen/betrieblichen Bereich zuzuordnen ist.118 b) Begriff des Inhabers. Nicht erforderlich ist, dass der VN Eigentümer der Wohnung oder 73 der Häuser ist. Der – juristisch nicht eindeutige – Begriff des Inhabers ist also nicht gleichbedeutend mit dem des Eigentümers, sondern geht darüber hinaus. Auch der kraft eines Schuldverhältnisses berechtigte Besitzer (z.B. Mieter oder Pächter) ist als Inhaber anzusehen.119 Dies ergibt sich daraus, dass nach Ziff. 1.4 BBR PHV auch für die durch Vertrag vom VN ausschließlich als Mieter, Pächter oder Entleiher übernommene gesetzliche Haftpflicht für Verkehrssicherungspflichten des Vermieters, Verleihers oder Verpächters versichert ist. Insoweit ist unmittelbarer Besitz für die Inhaberschaft nicht erforderlich; mittelbarer Besitz genügt. Der VN ist selbst dann noch als Inhaber i.S.v. Ziff. 1.4 BBR PHV anzusehen, wenn er seine Wohnung oder sein Haus nicht selbst zu Wohnzwecken nutzt.120 Es genügt, Verwandte oder Bekannte darin wohnen zu lassen.121
113 114 115 116 117 118 119
OVG Münster 23.10.2006 – 7 A 4947/05, BeckRS 2006 26870. Vgl. BVerwG 18.1.1991 – 8 C 63.89, NVwZ 1991 678, 679 m.w.N. BeckOK-BauNVO/Michallik § 10 Rn. 53; König/Roeser/Stock/Stock BauNVO 4. Aufl. (2019) § 10 Rn. 20. BeckOK-BauNVO/Michallik § 10 Rn. 53; König/Roeser/Stock/Stock BauNVO 4. Aufl. (2019) § 10 Rn. 20. BeckOK-BauNVO/Michallik § 10 Rn. 53. Vgl. OLG Hamm 18.10.1989 – 20 W 45/89, VersR 1990 775, 776. Vgl. OLG Düsseldorf 28.10.1997 – 4 U 101/96, VersR 1998 966; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 40; Stockmeier AVB PHV A1-6.3 Rn. 16 f. 120 Vgl. OLG Düsseldorf 28.10.1997 – 4 U 101/96, VersR 1998 966; OLG Karlsruhe 8.5.1996 – 13 U 107/95, VersR 1997 100, 101 = RuS 1996 346, 347. 121 OLG Düsseldorf 28.10.1997 – 4 U 101/96, VersR 1998 966, 967; OLG Karlsruhe 8.5.1996 – 13 U 107/95, VersR 1997 100, 101 = RuS 1996 346, 347. 499
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
74 c) Verwendung ausschließlich zu Wohnzwecken. Voraussetzung für die Deckung ist, dass die Wohnungen und Häuser vom VN „ausschließlich zu Wohnzwecken“ verwendet werden. Bei dem Begriff „zu Wohnzwecken“ handelt es sich nicht um einen eindeutig festgelegten Begriff der Rechtssprache, so dass für die Auslegung die Verkehrsanschauung das Maß gibt, die sich wiederum am allgemeinen Sprachgebrauch und am allgemeinen Sprachverständnis orientiert. Kein ausschließlich zu Wohnzwecken dienender Gebrauch liegt vor in Mischnutzungsfällen, z.B. wenn der privathaftpflichtversicherte VN in seinem Einfamilienhaus auch einen Betrieb unterhält oder ein Architektenbüro betreibt.122 Dagegen wird die Nutzung zu Wohnzwecken nicht dadurch berührt, dass einzelne Räume für bestimmte Freizeitaktivitäten (z.B. als Musikzimmer) oder als häusliches Arbeitszimmer genutzt werden. 75 Zu weit geht die Ansicht Lückes, der die ausschließliche Nutzung zu Wohnzwecken durch eine gewerbliche oder berufliche Nutzung als nicht berührt ansieht, „soweit das Gewerbe oder der Beruf nicht üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden und keine den Wohncharakter stark beeinträchtigende Einrichtung erfordern (Schriftsteller, Musiklehrer, Hausschneiderin, Heimarbeiter)“.123 Wird der im „Home-Office“ tätige VN von einem Dritten wegen Schäden aus der Übermittlung elektronischer Daten z.B. per E-Mail (Ziff. 4 BBR PHV) oder wegen Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Missbrauch personenbezogener Daten (Ziff. 6.1 BBR PHV) in Anspruch genommen, besteht kein Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung, sondern nur im Rahmen einer für sich selbst abgeschlossenen Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung oder im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers. 76 Eine sachgerechte Eingrenzung des Erfordernisses der ausschließlichen Nutzung zu Wohnzwecken wird dadurch bewirkt, dass sich im Versicherungsfall ein mit der wohnzweckfremden Nutzung verbundenes spezifisches Risiko verwirklicht haben muss. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn die Wohnungen und Häuser im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls tatsächlich allein zu Wohnzwecken benutzt wurden. Deckung besteht somit auch für Wohnungen und Häuser, die der VN für gewerbliche Zwecke gemietet oder erworben hat, (mittlerweile) tatsächlich aber für Wohnzwecke gebraucht. Keine Deckung besteht dagegen, wenn der Inhaber die Absicht aufgegeben hat, die Wohnungen und Häuser zu Wohnzwecken zu nutzen.
2. Vermieterhaftpflichtrisiko 77 a) VN als Vermieter, Verleiher oder Verpächter. Beschränkungen bestehen hinsichtlich des Haftpflichtrisikos des VN in seiner Eigenschaft als Vermieter einer (Ferien-)Wohnung, Einfamilienhauses oder Wochenend-/Ferienhauses aus der (Unter-/Weiter-)Vermietung zu Wohnzwecken. Betroffen sind sowohl Schäden, die der Mieter in den gemieteten Räumen erleidet, als auch Schadensfälle im Hauseingang oder auf dem Gehweg vor dem Haus.124 Für dieses Risiko besteht Versicherungsschutz, soweit der VN nicht mehr als drei einzelne Räume seiner Wohnung oder seines Hauses (unter-/weiter-)vermietet. Werden mehr Räume (unter-/weiter-)vermietet, dürfte bereits eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen, für die an sich kein Versicherungsschutz – auch nicht über die Vorsorgeversicherung – besteht. Jedoch erklärt Ziff. 1.4 BBR PHV für diesen Fall ausdrücklich, dass die Vorsorgeversicherung eingreift, und zwar insgesamt, d.h. auch für die ersten drei vermieteten Räume. Deckungsunschädlich ist, wenn der Mieter abredewidrig einen „zu Wohnzwecken vermieteten“ Raum tatsächlich zu anderen Zwecken nutzt.
122 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 27. 123 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 27; ihm folgend Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 46. 124 OLG Karlsruhe 8.5.1996 – 13 U 107/95, VersR 1997 100, 101 = RuS 1996 346, 347; Heimbücher VW 1978 994, 995. Koch
500
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Bei der Vermietung einer ganzen (Einlieger-)Wohnung besteht dagegen kein Versiche- 78 rungsschutz,125 mag es sich dabei auch nur um eine Einzimmerwohnung handeln. Nicht versichert ist zudem die Haftpflicht aus der Vermietung von Räumen zu gewerblichen Zwecken und die Vermietung von Garagen.126 Eine Mitversicherung über die Vorsorgeversicherung käme nur aufgrund ausdrücklicher Anordnung in Betracht, an der es jedoch fehlt. Zu beachten ist, dass durch die (Unter-/Weiter-)Vermietung von Wohnungen oder mehr als drei Räumen nur die Versicherung des Haftpflichtrisikos des VN in seiner Eigenschaft als Vermieter berührt wird, das gegenüber dem Mieter und dessen Gästen besteht.127 Das Risiko, in seiner Eigenschaft als Eigentümer wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftpflichtig zu werden, bleibt versichert, z.B. wenn ein am Haus entlang gehender Passant durch einen herabfallenden Dachziegel verletzt wird.128 Nach zutreffender Ansicht des OLG Düsseldorf greift der Ausschluss der Haftpflicht aus der Vermietung von Wohnungen nicht ein bei unentgeltlicher Überlassung zu Wohnzwecken.129
b) VN als Mieter, Entleiher oder Pächter. Vorstehende Beschränkungen gelten entspre- 79 chend, wenn der VN in seiner Eigenschaft als Mieter, Pächter oder Entleiher von Wohnraum den Vermieter, Verleiher oder Verpächter treffende Verkehrssicherungspflichten vertraglich übernommen hat.
3. Bauherrenrisiko Versicherungsschutz besteht auch für das Risiko des Wohnungs-/Hausinhabers, als Bauherr 80 oder Unternehmer von Bauarbeiten in Anspruch genommen zu werden (z.B. wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und Unterlassung von Sicherungsvorkehrungen im Zusammenhang mit der Bautätigkeit), sofern die Bausumme A 50.000 („je Bauvorhaben“) nicht überschreitet (sog. Bauherrenklausel). Der Begriff „Bauarbeiten“ umfasst – wie durch den Klammerzusatz klargestellt wird – Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch- und Grabearbeiten. Auch für – sich länger hinziehende – Renovierungsarbeiten besteht somit Versicherungsschutz.130 Bauherr ist derjenige, der in seiner Eigenschaft als Wohnungs-/Hausinhaber in eigener 81 Regie Bauarbeiten vornimmt oder vornehmen lässt.131 Die Haftpflichtfälle müssen sich während der Bauphase ereignet haben.132 Sie dürfen nicht auf Sicherheitsrisiken beruhen, die sich erst nach Abschluss der Bauarbeiten als Folge verbliebener Baumängel verwirklicht haben.133 Für solche Haftpflichtfälle haftet der Inhaber nicht mehr als Bauherr, sondern als Haus-/Wohnungs-
125 OLG Frankfurt/M. 10.2.2012 – 5-2 StE 7/11 – 2-4/11, RuS 2013 171; vgl. LG Wiesbaden 15.7.2011 – 9 O 64/11, BeckRS 2012 15470; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 30; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 44; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3085. 126 Vgl. OLG Frankfurt/M. 10.2.2012 – 7 U 184/11, RuS 2013 171. 127 OLG Frankfurt 8.5.1996 – 3 Ws 272/96, RuS 1996 346, 347; Späte PrivH Rn. 21; Heimbücher VW 1978 994, 995. 128 OLG Karlsruhe 8.5.1996 – 13 U 107/95, VersR 1997 100, 101 = RuS 1996 346, 347; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 30; zur Abgrenzung zur Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung s. OLG Hamm 25.1.2012 – I-20 U 120/11, NJW-RR 2012 1056. 129 Vgl. OLG Düsseldorf 28.10.1997 – 4 U 101/96, VersR 1998 966, 967. 130 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – I-4 U 121/07, BeckRS 2009 23757. 131 Vgl. OLG Düsseldorf 17.6.2008 – I-4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 189/04, VersR 2006 353, 354; Späte PrivH Rn. 25. 132 Vgl. auch ÖOGH 3.5.1979 – 7 Ob 7/79, VersR 1981 268. 133 OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 189/04, VersR 2006 353, 354. 501
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
eigentümer, sodass Versicherungsschutz im Rahmen des zuvor beschriebenen Haus- und Wohnungsrisikos besteht (Rn. 65 ff.).134 82 Die Begrenzung auf A 50.000 je Bauvorhaben ist nach der Gesamtplanung vorzunehmen.135 Eine Aufgliederung eines einheitlichen Bauvorhabens in einzelne Teile ist daher unzulässig, weil dadurch der Zweck der Risikobeschränkung vereitelt würde.136 Maßgeblich für die Berechnung sind grundsätzlich die dem VN tatsächlich entstehenden Kosten.137 Soweit er Arbeiten in Eigenleistung erbringt, für die kein Geldbetrag aufgewendet werden muss, sind zunächst die (fiktiven) ortsüblichen Kosten zu ermitteln, die der VN bei Beauftragung eines Dritten gezahlt hätte.138 Von den so ermittelten Kosten ist ein Abschlag zu machen, weil Eigenleistungen des Bauherrn in jedem Fall kostengünstiger, zudem umsatzsteuerfrei wären.139 Übersteigen die Kosten diese Grenze, besteht Versicherungsschutz kraft ausdrücklicher Anordnung nur nach Maßgabe der Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB 2016).
4. Grundstücksbesitzerrisiko/Insolvenzverwalterhaftpflicht 83 Mitversichert ist die Haftpflicht des VN als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestanden hat. Nach dieser Vorschrift haftet der frühere Besitzer des Grundstücks für einen Schaden, wenn der Einsturz oder die Ablösung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eintritt, es sei denn, dass er während seines Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder ein späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können. Mitversichert ist schließlich auch die gesetzliche Haftpflicht des Insolvenzverwalters in dieser Eigenschaft (§ 60 Inso). Insoweit wird der Anwendungsbereich der Privathaftpflichtversicherung – abweichend von Ziff. 1 Satz 1 BBR PHV – auf die Gefahren eines Berufes ausgedehnt.
VI. Radfahrer (Ziff. 1.5 BBR PHV) 1. Begriff 84 Versichert ist insbesondere die gesetzliche Haftpflicht des VN als Radfahrer. Gemeint ist damit der Führer eines Fahrrads. Was unter einem Fahrrad zu verstehen ist, ist seit 1.6.2017 gesetzlich in § 63a StVZO geregelt. Gem. § 63a Abs. 1 StVZO ist ein Fahrrad ein Fahrzeug mit mindestens zwei Rädern, das ausschließlich durch die Muskelkraft auf ihm befindlicher Personen mit Hilfe von Pedalen oder Handkurbeln angetrieben wird.140 Zudem bestimmt § 63a Abs. 2 Satz 1 StVZO, dass als Fahrrad auch Fahrzeuge gelten, die mit einer elektrischen Trethilfe ausgerüstet sind, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer größten Nenndauerleistung von 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder wenn der Fahrer mit dem Treten oder Kurbeln einhält, unterbrochen wird (E-Bike oder Pedelec – Abkürzung von
134 OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 189/04, VersR 2006 353, 354; OLG Hamm 12.5.1982 –7 Ss 343/82, VersR 1983 257.
135 OLG Düsseldorf 17.6.2008 – I-4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; AG Saarbrücken 17.12.1985 – 5 C 92/85, VersR 1986 754; ÖOGH 29.9.1988 – 7 Ob 30/88, VersR 1989 826. 136 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 34; ÖOGH 29.9.1988 – 7 Ob 30/88, VersR 2015 1317. 137 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 34. 138 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – I-4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; vgl. auch OLG Bamberg 21.2.2013 – 1 U 146/12, NZBau 2013 382, 383; ÖOGH 29.9.1988 – 7 Ob 30/88, VersR 2015 1317. 139 Offengelassen von OLG Bamberg 21.3.2013 – 1 U 146/12, NZBau 2013 382, 383. 140 Vgl. auch BVerwG 31.5.2001 – 3 B 183.00, NZV 2001 493, 494. Koch
502
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Pedal Electric Cycle – genannt). § 63a Abs. 2 Satz 2 StVZO schließt auch Fahrräder ein, die über einen Hilfsantrieb verfügen, der eine Beschleunigung des Fahrzeugs auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten oder Kurbeln des Fahrers, ermöglicht (Anfahr- oder Schiebehilfe). Vor diesem legislatorischen Hintergrund dürfte der durchschnittliche VN unter dem Begriff des Radfahrers i.S.v. Ziff. 1.5 BBR PHV auch den Fahrer eines E-Bike verstehen.141 Im Übrigen bedeutet die beispielhafte Nennung des Radfahrers nicht, dass die gesetzliche 85 Haftpflicht des VN als Führer von Fahrzeugen ausgeschlossen ist, die nicht dem traditionellen Zweiradbegriff entsprechen. Unabhängig von der beispielhaften Nennung des Radfahrers und den Vorstellungen des VN von einem Fahrrad besteht deshalb auch Schutz für Schäden durch den Gebrauch von Liegefahrrädern,142 Lastenfahrrädern oder sog. „Bierbikes“ (vierrädriges Partyfahrzeug mit einer Rundumtheke)143 oder Tretrollern.
2. Elektromobilität Die Grenze des Versicherungsschutzes für Fahrzeuge mit elektromotorischem Hilfsantrieb bildet 86 Ziff. 3 BBR PHV. Kein Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung besteht für Schäden durch den Gebrauch von Elektrokleinstfahrzeugen i.S.v. § 1 eKFV, bei denen es sich gem. § 1 Abs. 2 StVG um Kfz handelt (z.B. E-Scooter, selbstbalancierte Fahrzeuge (z.B. Segway), ESkateboards, Mono-Wheeler).144 Da unter den Begriff Elektrokleinstfahrzeug Kfz mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h fallen (vgl. § 1 Abs. 1 eKFV), sind Schäden nur unter den Voraussetzungen von Ziff. 3.2 (1) BBR PHV versichert (Gebrauch auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen). Das Fahren mit E-Bikes ist nicht als ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung i.S.v. 87 Ziff. 1.1 (2) BBR PHV zu qualifizieren. Zwar versetzen E-Bikes die Fahrer in die Lage, eine Geschwindigkeit zu erreichen, die ihr körperlicher Zustand in Bezug auf die zentralen Grundvoraussetzungen für eine sichere Verkehrsteilnahme (Wahrnehmung, Reaktionsvermögen und Aufmerksamkeit) nicht mehr (ältere Menschen) oder noch nicht (junge Minderjährige) zulässt. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass E-Bikes schwerer sind als herkömmliche Fahrräder (als Faustregel gilt, dass die elektrischen Komponenten in etwa 7 kg wiegen). Dies hat zur Folge, dass selbst unter der Prämisse, dass E-Bike-Fahrer nicht mit höherer Geschwindigkeit unterwegs sind als die Fahrer von Fahrrädern ohne Hilfsantrieb, ein höheres Fremdschadensrisiko besteht. Diese Einschätzung wird durch die Daten des Statistischen Bundesamts bestätigt.145 Allein der Umstand, dass bestimmte Altersgruppen der von ihnen gewählten Geschwindigkeit noch nicht oder nicht mehr gewachsen sind, rechtfertigt es jedoch nicht, das Fahren mit einem E-Bike für alle Verkehrsteilnehmer per se als ungewöhnlich und gefährlich einzuordnen.146 Letzteres gilt auch hinsichtlich des Laden des Akkus, das ebenfalls zu den Gefahren des 88 täglichen Lebens zählt. Zwar geht mit dem Aufladen der Lithium-Ionen-Akkumulatoren im Vergleich zu anderen Akkumulatortypen ein höheres Brandrisiko einher, weshalb sich die Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter bei Aufladung in der Wohnung erhöht. Solange sich dieses Risiko jedoch in einer äußerst niedrigen Größenordnung bewegt und durch Beachtung der Herstellerhinweise begrenzt werden kann, handelt es sich auch beim Aufladen in der Wohnung um keine Tätigkeit, die wegen der mit ihr verbundenen Gefahren von einem durchschnittlichen VN vernünftigerweise nicht ausgeübt wird. Es fehlt somit an dem Merkmal der Ungewöhnlichkeit 141 142 143 144 145 146 503
Vgl. Koch NJW 2020 183, 186. BVerwG 31.5.2001 – 3 B 183.00, NZV 2001 493, 494. Zu Einzelheiten s. Stockmeier VersR 2013 823, 826. Vgl. Koch NJW 2020 183, 185. Vgl. Koch NJW 2020 183. Vgl. Koch NJW 2020 183, 186. Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
der Beschäftigung.147 In dem Aufladen in der Wohnung dürfte auch keine übermäßige Beanspruchung der Mietsache zu sehen sein, so dass der Ausschluss von Mietsachschäden gem. Ziff. 5.2 (2) BBR PHV nicht eingreift. Für Personenschäden besteht in jedem Fall Deckung.
VII. Sportrisiko (Ziff. 1.6 BBR PHV) 1. Teilnahme an Pferde-, Rad- oder Kfz-Rennen 89 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Ausübung von Sport, ausgenommen ist eine jagdliche Betätigung (Rn. 93) und die Teilnahme an Pferde-, Rad- oder Kfz-Rennen sowie ein zur Vorbereitung des Rennens von einem Veranstalter organisiertes oder vorgeschriebenes Training, bei dem die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten geübt wird. In älteren Fassungen hieß es nur „die Vorbereitung hierzu (Training)“. Nach der Verkehrsanschauung liegt ein Rennen vor, wenn es im Rahmen einer organisierten Veranstaltung stattfindet148 und eine Platzierung der Teilnehmer erfolgt.149 Neben dem VN muss somit noch mindestens eine weitere Person an dem Wettkampf teilnehmen. Nicht organisierte, sog. „wilde“ Rennen, die zwei oder mehrere Personen spontan durchführen, stellen kein Rennen i.S.v. Ziff. 1.5 BBR PHV dar (z.B. private Rennen zwischen ehrgeizigen Reitern, Rad- oder Autofahrern, die ausprobieren wollen, wer von ihnen schneller Rad/Auto fährt oder ein schnelleres Pferd reitet).150 90 Nach Sinn und Zweck der Klausel geht es allerdings nicht nur um die Fernhaltung der Gefahr, die sich aus der hohen Geschwindigkeit als solcher ergibt,151 sondern auch um die Fernhaltung spezifischer Risiken, die sich aus der Teilnahme an einem Rennen (z.B. erhöhte physische und psychische Belastung für den Fahrer/Reiter) und dem Austesten von Grenzbereichen sowohl hinsichtlich der Person des Fahrers/Reiters als auch hinsichtlich der Eigenschaften des Fahrrads/Kfz oder des Pferdes ergeben. Es geht also in erster Linie um die Gefahren, die aus dem Streben des VN nach einem Höchstmaß an Geschwindigkeit resultieren. Reine Geschicklichkeitswettbewerbe, wie z.B. Dressurreiten, fallen somit nicht unter den Ausschluss.152 Weder Dressur- noch Springreitwettbewerbe werden nach allgemeinem Sprachgebrauch und -verständnis als Pferderennen angesehen, mag es auch beim Springreiten im Stechen um die Schnelligkeit gehen. 91 Nach herrschender Ansicht gilt der Ausschluss für Veranstaltungen, bei denen sowohl Geschwindigkeit als auch andere Leistungen gewertet werden, nur für den Teil, der auf Geschwindigkeit angelegt ist.153 Dieser Ansicht ist grundsätzlich zu folgen. Sie setzt allerdings voraus, dass zwischen den Wettbewerbsteilen/-phasen getrennt werden kann. So liegt der Fall bei Sportarten, die sich aus mehreren Disziplinen zusammensetzen, wie z.B. Triathlon. Hier ist nur die Haftpflicht ausgeschlossen, die aus dem (Fahrrad-)Rennen resultiert. Beim Vielseitigkeitsreiten sind nur die Risiken aus dem Geländeritt ausgeschlossen. Ist eine Trennung zwischen den Wettbewerbsteilen/ -phasen nicht möglich, besteht Versicherungsschutz bereits dann, wenn die Geschicklichkeitsteile/-phasen nicht gänzlich untergeordnet zu den Wettkampfteilen/-phasen sind.154
147 Vgl. Koch NJW 2020 183, 186. 148 Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 37. 149 Vgl. OLG Köln 21.11.2006 – 9 U 76/06, RuS 2007 12, 13 zu AKB; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 5; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 37.
150 Vgl. Littbarski AHB § 4 Rn. 68; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 37; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3090. 151 Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 37; OLG Celle 9.10.2003 – 8 U 256/02, VersR 2005 1066, 1067; OLG Köln 21.11.2006 – 9 U 76/06, RuS 2007 12, 13 zu § 2 Abs. 1 Satz 5 AUB 94.
152 Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 38; OLG Celle 9.10.2003 – 8 U 256/02, VersR 2005 1066, 1067; OLG Köln 21.11.2006 – 9 U 76/06, RuS 2007 12 zu § 2 Abs. 1 Satz 5 AKB a.F.
153 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 38; Littbarski AHB § 4 Rn. 71; Kuwert AHB 2016 Rn. 4027. 154 Vgl. auch Bruck/Möller/Koch § 100 Rn. 78 ff. Koch
504
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Unter Teilnahme ist nur die aktive Beteiligung zu verstehen.155 Diese ist im Falle von Bei- 92 fahrern und Schrittmachern bei Radrennen gegeben, nicht hingegen bei Schiedsrichtern,156 Veranstaltern, Aufsichtspersonen oder gar Zuschauern.157 Ist die Haftung der Aufsichtspflichtigen für eine Handlung eines Teilnehmers gegeben, z.B. nach § 832 BGB, oder wird der Aufsichtspflichtige zu Unrecht in Anspruch genommen, besteht ebenfalls Versicherungsschutz. Ausgenommen bleiben ferner die Risiken aus jagdlicher Betätigung.158 Hierunter fallen 93 nicht nur die Jagdausübung selbst, sondern auch alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der (Wild-)Hege stehen wie z.B. die Errichtung und Unterhaltung baujagdlicher Einrichtungen, Wildfütterung, Bergung von Fallwild auf Straßen.159
2. Training Soweit der Ausschluss auch für das Training zu den genannten Sportarten gilt, ist zu beachten, 94 dass das Training selbst Wettkampfcharakter haben muss. Es muss organisiert und auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ausgerichtet sein.160 Reines Konditionstraining fällt nicht unter den Ausschluss. Weitere Voraussetzung ist, dass das Training „von einem Veranstalter“ organisiert oder vorgeschrieben wird. Insofern ist für das Eingreifen des Ausschlusses nicht erforderlich, dass der Veranstalter des Trainings personengleich ist mit dem Veranstalter des Rennens. Aus der Formulierung „zur Vorbereitung des Rennens“ wird der VN jedoch folgern, dass sich das Training unmittelbar auf ein konkretes Rennen beziehen muss.161 Im Hinblick auf den Wettkampfcharakter des Rennens wird der VN Training in dem Sinne verstehen, dass mindestens eine weitere Person an dem Training teilnimmt. Einzelfahrten/-ritte werden deshalb nicht von dem Ausschluss erfasst.162 Hinsichtlich des Ausschlusses von Pferderennen ist zu beachten, dass das bloße Halten 95 von Pferden nach Ziff. 1.8 BBR PHV nicht versichert ist. Das hieraus resultierende Haftpflichtrisiko kann nur durch die Tierhalterhaftpflichtversicherung abgedeckt werden. Für Kfz-Rennen auf öffentlichen Wegen und Plätzen besteht auch deshalb keine Deckung, weil nach Ziff. 3.1 BBR PHV die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kfz wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Kfz verursacht werden, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.
VIII. Waffenklausel (Ziff. 1.7 BBR PHV) 1. Inhalt und Zweck Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem 96 Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen, nicht jedoch zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen. Nach Ansicht des BGH beschreibt die sog. „Waffenklausel“ positiv, für welche Formen des Umgangs mit Waffen, Munition und Geschossen
155 156 157 158 159 160 161
Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 39; Littbarski AHB § 4 Rn. 65. A.A. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 39; Littbarski AHB § 4 Rn. 65. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 39; Littbarski AHB § 4 Rn. 66. Zur Versicherung der Jagdhaftpflicht s. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 50 ff. Stockmeier AVB PHV A1-6.7 Rn. 20. Vgl. OLG Köln 21.11.2006 – 9 U 76/06, VersR 2007 683, 684 zu § 2b AKB. A.A. zu A.2.16.2 AKB 2008 („Dies gilt auch für dazugehörige Übungsfahrten“): Stiefel/Maier/Halbach AKB 2.16 Rn. 60. 162 A.A. Bruck/Möller/R. Johannsen8 Anm. G 169; Littbarski AHB § 4 Rn. 70; wohl auch Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 39. 505
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Deckung besteht. Andererseits bringe die Klausel zugleich negativ – im Umkehrschluss – zum Ausdruck, was insoweit – d.h. im Hinblick auf die Formen des Umgangs – nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei.163 Die Klausel kann somit wie folgt gelesen werden: „Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem unerlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen.“
2. Begrifflichkeiten 97 Die von der Klausel verwendeten Begriffe nehmen erkennbar auf das (öffentlich-rechtliche) Waffenrecht Bezug. Deshalb ist zur Auslegung auf die Begriffsbestimmungen des Bundeswaffengesetzes zurückzugreifen, wobei nach Ansicht der Rechtsprechung die jeweils (im Zeitpunkt des Versicherungsfalles) geltende Fassung zu Grunde zu legen ist.164 Ein Teil der Rechtsprechung, die auf der Basis des Waffengesetzes i.d.F. vor dem 1.4.2003 ergangen ist, und der daran anknüpfenden Kommentierungen165 ist somit Makulatur. Nach dieser Rechtsprechung fallen unter den Begriff der Schusswaffen Druckluftwaffen, die als Kinderspielzeug dienen,166 sowie Vorderladerbüchsen,167 nicht hingegen Gas- und Schreckschusspistolen,168 Feuerwerkskörper169 oder Seenotraketen.170
98 a) Schusswaffen. In der aktuellen Fassung des Waffengesetzes zählen gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und 4 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 und Nr. 2 zu den Schusswaffen („Arten von Schusswaffen“) nicht nur Feuerwaffen (Nr. 2.1), automatische Schusswaffen (Nr. 2.2), Repetierwaffen (Nr. 2.3), Einzelladerwaffen (Nr. 2.4) und Langwaffen (Nr. 2.5), sondern eben auch Schreckschusswaffen (Nr. 2.6), Reizstoffwaffen (Nr. 2.7), Signalwaffen (Nr. 2.8) sowie Druckluft- und Federdruckwaffen und Waffen, bei denen zum Antrieb der Geschosse kalte Treibgase verwendet werden (z.B. Druckgaswaffen)(Nr. 2.9). Soft-Air-Spielzeugwaffen mit einer Bewegungsenergie der Geschosse von weniger als 0,08 Joule sind hingegen nicht als Waffen anzusehen.171
99 b) Munition. Munition ist nach der gesetzlichen Definition des § 1 Abs. 4 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 (Munition und Geschosse) zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmte Patronenmunition (Hülsen mit Ladungen, die ein Geschoss enthalten, und Geschosse mit Eigenantrieb) (Nr. 1.1), Kartuschenmunition (Hülsen mit Ladungen, die ein Geschoss nicht enthalten) (Nr. 1.2), hülsenlose Munition (Ladung mit oder ohne Geschoss, wobei 163 BGH 3.11.2004 – IV ZR 250/03, RuS 2005 57, 58; vgl. auch OLG Frankfurt 29.9.1995 – 24 U 75/94, RuS 1997 189, 190.
164 Vgl. BGH 3.11.2004 – IV ZR 250/03, RuS 2005 57, 58 = VersR 2005 69, 70; BGH 22.2.1978 – IV ZR 105/76, VersR 1978 409; vgl. auch LG Saarbrücken 8.6.1983 – 14 O 512/82, RuS 1985 4, 5; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 41. 165 Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4 ff. 166 BGH 24.6.1963 – II ZR 51/61, VersR 1963 766, 767; BGH 10.3.1966 – II ZR 61/64, VersR 1966 674; OLG Celle 9.5.1986 – 8 U 126/85, zfs 1986 281. 167 LG Köln 12.5.1980 – 74 O 599/78, VersR 1980 1162. 168 BGH 22.2.1978 – IV ZR 105/76, VersR 1978 409 f.; OLG Frankfurt 28.1.1987 – 3 VAs 55/86, zfs 1987 153; OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, VersR 1992 86, 87; AG Rahden 9.12.1988 – 2 C 145/88, VersR 1989 582. 169 Ebenso wenig Signalraketen: OLG Hamm 12.7.1989 – 20 U 81/89, RuS 1989 283. 170 OLG Hamm 3.11.1989 – 20 U 66/89, VersR 1991 217, 218. 171 MüKoStGB/Heinrich § 2 WaffG Rn. 37; vgl. VG Hannover 15.3.2007 – 6 A 8697/06, BeckRS 2007 23191 zum WaffG a.F.: 0,5 Joule. Koch
506
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
die Ladung eine den Innenabmessungen einer Schusswaffe oder eines Gegenstandes nach Unterabschnitt 1 Nr. 1.2 angepasste Form hat)(Nr. 1.3), pyrotechnische Munition (Nr. 1.4). Ladungen sind die Hauptenergieträger, die in loser Schüttung in Munition oder als vorgefertigte Ladung oder in loser Form in Waffen nach Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 eingegeben werden und zum Antrieb von Geschossen oder Wirkstoffen oder zur Erzeugung von Schall- oder Lichtimpulsen bestimmt sind, sowie Anzündsätze, die direkt zum Antrieb von Geschossen dienen (Nr. 2).
c) Geschosse. Geschosse sind nach § 1 Abs. 4 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterab- 100 schnitt 3 für Schusswaffen bestimmte feste Körper (Nr. 3.1) und gasförmige, flüssige oder feste Stoffe in Umhüllungen (Nr. 3.2). d) Hieb- und Stoßwaffen. Hieb- und Stoßwaffen sind Gegenstände, die ihrem Wesen nach 101 dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen von Menschen herbeizuführen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a) WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1). Hierzu zählen u.a. Dolche, Degen, Säbel, Totschläger,172 nicht aber Taschenmesser, ein gewöhnliches Fahrtenmesser oder Äxte und Beile.173 Für Ansprüche wegen Verletzungen, die aus dem Gebrauch der letztgenannten Gegenstände resultieren, besteht Deckung, soweit nicht ein Ausschlusstatbestand eingreift.
3. Versicherte Gefahren a) Erlaubter privater Besitz. Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN „aus dem er- 102 laubten privaten Besitz“ einerseits und „aus dem Gebrauch von Waffen“ andererseits. Keine Voraussetzung für die Deckung ist somit, dass die Haftpflichtansprüche resultieren „aus dem erlaubten privaten Besitz und dem anschließenden Gebrauch“.174 Deshalb muss nur der Waffenbesitz erlaubt sein, damit Deckungsschutz gewährt wird. Der Waffengebrauch hingegen kann auch unerlaubt sein.175 Haftpflichtrisiken aus dem Besitz einer Waffe können sich daraus ergeben, dass der VN die 103 Waffe nicht ordnungsgemäß aufbewahrt (§ 36 WaffG).176 Deckung besteht auch bei erlaubtem Besitz, wenn der VN wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht nach § 832 BGB in Anspruch genommen wird.177 Bei unerlaubtem Besitz besteht Versicherungsschutz dagegen weder hinsichtlich des § 832 BGB178 noch beim Gebrauch der Waffe durch Dritte.179 Etwas anderes gilt dann, wenn der Minderjährige die Waffe von einem Dritten erhalten hat, da nur der unerlaubte Besitz des VN selbst von der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist.180 172 Späte PrivH Rn. 28. 173 MüKoStGB/Heinrich § 1 WaffG Rn. 112. 174 OLG Frankfurt 29.9.1995 – 24 U 75/94, RuS 1997 189, 190 (Hervorhebung im Original); ebenso OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, VersR 1992 86, 87; OLG Hamm 1.7.1988 – 20 U 210/87, VersR 1989 581; OLG Koblenz 6.2.1987 – 13 WF 83/87, zfs 1987 375, 376. 175 OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, VersR 1992 86, 87; OLG Hamm 1.7.1988 – 20 U 210/87, VersR 1989 581; OLG Koblenz 6.2.1987 – 13 WF 83/87, zfs 1987 375, 376; LG Bremen 25.7.1996 – 2 O 260/96, zfs 1997 143; Prölss/ Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 47; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 69; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3094; ausdrücklich offenlassend BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, RuS 1991 224, 225 = VersR 1991 172, 173. 176 Vgl. BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, RuS 1991 224, 225 = VersR 1991 172, 173; BGH 12.6.1990 – VI ZR 297/89, RuS 1990 371, 372. 177 Vgl. LG Saarbrücken 8.6.1983 – 14 O 512/82, RuS 1985 4, 5; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 46. 178 OLG Celle 26.3.1976 – 8 U 65/75, VersR 1976 746, 747. 179 LG Verden 25.11.1987 – 8 O 179/87, VersR 1989 282, 283. 180 BGH 10.3.1966 – II ZR 61/64, VersR 1966 674; vgl. auch LG Koblenz 20.3.1986 – 10 O 267/85, zfs 1986 154. 507
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Erlaubt ist der Besitz, wenn er nach dem Waffengesetz zulässig ist. Unerlaubt ist er, wenn er nach dem Waffengesetz verboten ist (vgl. hierzu § 2 WaffG).181 Abzulehnen ist das Urteil des OLG Celle vom 26.3.1976,182 wonach der Besitz auch dann unerlaubt sein soll, wenn er „privatrechtlich unzulässig, durch verbotene Eigenmacht erworben“ ist (gestohlene Rauch- und Leuchtgaspatronen).183 Da für gesetzliche Haftpflichtansprüche, die an den erlaubten Waffenbesitz anknüpfen, 105 auch in der Jagdhaftpflichtversicherung (Pflichtversicherung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 4 BJagdG, §§ 113 ff. VVG)184 Deckung besteht, liegt eine Mehrfachversicherung (§ 78 VVG) vor, wenn ein privathaftpflichtversicherter Jäger als Besitzer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.185 Hat der VN die Jagdhaftpflicht- und Privathaftpflichtversicherung bei demselben VR abgeschlossen, ist § 78 VVG entsprechend anzuwenden.186 Der Besitz muss privat sein, d.h. er darf nicht gewerblichen oder beruflichen Zwecken 106 dienen. Dies folgt bereits aus Ziff. 1 Satz 1 BBR PHV.187 Insoweit besteht auch keine Deckung für den Gebrauch zur Abwehr von Gefahren für den Betrieb oder aus der Berufsausübung. So liegt der Fall, wenn ein beim VN angestellter Bäckermeister anlässlich der Jagd auf Ratten auf dem Betriebsgrundstück der Bäckerei einen anderen durch einen Schrotschuss verletzt oder der Taxifahrer bei der Kontrolle der Entladung einer Schusswaffe fahrlässig einen Sachschaden herbeiführt.188
104
107 b) Gebrauch von Waffen und Munition. Der Gebrauch von Waffen und Munition ist von der Deckung ausgenommen, wenn er „zu Jagdzwecken“ oder zur Begehung „strafbarer Handlungen“ erfolgt. Die Formulierungen „zu Jagdzwecken“ und „zu strafbaren Handlungen“ beziehen sich auf den Gebrauch, nicht auf den Besitz.189 An einem Gebrauch zu Jagdzwecken fehlt es, wenn der VN im Laufe einer Grillparty bei einem Schuss mit dem Luftgewehr auf eine Zielscheibe einen Dritten versehentlich im Auge trifft.190 Der Gebrauch einer Schusswaffe „zu strafbaren Handlungen“ setzt voraus, dass der VN die 108 Waffe bewusst und gewollt als Mittel zum Zweck der Straftat, also vorsätzlich benutzt. Bedingter Vorsatz genügt insoweit nicht. Will der VN nur schießen, nicht aber verletzen, so fehlt es an einer strafbaren Handlung i.S.v. Ziff. 1.6 BBR PHV.191 Soweit der VN sich nur wegen fahrlässigen Fehlgebrauchs strafbar gemacht hat (z.B. nach § 230 StGB), besteht deshalb Versicherungsschutz.192 Ob dabei (auch) gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen wird, ist irrelevant.193 Ist die Waffe im Rahmen einer Notwehrhandlung (§ 32 StGB) gebraucht worden oder liegen 109 die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB, §§ 228, 904 BGB) vor, besteht 181 182 183 184 185
BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, RuS 1991 224, 225 = VersR 1991 172, 173. OLG Celle 26.3.1976 – 8 U 65/75, VersR 1976 746, 747. Ebenso Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 44. Zur Jagdhaftpflichtversicherung s. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 51 ff. Vgl. BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, RuS 1991 224, 225 = VersR 1991 172, 173 zu § 59 a.F.; OLG Frankfurt 29.9.1995 – 24 U 75/94, RuS 1997 189, 190, 191; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 47; Pardey VersR 1989 1238 ff. 186 BGH 28.11.1990 – IV ZR 233/89, RuS 1991 224, 225 = VersR 1991 172, 173 zu § 59 a.F. 187 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 48. 188 LG Nürnberg-Fürth 21.6.1974 – 11 S 2874/74, VersR 1975 630. 189 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 47. 190 OLG Hamm 1.7.1988 – 20 U 366/87, VersR 1989 581. 191 OLG Hamm 1.7.1988 – 20 U 366/87, VersR 1989 581; OLG Koblenz 6.2.1987 – 13 WF 83/87, zfs 1987 375, 376; Späte PrivH Rn. 30. 192 OLG Hamm 22.5.1991 – 20 U 341/90, VersR 1992 86, 87; OLG Hamm 1.7.1988 – 20 U 366/87, VersR 1989 581; a.A. offenbar LG Köln 12.5.1980 – 74 O 599/78, VersR 1980 1162. 193 Späte PrivH Rn. 30; krit. Pardey VersR 1989 1238, 1241. Koch
508
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Deckung. Schließlich besteht Versicherungsschutz auch bei fahrlässigem Notwehrexzess oder Putativnotwehr.194 110 Ordnungswidrigkeiten stellen keine strafbaren Handlungen dar.195
IX. Haustierhaltung/-hütung (Ziff. 1.8 BBR PHV) 1. Inhalt und Zweck Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN als Halter oder Hüter von zah- 111 men Haustieren, gezähmten Kleintieren und Bienen, nicht jedoch von Hunden, Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, wilden Tieren sowie von Tieren, die zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden. Auch hier handelt es sich um einen in Form einer positiven Risikobeschreibung verpackten Ausschluss, der auch wie folgt gelesen werden kann: „Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Halter oder Hüter von Hunden, Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, wilden Tieren sowie von Tieren, die zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden.“ Der Zweck der Klausel besteht darin, das mit dem Halten und Hüten solcher Tiere verbundene erhöhte Haftungsrisiko von dem einer „Privatperson“ aus den „Gefahren des täglichen Lebens“ drohenden Haftungsrisiko abzugrenzen.196 Zu beachten ist, dass Ziff. 1.9 BBR PHV die Haftpflicht des VN als nicht gewerbsmäßigen Hüter fremder Hunde oder Pferde, als Reiter bei der Benutzung fremder Pferde und als Fahrer bei der Benutzung fremder Fuhrwerke zu privaten Zwecken wiedereinschließt (Rn. 123 ff.).
2. Haftung als Tierhalter oder Tierhüter a) Tierhalter. Zur Bestimmung der Eigenschaft als Tierhalter kann auf die Auslegung zu § 833 112 BGB zurückgegriffen werden. Tierhalter ist danach derjenige, dem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und der aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt.197 Dies ist i.d.R., aber nicht notwendigerweise, der Eigentümer. Im Falle des rechtsgeschäftlichen Erwerbs beginnt die Tierhaltereigenschaft mit Gefahrübergang, i.d.R. also mit der Übergabe des Tieres, beim Versendungskauf mit der Übergabe an den Transporteur.198 In anderen Fällen kommt es darauf an, ab wann nach außen die Übernahme der Haltereigenschaft erkennbar wird.199 Die Haltereigenschaft endet, wenn ein anderer faktisch in die Stellung des bisherigen Tierhalters eintritt und so ein Zuständigkeitswechsel erfolgt.200 194 BGH 22.9.1971 – IV ZR 90/69, VersR 1972 39 ff.; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 49; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 71; Kuwert/Erdbrügger Rn. 3100. 195 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 49; Curtze VW 1988 977. 196 BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, RuS 2007 319, 320; OLG Köln 16.2.2010 – I-9 U 179/09, 9 U 179/09, RuS 2010 374; OLG Düsseldorf 15.11.1994 – 4 U 93/94, RuS 1995 91 = VersR 1995 1343; vgl. auch OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158/ 16, RuS 2017 629, 630; zur Forderungsausfallversicherung KG 8.3.2016 – 6 U 88/15, RuS 2016 297, 298 m. Anm. Schimikowski. 197 St.Rspr., vgl. BGH 19.1.1988 – VI ZR 188/87, VersR 1988 609, 610 = NJW-RR 1988 655; OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158/16, RuS 2017 629, 630; OLG Dresden 13.10.2016 – 4 W 977/16, VersR 2017 286; OLG Hamm 23.2.2005 – 20 U 109/04, RuS 2005 196, 197; OLG Schleswig 8.7.2004 – 16 U 112/03, BeckRS 2004 10899. 198 BeckOK-BGB/Spindler § 833 Rn. 14; MüKoBGB/Wagner § 833 Rn. 35; Staudinger/Eberl-Borges (2018) § 833 Rn. 105, jew. m.w.N. 199 BeckOK-BGB/Spindler § 833 Rn. 14. 200 BGH 19.1.1988 – VI ZR 188/87, VersR 1988 609, 610 = NJW-RR 1988 655; BGH 15.12.1970 – VI ZR 121/69, VersR 1971 320 (insoweit in BGHZ 55 96 nicht mit abgedruckt); Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 58. 509
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
113
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Eine nur vorübergehende Aufgabe der unmittelbaren Verfügungsgewalt über das Tier (z.B. wegen Urlaubsabwesenheit) oder eine vorübergehende Besitzentziehung lässt die Tierhaltereigenschaft unberührt.201 Wird das Tier durch einen Dritten auch für eigene Zwecke genutzt, ist der Eigentümer gleichwohl Tierhalter, solange sich nicht der Schwerpunkt der Nutzung des Tieres auf den Dritten verlagert.202 Wann eine solche Schwerpunktsverlagerung vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalles, die an rein tatsächliche Verhältnisse anknüpft.203 Eigentum und Eigenbesitz müssen sich nicht notwendigerweise mit der Haltereigenschaft decken.204
114 b) Tierhüter. Die Haftpflicht als Tierhüter knüpft an die Haftung des Tieraufsehers gem. § 834 Satz 1 BGB an. Tieraufseher (bzw. Tierhüter) ist demnach, wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt.205 Liegt keine vertragliche, sondern lediglich eine tatsächliche Übernahme der Aufsicht z.B. über Hunde oder Pferde vor, kommt nur eine Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB aus der Übernahme von Verkehrspflichten in Betracht.206 Die Übernahme setzt voraus, dass der VN selbstständig über Maßnahmen zur Steuerung des Tieres zu wachen hat.207 Daran fehlt es, wenn die Tätigkeit auf Weisung erbracht wird. Die Bediensteten eines Tierhalters, wie etwa Stallburschen oder angestellte Reitlehrer einer Reitschule,208 kommen deshalb i.d.R. nicht als Tierhüter in Betracht.209 Nach Ansicht des OLG Hamm soll Hüter derjenige sein, der tatsächlich über das Tier wacht, und zwar in dem Sinne, dass er Gefahren von dem zu hütenden Tier abzuwenden hat.210 Diese Auslegung ist zu eng und mit Sinn und Zweck des Ausschlusses der Tierhüterhaftung für bestimmte Tiere nicht in Einklang zu bringen. Es geht bei dem Ausschluss z.B. der Haftung als Hüter von Hunden nicht darum, Gefahren von dem Hund abzuwehren, sondern die vom Hund ausgehenden Gefahren für Dritte von der Deckung auszuschließen. Insoweit ist Hüter i.S.d. Ziff. 1.8 BBR PHV auch derjenige, der die vom Hund ausgehenden Gefahren für Dritte abzuwenden hat. Es kommt für die Hütereigenschaft somit nicht darauf an, ob z.B. die mitversicherte Mutter beim Spaziergang mit ihrem Mann überhaupt die Möglichkeit hatte, auf den Hund tatsächlich einzuwirken und so etwaige Gefahren von ihm abzuwenden. 115 Die vertragliche Übernahme der Aufsichtsführung kann auch konkludent erfolgen. Der BGH hat eine solche bei selbstständigem Ausreiten eines gemieteten Pferdes bejaht, „wenn sich der Tierhalter jeder Einflußmöglichkeit auf das Pferd begibt und aus Erklärungen oder dem Verhalten des Mieters berechtigterweise den Schluß ziehen durfte, der Mieter werde an seiner Stelle die Aufsichtspflicht übernehmen“.211 Im Übrigen muss der Vertrag über die Aufsichtsführung nicht mit dem Halter geschlossen werden.212
201 202 203 204 205
BGH 19.1.1988 – VI ZR 188/87, VersR 1988 609, 610 = NJW-RR 1988 655 m.w.N. OLG Hamm 1.6.1990 – 29 U 3/90, RuS 1990 408. OLG Hamm 1.6.1990 – 29 U 3/90, RuS 1990 408. Vgl. MüKoBGB/Wagner § 833 Rn. 32. Vgl. OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158/16, RuS 2017 629, 630; OLG Dresden 13.10.2016 – 4 W 977/16, VersR 2017 286; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 79; Felsch RuS 2008 265, 271. 206 BeckOK-BGB/Spindler § 834 Rn. 2. 207 Vgl. BGH 30.9.1986 – VI ZR 161/85, NJW 1987 949, 950; OLG Hamm 23.2.2005 – 20 U 109/04, RuS 2005 196, 198. 208 OLG Düsseldorf 11.6.2002 – I-4 U 207/01, VersR 2003 870. 209 OLG München 29.7.1983 – 8 U 4947/82, VersR 1984 1095 f.; OLG Düsseldorf 15.1.1980 – 4 U 134/79, VersR 1981 82; Staudinger/Eberl-Borges (2018) § 833 Rn. 19 f. 210 Vgl. OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158/16, RuS 2017 629, 630 (derjenige, der tatsächlich über das Tier wacht, und zwar in dem Sinne, dass er Gefahren von dem zu hütenden Tier abzuwenden hat); OLG Dresden 13.10.2016 – 4 W 977/16, VersR 2017 286; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 79; Felsch RuS 2008 265, 271. 211 BGH 30.9.1986 – VI ZR 161/85, NJW 1987 949, 950. 212 OLG Hamm 14.4.1994 – 6 U 2/94, NJW-RR 1995 409, 410. Koch
510
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Die Tierhütereigenschaft bejaht hat die Rechtsprechung beim Mieter eines Reitpferdes,213 116 bei Schäfern, Hirten und auf Kommissionsbasis arbeitenden Viehhändlern214 sowie bei demjenigen, der Tiere „in Pension“215 oder während der Abwesenheit des Halters in Pflege nimmt,216 um sie zu versorgen und ggf. auch auszubilden, zu trainieren oder zu dressieren.217 Hat ein Reitverein die Führung der Aufsicht über das Pferd eines Mitglieds durch Vertrag übernommen, ist der Verein als Tierhüter anzusehen.218 Allein das Mitreiten gefälligkeitshalber zur Beaufsichtigung einer Gruppe unerfahrener Reiter begründet hingegen keine Tierhütereigenschaft.219
3. Zahme Haustiere, gezähmte Kleintiere und Bienen Versicherungsschutz besteht nur für die Haftpflicht als Halter oder Hüter von zahmen Haustie- 117 ren, gezähmten Kleintieren und Bienen. Eingeschlossen sind nicht nur Ansprüche aus §§ 833 f. BGB, sondern auch solche aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen – in erster Linie § 823 BGB wegen Verletzung einer Verkehrspflicht –, denen sich der VN in seiner Eigenschaft als Halter oder Hüter vorbezeichneter Tiere ausgesetzt sieht. Das Gesetz definiert den Begriff „Haustier“ nicht. Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung 118 (am gewöhnlichen Aufenthaltsort des VN).220 Danach sind zahme Haustiere Tiere, die vom Menschen in seiner Wirtschaft und zu seinem Nutzen gezogen und gehalten werden.221 Hierzu zählen Schweine, Ziegen, Schafe, Katzen und Geflügel wie Tauben oder zahme Kaninchen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Tiere in ihrer Eigenschaft als Haustiere gehalten werden, was nicht der Fall ist, wenn sie zur wissenschaftlichen Untersuchung bestimmt sind.222 Gezähmte Kleintiere, die nicht zu den Haustieren zählen, z.B. Hamster, Meerschweinchen, 119 Papageien, Singvögel usw., sind gleichfalls in den Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung einbezogen. Wann ein Tier noch als gezähmtes Kleintier anzusehen ist, richtet sich wiederum nach der Verkehrsanschauung.223 Gesondert unter den Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung gestellt sind Bienen, die keine Haustiere sind, weil keine genügende Verfügungsgewalt des Eigentümers besteht.224
4. Hunde, Rinder, Pferde, sonstige Reit- und Zugtiere, wilde Tiere sowie zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehaltene Tiere Kein Versicherungsschutz besteht für die Inanspruchnahme als Halter oder Hüter von Hunden, 120 Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, wilden Tieren sowie von Tieren, die zu gewerb213 BGH 30.9.1986 – VI ZR 161/85, NJW 1987 949, 950. 214 BGH 6.2.1959 – VI ZR 47/58, VersR 1959 802; OLG München 13.12.1955 – 5 U 1849/54, VersR 1957 31; OLG München 17.12.1957 – 5 U 1032/57, VersR 1958 461; ähnlich RG 11.4.1907 – Rep. IV. 440/06, RGZ 66 1, 4; RG 9.12.1941 – 1 D 470/41, RGZ 168 331, 332 f. 215 OLG Hamm 28.10.1974 – 13 U 156/73, VersR 1975 865; OLG Frankfurt 25.7.1995 – 22 U 82/94, MDR 1996 590. 216 BGH 19.10.1993 – VI ZR 158/93, VersR 1993 1540, 1541; OLG Saarbrücken 17.2.1988 – 1 U 31/86, NJW-RR 1988 1492 f.: Übernahme eines Dackels wegen längeren Krankenhausaufenthalts. 217 RG 13.7.1904 – Rep. VI. 199/04, RGZ 58 410, 413. 218 BGH 19.1.1982 – VI ZR 132/79, VersR 1982 348, 350. 219 OLG München 2.10.1997 – 11 W 2516/97, VersR 1999 585. 220 Vgl. Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 3102 (maßgeblich ist die inländische Verkehrsauffassung, nach der z.B. das Kamel kein Haustier ist). 221 RG 18.4.1912 – Rep. IV. 429/11, RGZ 79 246, 248; a.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 74 (allgemeines Sprachverständnis). 222 Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 73; Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 3102. 223 A.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 74 (allgemeiner Sprachgebrauch). 224 Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 74. 511
Koch
Ziff. 1 BBR PHV
Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
lichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden, selbst wenn es sich um Haustiere handelt (z.B. Zucht- und Schlachtvieh, das ein Händler zur Weiterveräußerung angeschafft hat; der Wachhund in einem Betrieb; Suchhunde der Polizei, Herdenschutzhunde).225 Bei Hunden, Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren oder wilden Tieren kommt es somit nicht darauf an, zu welchen Zwecken sie gehalten werden. Grundsätzlich keine Deckung besteht somit für Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die durch Urinieren von Hunden am Parkett der Mietwohnung entstanden sind.226 Bei Katzen ist es dagegen bedeutsam, ob sie zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen 121 Zwecken gehalten werden. Keine Deckung besteht für den Halter oder Hüter, wenn sie in landwirtschaftlichen Betrieben zum Zwecke der Mäuseverzehrung gehalten werden. Kein Versicherungsschutz besteht ferner bei zur Zucht bestimmten Tieren. Maßgebend ist stets die Zweckbestimmung, die der Tierhalter der Verwendung des Tieres im Rahmen vernünftiger Erwägungen gibt. Auf die konkrete Eignung des Haustieres zu deren Erfüllung kommt es nicht an. Herrscht Streit über die gewerbliche Nutzung, trägt der VR die Beweislast für eine den Versicherungsschutz ausschließende gewerbliche oder landwirtschaftliche Nutzung.227 Der Ausschluss ist nicht beschränkt auf Ansprüche gem. §§ 833 f. BGB, die tatbestandsmä122 ßig an die Halter- oder Hütereigenschaft anknüpfen.228 Umfasst sind auch Ansprüche aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen – wiederum in erster Linie § 823 BGB wegen Verletzung einer Verkehrspflicht –, denen sich der VN in seiner Eigenschaft als Halter oder Hüter vorbezeichneter Tiere ausgesetzt sieht.229 Wird der VN nicht als Halter oder Hüter, sondern nach § 832 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht über Minderjährige in Anspruch genommen, besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn der VN zugleich Halter oder Hüter des den Schaden verursachenden Tieres und er in dieser Eigenschaft deshalb ohne Versicherungsschutz ist (Fall der Anspruchskonkurrenz, vgl. Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 32).230
X. Hüter und Reiter fremder Tiere, Fuhrwerksfahrer (Ziff. 1.9 BBR PHV) 1. Inhalt und Zweck 123 Nach Ziff. 1.9 Satz 1 BBR PHV ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als nicht gewerbsmäßiger Hüter (Rn. 114) fremder Hunde oder Pferde, als Reiter bei der Benutzung fremder Pferde oder als Fahrer bei der Benutzung fremder Fuhrwerke zu privaten Zwecken versichert, soweit nicht (im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles) Deckung über eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung besteht. Fremd ist ein Tier oder Fuhrwerk, das nicht im Eigentum des VN steht.231 Unter dem Begriff des Fuhrwerks ist ein von Zugtieren – nicht notwendigerweise von Pferden – gezogener Wagen zu verstehen. Ziff. 1.9 Satz 1 BBR PHV ist ein Wiedereinschluss der nach Ziff. 1.8 BBR PHV von der De124 ckung ausgeschlossenen Risiken als Hüter von Hunden und Pferden. Soweit es um den Schutz des VN als Reiter bei der Benutzung fremder Pferde oder als Fahrer bei der Benutzung fremder 225 226 227 228 229
Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 78; Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 3104. OLG Köln 16.2.2010 – I-9 U 179/09, 9 U 179/09, RuS 2010 374. OLG Hamm 3.5.2017 – 20 U 158/16, RuS 2017 629, 630 f. BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, RuS 2007 319, 320. BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, RuS 2007 319 f.; vgl. auch OLG Köln 16.2.2010 – I-9 U 179/09, 9 U 179/09, RuS 2010 374; OLG Düsseldorf 15.11.1994 – 4 U 93/94, RuS 1995 91 = VersR 1995 1343; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 80; Stockmeier AVB PHV A1-6.9 Rn. 4; a.A. OLG Hamm 23.2.2005 – 20 U 109/04, RuS 2005 196, 198; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 55; zur Forderungsausfallversicherung KG 8.3.2016 – 6 U 88/15, RuS 2016 297 f. m. Anm. Schimikowski. 230 OLG Hamm 25.8.1989 – 20 U 98/89, VersR 1990 774, 775; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 57; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 81. 231 Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 3101. Koch
512
C. Beispiele von Gefahren des tägl. Lebens
Ziff. 1 BBR PHV
Fuhrwerke zu privaten Zwecken geht, besteht der Zweck von Ziff. 1.9 BBR PHV darin, die Gefahren, die aus der Benutzung eigener Pferde oder Fuhrwerke resultieren, von der Deckung auszuschließen. Ausgenommen bleiben nach Ziff. 1.9 Satz 2 BBR PHV auf den Ersatz von Sachschäden gerichtete Ansprüche der Tierhalter oder -eigentümer sowie Fuhrwerkseigentümer gegen den VN.
2. Einzelheiten Ziff. 1.9 BBR PHV enthält eine eingeschränkte (einfache) Subsidiaritätsklausel, weil die Haf- 125 tung des VR nur dann entfällt, wenn und soweit eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung im konkreten Fall auch Deckung gewährt.232 Das hat zur Folge, dass die Haftung des PrivathaftpflichtVR bestehen bleibt, wenn in der Tierhalter-Haftpflichtversicherung ein Selbstbehalt vereinbart ist oder der Tierhalter-HaftpflichtVR wegen einer Obliegenheitsverletzung (teilweise) leistungsfrei ist. Nach Lücke soll die Subsidiaritätsklausel selbst in den Fällen eingreifen, in denen es aufgrund mangelhaften Vortrags im Prozess gegen den Tierhalter-HaftpflichtVR zu der sachlich unzutreffenden Entscheidung kommt, dass die Tierhalter-Haftpflichtversicherung nicht eintrittspflichtig ist.233 Vom Versicherungsschutz ausgenommen bleiben Haftpflichtansprüche der Tierhalter 126 oder -eigentümer sowie Fuhrwerkseigentümer, es sei denn, es handelt sich um Personenschäden. Die Teilnahme an Pferderennen bleibt aber nach Ziff. 1.6 BBR PHV unversichert.234 Ist der Reiter zugleich (nicht gewerbsmäßiger) Tierhüter und als solcher in der Tierhalter-Haftpflichtversicherung des Halters mitversichert, kommt Mehrfachversicherung (§ 78 Abs. 1 VVG) in Betracht.235
232 Stockmeier AVB PHV A1-6.9 Rn. 33; zur Wirksamkeit solcher Klauseln vgl. BGH 4.7.2018 – IV ZR 12/17, RuS 2018 419 Rn. 12; BGH 21.4.2004 – IV ZR 113/03, RuS 2004 422= VersR 2004 994. 233 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 65. 234 Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 3101. 235 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 67. 513
Koch
Ziff. 2 BBR PHV
Ziff. 2 Mitversicherte Personen 2.
Mitversichert ist 2.1 1die gleichartige gesetzliche Haftpflicht (1) des Ehegatten und eingetragenen Lebenspartners* des VN, (2) ihrer unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft* lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder), bei volljährigen Kindern jedoch nur, solange sie sich noch in einer Schul- oder sich unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befinden (berufliche Erstausbildung Lehre und/oder Studium, auch Bachelor- und unmittelbar angeschlossener Masterstudiengang –, nicht Referendarzeit, Fortbildungsmaßnahmen und dgl.). 2Bei Ableistung des Grundwehrdienstes, des freiwilligen Wehrdienstes, des Bundesfreiwilligendienstes oder des freiwilligen sozialen Jahres vor, während oder im Anschluss an die Berufsausbildung bleibt der Versicherungsschutz bestehen, (3) der in häuslicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft* lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptivund Pflegekinder) mit geistiger Behinderung; 2.2 im Falle ausdrücklicher Vereinbarung gemäß den nachfolgenden Voraussetzungen der in häuslicher Gemeinschaft mit dem VN lebende Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und dessen Kinder, diese entsprechend Ziff. 2.1 (2) und (3): – Der VN und der mitversicherte Partner müssen unverheiratet sein. – Der mitversicherte Partner muss in der Police namentlich benannt werden. – Haftpflichtansprüche des Partners und dessen Kinder gegen den VN sind ausgeschlossen. – Die Mitversicherung für den Partner und dessen Kinder, die nicht auch die Kinder des VN sind, endet mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zwischen dem VN und dem Partner. – Im Falle des Todes des VN gilt für den überlebenden Partner und dessen Kinder Ziff. 5.3 sinngemäß. 2.3 1die gesetzliche Haftpflicht der im Haushalt des VN beschäftigten Personen gegenüber Dritten aus dieser Tätigkeit. 2Das gleiche gilt für Personen, die aus Arbeitsvertrag oder gefälligkeitshalber Wohnung, Haus und Garten betreuen oder den Streudienst versehen. 3 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 2.4 1im Rahmen der Besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden im Rahmen der Privat- sowie Haus- und GrundbesitzerHaftpflichtversicherung – außer Anlagenrisiko – das sog. Restrisiko. 2 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden bis … l/kg Inhalt soweit das Gesamtfassungsvermögen der vorhandenen Behälter … l/kg nicht übersteigt. 3Wenn mit den Anlagen die o.g. Beschränkungen überschritten werden, entfällt dieser Versicherungsschutz. 4Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung.
* Eingetragener Lebenspartner ist derjenige, der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder einer vergleichbaren Partnerschaft nach dem Recht anderer Staaten lebt. Als eingetragene Lebenspartnerschaften gelten auch die den Partnerschaften im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes vergleichbaren Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-042
514
Ziff. 2 BBR PHV
B. Kreis der mitversicherten Personen
Übersicht 1
b)
A.
Inhalt und Zweck
B.
Kreis der mitversicherten Personen
I.
Ehegatten und Lebenspartner (Ziff. 2.1 (1) BBR 4 PHV)
II. 1. 2.
2
Kinder (Ziff. 2.1 (2) BBR PHV) 7 Minderjährige Kinder 8 Volljährige Kinder a) Voraussetzungen für eine unmittelbar an9 schließende Berufsausbildung
Kasuistik
11
III.
Kinder mit geistiger Behinderung (Ziff. 2.1 (3) 16 BBR PHV)
IV.
Nichteheliche Lebensgemeinschaft (Ziff. 2.2 BBR 22 PHV)
V.
Im Haushalt beschäftigte Personen (Ziff. 2.3 BBR 24 PHV)
C.
Restrisikoklausel (Ziff. 2.4 BBR PHV)
25
A. Inhalt und Zweck Die Einbeziehung von Ansprüchen wegen Schäden, die vom Ehegatten, Lebenspartner, Kind 1 sowie von im Haushalt des VN beschäftigten Personen verursacht worden sind, dient dem Schutz des VN. Ohne die Einbeziehung dieses Personenkreises wäre der Versicherungsschutz für Privatpersonen nicht vollwertig. Selbst wenn der VN rechtlich für die von diesen Personen angerichteten Schäden nicht verantwortlich ist (z.B. gem. § 832 BGB), wird er sie wirtschaftlich oftmals – z.B. im Rahmen seiner Unterhaltspflicht oder weil die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs eingreifen – selbst wieder gutzumachen haben (Eigenschaden).1
B. Kreis der mitversicherten Personen Mitversichert ist gem. Ziff. 2.1 BBR PHV die „gleichartige gesetzliche Haftpflicht“ des Ehegatten 2 und eingetragenen Lebenspartners des VN, ihrer unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Kinder und der in häuslicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Kinder mit geistiger Behinderung. Die Gleichartigkeit bezieht sich auf das versicherte Risiko in der Privathaftpflichtversicherung. Die Aufnahme des Erfordernisses der Gleichartigkeit ist überflüssig, weil das versicherte Risiko den Vertrag als Ganzes betrifft und insoweit einheitlich für den VN und die Versicherten gilt. Versichert ist somit nur die gesetzliche Haftpflicht der vorgenannten Personen aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes.2 In A1-2.1 AVB PHV ist das Wort „gleichartig“ gestrichen. Ausschlüsse vom Versicherungsschutz, die das versicherte Risiko betreffen, wie z.B. die 3 Haftpflicht aus den Gefahren eines Dienstes, Amtes, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art, einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung, aus der Vermietung von Wohnungen, Räumen zu gewerblichen Zwecken und Garagen greifen nur insoweit ein, als der Ausschlusstatbestand in ihrer Person verwirklicht ist.3
1 Heimbücher VW 1987 1256. 2 Vgl. OLG Hamm 18.9.1992 – 20 U 122/92, NJW-RR 1993 160, 161; OLG Bamberg 20.2.1992 – 1 U 272/90, NJW-RR 1993 485.
3 OLG Hamm 18.9.1992 – 20 U 122/92, NJW-RR 1993 160, 161; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 1. 515
Koch
Ziff. 2 BBR PHV
Mitversicherte Personen
I. Ehegatten und Lebenspartner (Ziff. 2.1 (1) BBR PHV) 4 Die Mitversicherung des Ehegatten setzt eine wirksame Eheschließung mit dem VN und den (Fort-)Bestand der Ehe im Zeitpunkt des Versicherungsfalles voraus. Der Versicherungsschutz endet mit der Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) oder Aufhebung (§§ 1313 ff. BGB) der Ehe. Soweit ein ausländisches Eheschließungs-/Scheidungsstatut Anwendung findet, bestimmen sich Wirksamkeit und Fortbestand nach dem anwendbaren ausländischen Recht.4 Sind beide Ehegatten privathaftpflichtversichert, entsteht mit der Eheschließung eine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 Abs. 1 VVG. Der gleichgeschlechtliche Partner des VN, der mit dem VN eine Lebenspartnerschaft 5 i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes begründet hat, ist ebenfalls mitversichert. Obgleich für die wirksame Begründung der Lebenspartnerschaft nicht erforderlich, verlangt Ziff. 2.1 (1) BBR PHV die Eintragung der Lebenspartnerschaft in das Lebenspartnerschaftsregister (vgl. §§ 3 Abs. 1 Ziff. 2, 17 PStG, § 23 LPartG). Der Versicherungsschutz endet mit der Aufhebung (§ 15 LPartG). Bleibt der Ehegatte/Lebenspartner mit seinem Einverständnis und gefälligkeitshalber im 6 Haushalt des VN tätig, kann Versicherungsschutz nach Ziff. 2.3 BBR PHV bestehen.5
II. Kinder (Ziff. 2.1 (2) BBR PHV) 1. Minderjährige Kinder 7 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht der unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder).
2. Volljährige Kinder 8 Volljährige Kinder sind mitversichert, solange sie sich noch in der Schul- oder sich unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befinden.
9 a) Voraussetzungen für eine unmittelbar anschließende Berufsausbildung. Die Voraussetzung der unmittelbar anschließenden Berufsausbildung wird durch den Klammerzusatz erläutert. Hierunter fallen „berufliche Erstausbildung Lehre und/oder Studium, auch Bachelorund unmittelbar angeschlossener Masterstudiengang –, nicht Referendarzeit, Fortbildungsmaßnahmen und dgl. Bei Ableistung des Grundwehrdienstes, des freiwilligen Wehrdienstes, des Bundesfreiwilligendienstes oder des freiwilligen sozialen Jahres vor, während oder im Anschluss an die Berufsausbildung bleibt der Versicherungsschutz bestehen“. Durch diese Klausel wird sichergestellt, dass Kinder solange in der Privathaftpflichtversicherung der Eltern mitversichert sind, „wie sie sich im Rahmen eines durchgängigen, zusammenhängenden Ausbildungsweges (Schule/Berufsausbildung = Lehre oder Studium) noch in der notwendigen einheitlichen (Erst-) Ausbildungsphase zu einem Beruf befinden und deshalb noch nicht zur Finanzierung einer eigenen Versicherung in der Lage sind“.6 [Hervorhebung durch den Verfasser]
4 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 12. 5 Vgl. OLG Hamm 8.3.1996 – 20 U 3/96, NJW-RR 1997 90; a.A. Späte PrivH Rn. 41. 6 OLG Köln 20.4.2010 – I-9 U 163/09, BeckRS 2010 29519; vgl. auch OLG Köln 5.3.1992 – 5 U 160/91, RuS 1992 157, 158 = VersR 1993 430; OLG Düsseldorf 28.10.1997 – 4 U 101/96, VersR 1998 966, 967; OLG Düsseldorf 12.4.1994 – 4 Koch
516
B. Kreis der mitversicherten Personen
Ziff. 2 BBR PHV
Die Mitversicherung eines volljährigen Kindes hängt somit davon ab, ob nach der Schulausbil- 10 dung eine Unterbrechung und Neuorientierung in der Ausbildung erfolgt ist oder ob von einem einheitlichen Erstausbildungsweg gesprochen werden kann, wobei ein freiwilliger Wehrdienst, Bundesfreiwilligendienst oder ein freiwilliges soziales Jahr nicht als Unterbrechung anzusehen ist.7 Durch den Klammerzusatz wird ferner klargestellt, dass die Referendarzeit und Fortbildungsmaßnahmen nicht (mehr) zur Erstausbildung gehören.8
b) Kasuistik. Einen einheitlichen (Erst-)Ausbildungsweg verneint hat das OLG Köln in einem Fall, in dem das volljährige Kind zunächst die Bibelschule besucht und nach deren Abschluss das Lehramtsstudium begonnen hat. Der Besuch der Bibelschule sei in keiner Weise Voraussetzung für ein Lehramtsstudium. Auch stelle sich das Absolvieren der Bibelschule und die spätere Lehramtsausbildung nicht als ein zusammenhängender einheitlicher Ausbildungsweg dar. Betrachte man die Inhalte der Ausbildung in der Bibelschule, so ergebe sich, dass es sich um einen abgeschlossenen Ausbildungsweg handele.9 Ein Jurastudium nach Abschluss einer Banklehre stellt sich dagegen als in sich geschlossene einheitliche Berufsausbildung dar, wenn der Beruf als Bankjurist geplant ist.10 Nach Ansicht des OLG München kann eine unmittelbar an die Schulausbildung anschließende Berufsausbildung aus Sicht eines verständigen VN auch dann angenommen werden, wenn der Versicherte z.B. ein Studium abbricht, eine Lehre beginnt, diese ebenfalls abbricht und ein anderes Studium beginnt. Auch infolge des Wechsels der Ausbildungsart eintretende Wartezeiten, die mit Aushilfsarbeiten überbrückt werden, unterbrächen den Zusammenhang zwischen Schul- und Berufsausbildung nicht. Entscheidend sei, ob sich die Berufsausbildung als ununterbrochenes Ganzes darstelle.11 Für das OLG Karlsruhe ist es dagegen nicht angängig, den Begriff „unmittelbar anschließend“ wegen aktuell bestehender Schwierigkeiten, den gewünschten Ausbildungsplatz zu erhalten, zeitlich auszudehnen und eine sich unmittelbar anschließende Berufsausbildung auch bei längeren Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz anzunehmen. In jenem Fall betrug der Zeitabstand zwischen Schulabschluss und tatsächlichem Beginn der Berufsausbildung 15 Monate. Das OLG Köln hat den Versicherungsschutz im Falle des Abbruchs der Ausbildung und einer teilweise auf gesundheitlichen Gründen beruhenden Nichtfortsetzung der Ausbildung über einen Zeitraum von 15 Monaten verneint.12 Dagegen kann nach Ansicht des OLG Düsseldorf „Schul- oder unmittelbar anschließende Berufsausbildung“ auch noch vorliegen, wenn für den angestrebten Beruf der Besuch einer Technikerschule erforderlich ist, dieser aber – nach Erlass der vorgeschriebenen zweijährigen Gesellenzeit – erst nach einjähriger Wartezeit angetreten werden kann.13 Die Entscheidungen des OLG Karlsruhe und des OLG Köln scheinen sehr durch die Umstände des Einzelfalls geprägt und dürfen nicht i.d.S. verstanden werden, dass bei Überschreitung bestimmter zeitlicher Grenzen der für die Mitversicherung erforderliche Zusammenhang autoU 75/93, RuS 1994 291 = VersR 1994 1172, 1173; OLG Schleswig 27.8.1992 – 16 U 32/92, RuS 1993 159, 160 = VersR 1993 736. 7 OLG Köln 20.4.2010 – I-9 U 163/09, BeckRS 2010 29519. 8 A.A. zu älterer Fassung der Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung AG Ahlen 25.10.1995 – 3 C 139/95, NJW-RR 1996 739. 9 OLG Köln 20.4.2010 – I-9 163/09, BeckRS 2010 29519. 10 AG Wiesbaden 7.3.1990 – 96 C 1499/89, VersR 1991 653, 654; krit. Späte PrivH Rn. 38. 11 OLG München 10.3.1997 – 28 W 2542/96, RuS 1997 409, 410; vgl. auch OLG Schleswig 27.8.1992 – 16 U 32/92, NJW-RR 1993 159 = VersR 1993 736; AG Wiesbaden 7.3.1990 – 96 C 1499/89, VersR 1991 653, 654; vgl. auch Prölss/ Martin/Lücke MB PHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 7. 12 OLG Köln 5.3.1992 – 5 U 138/91, RuS 1992 157, 158 = VersR 1993 430. 13 OLG Düsseldorf 12.4.1994 – 4 U 75/93, RuS 1994 291, 292 = VersR 1994 1172, 1173; vgl. auch OLG Düsseldorf 28.10.1997 – 4 U 101/96, VersR 1998 966, 967. 517
Koch
11
12
13
14
Ziff. 2 BBR PHV
Mitversicherte Personen
matisch zu versagen ist.14 Eine solche Auslegung der Klausel entspräche nicht dem Verständnis des durchschnittlichen VN. Vielmehr dürfte eine wertende Gesamtbetrachtung angezeigt sein, wie sie u.a. das OLG München angestellt hat, da sie Raum für die Besonderheiten des Einzelfalls lässt.15 15 Wartezeiten führen deshalb – unabhängig davon, wie sie überbrückt werden – nicht per se zum Verlust des Mitversichertenstatus. Praktika, die vor Aufnahme einer Berufsausbildung absolviert werden und im Zusammenhang mit derselben stehen, lassen den Versicherungsschutz unberührt. In die Gesamtbetrachtung kann auch der Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages einfließen. Krankheitsbedingte Unterbrechungen eines Ausbildungsgangs sind unbeachtlich, solange die Ausbildung nicht abgebrochen wird.16
III. Kinder mit geistiger Behinderung (Ziff. 2.1 (3) BBR PHV) 16 Ohne die sachliche Beschränkung von Ziff. 2.1 (2) BBR PHV ist ferner mitversichert die gesetzliche Haftpflicht der in häuslicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder) mit geistiger Behinderung. Der Begriff der geistigen Behinderung ist weder in den Versicherungsbedingungen noch im Gesetz definiert. Allerdings knüpfen u.a. das Bürgerliche Recht, das Sozialversicherungsrecht und das Strafrecht an diesen Begriff an. 17 Eine geistige Behinderung i.S.v. § 1896 BGB liegt ausweislich der Begründung zum BtG bei angeborenen oder frühzeitig erworbenen Intelligenzdefekten verschiedener Schweregrade vor.17 Sie beruht auf einem messbaren Intelligenzmangel, verbunden mit mangelhafter Differenzierung der Persönlichkeit.18 Nach der seit 1979 üblichen internationalen Klassifizierung wird differenziert zwischen leichter (IQ 50 bis 69), mittelgradiger (IQ 35 bis 49) und hochgradiger (IQ 20 bis 34) Oligophrenie. Diese kann angeboren (wie z.B. Down Syndrom) oder Folge körperlicher Krankheiten sein. Der Übergang zur Lernbehinderung (IQ über 65) ist fließend.19 Die Rechtsprechung und Kommentarliteratur spricht sich gegen eine Beschränkung auf angeborene Defekte aus.20 18 Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach Häberle liegt eine geistige Behinderung „z.B. bei angeborener Debilität, Imbezillität, bei erworbener Minderung der Intelligenz, so bei frühkindlicher Hirnschädigung, bei arteriosklerotisch bedingter Senilität sowie bei Gehirnschädigung infolge von Infektionskrankheiten oder von Gehirnverletzungen vor.“21
19 Nach der Kommentarliteratur zu § 174c StGB erfasst der Begriff der geistigen Behinderung „kognitive Einschränkungen verschiedener Schweregrade von gewisser Dauer, sog. Oligophrenien. Anders als bei geistigen oder psychischen Krankheiten, die behandlungsbedürftig, aber vorübergehend sind, liegt hier
14 15 16 17 18 19 20
Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 102. OLG München 10.3.1997 – 28 W 2542/96, RuS 1997 409, 410. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 7. BTDrucks. 11/4528 S. 116. BayObLG 7.10.1993 – 3Z BR 193/93, FamRZ 1994 318. Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. (2010) § 1896 Rn. 7. Z.B. BayObLG 7.10.1993 – 3Z BR 193/93, FamRZ 1994 318; Jürgens/Jürgens Betreuungsrecht 6. Aufl. (2019) § 1896 Rn. 7; MüKoBGB/Schneider § 1896 Rn. 16 m.w.N. 21 Erbs/Kohlhaas/Häberle Strafrechtliche Nebengesetze, 240. EL April 2022, § 2 SGB IX Rn. 6. Koch
518
B. Kreis der mitversicherten Personen
Ziff. 2 BBR PHV
eine gewisse Dauerhaftigkeit des regelwidrigen geistigen Zustands vor. Sie kann angeboren oder frühzeitig erworben oder etwa durch einen Schlaganfall hervorgerufen sein.“22
Nach der Verkehrsanschauung dürfte ein angeborener Defekt nicht erforderlich sein, sodass 20 auch geistige Behinderungen als Folge eines Unfalls oder einer Krankheit mitversichert sind. Eine geistige Behinderung muss einerseits nicht endgültig, andererseits aber von gewisser Dauer sein, wobei der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannte Zeitraum von 6 Monaten die unterste Grenze sein dürfte. Soweit dies der Fall ist, sind auch Versicherungsfälle versichert, die nach Eintritt der geistigen Behinderung jedoch vor Erreichen dieses Zeitraums eingetreten sind. Nicht erforderlich ist, dass die geistige Behinderung bereits während des Bestehens häuslicher Gemeinschaft eingetreten ist. Liegt eine geistige Behinderung vor, hängt die Mitversicherung davon ab, dass der Behin- 21 derte mit dem VN in häuslicher Gemeinschaft (zu diesem Erfordernis s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 180 ff.) lebt. Auf das Alter des Behinderten kommt es nicht an. Rein körperliche Behinderungen stehen dem nicht gleich. Gehen geistige und körperliche Behinderungen miteinander einher, besteht jedoch Deckung.
IV. Nichteheliche Lebensgemeinschaft (Ziff. 2.2 BBR PHV) Will der VN seinen Partner, mit dem er zwar in häuslicher Gemeinschaft, nicht jedoch in 22 ehelicher Lebensgemeinschaft lebt, mitversichern, bedarf es hierfür nach Ziff. 2.2 BBR PHV einer besonderen Vereinbarung unter Benennung des Partners. Sowohl der VN als auch der Partner müssen (wieder) unverheiratet sein. Ein Scheidungsurteil muss rechtskräftig sein. Kinder des Partners sind wie Kinder des VN unter den Voraussetzungen von Ziff. 2.1 BBR PHV mitversichert. Die Mitversicherung endet insgesamt mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft, 23 wobei es nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen die Aufhebung erfolgt.23 Der Ausschluss von Ansprüchen des mitversicherten Partners und seiner Kinder gegen den VN hat wegen Ziff. 7.5 AHB 2016 („zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen“) nur klarstellende Bedeutung.
V. Im Haushalt beschäftigte Personen (Ziff. 2.3 BBR PHV) Ziff. 2.3 BBR PHV ergänzt Ziff. 1.2 und Ziff. 1.3 BBR PHV. Es besteht somit nicht nur für die 24 gesetzliche Haftpflicht des VN in seiner Eigenschaft als Dienstherr und Haus-/Wohnungsinhaber Deckung, sondern auch für die gesetzliche Haftpflicht der im Haushalt des VN beschäftigten Personen und sonstigen Personen, die aus Arbeitsvertrag (faktischem Arbeitsverhältnis) oder gefälligkeitshalber Wohnung, Haus und Garten betreuen oder den Streudienst versehen (z.B. Nachbar, der während der Urlaubsabwesenheit des VN die Blumen gießt oder den Schneeräumdienst versieht) und in Ausführung dieser Verrichtung einen Schaden verursacht haben.24 Ausgenommen von der Deckung sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
22 Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Frommel Strafgesetzbuch, 5. Aufl. (2017), § 174c StGB Rn. 7. 23 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 8; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 111. 24 Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 113 f.; Stockmeier AVB PHV A1-2 Rn. 52. 519
Koch
Ziff. 2 BBR PHV
Mitversicherte Personen
C. Restrisikoklausel (Ziff. 2.4 BBR PHV) 25 Nach Ziff. 2.4 Satz 1 BBR PHV ist im Rahmen der Besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden im Rahmen der Privat- sowie Haus- und GrundbesitzerHaftpflichtversicherung – außer Anlagenrisiko – (BB Gewässer, abgedruckt in der Kommentierung von A2-1 AVB BHV) die Haftpflicht aus Gewässerschäden in Form des sog. Restrisikos eingeschlossen.25 Es geht dabei um die Haftung des VN gem. § 89 Abs. 1 WHG für nachteilige Wasserveränderungen und um die Haftung nach § 89 Abs. 2 WHG aus der Verwendung von bei ihm gelagerten gewässerschädlichen Stoffen (z.B. Benzin, Farben, Lacke oder Reinigungsmittel) in den vertraglich vereinbarten Höchstmengen je Behälter und – kumulativ – aller Behälter sowie aus der Verwendung der gelagerten Stoffe. Ist die vereinbarte Höchstmenge überschritten, besteht Versicherungsschutz gem. Ziff. 2.4 Satz 2 und 3 BBR PHV nur nach den Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 3.1 (3) AHB 2016).
25 S. dazu Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1–3 BB Gewässer. Koch
520
Ziff. 3 BBR PHV
Ziff. 3 Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge 3.1 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs oder Kfz-Anhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden. 3.2 1Versichert ist jedoch die Haftpflicht wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch von (1) nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit; (2) Kfz mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; (3) Staplern mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; (4) selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; (5) Kfz-Anhängern, die nicht versicherungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. 2 Für (1) bis (5) gilt: 3 Für diese Fahrzeuge gelten nicht die Ausschlüsse in Ziff. 3.1 (2) AHB und in Ziff. 4.3 (1) AHB. 4 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 5Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 6Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 7 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 8Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 9 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). (6) Luftfahrzeugen, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen; (7) 1Wasserfahrzeugen, ausgenommen eigene Segelboote (auch Windsurfbretter) und eigene oder fremde Wasserfahrzeuge mit Motoren – auch Hilfs- oder Außenbordmotoren – oder Treibsätzen. 2 Mitversichert ist jedoch der gelegentliche Gebrauch von fremden Wasserfahrzeugen mit Motoren, soweit für das Führen keine behördliche Erlaubnis erforderlich ist; (8) ferngelenkten Land- und Wasser-Modellfahrzeugen.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kfz/-Anhängers
I.
Gebrauch eines versicherungspflichtigen Kfz oder Kfz-Anhängers 2 Begriff des Kfz/-Anhängers Gebrauch eines Kfz/-Anhängers a) Abgrenzung zum Begriff des Gebrauchs in der Kfz-Haftpflichtversicherung 3 (AKB)
1. 2.
521 https://doi.org/10.1515/9783110522686-043
b)
c)
Enge Auslegung des Begriffs des Gebrauchs in Ziff. 3.1 BBR PHV aa) Maßgeblichkeit des Begriffs des Betriebs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG 7 bb) Beispiele für den Gebrauchs des Kfz 10 i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten aa) Realisierung einer dem Betrieb des 12 Kfz innewohnenden Gefahr bb) Folgerungen für die Auslegung des Gebrauchs des Kfz i.S.v. Ziff. 3.1 BBR 16 PHV
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
3.
II. 1. 2.
3.
4. 5.
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
Inanspruchnahme des VN als Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer des Kfz/-Anhängers a) Eigenschaftsbezogenheit der Inanspruch18 nahme 22 b) Eigentümer 23 c) Besitzer 27 d) Halter 28 e) Führer aa) Fahrzeugführerkonstituierende Eigen29 schaften und Tätigkeiten 34 bb) Einzelfälle 37 cc) Kfz-Anhänger 38 dd) Autonomes Fahren 39 Wiedereinschlüsse Kfz-Gebrauch auf nicht öffentlichen Wegen und 40 Plätzen (Ziff. 3.2 (1) BBR PHV) Gebrauch von Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 3.2 (2) BBR 42 PHV) Stapler und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindig43 keit (Ziff. 3.2 (3) und (4) BBR PHV) Nicht versicherungspflichtige Kfz-Anhänger 45 (Ziff. 3.2 (5) BBR PHV) Sonderregeln für Wiedereinschlüsse („Für (1) bis (5) gilt:“) a) Abbedingung der Ausschlüsse in Ziff. 3.1 46 (2) und in Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 b) Nutzung nur durch den berechtigten Fah47 rer aa) Verfügungsberechtigung 48 (Ziff. 3.2. Satz 3–4 BBR PHV) bb) Ermöglichen einer „Schwarzfahrt“ 50 (Ziff. 3.2. Satz 5 BBR PHV)
c)
d)
Fahren nur mit Fahrerlaubnis (Ziff. 3.2 51 Satz 7-8 BBR PHV) 52 aa) Fahrerlaubnis bb) Zulassen einer führerscheinlosen 53 Fahrt Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegen54 heiten (Ziff. 3.2 Satz 9 BBR PHV)
C.
Gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Luftfahrzeuges
I.
Ausschluss
II.
Wiedereinschluss nichtversicherungspflichtiger 56 Luftfahrzeuge (Ziff. 3.2 (6) BBR PHV) 57 Versicherungspflichtige Luftfahrzeuge Nichtversicherungspflichtige Luftfahr58 zeuge
1. 2.
55
D.
Gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Wasserfahrzeugs
I.
Ausschluss
II. 1.
60 Wiedereinschluss (Ziff. 3.2 (7) BBR PHV) Segelboote und motorbetriebene Wasserfahr61 zeuge Gelegentlicher Gebrauch fremder motorbetriebe62 ner Wasserfahrzeuge
2.
E.
59
Ferngelenkte Land- und Wasser-Modellfahr64 zeuge (Ziff. 3.2 (8) BBR PHV)
A. Inhalt und Zweck 1 Zu den Gefahren des täglichen Lebens zählt auch die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem Gebrauch eines Kfz, Luft- oder Wasserfahrzeugs oder eines Kfz-Anhängers zu privaten Zwecken.1 Für die aus dem Gebrauch des Kfz resultierenden Schäden besteht jedoch nach Ziff. 3.1 BBR PHV kein Versicherungsschutz, soweit der VN in seiner Eigenschaft als Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer des Kfz in Anspruch genommen wird. Aus dem Wiedereinschluss in Ziff. 3.2 (1) bis (5) BBR PHV, der anknüpfend an § 1 PflVG und § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) bis c) PflVG klarstellt, dass die nicht der Versicherungspflicht unterliegenden Kfz, die im privaten Rahmen eingesetzt werden, in der Privathaftpflichtversicherung stets mitversichert sind, wird deutlich, dass Ziff. 3.1 BBR PHV der Abgrenzung zum Riskobereich der Kfz-Haftpflichtversicherung dient. Dieser Zielrichtung dient auch der Ausschluss für Schäden durch den Gebrauch von Luftfahrzeugen, wie der Wiedereinschluss für nicht der Versicherungspflicht unterliegende Luftfahrzeuge in Ziff. 3.2 (6) BBR PHV zeigt (für Wasserfahrzeuge besteht keine Versicherungspflicht). Ergänzend bestimmt Ziff. 3.2 Satz 3 BBR PHV, dass für die nicht versicherungspflichtigen Kfz der Ausschluss in Ziff. 3.1 (2) AHB 2016 und Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 nicht gilt, so dass für sie die Vorsorgeversicherung eingreift. Ziff. 3.2 Satz 4-8 1 OLG Saarbrücken 8.2.2012 – 5 U 370/11-50, RuS 2012 591; Terno RuS 2011 361, 362. Koch
522
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
BBR PHV enthält die aus der Kfz-Versicherung bekannten Obliegenheiten der Nutzung nur durch den berechtigten Fahrer (sog. Schwarzfahrtklausel, D.1.1.2 AKB) und des Fahrens nur mit Fahrerlaubnis (sog. Führerscheinklausel, D.1.1.3 AKB). Ziff. 3.2 Satz 9 BBR PHV verweist im Falle der Verletzung der Obliegenheiten auf Ziff. 26 AHB 2016.
B. Gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kfz/-Anhängers I. Gebrauch eines versicherungspflichtigen Kfz oder Kfz-Anhängers 1. Begriff des Kfz/-Anhängers Die Begrifflichkeiten in Ziff. 3.1 und 3.2 (1) bis (5) BBR PHV orientieren sich auch für den VN in der 2 Privathaftpflichtversicherung erkennbar an den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts, namentlich das StVG, die FZV sowie das Pflichtversicherungsgesetz.2 Soweit diese gesetzlichen Regelungen Definitionen enthalten, wird der VN diese der Auslegung von Ziff. 3.1 BBR PHV zugrundelegen (vgl. auch Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 24 ff.). Als Kfz i.S.d. StVG gelten nach § 1 Abs. 2 StVG „Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein“. Inhaltlich mit § 1 Abs. 2 StVG identisch definiert § 2 Nr. 1 FZV „nicht dauerhaft spurgeführte Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden“, als Kfz. Kfz-Anhänger sind gem. § 2 Nr. 2 FZV „zum Anhängen an ein Kraftfahrzeug bestimmte und geeignete Fahrzeuge“. Darüber hinaus kann der VN aus dem Wiedereinschluss in Ziff. 3.2 BBR PHV folgern, dass nur der Gebrauch versicherungspflichtiger Kfz vom Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung ausgeschlossen ist.
2. Gebrauch eines Kfz/-Anhängers a) Abgrenzung zum Begriff des Gebrauchs in der Kfz-Haftpflichtversicherung (AKB). 3 Nach den Vorstellungen des Musterbedingungsgebers dient Ziff. 3.1 BBR PHV dazu, den Deckungsanschluss zwischen der Kfz-Haftpflichtversicherung und den freiwilligen Versicherungen in der Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung herzustellen. Es sollen im System solcher Versicherungen einerseits Deckungslücken und andererseits Mehrfachversicherungen vermieden werden.3 Bis zum Urteil des BGH vom 13.12.2006 hat die Rechtsprechung den Begriff des Fahrzeuggebrauchs in der Privathaftpflichtversicherung im Lichte dieser Erwägungen ausgelegt.4 Besonders deutlich tritt das zutage in der Entscheidung des BGH vom 14.12.1988, in der es um die Haftung für einen Schaden infolge von Schweißarbeiten an einem nicht mehr Kfz-haftpflichtversicherten Fahrzeug ging. Der Privathaftpflicht-VR verweigerte Deckung unter Berufung auf die Benzinklausel (die in jenem Falle gar nicht auf den Gebrauch abstellte, sondern Schäden von der Deckung ausnahm, die „mit dem Führen oder Halten von Kraftfahrzeugen verbunden” sind). Der BGH traf folgende Feststellung: „Das mit einer Benzinklausel auch dem Versicherungsnehmer erkennbar werdende Ziel eines Deckungsanschlusses (gemeint ist: zwischen Kfz-Haftpflicht- und Privathaftpflichtversicherung) ist der Grund dafür, dass auf den Bedeutungsgehalt des in § 10 AKB a.F. umschriebenen Fahrzeuggebrauchs abzustellen ist, wenn es um das Verständnis dieser Klauseln in der Privathaftpflichtversicherung geht.”5
2 3 4 5
Vgl. BGH 26.3.1986 – IVa ZR 86/84, RuS 1986 148. OLG Saarbrücken 8.2.2012 – 5 U 370/11-50, RuS 2012 591; Terno RuS 2011 361, 362. BGH 13.12.2006 – IV ZR 120/05, BGHZ 170 182 = VersR 2007 388 Rn. 10. BGH 14.12.1988 – IVa ZR 161/87, RuS 1989 44 = VersR 1989 243.
523
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
Diesen Standpunkt hat der BGH in seiner Entscheidung vom 21.2.1990 nochmals bestätigt.6 4 Erst mit der Entscheidung vom 13.12.2006 hat der BGH seiner eigenen Rechtsprechung ein Ende gesetzt. Zwar werde auch der verständige VN nicht übersehen, so der BGH, dass mit einer Benzinklausel ein Risiko von der Deckung ausgenommen wird, das typischerweise dem Risikobereich der Kfz-Haftpflichtversicherung zuzuordnen ist. Er werde also Versicherungsschutz für das mit dem Gebrauch des Fahrzeuges verbundene Risiko in der Kfz-Haftpflichtversicherung erwarten. Insoweit erkenne der VN, dass mit der Klausel einerseits Doppelversicherungen, andererseits aber auch Deckungslücken vermieden werden sollen. Wörtlich heißt es jedoch weiter: „Darin erschöpft sich indessen die Bedeutung dieser Erwägung. Sie bedeutet nicht – und insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest –, dass der Versicherungsnehmer wegen dieses auch ihm erkennbaren Zusammenhangs zur Auslegung des (in der Benzinklausel) formulierten Merkmals „Schäden, die durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs verursacht werden” auf Bedingungswerke zurückgreifen müsste, die in der Kfz-Haftpflichtversicherung Verwendung finden.”7
5 Bereits nach dem Stand der Rechtsentwicklung in den 1990er Jahren dürfte es mit den für die Auslegung von AGB geltenden Maßstäben unvereinbar gewesen sein, die Benzinklausel in den BBR PHV inhaltlich durch das anzufüllen, was sich aus der Auslegung des Gebrauchsbegriffs in den AKB ergibt. Dabei ist es weniger relevant, dass der VN, der eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, die AKB nicht kennen muss.8 Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei der Benzinklausel in Ziff. 3.1 BBR PHV um einen Ausschluss handelt, wohingegen es sich bei dem Begriff des Fahrzeuggebrauchs in der Kfz-Haftpflichtversicherung um eine primäre Risikobegrenzung handelt.9 Während der Begriff des Fahrzeuggebrauchs deshalb in der Benzinklausel eng auszulegen ist, muss er in der Kfz-Haftpflichtversicherung in Übereinstimmung und im Lichte des Zwecks von § 1 PflVG weit ausgelegt werden. Vgl. hierzu beispielhaft die Ausführungen in dem Urteil des BGH vom 25.10.1994: „Der Begriff des Gebrauchs in § 10 AKB [a.F.] schließt denjenigen des Betriebs des Fahrzeuges i.S.d. § 7 StVG ein, geht aber noch darüber hinaus. Er bestimmt sich nach dem Interesse, das der Versicherte daran hat, durch den Einsatz des Kfz nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden, unabhängig davon, ob diese auf §§ 7 ff. StVG, §§ 823 ff. BGB oder anderen Haftungsnormen beruhen. Entscheidend ist allein, ob der Schadensfall mit dem Gefahrenbereich, für den der Versicherer deckungspflichtig ist, in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang steht, ob sich also die von dem Kfz als solchem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat.“ [Hervorhebung durch den Verfasser].10
6 Solche Erwägungen und Überlegungen spielen bei der Auslegung des Ausschlusses gem. Ziff. 3.1 BBR PHV keine Rolle. Sowohl die unterschiedlichen Auslegungsmaximen als auch das
6 BGH 21.2.1992 – IV ZR 271/88, VersR 1990 482. 7 BGH 13.12.2006 – IV ZR 120/05, BGHZ 170 182, 185 f. = VersR 2007 388; vgl. auch OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 706; OLG Hamm 9.8.2017 – 20 U 30/17, RuS 2018 134, 135; OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/ 14, RuS 2016 32, 34; OLG Brandenburg 3.9.2014 – 11 U 28/14, RuS 2014 599, 600; übersehen von LG Trier 18.2.2020 – 6 O 45/19, BeckRS 2020 50017. 8 Hierauf abhebend Terno RuS 2011 361, 366. 9 Vgl. OLG Hamm 2.10.2015 – I-20 U 139/14, RuS 2016 32, 34; vgl. auch Schimikowski RuS 2016 14. 10 BGH 25.10.1994 – VI ZR 107/94, VersR 1995 90, 91 f.; vgl. auch BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 11; BGH 31.1.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192 261 Rn. 7 = NJW 2012 1951; BGH 27.10.1993 – IV ZR 243/92, RuS 1994 2; BGH 19.9.1989 – VI ZR 301/88, VersR 1989 1187; BGH 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78 52, 54 f. = VersR 1980 1039; BGH 26.6.1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75 45, 48 = VersR 1979 956, 958; BGH 23.2.1977 – IV ZR 59/76, VersR 1977 418, 419; BGH 3.3.1971 – IV ZR 134/69, VersR 1971 611, 612; BGH 2.9.1966 – II ZR 45/64, VersR 1966 817, 818; OLG Düsseldorf 14.9.2010 – I-1 U 6/10, NZV 2011 190, 193; OLG Frankfurt/M. 7.5.2009 – 3 U 200/08, RuS 2009 426; OLG Hamm 24.11.2008 – I-6 U 105/08, RuS 2009 124, 125; OLG Frankfurt/M. 5.7.1995 – 20 W 263/95, RuS 1997 141, 142 f. Koch
524
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
Interesse des Versicherten in der Privathaftpflichtversicherung verbieten es deshalb nachgerade, den Begriff des Fahrzeuggebrauchs i.S.d. AKB auszulegen.11
b) Enge Auslegung des Begriffs des Gebrauchs in Ziff. 3.1 BBR PHV aa) Maßgeblichkeit des Begriffs des Betriebs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG. Bei den Begriffen 7 Halter und Führer eines Kfz handelt sich für den VN erkennbar um Rechtsbegriffe aus dem Straßenverkehrsrecht. Der durchschnittliche VN einer Privathaftpflichtversicherung wird sie mit §§ 7 Abs. 1 und 18 Abs. 1 StVG in Verbindung bringen und den Begriff des Gebrauchs in Ziff. 3.1 BBR PHV mit dem des Betriebs eines Kfz i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG gleichsetzen und im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung verstehen.12 Wenngleich auch aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben der Begriff des Betriebs im Lichte 8 der Versicherungspflicht gem. § 1 PflVG auszulegen ist13 und insoweit eine gewisse Interdependenz zum Begriff des Gebrauchs i.S.d. A.1.1.1 AKB besteht, der an § 1 PflVG anknüpft, ist der Begriff des Betriebs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG enger als der des Gebrauchs i.S.d. AKB. So umfasst der Begriff des Gebrauchs i.S.d. AKB „jeden Vorgang und jede Handlung, die mit dem Verwendungszweck des Fahrzeuges zeitlich und örtlich in unmittelbarem Zusammenhang steht“.14 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Hierunter fällt nicht nur das Fahren, das Ein- und Aussteigen, das Be- und Entladen, Parken, Rangieren, Waschen,15 Reparieren,16 die Vorbereitung des Einsatzes des Kfz,17 das Anbringen und Demontieren von Fahrzeugteilen, auch wenn diese Arbeiten nicht zu Reparaturzwecken erfolgen, wie z.B. das An-/Abbauen eines Dachgepäckträgers,18 Lackieren,19 Betanken, Aufbewahren von noch nicht entladener Ware, Absperren20 sowie die Verwendung als Arbeitsmaschine.21 Dies gilt selbst 11 Vgl. auch OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 706; LG Oldenburg RuS 2021 208, 210 m. Anm. Maier RuS 2021 211; Schimikowski RuS 2016 14, 15. 12 Vgl. AG Saarlouis 24.7.2017 – 28 C 250/17 (70) (juris) („Das Führen eines Fahrzeugs zählt zu den zentralen Begriffen des Straßenverkehrsrechtes (vgl. etwa §§ 2, 18 StVG, 2 Absatz 3a s. 1 StVO sowie 315c, 316 StGB), so dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den in der Klausel verwendeten Begriff des Führens ebenso wie in den Straßenverkehrsrechtnormen verstehen darf“); a.A. OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/14, RuS 2016 32, 35 „natürlicher Betrachtung“; LG Wuppertal 14.11.2019 – 9 S 125/19, VersR 2020 97; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AVB PHV A1-7 Rn. 8: Schwergewicht der Schadenverursachung beim Kfz oder in einer sonstigen (privaten) Tätigkeit oder Eigenschaft; Prölss/ Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 14 „Verwirklichung des typischen Risikos des Fahrzeugs“. 13 Vgl. EuGH 20.6.2019 – C-100/18, BeckRS 2019 11791; BGH 20.10.2020 – VI ZR 319/18, VersR 2021 597 Rn. 7; OLG Zweibrücken 27.1.2021 – 1 U 63/19, NJW-RR 2021 336. 14 OLG Hamm 12.12.2003 – 20 U 140/03, RuS 2004 98, 99; OLG Frankfurt/M. 5.7.1995 – 20 W 263/95, RuS 1997 141, 142 = VersR 1996 1403; OLG Köln 2.3.1989 – 5 U 133/88, RuS 1989 105, 106; AG Fürstenfeldbruck 17.3.2011 – 5 C 1779/10, RuS 2012 237; vgl. auch BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 11. 15 Vgl. BGH 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78 52, 54 f. = VersR 1980 1039; OLG Celle 18.9.1975 – 5 U 145/74, DAR 1976 72; LG Kiel 7.6.1984 – 10 S 25/84, zfs 1984 259; OLG Hamm 29.5.1987 – 20 W 73/86, RuS 1987 213; LG Hamburg 22.9.1987 – 9 S 68/87, VersR 1988 260, 261. 16 BGH 21.11.1990 – IV ZR 271/88, VersR 1990 482; BGH 14.12.1988 – IV a ZR 161/87, VersR 1989 243; BGH 26.10.1988 – VIII ZR 230/87, VersR 1988 1283, 1284; BGH 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78 52, 54; OLG München 5.7.1985 – 18 U 2012/85, RuS 1985 263 f. = VersR 1987 196; OLG München 27.10.1989 – 21 U 2589/89, RuS 1990 40, 42 (zur Auslegung eines Teilungsabkommens; Grenzfall); LG Kiel 28.1.1985 – 2 O 210/84, VersR 1986 538, 539. 17 BGH 13.12.2006 – IV ZR 120/05, VersR 2007 388 Rn. 12. 18 AG Hamburg-Altona 18.10.1989 – 315c C 467/89, zfs 1989 424. 19 AG Dinslaken 16.1.1985 – 8 C 735/84, VersR 1985 983. 20 OLG Rostock 22.12.2004 – 6 U 124/03, VersR 2006 257. 21 BGH 19.9.1989 – VI ZR 301/88, VersR 1989 1187; BGH 26.6.1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75 45, 48 f. = VersR 1979 956; OLG Frankfurt/M. 5.7.1995 – 20 W 263/95, RuS 1997 141, 142 = VersR 1996 1403. 525
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
dann, wenn es nur als Arbeitsmaschine eingesetzt wird,22 etwa als Pumpe beim Befüllen eines Öltanks23 oder für den Betrieb einer Spülvorrichtung und eines Spülschlauchs zur Kanalreinigung.24 9 Dagegen liegt nach der Rechtsprechung ein Schaden „bei dem Betrieb“ eines Kfz i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG vor, „wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist.25 [Hervorhebung durch den Verfasser]
Dies ist der Fall, wenn „der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht“.26 [Hervorhebung durch Verfasser]
Im Unterschied zum Begriff des Gebrauchs i.S.d. A.1.1.1 AKB genügt für einen Betrieb und damit zugleich Gebrauch i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV nicht jeder Vorgang und jede Handlung, der oder die mit dem Verwendungszweck des Fahrzeuges zeitlich und örtlich in unmittelbarem Zusammenhang steht. Vielmehr ist erforderlich, dass der Unfall im Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung steht. Entsprechendes gilt in Bezug auf den Anhänger.27 Fehlt es an einem solchen Zusammenhang, kann es deshalb zu einer Mehrfachversicherung kommen, wenn der Versicherte in der Privathaftpflichtversicherung zugleich zum Kreis der versicherten Personen in der Kfz-Haftpflichtversicherung zählt.28
10 bb) Beispiele für den Gebrauchs des Kfz i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV. Legt man die Rechtsprechung zum Begriff des Betriebs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG der Auslegung von Ziff. 3.1 BBR PHV zugrunde, zählt zum Gebrauch i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV z.B. das – Öffnen einer Tür beim Aussteigen aus einem Fahrzeug,29 – Parken auf öffentlichen oder privaten Verkehrsflächen,30
22 23 24 25
BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 22. OLG Köln 10.2.1993 – 11 U 172/92, RuS 1994 43, 44; OLG Köln 2.3.1989 – 5 U 133/88, RuS 1989 105, 107. OLG Hamm 12.12.2003 – 20 U 140/03, VersR 2004 773. BGH 20.10.2020 – VI ZR 319/18, VersR 2021 597 Rn. 7; BGH 11.2.2020 – VI ZR 286/19, VersR 2020 782 Rn. 10; BGH 26.3.2019 – VI ZR 236/18, VersR 2019 897 Rn. 8; BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 11; vgl. auch BGH 24.3.2015 – VI ZR 265/14, VersR 2015 638 Rn. 5; BGH 26.2.2013 – VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 15; BGH 31.1.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192 261 Rn. 17; BGH 27.11.2007 – VI ZR 210/06, VersR 2008 656 Rn. 7; BGH 3.7.1990 – VI ZR 33/90, VersR 1991 111, 112; BGH 6.6.1989 – VI ZR 241/88, BGHZ 107 359, 366; BGH 5.7.1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105 65, 66 f.; BGH 19.4.1988 – VI ZR 96/87, VersR 1988 641. 26 BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 11; BGH 21.1.2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199 377 Rn. 5; BGH 26.2.2013 – VI ZR 116/12, VersR 2013 599 Rn. 15; BGH 27.11.2007 – VI ZR 210/06, VersR 2008 656 Rn. 9; BGH 10.2.2004 – VI ZR 218/03, VersR 2004 529, 531; BGH 10.10.1972 – VI ZR 104/71, VersR 1973 83; BGH 11.7.1972 – VI ZR 86/71, VersR 1972 1074. 27 BGH 11.2.2020 – VI ZR 286/19, NJW 2020 2116 Rn. 11. 28 Bruck/Möller/Koch Bd. 12 A.1 AKB Rn. 73. 29 Vgl. BGH 6.10.2009 – VI ZR 316/08, NJW 2009 3791 = VersR 2009 1641; KG 20.9.2010 – 12 U 216/09, RuS 2011 174; OLG München 28.10.1994 – 10 U 4858/93, RuS 1996 53 = VersR 1996 1036; OLG München 24.6.1966 – 10 U 1244/65, VersR 1966 987; LG Saarbrücken 20.11.2015 – 13 S 117/15, NZV 2016 128, 129. 30 BGH 25.10.1994 – VI ZR 107/94, RuS 1995 44, 45 = VersR 1995 90; BGH 20.11.1980 – III ZR 122/79, VersR 1981 252, 253; BGH 16.2.1977 – IV ZR 42/76, VersR 1977 468, 469 f.; BGH 5.4.1960 – VI ZR 34/59, VersR 1960 635; BGH 7.4.1952 – III ZR 363/51, BGHZ 5 318, 320; OLG Düsseldorf 14.9.2010 – I-1 U 6/10, NZV 2011 195, 196; OLG Saarbrücken 2.6.1999 – 5 U 40/99, RuS 2000 322; OLG München 12.10.2009 – 17 U 3159/09, NJW-RR 2010 1183, 1184; a.A. OLG Karlsruhe 29.6.2005 – 1 U 247/04, NJW 2005 2318, 2319; OLG Nürnberg 3.7.1997 – 8 U 390/97, NZV 1997 482, 483 = Koch
526
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
– (verbotswidrige) Abstellen des fahruntüchtigen Fahrzeugs,31 – Lenken eines mit Seil oder Stange abgeschleppten Fahrzeugs,32 – Be- und Entladen,33 – Rangieren von Transportgut,34 – Betanken35 oder – Laden eines Elektro-Kfz.36 Kein Betrieb/Gebrauch liegt vor, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kfz keine 11 Rolle mehr spielt und das Kfz nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird.37 Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kfz kann jedoch zu bejahen sein, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet.38
c) Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten aa) Realisierung einer dem Betrieb des Kfz innewohnenden Gefahr. Im Grundsatz um- 12 fasst die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt jedoch für das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ nicht, dass der Schaden allein durch den Gebrauch des Kfz verursacht worden ist. Vielmehr ist erforderlich, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist.39 Nur die typische von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim Gebrauch vom Kfz selbst und unmittelbar ausgehende Gefahr soll vom Versicherungsschutz ausgenommen sein. Es muss sich ein Gebrauchsrisiko gerade des Kfz verwirklicht und zu einem Schaden geführt haben.40 Der Unfall muss – wie zuvor ausgeführt (Rn. 9) – in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz stehen. Unerheblich ist, ob sich der Führer des Kfz verkehrswidrig verhalten hat oder es zu einer Kollision mit einem anderen Kfz gekommen ist.41 Insbesondere bei einem „Unfall ohne Berührung“ ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kfz zu einem schädigenden Ereignis, „dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat (…), mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (…).“42
VersR 1998 648; OLG München 8.12.1995 – 10 U 4713/95, NZV 1996 199, 200 (für Abstellen eines Fahrzeuges auf einem Privatgrundstück). 31 BGH 16.4.1996 – VI ZR 79/95, NJW 1996 2023; OLG Frankfurt 25.9.2003 – 12 U 18/02, VersR 2004 1149. 32 OLG Köln 7.3.1986 – 6 U 183/85, DAR 1986 321, 322; OLG Koblenz 6.1.1986 – 12 U 447/85, VersR 1987 707, 708. 33 OLG Hamm 22.9.1999 – 13 U 134/98, RuS 2000 498, 499. 34 LG Bremen 18.6.2013 – 6 S 48/13, BeckRS 2013 12453; vgl. auch OLG Koblenz 20.1.1984 – 10 U 905/83, VersR 1985 232 = RuS 1984 142. 35 KG 2.12.2011 – 6 U 13/11, RuS 2012 384, 385; LG Dortmund NJOZ 2017 1640, 1641; Stockmeier AVB PHV A1-7.14 Rn. 77; a.A. Schmikowski RuS 2016 14, 15; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 11). 36 BeckOGK-StVG/Walter § 7 Rn. 97.4. 37 BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 12. 38 BGH 24.3.2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015 1681 Rn. 6; OLG Düsseldorf 7.4.2020 – 1 U 155/18, BeckRS 2020 10142 (verneint bei einem Traktor, der ein Kreiselmähwerk zieht und antreibt, das einen Stein wegschleudert, der eine zufällig am Rand befindliche Person verletzt). 39 Vgl. BGH 27.10.1993 – IV ZR 243/92, RuS 1993 351 = VersR 1994 83. 40 Vgl. BGH 22.11.2016 – VI ZR 533/15, RuS 2017 95 Rn. 11 f.; BGH 13.12.2006 – IV ZR 120/05, BGHZ 170 182 Rn. 11 = RuS 2007 102; OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 706. 41 BGH 22.11.2016 – VI ZR 533/15, RuS 2017 95 Rn. 12. 42 BGH 22.11.2016 – VI ZR 533/15, RuS 2017 95 Rn. 14. 527
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
13 Beim stehenden Fahrzeug ist ein Betrieb gegeben, während das Kfz in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel be- oder entladen wird, so dass der Halter sowohl für die von dem entladenden Kfz als solches ausgehenden Gefahren als auch für die von den Be-/Entladevorrichtungen und der Ladung ausgehenden Gefahren haftet.43 Ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Schadensursache und einem Betriebsvor14 gang oder einer Betriebseinrichtung des Kfz besteht nach der Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn sich der Schaden erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen realisiert hat und dabei die beim Betrieb geschaffene Gefahrenlage solange fort- und nachwirkte.44 In dem Fall realisierte sich die Gefahr eines Kurzschlusses durch die unfallbedingte Deformation des Frontbereichs eines Kfz, in dessen Folge ein Brand ausgelöst wurde.45 Nach Ansicht des OLG Karlsruhe zählt zur Betriebseinrichtung nicht nur solche, die der eigentlichen Fortbewegung bzw. dem Transportzweck dient, sondern auch solche, die zu der technischen Ausrüstung des Fahrzeugs gehört, also konstruktiv mit dem Kfz verbunden ist, um dessen Zweck – sei es das Be- oder Entladen, sei es die Nutzung als Unterkunft – zu ermöglichen. Insofern sei ein an das Stromnetz oder die Gasversorgung eines Wohnmobils angeschlossener, fest eingebauter Kühlschrank oder die in ein Wohnmobil oder einen Anhänger konstruktiv eingegliederte elektrische Anlage unter den Begriff der „Betriebseinrichtung“ zu fassen.46 Am Zurechnungszusammenhang fehlt es bei Schäden, bei denen sich eine Gefahr aus ei15 nem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung in Fällen, in denen besonders empfindliche und schadensanfällige Tiere (Wildschweine) durch eine plötzliche, von einem Kfz ausgehende Lärmentwicklung zu Schaden gekommen sind, den Zurechnungszusammenhang verneint.47 Ebenso wenig realisiert sich ein Gebrauchsrisiko, wenn der VN zum Verlassen eines privaten Wildgeheges von innen das Außentor des Geheges öffnet, das Tor mit dem Pkw durchfährt, anschließend vergisst, das Tor zu schließen und dadurch mehrere Stück Damwild aus dem Gehege entlaufen48 oder ein Hund den elektrischen Fensterheber eines Kfz heruntergedrückt, aus dem Fenster springt und ein Pferd in die Hinterbeine beißt.49
16 bb) Folgerungen für die Auslegung des Gebrauchs des Kfz i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV. Diese zur Auslegung des Haftungsmerkmals „bei dem Betrieb“ von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Zurechnung unter Schutzzweckgesichtspunkten geben auch das Maß für die Auslegung des Ausschlussmerkmals „Gebrauchs des Kfz“ in der Privathaftpflichtversicherung. Nach Ziff. 3.1 BBR PHV unversicherte Schäden infolge Gebrauchs des KFz liegen nicht vor, wenn – der Anhänger, der durch starken Seitenwind gegen ein auf demselben Parkplatz abgestelltes Kfz geschoben wird, auf einem für Kunden, Mitarbeiter oder sonstige Dritte nicht zugänglichen Privatgelände ordnungsgemäß abgestellt ist;50
43 Vgl. BGH 8.12.2015 – VI ZR 139/15, VersR 2016 1048 Rn. 14; OLG Hamm 14.6.2019 – 7 U 89/18, BeckRS 2019 25141; OLG Köln 21.2.2019 – 14 U 26/18 NJW-RR 2019 595; LG Wuppertal 14.11.2019 – 9 S 125/19 VersR 2020 97. 44 BGH 26.3.2019 – VI ZR 236/18, VersR 2019 897 Rn. 9; vgl. auch BGH 20.10.2020 – VI ZR 319/18, VersR 2021 597 Rn. 8; BGH 11.2.2020 – VI ZR 286/19, VersR 2020 782 Rn. 19 (Beschädigung durch abgestellten Anhänger). 45 BGH 26.3.2019 – VI ZR 236/18, VersR 2019 897 Rn. 9; vgl. aber auch OLG Dresden 3.9.2019 – 6 U 609/19, BeckRS 2019 21360 (an einem Nachwirken fehlt es, wenn ein Kfz, das sich zur Reparatur in einer Werkstatt befindet, durch Selbstentzündung einer Betriebseinrichtung (hier aufgrund eines Kurzschlusses) einen Brandschaden verursacht). 46 OLG Karlsruhe 13.12.2019 – 14 U 108/19, BeckRS 2019 35238; vgl. auch OLG Frankfurt/M. 23.10.2017 – 14 U 165/ 16, RuS 2018 610, 611. 47 BGH 2.7.1991 – VI ZR 6/91, NJW 1991 2568. 48 LG Kaiserslautern 14.10.2008 – 1 S 16/08, NJW-RR 2009 249. 49 BGH 25.6.2008 – IV ZR 7/07, BeckRS 2008 13180. 50 BGH 11.2.2020 – VI ZR 286/19, NJW 2020 2116 Rn. 20 f. Koch
528
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
–
ein Neuwagen, der zu dem Sattelzug verbracht und aufgeladen werden soll, in 100 m Entfernung mit einem Dritten kollidiert;51 – das Kfz mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband einer automatischen Waschstraße transportiert wird;52 – der Fahrer sein Kfz ordnungsgemäß am Fahrbahnrand parkt, aussteigt und sodann beim Überqueren eines Radwegs mit einem Radfahrer zusammenstößt;53 – dem VN eine Bauschaumflasche herunterfällt und explodiert, als er aus seinem Kfz steigt;54 – beim Einfüllen eines falschen Kraftstoffs in den Erdtank einer Tankstelle durch ein Tankfahrzeug, wenn der Kraftstoff nicht in den Tank gepumpt wird, sondern allein aufgrund der Schwerkraft hineinläuft;55 – durch Schweißarbeiten an einem Kfz in einer Halle diese in Brand gerät;56 – bei einem Reifenwechsel eine dafür genutzte Hebebühne beschädigt wird;57 – ein auf dem Beifahrersitz eines abgestellten Kfz sitzendes 14-jähriges Mädchen den im Zündschloss steckenden Schlüssel umdreht, um über die zu aktivierende Batterie das Autoradio zu betreiben, aber versehentlich den Schlüssel so weit umdreht, dass der Motor des Pkw gestartet wird, dieser sich von selbst in Bewegung setzt und ein anderes geparktes Fahrzeug beschädigt;58 – Scheiben bei Frost vor Fahrtantritt mit einem Heizlüfter aufgetaut werden;59 – der VN beim Beladen seines Kfz ein danebenstehendes Kfz mit dem Einkaufswagen beschädigt;60 – der Fahrer, dessen Kfz von der Fahrbahn abgekommen und für andere Verkehrsteilnehmer nicht sichtbar in einer Wiese liegengeblieben ist, nach dem Aussteigen versucht, durch Winken ein anderes Kfz anzuhalten;61 – der VN Hindernisse beseitigt;62 – der VN beim Montieren eines Fahrradträgers versehentlich den automatischen Öffnungsmechanismus der Heckklappe eines Kfz beschädigt, das ihm von seinem Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zur betrieblichen und privaten Nutzung überlassen wurde.63 Der Zusammenhang zwischen der Zurechnung des Betriebs des Kfz zu einem schädigenden Er- 17 eignis ist nicht nur für die Haftung des VN in seiner Eigenschaft als Halter oder Führer, sondern auch für die Haftung in seiner Eigenschaft als Vertragspartei, Eigentümer oder Besitzer maßgeblich. Insofern muss ihre Haftung stets neben die Haftung des Halters aus § 7 Abs. 1 StVG und/oder des Führers nach § 18 Abs. 1 StVG treten. Fehlt es am Zurechnungszusammenhang, greift der Ausschluss gem. Ziff. 3.1 BBR PHV deshalb auch bei der Haftung des Eigentümers oder Besitzers z.B. aus § 823 Abs. 1 BGB nicht ein. So liegt der Fall, wenn der VN in seiner 51 OLG Hamm 14.6.2019 – 7 U 89/18, BeckRS 2019 25141. 52 OLG Koblenz 5.8.2019 – 12 U 57/19, NJW-RR 2019 1363; LG Dortmund 14.11.2018 – 21 S 47/18, NJW-RR 2019 600; vgl. auch OLG Zweibrücken 27.1.2021 – 1 U 63/19, NJW-RR 2021 336.
53 OLG Hamm 5.4.2018 – 6 U 163/17, VersR 2018 1084. 54 OLG Hamm 9.8.2017 – 20 U 30/17 VersR 2018 216. 55 LG Düsseldorf 19.10.2017 – 9 S 3/17, RuS 2018 16. Befüllt der Fahrer eines Tanklastzuges die Erdtanks einer Tankstelle irrtümlich fehlerhaft mit Diesel statt mit Benzin und entsteht durch die Abgabe des Kraftstoffs an den Kunden der Tankstelle ein Schaden, ist dieser Schaden nach Ansicht des OLG München 24.4.2015 – 25 U 4874/14, RuS 2016 298, 299 f. nicht mehr dem Gebrauch des Tanklastzuges zuzurechen und folglich der BetriebshaftpflichtVR des Tankstellenbetreibers einstandspflichtig. 56 OLG Hamm 2.10.2015 – 20 U 139/14 RuS 2016 32, 34 f. 57 LG Karlsruhe 23.5.2014 – 9 S 460/13 RuS 2014 553. 58 OLG Celle 3.3.2005 – 8 W 9/05, VersR 2006 256. 59 BGH 13.12.2006 – IV ZR 120/05 VersR 2007 388 Rn. 12. 60 LG Kassel 16.1.2003 – 1 S 402/02, BeckRS 2003 7428. 61 OLG Hamm 16.8.1999 – 6 U 227/98, VersR 2000 1270. 62 LG Stuttgart 28.3.1969 – 4 S 316/68, VersR 1969 866. 63 OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 708. 529
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
Eigenschaft als Eigentümer des Cabrios für Ölflecke auf der Parkplatzabstellfläche des Nachbarn („Winterquartier“) in Anspruch genommen wird, die aus undichten Öldichtungen resultieren. Ist die Undichtigkeit z.B. aufgrund von Rostbefall erst Wochen nach dem Abstellen des Kfz aufgetreten, fehlt es am Betrieb des Cabrios i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG und damit am Zurechnungszusammenhang zwischen dem Gebrauch i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV und dem Schaden. Da sich kein Gebrauchsrisiko verwirklicht hat, besteht für die Haftung des Eigentümers wegen Verletzung der sich aus dem Eigentum am Cabrio ergebenden Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB Deckung in der Privathaftpflichtversicherung.
3. Inanspruchnahme des VN als Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer des Kfz/-Anhängers 18 a) Eigenschaftsbezogenheit der Inanspruchnahme. Der Ausschluss in Ziff. 3.1 BBR PHV ist beschränkt auf die Inanspruchnahme des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers des Kfz. Die Haftung des VN muss somit anknüpfen an eine der vorbezeichneten Eigenschaften.64 Daran fehlt es, wenn der VN als bloßer Insasse des Kfz (z.B. Beifahrer) beim Öffnen der Fahrzeugtür einen Fahrradfahrer verletzt.65 Zwar liegt ein Gebrauch des Kfz i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV vor und es hat sich auch ein gebrauchstypisches Risiko verwirklicht. Gleichwohl besteht für die Schäden Deckung in der Privathaftpflichtversicherung. Reguliert der Kfz-Haftpflichtversicherer den Fall, gehen die Ausgleichsansprüche, die dem Halter gegenüber dem Insassen aus § 840 BGB zustehen, nach § 86 Abs. 1 VVG über.66 19 Die Anknüpfung an die Eigenschaft hat zur Folge, dass keine Deckung in der Privathaftpflichtversicherung (sondern nur in der Kfz-Haftpflichtversicherung) besteht, wenn der VN nicht nur Insasse, sondern auch Halter ist und der verunfallte Fahrradfahrer den VN in dieser Eigenschaft nach § 7 Abs. 1 StVG in Anspruch nimmt. Nimmt der Geschädigte den VN als Insasse aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz in Anspruch, besteht dagegen Deckung in der Privathaftpflichtversicherung, weil sich beim Öffnen der Tür nur ein in einem zufälligen oder gelegentlichen Zusammenhang mit der versicherten Eigenschaft als Halter stehendes Risiko verwirklicht hat. Nimmt der Fahrradfahrer den Insassen sowohl in seiner Eigenschaft als Halter als auch in der als bloßer Insasse in Anspruch, liegt eine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 Abs. 1 VVG vor, da nach der Rechtsprechung eine Schnittmenge bestimmter Tätigkeiten (hier Begehung einer unerlaubten Handlung als Inhaber der Verfügungsgewalt über das Kfz) genügt.67 Vorstehendes gilt entsprechend, wenn der Insasse zufällig auch Eigentümer des Kfz ist, weil er nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer haftet/in Anspruch genommen wird – eine Verletzung der ihn in seiner Eigenschaft als Eigentümer treffenden Verkehrspflicht ist nicht ersichtlich. Ein solches eigenschaftsbezogenes Verständnis, das für die Beschreibung des versicherten Risikos maßgeblich ist, gibt auch für die Auslegung von Ausschlussklauseln das Maß.68 20 Wird die VN einer Privathaftpflichtversicherung, die ihren 3-jährigen Sohn für eine kurze Besorgung unbeaufsichtigt im Auto ihres Bruders zurücklässt, auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht gem. § 832 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen, weil der Sohn während ihrer Abwesenheit die Feststellbremse des Kfz gelöst hat und das Kfz daraufhin rückwärts gegen die Gartenmauer des Anwesens gerollt ist, besteht für diesen Schaden ebenfalls Deckung in der Privathaftpflichtversicherung (Fall der Anspruchskonkurrenz, vgl. Ziff. 7.1 BBR
64 65 66 67 68
Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 8. Späte/Schimikowski/Schimkowski BB PHV Rn. 128; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 8. Schimikowski RuS 2016 14, 16. Teilidentität von Interesse und Gefahr; vgl. dazu BGH 13.3.2018 – VI ZR 151/17, RuS 2018 532. Vgl. BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, VersR 2007 939 Rn. 16.
Koch
530
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
BHV Rn. 31 f.).69 Die gegenteilige Ansicht des OLG Brandenburg, der zufolge die Anwendbarkeit der Ausschlussklausel nicht davon abhängig gemacht werden könne, aus welchen Gründen es zum Gebrauch des Kfz gekommen und ob dem VN in diesem Zusammenhang eine Pflichtverletzung zur Last zu legen sei,70 lässt sich mit dem eigenschaftsbezogenen Verständnis von Ziff. 3.1 BBR PHV nicht in Einklang bringen. Es liegt auch hier eine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 Abs. 1 VVG vor, wenn der VN in seiner Eigenschaft als Kfz-Halter und in seiner Eigenschaft als Aufsichtspflichtiger in Anspruch genommen wird.71 Dieser Befund steht entgegen Stockmeier auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung 21 des BGH zur Tierhalterausschlussklausel in Ziff. 1.8 BBR PHV.72 Nach dieser Rechtsprechung schließt der Ausschluss der „Haftpflicht als Tierhalter“ nicht nur Ansprüche aus § 833 BGB, sondern auch auf Grund anderer Anspruchsgrundlagen aus, auf Grund derer sich der Versicherte gerade in seiner Eigenschaft als Tierhalter Haftpflichtansprüchen ausgesetzt sieht.73 Darum geht es jedoch nicht in den Fällen, in denen ein Insasse, der zugleich Halter ist, nur in seiner Eigenschaft als Insasse, oder die Halterin nicht als solche, sondern als Aufsichtspflichtige in Anspruch genommen wird.74
b) Eigentümer. Die Eigentümerstellung bestimmt sich nach den Regeln des bürgerlichen 22 Rechts (§§ 929 ff. BGB). Weder der Eintrag in den Kfz-Schein und den Kfz-Brief (Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II) noch der Besitz der Zulassungsbescheinigungen belegt das Eigentum am Fahrzeug.75 Als Anknüpfungspunkt für eine Haftung als Eigentümer kommt die Verletzung der sich aus dem Eigentum am Fahrzeug ergebenden Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn er nicht verhindert, dass Unberechtigte76 oder Führerscheinlose77 das Fahrzeug führen oder von einem technisch defekten Fahrzeug Gebrauch gemacht wird.78 Kommt es infolge des Defekts oder unbefugten Gebrauchs des Kfz durch einen nicht berechtigten oder führerscheinlosen Fahrer zu einem Unfall mit Drittschaden, verwirklicht sich ein typisches Gebrauchsrisiko. Für die Ansprüche des Geschädigten gegen den Eigentümer nach § 823 Abs. 1 BGB besteht kein Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung, sondern nur in der Kfz-Haftpflichtversicherung (vgl. zur Mitversicherung des Eigentümers s. A.1.2 AKB 2015). c) Besitzer. Wer Besitzer des Kfz ist, bestimmt sich ebenfalls nach den Regeln des bürgerlichen 23 Rechts (§§ 854 ff. BGB). Der unmittelbare Besitz an einer Sache wird gem. § 854 Abs. 1 BGB durch die tatsächliche Gewalt über die Sache erworben. In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der Verkehrsanschauung ab, also von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falls entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens.79 Die tatsächliche Sachherrschaft muss, wie sich aus den Regelungen der §§ 867 und 872 BGB ergibt, von einem entsprechenden Willen des (angehenden) Besitzers getra-
69 Vgl. AG Mannheim 4.7.1995 – 2 C 1650/95, BeckRS 1995 31146753; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 8; Schimikowski RuS 2016 14, 16; s.a. OLG Hamm 25.8.1989 – 20 U 98/89, VersR 1990 774, 775. OLG Brandenburg 3.9.2014 – 11 U 28/14, RuS 2014 599, 602; zustimmend Stockmeier AVB PHV A1-7.14 Rn. 59 f. Schimikowski RuS 2016 14, 16. Stockmeier AVB PHV A1-7.14 Rn. 58. BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, VersR 2007 939 Rn. 15 ff. Vgl. auch OLG Hamm 25.8.1989 – 20 U 98/89, VersR 1990 774, 775. Vgl. OVG Saarlouis 28.8.2015 – 1 A 5/15, NZV 2016 351, 352. BGH 2.2.1962 – VI ZR 131/61, VersR 1962 333, 334. Vgl. BGH 24.4.1979 – VI ZR 73/78, NJW 1979 2309, 2310. Vgl. LG Bielefeld 27.10.1994 – 22 S 110/94, RuS 1995 180, 181 (auslaufendes Öl); Stiefel/Maier/Maier A.1 AKB Rn. 145. 79 BGH 17.3.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017 818 Rn. 10; BGH 2.12.2011 – V ZR 119/11, NZM 2013 204 Rn. 10.
70 71 72 73 74 75 76 77 78
531
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
gen sein.80 Für die Besitzverhältnisse an einem Kfz kommt es nach der Rechtsprechung nicht darauf an, wer das Kfz fährt, sondern darauf an, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die Fahrzeugschlüssel ausübt.81 Jedoch wird der Fahrer in aller Regel auch die tatsächliche Gewalt über die Schlüssel haben, so dass er zugleich auch Besitzer ist. In diesem Szenario kommt der Eigenschaft als Besitzer neben der als Führer keine eigenständige Bedeutung zu. 24 Bedeutsam wird die Haftung des VN in der Privathaftpflichtversicherung in seiner Eigenschaft (nur) als Besitzer des Kfz in den Fällen, in denen das Kfz vorübergehend abgestellt wird und die Schlüssel sich in seinem Besitz befinden. So liegt der Fall bei dem zuvor gegebenen Beispiel, in dem der VN einer Privathaftpflichtversicherung beim Montieren eines Fahrradträgers zu privaten Zwecken versehentlich den automatischen Öffnungsmechanismus der Heckklappe eines Kfz beschädigt, das ihm von seinem Arbeitgeber zur Nutzung überlassen wurde.82 Ist der Fahrer ausnahmsweise nur Besitzdiener (§ 855 BGB), kommt auch eine Haftung des 25 VN als Besitzherr während der Fahrt in Betracht.83 Voraussetzung für die Besitzdienerstellung ist, dass der Besitzherr zumindest faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen gegenüber dem Besitzdiener durchzusetzen.84 Abzulehnen ist die Ansicht des OLG Saarbrücken, das unter Rückgriff auf frühere Argumentationsmuster der Eigenschaft als Besitzer keine eigenständige Bedeutung zumessen will mit der Begründung, der VN erwarte keine ihm nicht deutlich aufgezeigten Lücken „zwischen der ihm umfassend angebotenen Privathaftpflichtversicherung und der KfzHaftpflichtversicherung“.85 Der VN verstehe die Klausel dahin, dass mit ihr lediglich die – doppelte – Versicherung desselben Risikos vermieden, im Übrigen aber lückenloser Deckungsanschluss an die Kfz-Haftpflichtversicherung hergestellt werden solle. Es ist sehr zweifelhaft, ob der durchschnittliche VN einer Privathaftpflichtversicherung derartige Überlegungen anstellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der VN nicht Halter eines Kfz ist und deshalb überhaupt keinen Anlass dazu hat, sich Gedanken über den Umfang des Kfz-Haftpflichtversicherungsschutzes zu machen. 26 Keine Rolle spielt der Besitz bei privaten Wartungs-, Reparatur- und Schweißarbeiten, die nicht vom Eigentümer, Halter oder Führer des Kfz durchgeführt werden.86 Hier fehlt es am Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden und dem Gebrauch nach Ziff. 3.1 BBR PHV (Rn. 12 ff.).87
27 d) Halter. Wird der VN einer Privathaftpflichtversicherung als Halter i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG für einen Schaden, der durch den Gebrauch des Kfz verursacht worden ist, in Anspruch genommen, besteht keine Deckung. Halter ist derjenige, der ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt.88
80 BGH 2.12.2011 – V ZR 119/11, NZM 2013 204 Rn. 10. 81 BGH 17.3.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017 818 Rn. 10. 82 A.A. OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 708 mit der Begründung die Haftpflicht des VN knüpfe nicht an seine Stellung als Besitzer des Kfz an, sondern an seinen unvorsichtigen Umgang mit der Heckklappe und deren automatischem Öffnungsmechanismus. 83 BGH 17.3.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017 818 Rn. 10. 84 Vgl. BGH 17.3.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017 818 Rn. 13; BGHZ 199 227 = NJW 2014 1524 Rn. 10. 85 OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 706 f. 86 Vgl. Schimikowski RuS 2016 14, 15f.; a.A. Stockmeier AVB PHV A1-7.14 Rn. 61. 87 Vgl. LG Oldenburg 12.8.2020 – 13 O 245/20, RuS 2021 208, 209; übersehen OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/ 20, RuS 2020 704, 708. 88 Vgl. BGH 20.7.2016 – IV ZR 245/15, RuS 2016 462 = VersR 20161184 Rn. 22; BGH 22.3.1983 – VI ZR108/81, BGHZ 87 133, 135 = RuS 1983 116; OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 706. Koch
532
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
e) Führer. Wird der VN einer Privathaftpflichtversicherung als Fahrzeugführer i.S.v. § 18 Abs. 1 28 StVG für einen Schaden, der durch den Gebrauch des Kfz verursacht worden ist, in Anspruch genommen, besteht ebenfalls keine Deckung.
aa) Fahrzeugführerkonstituierende Eigenschaften und Tätigkeiten. Der BGH hat im Zu- 29 sammenhang mit der Auslegung des Begriffs des Fahrers in einer Entscheidung aus dem Jahr 1962, die zu einer mit Nr. A.1.2 Satz 1 lit. c) AKB 2015 inhaltsgleichen Klausel ergangen ist, zum Begriff des Führers Stellung genommen: „Allgemein wird der Begriff des Fahrers ebenso wie der Begriff des Führers im StVG (§§ 2, 18, 24) bestimmt und darunter derjenige verstanden, der zur Zeit des Unfalls das Kraftfahrzeug in eigener Verantwortung führt, leitet, lenkt, d. h. die Verrichtungen ausübt, die erforderlich sind, damit die bestimmungsmäßigen Triebkräfte des Fahrzeugs auf dieses zur Fortbewegung einwirken.“89
In einer weiteren Entscheidung zu § 18 Abs. 1 StVG nimmt der BGH Bezug auf die Rechtspre- 30 chung zu § 316 StGB und stellt fest, dass „Voraussetzung dafür, daß von einem (mindestens mitverantwortlichen) Führen des Kfz gesprochen werden kann, … jedoch immer ein Entscheidungsspielraum desjenigen [ist], der die Bewegung und die Fahrtrichtung beeinflußt, wenn auch vorbehaltlich der Möglichkeit eines sofortigen Eingreifens eines die Fahrt beaufsichtigenden Führerscheininhabers. Wer dagegen, wie die Kl., den Anweisungen des seinen Kraftwagen schiebenden Fahrers, wie er das Steuerrad einschlagen soll, bedingungslos folgt, Art und Richtung der Bewegung des Fahrzeugs daher ganz diesem überläßt,,führt‘ das Fahrzeug nicht, sondern hilft nur ohne eigene Verantwortung dem anderen, der selbst die Führung des Fahrzeugs übernommen hat.“90
Diese rein fahrzeugtechnische Betrachtung ist für die Auslegung des Fahrerbegriffs in der Kfz- 31 Haftpflichtversicherung in ihrer heutigen Ausgestaltung zu eng, weil es Schäden von der Deckung ausnimmt, die aus Handlungen resultieren, die vor Fahrtantritt (Einsteigen/Beladen) oder nach dem Fahrtende (Aussteigen/Entladen) vorgenommen werden und ausweislich von A.1.1.1 Satz 2 AKB als Gebrauch des Fahrzeuges zu qualifizieren sind.91 Als Fahrer i.S.v. A.1.2 Satz 1 lit. c) AKB kommt deshalb auch derjenige in Betracht, der als späterer Fahrer Vorbereitungsmaßnahmen für einen bevorstehenden Fahrtantritt trifft und nach Fahrtende beim Entladen des Fahrzeuges hilft.92 Für die Auslegung des Begriffs des Führers i.S.v. Ziff. 3.1 BBR PHV ist die fahrzeugtechni- 32 sche Betrachtung dagegen im Hinblick auf das AGB-rechtliche Gebot der engen Auslegung von Ausschlüssen maßgeblich. Unter Zugrundelegung dieser Auslegung zählt zu den fahrzeugführerkonstituierenden Tätigkeiten nur die eigenverantwortliche, tatsächliche Ausübung der Steuerung des Kfz.93 Zur Steuerung zählen das Starten und in Bewegung setzen des Kfz, die Bedienung des Lenkrads, des Gaspedals, der Kupplung und der Bremse. M.a.W. hat die
89 BGH 15.10.1962 – II ZR 25/60, NJW 1963 43 = VersR 1962 1147 zu § 10 Abs. 1 AKB a.F., m.w.N.; vgl. auch BGH 18.1.1990 – 4 StR 292/89, 1245 (strafgerichtliche Entscheidung). 90 BGH 22.3.1977 – VI ZR 80/75, VersR 1977 624. 91 Stiefel/Maier/Maier A.1 AKB Rn. 150; Felsch RuS 2008 265, 273; wohl auch BGH 13.12.2006 – IV ZR 120/05, RuS 2007 102, 103 = VersR 2007 388 (zur sog. Benzinklausel in der Privathaftpflichtversicherung); LG Hildesheim 21.12.1999 – 3 O 202/98, BeckRS 2008 14871. 92 Vgl. auch OLG Brandenburg 8.02.2004 – 7 U 157/03, BeckRS 2004 18331; OLG Saarbrücken 20.3.1991 – 5 U 46/ 90, RuS 1991 369, 370; OLG Celle 15.3.1989 – 8 U 63/88, RuS 1990 224; OLG Stuttgart 23.3.1987 – 2 W 8/87, VersR 1988 707. 93 Vgl. OLG Saarbrücken 29.7.2020 – 5 U 2/20, RuS 2020 704, 706; BeckOGK-StVG/Walter § 18 Rn. 6; BHHJ/Jahnke/ Heß § 18 StVG Rn. 3; s. auch BGH 23.9.2014 – 4 StR 92/14, BGHSt 59 311 Rn. 11. 533
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
Fahrzeugführereigenschaft des VN zur Voraussetzung, dass er hinter dem Steuer Platz genommen und die tatsächliche Gewalt über das Kfz hat. Demzufolge ist der VN, der ohne hinter dem Steuer zu sitzen, von außen, den Motor lediglich zum Zweck der Überprüfung oder der Durchführung von Reparaturarbeiten anlässt, kein Fahrzeugführer und für einen von ihm verursachten Schaden besteht Deckung in der Privathaftpflichtversicherung.94 33 Des Weiteren ist erforderlich, dass die Handlung des hinter dem Steuer sitzenden VN subjektiv auf die Fortbewegung des Kfz gerichtet war.95 Für das Erfordernis eines entsprechenden Willens spricht, dass „Führen“ – anders als das Fahren – ein zielgerichtetes Tun zur Voraussetzung hat.96
34 bb) Einzelfälle. Der VN, der den Motor des Kfz anlässt und es fortbewegt, ist als Fahrzeugführer anzusehen. Da es auf die Benutzung der Motorkraft nicht ankommt, liegt ein Führen des Kfz auch dann vor, wenn das Fahrzeug zunächst von jemandem geschoben wird, der sich durch das Schieben ein Anspringen erhofft, um dann (im fliegenden Start) weiterfahren zu können97 oder auf abschüssiger Strecke rollt.98 Insoweit ist die Situation vergleichbar mit der eines Fahrzeuges, bei dem der Motor ausgekuppelt ist. Auch hier ist der Lenker des Fahrzeuges zugleich Führer.99 Lässt der VN den Motor nicht zum Zwecke der Fortbewegung an, sondern zum Aufladen 35 der Batterie, ist er nicht als Führer zu qualifizieren.100 Entsprechendes gilt, wenn der VN die Zündung betätigt, um die Heizung oder die Klimaanlage in Gang zu setzen bzw. das Radio zu betätigen oder der VN den Motor zur Prüfung seiner Funktionstüchtigkeit und zum Zwecke der Starthilfe für ein anderes Kfz anlässt.101 Kein Führen eines Kfz soll vorliegen, wenn sich der VN aus Gefälligkeit in ein Kfz setzt, um die Fußbremse zu betätigen, falls das Kfz während des Einslippens des Bootes in die Slipanlage abrutschen sollte.102 Setzt sich der VN auf ein Motorrad und zieht die Handbremse, ohne das Motorrad in Bewegung zu setzen, ist er nicht Fahrzeugführer. Kippt das Motorrad dabei um, besteht für die Schadensersatzansprüche des Geschädigten Deckung in der Privathaftpflichtversicherung.103 Nach Ansicht des LG Freiburg ist der zehnjährige Sohn des VN, der zusammen mit Spielkameraden ausprobiert, ob er das Kfz in Gang setzen kann, nicht als Führer zu werten, weil er nicht die tatsächliche Gewalt über das Kfz erlangt habe, welche eine gewisse Dauer und Festigkeit der Beziehung zur Sache und die Möglichkeit, beliebig auf sie einzuwirken, voraussetze.104 Dagegen führt nach Ansicht des LG Ellwangen ein 13-jähriger Junge, der auf dem Fahrersitz des Traktors Platz nimmt und die Zündung betätigt,
94 Vgl. OLG Saarbrücken 8.2.2012 – 5 U 370/11-50, RuS 2012 591, 592; LG Hildesheim 21.12.1999 – 3 O 202/98, VersR 2002 750. 95 OLG Celle 3.3.2005 – 8 W 9/05, VersR 2006 256; OLG Düsseldorf 7.4.1992 – 4 U 123/91, VersR 1993 302; OLG Saarbrücken 20.3.1991 – 5 U 46/90, VersR 1991 1400; LG Hildesheim 21.12.1999 – 3 O 202/98, VersR 2002 750; LG Dortmund 30.1.1991 – 4 O 277/90, VersR 1991 1401; LG Freiburg 22.2.1990 – 6 O 629/89 (juris); BeckOGK-StVG/Walter § 18 Rn. 6; BHHJ/Jahnke/Heß § 18 StVG Rn. 3; a.A. OLG Hamm 27.11.1987 – 20 U 234/87, RuS 1988 70; LG Dortmund 18.3.2010 – 2 S 51/09, NJW-RR 2010 1472; LG Koblenz 7.5.1991– 6 S 398/90, RuS 1994 256, offenlassend LG Ellwangen 24.4.2015 – 1 S 3/15, VersR 2015 1372. 96 Vgl. OLG Düsseldorf 28.11.1991 – 2 Ss 316/91 – 77/91 III, NZV 1992 197, 198; OLG Frankfurt/M. 23.2.1990 – 3 Ss 465/89, NZV 1990 277; BayObLG 6.5.1970 – RReg. 1 St 9/70, BayObLGSt 1970 109, 110 (zu §§ 315c, 316 StGB). 97 OLG Düsseldorf 29.9.1981 – 2 Ss 426/81 – 219/81 II, VRS 62 193; zur strafrechtlichen Würdigung vgl. OLG Karlsruhe 5.8.1983 – 10 U 372/82, DAR 1983 365; OLG Bamberg 20.12.1983 – 5 U 125/83, VersR 1985 344. 98 Vgl. Stiefel/Maier/Maier A.1 AKB Rn. 152; Geigel/Kaufmann Kap. 25 Rn. 315; a.A. BGH 22.3.1977 – VI ZR 80/75, VersR 1977 624, 625. 99 Vgl. BGH 29.3.1960 – 4 StR 55/60, NJW 1960 1211 f. 100 Vgl. OLG Saarbrücken 8.2.2012 – 5 U 370/11 – 50, RuS 2012 591, 592; LG Hildesheim 21.12.1999 – 3 O 202/98, VersR 2002 750, 751 = BeckRS 2008 14871. 101 OLG Bamberg 9.1.1984 – 5 U 125/83, RuS 1985 5, 6; a.A. Stiefel/Maier/Maier A.1 AKB Rn. 153. 102 LG Dortmund 30.1.1991 – 4 O 277/90, VersR 1991 1401. 103 OLG Saarbrücken 20.3.1991 – 5 U 46/90, VersR 1991 1400. 104 LG Freiburg 22.2.1990 – 6 O 629/89 zfs 1990 137. Koch
534
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
das Kfz. Wer solche Handlungen vornehme, seien sie auch spielerisch motiviert, bezwecke die Fortbewegung des Kfz.105 Die an den Erwerb des Besitzes gem. § 854 BGB anknüpfende Begründung des LG Freiburg 36 überzeugt nicht, weil zum Erwerb des Besitzes ein zur Vornahme rein tatsächlicher Handlungen ausreichender natürlicher Wille genügt. Von einer eigenverantwortlichen Ausübung der Steuerung des Kfz wird man jedoch – ebenso wie beim Erwerb des Besitzes – nur sprechen können, wenn der hinter dem Steuer Sitzende nach seiner physischen und psychischen Reife zur Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über die konkrete Sache überhaupt in der Lage ist. Dies mag je nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere bei deliktsunfähigen kleinen Kindern zu verneinen sein.106
cc) Kfz-Anhänger. Ist ein Anhänger i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG mit einem ziehenden Kfz verbunden, 37 ist der Führer des Kfz gleichzeitig Führer des Anhängers.107 Seine Stellung als Führer des Anhängers endet nicht bereits mit der Trennung des Anhängers vom Zugfahrzeug, sondern erst, wenn ein anderer die Führung des Anhängers übernimmt.108 Führer eines Anhängers ist auch derjenige, der zwar nicht Fahrer des Kfz ist, aber an Ort und Stelle verantwortlich Tätigkeiten an dem abgekoppelten Anhänger leitet oder selbst übernimmt, die den Einsatz des Anhängers vorbereiten, z.B. das Beladen, Entladen, Rangieren oder Schieben des Anhängers und schließlich dessen Ankoppeln an den Motorwagen oder dessen Abkoppeln. Kommt es dabei zu einem Unfall, so haftet er wie der Führer eines Fahrzeugs.109
dd) Autonomes Fahren. Nach § 1 Abs. 4 StVG ist Fahrzeugführer auch derjenige, der eine 38 hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet, auch wenn er im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung dieser Funktion das Fahrzeug nicht eigenhändig steuert. II. Wiedereinschlüsse Ziff. 3.2 BBR PHV sieht in Satz 1 (1) bis (5) Wiedereinschlüsse vor, für die besondere Regeln 39 gelten, die in Satz 2 bis 9 enthalten sind.
1. Kfz-Gebrauch auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen (Ziff. 3.2 (1) BBR PHV) Nach § 1 PflVG besteht eine Versicherungspflicht für Kfz und Kfz-Anhänger zur Deckung der 40 durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 StVG) verwendet wird. Hieran anknüpfend sieht Ziff. 3.2 (1) BBR PHV einen Wiedereinschluss von Schäden vor, die durch den Gebrauch von Kfz auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verursacht werden, ohne dass es auf die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit des Kfz ankommt. Zu beachten ist, dass sog. „beschränkt öffentliche“ Verkehrsflächen, die nach ihrer vom 41 Berechtigten getroffenen Bestimmung zwar nicht von jedermann, jedoch von einem derart weit gefassten und unbestimmten Personenkreis benutzt werden dürfen, dass ein Bedürfnis für ihre 105 106 107 108 109 535
LG Ellwangen 24.4.2015 – 1 S 3/15, VersR 2015 1372. Vgl. OLG Düsseldorf 25.2.1998 – 11 U 49/97, FamRZ 1999 652, 653. OLG Saarbrücken 3.11.2009 – 4 U 238/09 – 64, NZV 2010 207; vgl. auch BHHJ/Jahnke § 16 StVG Rn. 12a. Geigel/Kaufmann Kap. 25 Rn. 319. Geigel/Kaufmann Kap. 25 Rn. 319. Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
Einbeziehung in die allgemeinen Regelungsnormen des Straßenverkehrsrechts besteht, als öffentliche Wege und Plätze gelten.110 So liegt der Fall, wenn ein Betriebsgelände von jedermann, der Abfälle anliefern wollte und erklärte, es handele sich um private Abfälle, befahren wird oder wenn Besucher ohne Begrenzung auf Anmeldung zugelassen werden.111 Verursacht der VN mit dem Kfz einen Unfall auf solchen Flächen, besteht keine Deckung in der Privathaftpflichtversicherung. Für Kfz-Rennen auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen besteht wegen Ziff. 1.6 BBR PHV kein Versicherungsschutz.
2. Gebrauch von Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 3.2 (2) BBR PHV) 42 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) PflVG besteht keine Versicherungspflicht für Kfz, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit sechs Kilometer je Stunde nicht übersteigt. Hieran anknüpfend sieht Ziff. 3.2 (2) BBR PHV den Wiedereinschluss von Schäden vor, die durch den Gebrauch solcher Kfz vor, und zwar auch dann, wenn sie auf öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren.
3. Stapler und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 3.2 (3) und (4) BBR PHV) 43 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. b) PflVG besteht keine Versicherungspflicht gem. § 1 PflVG für selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler i.S.d. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. a) FZV, deren Höchstgeschwindigkeit 20 Kilometer je Stunde nicht übersteigt, wenn sie den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen. Stapler i.S.d. FZV sind gem. § 2 Nr. 18 FZV „Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart für das Aufnehmen, Heben, Bewegen und Positionieren von Lasten bestimmt und geeignet sind“. Selbstfahrende Arbeitsmaschinen sind nach § 2 Nr. 17 FZV Kfz, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Verrichtung von Arbeiten, jedoch nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind (z.B. Bagger, Straßenwalzen, selbstfahrende Kräne oder Planiermaschinen und Straßenreinigungsmaschinen).112 Hieran anknüpfend schließen Ziff. 3.2 (3) und (4) BBR PHV Schäden ein, die durch den Gebrauch von Staplern mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit und durch alle selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit in den Versicherungsschutz ein. 44 Für die Frage der 20 km/h-Grenze kommt es ausschließlich auf die konstruktionsbestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs an, wie der Wortlaut der Klausel nun auch ausdrücklich festlegt, und zwar auch dann, wenn durch Manipulationen die Geschwindigkeit überschritten werden kann113 oder wenn es sich um einen Eigenbau handelt.114
110 Vgl. KG 7.1.2002 – 22 U 8137/99, BeckRS 2002 30230355; OLG Zweibrücken 18.8.1980 – 1 Ss 228/80, DAR 1980 376 m.w.N.
111 KG 7.1.2002 – 22 U 8137/99, BeckRS 2002 30230355; OLG Düsseldorf 4.3.1988 – 5 Ss (OWi) 72/88 – 51/88 I, zfs 1988 263; OLG Bremen 15.10.1979 – Ss 168/79, MDR 1980 421, 422. 112 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_5 Ziff. 7.5 Rn. 5. 113 BGH 30.9.1997 – VI ZR 347/96, VersR 1997 1525: Arbeitsmaschine; BGH 17.6.1997 – VI ZR 156/96, VersR 1997 1115: Moped. 114 OLG Koblenz 14.3.2008 – 10 U 526/07, VersR 2009 209. Koch
536
B. Haftpflicht aus Kfz-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
4. Nicht versicherungspflichtige Kfz-Anhänger (Ziff. 3.2 (5) BBR PHV) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. c) PflVG besteht keine Versicherungspflicht gem. § 1 PflVG für Anhän- 45 ger, die den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen. Hieran anknüpfend schließt Ziff. 3.2 (5) BBR PHV Schäden wieder ein, die durch den Gebrauch von Kfz-Anhängern, die nicht versicherungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren, verursacht werden. Von der für die Versicherungspflichtigkeit maßgeblichen Zulassungspflicht ausgenommen sind gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FZV „a) Anhänger in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben, wenn die Anhänger nur für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet und mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h hinter Zugmaschinen oder selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mitgeführt werden [wenn sie für eine Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h gekennzeichnet sind], b) Wohnwagen und Packwagen im Schaustellergewerbe, die von Zugmaschinen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h mitgeführt werden [wenn sie für eine Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h gekennzeichnet sind], c) fahrbare Baubuden, die von Kraftfahrzeugen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h mitgeführt werden [wenn sie für eine Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h gekennzeichnet sind], d) Arbeitsmaschinen, e) Spezialanhänger zur Beförderung von Sportgeräten, Tieren für Sportzwecke oder Rettungsbooten des Rettungsdienstes oder Katastrophenschutzes, wenn die Anhänger ausschließlich für solche Beförderungen verwendet werden, f) einachsige Anhänger hinter Krafträdern, Kleinkrafträdern und motorisierten Krankenfahrstühlen, g) Anhänger für den Einsatzzweck der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes, h) land- oder forstwirtschaftliche Arbeitsgeräte, i) hinter land- oder forstwirtschaftlichen einachsigen Zug- oder Arbeitsmaschinen mitgeführte Sitzkarren.“
5. Sonderregeln für Wiedereinschlüsse („Für (1) bis (5) gilt:“) a) Abbedingung der Ausschlüsse in Ziff. 3.1 (2) und in Ziff. 4.3 (1) AHB 2016. Nach 46 Ziff. 3.2 Satz 3 BBR PHV gilt für den Gebrauch der wiedereingeschlossenen Kfz nicht der Ausschluss in Ziff. 3.1 (2) Satz 2 AHB 2016, der von der Mitversicherung von Risikoerhöhungen und -erweiterungen die Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kfz ausschließt. Dieser Klausel hätte es nicht bedurft, da sich der Wiedereinschluss in Ziff. 3.2 (1) bis (5) BBR PHV nur auf nicht versicherungspflichtige Kfz erstreckt. Anders liegt der Fall bei der Abbedingung von Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 für den Gebrauch der wiedereingeschlossenen Kfz. Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 nimmt die Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kfz von der Vorsorgeversicherung aus, soweit sie der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen. Zwar unterliegen die wiedereingeschlossenen Kfz nicht der Versicherungspflicht. Kfz, selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h dürfen gem. § 4 FeV auf öffentlichen Straßen jedoch nur mit Fahrerlaubnis gefahren werden, so dass ohne die Abbedingung in Ziff. 3.2 Satz 3 BBR PHV die Regelung über die Vorsorgeversicherung bei diesen Kfz ausgeschlossen wäre.
b) Nutzung nur durch den berechtigten Fahrer. Ziff. 3.2 Satz 3 bis 5 BBR PHV übernimmt 47 inhaltlich (nahezu wortgleich) die aus der Kfz-Versicherung bekannte Obliegenheit (sog. Schwarzfahrtklausel, D.1.1.2 AKB 2015). aa) Verfügungsberechtigung (Ziff. 3.2. Satz 3–4 BBR PHV). Gem. Ziff. 3.2. Satz 3 BBR PHV 48 darf das Kfz nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. Ausweislich des Wortlauts 537
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
von Ziff. 3.2 Satz 4 BBR PHV leitet sich die Berechtigung des Fahrers zum Gebrauch des Kfz vom Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten ab. Verfügungsberechtigt ist grundsätzlich der Halter des Kfz.115 Ausnahmsweise kann auch eine dritte Person verfügungsberechtigt sein, wenn dieser von dem Halter ausdrücklich oder stillschweigend das Recht eingeräumt worden ist, das Kfz zur Benutzung auch einem Dritten geben zu dürfen.116 49 Zu beachten ist, dass für die Berechtigung des Fahrers entscheidend ist, dass die Benutzung „mit Wissen und Willen“ des Verfügungsberechtigten erfolgt. Hat der Verfügungsberechtigte Kenntnis von dem Gebrauch durch den Fahrer, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Gebrauch stets auch mit (und nicht gegen) seinen Willen erfolgt ist. Dies gilt sowohl für das „Ob“ als auch für den Umfang des Gebrauchs. Insoweit bedarf es stets der Feststellung, ob und inwieweit der Verfügungsberechtigte der Nutzung durch einen Dritten zugestimmt hat. Hat der Verfügungsberechtigte eine generelle Erlaubnis erteilt, kommt es auf die Kenntnis von der einzelnen Fahrt nicht an.117
50 bb) Ermöglichen einer „Schwarzfahrt“ (Ziff. 3.2. Satz 5 BBR PHV). Nach Ziff. 3.2 Satz 5 BBR PHV ist der VN verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Kfz nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. Diese Formulierung weicht ab von D.1.1.2 Satz 3 AKB 2015. Dort heißt es, dass VN, Halter oder Eigentümer des Kfz es nicht wissentlich ermöglichen dürfen, dass das Kfz von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. Wissentlich bedeutet, dass mindestens mit dolus directus zweiten Grades gehandelt wurde, bedingter Vorsatz reicht nicht aus. Ziff. 3.2 Satz 5 BBR PHV ist insoweit strenger gefasst, als die wissentliche Gestattung nicht Anknüpfungspunkt für die Obliegenheitsverletzung ist. In jedem Fall muss für den VN die zumutbare Möglichkeit bestehen, den nicht autorisierten Gebrauch zu verhindern.118
51 c) Fahren nur mit Fahrerlaubnis (Ziff. 3.2 Satz 7-8 BBR PHV). Ziff. 3.2 Satz 7 – 8 BBR PHV übernimmt inhaltlich (nahezu wortgleich) die aus der Kfz-Versicherung bekannte Obliegenheit (sog. Führerscheinklausel, D.1.1.3 AKB 2015).
52 aa) Fahrerlaubnis. Nach Ziff. 3.2 Satz 7 BBR PHV darf der Fahrer das Kfz auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. Der Ausdruck Fahrerlaubnis bezieht sich auf den in § 2 StVG und § 4 FeV festgelegten Rechtsbegriff und bedeutet die auf Grund des Straßenverkehrsgesetzes erteilte behördliche Ermächtigung zum Führen eines Kraftwagens der in Frage kommenden Art auf öffentlichen Straßen. Da es für Kfz, selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 6 km/h gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FeV keiner Erlaubnis bedarf, greift die Obliegenheit bei diesen Kfz nur dann ein, wenn sie eine höhere Höchstgeschwindigkeit haben.119
53 bb) Zulassen einer führerscheinlosen Fahrt. Gem. Ziff. 3.2 Satz 8 BBR PHV ist der VN verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Kfz nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Ein Verstoß gegen Obliegenheit liegt vor, wenn der VN selbst die führer115 BGH 17.2.1955 – II ZR 241/53, BGHZ 16 292, 293 = NJW 1955 669. 116 Vgl. BGH 11.7.1963 – II ZR 188/62, VersR 1963 771, 772; BGH 10.6.1963 – II ZR 28/61, VersR 1963 770, 771; BGH 3.7.1962 – VI ZR 88, 160/61, VersR 1962 725, 727; BGH 7.12.1961 – II ZR 202/59, VersR 1962 58, 59; BGH 28.11.1957 – II ZR 325/56, BGHZ 26 134, 136. 117 Für weitere Einzelheiten Bruck/Möller/Koch9 Bd. 12 A.1 AKB Rn. 64 ff. 118 Für weitere Einzelheiten Bruck/Möller/Koch9 Bd. 12 A.1 AKB Rn. 73 f. 119 Für weitere Einzelheiten Bruck/Möller/Koch9 Bd. 12 A.1 AKB Rn. 98 ff. Koch
538
C. Haftpflicht aus Luftfahrzeug-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
scheinlose Fahrt zulässt oder aber in der Weise, dass der VN es schuldhaft ermöglicht, dass ein anderer (z.B. der Halter oder der Eigentümer) die führerscheinlose Fahrt eines Dritten zulässt.120 Verwahrt der VN den Schlüssel nicht oder lässt den Schlüssel stecken und nutzt der führerscheinlose Fahrer dies aus, soll darin ein Zulassen einer führerscheinlosen Fahrt liegen können.121
d) Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten (Ziff. 3.2 Satz 9 BBR PHV). Verletzt 54 der VN eine der Obliegenheiten in Ziff. 3.2 Satz 3-8 BBR PHV, bestimmen sich nach Ziff. 3.2 Satz 9 BBR PHV die Rechtsfolgen nach Ziff. 26 AHB 2016.
C. Gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Luftfahrzeuges I. Ausschluss Kein Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 3.1 BBR PHV für die gesetzliche Haftpflicht des Eigen- 55 tümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Luftfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden. Hinsichtlich des Begriffs des Gebrauchs, des Erfordernisses des Zurechnungszusammenhangs sowie der persönlichen Merkmale gelten die gleichen Maßstäbe wie bei Kfz/-Anhänger. Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt es sich bei Luftfahrzeugen um Geräte, „die der Eigenschaft der Luft bedürfen, um sich in der Luft zu halten“.122
II. Wiedereinschluss nichtversicherungspflichtiger Luftfahrzeuge (Ziff. 3.2 (6) BBR PHV) Ziff. 3.2 (6) BBR PHV schließt die Haftpflicht wegen Schäden wieder ein, die verursacht werden 56 durch den Gebrauch von Luftfahrzeugen, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen. Da Luftfahrzeuge nur in Ausnahmefällen nicht der Versicherungspflicht unterliegen, sollen zunächst die von dem Wiedereinschluss nicht umfassten Luftfahrzeuge negativ abgegrenzt werden.
1. Versicherungspflichtige Luftfahrzeuge Nicht von dem Wiedereinschluss erfasst werden deshalb die in § 1 Abs. 2 Satz 1 LuftVG aufge- 57 führten Luftfahrzeuge, für die die Halter gem. VO (EG) Nr. 785/2004123 und hilfsweise gem. § 43 Abs. 1 LuftVG eine Haftpflichtversicherung gegen Personen- und Sachschäden abschließen müssen.124 Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-11 LuftVG sind Luftfahrzeuge 1. Flugzeuge 2. Drehflügler 3. Luftschiffe 4. Segelflugzeuge 120 LG Oldenburg 3.7.2015 – 13 S 506/14, RuS 2015 493. 121 Für weitere Einzelheiten Bruck/Möller/Koch9 Bd. 12 A.1 AKB Rn. 121 f. 122 Erbs/Kohlhaas/Lampe Strafrechtliche Nebengesetze 191. Ergänzungslieferung (2012) § 1 LuftVG Rn. 5; Giemulla/Schmid Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht (1989 ff.) § 1 Rn. 27. 123 Verordnung (EG) Nr. 785/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber, ABl. 2004 L 138 v. 30.4.2004. 124 Vgl. auch Schimikowski/Wilke RuS 2019 490, 493; Wilke DAR 2018 288; Voit NJW 1993 1889, 1894. 539
Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Motorsegler Frei- und Fesselballone [aufgehoben] Rettungsfallschirme Flugmodelle Luftsportgeräte sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 LuftVG gelten Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper als Luftfahrzeuge, solange sie sich im Luftraum befinden. Ebenfalls als Luftfahrzeuge gelten unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (unbemannte Luftfahrtsysteme). Hierzu zählen u.a. Drohnen. Soweit sie Spielzeugcharakter haben, sind sie als Flugmodelle i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 9 LuftVG zu qualifizieren.125 Für eine Einschränkung der Versicherungspflicht für leichte (unter 0,25 kg) Fluggeräte mit Spielzeugcharakter besteht aufgrund des gleichwohl bestehenden Gefährdungspotenzials kein Anlass.126 Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung besteht somit nur für Luftfahrzeuge, die nicht unter eine der in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–11 und Satz 2 LuftVG aufgeführten Kategorien fallen.
2. Nichtversicherungspflichtige Luftfahrzeuge 58 Zu den nicht von § 1 Abs. 2 LuftVG erfassten Luftfahrzeugen zählen Kinder- und Lenkdrachen;127 Kitesurfen sowie sog. Skylaternen. Hierbei handelt es sich um einen Lampion oder Zellophanballon, der nicht mit dem Boden verbunden ist und mit Hilfe der darin entzündeten Kerze betrieben bis zu 500 m in den Himmel aufsteigen kann. Die Brenndauer beträgt zwischen 5 und 20 min. Er ist damit weder als Frei- oder Fesselballon gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 LuftVG, noch als sonstiges für die Benutzung des Luftraumes bestimmtes Gerät i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 LuftVG einzustufen.128 Ultraleichtflieger, Hängegleiter, Gleitsegel und Personenfallschirme u.Ä. sind als Luftsportgeräte (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 LuftVG) zu qualifizieren.129
D. Gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Wasserfahrzeugs I. Ausschluss 59 Kein Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 3.1 BBR PHV für die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden. Auch bei Auslegung dieser Klausel ist der gleiche Maßstab anzulegen wie bei den Kfz/-Anhängern. Wasserfahrzeug ist jedes Fahrzeug, das zur Beförderung von Menschen oder Gütern auf dem Wasser bestimmt ist, ohne dass
125 Schimikowski/Wilke RuS 2019 490, 493. 126 Stockmeier AVB PHV A1-6.11 Rn. 19 ff.; a.A. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski A1-6.12 AVB PHV Rn. 4; Schimikowski/Wilke RuS 2019 490, 493 f.
127 Stockmeier AVB PHV A1-6.11 Rn. 28. 128 Stockmeier AVB PHV A1-6.11 Rn. 31. 129 Vgl. Stockmeier AVB PHV A1-6.12 Rn. 7; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 137; Voit NJW 1993 1889, 1894. Koch
540
D. Haftpflicht aus Wasserfahrzeug-Gebrauch
Ziff. 3 BBR PHV
es darauf ankommt, ob es durch Motor, Wind oder menschliche Kraft oder durch die Wasserströmung bewegt wird.130
II. Wiedereinschluss (Ziff. 3.2 (7) BBR PHV) Ziff. 3.2 (7) BBR PHV schließt die Haftpflicht wegen Schäden wieder ein, die verursacht werden 60 durch den Gebrauch von Wasserfahrzeugen. Ausgenommen von dem Wiedereinschluss sind eigene Segelboote (auch Windsurfbretter) und eigene oder fremde Wasserfahrzeuge mit Motoren – auch Hilfs- oder Außenbordmotoren – oder Treibsätzen. Mitversichert ist jedoch der gelegentliche Gebrauch von fremden Wasserfahrzeugen mit Motoren, soweit für das Führen keine behördliche Erlaubnis erforderlich ist.
1. Segelboote und motorbetriebene Wasserfahrzeuge Da eigene, d.h. im Eigentum des VN befindliche Segelboote (auch Windsurfbretter) und Wasser- 61 fahrzeuge mit Motoren – auch Hilfs- oder Außenbordmotoren – oder Treibsätzen ausgenommen sind, beschränkt sich der Versicherungsschutz auf den Gebrauch von – fremden Segelbooten (ohne Motor), – fremden Windsurfbrettern, – eigenen oder fremden Ruder- und Tretbooten sowie – Kanus.131 Eigene Kiteboards sollen nach Stockmeier ebenfalls unter den Ausschluss fallen,132 was jedoch zweifelhaft ist, weil die Kiteboards sich mittlerweile von Windsurfbrettern unterscheiden. Die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 21 c SeeSchStrO, der zufolge unter „Kitesurfen“ das Surfen mit einem von einem Drachen gezogenen Surfbrett zu verstehen ist, ist dem durchschnittlichen VN nicht bekannt und deshalb für die Auslegung nicht maßgeblich.
2. Gelegentlicher Gebrauch fremder motorbetriebener Wasserfahrzeuge Der gelegentliche Gebrauch von fremden Wasserfahrzeugen mit Motoren ist versichert, soweit 62 für das Führen keine behördliche Erlaubnis erforderlich ist. Ein gelegentlicher Gebrauch liegt vor, wenn es sich um eine nur vorübergehende, nicht auf längere Dauer angelegte Nutzung (z.B. zu Urlaubszwecken) handelt. Auch bei wiederholter gelegentlicher Nutzung wird das Wasserfahrzeug „nur gelegentlich“ gebraucht.133 Wann eine behördliche Erlaubnis nicht erforderlich ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 1 SpFV. 63 Danach bedürfen u.a. keiner Fahrerlaubnis – Personen beim Führen eines Sportbootes auf dem Rhein, sofern das zu führende Sportboot mit einer Antriebsmaschine ausgerüstet ist, deren größte nicht überschreitbare Nutzleistung höchstens 3,68 Kilowatt beträgt, – auf allen übrigen Binnenschifffahrtsstraßen und auf den Seeschifffahrtsstraßen Personen beim Führen eines Sportbootes, sofern das zu führende Sportboot mit einer Antriebsmaschine ausgerüstet ist, deren größte nicht überschreitbare Nutzleistung höchstens 11,03 Kilowatt beträgt, und – Personen beim Führen eines Segelsurfbretts. 130 131 132 133 541
Stockmeier AVB PHV A1-6.11 Rn. 29. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 144; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 18. Stockmeier A1-6.11 Rn. 11, 27; auch Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 18. Stockmeier AVB PHV A1-6.12 Rn. 7-12; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski A1-6.12 Rn. 2. Koch
Ziff. 3 BBR PHV
Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
E. Ferngelenkte Land- und Wasser-Modellfahrzeuge (Ziff. 3.2 (8) BBR PHV) 64 Ziff. 3.2 (8) BBR PHV schließt die Haftpflicht wegen Schäden wieder ein, die verursacht werden durch den Gebrauch ferngelenkter Land- und Wassermodellfahrzeuge. Nach Jahnke sind akkubetriebene Modellfahrzeuge keine Kfz i.S.d. StVG. Zwar handele es sich um Landfahrzeuge, sie würden jedoch nicht von einem mitfahrenden Führer betrieben werden.134 Diese Begründung überzeugt nicht. Da die Haftung nach dem StVG an die abstrakte Betriebsgefahr anknüpft,135 können auch ferngelenkte Landmodellfahrzeuge als Kfz zu qualifizieren sein, für die der Wiedereinschluss bedeutsam ist.136 Im Hinblick darauf, dass Kfz mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion betrieben werden können, ist es für das Verständnis des VN auch nicht mehr „immanent, daß der Fahrer bestimmungsgemäß auf ihm fahre und es vom Fahrzeug her lenke und bediene“.137
134 135 136 137 Koch
Jahnke NZV 2019 601. BeckOGK-StVG/Walter § 7 Rn. 2. Vgl. Kuwert/Erdbrügger Rn. 6020. I.d.S. noch BGH 26.3.1986 – Iva ZR 86/84, VersR 1986 537. 542
Ziff. 4 BBR PHV
Ziff. 4 Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung 4.1 1Eingeschlossen ist – insoweit abweichend von Ziff. 7.15 AHB – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, z.B. im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger, soweit es sich handelt um (1) Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten (Datenveränderung) bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme; (2) Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten und zwar wegen – sich daraus ergebender Personen- und Sachschäden, nicht jedoch weiterer Datenveränderungen sowie – der Kosten zur Wiederherstellung der veränderten Daten bzw. Erfassung/ korrekter Speicherung nicht oder fehlerhaft erfasster Daten; (3) Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch. 2 Für Ziff. 4.1 (1) bis 4.1 (3) gilt: 3 Dem VN obliegt es, dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/oder -techniken (z.B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. 4Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen. 5Verletzt der VN diese Obliegenheit, so gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). 4.2 1Im Rahmen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen ausgewiesene/-n Versicherungssumme/-n beträgt/betragen die Versicherungssumme/-n … EUR. 2Abweichend von Ziff. 6.2 AHB stellt/ stellen diese zugleich die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres dar. 3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang oder – auf dem Austausch, der Übermittlung und Bereitstellung elektronischer Daten mit gleichen Mängeln beruhen. 4 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen. 4.3 1Versicherungsschutz besteht – insoweit abweichend von Ziff. 7.9 AHB – für Versicherungsfälle im Ausland. 2Dies gilt jedoch nur, soweit die versicherten Haftpflichtansprüche in europäischen Staaten und nach dem Recht europäischer Staaten geltend gemacht werden. 4.4 Nicht versichert sind Ansprüche aus nachfolgend genannten Tätigkeiten und Leistungen: – Software-Erstellung, -Handel, -Implementierung, -Pflege; – IT-Beratung, -Analyse, -Organisation, -Einweisung, -Schulung; – Netzwerkplanung, -installation, -integration, -betrieb, -wartung, -pflege; – Bereithaltung fremder Inhalte, z.B. Access-, Host-, Full-Service-Providing; – Betrieb von Datenbanken. 4.5 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Ansprüche (1) wegen Schäden, die dadurch entstehen, dass der VN bewusst – unbefugt in fremde Datenverarbeitungssysteme/Datennetze eingreift (z.B. Hacker-Attacken, Denial of Service Attacks),
543 https://doi.org/10.1515/9783110522686-044
Koch
Ziff. 4 BBR PHV
Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung
–
Software einsetzt, die geeignet ist, die Datenordnung zu zerstören oder zu verändern (z.B. Software-Viren, Trojanische Pferde); (2) die in engem Zusammenhang stehen mit – massenhaft versandten, vom Empfänger ungewollten elektronisch übertragenen Informationen (z.B. Spamming), – Dateien (z.B. Cookies), mit denen widerrechtlich bestimmte Informationen über Internet-Nutzer gesammelt werden sollen; (3) gegen den VN oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften (z.B. Teilnahme an rechtswidrigen Online-Tauschbörsen) oder durch sonstige bewusste Pflichtverletzungen herbeigeführt haben.
Übersicht II.
Serienschaden
Versicherte Risiken
D.
Auslandsschäden (Ziff. 4.3 BBR PHV)
Schäden aus der Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten durch Computer-Viren und/oder andere 2 Schadprogramme (Ziff. 4.1 (1) BBR PHV)
E.
Risikobegrenzungen
I.
Abgrenzung zur Haftpflichtversicherung von IT12 Dienstleistungen (Ziff. 4.4 BBR PHV)
Schäden infolge der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung oder fehlerhaften Speicherung von Daten bei 4 Dritten (Ziff. 4.1 (2) BBR PHV)
II. 1.
Ausschlüsse (Ziff. 4.5 BBR PHV) Unbefugter Eingriff des VN in fremde Datenver13 arbeitungssysteme Ansprüche im Zusammenhang mit Spamming, 14 Cookies etc. a) Vom Empfänger ungewollte Informatio15 nen b) Dateien zur widerrechtlichen Sammlung 17 von Nutzerinformationen 18 Bewusste Pflichtverletzungen
A.
Inhalt und Zweck
B. I.
II.
1
III.
Schäden aus der Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch (Ziff. 4.1 (3) 5 BBR PHV)
C.
Versicherungssumme/Serienschaden (Ziff. 4.2 BBR PHV)
I.
Versicherungssumme
2.
3. F.
7
8 9
Obliegenheiten („Für Ziff. 4.1 (1) bis 4.1 (3) 19 gilt:“)
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 7.15 AHB 2016 schließt Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, soweit es sich handelt um Schäden aus (1) Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten, (2) Nichterfassen oder fehlerhaftem Speichern von Daten, (3) Störung des Zugangs zum elektronischen Datenaustausch oder (4) Übermittlung vertraulicher Daten oder Informationen vom Versicherungsschutz aus. Die durch den Ausschluss bewirkte Nullstellung für alle Schäden, die aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten (= IT-nutzungsspezifische Risiken) entstehen, wird durch den Wiedereinschluss zum Teil wieder rückgängig gemacht. Zu beachten ist, dass der Ausschluss gem. Ziff. 7.16 AHB 2016 für Schäden aus der Verletzung von Persönlichkeits- und Namensrechten bestehen bleibt, sodass z.B.
Koch
544
B. Versicherte Risiken
Ziff. 4 BBR PHV
für das sog. Spamming, das gegenüber nichtgewerblichen Empfängern eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen kann, kein Versicherungsschutz besteht.1
B. Versicherte Risiken I. Schäden aus der Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme (Ziff. 4.1 (1) BBR PHV) Hinsichtlich der Definition der Begriffe „Löschung“, „Unterdrückung“, „Unbrauchbarmachung“ 2 oder „Veränderung“ von Daten kann auf die Ausführungen zu Ziff. 7.15 (1) AHB 2016 verwiesen werden (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 398 ff.). Zu beachten ist, dass Ziff. 4.1 (1) BBR PHV Versicherungsschutz nur für Schäden infolge Datenveränderung durch Computerviren und/oder andere Schadprogramme verspricht.2 Beruht die Datenveränderung hingegen auf anderen Ursachen, bestimmt sich der Versicherungsschutz nach Ziff. 4.1 (2) BBR PHV,3 welche im Vergleich zu Ziff. 4.1 (1) nicht unwesentliche Beschränkungen enthält. Was unter „Computerviren“ und „anderen Schadprogrammen“ zu verstehen ist, ist in den BBR PHV nicht definiert. Die Formulierung „und/oder andere Schadprogramme“ wird der durchschnittliche VN dahin verstehen, dass darunter alle Programme gemeint sind, welche zu Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten führen können. Das BSI weist in seinem Glossar der CyberSicherheit4 zu den Suchworten „Schadprogramm/Schadsoftware/Malware“ darauf hin, dass diese Begriffe häufig synonym benutzt werden. Malware sei ein Kunstwort, abgeleitet aus „Malicious software“ und bezeichne Software, die mit dem Ziel entwickelt worden sei, unerwünschte und meistens schädliche Funktionen auszuführen. Beispiele seien Computer-Viren, Würmer und Trojanische Pferde. Schadsoftware sei üblicherweise für eine bestimmte Betriebssystemvariante konzipiert und werde daher meist für verbreitete Systeme und Anwendungen geschrieben. In den Erläuterungen des GDV werden Viren definiert als „eigenständig ausführbare Pro- 3 grammroutinen, die Daten oder Programme verfälschen oder löschen können“. Als weitere Beispiele, die von dem Oberbegriff der Schadprogramme erfasst sind, werden Würmer und sog. „Trojanische Pferde“ aufgeführt.5 Sowohl die Virendefinition als auch die beiden beispielhaft genannten Virenarten gehen konform mit der Fachliteratur. Im Brockhaus Computer und Informationstechnologie wird unter dem Stichwort „Virus“ neben den Computerviren, Trojanischen Pferden und Würmern der Hoax als Virusform genannt.6 Soweit trojanische Pferde nur den Zweck verfolgen, Daten auf dem Rechner auszuspionieren, nicht hingegen diese zu verändern, besteht keine Deckung nach Maßgabe von Ziff. 4.1 (1) BBR PHV.7 Beim Hoax handelt es sich um eine E-Mail-Nachricht, die vor einem nicht existenten Virus warnt und dabei zur schnellen Weiterverbreitung an alle Freunde und Bekannte auffordert (Kettenbriefprinzip). Wird eine solche Meldung weitergeleitet, führt dies zu einer lawinenartigen Vermehrung des Hoax und damit zur Überlastung und Blockade des E-Mail-Systems.8
1 2 3 4
Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 109. Zur Schadensberechnung bei der Vernichtung von PC-Daten BGH 9.12.2008 – VI ZR 173/07, RuS 2009 297. Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 3. Https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Unternehmen-und-Organisationen/Informationen-und-Empfehlungen/Glo ssar-der-Cyber-Sicherheit/Functions/glossar.html?nn=522504&cms_lv2=132814 (Abruf am 3.8.2022). 5 Vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 26/04 M v. 17.6.2004 S. 3 f. 6 Vgl. Brockhaus Computer und Informationstechnologie (2003), Stichwort „Virus“. Hoax stammt aus dem Englischen und bedeutet Jux, Scherz, Schabernack, auch Schwindel. 7 Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 101. 8 Vgl. Brockhaus Computer und Informationstechnologie (2003), Stichwort „Hoax“. 545
Koch
Ziff. 4 BBR PHV
Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung
II. Schäden infolge der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung oder fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten (Ziff. 4.1 (2) BBR PHV) 4 Gem. Ziff. 4.1 (2) BBR PHV besteht auch Versicherungsschutz für Personen- und Sachschäden infolge Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie Nichterfassung oder fehlerhafter Speicherung von Daten. Der Versicherungsumfang für Personen- und Sachschäden infolge Datenveränderung ist jedoch auf die daraus resultierenden Personen- und Sachschäden sowie die Kosten der Datenwiederherstellung begrenzt. Kommt es infolge der Datenveränderung zur Verletzung der Integrität von (anderen) gespeicherten Daten (Folgedatenschäden), besteht für deren Wiederherstellung kein Versicherungsschutz. Ebenso wenig besteht Deckung für Betriebsunterbrechungsschäden aus nicht versicherten weiteren Datenveränderungen.9 Ziff. 4.1 (2) BBR PHV vermag deshalb nicht vollends die Einschränkungen der Deckung durch Ziff. 7.15 AHB 2016 zu kompensieren, weil ohne die Nullstellung der IT-Risiken für die Betriebsunterbrechungsschäden als Sachfolgeschäden Deckung bestünde.10
III. Schäden aus der Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch (Ziff. 4.1 (3) BBR PHV) 5 Die durch Computerviren und andere Sabotageprogramme verursachte Zugangsstörung ist bereits durch Ziff. 4.1 (2) BBR PHV erfasst.11 Ziff. 4.1 (3) BBR PHV erfasst darüber hinaus den Missbrauch des IT-Systems des VN für DoS-Attacken, welche die Verfügbarkeit von Rechnern beeinträchtigen. Ob und inwieweit eine Haftung des VN in dieser Konstellation überhaupt gegeben ist, ist fraglich. Insoweit stellt Ziff. 4.1 (3) BBR PHV vornehmlich sicher, dass der VR dem VN Abwehrschutz leisten muss. Ziff. 4.1 (3) BBR PHV erweitert nicht den Versicherungsschutz für Schäden infolge von Zu6 gangsstörungen, die z.B. durch die Lieferung fehlerhafter Hardware hervorgerufen werden und dazu führen, dass Drittunternehmen keine Internetanbindung haben. Wird der VN für solche Schäden in Anspruch genommen, beurteilt sich der Deckungsschutz nach Maßgabe der AHB.12 Der Ausschluss nach Ziff. 7.15 AHB 2016 greift nicht ein (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 403).
C. Versicherungssumme/Serienschaden (Ziff. 4.2 BBR PHV) I. Versicherungssumme 7 Für die aus der IT-Nutzung resultierenden Risiken wird gem. Ziff. 4.2 Satz 1 BBR PHV eine eigenständige Versicherungssumme (Sublimit) vereinbart, unabhängig von der Frage, ob ein Personen-, Sach- oder Vermögensschaden vorliegt. Diese stellt – abweichend von Ziff. 6.2 AHB 2016 – zugleich die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres dar. Standardmäßig ist damit eine Einfach-Maximierung vorgesehen.
9 Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 103; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 2.1 BetrH IT Rn. 9; Stockmeier AVB PHV A1-6.16 Rn. 31.
10 Koch RuS 2005 181, 184 f.; Prölss/Martin/Lücke Ziff. 2.1 BetrH IT Rn. 9 (der deshalb einen Beratungsbedarf gem. § 6 VVG annimmt).
11 Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 104; Stockmeier Die Haftpflichtversicherung des Internet-Nutzers (2005) 42.
12 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 2.1 BetrH IT Rn. 10. Koch
546
E. Risikobegrenzungen
Ziff. 4 BBR PHV
II. Serienschaden Ziff. 4.2 Satz 2 BBR PHV entspricht inhaltlich Ziff. 6.3 AHB 2016 (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 8 ff.). Aus- 8 gehend von dem Grundsatz, dass Serienschadenregelungen als Risikobegrenzungsklauseln grundsätzlich eng auszulegen sind,13 liegt bei Schäden durch Computerviren, die nur auf vergleichbaren Charakteristika eines Virentyps (z.B. Trojanisches Pferd, Wurm etc.) beruhen, weder ein Serienschaden i.S.d. 1. Spiegelstrichs (dieselbe Ursache) noch ein Serienschaden i.S.d. 2. Spiegelstrichs (gleiche Ursache mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang) vor. Es muss sich vielmehr um Schäden durch das gleiche Virus handeln (z.B. alle Schäden infolge W32.Sober.L@mm). Ebenso wenig wird man Schäden infolge andauernden unzureichenden Virenschutzes allgemein als auf derselben oder gleichen Ursache beruhend ansehen können, sondern nur in Verbindung mit demselben Virustyp.14
D. Auslandsschäden (Ziff. 4.3 BBR PHV) Abweichend von Ziff. 7.9 AHB 2016 besteht Versicherungsschutz für Versicherungsfälle im Aus- 9 land, soweit die versicherten Haftpflichtansprüche in europäischen Staaten und nach dem Recht europäischer Staaten geltend gemacht werden. Auf den Ort, wo der Versicherungsfall eingetreten ist, kommt es nicht an. Hierdurch soll forum-shopping und damit einhergehend die Wahl einer den Geschädigten 10 besonders begünstigenden Rechtsordnung verhindert werden.15 Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die IT-Nutzung nicht auf Europa beschränkt ist, wird der Vertragszweck durch diese Einschränkung, für die ein durchaus berechtigtes Interesse des VR besteht, nicht gefährdet.16 Hier muss der VN ggf. eine Deckungserweiterung vereinbaren. Da unklar ist, ob Europa im geografischen Sinne oder staats-/völkerrechtlich zu verstehen 11 ist, gilt nach der Unklarheitenregel gem. § 305c Abs. 2 BGB die für den VN günstigere Regelung.17 Erfolgt die Geltendmachung in einem Staat und bestimmt sich die Begründetheit des Anspruchs nach dem Recht eines Staates, der im geografischen Sinne nur teilweise in Europa belegen ist (z.B. Russland, Türkei), besteht Versicherungsschutz. Versicherungsschutz besteht auch für die außereuropäischen Gebiete eines Staates, der geografisch (teilweise) in Europa belegen ist (z.B. Überseegebiete der EU und Großbritanniens).
E. Risikobegrenzungen I. Abgrenzung zur Haftpflichtversicherung von IT-Dienstleistungen (Ziff. 4.4 BBR PHV) Ziff. 4.1 BBR PHV betrifft die Versicherung von Risiken aus der Nutzung von IT. Nicht versichert 12 sind nach Ziff. 4.4 BBR PHV Ansprüche aus der Erbringung von IT-Dienstleistungen, namentlich – Software-Erstellung, -Handel, -Implementierung, -Pflege; – IT-Beratung, -Analyse, -Organisation, -Einweisung, -Schulung; 13 St.Rspr., vgl. nur BGH 17.9.2003 – IV ZR 19/03, NJW 2003 3705, 3706; BGH 27.11.2002 – IV ZR 159/01, NJW 2003 511, 512; BGH 19.2.2003 – IV ZR 318/02, NJW-RR 2003 672, 673. 14 Vgl. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 4 BetrH IT Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 118. 15 Vgl. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 5 BetrH IT Rn. 1; vgl. Anlage 2 zum Rundschreiben des GDV H 26/04 M v. 17.6.2004 S. 8. 16 Wohl a.A. Prölss/Martin/Lücke Ziff. 5 BetrH IT Rn. 1. 17 Prölss/Martin/Lücke BetrH IT Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 155; vgl. auch LG Berlin 9.1.2007 – 7 S 31/06 VersR 2007 941 (zur Europaklausel der VHB). 547
Koch
Ziff. 4 BBR PHV
Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung
– –
Netzwerkplanung, -installation, -integration, -betrieb, -wartung, -pflege; Bereithalten fremder Inhalte, z.B. Access-, Host-, Full-Service-Providing; Betrieb von Rechenzentren und Datenbanken. Diese Klausel dient der Abgrenzung zu Sonderdeckungen (Haftpflichtversicherung von ITDienstleistern) und stellt insoweit klar, dass von dem Wiedereinschluss insb. Risiken aus der Erbringung von IT-Dienstleistungen und dem Vertrieb von IT-Produkten (z.B. Anbieten von Standard-Software zum Herunterladen im Internet) ausgenommem und auch nicht im Rahmen der Vorsorgeversicherung versichert sind.
II. Ausschlüsse (Ziff. 4.5 BBR PHV) 1. Unbefugter Eingriff des VN in fremde Datenverarbeitungssysteme 13 Kein Versicherungsschutz besteht gem. Ziff. 4.5 (1) BBR PHV für Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen, dass der VN bewusst unbefugt in fremde Datenverarbeitungssysteme/ Datennetze eingreift (z.B. Hacker-Attacken, Denial of Service Attacks) oder bewusst Software einsetzt, die geeignet ist, die Datenordnung zu zerstören oder zu verändern (z.B. Software-Viren, Trojanische Pferde). Der Sache nach handelt es sich bei diesem Ausschluss um einen subjektiven Risikoausschluss, der neben Ziff. 4.5 (3) BBR PHV tritt.
2. Ansprüche im Zusammenhang mit Spamming, Cookies etc. 14 Ausgeschlossen sind des Weiteren nach Ziff. 4.5 (2) BBR PHV Ansprüche, die in engem Zusammenhang stehen mit massenhaft versandten, vom Empfänger ungewollten elektronisch übertragenen Informationen (z.B. Spamming) und mit Dateien (z.B. Cookies), mit denen widerrechtlich bestimmte Informationen über Internet-Nutzer gesammelt werden sollen.
15 a) Vom Empfänger ungewollte Informationen. Hinsichtlich des Ausschlusses in Ziff. 4.5 (2) BBR PHV 1. Spiegelstrich besteht Klarstellungsbedarf. Vom Empfänger ungewollt sind nämlich nicht nur Werbe-E-Mails, für die der Begriff des Spammings gemeinhin steht, sondern auch solche E-Mails, die sich aufgrund eines Virus selbsttätig versenden und „lediglich“ das Ziel der Weiterverbreitung des Virus haben.18 Bei diesem Virustyp kommt eine Haftung des vermeintlichen Versenders gegenüber privaten Empfängern in Betracht.19 Als kritisch für die Deckung erweist sich dabei der Begriff der „Informationen“. Wie die Diskussion um die Auslegung des Begriffs der Informationen in § 8 TMG/§ 8 TDG a.F. zeigt, werden von diesem Begriff sämtliche Daten erfasst, die transportiert oder gespeichert werden können, ohne Rücksicht darauf, ob sie unmittelbar vom Nutzer gelesen oder erst mithilfe einer Software (z.B. einem Virenschutzprogramm) lesbar gemacht werden können.20 Deshalb lassen sich grundsätzlich auch Viren unter den Begriff der Information subsumieren. Bei einem solchen Verständnis wäre dieser Ausschluss wegen Beeinträchtigung des Vertragszwecks i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.21 18 BSI-Glossar der Cyber-Sicherheit, Stichwort Cookie, https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Unternehmen-undOrganisationen/Informationen-und-Empfehlungen/Glossar-der-Cyber-Sicherheit/Functions/glossar.html?nn=52250 4&cms_lv2=132814 (Abruf am 3.8.2022). 19 Vgl. Koch NJW 2005 801, 803. 20 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 40 Rn. 221; Spindler/Schmitz/Spindler TMG 2. Aufl. (2018) § 7 Rn. 5; BeckOK-InfoMedienR/Paal/Hennemann 34. Ed. 1.11.2021 TMG § 7 Rn. 23 ff.; Hoffmann MMR 2002 284, 288. 21 Vgl. Prölss/Martin/Lücke BetrH IT Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 1; Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 40 Rn. 221; a.A. Stockmeier AVB PHV A1-6.16 Rn. 60; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 158. Koch
548
F. Obliegenheiten („Für Ziff. 4.1 (1) bis 4.1 (3) gilt:“)
Ziff. 4 BBR PHV
Zu Recht weist Lücke jedoch darauf hin, dass der durchschnittliche VN ein solches Begriffs- 16 verständnis nicht habe.22 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dürfte der VN als Informationen in der Tat wohl nur dasjenige ansehen, was für den Empfänger sichtbar ist. In diesem eng verstandenen Sinne ist die Klausel wirksam.23
b) Dateien zur widerrechtlichen Sammlung von Nutzerinformationen. Der im 2. Spiegel- 17 strich von Ziff. 4.5 (2) BBR PHV genannte Ausschluss bezieht sich – wie durch die Bezugnahme auf Cookies deutlich wird, die mit einer Web-Seite vom Server geladen werden kann und bei einer erneuten Anfrage an den Server mitgesendet werden, um den Besucher wiederzuerkennen –24 vornehmlich auf Ansprüche wegen unzulässiger Erhebung, Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten, umfasst aber auch betriebliche Daten. Für Ansprüche, die im Zusammenhang mit trojanischen Pferden stehen, die z.B. zum Ausspähen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen genutzt werden, besteht ohnehin keine Deckung (Rn. 3).25
3. Bewusste Pflichtverletzungen Schließlich sind nach Ziff. 4.5 (3) BBR PHV ausgeschlossen Ansprüche gegen den VN oder jeden 18 Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften (z.B. Teilnahme an rechtswidrigen Online-Tauschbörsen) oder durch sonstige bewusste Pflichtverletzungen herbeigeführt haben. Zur Beweis(führungslast) s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 109, 112.
F. Obliegenheiten („Für Ziff. 4.1 (1) bis 4.1 (3) gilt:“) Nach Ziff. 4.1 BBR PHV obliegt es dem VN, in den Fällen der Ziff. 4.1 (1) bis 4.1 (3) BBR PHV 19 sicherzustellen, „dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/ oder -techniken (z.B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen. Verletzt der VN diese Obliegenheit, so gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen).“
Die Ausgestaltung als Obliegenheit hat für den VN zur Konsequenz, dass ihm – abweichend von § 103 VVG – bereits bei grob fahrlässiger Verletzung der Sicherheitsstandards der Verlust des Versicherungsschutzes droht, wenn er seitens des Empfängers auf Schadensersatz für Datenschäden durch Computerviren in Anspruch genommen wird, die bei Einhaltung des Standards erkannt worden wären. Entgegen Schimikowski26 höhlt diese Obliegenheit den Versicherungsschutz jedoch nicht i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB aus, weil bei einfach fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen der VR weiterhin zur Leistung verpflichtet ist.27
22 Vgl. Prölss/Martin/Lücke BetrH IT Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 1. 23 Prölss/Martin/Lücke BetrH IT Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 1. 24 BSI-Glossar der Cyber-Sicherheit, Stichwort Spam, https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Unternehmen-und-Or ganisationen/Informationen-und-Empfehlungen/Glossar-der-Cyber-Sicherheit/Functions/glossar.html?nn=522504& cms_lv2=132814 (Abruf am 3.8.2022). 25 Vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 40 Rn. 222. 26 Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 154. 27 So auch Prölss/Martin/Lücke BetrH IT Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 12. 549
Koch
Ziff. 4 BBR PHV
Elektronischer Datenaustausch/Internetnutzung
Fraglich ist, was unter Sicherheitsmaßnahmen zu verstehen ist, die dem Stand der Technik entsprechen. Spindler verweist diesbezüglich u.a. auf die IT-Grundschutzkataloge des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).28 Nach Lücke ist unter Maßnahmen nach dem Stand der Technik jedenfalls im beruflichen und betrieblichen Bereich der Gebrauch von tagesaktuellen Virenscannern und Firewalls zu verstehen.29 Ein regelmäßig aktualisiertes (weitergehendes) Sicherheitskonzept, wie es teilweise gefordert wird,30 erschließe sich dem durchschnittlichen Gewerbetreibenden aus dem Wortlaut der Bedingung hingegen nicht. Die Formulierung Stand der Technik macht zunächst deutlich, dass sich die Sicherheits21 vorkehrungen an dem Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren orientieren müssen (vgl. § 3 Abs. 6 BImSchG).31 Jedoch ist der Stand der Technik nicht absolut, sondern unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen zu bestimmen. Im privaten Bereich genügt die Verwendung eines Virenschutzprogrammes und die regelmäßige Datensicherung. Der Einsatz besonders leistungsfähiger Virenschutzprogramme kann vom VN nicht verlangt werden. Hinsichtlich der Firewall ist es ausreichend, die vom Hersteller des Betriebssystems bzw. des verwendeten Routers integrierte Firewall zu nutzen. Für den Virenschutz kann wohl auch auf eine Gratis-Software zurückgegriffen werden.32
20
28 29 30 31 32
Beckmann/Matusche-Beckmann/Spindler § 48 Rn. 105; vgl. auch Stockmeier AVB PHV A1-6.16 Rn. 44. Prölss/Martin/Lücke BetrH IT Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 12. Z.B. Stockmeier 44 f. Vgl. auch Staudinger/Roth (2020) § 906 Rn. 203. Vgl. Bunte/Zahrte AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen 5. Aufl. (2019) VI. Sonderbedingungen für das Online-Banking Rn. 81a (zur Verpflichtung des Teilnehmers am Online-Banking). Koch
550
Ziff. 5 BBR PHV
Ziff. 5 Versicherungsfälle im Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod des VN Außerdem gilt: 5.1 1Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus im Ausland vorkommenden Versicherungsfällen – die auf eine versicherte Handlung im Inland bzw. auf ein im Inland bestehendes versichertes Risiko zurückzuführen sind, – die bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt bis zu … Jahren eingetreten sind. 2Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der vorübergehenden Benutzung oder Anmietung (nicht dem Eigentum) von im Ausland gelegenen Wohnungen und Häusern gem. Ziff. 1.4 (1) bis (3). 3 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 4Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. 5.2 1Für den Einschluss von Mietsachschäden gilt: (1) Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. (2) Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen – Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung, – Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, – Glasschäden, soweit sich der VN hiergegen besonders versichern kann, – Schäden infolge von Schimmelbildung. 2 Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je Versicherungsfall EUR …, begrenzt auf EUR … für alle Versicherungsfälle des Versicherungsjahres. 5.3 1Für die Fortsetzung der Privathaftpflichtversicherung nach dem Tod des VN gilt: 2 Für den mitversicherten Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner* des VN und/ oder unverheiratete und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft* lebende Kinder des VN besteht der bedingungsgemäße Versicherungsschutz im Falle des Todes des VN bis zum nächsten Beitragsfälligkeitstermin fort. 3Wird die nächste Beitragsrechnung durch den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner* eingelöst, so wird dieser VN.
Übersicht III.
Währungsklausel
Auslandsschäden (Ziff. 5.1 BBR PHV)
C.
Mietsachschäden (Ziff. 5.2 BBR PHV)
I.
Voraussetzungen für den Wiederein2 schluss
I. 1. 2.
II.
Vorübergehende Benutzung oder Anmietung im 4 Ausland
Einschluss von Mietsachschäden an Räumen 9 Mietverhältnis Wohnräume und sonstige zu privaten Zwecken gemietete Räume in Gebäuden 10 a) Wohnräume
A.
Inhalt und Zweck
B.
1
551 https://doi.org/10.1515/9783110522686-045
6 8
Koch
Ziff. 5 BBR PHV
Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod
b)
3. 4.
II. 1.
Sonstige zu privaten Zwecken gemietete 16 Räume in Gebäuden 18 c) Einrichtungsgegenstände 19 Mietsachfolgeschäden Sublimit bei versicherten Mietsachschä20 den Ausgeschlossene Haftpflichtansprüche (Ziff. 5.2 (2) BBR PHV) Schäden wegen Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung (1. Spiegelstrich) 21 a) Abnutzung oder Verschleiß
2.
3. 4. 5. 6. D.
22 b) Übermäßige Beanspruchung Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elekt26 ro- und Gasgeräten (2. Spiegelstrich) 27 Glasschäden (3. Spiegelstrich) 28 Schimmelschäden (4. Spiegelstrich) Regressverzicht nach dem Abkommen der Feuer29 versicherer (Ziff. 5.3 BBR PHV 2007) 30 Häusliche Abwässer Fortsetzungsklausel (Ziff. 5.3 BBR 31 PHV)
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 5 BBR PHV enthält Erweiterungen des Versicherungsschutzes. Ziff. 5.1 BBR PHV schließt Versicherungsfälle im Ausland wieder in den Versicherungsschutz ein, die auf eine versicherte Handlung im Inland bzw. auf ein im Inland bestehendes versichertes Risiko zurückzuführen sind oder bei einem nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt eingetreten sind. Ziff. 5.2 BBR PHV schließt Sachschäden an gemieteten Wohnräumen und zu privaten Zwecken gemietete Räume zum Teil wieder in den Versicherungsschutz ein und Ziff. 5.3 BBR PHV sieht eine Fortsetzung der Privathaftpflichtversicherung nach dem Tod des VN vor.
B. Auslandsschäden (Ziff. 5.1 BBR PHV) I. Voraussetzungen für den Wiedereinschluss 2 In der Privathaftpflichtversicherung wird der Ausschluss gem. Ziff. 7.9 AHB 2016 durch Ziff. 5.1 Satz 1, 2. Spiegelstrich BBR PHV für den Fall eines nur vorübergehenden Auslandsaufenthaltes, dessen Dauer in Jahren individuell zu vereinbaren ist, wieder aufgehoben. Verlegt der VN seinen Wohnsitz ins Ausland und hält sich dort dauernd auf, scheidet die Anwendung von Ziff. 5.1 Satz 1 BBR PHV aus.1 Im Vergleich zu der Vorgängerfassung2 in Ziff. 5.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich BBR PHV neu hinzugekommen ist die Voraussetzung, dass die ausländischen Versicherungsfälle auf eine versicherte Handlung im Inland bzw. auf ein im Inland bestehendes versichertes Risiko zurückzuführen sein müssen. Eine Einschränkung des Auslandsversicherungsschutzes zu der Vorgängerfassung geht damit jedoch nicht einher. 3 Im Hinblick darauf, dass „beziehungsweise“ synonym für die Konjunktion „oder“ sein kann, ist Ziff. 5.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich BBR PHV so zu lesen, dass ausländische Versicherungsfälle wieder eingeschlossen sind, „die auf eine versicherte Handlung im Inland oder auf ein auch im Inland bestehendes versichertes Risiko zurückzuführen sind“. Für Versicherungsfälle, die im Ausland auftreten und auf Gefahren des täglichen Lebens beruhen, besteht somit Versicherungsschutz. Für die Bemessung der Frist kommt es nicht darauf an, ob sich der VN den gesamten Zeitraum in ein und demselben Land aufgehalten hat. Reist der VN nach Deutschland zurück, beginnt die Frist bei einem neuerlichen Auslandsaufenthalt neu. Dies gilt auch dann, wenn der VN z.B. von seinem Dienstherrn von vornherein für einen längeren Zeitraum ins Ausland geschickt wurde.3 1 Vgl. OLG Karlsruhe 17.6.1999 – 12 U 304/98, RuS 2000 13 = VersR 2000 448; Späte PrivH Rn. 44; Kuwert/Erdbrügger Rn. 5013. 2 Abgedruckt bei Prölss/Martin/Lücke28 BesBed PHV Ziff. 5. 3 Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 160. Koch
552
B. Auslandsschäden (Ziff. 5.1 BBR PHV)
Ziff. 5 BBR PHV
II. Vorübergehende Benutzung oder Anmietung im Ausland Nach Ziff. 5.1 Satz 2 BBR PHV ist mitversichert die gesetzliche Haftpflicht aus der vorüberge- 4 henden Benutzung oder Anmietung (nicht dem Eigentum) von im Ausland gelegenen Wohnungen und Häusern gem. Ziff. 1.4 (1) bis (3) BBR PHV.4 Ausgenommen sind somit Haftpflichtansprüche gegen den VN, die an seine Eigenschaft als Eigentümer einer der in Ziff. 1.4 (1) bis (3) BBR PHV genannten (Ferien-) Wohnungen, Einfamilienhäuser sowie Wochenend-/Ferienhäuser anknüpfen.5 Vorübergehend ist die Benutzung, wenn sie „von vornherein mit der Absicht ihres späteren 5 Wegfalls erfolgt“.6 Grundsätzlich kann somit auch eine länger als ein Jahr dauernde Benutzung als vorübergehend angesehen werden. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang mit S. 1, dass Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die nach Ablauf eines Jahres eintreten, nicht mehr versichert sind.
III. Währungsklausel In Ziff. 5.1 Satz 3 BBR PHV ist festgelegt, dass die Leistungen des VR in Euro erfolgen. Soweit 6 der Zahlungsort außerhalb der Staaten liegt, die der Europäischen Währungsunion angehören, gelten die Verpflichtungen des VR in dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. Hierbei handelt es sich um eine in der Haftpflichtversicherung allgemein übliche Regelung, die in ähnlicher Form schon seit langer Zeit praktiziert wird.7 Hintergrund der Regelung ist, dass der VR das Kursund Transferrisiko nicht tragen will.8 Hiergegen äußert Lücke Bedenken.9 Es sei unklar, was mit „Europäischer Währungsunion gemeint sein soll (Europäische Union oder Länder, in denen der Euro gesetzliches Zahlungsmittel ist)“. Diese Bedenken sind unberechtigt. Lücke überspannt die Anforderungen an die Transparenz. Europäische Währungsunion ist die Verkürzung für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, weshalb sich die Klausel nur auf Länder bezieht, die den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt haben. Zu folgen ist dagegen Lückes Ansicht, die Klausel widerspreche der Hauptverpflichtung 7 des VR zur Befriedigung begründeter Schadensersatzverpflichtungen, weil sie den VN in den Fällen unangemessen i.S.v. § 307 BGB benachteilige, in denen nach dem zur Anwendung berufenen ausländischen Recht das Verlustrisiko nicht vom (Haftpflicht-)Gläubiger zu tragen sei.10 Durch die Vorverlagerung des Zeitpunkts der gegenüber dem VN geschuldeten Freistellung vom Haftpflichtanspruch auf den Zeitpunkt der Anweisung einer Bank, wird der VN unangemessen benachteiligt, weil er für den Fall, dass das Geld nicht auf das Konto des Geschädigten gelangt, diesem gegenüber weiterhin haftet. Insoweit schuldet der VR gegenüber dem VN die Verbringung des Geldes zum Geschädigten als solche und nicht bloß deren Veranlassung.
4 5 6 7
Vgl. auch OLG Hamm 30.5.1986 – 20 U 18/86, RuS 1986 304, 305 = VersR 1987 194, 195. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 1. RG 26.1.1901 – Rep. V 353/00, RGZ 47 197, 202 zu § 97 Abs. 2 BGB; vgl. auch MüKoBGB/Stresemann § 97 Rn. 24. Vor Gründung der Europäischen Währungsunion lautete die Klausel: „Die Verpflichtung des VR gilt mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der DM-Betrag bei einem inländischen Geldinstitut angewiesen ist“; vgl. Späte § 4 Rn. 42. 8 Späte § 4 Rn. 42. 9 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 2. 10 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 2. 553
Koch
Ziff. 5 BBR PHV
Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod
C. Mietsachschäden (Ziff. 5.2 BBR PHV) 8 Ziff. 7.6 AHB 2016 schließt Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen (zum Begriff der fremden Sache s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 201 ff.) und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden (= Sachfolgeschäden) vom Versicherungsschutz aus, wenn der VN diese Sachen gemietet hat. Für den Bereich der Privathaftpflichtversicherung werden Wohnraummietsachschäden durch Ziff. 5.2 BBR PHV zum Teil wieder eingeschlossen.
I. Einschluss von Mietsachschäden an Räumen 1. Mietverhältnis 9 Voraussetzung für die Deckung ist, dass die Räume zu privaten Zwecken gemietet sind. Sachschäden an gepachteten oder geleasten Räumen sind nicht versichert. Der Schaden muss während der Mietzeit eingetreten sein.11 Die Klausel soll den durch Ziff. 7.6 AHB 2016 bewirkten Ausschluss von Mietsachschäden für den Bereich der privaten Haftpflichtversicherung teilweise abbedingen. Wendet man mit der im Grundsatz zu folgenden h.A. Ziff. 7.6 AHB 2016 auch auf nicht rechtswirksam geschlossene Mietverträge an (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 206 f.), kann für die Deckungserweiterung nichts anderes gelten. Lässt man Ziff. 7.6 AHB 2016 dagegen nur bei wirksamen Mietverhältnissen eingreifen, besteht kein Bedürfnis für einen Wiedereinschluss bei unwirksamen Mietverträgen.
2. Wohnräume und sonstige zu privaten Zwecken gemietete Räume in Gebäuden 10 a) Wohnräume. Dem Begriff des Wohnraums kommt in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen unterschiedliche Bedeutung zu. Nach dem in § 549 Abs. 1 BGB zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Sondervorschriften für die Wohnraummiete verwendeten Begriff des Wohnraums fällt hierunter jeder nach dem Vertrag zum Wohnen bestimmte Raum, d.h. ein von Boden, Wänden und Dach umschlossenes Bauwerk oder ein entsprechender Teil davon. Wohngelegenheiten in beweglichen Sachen wie Baubaracken, Wohnwagen und Schiffen sind kein Wohnraum,12 wohl aber Räume in Containern, die fest mit dem Grund und Boden verbunden sind.13 Auf die Eignung des Wohnraums kommt es nicht an. Zum Wohnraum gehören Nebenräume wie Keller, Bodenräume, Waschküchen und Trockenräume sowie Räume und Baulichkeiten außerhalb des Wohngebäudes wie Schuppen, Garagen, Gartenlauben und Ställe, wenn sie dem Wohnbereich zu- und untergeordnet und in den Wohnraummietvertrag eingeschlossen sind.14 11 Der Begriff des Wohnraums nach dem Wohngeldgesetz ist – verständlicherweise – enger. Nach § 2 WoGG muss es sich handeln um „Räume, die vom Verfügungsberechtigten zum Wohnen bestimmt und hierfür nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung tatsächlich geeignet sind“. Nicht zum Wohnen bestimmt sind Geschäftsräume, gewerblich genutzte Flächen und Notunterkünfte (z.B. Schlafstellen, Sammellager, Turnhallen). Bei gemischter Zweckbestimmung (z.B. Wohnbüro) ist nur der zum Wohnen bestimmte Teil Wohnraum.15 Die Eignung des Raums zum Wohnen beurteilt sich nach der baulichen Anlage und der Ausstattung.16 Nicht 11 12 13 14 15 16
Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 166; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 4. MüKoBGB/Bieber § 549 Rn. 3. MüKoBGB/Bieber § 549 Rn. 3. MüKoBGB/Bieber § 549 Rn. 3. BeckOK-SozR/Winkler WoGG § 2 Rn. 2b. BeckOK SozR/Winkler WoGG § 2 Rn. 3a.
Koch
554
C. Mietsachschäden (Ziff. 5.2 BBR PHV)
Ziff. 5 BBR PHV
zum Wohnen geeignet sind Zelte.17 Ein Wohnwagen kann Wohnraum sein, wenn sein Zweck dahingehend geändert wurde, dass in ihm dauerhaft an einem Ort gewohnt werden soll.18 § 5 WiStG spricht nicht von der Vermietung von Räumen als Wohnung oder Wohnraum, sondern von der Vermietung von „Räumen zum Wohnen“. Dieser Begriff ist weiter als der in § 549 Abs. 1 BGB benutzte Begriff.19 Es kommt nicht darauf an, zu welchem Zweck der Raum errichtet worden oder zu welchem er geeignet ist. Entscheidend ist, dass er zum Wohnen, sei es auch nur zum Schlafen, benutzt werden soll.20 Zu „Räumen zum Wohnen“ in diesem Sinne zählen daher nicht nur Wohnungen, Zimmer, Appartements, Räume in Boarding-Häusern und ähnlichen Gewerbebetrieben, sondern auch Räume, die üblicherweise nicht zum Wohnen vermietet werden, wie Schlafstellen in Kellern und Böden sowie nur vorübergehend zum Wohnen überlassene Räume in Werkhallen, Lagerräumen, Geräteschuppen, Scheunen, Wohnwagen u.ä. Auch Notquartiere in Gebäuden, Schiffen und abgestellten Eisenbahnwaggons können Räume zum Wohnen sein.21 Im Hinblick darauf, dass Ziff. 5.2 BBR PHV auch alle „sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räume in Gebäuden“ umfasst, kann es hier dahinstehen, wie eng man den Begriff des Wohnraums fasst, da auch Nebenräume wie z.B. Keller, Waschküche, Trockenboden oder Hausflur22 oder einzeln stehende feste Garagen23 in jedem Fall von der Deckungserweiterung mit umfasst sind. Eine Abgrenzung wird nur erforderlich, wenn Schiffe, Wohnwagen, Eisenbahnwaggons u.ä. betroffen sind. Da die Rechtssprache mit dem Begriff des Wohnraums nach dem zuvor Gesagten keinen fest umrissenen Begriff verbindet, kommt es auf die Verkehrsauffassung an. Danach dürften unter Wohnraum jedenfalls alle Räume zu verstehen sein, in denen eine Person oder mehrere Personen ein häusliches Leben führen können. Wohnräume i.S.v. Ziff. 5.2 (1) BBR PHV müssen deshalb nicht notwendig in einem Gebäude liegen.24 Die Führung eines häuslichen Lebens ist grundsätzlich auch auf Schiffen, in Wohnwagen/-mobilen oder Eisenbahnwaggons möglich.25 Entscheidend ist insoweit die tatsächliche Nutzung als Wohnraum. In diesen Fällen ist jedoch erforderlich, dass der Schaden an dem versicherten Wohnraum eintritt. Daran fehlt es, wenn an einer vornehmlich zu Wohnzwecken genutzten Yacht der Dieseltank beschädigt wird.26 Nicht erforderlich ist, dass der Wohnraum von allen Seiten durch Boden, Wände und Decken umschlossen ist. Zu den Wohnräumen gehören deshalb auch mitgemietete Balkone27 und Dachterrassen.28 Grundsätzlich können deshalb auch Zelte als Wohnraum i.S.v. Ziff. 5.2 (1) BBR PHV zu qualifizieren sein.29 Wird Wohnraum nicht nur zu Wohnzwecken oder werden Räume in Gebäuden nicht nur zu privaten, sondern auch zu geschäftlichen Zwecken benutzt, darf der private Zweck der Nutzung nicht gänzlich untergeordnet zum geschäftlichen Zweck sein (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 24 ff.). 17 18 19 20 21 22 23
BeckOK SozR/Winkler WoGG § 2 Rn. 3a. VG Trier 14.4.2011 – 2 K 1082/10. TR, BeckRS 2011 50450. Vgl. Erbs/Kohlhaas/Lampe § 5 WiStG Rn. 2. BayObLG 21.2.1966 – BWReg. 4 a St 33/65, BayObLGSt. 1966 24, 25; Erbs/Kohlhaas/Lampe § 5 WiStG Rn. 2. Erbs/Kohlhaas/Lampe § 5 WiStG Rn. 2. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 6. LG Bielefeld 18.5.1988 – 1 S 54/88, VersR 1989 246; vgl. auch OLG Oldenburg 14.12.1994 – 2 U 146/94, RuS 1995 292 =VersR 1995 909. 24 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 6. 25 Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 30; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 6. 26 LG Düsseldorf 31.3.2000 – 20 S 159/99, NVersZ 2001 429, 430 = VersR 2001 321, 322; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 5. 27 Späte PrivH Rn. 45. 28 LG Köln 11.5.1988 – 24 O 462/87, zfs 1988 257. 29 Ablehnend Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 4; vgl. auch OLG Oldenburg 14.12.1994 – 2 U 146/94, RuS 1995 292 = VersR 1995 909. 555
Koch
12
13
14
15
Ziff. 5 BBR PHV
Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod
16 b) Sonstige zu privaten Zwecken gemietete Räume in Gebäuden. Zu den sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden zählen z.B. Festsäle und Tanzflächen, die in Restaurants und Hotels zum Zweck von Feiern gemietet werden. Verlangt man für die Qualifikation als Wohnraum, dass der Raum auf Dauer von einer Person gemietet wird, zählen auch Ferienwohnungen, die dazu bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen, zu Räumen in Gebäuden, die zu privaten Zwecken gemietet sind.30 Auch die Miete eines ganzen Gebäudes zu privaten Zwecken fällt unter den Wiedereinschluss.31 Ergänzend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch dem Begriff des Gebäudes 17 keine einheitliche Bedeutung zukommt. Unter den in §§ 94 f. BGB zur Bestimmung der Bestandteilseigenschaft einer Sache verwendeten Gebäudebegriff, der in seiner sachenrechtlichen Zielsetzung auf eine Erhaltung wirtschaftlicher Werte sowie die Wahrung rechtssicherer Vermögenszuordnungen ausgerichtet ist, werden etwa auch Brücken und Windkraftanlagen sowie vereinzelt sogar Mauern gefasst.32 Dagegen steht in steuerrechtlichen Bewertungszusammenhängen die Abgrenzung zwischen Gebäuden und Betriebsvorrichtungen im Vordergrund, was zu anderen Abgrenzungsergebnissen führen kann. Nach der Verkehrsauffassung dürften vom Begriff des Gebäudes i.S.v. Ziff. 5.2 (1) BBR PHV nur Bauwerke umfasst sein, die durch räumliche Umfriedung Schutz gewähren und den Eintritt von Menschen gestatten.33
18 c) Einrichtungsgegenstände. Mitversichert sind auch Schäden an mit dem Wohnraum/dem Gebäude fest verbundenen Einrichtungsgegenständen – also in der Regel an Sachen, die zugleich wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes i.S.v. § 94 Abs. 2 BGB sind. Zu nennen sind etwa Badewannen, Waschbecken, Parkett- oder fest verlegter Teppichboden und Einbauküchen,34 wobei aber der Ausschluss für Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten in Ziff. 5.2 (2) BBR PHV zu beachten ist (Rn. 26). Nicht unter den Versicherungsschutz fallen Haftpflichtansprüche wegen Schäden an Waschmaschinen, gemieteten Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen, wie lose verlegten Teppichen.35
3. Mietsachfolgeschäden 19 Erleidet der Vermieter durch den Sachschaden einen Mietausfall, sind auch die auf den Ersatz des Mietausfalls gerichteten Schadensersatzansprüche gegen den VN versichert.36
4. Sublimit bei versicherten Mietsachschäden 20 Für die mitversicherten Mietsachschäden sieht Ziff. 5.2 Satz 2 BBR PHV im Rahmen der für Sachschäden vereinbarten Versicherungssumme ein Sublimit je Versicherungsfall vor. Auch die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres ist sublimitiert.
30 31 32 33 34
Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 31. OLG Oldenburg 14.12.1994 – 2 U 164/94, RuS 1995 292. Vgl. BGH 17.11.2010 – VIII ZR 277/09, NJW 2011 380. Allgemeiner Gebäudebegriff, vgl. Staudinger/Jickeli/Stieper § 94 Rn. 23; Soergel/Marly § 94 Rn. 4. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 6; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 165; Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 32. 35 Späte PrivH Rn. 45. 36 Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 35. Koch
556
C. Mietsachschäden (Ziff. 5.2 BBR PHV)
Ziff. 5 BBR PHV
II. Ausgeschlossene Haftpflichtansprüche (Ziff. 5.2 (2) BBR PHV) 1. Schäden wegen Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung (1. Spiegelstrich) a) Abnutzung oder Verschleiß. Nicht vom Wiedereinschluss nach Ziff. 5.2 (1) BBR PHV erfasst 21 sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung (1. Spiegelstrich). Soweit der Ausschluss Abnutzung oder Verschleiß von gemieteten Räumen betrifft, geht es dem VR darum, nicht für die Abwehr ungerechtfertigt erhobener Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter Sorge tragen zu müssen, da der Mieter für die Abnutzung und den Verschleiß der Mietsache durch den vertragsgemäßen Gebrauch gem. § 538 BGB nicht haftet.37 Hat sich der Mieter vertraglich zur Reparatur verpflichtet, besteht für einen hierauf gerichteten Schadensersatzanspruch schon nach Ziff. 1.2 (1) AHB 2016 kein Versicherungsschutz.38 b) Übermäßige Beanspruchung. Für Schäden infolge übermäßiger Beanspruchung haftet 22 der Mieter nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB, wenn und soweit die übermäßige Beanspruchung den vertragsgemäßen Gebrauch überschreitet. Die übermäßige Beanspruchung der Mietsache muss den Schaden herbeigeführt haben. Die Beeinträchtigung muss also durch einen „grundsätzlich vertragsgemäßen, jedoch in der Intensität gesteigerten Gebrauch entstehen“,39 nicht hingegen durch eine schon ihrer Art nach (auch ohne Übermaß) falsche Behandlung der Mietsache (im Fall: Verwendung eines ungeeigneten – doppelseitig klebenden – Teppichklebebandes und Benutzung eines falschen Teppichreinigungsmittels mit der Folge, dass sich der Teppichboden in der Mietwohnung verfärbte und vom Untergrund löste).40 Schäden, die nur gelegentlich bei der Benutzung fahrlässig verursacht werden, fallen nicht unter den Ausschluss.41 Um eine allzu starke Einengung des Deckungsbereichs der Mietsachschadenklausel zu ver- 23 meiden, wird man für eine „übermäßige Beanspruchung“ verlangen müssen, dass eine Sache während längerer Zeit über das übliche Maß hinaus in Gebrauch genommen wird.42 Die Rechtsprechung verlangt, dass die Beanspruchung über das für den einzelnen Raum vereinbarte oder übliche Maß quantitativ oder qualitativ erheblich hinausgeht und deshalb zu erhöhter Abnutzung oder erhöhtem Verschleiß oder einem erhöhten Schadensrisiko führt.43 Eine übermäßige Beanspruchung wurde bejaht, wenn es zu Kratzspuren an Türen durch Haustiere (z.B. Katzen oder Hunde) kommt,44 selbstklebende Filzplatten auf einen Kunststoffboden aufgebracht45 und
37 OLG Hamm 18.5.2017 – 6 U 51/17, VersR 2017 1197, 1198; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 7; Späte/ Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 168.
38 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 168; Wussow WI 1978 123, 124. 39 Vgl. OLG Hamm 30.1.2015 – 20 U 106/14, VersR 2015 708, 709; OLG Saarbrücken 9.9.2013 – 5 W 72/13, VersR 2014 325; LG Dortmund 1.3.2010 – 2 T 5/10 (juris); LG Ravensburg 24.6.1993 – 5 S 85/93, VersR 1994 340, 341; AG Biberach 23.3.1993 – 3 C 86/93, VersR 1994 340. 40 LG Ravensburg 24.6.1993 – 5 S 85/93, VersR 1994 340, 341; AG Biberach 23.3.1993 – 3 C 86/93, VersR 1994 340; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 8. 41 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 8. 42 Vgl. OLG Hamm 30.1.2015 – 20 U 106/14, VersR 2015 708, 709; LG Trier 14.3.1985 – 3 S 335/84, zfs 1985 248. 43 Vgl. OLG Hamm 18.5.2017 – 6 U 51/17, VersR 2017 1197, 1198; OLG Hamm 30.1.2015 – 20 U 106/14, VersR 2015 708, 709; OLG Saarbrücken 9.9.2013 – 5 W 72/13, VersR 2014 325, 326; LG Trier 14.3.1985 – 3 S 335/84, zfs 1985 248. 44 Vgl. OLG Hamm 30.1.2015 – 20 U 106/14, VersR 2015 708, 709; OLG Saarbrücken 9.9.2013 – 5 W 72/13, VersR 2014 325, 326 (mehrere Katzen in kleiner Wohnung); LG Hannover 15.8.1997 – 8 S 334/96, zfs 1998 69; LG Trier 14.3.1985 – 3 S 335/84, zfs 1985 248; AG Offenbach 7.5.2015 – 33 C 291/14, RuS 2016 125. 45 Vgl. LG Wuppertal 16.7.1981 – 9 S 399/80, zfs 1981 316; AG Berlin-Wedding 18.1.1979 – 4 C 644/78, VersR 1979 638. 557
Koch
Ziff. 5 BBR PHV
Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod
Teppichfliesen auf Treppenstufen aufgeklebt werden.46 Sie dürfte auch zu bejahen sein, wenn der VN in der Wohnung Fitness betreibt und durch das Aufstellen der Geräte oder beim Gebrauch der Hanteln den Fußboden beschädigt. 24 Das Aufladen von Akkus z.B. für E-Bikes in der Wohnung ist dagegen ebenso wenig als übermäßiger Gebrauch anzusehen wie die Nutzung technischer Geräte (z.B. Waschmaschinen und Geschirrspüler). Kommt es beim Aufladen des Akkus zu einem Brand oder bei der Nutzung der Waschmaschine zu einem Wasserschaden, für den der VN haftet, besteht Deckung. Das Aufstellen eines Weihnachtsbaums mit Wachskerzen stellt ebenfalls keine übermäßige Beanspruchung dar, sodass für einen Brandschaden Versicherungsschutz besteht, der durch Unachtsamkeit des VN entstanden ist. 25 Nach Ansicht des OLG Saarbrücken ist der Ausschluss der übermäßigen Beanspruchung weder unklar i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB noch intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.47
2. Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten (2. Spiegelstrich) 26 Keine Deckung besteht für Haftpflichtansprüche wegen Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten. Der Ausschluss wegen Schäden an diesen technischen Anlagen und Geräten ist erforderlich, weil die VR keine Deckung für anfallende Wartungskosten übernehmen wollen.48 Dabei ist unerheblich, ob der Schaden von außen an das Gerät herangetreten ist, oder ob das Gerät selbst das schadenverursachende Ereignis herbeigeführt hat.49
3. Glasschäden (3. Spiegelstrich) 27 Glasschäden an der Mietsache sind ausgeschlossen, soweit sich der VN hiergegen besonders versichern kann. Nach Lücke wird der durchschnittliche VN diese Formulierung dahingehend verstehen, dass diese Versicherung von dem eigenen VR angeboten werden muss und auch tatsächlich angeboten worden ist.50 Diese Auslegung ist sehr fraglich, da es nach dem Wortlaut nur darauf ankommt, dass der Abschluss einer Glasversicherung möglich ist. Ob der VN eine Glasversicherung abgeschlossen hat, die die Glasschäden des Vermieters abdeckt, ist unerheblich. Der Sache nach handelt es sich um eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel. Da durch eine Glasversicherung nur die in dem Versicherungsschein bezeichneten Gebäude oder Räume von Gebäuden eintretenden Glasschäden (Versicherungsort) versichert sind (vgl. A 6 AGlB 201651), sind Schäden an Fenstern in Hotelzimmern oder Ferienwohnungen in der Privathaftpflichtversicherung versichert.52
46 47 48 49
Vgl. OLG Oldenburg 12.5.2004 – 3 U 26/04, zfs 2004 374. OLG Saarbrücken 9.9.2013 – 5 W 72/13, VersR 2014 325. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 171; Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 5029. AG Bonn 13.2.1987 – 12 C 624/86, zfs 1988 151, 152; Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 48; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski A1-6.6 AVB PHV Rn. 8. 50 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 7. 51 Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6090/80e01749c38c523394b06b1514da3771/01-all gemeine-bedingungen-fur-die-glasversicherung-aglb-2010-0-pdf-data.pdf (abgerufen am 2.7.2021). 52 Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 172; Stockmeier AVB PHV A1-6.6 Rn. 49; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 7. Koch
558
D. Fortsetzungsklausel (Ziff. 5.3 BBR PHV)
Ziff. 5 BBR PHV
4. Schimmelschäden (4. Spiegelstrich) Keine Deckung besteht für Schäden infolge von Schimmelbildung, die z.B. darauf beruht, dass 28 der Mieter die Wohnung mangelhaft lüftet oder falsch heizt. Schimmel steht für Schimmelpilz. Der Zweck dieses Ausschlusses ist darin zu erblicken, dass wegen der verschiedenen Einflussfaktoren (Raumnutzung, Feuchtigkeitsursache) für Schimmelpilzbildung der Nachweis des Schadensursprungs und der Verantwortlichkeit schwierig ist.
5. Regressverzicht nach dem Abkommen der Feuerversicherer (Ziff. 5.3 BBR PHV 2007) In der Neufassung der BBR PHV im Jahr 2011 ist der Ausschluss der „unter den Regressverzicht 29 nach dem Abkommen der FeuerVR bei übergreifenden Versicherungsfällen fallenden Rückgriffsansprüche“ gem. Ziff. 5.3 BBR PHV 2007 gestrichen worden. Dieser Ausschluss hatte zur Folge, dass die Haftpflichtversicherer nicht leisten mussten, wenn der Feuerversicherer den Mieter als Quasi-VN im Wege des Regressverzichts schützte.53 Ziff. 5.3 BBR PHV 2007 hatte somit die Bedeutung einer einfachen, die umfassend erteilte Leistungszusage einschränkenden Subsidiaritätsabrede. Anlass für die Streichung gab das Urteil des BGH vom 27.1.2010, in dem er diesen Ausschluss nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB für unwirksam befand, weil er in seinen praktischen Auswirkungen geeignet sei, den versprochenen Versicherungsschutz auszuhöhlen.54
6. Häusliche Abwässer Für Schäden an der Wohnung durch häusliche Abwässer besteht Versicherungsschutz, da sol- 30 che Schäden keinem Ausschluss mehr unterliegen (vgl. Ziff. 7.14 (1) AHB 2016).
D. Fortsetzungsklausel (Ziff. 5.3 BBR PHV) Mit dem Tod des VN fällt das versicherte Risiko in seiner Person weg. Grundsätzlich erlischt 31 deshalb der Versicherungsvertrag auch für die Mitversicherten55 und der VR wäre zur anteiligen Prämienrückgewähr verpflichtet (vgl. Ziff. 17 AHB 2016). Hiervon abweichend sieht Ziff. 5.3 Satz 2 BBR PHV vor, dass der Versicherungsschutz für mitversicherte Ehegatten/eingetragene Lebenspartner des VN und/oder unverheiratete und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Kinder des VN, die ein Interesse an dem Bestand des Versicherungsvertrages haben, bis zum nächsten Beitragsfälligkeitstermin fortbesteht. Für vor dem Tod des VN eingetretene Versicherungsfälle besteht ohnehin Deckung. Nach Ziff. 5.3 Satz 3 BBR PHV wird der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner VN, wenn er die nächste Beitragsrechnung einlöst. Es handelt sich bei Ziff. 5.3 Satz 3 BBR PHV insoweit um ein von der fristgemäßen Zahlung der Folgeprämie abhängiges, aufschiebend bedingtes Angebot des VR zur Vertragsübernahme.
53 Bruck/Möller/Koch Vorbem. §§ 100–112 VVG Rn. 11. 54 BGH 27.1.2010 – IV ZR 127/08, RuS 2010 154, 155. 55 Vgl. Bruck/Möller/Brand § 43 Rn. 62. 559
Koch
Ziff. 6 BBR PHV
Ziff. 6 Mitversicherung von Vermögensschäden 6.1 Mitversichert ist im Rahmen des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne der Ziff. 2.1 AHB wegen Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind. 6.2 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden – durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; – aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; – aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; – aus Vermittlungsgeschäften aller Art; – aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; – aus Anlage-, Kredit-, Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung – aus Rationalisierung und Automatisierung, – aus der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; – aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vor- und Kostenanschlägen; – aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; – aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; – aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen; – aus Schäden durch ständige Emissionen (z.B. Geräusche, Gerüche, Erschütterungen). 6.3 1Die Versicherungssumme beträgt je Schadenereignis EUR … 2Die Gesamtleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das Doppelte dieser Versicherungssumme.
Übersicht II.
1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Umfang des Versicherungsschutzes
2
I.
Ausschlusskatalog (Ziff. 6.2 BBR PHV)
2
Verbleibende Deckung für Vermögensschä3 den
A. Inhalt und Zweck 1 Die Versicherung von echten Vermögensschäden, d.h. Schäden, die nicht auf einem Sach- oder Personenschaden beruhen, bedarf gem. Ziff. 2 AHB 2016 besonderer Vereinbarung. Nach Ziff. 6.1 BBR PHV sind solche Vermögensschäden standardmäßig zu einem Sublimit mitversichert (Ziff. 6.3 BBR PHV). Jedoch enthält Ziff. 6.2 BBR PHV einen umfangreichen Ausschlusskatalog, sodass der Anwendungsbereich der Vermögensschadensdeckung in der PrivathaftpflichtversiKoch https://doi.org/10.1515/9783110522686-046
560
B. Umfang des Versicherungsschutzes
Ziff. 6 BBR PHV
cherung sehr klein ist. Ein Großteil der Ausschlüsse ist für die Privathaftpflichtversicherung ohnehin nicht von Relevanz, weil diese nicht Privatpersonen betreffen (anders liegt der Fall, soweit in einer Privathaftpflichtversicherung der Versicherungsschutz auf die Deckung von Forderungsausfällen des VN erweitert wird1). Es geht vornehmlich darum zu verhindern, dass der VN Deckung über die Vorsorgeversicherung erhält.
B. Umfang des Versicherungsschutzes Um sich den Umfang des Versicherungsschutzes zu vergegenwärtigen, ist zunächst der Ausschlusskatalog in den Blick zu nehmen.
I. Ausschlusskatalog (Ziff. 6.2 BBR PHV) 2 Nach Ziff. 6.2 BBR PHV sind ausgeschlossen Ansprüche wegen Schäden – [1] durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; – [2] aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; – [3] aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; – [4] aus Vermittlungsgeschäften aller Art; – [5] aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; – [6] aus Anlage-,2 Kredit-,3 Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung; – [7] aus Rationalisierung und Automatisierung; – [8] aus der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; – [9] aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vor- und Kostenanschlägen; – [10] aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; – [11] aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; – [12] aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen; – [13] durch ständige Emissionen (z.B. Geräusche, Gerüche, Erschütterungen). Bei diesem Ausschlusskatalog handelt es sich um ein Sammelsurium. Spiegelstrich 1 schließt das Produkthaftpflichtrisiko aus, die Spiegelstriche 2 bis 7 schließen verschiedene Berufshaftpflichtrisiken aus und Spiegelstrich Nr. 10 schließt das Organhaftpflichtrisiko aus. Diese Ausschlüsse dienen der Abgrenzung zu anderen Versicherungszweigen. Die Spiegelstriche 8 und 9 knüpfen an Schäden infolge von Pflichtverletzungen an und Spiegelstrich 11 enthält einen subjektiven Risikoausschluss, der aus Vermögensschadenshaftpflichtdeckungen bekannt ist. Der Ausschluss von Schäden durch Abhandenkommen von Sachen in Spiegelstrich 12 hat zur Folge, dass die nach Ziff. 2.2 AHB 2016 vorgesehene Erweiterungsmöglichkeit 1 Vgl. OLG Stuttgart 19.7.2012 – 7 U 50/12, RuS 2013 21, 22; OLG Hamm 13.7.2012 – I-20 U 9/12, RuS 2013 19, 21. 2 Vgl. OLG Stuttgart 19.7.2012 – 7 U 50/12, RuS 2013 21, 22 (Verwaltungsvertrag „für Investmentzwecke“). 3 Vgl. OLG Hamm 13.7.2012 – I-20 U 9/12, RuS 2013 19, 21 (Darlehensvertrag). 561
Koch
Ziff. 6 BBR PHV
Mitversicherung von Vermögensschäden
des Versicherungsschutzes auf solche Schäden in der Privathaftpflichtversicherung nur bei individualvertraglicher Vereinbarung besteht. Der Ausschluss in Spiegelstrich 13 zielt auf die Haftung des VN nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
II. Verbleibende Deckung für Vermögensschäden 3 Für die Vermögensschadensdeckung bleiben die Fälle übrig, in denen man der hier erfolgten Einordnung als Sachschaden z.B. bei der nicht unerheblichen Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung der Sache (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 23 ff.) nicht folgt. Ansprüche wegen Verletzung von Datenschutzgesetzen (z.B. § 82 DS-GVO), die als Vermögensschaden zu qualifizieren sind, dürften nur für mitversicherte Tätigkeiten des VN als Dienstherr, Vermieter und Bauherr in Betracht kommen, da für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen wird, weder die DS-GVO (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. c) DS-GVO) noch das BDSG gilt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG). 4 Bei der Bestimmung des Versicherungsschutzes für Vermögensschäden stellt sich im Übrigen die Frage, ob die Ausschlüsse in Ziff. 7 AHB 2016 fortgelten. Bedenken gegen die Fortgeltung ergeben sich daraus, dass Ziff. 6 BBR PHV keinen mit Ziff. 1 BBR PHV vergleichbaren Einleitungssatz hat. In Ziff. 1 BBR PHV heißt es „Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachstehenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen…“. Andererseits beschreibt Ziff. 1 BBR PHV das versicherte Risiko in der Privathaftpflichtversicherung, so dass alle anderen Klauseln nicht losgelöst von Ziff. 1 BBR PHV ausgelegt werden können. Zudem nimmt Ziff. 6.1 BBR PHV Bezug auf Ziff. 2.1 AHB 2016. Der VN wird deshalb davon ausgehen, dass neben den BBR PHV alle AHB-Regeln ergänzend gelten, soweit nicht in den BBR PHV ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird. Somit sind auch Ansprüche aus Schäden wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Namensrechts ausgeschlossen (Ziff. 7.16 AHB 2016).
Koch
562
Ziff. 7 BBR PHV
Ziff. 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG) 7.1
1
Mitversichert sind abweichend von Ziff. 1.1 AHB öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG), soweit während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages – die schadenverursachenden Emissionen plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig in die Umwelt gelangt sind oder – die sonstige Schadenverursachung plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig erfolgt ist. 2 Auch ohne Vorliegen einer solchen Schadenverursachung besteht Versicherungsschutz für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 3Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko). 4 Umweltschaden ist eine – Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer einschließlich Grundwasser, – Schädigung des Bodens. 5 Mitversichert sind, teilweise abweichend von Ziff. 7.6 AHB, Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden an eigenen, gemieteten, geleasten, gepachteten oder geliehenen Grundstücken, soweit diese Grundstücke vom Versicherungsschutz dieses Vertrages erfasst sind. 7.2 Nicht versichert sind (1) Pflichten oder Ansprüche soweit sich diese gegen die Personen (VN oder ein Mitversicherter) richten, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen. (2) Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden (a) die durch unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt entstehen. (b) für die der VN aus einem anderen Versicherungsvertrag (z.B. Gewässerschadenhaftpflichtversicherung) Versicherungsschutz hat oder hätte erlangen können. 7.3 Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der gemäß AT Ziff. 2 vereinbarten Versicherungssumme EUR … 7.4 Ausland 1 Versichert sind abweichend von Ziff. 7.9 AHB und Muster-Tarifstruktur IX Ziff. 5.1 im Umfang dieses Versicherungsvertrages im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) eintretende Versicherungsfälle. 2 Versicherungsschutz besteht insoweit abweichend von Ziff. 7.9 AHB auch für Pflichten oder Ansprüche gemäß nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EU-Mitgliedstaaten, sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der o.g. EU-Richtlinie nicht überschreiten.
563 https://doi.org/10.1515/9783110522686-047
Koch
Ziff. 7 BBR PHV
Sanierung von Umweltschäden
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Relevanz der Zusatzdeckung in der Privat2 haftplichtversicherung
C.
Versichertes Risiko (Ziff. 7.1 BBR PHV)
D.
Ausschlüsse (Ziff. 7.2 BBR PHV)
I.
Bewusstes Abweichen von Umweltschutzbestim10 mungen
6
12
II.
Normalbetriebsschäden
III.
Versicherungsschutz aus einem anderen Versi13 cherungsvertrag
E.
Versicherungssummen (Ziff. 7.3 BBR 14 PHV)
F.
Ausland (Ziff. 7.4 BBR PHV)
15
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 7 BBR PHV erweitert den Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung auf die Inanspruchnahme des VN wegen Umweltschäden i.S.v. § 2 Ziff. 1 USchadG. Diese werden in Ziff. 7.1 Satz 4 BBR PHV in Übereinstimmung mit der Begriffsbestimmung in § 2 Ziff. 1 USchadG definiert als – Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer einschließlich Grundwasser oder – Schädigung des Bodens. Soweit die Umweltschäden nicht zu einem Personen- oder Sachschaden führen – Boden steht durchgängig im Privateigentum, so dass parallel zu einem Umweltschaden stets auch eine einem Sachschaden gleichstehende Eigentumsverletzung vorliegt –,1 besteht für solche Schäden kein Versicherungsschutz auf Grundlage der AHB.
B. Relevanz der Zusatzdeckung in der Privathaftplichtversicherung 2 Zu beachten ist, dass Verantwortlicher i.S.d. USchadG nach § 2 Nr. 3 USchadG, der den Kreis der nach dem USchadG Verantwortlichen abschließend festlegt,2 nur „jede natürliche oder juristische Person ist, die eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt, einschließlich der Inhaber einer Zulassung oder Genehmigung für eine solche Tätigkeit oder der Person, die eine solche Tätigkeit anmeldet oder notifiziert, und dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat“.
3 Was unter beruflicher Tätigkeit zu verstehen ist, wird in § 2 Nr. 4 USchadG definiert. Danach ist eine berufliche Tätigkeit „jede Tätigkeit, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird, unabhängig davon, ob sie privat oder öffentlich und mit oder ohne Erwerbscharakter ausgeübt wird“.
1 MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 1049. 2 BVerwG 21.9.2017 – 7 C 29/15 (juris) Rn. 38. Koch
564
C. Versichertes Risiko (Ziff. 7.1 BBR PHV)
Ziff. 7 BBR PHV
Rein private Tätigkeiten, die keinen Bezug zur Berufsausübung aufweisen, wie z.B. Gartenarbeit, Freizeitsport oder der privat außerhalb einer Werkstatt vorgenommene Ölwechsel, fallen somit nicht unter das Haftungsregime des USchadG.3 Das BVerwG hat mit Beschluss vom 26.2.2019 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH 4 zur Klärung u.a. des Begriffes der „beruflichen Tätigkeit“ in Art. 2 Nr. 7 EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) gestellt, der durch § 2 Nr. 4 USchadG umgesetzt wurde.4 In dem diesem Ersuchen zugrundeliegenden Verfahren geht es um die Frage, ob eine Tätigkeit, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt wird, eine „berufliche Tätigkeit“ darstellt. Aus der Sicht des BVerwG erscheint es als nicht fernliegend, die Begriffstrias „wirtschaftliche Tätigkeit“, „Geschäftstätigkeit“ und „Unternehmen“ dahingehend zu verstehen, dass eine hiervon umfasste Tätigkeit einen Marktbezug bzw. einen wettbewerblichen Charakter aufweisen muss.5 In Beantwortung der Frage hat der EuGH mit Urteil vom 9.7.2020 geklärt, dass der Begriff 5 der beruflichen Tätigkeit i.S.v. Art. 2 Nr. 7 EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) nicht auf Tätigkeiten beschränkt bleibt, die einen Bezug zum Markt oder Wettbewerbscharakter haben, sondern sämtliche in einem beruflichen Rahmen – im Gegensatz zu einem rein persönlichen oder häuslichen Rahmen – ausgeübte Tätigkeiten umfasst.6 Damit beschränkt sich die Bedeutung der Deckungserweiterung allenfalls auf das in der Privathaftpflichtversicherung nach Ziff. 1.4 BBR PHV mitversicherte Risiko aus der Vermietung von Wohnräumen.7 Daneben käme noch eine Haftung des VN in seiner Eigenschaft als Dienstherr in Betracht, weil er in dieser Eigenschaft als weisungsberechtigte Person eine berufliche Tätigkeit der in seinem Haushalt tätigen Personen bestimmt.8 Insoweit ist der Hinweis geboten, dass nicht nur die selbstständige Tätigkeit als berufliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes anzusehen ist, sondern auch die berufliche Tätigkeit eines Arbeitnehmers kann die Verantwortlichkeit nach dem Umweltschadensgesetz begründen. Das Gesetz knüpft insoweit lediglich an das Merkmal der „Ausübung“ der Tätigkeit an, das durch jeden unmittelbar handelnden Arbeitnehmer verwirklicht wird.9
C. Versichertes Risiko (Ziff. 7.1 BBR PHV) Nach Ziff. 7.1 Satz 1 BBR PHV sind mitversichert „öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche 6 zur Sanierung von Umweltschäden gem. USchadG“ unter der Voraussetzung, dass die schadensursächlichen Emissionen plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig in die Umwelt gelangt sind oder die sonstige Schadensverursachung plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig erfolgt ist. Bei Lagerung, Verwendung, Umgang von und mit Erzeugnissen gilt das Betriebsstörfall- 7 erfordernis nicht. Allerdings muss der Umweltschaden nach Ziff. 7.1 Satz 2 BBR PHV auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen sein, der im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko).
3 Vgl. Landmann/Rohmer/Beckmann/Wittmann Umweltrecht 97. EL Dezember 2022, USchadG § 2 Rn. 50; Brinktrine ZUR 2007 337, 340; Diederichsen NJW 2007 3377, 3379. BVerwG 26.2.2019 – 7 C 8/17, NVwZ-RR 2019 640, 641. BVerwG 26.2.2019 – 7 C 8/17, NVwZ-RR 2019 640, 641. EuGH 9.7.2020 – C-97/19, NuR 2020 610 Rn. 76 f.; nachgehend BVerwG 25.11.2021 – 7 C 6.20 BeckRS 2021 48614. Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 185; weitergehend Stockmeier AVB PHV A2-2 Rn. 16 (auch gelegentliche Nebentätigkeiten); a.A. Beuck VersR 2012 1215, 1218, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit eine Organisationsstruktur voraussetzt, die bei der Vermietung von Wohnräumen nicht erforderlich sei. 8 Beuck VersR 2012 1251, 1218; Nomos-BR/Balensiefen USchadensG/Balensiefen, 1. Aufl. 2013, USchadG § 2 Rn. 7. 9 Vgl. Landmann/Rohmer/Beckmann/Wittmann Umweltrecht 97. EL Dezember 2022, USchadG § 2 Rn. 50; Diederichsen NJW 2007 3377, 3379.
4 5 6 7
565
Koch
Ziff. 7 BBR PHV
8
Sanierung von Umweltschäden
Ziff. 7.1 Satz 1 bis 3 BBR PHV entsprechen im Grundsatz Ziff. A2-2.3 USV, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Jedoch ist die Formulierung, dass „öffentlich-rechtliche Pflichten“ mitversichert sind, zumindest unglücklich und der Musterbedingungsgeber hätte besser daran getan, eine Formulierung zu wählen, dass mitversichert ist „die gesetzliche Pflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN gemäß USchadG zur Sanierung von Umweltschäden“ (oder so ähnlich). Denn letztlich geht es bei dieser Zusatzdeckung darum, den VN von den Kosten freizustellen, die er in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher i.S.v. § 2 Nr. 3 USchadG nach § 9 Abs. 1 Satz 1 USchadG zu tragen hat. Der Begriff der Kosten umfasst nach § 2 Nr. 9 USchadG „die durch eine ordnungsgemäße und wirksame Ausführung des Umweltschadensgesetzes erforderlichen Kosten, einschließlich der Kosten für die Prüfung eines Umweltschadens, einer unmittelbaren Gefahr eines solchen Schadens, von alternativen Maßnahmen sowie der Verwaltungs- und Verfahrenskosten und der Kosten für die Durchsetzung der Maßnahmen, der Kosten für die Datensammlung, sonstiger Gemeinkosten und der Kosten für Aufsicht und Überwachung“.
9 Weitergehend als der Versicherungsschutz nach Maßgabe der USV bestimmt Ziff. 7.1 Satz 5 BBR PHV, dass Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden an eigenen, gemieteten, geleasten, gepachteten oder geliehenen Grundstücken mitversichert sind, soweit diese Grundstücke vom Versicherungsschutz dieses Vertrages erfasst sind.
D. Ausschlüsse (Ziff. 7.2 BBR PHV) I. Bewusstes Abweichen von Umweltschutzbestimmungen 10 Nicht versichert sind nach Ziff. 7.2 (1) „Pflichten“ oder Ansprüche (gemeint sind wiederum die nach § 9 Abs. 1 Satz 1 USchadG zu tragenden Kosten nach § 2 Nr. 9 USchadG), soweit sie sich gegen die Personen (VN oder ein Mitversicherter) richten, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen abweichen, die dem Umweltschutz dienen. Dem VN oder dem Mitversicherten muss bewusst gewesen sein, dass er von einer Umweltschutzbestimmung abweicht.10 Die Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten genügt nicht.11 Die wissentliche Außerachtlassung von allgemeinen Verkehrssicherungspflichten führt also nicht zum Ausschluss der Deckung, mag auch das verletzte Verhaltensgebot sich zugleich aus einer umweltschützenden Vorschrift ergeben.12 11 Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen Gesetze, Verordnungen oder an den VN gerichtete behördliche Anordnungen oder Verfügungen dem Umweltschutz dienen. Nach Schneider müssen die Gebote in ihrer Schutzrichtung zumindest auch Umweltbelange betreffen.13 Im Hinblick darauf, dass Ausschlüsse eng auszulegen sind, dürften jedoch nur solche Vorschriften herangezogen werden können, die ausschließlich dem Umweltschutz dienen. Letzteres trifft auf alle umweltbezogenen Rechtsvorschriften, worunter auch Anordnungen und Verfügungen fallen, i.S.d. Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) zu. Nach § 1 Abs. 4 UmwRG handelt es sich um „Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Schutz von Umweltbestandteilen oder Faktoren beziehen“. Hierzu zählen die Vorschriften des Naturschutzrechts (BNatSchG und die entsprechenden Landesnaturschutzgesetze), des Waldrechts (BWaldG und 10 OLG Karlsruhe 11.10.2019 – 12 W 10/19, RuS 2019 701, 703. 11 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.101. 12 OLG Karlsruhe 11.10.2019 – 12 W 10/19, RuS 2019 701, 703; vgl. auch Späte/Schimikowski/Schneider Nr. 6 UHV Rn. 26.
13 Späte/Schimikowski/Schneider Nr. 6 UHV Rn. 26. Koch
566
F. Ausland (Ziff. 7.4 BBR PHV)
Ziff. 7 BBR PHV
Landesforstgesetze), des Immissionsschutzrechts (BImSchG, LImSchG, BImSchV’en, TA Lärm, TA Luft) sowie wasserrechtliche Vorschriften (WHG und Landeswassergesetze). Gleiches gilt für das umweltbezogene Verfahrensrecht.14
II. Normalbetriebsschäden Kein Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 7.2 (1) (a) BBR PHV für „Pflichten oder Ansprüche“ 12 wegen Schäden die durch unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt entstehen. Diese Klausel umschreibt die Verursachung von Umweltschäden infolge des bestimmungsgemäßen (Normal-)Betriebs einer Anlage oder des Gebrauchs einer Sache. Diesem Ausschluss kommt in Bezug auf die Deckung von Umweltschäden, die durch eine Betriebsstörung entstanden sind (Ziff. 7.1 BBR PHV), nur klarstellende Bedeutung zu, da Normalbetriebsschäden den Gegensatz zu Betriebsstörungsschäden bilden.15
III. Versicherungsschutz aus einem anderen Versicherungsvertrag Kein Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 7.2 (1) (b) BBR PHV für „Pflichten oder Ansprüche“ 13 für die der VN aus einem anderen Versicherungsvertrag Versicherungsschutz „hat oder hätte erlangen können“. Beispielhaft wird auf die Gewässerschadenhaftpflichtversicherung verwiesen. Es handelt sich hierbei um eine als Ausschluss einzuordnende qualifizierte Subsidiaritätsklausel, da es nicht darauf ankommt, dass tatsächlich Versicherungsschutz nach einem anderen Vertrag besteht. Diese Klausel steht nicht im Einklang mit dem Transparenzgebot i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da abgesehen von dem Beispiel der Gewässerschadenhaftpflichtversicherung keine weiteren Versicherungszweige genannt werden. Im Übrigen gibt es seit dem Wegfall der aufsichtsrechtlichen Genehmigungspflicht von allgemeinen Versicherungsbedingungen im Jahre 1994 keine einheitlichen Gewässerschadenhaftpflichtversicherungsbedingungen. Um dem Transparenzgebot Genüge zu tun, wäre es erforderlich, diese Bedingungen näher zu bezeichnen, z.B. durch Bezugnahme auf eine bestimmte Fassung der Musterempfehlungen des GDV.
E. Versicherungssummen (Ziff. 7.3 BBR PHV) Für die USchadG-Zusatzdeckung ist eine Einheitsversicherungssumme je Versicherungsfall und 14 für die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres vorgesehen.16
F. Ausland (Ziff. 7.4 BBR PHV) Ziff. 7.4 BBR PHV stellt einerseits klar, dass örtlich Versicherungsschutz für die im Geltungsbe- 15 reich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) eintretenden Versicherungsfälle besteht. Andererseits macht Ziff. 7.4 BBR PHV deutlich, dass Versicherungsschutz für eine weitergehende Haftung aufgrund überschießender Umsetzung der EU-Umwelthaftungsrichtlinie in einzelnen Mitgliedstaaten der EU ausgeschlossen ist.
14 Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller Umweltrecht 97. EL Dezember 2022 UmwRG § 1 Rn. 162. 15 Vgl. Stockmeier AVB PHV A2-2 Rn. 39. 16 Stockmeier AVB PHV A2-2 Rn. 41. 567
Koch
Ziff. 8 BBR PHV
Ziff. 8 Forderungsausfalldeckung 1.
2.
3.
Gegenstand der Forderungsausfalldeckung 1.1 1Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der VN oder eine gemäß Ziff. 2.1 und 2.2 Mustertarifstruktur IX mitversicherte Person während der Wirksamkeit der Versicherung von einem Dritten geschädigt wird (Versicherungsfall) und der wegen dieses Schadenereignisses in Anspruch genommene Dritte seiner Schadenersatzverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen kann, weil die Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des schadenersatzpflichtigen Dritten festgestellt worden ist und die Durchsetzung der Forderung gegen ihn gescheitert ist. 2 Ein Schadenereignis ist ein Ereignis, das einen Personen-, Sach- oder daraus resultierenden Vermögensschaden zur Folge hat und für den der Dritte aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts zum Schadenersatz verpflichtet ist (schädigender Dritter). 1.2 1Der VR ist in dem Umfang leistungspflichtig, in dem der schadenersatzpflichtige Dritte Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der Privat-Haftpflichtversicherung des VN hätte. 2Daher finden im Rahmen der Forderungsausfalldeckung für die Person des Schädigers auch die Risikobeschreibungen und Ausschlüsse Anwendung, die für den VN gelten. 3So besteht insbesondere kein Versicherungsschutz, wenn der Schädiger den Schaden im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verursacht hat oder wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. 4 Soweit gesondert vereinbart: Mitversichert sind in Abänderung von Ziffer 1.8 BBR gesetzliche Haftpflichtansprüche gegen Dritte aus der Eigenschaft des Schädigers als privater Halter eines Hundes oder Pferdes. Leistungsvoraussetzungen Der VR ist gegenüber dem VN oder einer gemäß Ziff. 2.1 und 2.2 Mustertarifstruktur IX mitversicherten Person leistungspflichtig, wenn 2.1 die Forderung durch ein rechtskräftiges Urteil oder einen vollstreckbaren Vergleich vor einem ordentlichen Gericht in der Bundesrepublik Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegens, Island und Liechtenstein festgestellt worden ist. 2Anerkenntnis-, Versäumnisurteile und gerichtliche Vergleiche sowie vergleichbare Titel der vorgenannten Länder binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne einen dieser Titel bestanden hätte 2.2 der schädigende Dritte zahlungs- oder leistungsunfähig ist. 2Dies ist der Fall, wenn der VN oder eine mitversicherte Person nachweist, dass – eine Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat, – eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint, da der schadenersatzpflichtige Dritte in den letzten drei Jahren die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat oder – ein gegen den schadenersatzpflichtigen Dritten durchgeführtes Insolvenzverfahren nicht zur vollen Befriedigung geführt hat oder ein solches Verfahren mangels Masse abgelehnt wurde, und 2.3 an den VR die Ansprüche gegen den schadenersatzpflichtigen Dritten in Höhe der Versicherungsleistung abgetreten werden und die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils oder Vergleichs ausgehändigt wird. 2Der VN hat an der Umschreibung des Titels auf den VR mitzuwirken. Umfang der Forderungsausfalldeckung 3.1 Versicherungsschutz besteht bis zur Höhe der titulierten Forderung.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-048
568
Übersicht
4.
5.
Ziff. 8 BBR PHV
3.2 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. 3.3 Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der gemäß AT Ziff. 2 vereinbarten Versicherungssumme EUR … 3.4 Für Schäden bis zur Höhe von EUR … besteht kein Versicherungsschutz. 3.5 Dem schadenersatzpflichtigen Dritten, stehen keine Rechte aus diesem Vertrag zu. Räumlicher Geltungsbereich Versicherungsschutz besteht – abweichend von Ziff. 5.1 Mustertarifstruktur IX – für Schadenersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts anlässlich von Schadenereignissen, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegens, Island oder Liechtenstein eintreten. Ausschlüsse 5.1 Nicht versichert sind Ansprüche wegen Schäden an – Kraft-, Kraftfahrzeuganhänger, Luft- und Wasserfahrzeugen; – Immobilien – Tieren – Sachen, die ganz oder teilweise dem Bereich eines Betriebes, Gewerbes, Berufes, Dienstes oder Amtes des VN oder einer mitversicherten Person zuzurechnen sind. 5.2 Der VR leistet keine Entschädigung für – Verzugszinsen, Vertragsstrafen, Kosten der Rechtsverfolgung; – Forderungen aufgrund eines gesetzlichen oder vertraglichen Forderungsübergangs; – Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass berechtigte Einwendungen oder begründete Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurden; – Ansprüche aus Schäden, zu deren Ersatz – ein anderer VR Leistungen zu erbringen hat (z.B. der SchadensVR des VN) oder – ein Sozialversicherungsträger oder Sozialleistungsträger Leistungen zu erbringen hat, auch nicht, soweit es sich um Rückgriffs-, Beteiligungsansprüche oder ähnliche von Dritten handelt.
Übersicht A.
Zweck und Rechtsnatur der Forderungsaus1 fallversicherung
I.
Vollstreckungsfähiger Titel (Ziff. 8 Nr. 2.1 BBR 6 PHV)
B.
Gegenstand der Forderungsausfallversicherung
II.
Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des Schädi9 gers (Ziff. 8 Nr. 2.2 BBR PHV)
I.
Versicherte Forderungen (Ziff. 8 Nr. 1.1 BBR 3 PHV)
III.
Abtretung des Schadensersatzanspruchs (Ziff. 8 10 Nr. 2.3 BBR PHV)
II.
Versichertes Risiko (Ziff. 8 Nr. 1.2 BBR 4 PHV)
D.
Umfang der Forderungsausfalldeckung 12 (Ziff. 8 Nr. 3 BBR PHV)
C.
Fälligkeit der Versicherungsleistung (Ziff. 8 5 Nr. 2 BBR PHV)
E.
Räumlicher Geltungsbereich (Ziff. 8 Nr. 4 13 BBR PHV)
569
Koch
Ziff. 8 BBR PHV
Forderungsausfalldeckung
F.
Ausschlüsse (Ziff. 8 Nr. 5 BBR PHV)
I.
Ziff. 8 Nr. 5.1 BBR PHV
II. 1.
15 Ziff. 8 Nr. 5.2 BBR PHV Verzugszinsen, Vertragsstrafen und die Kosten 16 der Rechtsverfolgung
14
2. 3.
4.
Forderungen aufgrund eines gesetzlichen oder 17 vertraglichen Forderungsübergangs Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass berechtigte Einwendungen oder begründete Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht 18 oder eingelegt wurden 22 Subsidiaritätsklausel
A. Zweck und Rechtsnatur der Forderungsausfallversicherung 1 Die Forderungsausfallversicherung bezieht sich auf Schadensersatzansprüche des VN gegen einen Dritten, der ihm einen Personen- oder Sachschaden zugefügt hat. Für den Fall, dass der schadensersatzpflichtige Dritte nicht in der Lage ist, die (titulierten) Ansprüche des VN zu befriedigen, verspricht der VR Zahlung bis zur Höhe dieser Ansprüche. Der Sache nach handelt es sich bei der Forderungsausfallversicherung nicht um eine Haftpflichtversicherung, sondern um eine Eigenschadenversicherung, die Ähnlichkeiten mit der Kreditversicherung aufweist.1 Abweichend von der Kreditversicherung knüpft der Eintritt des Versicherungsfalles jedoch nicht an die Zahlungsunfähigkeit des Schädigers an, sondern an die Schädigung des VN. Ungeachtet der Zielsetzung, den VN vor der Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des Schädigers zu schützen und die Durchsetzung der Forderung gegen den Schädiger sicherzustellen, ist die Forderungsausfallversicherung deshalb aufsichtsrechtlich nicht der Sparte Kreditversicherung i.S.v. Nr. 14 Anlage 1 zum VAG zuzuordnen, sondern der Sparte „sonstige finanzielle Verluste“ i.S.v. Nr. 16 lit. k) Anlage 1 zum VAG.2 Wollte man das anders sehen, hätte dies aufsichtsrechtlich zur Konsequenz, dass der VR eine Erlaubnis für den Betrieb der Forderungsausfallversicherung beantragen müsste, weil nach § 10 Abs. 4 Satz 2 VAG u.a. die Sparte Kreditversicherung nicht als zusätzliches Risiko von der Erlaubnis zum Betrieb anderer Sparten umfasst wird. 2 Die Forderungsausfalldeckung, die erstmals 2011 Eingang in die Musterbedingungen zur Privathaftpflichtversicherung gefunden hat, ist Gegenstand zahlreicher Urteile gewesen. Diese sind jedoch zu anderen Fassungen ergangen, die von der hier kommentierten Fassung der BBR PHV zum Teil stark abweichen.3 Sie sind deshalb von keiner oder nur eingeschränkter Bedeutung für die Auslegung von Ziff. 8 BBR PHV.
B. Gegenstand der Forderungsausfallversicherung I. Versicherte Forderungen (Ziff. 8 Nr. 1.1 BBR PHV) 3 Versichert sind Ansprüche des VN und der gem. Ziff. 2.1 und 2.2 BBR PHV mitversicherten Personen gegen Dritte, die auf den Ersatz von Personen- und Sachschäden und daraus resultierenden Vermögensschaden gerichtet sind (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 11 ff.). Kein Versicherungsschutz be-
1 Stockmeier AVB PHV A3-5 Rn. 6; Hohlbein zfs 2010 630. 2 Vgl. Stockmeier AVB PHV A3-5 Rn. 6; Hohlbein zfs 2010 630. 3 Vgl. BGH 13.9.2017 – IV ZR 302/16, VersR 2017 1330 (Klausel „Inhalt und Umfang der versicherten Schadensersatzansprüche richten sich nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages“ verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, soweit durch eine berufliche Tätigkeit des Schädigers verursachte Schäden nicht versichert sein sollen); BGH 28.10.2015 – IV ZR 269/14, VersR 2016 41 (Die Voraussetzungen der Klausel „Der VN muss gegen den Dritten einen rechtskräftig gewordenen und vollstreckbaren Titel (Urteil, Koch
570
C. Fälligkeit der Versicherungsleistung (Ziff. 8 Nr. 2 BBR PHV)
Ziff. 8 BBR PHV
steht für Ansprüche gegen Dritte, die auf den Ersatz reiner Vermögensschäden gerichtet sind.4 Abweichend vom Wortlaut von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 wird der Versicherungsfall nicht definiert als „ein während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenes Schadensereignis, das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte“, sondern auf die Schädigung des VN durch den Dritten. Abweichend von Ziff. 1.1 Satz 2 AHB 2016 fehlt auch die Erläuterung, dass das Schadensereignis das Ereignis ist, als dessen Folge die Schädigung unmittelbar entstanden ist. Insoweit besteht bei der Auslegung von Ziff. 8 Nr. 1.2 Satz 1 kein Raum für die vom BGH vorgenommene (und hier abgelehnte) Auslegung (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 4 ff.), dass der Versicherungsfall (Schadensereignis) zeitlich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss.5
II. Versichertes Risiko (Ziff. 8 Nr. 1.2 BBR PHV) Nach Ziff. 8 Nr. 1.2 Satz 1 BBR PHV ist der VR in dem Umfang leistungspflichtig, in dem der 4 schadenersatzpflichtige Dritte Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der Privat-Haftpflichtversicherung des VN hätte. Ziff. 8 Nr. 1.2 Satz 1 BBR PHV fingiert somit das Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung des Schädigers in dem Umfang, wie die Versicherung des VN im Rahmen des Versicherungsvertrages besteht.6 Klarstellend wird in Ziff. 8 Nr. 1.2 Satz 2 BBR PHV bestimmt, dass im Rahmen der Forderungsausfalldeckung für die Person des Schädigers auch die Risikobeschreibungen und Ausschlüsse zur Anwendung kommen, die für den VN gelten. Dies wird in Ziff. 8 Nr. 1.2 Satz 3 BBR PHV am Beispiel eines Schadens verdeutlicht, den der Dritte im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verursacht hat, sowie am Beispiel der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls (Schädigung des VN durch den Dritten). Aufgrund besonderer Vereinbarung können auch Ansprüche aus der Eigenschaft des Schädigers als privater Halter eines Hundes oder Pferdes versichert werden.
C. Fälligkeit der Versicherungsleistung (Ziff. 8 Nr. 2 BBR PHV) Unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“ legt Ziff. 8 Nr. 2 BBR PHV fest, unter welchen 5 Voraussetzungen der Anspruch aus der Forderungsausfallversicherung fällig ist.
Vollstreckungsbescheid, gerichtlicher Vergleich) erwirkt haben. Gleichgestellt ist ein notarielles Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel, aus der hervorgeht, dass sich der Dritte persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft.“ sind auch erfüllt, wenn der Schädiger insolvent und die Schadensersatzforderung des VN zur Insolvenztabelle festgestellt ist.); BGH 13.2.2013 – I V ZR 260/12, VersR 2013 709; OLG Köln 7.6.2016 – 9 U 244/15, RuS 2016 558 (Klausel, wonach der Anspruch des VN trotz Vorliegens aller übrigen Voraussetzungen noch von einem einseitigen Anerkenntnis des VR abhängig ist, stellt eine überraschende Regelung nach § 305 c Abs. 1 BGB dar und höhlt den Vertragszweck aus (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB); Klausel, dass der VN bereits vor Leistung des VR seine Ansprüche an diesen abtreten muss, ist nach § 87 VVG und § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam); OLG Rostock 12.2.2018 – 4 U 100/16, VersR 2018 608 (Klausel, wonach VR nur leistet, wenn ein rechtskräftiger vollstreckbarer Titel gegen den Schadensverursacher im streitigen Verfahren vor einem Gericht im Geltungsbereich der Europäischen Union, der Schweiz, Islands, Norwegens oder Liechtensteins erwirkt wurde, umfasst auch Versäumnisurteil); LG Itzehoe 5.3.2012 – 3 O 125/11, VersR 2013 1436 (Wenn von entstandener Schadensersatzforderung die Rede ist, lässt sich daraus nicht ableiten, dass im Deckungsprozess der Haftungsumfang nachzuprüfen ist. Mit solchem Verständnis einer Forderungsausfallversicherung würde deren Sinn auch konterkariert). 4 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 3. 5 Übersehen von Evers/Hohlbein zfv 2022 44, 47. 6 Vgl. auch BGH 13.9.2017 – IV ZR 302/16, VersR 2017 1330 Rn. 14; OLG Karlsruhe 6.9.2016 – 12 U 84/16, RuS 2016 511; KG 8.3.2016 – 6 U 88/15, VersR 2016 916; OLG Stuttgart 19.7.2012 – 7 U 84/12, VersR 2013 98. 571
Koch
Ziff. 8 BBR PHV
Forderungsausfalldeckung
I. Vollstreckungsfähiger Titel (Ziff. 8 Nr. 2.1 BBR PHV) 6 Die Forderung muss erstens durch ein rechtskräftiges Urteil oder einen vollstreckbaren Vergleich vor einem ordentlichen Gericht in der Bundesrepublik Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein festgestellt worden sein. Anerkenntnis-, Versäumnisurteile und gerichtliche Vergleiche sowie vergleichbare Titel der vorgenannten Länder (z.B. notarielles Schuldanerkenntnis) binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne einen dieser Titel bestanden hätte. Da der VN den Erlass eines Anerkenntnis- oder Versäumnisurteils nicht verhindern kann, ist er in diesen Fällen gezwungen, im Rahmen einer Deckungsklage die Begründetheit seiner Forderung dem Grund und der Höhe nach zu beweisen. 7 Nach Stockmeier soll durch die Beschränkung verhindert werden, dass der schädigende Dritte und der VN im Zusammenwirken die Leistungspflicht des VR begründen können, indem der Dritte den Anspruch „einfach“ anerkennt oder zu dem Gerichtstermin nicht erscheint und deswegen ein Versäumnisurteil ergeht.7 Im Hinblick darauf, dass der VR bei dem Schädiger Regress nehmen kann, besteht jedoch keine Veranlassung für einen pauschalen Verdacht auf womöglich „kollusives“ Zusammenwirken, weil der Dritte selbst einen Nachteil hat.8 Gleichwohl dürfte die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten. Da der VR im Aktivprozess des VN nicht wie im Passivprozess gegen den VN die Verfahrensherrschaft innehat, hat er ein berechtigtes Interesse daran, nur solche Vollstreckungstitel zu akzeptieren, die auf einer Begründetheits- und nicht nur auf einer Schlüssigkeitsprüfung des angerufenen Gerichts beruhen. 8 Der Schiedsspruch steht gem. § 1055 ZPO ebenso wie die Feststellung der Forderungen zur Tabelle gem. § 178 Abs. 3 InsO in seinen Wirkungen einem rechtskräftigen Urteil gleich.9 Das Erfordernis „vor einem ordentlichen Gericht“ bezieht sich nur auf den vollstreckbaren Vergleich, nicht auf das rechtskräfige Urteil, weil letzteres nicht vor, sondern von einem Gericht durch die rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung festgestellt wird.
II. Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des Schädigers (Ziff. 8 Nr. 2.2 BBR PHV) 9 Zweitens muss der schädigende Dritte zahlungs- oder leistungsunfähig sein. Dies ist der Fall, wenn der VN oder eine mitversicherte Person nachweist, dass eine Zwangsvollstreckung entweder nicht zur vollen Befriedigung geführt hat oder aussichtslos erscheint, weil der Dritte in den letzten drei Jahren die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat oder ein gegen den schadenersatzpflichtigen Dritten durchgeführtes Insolvenzverfahren nicht zur vollen Befriedigung geführt hat oder ein solches Verfahren mangels Masse abgelehnt wurde.
III. Abtretung des Schadensersatzanspruchs (Ziff. 8 Nr. 2.3 BBR PHV) 10 Drittens muss der VN oder eine mitversicherte Person an den VR die Ansprüche gegen den schadenersatzpflichtigen Dritten in Höhe der Versicherungsleistung abgetreten und ihm die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils oder Vergleichs ausgehändigt haben. Der VN hat zudem an der Umschreibung des Titels auf den VR mitzuwirken. Dass der VN bereits vor Leistung des VR seine Ansprüche an diesen abtreten muss, weicht von § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG ab und benachteiligt den VN unangemessen. Ziff. 8 Nr. 2.3 BBR PHV ist nach § 87 VVG und § 307 Abs. 2 7 Vgl. Stockmeier AVB PHV A3-5 Rn. 21. 8 Vgl. LG Itzehohe 5.3.2012 – 3 O 125/11, VersR 2013 1436. 9 A.A. bezogen auf den Schiedsspruch Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 5. Koch
572
F. Ausschlüsse (Ziff. 8 Nr. 5 BBR PHV)
Ziff. 8 BBR PHV
Nr. 2 BGB unwirksam.10 Gleiches gilt für die Mitwirkungsobliegenheit des VN. Eine solche besteht nach § 86 Abs. 2 Satz 1 VVG erst nach dem Übergang des Anspruchs gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG. Diesem Zusammenhang trägt das OLG Köln nicht hinreichend Rechnung, soweit es die Klausel für wirksam erachtet, „wenn man sie derart auslegt, dass sie Folgeansprüche und Gegenrechte des VR begründen soll, die der Entstehung und der Fälligkeit des klägerischen Anspruchs nicht entgegenstehen, sondern vom VR geltend gemacht werden und einem Anspruch des VN ggf. im Wege des Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden können“.11
Hinzukommt, dass der Titel auch die Kosten des Rechtsstreits umfasst, der VR jedoch nach 11 Ziff. 8 Nr. 5.2 Spiegelstrich 1 für die Kosten der Rechtsverfolgung keine Entschädigung leistet. Das Abhängigmachen der Leistung von der Abtretung von Ansprüchen für Schäden, die der VR nicht ersetzt, benachteiligt den VN unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Rechtlich nicht nachvollziehbar und haltbar ist die Bewertung von Stockmeier, dass es sich bei der Forderungsausfallversicherung um keine Schadensversicherung (sic!) handele und § 86 VVG deshalb keine Anwendung fände.12
D. Umfang der Forderungsausfalldeckung (Ziff. 8 Nr. 3 BBR PHV) Nach Ziff. 8 Nr. 3.1 BBR PHV besteht Versicherungsschutz bis zur Höhe der titulierten Forderung. 12 Ziff. 8 Nr. 3.2 BBR PHV ist darüber hinaus zu entnehmen, dass die Entschädigungsleistung des VR bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt ist. Daraus folgt, dass die Höhe der titulierten Forderung nur dann das Maß für die Entschädigungsleistung gibt, wenn die Forderung die vereinbarte Versicherungssumme nicht überschreitet. Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt, wie das zum Beispiel bei gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlungen und einer daraus resultierenden gesamtschuldnerischen Haftung der Schädiger der Fall ist.
E. Räumlicher Geltungsbereich (Ziff. 8 Nr. 4 BBR PHV) Abweichend von Ziff. 5.1 (1) BBR PHV besteht Versicherungsschutz nicht weltweit, sondern nur 13 anlässlich von Schadensereignissen, die in einem Mitgliedsstaat der EU oder EFTA (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) eintreten. Diese Abweichung ist nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB.13 Infolge des Ausscheidens Großbritanniens aus der EU besteht bei Versicherungsfällen, die dort eintreten, keine Deckung.
F. Ausschlüsse (Ziff. 8 Nr. 5 BBR PHV) I. Ziff. 8 Nr. 5.1 BBR PHV Ausgeschlossen sind gem. Ziff. 8 Nr. 5.1 BBR PHV Ansprüche, die auf den Ersatz von Schäden an – Kraft-, Kraftfahrzeuganhängern, Luft- und Wasserfahrzeugen, – Immobilien, 10 11 12 13 573
Vgl. OLG Köln 7.6.2016 – 9 U 244/15, RuS 2016 558, 561; Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 7. OLG Köln 7.6.2016 – 9 U 244/15, RuS 2016 558, 561; krit. auch Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 7. Stockmeier AVB PHV A3-5 Rn. 25; wie hier Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 7. Rüffer/Halbach/Schimikowsk/Schimikowski AVB PHV A3-4 Rn. 1. Koch
14
Ziff. 8 BBR PHV
Forderungsausfalldeckung
– –
Tieren, Sachen, die ganz oder teilweise dem Bereich eines Betriebes, Gewerbes, Berufes, Dienstes oder Amtes des VN oder einer mitversicherten Person zuzurechnen sind. Die Ausschlüsse der Spiegelstriche 1 bis 3 dienen der Vermeidung einer Mehrfachversicherung, weil für diese Schäden die Kasko- und Gebäudeversicherung sowie die Tierkrankenversicherung Deckung bietet. Der Ausschluss des Spiegelstrichs 4 ist missverständlich formuliert, da der Begriff der Zurechnung sich auf Kenntnis oder Verhalten und nicht auf Sachen bezieht. Spiegelstrich 4 will Schäden an Sachen vom Versicherungsschutz ausschließen, die der VN nicht in seiner Eigenschaft als Privatperson gebraucht, sondern in Ausübung seines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes. Bei allen Ausschlüssen handelt es sich um qualifizierte Subsidiaritätsabreden.
II. Ziff. 8 Nr. 5.2 BBR PHV 15 Nach Ziff. 8 Nr. 5.2 BBR PHV leistet der VR keine Entschädigung für – Verzugszinsen, Vertragsstrafen und die Kosten der Rechtsverfolgung, – Forderungen aufgrund eines gesetzlichen oder vertraglichen Forderungsübergangs, – Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass berechtigte Einwendungen oder begründete Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurden, – Ansprüche aus Schäden, zu deren Ersatz ein anderer VR (z.B. der Schadensversicherer des VN) oder ein Sozialversicherungsträger oder Sozialleistungsträger Leistungen zu erbringen hat, auch nicht, soweit es sich um Rückgriffs-, Beteiligungsansprüche oder ähnliche von Dritten handelt.
1. Verzugszinsen, Vertragsstrafen und die Kosten der Rechtsverfolgung 16 Der Ausschluss von Kosten der Rechtsverfolgung in Spiegelstrich 1 hält aus mehreren Gründen einer Inhaltskontrolle nicht stand.14 Zum einen verstößt er gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil er den Versicherungsschutz obsolet macht, wenn die Kosten der Rechtsverfolgung höher ausfallen als der Schaden, den der VN erlitten hat.15 Da sich die Kosten der Rechtsverfolgung nicht immer abschätzen lassen, trägt der VN das Risiko der Fehleinschätzung, was eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt. Zum anderen ist dieser Ausschluss intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil er den Umfang der Forderungsausfalldeckung betrifft und deshalb Eingang in Ziff. 8 Nr. 3 BBR PHV hätte finden müssen. Letzteres gilt auch für den Ausschluss von Verzugszinsen, so dass der VR nur für Vertragsstrafen keine Deckung leisten muss.
2. Forderungen aufgrund eines gesetzlichen oder vertraglichen Forderungsübergangs 17 Spiegelstrich 2 betrifft Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht. Im Hinblick darauf, dass die Forderungsausfallversicherung nur Ansprüche deckt, die aus einer Schädigung des VN oder einer mitversicherten Person und somit aus eigenem Recht resultieren, erschließt sich der Anwendungsbereich dieses Ausschlusses nicht.
14 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 10. 15 A.A. Rüffer/Halbach/Schimikowsk/Schimikowski AVB PHV A3-5 Rn. 3. Koch
574
F. Ausschlüsse (Ziff. 8 Nr. 5 BBR PHV)
Ziff. 8 BBR PHV
3. Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass berechtigte Einwendungen oder begründete Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurden Spiegelstrich 3 ist intransparent und schon deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Durch die Passivkonstruktion ist nicht hinreichend klar, ob sich die Klausel auf Einwendungen und Rechtsmittel bezieht, die von Seiten des Geschädigten und/oder seitens des VN nicht erhoben oder eingelegt wurden. Bezöge sie sich auf den VN, begründete sie eine („verhüllte“) Obliegenheit zur Schadensabwendung und -minderung16 und wäre nicht nur wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern auch wegen Abweichung vom Rechtsfolgenregime des § 82 Abs. 3 VVG nach § 87 VVG und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.17 Bezöge sich die Klausel auf den Schädiger, stünde sie im Widerspruch zu Ziff. 2.1 BBR PHV, dem zufolge u.a. Versäumnisurteile gegen den Schädiger den VR nur binden, soweit der Anspruch auch ohne diesen Titel bestanden hätte. Aus Ziff. 2.1 BBR PHV folgt, dass für einen Schadensersatzanspruch, der durch ein Versäumnisurteil festgestellt worden ist, gegen das der Schädiger keinen Einspruch eingelegt hat, im Grundsatz Deckung besteht, wenn der VN (im Deckungsprozess gegen den VR) darlegen und beweisen kann, dass der von ihm geltend gemachte Schadensersatzanspruch tatsächlich besteht. Unklar ist, ob der Begriff der Einwendungen nur rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen erfasst oder auch alle materiell- und verfahrensrechtlichen peremptorischen und dilatorischen Einreden. Unklar ist zudem, was unter dem Begriff Rechtsmittel zu verstehen ist. Fallen darunter nur Rechtsbehelfe, die einen Suspensiv- und Devolutiveffekt auslösen und zugleich unmittelbar auf eine sachliche Korrektur der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtet sind oder auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand? Da Ziff. 8 Nr. 5.2 Spiegelstrich 3 BBR PHV einen Ausschluss begründet, für dessen Voraussetzungen der VR die Beweislast trägt, müsste der VR darlegen und beweisen, dass und in welcher Höhe der titulierte Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger bestanden hätte, wenn der Schädiger seine berechtigten Einwendungen geltend gemacht und die begründeten Rechtsmittel eingelegt hätte.
18
19
20
21
4. Subsidiaritätsklausel Spiegelstrich 4 ist als „einfache“ Subsidiaritätsklausel zu qualifizieren und infolge ihrer Platzie- 22 rung unter der Überschrift „Ausschlüsse“ wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Da die Klausel den Umfang der Forderungsausfalldeckung betrifft, hätte sie Eingang in Ziff. 8 Nr. 3 BBR PHV finden müssen.
16 Vgl. OLG Rostock 12.2.2018 – 4 U 100/16, VersR 2018 608, 609. 17 Zu den Rechtsfolgen bei verhüllten Obliegenheiten Koch VersR 2014 283, 285 ff; ders. FS Fenyves 541 ff.; s. auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch § 28 Rn. 25 ff.; Langheid/Rixecker § 28 Rn. 16; Prölss/Martin/Armbrüster § 28 Rn. 44. 575
Koch
Ziff. 9 BBR PHV
Ziff. 9 Beitrag 1
Zuschlag für Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus der Vermietung von Räumen zu gewerblichen Zwecken und Garagen Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus der Vermietung einer im Inland gelegenen Wohnung (auch Ferienwohnung) Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus der gelegentlichen Vermietung eines im Inland gelegenen Wochenend-/Ferienhauses 2 Besonderer Versicherungsschutz muss beantragt werden, wenn – an einen einzelnen Mieter mehrere Räume vermietet werden: Tarifstruktur VIII Ziff. 2. unter Wahrung des Risikogrundbetrages; – mehr als drei Räume einzeln vermietet werden: Tarifstruktur VIII Ziff. 2.; bei Beherbergung (Fremdenzimmer) Tarifstruktur IV. 3 Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht als Lehrer im Umfang von Tarifstruktur X Ziff. 2.: Beitrag gemäß Tarifstruktur X Ziff. 2.6 1 Ziff. 9 BBR PHV stellt klar, dass bei Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus der Vermietung von Räumen zu gewerblichen Zwecken und Garagen, aus der Vermietung einer im Inland gelegenen Wohnung (auch Ferienwohnung) und aus der gelegentlichen Vermietung eines im Inland gelegenen Wochenend-/Ferienhauses eine erhöhte Prämie zu zahlen ist. Zudem wird geregelt, nach welchen Tarifen in Sonderfällen die Prämie festzusetzen ist.1
1 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 9 Ziff. 9 Rn. 1. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-049
576
Ziff. 10 BBR PHV
Ziff. 10 Zusatzbaustein für Ansprüche aus Benachteiligungen für Privatpersonen
2.
1.1 Der Versicherungsschutz richtet sich nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), den Bestimmungen der MusterTarifstruktur IX und den nachfolgenden Vereinbarungen. 1.2 1Der VR bietet dem VN und den mitversicherten Personen – abweichend von Ziff. 7.17 AHB – Versicherungsschutz für den Fall, dass der VN oder mitversicherte Personen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen Benachteiligungen aus den in Ziff. 1.3 genannten Gründen für einen Personen-, Sach- oder Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. 2 Für den VN besteht Versicherungsschutz als Dienstherr der in seinem Privathaushalt oder sonstigen privaten Lebensbereich beschäftigten Personen. 3Beschäftigte Personen sind auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Person, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. 4 Mitversicherte Personen sind die in Ziff. 2.1 und 2.2 der Muster-Tarifstruktur IX genannten Personen 1.3 Gründe für eine Benachteiligung sind die Rasse, die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion, die Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität. Versicherungsfall/Zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes 2.1 1Versicherungsfall ist – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den VN oder eine mitversicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrages. 2Im Sinne dieses Vertrages ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen den VN oder eine mitversicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter dem VN oder einer mitversicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen den VN oder eine mitversicherte Person zu haben. 2.2 1Die Anspruchserhebung sowie die zugrunde liegende Benachteiligung müssen während der Wirksamkeit der Versicherung erfolgt sein. 2Wird eine Benachteiligung durch fahrlässige Unterlassung verursacht, gilt sie im Zweifel als an dem Tag begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. 2.3 Rückwärtsversicherung für vorvertragliche Benachteiligungen Zusätzlich besteht auch Versicherungsschutz für Benachteiligungen, die innerhalb eines Zeitraums von … Jahren vor Vertragsbeginn begangen wurden. 2.4 Nachmeldefrist für Anspruchserhebung nach Vertragsbeendigung Der Versicherungsschutz umfasst auch solche Anspruchserhebungen, die auf Benachteiligungen beruhen, die bis zur Beendigung des Versicherungsvertrages begangen und innerhalb eines Zeitraumes von … Jahren nach Beendigung des Versicherungsvertrages erhoben und dem VR gemeldet worden sind. 2.5 Meldung von Umständen 1 Der VN und die versicherten Personen haben die Möglichkeit, dem VR während der Laufzeit des Vertrages konkrete Umstände zu melden, die eine Inanspruchnahme des VN und/oder der versicherten Person hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. 2 Im Fall einer tatsächlich späteren Inanspruchnahme, die aufgrund eines gemeldeten Umstandes spätestens innerhalb einer Frist von … Jahren erfolgen muss, gilt die Inanspruchnahme als zu dem Zeitpunkt der Meldung der Umstände erfolgt.
577 https://doi.org/10.1515/9783110522686-050
Koch
Ziff. 10 BBR PHV
3.
4.
Ansprüche aus Benachteiligungen
Versicherungsumfang 3.1 Für den Umfang der Leistung des VR ist die im Versicherungsschein angegebene Versicherungssumme der Höchstbetrag für jeden Versicherungsfall und für alle während eines Versicherungsjahres eingetretenen Versicherungsfälle zusammen. 3.2 In jedem Versicherungsfall beteiligt sich der VN mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt). Ausschlüsse Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche 4.1 gegen den VN und/oder die mitversicherten Personen, soweit sie den Schaden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung herbeigeführt haben; dem VN und/oder den mitversicherten Personen werden die Handlungen oder Unterlassungen nicht zugerechnet, die ohne ihr Wissen begangen worden sind; 4.2 die von den mitversicherten Personen gemäß Ziff. 1.2 geltend gemacht werden; 4.3 – teilweise abweichend von Ziff. 5.1 der Muster-Tarifstruktur IX – – welche vor Gerichten außerhalb Deutschlands geltend gemacht werden – dies gilt auch im Falle der Vollstreckung von Urteilen, die außerhalb Deutschlands gefällt wurden –; – wegen Verletzung oder Nichtbeachtung des Rechts ausländischer Staaten; 4.4 auf Entschädigung und/oder Schadenersatz mit Strafcharakter; hierunter fallen auch Strafen, Buß- und Ordnungs- oder Zwangsgelder, die gegen den VN oder die mitversicherten Personen verhängt worden sind; 4.5 wegen Gehalt, rückwirkenden Lohnzahlungen, Pensionen, Renten, Ruhegeldern, betrieblicher Altersversorgung, Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und Sozialplänen sowie Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Gegenstand der Versicherung
I.
Versicherte Risiken und Gefahren (Ziff. 10 Nr. 1.1 bis 1.3 BBR PHV) 3 Versichertes Risiko Versicherte Gefahren 5 a) AGG-widrige Benachteiligung 6 aa) Benachteiligung 8 bb) Rasse und ethnische Herkunft 9 cc) Geschlecht dd) Religion oder Weltanschau10 ung 11 ee) Behinderung 12 ff) Alter 13 gg) Sexuelle Identität b) Inanspruchnahme auf Schadenser14 satz c) Personen-, Sach- und Vermögensschä15 den
1. 2.
Koch
C.
Zeitlicher Umfang des Versicherungsschutzes (Ziff. 10 Nr. 2 BBR PHV)
I.
Versicherungsfall (Ziff. 10 Nr. 2.1 und 2.2 BBR 16 PHV)
II.
Rückwärtsdeckung für vorvertragliche Benach18 teiligungen (Ziff. 10 Nr. 2.3 BBR PHV)
III.
Nachmeldefrist für Anspruchserhebung nach Vertragsbeendigung (Ziff. 10 Nr. 2.4 BBR 19 PHV)
IV.
Meldung von Umständen (Ziff. 10 Nr. 2.5 BBR 20 PHV)
D.
Versicherungsumfang (Ziff. 10 Nr. 3 BBR 21 PHV)
E.
Ausschlüsse (Ziff. 10 Nr. 4 BBR PHV)
22
578
B. Gegenstand der Versicherung
Ziff. 10 BBR PHV
I.
Wissentliche Pflichtverletzung (Ziff. 10 Nr. 4.1 23 BBR PHV)
IV.
Entschädigung und/oder Schadenersatz mit 27 Strafcharakter (Ziff. 10 Nr. 4.4 BBR PHV)
II.
Ansprüche von mitversicherten Personen 25 (Ziff. 10 Nr. 4.2 BBR PHV)
V.
Vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis/Arbeitsunfälle (Ziff. 10 Nr. 4.5 BBR 28 PHV)
III.
Ausland (Ziff. 10 Nr. 4.3 BBR PHV)
26
A. Inhalt und Zweck Nach Ziff. 7.17 AHB 2016 besteht kein Versicherungsschutz für Haftpflichtansprüche wegen 1 Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen. Diese Deckungslücke schließt der Zusatzbaustein für Ansprüche wegen Schäden aus Benachteiligung aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Ziff. 10 BBR PHV knüpft insoweit an die Benachteiligungsmerkmale in § 1 AGG an. Ziff. 10 Nr. 1.1–1.3 BBR PHV beschreiben den Gegenstand der Versicherung, Ziff. 10 Nr. 2 BBR PHV legt den Versicherungsfall, Ziff. 10 Nr. 3 BBR PHV den Versicherungsumfang (Jahreshöchstersatzleistung, Selbstbehalt) und Ziff. 10 Nr. 4 BBR PHV die Ausschlüsse fest. Zu beachten ist, dass der Ausschluss von Haftpflichtansprüchen wegen Schäden aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Ziff. 7.16 AHB 2016 durch den Zusatzbaustein unberührt bleibt, was insoweit verwundert, als ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot regelmäßig mit einer Persönlichkeitsrechtsverletzung beim Diskriminierungsopfer einhergeht.1 Der daraus resultierende Konflikt zwischen Ziff. 7.16 AHB 2016 und dem AGG-Zusatzbaustein ist im Hinblick auf den Vorrang besonderer gegenüber allgemeinen Regelungen zugunsten des VN dahingehend aufzulösen, dass der Ausschluss von Ansprüchen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen keine Anwendung findet auf Ansprüche, die wegen Vorliegens eines Benachteiligungsmerkmals des AGG geltend gemacht werden.2 Sog. Mobbing, das nicht auf die genannten Benachteiligungsgründe zurückgeführt werden 2 kann, ist nicht nach dem Zusatzbaustein versichert.3 Führt das Mobbing bei dem Opfer zu einer psychischen Beeinträchtigung, besteht Versicherungsschutz für den VN (Täter) nach Maßgabe der AHB 2016 (vgl. Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 15).
B. Gegenstand der Versicherung I. Versicherte Risiken und Gefahren (Ziff. 10 Nr. 1.1 bis 1.3 BBR PHV) 1. Versichertes Risiko Gem. Ziff. 10 Nr. 1.2 Satz 2 BBR PHV besteht für den VN Versicherungsschutz in seiner Eigen- 3 schaft als Dienstherr der in seinem Privathaushalt oder sonstigen privaten Lebensbereich beschäftigten Personen. Beschäftigte Personen sind auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Person, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Der Zusatzbaustein bietet somit Deckung für den Fall, dass VN oder versicherte Personen wegen einer AGG-widrigen Benachteiligung, die im Zusammenhang mit der Anbahnung, Durchfüh1 BeckOGK/Mörsdorf 1.3.2021 AGG § 21 Rn. 59. 2 A.A. Stockmeier AVB PHV A1-6.17 Rn. 3: Schäden aus Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen sind immer ausgeschlossen, auch wenn der VN die Ansprüche aus Benachteiligungen fakultativ mitversichert hat.
3 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 1. 579
Koch
Ziff. 10 BBR PHV
Ansprüche aus Benachteiligungen
rung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses steht, auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Ansprüche wegen einer Benachteiligung im allgemeinen Zivilrechtsverkehr außerhalb von Beschäftigungsverhältnissen bleiben unversichert.4 Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen einer der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligt werden. Unerheblich ist, worauf der Geschädigte seinen Anspruch stützt. 4 Nicht ausdrücklich erwähnt werden mitversicherte Personen i.S.v. Ziff. 2 BBR PHV. Im Hinblick darauf, dass der VR ihnen gem. Ziff. 10 Nr. 1.2 Satz 1 BBR PHV Versicherungsschutz verspricht, wenn sie wegen Benachteiligungen aufgrund Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität für einen Personen-, Sach- oder Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, besteht auch bei ihnen Deckung, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Dienstherr der in ihrem Privathaushalt oder sonstigen privaten Lebensbereich beschäftigten Personen in Anspruch genommen werden.
2. Versicherte Gefahren 5 a) AGG-widrige Benachteiligung. Die allein versicherten Gründe für die Benachteiligung (Ziff. 10 Nr. 1.3 BBR PHV) entsprechen denen in § 1 AGG. Für die Bestimmung des Begriffs der Benachteiligung kann deshalb auf § 3 AGG und für die Auslegung der Diskriminierungsmerkmale (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) auf § 1 AGG sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
6 aa) Benachteiligung. Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss.5 Unerheblich ist, ob die Anknüpfung verdeckt oder offen erfolgt. Die Benachteiligung kann statt in einem aktiven Tun auch in einem Unterlassen liegen, wobei eine Benachteiligung durch Unterlassen nicht voraussetzt, dass eine Handlungspflicht besteht. Eine Benachteiligung durch Unterlassen kommt in Betracht, wenn ein Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nicht verlängert.6 7 Eine mittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
8 bb) Rasse und ethnische Herkunft. Ausweislich der Begründung des AGG-Gesetzesentwurfs ist das Merkmal der ethnischen Herkunft – wie auch das der Rasse – in einem umfassenden Sinn zu verstehen, denn es soll einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierten Benachteiligungen gewährleisten. Es umfasst auch Kriterien wie Hautfarbe, Abstammung, nationaler Ursprung oder Volkstum.7 Unter einer ethnischen Gruppierung können Bevölkerungsteile
4 5 6 7
Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 1; Stockmeier AVB PHV A1-6.17 Rn. 15. Vgl. BAG 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012 1345, 1347. Vgl. BAG 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012 1345, 1347. Vgl. BTDrucks. 16/1780 S. 31.
Koch
580
B. Gegenstand der Versicherung
Ziff. 10 BBR PHV
verstanden werden, die durch gemeinsame Herkunft, eine lange gemeinsame Geschichte, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden sind.8
cc) Geschlecht. Das Geschlecht beschreibt im Ausgang die biologische Zuordnung des Men- 9 schen zum männlichen oder weiblichen Geschlecht. Daneben ist die Intersexualität als „drittes Geschlecht“ anerkannt (§ 22 Abs. 3 PStG).
dd) Religion oder Weltanschauung. Unter Religion oder Weltanschauung ist eine mit der 10 Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen; dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende („transzendente“) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente”) Bezüge beschränkt.9
ee) Behinderung. Da der Begriff der Behinderung auf der RL 2000/78/EG10 beruht, ist er unions- 11 rechtsautonom unter Beachtung völkerrechtlicher Vorgaben – UN-Behindertenrechtskonvention – auszulegen.11 Der Begriff „Behinderung“ ist daher so zu verstehen, dass er eine Einschränkung erfasst, die u.a. auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die den Betreffenden in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können.12
ff) Alter. „Alter“ meint Lebensalter und schützt nach der Auffassung des Gesetzgebers gegen jede 12 ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung, die an das konkrete Lebensalter anknüpft.13 gg) Sexuelle Identität. Ausweislich der Gesetzesbegründung werden von der „sexuellen Iden- 13 tität“ homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen erfasst.14 Demgegenüber kennt das Unionsrecht den Begriff der sexuellen Identität nicht, sondern spricht in Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2000/78/EG15 von der „sexuellen Ausrichtung“ und ordnet die Transsexualität dem Begriff „Geschlecht“ zu. In unionsrechtskonformer Auslegung des § 1 AGG wird die Transsexualität demnach sowohl vom Grund „Geschlecht“ als auch vom Grund „sexuelle Identität“ umfasst.16 b) Inanspruchnahme auf Schadensersatz. Versicherungsschutz besteht, wenn der VN we- 14 gen einer AGG-widrigen Benachteiligung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
8 Vgl. BAG 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012 1345, 1347. 9 BVerwG 27.3.1992 – 7 C 21/90, NJW 1992 2496, 2497. 10 Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf v. 27.11.2000, ABl. EG L 303/16 v. 2.12.2000. EuGH 18.1.2018 – C-270/16, NZA 2018 159; EuGH 1.12.2016 – C-395/15, BeckRS 2016 82858. EuGH 11.9.2019 – C-397/18, BeckRS 2019 20658; EuGH 1.12.2016 – C-395/15, BeckRS 2016 82858. BTDrucks. 16/1780 S. 31. BTDrucks. 16/1780 S. 31. Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf v. 27.11.2000, ABl. EG L 303/16 v. 2.12.2000. 16 BAG 17.12.2015 – 8 AZR 421/14, NZA 2016 888 Rn. 31.
11 12 13 14 15
581
Koch
Ziff. 10 BBR PHV
Ansprüche aus Benachteiligungen
Neben Ansprüchen auf Schadensersatz aus § 15 Abs. 1 AGG können sich Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB, für Bewerbungssituationen auch aus § 311 Abs. 2 BGB (vgl. § 7 Abs. 3 AGG), deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung eines Schutzgesetzes oder § 826 BGB ergeben.17 Kündigt der Geschädigte, kann ein Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB folgen. Bei Verletzungshandlungen von Kollegen und Dritten kann eine Zurechnung über §§ 278, 31 BGB erfolgen, unter den Voraussetzungen des § 831 BGB kommt auch eine Haftung für Verrichtungsgehilfen in Betracht.18 Ebenso wie im Rahmen von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 besteht Deckung für einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 (ggf. analog) BGB.19
15 c) Personen-, Sach- und Vermögensschäden. Abweichend von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 wird auch Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen eines Vermögensschadens gewährt. Die AGG-widrigen Benachteiligungen müssen also keinen Personenoder Sachschaden bei dem von der Benachteiligung Betroffenen verursachen.
C. Zeitlicher Umfang des Versicherungsschutzes (Ziff. 10 Nr. 2 BBR PHV) I. Versicherungsfall (Ziff. 10 Nr. 2.1 und 2.2 BBR PHV) 16 Abweichend von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 basiert die Deckung nach dem AGG-Zusatzbaustein nicht auf dem Schadensereignisprinzip, sondern auf dem Claims-Made-Prinzip, d.h., der Versicherungsfall tritt ein mit der erstmaligen Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den VN oder eine mitversicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrages (Ziff. 10 Nr. 2.1 Satz 1 BBR PHV). Ergänzend bestimmt Ziff. 10 Nr. 2.1 Satz 2 BBR PHV, dass Geltendmachung vorliegt, wenn gegen den VN oder eine mitversicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter dem VN oder einer mitversicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen den VN oder eine mitversicherte Person zu haben. 17 Nach Ziff. 10 Nr. 2.2 Satz 1 BBR PHV müssen sowohl die Anspruchserhebung sowie die zugrunde liegende Benachteiligung „während der Wirksamkeit der Versicherung“ erfolgt sein. Mit dieser Formulierung ist nichts anderes gemeint als „während der Dauer des Versicherungsvertrages“ i.S.v. Ziff. 10 Nr. 2.1 Satz 1 BBR PHV oder „Laufzeit des Vertrages“ i.S.v. Ziff. 10 Nr. 2.5 BBR PHV. Hier sollte bei der nächsten Überarbeitung der Musterbedingungen eine Vereinheitlichung der Terminologie erfolgen.
II. Rückwärtsdeckung für vorvertragliche Benachteiligungen (Ziff. 10 Nr. 2.3 BBR PHV) 18 Der Begriff der Rückwärtsversicherung in der Überschrift von Ziff. 10 Nr. 2.3 BBR PHV ist ungenau. Eine Rückwärtsversicherung ist zwar begrifflich nicht ausgeschlossen, scheitert jedoch an § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG, da der VN Kenntnis vom Versicherungsfall hat. Gemeint ist eine Rückwärtsdeckung für Benachteiligungen, die vor Vertragsbeginn begangen, aber erst nach Vertragsbeginn geltend gemacht worden sind. Für eine solche Rückwärtsdeckung besteht ein besonderes Bedürfnis, weil zwischen der Benachteiligung und der Inanspruchnahme Jahre liegen können. Es fehlt in Ziff. 10 Nr. 2.3 BBR PHV die ansonsten übliche Beschränkung darauf, dass für vor Vertragsschluss begangene Pflichtverletzungen nur dann Versicherungsschutz besteht, 17 BeckOGK/Benecke 1.3.2021 AGG § 15 Rn. 103. 18 BeckOGK/Benecke 1.3.2021 AGG § 15 Rn. 104. 19 Stockmeier AVB PHV A1-6.17 Rn. 15. Koch
582
E. Ausschlüsse (Ziff. 10 Nr. 4 BBR PHV)
Ziff. 10 BBR PHV
wenn und soweit der VN bei Stellung des Antrags oder Abschluss des Vertrages keine positive Kenntnis von der Pflichtverletzung hatte. In A1-6.17.3 lit. b) AVB PHV ist die Beschränkung nunmehr enthalten.
III. Nachmeldefrist für Anspruchserhebung nach Vertragsbeendigung (Ziff. 10 Nr. 2.4 BBR PHV) Ziff. 10 Nr. 2.3 BBR PHV wird ergänzt durch die Möglichkeit zur Vereinbarung einer Nachmelde- 19 frist für Anspruchserhebung nach Vertragsbeendigung gem. Ziff. 10 Nr. 2.4 BBR PHV, innerhalb derer Ansprüche wegen Benachteiligungen, die bis zur Vertragsbeendigung begangen wurden, geltend gemacht werden können.
IV. Meldung von Umständen (Ziff. 10 Nr. 2.5 BBR PHV) Der VN hat zudem die Möglichkeit, dem VR während der Laufzeit des Vertrages konkrete Um- 20 stände zu melden, die seine Inanspruchnahme und/oder die einer versicherten Person hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. Im Fall einer tatsächlich späteren Inanspruchnahme, die aufgrund eines gemeldeten Umstandes spätestens innerhalb einer zu vereinbarenden Frist erfolgen muss, gilt die Inanspruchnahme als zu dem Zeitpunkt der Meldung der Umstände erfolgt. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit der Rückwärtsdeckung und der Nachmeldefrist. Sie hat für die versicherte Person gegenüber der Einräumung einer Nachmeldefrist den Vorteil, dass sie nicht zuwarten muss, bis Ansprüche gegen sie erhoben werden.
D. Versicherungsumfang (Ziff. 10 Nr. 3 BBR PHV) Die Leistung des VR ist auch bei mehreren Versicherungsfällen innerhalb eines Versicherungs- 21 jahres auf die Versicherungssumme beschränkt. Eine Maximierung ist abweichend von Ziff. 6.2 AHB 2016 nicht vorgesehen.
E. Ausschlüsse (Ziff. 10 Nr. 4 BBR PHV) Ziff. 10 Nr. 4 BBR PHV enthält einen Katalog von Ausschlüssen, der – wie Lücke völlig zu Recht 22 bemerkt – geeignet ist, beim VN den Eindruck zu erwecken, dass es sich um eine eigenständige, abschließende Regelung des AGG-Zusatzbausteins handelt, so dass ungeachtet des Hinweises auf die AHB in Ziff. 10 Nr. 1.1 BBR PHV ein Rückgriff auf Ziff. 7 AHB 2016 fraglich ist.20
I. Wissentliche Pflichtverletzung (Ziff. 10 Nr. 4.1 BBR PHV) Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche gegen den VN und/oder die mitversicherten Perso- 23 nen, soweit sie den Schaden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung herbeigeführt haben. Im Hinblick auf die Schulungspflicht des VN nach § 12 Abs. 1 AGG dürfte bei einer unge- 24 rechtfertigten Benachteiligung in der Regel eine wissentliche Pflichtverletzung entweder in der Person des VN oder in der des Verletzers vorliegen. Hat der VN seine Beschäftigten geschult, so 20 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 5. 583
Koch
Ziff. 10 BBR PHV
Ansprüche aus Benachteiligungen
begehen diese die Benachteiligung wissentlich. Sind der VN oder die an seine Stelle tretenden gesetzlichen Vertreter oder die von ihm/ihnen beauftragten (leitenden) Angestellten ihrer Schulungspflicht nicht nachgekommen, so haben sie ihre Pflichten vorsätzlich verletzt. Da sich der VN sowohl das Verhalten seiner gesetzlichen Vertreter als auch seiner Repräsentanten versicherungsrechtlich zurechnen lassen muss, besteht deshalb in erhöhtem Maß die Gefahr, dass er keinen Versicherungsschutz erhält. Deshalb sieht Ziff. 10 Nr. 4.1 letzter Halbs. BBR PHV vor, dass weder dem VN noch den mitversicherten Personen die Handlungen oder Unterlassungen zugerechnet werden, die ohne ihr Wissen begangen worden sind. Die Grundsätze der Repräsentantenhaftung finden keine Anwendung.21
II. Ansprüche von mitversicherten Personen (Ziff. 10 Nr. 4.2 BBR PHV) 25 Ziff. 10 Nr. 4.2 BBR PHV schließt Ansprüche der Mitversicherten gegen den VN über Ziff. 7.5 AHB 2016 hinausgehend ausnahmslos aus.22
III. Ausland (Ziff. 10 Nr. 4.3 BBR PHV) 26 Ziff. 10 Nr. 4.3 BBR PHV schließt Haftpflichtansprüche aus, welche vor Gerichten außerhalb Deutschlands geltend gemacht werden – dies gilt auch im Falle der Vollstreckung von Urteilen, die außerhalb Deutschlands gefällt wurden – und wegen Verletzung oder Nichtbeachtung des Rechts ausländischer Staaten. Die Zuständigkeit ausländischer Gerichte kann sich aus dem nationalen Prozessrecht des angerufenen Gerichts (lex fori) ergeben, im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO bestimmt sich die Zuständigkeit nach Art. 21 Brüssel Ia-VO. Der Ausschluss von Haftpflichtansprüchen wegen Verletzung oder Nichtbeachtung des Rechts ausländischer Staaten findet keine Anwendung, soweit es sich um das Recht eines Mitgliedstaats der EU handelt, das auf den Vorgaben europäischer Richtlinien beruht. Handelt es sich nicht um das Recht eines Mitgliedstaats der EU oder schießt das anwendbare nationale Recht über die Richtlinienvorgaben hinaus, kommt der Ausschluss zum Tragen, wenn dieses Recht über die Sonderanknüpfung gem. Art. 9 Rom I-VO zur Anwendung berufen ist.
IV. Entschädigung und/oder Schadenersatz mit Strafcharakter (Ziff. 10 Nr. 4.4 BBR PHV) 27 Nach Ziff. 10 Nr. 4.4 BBR PHV besteht kein Versicherungsschutz für Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadenersatz mit Strafcharakter. Beispielhaft werden Strafen, Buß- und Ordnungs- oder Zwangsgelder aufgeführt, die gegen den VN oder die mitversicherten Personen verhängt worden sind. Da diese beispielhaft genannten Sanktionen nicht auf den Ausgleich für erlittene Nachteile gerichtet sind, sind sie nicht i.S.v. Ziff. 10 Nr. 1.2 BBR PHV auf Schadensersatz gerichtet. Es handelt sich um keine Haftpflichtansprüche. Für sie besteht von vornherein keine Deckung. In dem Umfang, in dem Ansprüche auf Strafschadensersatz (z.B. „punitive damages“) auch dem Ausgleich des erlittenenen (immateriellen) Schadens dienen, besteht dagegen Deckung (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 50). Ziff. 10 Nr. 4.4 BBR PHV greift nicht ein.
21 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 5. 22 Prölss/Martin/Lücke MB PHV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 6. Koch
584
E. Ausschlüsse (Ziff. 10 Nr. 4 BBR PHV)
Ziff. 10 BBR PHV
V. Vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis/Arbeitsunfälle (Ziff. 10 Nr. 4.5 BBR PHV) Ziff. 10 Nr. 4.5 BBR PHV schließt vom Versicherungsschutz aus Haftpflichtansprüche wegen Ge- 28 halt, rückwirkenden Lohnzahlungen, Pensionen, Renten, Ruhegeldern, betrieblicher Altersversorgung, Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und Sozialplänen sowie Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. Welchen Sinn dieser Ausschluss hat, wird nicht klar. Bei Ansprüchen, die auf Gehalt etc. gerichtet sind, handelt es sich um keine Haftpflichtansprüche. Für Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN handelt, besteht in der Privathaftpflichtversicherung gem. Ziff. 1 Nr. 1 BBR PHV von vornherein keine Deckung.
585
Koch
B. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (AVB PHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Mai 2020)
Inhaltsverzeichnis Hinweise [des Musterbedingungsgebers] zum Aufbau und zur Anwendung Vorbemerkung Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (Versicherungsnehmer und mitversicherten Personen) A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des Versicherers A1-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) A1-6 Besondere Regelungen für einzelne private Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) A1-6.1 Familie und Haushalt A1-6.2 Ehrenamtliche Tätigkeit, Freiwilligentätigkeit A1-6.3 Haus- und Grundbesitz A1-6.4 Allgemeines Umweltrisiko A1-6.5 Abwässer A1-6.6 Schäden an gemieteten Sachen (Mietsachschäden) A1-6.7 Sportausübung A1-6.8 Waffen und Munition A1-6.9 Tiere A1-6.10 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A1-6.11 Gebrauch von Luftfahrzeugen A1-6.12 Gebrauch von Wasserfahrzeugen A1-6.13 Gebrauch von Modellfahrzeugen A1-6.14 Schäden im Ausland A1-6.15 Vermögensschäden A1-6.16 Übertragung elektronischer Daten A1-6.17 Ansprüche aus Benachteiligungen A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander A1-7.4 Schadenfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers und von wirtschaftlich verbundenen Personen A1-7.5 Leasing, Pacht, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A1-7.7 Asbest A1-7.8 Gentechnik A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierung Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-051
586
Inhaltsverzeichnis
AVB PHV
A1-7.11 Übertragung von Krankheiten A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen A1-7.13 Strahlen A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A1-7.15 Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung A1-7.16 Verantwortliche Betätigung in Vereinigung aller Art A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) A1-9 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A1-10 Fortsetzung der Privathaftpflichtversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers Abschnitt A2 – Besondere Umweltrisiken A2-1 Gewässerschäden A2-2 Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG) Abschnitt A3 – Forderungsausfallrisiko A3-1 Gegenstand der Forderungsausfalldeckung A3-2 Leistungsvoraussetzungen A3-3 Umfang der Forderungsausfalldeckung A3-4 Räumlicher Geltungsbereich A3-5 Besondere Ausschlüsse für das Forderungsausfallrisiko Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-1 Abtretungsverbot A(GB)-2 Veränderungen des versicherten Risikos und Auswirkung auf den Beitrag (Beitragsregulierung) A(GB)-3 Beitragsangleichung und Kündigungsrecht nach Beitragsangleichung A(GB)-4 Schiedsgerichtsvereinbarungen (gilt nicht für private Haftpflichtrisiken) Teil B Allgemeiner Teil (zur spartenübergreifenden Verwendung geeignet) Abschnitt B1 – Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-1 Beginn des Versicherungsschutzes B1-2 Beitragszahlung, Versicherungsperiode B1-3 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags, Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung B1-4 Folgebeitrag B1-5 Lastschriftverfahren B1-6 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Abschnitt B2 – Dauer und Ende des Vertrags/Kündigung B2-1 Dauer und Ende des Vertrags B2-2 Kündigung nach Versicherungsfall B2-3 Veräußerung und deren Rechtsfolgen Abschnitt B3 – Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten B3-1 Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers oder seines Vertreters bis zum Vertragsschluss B3-2 Gefahrerhöhung (gilt nur für die Sachversicherung) B3-3 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Abschnitt B4 – Weitere Regelungen B4-1 Mehrere Versicherer, Mehrfachversicherung B4-2 Erklärungen und Anzeigen, Anschriftenänderung B4-3 Vollmacht des Versicherungsvertreters B4-4 Verjährung B4-5 Örtlich zuständiges Gericht B4-6 Anzuwendendes Recht B4-7 Embargobestimmung
587
Koch
AVB PHV
Vorbemerkung
Hinweise [des Musterbedingungsgebers] zum Aufbau und zur Anwendung Teil A enthält Regelungen zur Ausgestaltung des Versicherungsschutzes in der Haftpflichtversicherung. – Abschnitt A1 gilt für die allgemeinen und besonderen privaten Risiken (Privathaftpflichtrisiken) – Abschnitt A2 gilt für Gewässerschäden und Schäden nach Umweltschadengesetz (besondere Umweltrisiken). Falls besonders vereinbart: – Abschnitt A3 gilt für Forderungsausfallrisiken. Die gemeinsamen Bestimmungen zu Teil A enthalten Regelungen zum Abtretungsverbot, zur Beitragsregulierung, zur Beitragsangleichung und zu Schiedsgerichtsvereinbarungen. Teil B enthält Regelungen über allgemeine Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. – Abschnitt B1 regelt Beginn des Versicherungsschutzes und Beitragszahlung. – Abschnitt B2 regelt Dauer und Ende des Vertrags/Kündigung. – Die Abschnitte B3 und B4 enthalten Obliegenheiten des VN und weitere Bestimmungen. Maßgeblich für den Versicherungsschutz sind der gesamte Bedingungstext, der Versicherungsschein und seine Nachträge.
Vorbemerkung 1 Zur Stukturreform der Musterbedingungen s. Vorbemerkung BBR PHV Rn. 1. Bei der nachstehenden Kommentierung geht es vor allem darum aufzuzeigen, ob sich der Versicherungsschutz auf Grundlage der AVB PHV im Vergleich zu den BBR PHV (Tarifstruktur IX – Privathaftpflicht) für den VN verändert, d.h. verbessert oder verschlechtert hat. Zu diesem Zweck werden die AVB PHV und die BBR PHV synoptisch gegenübergestellt. Bei der Gegenüberstellung wird deutlich werden, dass die Gliederungssystematik der AVB PHV nicht unbedingt zum besseren Verständnis des Versicherungsschutzes beiträgt.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-052
588
A1-1 AVB PHV
Teil A A1 Privathaftpflichtrisiko A1-1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens als – Privatperson und – nicht aus den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes.
1
Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachstehenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes. 2 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus (1) einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (2) oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung.
Abschnitt A1 betrifft das Privathaftpflichtrisiko. Infolge der Integration der AHB in die AVB PHV 1 ist die Bezugnahme auf die AHB in A1-1 AVB PHV obsolet geworden. Ansonsten ist A1-1 AVB PHV identisch mit Ziff. 1 Satz 1 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Die Gefahren einer „verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art“ und der „ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung“, die von der Rechtsprechung als Ausschluss qualifiziert worden sind, haben (deshalb) Eingang in den Ausschlusskatalog der AVB PHV gefunden (A1-7.15 und A1-7.16 AVB PHV).
589 https://doi.org/10.1515/9783110522686-055
Koch
A1-2 AVB PHV
A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen)
Ziff. 2 BBR PHV
A1-2.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht A1-2.1.1 des Ehegatten und des eingetragenen Lebenspartners des VN, A1-2.1.2 1ihrer unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder), bei volljährigen Kindern jedoch nur, solange sie sich noch in einer Schul- oder sich unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befinden (berufliche Erstausbildung -Lehre und/oder Studium, auch Bachelor- und unmittelbar angeschlossener Masterstudiengang –, nicht Referendarzeit, Fortbildungsmaßnahmen und dgl.). 2Bei Ableistung des Grundwehrdienstes, des freiwilligen Wehrdienstes, des Bundesfreiwilligendienstes oder des freiwilligen sozialen Jahres vor, während oder im Anschluss an die Berufsausbildung bleibt der Versicherungsschutz bestehen, A1-2.1.3 der in häuslicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder) mit geistiger Behinderung, Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A1-2.1.4 des in häuslicher Gemeinschaft mit dem VN lebenden Partners einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft und dessen Kinder, diese entsprechend A1-2.1.2 und A1-2.1.3: – Der VN und der mitversicherte Partner müssen unverheiratet sein. – Der mitversicherte Partner muss im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen namentlich benannt werden. – Haftpflichtansprüche des Partners und dessen Kinder gegen den VN sind ausgeschlossen. – Die Mitversicherung für den Partner und dessen Kinder, die nicht auch die Kinder des VN sind, endet mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zwischen dem VN und dem Partner. – Im Falle des Todes des VN gilt für den überlebenden Partner und dessen Kinder A1-10 sinngemäß.
2. Mitversichert ist 2.1 1die gleichartige gesetzliche Haftpflicht (1) des Ehegatten und eingetragenen Lebenspartners* des VN, (2) ihrer unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft* lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder), bei volljährigen Kindern jedoch nur, solange sie sich noch in einer Schul- oder sich unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befinden (berufliche Erstausbildung Lehre und/oder Studium, auch Bachelor- und unmittelbar angeschlossener Masterstudiengang –, nicht Referendarzeit, Fortbildungsmaßnahmen und dgl.). 2Bei Ableistung des Grundwehrdienstes, des freiwilligen Wehrdienstes, des Bundesfreiwilligendienstes oder des freiwilligen sozialen Jahres vor, während oder im Anschluss an die Berufsausbildung bleibt der Versicherungsschutz bestehen, (3) der in häuslicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft* lebenden Kinder (auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder) mit geistiger Behinderung; 2.2 im Falle ausdrücklicher Vereinbarung gemäß den nachfolgenden Voraussetzungen der in häuslicher Gemeinschaft mit dem VN lebende Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und dessen Kinder, diese entsprechend Ziff. 2.1 (2) und (3): – Der VN und der mitversicherte Partner müssen unverheiratet sein. – Der mitversicherte Partner muss in der Police namentlich benannt werden. – Haftpflichtansprüche des Partners und dessen Kinder gegen den VN sind ausgeschlossen. – Die Mitversicherung für den Partner und dessen Kinder, die nicht auch die Kinder des VN sind, endet mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zwischen dem VN und dem Partner. – Im Falle des Todes des VN gilt für den überlebenden Partner und dessen Kinder Ziff. 5.3 sinngemäß. 2.3 1die gesetzliche Haftpflicht der im Haushalt des VN beschäftigten Personen gegenüber Dritten aus dieser Tätigkeit. 2Das gleiche gilt für Personen, die aus Arbeitsvertrag oder gefälligkeitshalber Wohnung, Haus und Garten betreuen oder den Streudienst versehen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-056
590
A1-2 AVB PHV
A. A1-2.1 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
3 A1-2.1.5 1der im Haushalt des VN beschäftigten Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personen gegenüber Dritten aus dieser Tätigkeit. 2Das Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle Gleiche gilt für Personen, die aus Arbeitsvertrag oder und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem gefälligkeitshalber Wohnung, Haus und Garten SGB VII handelt. betreuen oder den Streudienst versehen. 3 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
A1-2.2 1Alle für den VN geltenden Vertragsbestimmungen sind auf die mitversicherten Personen entsprechend anzuwenden. 2Dies gilt nicht für die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A1-9), wenn das neue Risiko nur für eine mitversicherte Person entsteht.
A1-2.3 Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, entfällt der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen. A1-2.4 1Die Rechte aus diesem Versicherungsvertrag darf nur der VN ausüben. 2Für die Erfüllung der Obliegenheiten sind sowohl der VN als auch die mitversicherten Personen verantwortlich.
Ziff. 27.1 AHB Erstreckt sich die Versicherung auch auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4.) gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Mitversicherten entsteht.
1
Fehlanzeige
Ziff. 27.2 AHB Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2Er ist neben den Mitversicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
1
Übersicht A.
A1-2.1 AVB PHV
1
B.
A1-2.2 AVB PHV
3
C.
A1-2.3 AVB PHV
I.
Inhalt
II.
Anwendungsbereich
4
1. 2. 3.
Ausschlüsse und Risikobegrenzungen 8 Wiedereinschlüsse 9 Obliegenheiten
III.
AGB-Recht
D.
A1-2.4 AVB PHV
7
10 11
A. A1-2.1 AVB PHV Die Regelungen in A1-2.1 AVB PHV sind nahezu wortgleich mit Ziff. 2 BBR PHV, sodass auf die 1 dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Dass im Rahmen der Fremdversicherung nur die gleichartige gesetzliche Haftpflicht der versicherten Personen versichert ist, folgt daraus, dass das versicherte Risisko den Vertrag als Ganzes betrifft und insoweit einheitlich für den VN und die Versicherten gilt. Die Streichung des Worts „gleichartig“ im Eingangssatz von A1-2.1 AVB PHV ist somit ohne inhaltliche Bedeutung.
591
Koch
A1-2 AVB PHV
2
Regelungen zu mitversicherten Personen
Weder eine Einschränkung noch eine Erweiterung des Versicherungsschutzes hat die Verwendung des Begriffs „Ansprüche aus Personenschäden“ in A1-2.1.5 S. 3 AVB PHV anstelle von „Haftpflichtansprüche aus Personenschäden“ in Ziff. 2.3 S. 3 AHB 2016 zur Folge. Entscheidend ist, dass die Ansprüche auf den Ersatz von Personenschäden gerichtet sind.
B. A1-2.2 AVB PHV 3 A1-2.2 AVB PHV entspricht Ziff. 27.1 AHB 2016. Die Änderungen sind nur redaktioneller Art. Insoweit kann auf die Kommentierung von Ziff. 27 AHB 2016 verwiesen werden.
C. A1-2.3 AVB PHV I. Inhalt 4 Nicht enthalten in Ziff. 27 AHB 2016 ist die Regelung in A1-2.3 AVB PHV, derzufolge unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen entfällt. Beispielhaft sei der Ausschluss in A1-7.5 AVB PHV (Leasing, Pacht, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag) genannt. Verursacht eine versicherte Person einen Schaden an einer vom VN geleasten Sache, verliert nicht nur die versicherte Person ihren Fremdversicherungsschutz, sondern auch der VN seinen Eigenversicherungsschutz. Ist der VN für den Schaden verantwortlich, verliert nicht nur er seinen Eigenversicherungsschutz, sondern auch die versicherten Personen verlieren ihren Fremdversicherungsschutz. In beiden Fällen kommt es nicht darauf an, ob die versicherte Person bzw. der VN jeweils Repräsentant des einen oder der anderen gewesen ist. 5 Eine ähnliche Regelung in den AHB ist auf Mietsachschäden (Ziff. 7.6 AHB 2016) und Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.7 AHB 2016) beschränkt. Dort ist in der sog. Hilfspersonenklausel (Anmerkung zu Ziff. 7.6. und Ziff. 7.7 AHB 2016) geregelt, dass der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die durch den Versicherungsvertrag mitversicherten Personen entfällt, wenn die Voraussetzungen der Ausschlüsse in Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 AHB 2016 in der Person von Angestellten, Arbeitern, Bediensteten, Bevollmächtigten oder Beauftragten des VN gegeben sind. 6 Im Vergleich zu den BBR PHV erweist sich als nachteilig, dass Risikobegrenzungen und Ausschlusstatbestände aufgrund besonderer persönlicher Merkmale (z.B. Eigentümer, Vermieter, Besitzer, Halter oder Hüter) abweichend von BBR PHV auch den Versicherungsschutz derjenigen entfallen lassen, die diese Merkmale nicht erfüllen.
II. Anwendungsbereich 1. Ausschlüsse und Risikobegrenzungen 7 A1-2.3 AVB PHV findet Anwendung auf Ausschlüsse und Risikobegrenzungen. Bei Risikobegrenzungen handelt es sich der Sache nach um in positive Risikobeschreibungen gekleidete Ausschlüsse (z.B. A1-6.5 AVB PHV (Abwässer), A1-6.6.1 AVB PHV (Mietsachschäden), A1-6.10.1 AVB PHV (Kfz, Kfz-Anhänger), A1-6.11.1 AVB PHV (Luftfahrzeuge), A1-6.12.1 AVB PHV (Wasserfahrzeuge), A1-6.14 AVB PHV (Ausland)).
Koch
592
D. A1-2.4 AVB PHV
A1-2 AVB PHV
2. Wiedereinschlüsse Mit Ausnahme von A1-16.15.2 lit. j) AVB PHV findet A1-2.3 AVB PHV keine Anwendung auf sub- 8 jektive Risikoausschlüsse (vgl. A1-6.16.5, A1-6.17.5 lit. a), A1-7.1 Satz 2, A1-7.2 Satz 2 AVB PHV), den Ausschluss von Haftpflichtansprüchen wegen Schäden durch den Gebrauch des Kfz (vgl. A1-7.14 Satz 2 AVB PHV) und von Versicherungsansprüchen wegen Schäden durch eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung (A1-7.15 Satz 2 AVB PHV). In diesen Fällen kommt ein Verlust des Versicherungsschutzes des VN oder der versicherten Person nur nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung in Betracht, die durch A1-2.3 AVB PHV unberührt bleibt. Insoweit können die AVB PHV sich für versicherte Personen als vorteilhafter erweisen als die auf den AHB basierenden BBR PHV (vgl. Ziff. 27 AHB 2016 Rn. 20 f.).
3. Obliegenheiten Keine Anwendung findet A1-2.3 AVB PHV auf Obliegenheitsverletzungen. Diesbezüglich grei- 9 fen die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ein (Ziff. 27 AHB 2016 Rn. 12 ff.).
III. AGB-Recht Im Hinblick auf die Wiedereinschlüsse bei verhaltensbezogenen Ausschlüssen bestehen keine 10 Bedenken wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Repräsentantenhaftung, da diese bei objektiven Risikoausschlüssen nicht eingreifen.1
D. A1-2.4 AVB PHV A1-2.4 AVB PHV entspricht Ziff. 27.2 AHB 2016. Die Änderungen sind nur redaktioneller Art. Inso- 11 weit kann auf die Kommentierung von Ziff. 27 AHB 2016 verwiesen werden.
1 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AHB § 7 Rn. 64; vgl. auch Beckmann/Matusche-beckmann/Looschelders § 17 Rn. 32. 593
Koch
A1-3 AVB PHV
A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall
Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB
A1-3.1 1Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2 Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.
1.1 1Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.
A1-3.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
1.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
A1-3.3 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, soweit sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder Zusage über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
7. Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen 7.3 Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
A. A1-3.1 AVB PHV 1 A1-3.1 AVB PHV entspricht Ziff. 1.1 AHB 2016, wobei infolge der Einbettung in die Privathaftpflichtversicherung der Passus „im Rahmen des versicherten Risikos“ entfallen ist. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 3 ff.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-057
594
C. A1-3.3 AVB PHV
A1-3 AVB PHV
B. A1-3.2 AVB PHV A1-3.2 AVB PHV entspricht Ziff. 1.2 AHB 2016. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von 2 Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 84 ff.
C. A1-3.3 AVB PHV A1-3.3 AVB PHV entspricht Ziff. 7.3 AHB 2016, der nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Zu 3 den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 140 ff.
595
Koch
A1-4 AVB PHV
A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR
Ziff. 5 AHB Leistungen der Versicherung
A1-4.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, – die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und – die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleichs zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
5.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3 Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
A1-4.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben.2Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR bevollmächtigt, den Prozess zu führen. 3Der VR führt dann den Rechtsstreit auf seine Kosten im Namen des VN.
5.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR zur Prozessführung bevollmächtigt. 3Er führt den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten.
A1-4.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
5.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
A1-4.4 Erlangt der VN oder eine mitversicherte Person das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR bevollmächtigt, dieses Recht auszuüben.
5.4 Erlangt der VN oder ein Mitversicherter das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR zur Ausübung dieses Rechts bevollmächtigt.
1 A1-4.1 bis A1-4.4 AVB PHV entsprechen weitgehend wörtlich Ziff. 5.1 bis 5.4 AHB 2016. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 5 AHB 2016.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-058
596
A1-5 AVB PHV
A1-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung)
Ziff. 6 AHB Begrenzung der Leistungen
A1-5.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. Variante für getrennte Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden EUR …… und für Sachschäden EUR … Variante für pauschale Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssumme beträgt für Personen- und Sachschäden EUR …
6.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt.
A1-5.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Die Entschädigungsleistungen des VR sind für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
6.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Entschädigungsleistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt.
A1-5.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang oder – auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen.
6.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang oder – auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen.
A1-5.4 1Falls vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall an der Entschädigungsleistung des VR mit einem im Versicherungsschein und seinen Nachträgen festgelegten Betrag (Selbstbeteiligung). 2Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3A1-5.1 Satz 1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, bleibt der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet.
6.4 1Falls besonders vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt). 2Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3Ziff. 6.1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, ist der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet.
A1-5.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
6.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
597 https://doi.org/10.1515/9783110522686-059
Koch
A1-5 AVB PHV
Begrenzung der Leistungen
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
A1-5.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
6.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
A1-5.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der KfzHaftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
6.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2 Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kfz-Haftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3 Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
A1-5.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
6.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
1 A1-5.1 bis A1-5.8 AVB PHV entsprechen weitgehend wörtlich Ziff. 6.1 bis 6.8 AHB 2016. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 6 AHB 2016. Neu ist, dass im Anschluss an A15.1 AVB PHV Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, ob mit dem VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind.
Koch
598
A1-6 AVB PHV
A1-6 Besondere Regelungen für einzelne private Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6 Besondere Regelungen für einzelne private Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) 1 A1-6 regelt den Versicherungsschutz für einzelne private Risiken, deren Risikobegrenzungen und die für diese Risiken geltenden besonderen Ausschlüsse. 2 Soweit A1-6 keine abweichenden Regelungen enthält, finden auch auf die in A1-6 geregelten Risiken alle anderen Vertragsbestimmungen Anwendung (z.B. A1-4 – Leistungen der Versicherung oder A1-7 – Allgemeine Ausschlüsse).
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) 1. 1Versichert ist … die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens… 2 Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN…
A1-6 AVB PHV tritt an die Stelle von Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV, die nicht nur Beispiele („insbesonde- 1 re“) für versicherte Gefahren des täglichen Lebens enthalten, sondern zugleich auch Einschränkungen in der Deckung, was unter Transparenzgesichtspunkten nicht unproblematisch ist (hierzu Ziff. 1 BBR PHV Rn. 57). Der Musterbedingungsgeber hat deshalb die in Ziff. 1.1 bis 1.9 BBR PHV aufgeführten Risiken sowie die Risiken, die in den AHB ausgeschlossen und für den privaten Bereich wiedereingeschlossen sind (z.B. Schäden durch Umwelteinwirkung, Ziff. 7.10 lit. b) AHB 2016, oder häusliche Abwässer, Ziff. 7.14 AHB 2016), in A1-6 AVB PHV in einen Katalog versicherter Risiken zusammengeführt, den er mit der Überschrift „Besondere Regelungen für einzelne private Risiken“ versehen und durch den Klammerzusatz „Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse“ ergänzt hat. Der Musterbedingungsgeber hat darüber hinaus Hinweise zum Regelungsgehalt von A1-6 AVB PHV gegeben. Dadurch soll dem VN deutlich gemacht werden, dass Ziff. A1-6.1 bis A1-6.17.5 AVB PHV die versicherten Gefahren des täglichen Lebens nicht nur umschreiben und die Deckung insoweit konkretisieren, sondern den Versicherungsschutz auch einschränken. Zu beachten ist, dass die in A1-6 AVB PHV geregelten Gegenstände die Gefahren des 2 täglichen Lebens nicht abschließend, sondern entsprechend der Konzeption der BBR PHV nur beispielhaft für einzelne private Risiken regeln.1 Soweit diese Risiken beschrieben werden, begrenzt die Beschreibung den Versicherungsschutz dahin, dass bzgl. der aufgeführten Risiken nur der dort angegebene Versicherungsschutz besteht. Exemplarisch sei auf die Versicherung von Schäden an gemieteten Sachen verwiesen. In A1-6.6.1 AVB PHV heißt es dazu, dass die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Mietsachschäden ausschließlich an Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden versichert ist. Ohne diese Regelung bestünde Versicherungsschutz für alle Arten von Mietsachschäden und nicht beschränkt auf unbewegliche Sachen, da es sich dabei um ein Risiko
1 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AVB PHV A1-6 Rn. 1; Stockmeier AVB PHV A1-6 Rn. 1. 599 https://doi.org/10.1515/9783110522686-060
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
handelt, das den VN als Privatperson trifft und das deshalb nach A1-1 AVB PHV unter den Versicherungsschutz fallen würde. Der Sache nach handelt es sich bei A1-6.6.1 AVB PHV deshalb um einen in eine positive Risikobeschreibung gekleideten Risikoausschluss, was sich auch darin wiederspiegelt, dass der Ausschluss für Mietsachschäden an un-/beweglichen Sachen, der in Ziff. 7.6 AHB 2016 enthalten ist, in A1-7.5 AVB PHV gestrichen worden ist. Das nach den BBR PHV bestehende Transparenzproblem besteht bei Vereinbarung der AVB PHV somit fort.2 Weitere Beispiele für einen in eine positive Risikobeschreibung gekleideten Ausschluss finden sich in A1-6.5 AVB PHV (Abwässer), A1-6.6.1 AVB PHV (Mietsachschäden), A1-6.10.1 AVB PHV (Kfz, Kfz-Anhänger), A1-6.11.1 AVB PHV (Luftfahrzeuge), A1-6.12.1 AVB PHV (Wasserfahrzeuge), A1-6.14 AVB PHV (Ausland). AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.1 Familie und Haushalt
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN a) als Familien- und Haushaltsvorstand (z.B. aus der Aufsichtspflicht über Minderjährige); b) als Dienstherr der in seinem Haushalt tätigen Personen
Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.1 als Familien- und Haushaltsvorstand (z.B. aus der Aufsichtspflicht über Minderjährige); 1.2 als Dienstherr der in seinem Haushalt tätigen Personen
3 Die mit der Überschrift „Familie und Haushalt“ versehene Regelung in A1-6.1 AVB PHV tritt ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Ziff. 1.1 und 1.2 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.2 Ehrenamtliche Tätigkeit, Freiwilligentätigkeit
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren einer nicht verantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit oder Freiwilligenarbeit aufgrund eines sozialen unentgeltlichen Engagements.
Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.3 aus den Gefahren einer nichtverantwortlichen ehrenamtlichen Tätigkeit oder Freiwilligenarbeit aufgrund eines sozialen unentgeltlichen Engagements.
4 Die mit der Überschrift „Ehrenamtliche Tätigkeit, Freiwilligentätigkeit“ versehene Regelung in A1-6.2 AVB PHV tritt ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Ziff. 1.3 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.
2 Zu Recht kritisch zur Neukonzeption Schneider VersR 2020 667, 671 ff.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AVB PHV A1-7 Rn. 4. Koch
600
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
A1-6 AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.3. Haus- und Grundbesitz
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
A1-6.3.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Inhaber. a) einer oder mehrerer im Inland gelegener Wohnungen (bei Wohnungseigentum als Sondereigentümer), einschließlich Ferienwohnung. Bei Sondereigentümern sind versichert Haftpflichtansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums. Die Leistungspflicht erstreckt sich jedoch nicht auf den Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum. b) eines im Inland gelegenen Einfamilienhauses, c) eines im Inland gelegenen Wochenend-/ Ferienhauses,sofern sie vom VN ausschließlich zu Wohnzwecken verwendet werden, einschließlich der zugehörigen Garagen und Gärten sowie eines Schrebergartens. A1-6.3.2 Der Versicherungsschutz erstreckt sich für die in A1-6.3.1 genannten Risiken auch auf die gesetzliche Haftpflicht a) aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen). Das gilt auch für die durch Vertrag vom VN ausschließlich als Mieter, Pächter oder Entleiher übernommene gesetzliche Haftpflicht für Verkehrssicherungspflichten des Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter) in dieser Eigenschaft; b) aus der Vermietung von nicht mehr als … einzeln vermieteten Wohnräumen; nicht jedoch von Wohnungen, Räumen zu gewerblichen Zwecken und Garagen.Wenn die Anzahl der vermieteten Wohnräume überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A1-9); c) als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Grabearbeiten) bis zu einer Bausumme von EUR … je Bauvorhaben. Wenn der Betrag überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A1-9); d) als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwech-selbestand; e) der Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter in dieser Eigenschaft.
Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.4 als Inhaber (1) einer oder mehrerer im Inland gelegener Wohnungen (bei Wohnungseigentum als Sondereigentümer), einschließlich Ferienwohnung. Bei Sondereigentümern sind versichert Haftpflichtansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums. Die Leistungspflicht erstreckt sich jedoch nicht auf den Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum. (2) eines im Inland gelegenen Einfamilienhauses, (3) eines im Inland gelegenen Wochenend-/ Ferienhauses, sofern sie vom VN ausschließlich zu Wohnzwecken verwendet werden, einschließlich der zugehörigen Garagen und Gärten sowie eines Schrebergartens. Hierbei ist mitversichert die gesetzliche Haftpflicht aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen). Das gilt auch für die durch Vertrag vom VN ausschließlich als Mieter, Pächter oder Entleiher übernommene gesetzliche Haftpflicht für Verkehrssicherungspflichten des Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter) in dieser Eigenschaft; aus der Vermietung von nicht mehr als drei einzeln vermieteten Wohnräumen; nicht jedoch von Wohnungen, Räumen zu gewerblichen Zwecken und Garagen. Werden mehr als drei Räume einzeln vermietet, entfällt die Mitversicherung. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB); als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Grabearbeiten) bis zu einer Bausumme von EUR 50.000,- je Bauvorhaben. Wenn dieser Betrag überschritten wird, entfällt die Mitversicherung. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung(Ziff. 4 AHB); als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestand; der Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter in dieser Eigenschaft;
601
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
5 Die mit der Überschrift „Haus- und Grundbesitz“ versehene Regelung in A1-6.3 AVB PHV gibt das wieder, was in Ziff. 1.4 BBR PHV aufgeführt ist, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.4. Allgemeines Umweltrisiko
Ziff. 7-10 (b) AHB
1
Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.10 (b) Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. 2Dieser Ausschluss gilt nicht (1) im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. 2 Schäden durch Umwelteinwirkung liegen vor, wenn sie durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht werden, die sich in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben. 3 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche aus Gewässerschäden. 4 Zu Gewässerschäden und Schäden nach dem Umweltschadensgesetz siehe Abschnitt A2 (besondere Umweltrisiken).
6 Nach Ziff. 7.10 (b) AHB 2016 sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung vom Versicherungsschutz ausgenommen. Dieser Ausschluss gilt jedoch nicht „im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken“. Deshalb sind Schäden durch Umwelteinwirkung als Gefahr des täglichen Lebens in der Privathaftpflichtversicherung auf Basis der BBR PHV/AHB 2016 versichert. In den AVB PHV ist der Umwelteinwirkungsausschluss nicht mehr enthalten. Stattdessen werden Schäden durch Umwelteinwirkung (zu Klarstellungszwecken) durch die Regelung in A1-6.4 Satz 1 AVB PHV, die mit der Überschrift „Allgemeines Umweltrisiko“ versehen ist, ausdrücklich als versichert aufgeführt. Die Definition der Schäden durch Umwelteinwirkung in A1-6.4 Satz 2 AVB PHV entspricht § 3 UmweltHG. 7 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind nach A1-6.4 Satz 3 AVB PHV Ansprüche aus Gewässerschäden, deren Deckung sich – ebenso wie die von Schäden nach dem USchadG – gemäß A1-6.4 Satz 4 AVB PHV nach A2-1 AVB PHV bestimmt. A2-1.1 AVB PHV wiederum enthält die aus Ziff. 2.4 BBR PHV bekannte Restrisikoklausel, sodass sich der Umfang des Versicherungsschutzes durch die Neustrukturierung nicht ändert. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.5 Abwässer
Ziff. 7 AHB
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden durch Abwässer. Bei Sachschäden gilt dies ausschließlich für Schäden durch häusliche Abwässer.
Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt.
Koch
602
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
A1-6 AVB PHV
Nach Ziff. 7.14 AHB 2016 sind Haftpflichtansprüche aus Sachschäden durch Abwässer ausge- 8 schlossen, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt. Entsprechend der Konzeption der BBR PHV umschreibt A1-6.5 AVB PHV den Versicherungsschutz „ausschließlich“ für Schäden durch häusliche Abwässer positiv. Es handelt sich um einen in eine positive Risikobeschreibung gekleideten Ausschluss. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.6 Schäden an gemieteten Sachen (Mietsachschäden)
Ziff. 5 BBR PHV Versicherungsfälle im Ausland, Mietsachschäden, Fortsetzung nach Tod des VN
Mietsachschäden sind Schäden an fremden, vom VN oder von seinen Bevollmächtigten oder Beauftragten gemieteten Sachen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. A1-6.6.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Mietsachschäden ausschließlich an Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden. Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR …Es erfolgt eine Anrechnung auf die Sachschaden-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR …Es erfolgt eine Anrechnung auf die Pauschal-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. A1-6.6.2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen – Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung, – Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektround Gasgeräten und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, – Glasschäden, soweit sich der VN hiergegen besonders versichern kann, – Schäden infolge von Schimmelbildung.
Außerdem gilt: 5.2 Für den Einschluss von Mietsachschäden gilt: (1) Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. (2) Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen – Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung, – Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektround Gasgeräten und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, – Glasschäden, soweit sich der VN hiergegen besonders versichern kann, – Schäden infolge von Schimmelbildung. Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je V-Fall EUR …, begrenzt auf EUR … für alle Versicherungsfälle des Versicherungsjahres.
603
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
9 A1-6.6 AVB PHV entspricht inhaltlich Ziff. 5.2 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Soweit es in A1-6.6.1 AVB PHV heißt „ausschließlich an Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen“, will der Musterbedingungsgeber dadurch zum Ausdruck bringen, dass für Schäden an beweglichen Sachen (z.B. Möbeln) von vornherein kein Versicherungsschutz besteht. Der Sache nach handelt es sich bei A1-6.6.1 AVB PHV um einen in eine positive Risikobeschreibung gekleideten Ausschluss für Schäden an beweglichen Sachen, der als solcher für den VN nicht zuletzt mit Blick auf die Überschrift von A1-6.6 („Schäden an gemieteten Sachen“) nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Dass es sich der Sache nach um einen Ausschluss handelt, wird deutlich, wenn man A1-7.5 AVB PHV in den Blick nimmt, der u.a. Ansprüche wegen Schäden an Sachen ausschließt, die der VN geleast und gepachtet hat. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.7 Sportausübung
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
1
Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.5 als Radfahrer; 1.6 aus der Ausübung von Sport, ausgenommen ist eine jagdliche Betätigung und die Teilnahme an Pferde-, Rad- oder Kfz-Rennen sowie ein zur Vorbereitung des Rennens von einem Veranstalter organisiertes oder vorgeschriebenes Training, bei dem die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten geübt wird.
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Ausübung von Sport. 2Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus a) einer jagdlichen Betätigung, b) der Teilnahme an Pferde-, Rad- oder Kfz-Rennen sowie ein zur Vorbereitung des Rennens von einem Veranstalter organisiertes oder vorgeschriebenes Training, bei dem die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten geübt wird.
10 Die Regelung in A1-6.7 AVB PHV, die mit der Überschrift „Sportausübung“ versehen ist, entspricht Ziff. 1.6 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Nicht aufgeführt ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Radfahrer (vgl. Ziff. 1.5 BBR PHV). Stockmeier meint, dass die gesetzliche Haftpflicht des VN als Radfahrer „naturgemäß“ dennoch über A1-6.7 AVB PHV versichert sei. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Teilnahme an Radrennen gemäß A1-6.7 Satz 2 lit. b) AVB PHV nach wie vor ausgeschlossen sei. Selbst wenn man dieser Argumentation folgen wollte, stellt sich die Frage, ob Radfahren stets als Ausübung von Sport zu qualifizieren ist. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn man die mit dem Radfahren verbundene körperliche Ertüchtigung als Sportausübung ansieht, und zwar selbst dann, wenn es nur um die morgendliche Fahrt mit dem Fahrrad zum Bäcker geht. Ob der durchschnittliche VN letztere als Sportausübung ansieht, ist sehr fraglich. Die Streichung des Beispiels der Haftung als Radfahrer ist von daher geeignet, Rechtsstreitigkeiten über die Deckung zu provozieren. 11 Sieht man jegliche Fahrt mit dem Fahrrad als Ausübung von Sport an, würde auch die Haftung für den Gebrauch von E-Bikes vom Versicherungsschutz erfasst, da diese eine gewisse körperliche Betätigung verlangen. Die Unterstützung durch den elektromotorischen Hilfsantrieb wird nämlich unterbrochen, wenn der Fahrer im Treten einhält (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG).
Koch
604
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
A1-6 AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.8 Waffen und Munition
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
1
Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.7 aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen, nicht jedoch zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen;
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen. 2Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist der Gebrauch zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen.
Die Regelung in A1-6.8 AVB PHV, die mit der Überschrift „Waffen und Munition“ versehen ist, 12 entspricht Ziff. 1.7 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.9 Tiere
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko)
A1-6.9.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Halter oder Hüter von zahmen Haustieren, gezähmten Kleintieren und Bienen. 2Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht als Halter oder Hüter von – Hunden, Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, – wilden Tieren sowie von – Tieren, die zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden.
Insbesondere ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN 1.8 als Halter oder Hüter von zahmen Haustieren, gezähmten Kleintieren und Bienen, nicht jedoch von Hunden, Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, wilden Tieren sowie von Tieren, die zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden.
A1-6.9.2 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN – als nicht gewerbsmäßiger Hüter fremder Hunde oder Pferde, – als Reiter beider Benutzung fremder Pferde, – als Fahrer bei der Benutzung fremder Fuhrwerke zu privaten Zwecken,soweit Versicherungsschutz nicht über eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung besteht. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche der Tierhalter oder -eigentümer sowie Fuhrwerkseigentümer wegen Sach- und Vermögensschäden.
1.9 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als nicht gewerbsmäßiger Hüter fremder Hunde oder Pferde, als Reiter bei der Benutzung fremder Pferde, als Fahrer bei der Benutzung fremder Fuhrwerke zu privaten Zwecken, soweit Versicherungsschutz nicht über eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung besteht. Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche der Tierhalter oder -eigentümer sowie Fuhrwerkseigentümer, es sei denn es handelt sich um Personenschäden.
605
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
13 Die Regelung in A1-6.9.1 und A1-6.9.2 AVB PHV, die mit der Überschrift „Tiere“ versehen ist, entspricht Ziff. 1.8 und Ziff. 1.9 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.10 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Ziff. 3 BBR PHV Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge Kraftfahrzeug-Anhänger A1-6.10.1 Versichert ist – abweichend von A1-7.14 – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch ausschließlich von folgenden nicht versicherungspflichtigen Kfz und Kfz-Anhängern: a) nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit; b) Kfz mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; c) Stapler mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; d) selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; e) Kfz-Anhänger, die nicht zulassungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. A1-6.10.2 1Für die vorgenannten Fahrzeuge gilt: 2 Diese Fahrzeuge dürfen nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 3Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 4Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dassdie Fahrzeuge nicht von unberechtigten Fahrern gebraucht werden. 5Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 6Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nur von einem Fahrer benutzt wird, der die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 7Wenn der VN eine dieserObliegenheiten verletzt, gilt B3-3.3 (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
3.2 1Versichert ist jedoch die Haftpflicht wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch von (1) nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit; (2) Kfz mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; (3) Staplern mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; (4) selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; (5) Kfz-Anhängern, die nicht versicherungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. 2 Für (1) bis (5) gilt: 3 Für diese Fahrzeuge gelten nicht die Ausschlüsse in Ziff. 3.1 (2) AHB und in Ziff. 4.3 (1) AHB. 4 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 5 Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 6 Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 7Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 8Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 9 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
14 Die Regelung in A1-6.10 AVB PHV, die mit der Überschrift „Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger“ versehen ist, entspricht Ziff. 3.2 (1) bis (5) BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Der Hinweis auf die Nichtgeltung der Ausschlüsse bei den Erhöhungen und Erweiterungen (Ziff. 3.1 (2) AHB 2016) bzw. bei der Vorsorgedeckung (Ziff. 4.3 (1) AHB 2016) wurde infolge der Integration der AHB gestrichen.
Koch
606
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
A1-6 AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.11 Gebrauch von Luftfahrzeugen
Ziff. 3 BBR PHV Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
A1-6.11.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die durch den Gebrauch ausschließlich von solchen Luftfahrzeugen verursacht werden, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen. A1-6.11.2 Versichert ist darüber hinaus die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die durch den Gebrauch versicherungspflichtiger Luftfahrzeuge verursacht werden, soweit der VN nicht als deren Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer in Anspruch genommen wird.
3.1 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs oder Kraftfahrzeuganhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden. 3.2 Versichert ist jedoch die Haftpflicht wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch von (6) Luftfahrzeugen, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen;
Die Regelungen in A1-6.11.1 und A1-6.11.2 AVB PHV sind mit der Überschrift „Gebrauch von Luft- 15 fahrzeugen“ versehen. A1-6.11.1 AVB PHV entspricht Ziff. 3.2 (6) BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. A1-6.11.2 AVB PHV knüpft an Ziff. 3.1 BBR PHV an, der die Haftung des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers von Luftfahrzeugen ausschließt, die – wie sich aus Ziff. 3.2 BBR PHV ergibt – der Versicherungspflicht unterliegen.3 Insoweit kann auf die Kommentierung von Ziff. 3 BBR PHV verwiesen werden. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.12 Gebrauch von Wasserfahrzeugen
Ziff. 3 BBR PHV Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
A1-6.12.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch ausschließlich von folgenden Wasserfahrzeugen: a) eigene und fremde Wasserfahrzeuge ohne Segel, Motoren (auch ohne Hilfs- oder Außenbordmotoren) oder Treibsätze; b) fremde Segelboote ohne Motor (auch ohne Hilfsoder Außenbordmotoren) oder Treibsätze; c) fremde Windsurfbretter; d) fremde Wassersportfahrzeuge mit Motoren, soweit – diese nur gelegentlich gebraucht werden und– für das Führen keine behördliche Erlaubnis erforderlich ist. A1-6.12.2 Versichert ist darüber hinaus die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die durch den Gebrauch von Wasserfahrzeugen verursacht werden, soweit der VN nicht als deren Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer in Anspruch genommen wird.
3.2 Versichert ist jedoch die Haftpflicht wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch von (7) 1Wasserfahrzeugen, ausgenommen eigene Segelboote (auch Windsurfbretter) und eigene oder fremde Wasserfahrzeuge mit Motoren – auch Hilfsoder Außenbordmotoren – oder Treibsätzen. 2 Mitversichert ist jedoch der gelegentliche Gebrauch von fremden Wasserfahrzeugen mit Motoren, soweit für das Führen keine behördliche Erlaubnis erforderlich ist;
3 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski AVB PHV Rn. 17. 607
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
16 Die Regelungen in A1-6.12.1 und A1-6.12.2 AVB PHV sind mit der Überschrift „Gebrauch von Wasserfahrzeugen“ versehen. A1-6.12.1 AVB PHV entspricht Ziff. 3.2 (7) BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. A1-6.12.2 AVB PHV knüpft an Ziff. 3.1 BBR PHV an, der die Haftung des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers von Luftfahrzeugen ausschließt. Für die Haftung des Beifahrers oder Passagiers besteht somit Deckung auf der Basis der AHB 2016/BBR PHV, falls er in Anspruch genommen werden sollte. An dieser Vertragslage ändert A1-6.11.2 AVB PHV nichts. Die Deckung wird lediglich positiv beschrieben. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.13 Gebrauch von Modellfahrzeugen
Ziff. 3 BBR PHV Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch von ferngelenkten Land- und WasserModellfahrzeugen.
3.2 Versichert ist jedoch die Haftpflicht wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch von (8) ferngelenkten Land- und Wasser-Modellfahrzeugen.
17 Die Regelung in A1-6.13 AVB PHV, die mit der Überschrift „Gebrauch von Modellfahrzeugen“ versehen ist, entspricht Ziff. 3.2 (8) BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.14 Schäden im Ausland
Ziff. 5 BBR PHV Auslandsaufenthalt; Mietsachschäden; Fortführung nach Tod
1
5.1. 1Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus im Ausland vorkommenden Versicherungsfällen. – die auf eine versicherte Handlung im Inland bzw. auf ein im Inland bestehendes versichertes Risiko zurückzuführen sind, – die bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt bis zu … Jahren eingetreten sind. 2Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der vorübergehenden Benutzung oder Anmietung (nicht dem Eigentum) von im Ausland gelegenen Wohnungen und Häusern gem. Ziff. 1.4 (1) bis (3). 3 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 4Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. Ziff. 7 AHB Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland eintretender Versicherungsfälle ausschließlich, wenn diese – auf eine versicherte Handlung im Inland bzw. auf ein im Inland bestehendes versichertes Risiko zurückzuführen sind oder – bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt bis zu … Jahr/en eingetreten sind. 2Versichert sind hierbei auch Ansprüche gegen den VN aus § 110 SGB VII und die gesetzliche Haftpflicht aus der vorübergehenden Benutzung oder Anmietung (nicht dem Eigentum) von im Ausland gelegenen Wohnungen und Häusern gemäß A1-6.3.1(1) bis (3). 3Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 4 Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
Koch
608
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
A1-6 AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016 7.9 Haftpflichtansprüche aus im Ausland vorkommenden Schadenereignissen; Ansprüche aus § 110 SGB VII sind jedoch mitversichert.
Die Regelung in A1-6.14 AVB PHV, die mit der Überschrift „Schäden im Ausland“ versehen 18 ist, entspricht Ziff. 5.1 BBR PHV und Ziff. 7.9 Halbs. 2 AHB 2016, sodass auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird (Ziff. 5 BBR PHV Rn. 2 ff. und Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 313 ff.). AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.15 Vermögensschäden
Ziff. 6 BBR PHV Mitversicherung von Vermögensschäden
A1-6.15.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Vermögensschäden, die weder durch Personen-noch durch Sachschäden entstanden sind. A1-6.15.2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Vermögensschäden a) durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; b) aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; c) aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unter-nehmen; d) aus Vermittlungsgeschäften aller Art; e) aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; f) aus Anlage-, Kredit-, Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung; g) aus Rationalisierung und Automatisierung; h) aus der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; i) aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vor- und Kostenanschlägen; j) aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; k) aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; l) aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wert-sachen;
6.1 Mitversichert ist im Rahmen des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne der Ziff. 2.1 AHB wegen Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der V eingetreten sind. 6.2 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden – durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; – aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; – aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; – aus Vermittlungsgeschäften aller Art; – aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; – aus Anlage-, Kredit-, Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung – aus Rationalisierung und Automatisierung, – aus der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; – aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vorund Kostenanschlägen; – aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; – aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; – aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen; – aus Schäden durch ständige Emissionen (z.B. Geräusche, Gerüche, Erschütterungen).
609
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
m) aus Schäden durch ständige Emissionen (z.B. Geräusche, Gerüche, Erschütterungen). A1-6.15.3 1 Die Versicherungssumme für Vermögensschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 2Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
6.3 1Die Versicherungssumme beträgt je Schadenereignis EUR … 2Die Gesamtleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das Doppelte dieser Versicherungssumme.
19 Die Regelung in A1-6.15 AVB PHV, die mit der Überschrift „Vermögensschäden“ versehen ist, entspricht Ziff. 6 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.16 Übertragung elektronischer Daten
Ziff. 4 BBR PHV Elektronischer Datenaustausch/ Internetnutzung
A1-6.16.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlungund der Bereitstellung elektronischer Daten, z.B. im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger. 2Dies gilt ausschließlich für Schäden aus a) der Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten (Datenveränderung) bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme; b) der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten und zwar wegen – sich daraus ergebender Personen- und Sachschäden, nicht jedoch weiterer Datenveränderungen sowie – der Kosten zur Wiederherstellung der veränderten Daten bzw. Erfassung/korrekter Speicherung nicht oder fehlerhaft erfasster Daten; c) der Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch. 3 Für a) bis c) gilt: 4 Der VN ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/oder -techniken (z.B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. 5Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen. 6 Verletzt der VN diese Obliegenheit, so gilt B3-3.3 (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
4.1 1Eingeschlossen ist – insoweit abweichend von Ziff. 7.15 AHB – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, z.B. im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger, soweit es sich handelt um (1) Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten (Datenveränderung) bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme; (2) Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten und zwar wegen – sich daraus ergebender Personen- und Sachschäden, nicht jedoch weiterer Datenveränderungen sowie – der Kosten zur Wiederherstellung der veränderten Daten bzw. Erfassung/korrekter Speicherung nicht oder fehlerhaft erfasster Daten; (3) Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch. 2 Für Ziff. 4.1 (1) bis 4.1 (3) gilt: 3 Dem VN obliegt es, dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/oder -techniken (z.B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. 4Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen. 5Verletzt der VN diese Obliegenheit, so gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
Koch
610
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
A1-6 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
A1-6.16.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche aus nachfolgend genannten Tätigkeiten und Leistungen: a) Software-Erstellung, -Handel, -Implementierung, -Pflege; b) IT-Beratung, -Analyse, -Organisation, -Einweisung, -Schulung; c) Netzwerkplanung, -installation, -integration, -betrieb,-wartung, -pflege; d) Bereithaltung fremder Inhalte, z.B. Access-, Host-, Full-Service-Providing; e) Betrieb von Datenbanken.
4.4 Nicht versichert sind Ansprüche aus nachfolgend genannten Tätigkeiten und Leistungen: – Software-Erstellung, -Handel, -Implementierung, -Pflege; – IT-Beratung, -Analyse, -Organisation, -Einweisung, -Schulung; – Netzwerkplanung, -installation, -integration, -betrieb, -wartung, -pflege; – Bereithaltung fremder Inhalte, z.B. Access-, Host-, Full-Service-Providing; – Betrieb von Datenbanken.
A1-6.16.3 1Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang oder – auf dem Austausch, der Übermittlung und Bereitstellung elektronischer Daten mit gleichen Mängeln beruhen. 2 A1-5.3 findet insoweit keine Anwendung.
4.2 3Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang oder – auf dem Austausch, der Übermittlung und Bereitstellung elektronischer Daten mit gleichen Mängeln beruhen. 2 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen.
A1-6.16.4 Für Versicherungsfälle im Ausland besteht – insoweit abweichend von A1-6.14 – Versicherungsschutz ausschließlich, soweit die versicherten Haftpflichtansprüche in europäischen Staaten und nach dem Recht europäischer Staaten geltend gemacht werden.
4.3 1Versicherungsschutz besteht – insoweit abweichend von Ziff. 7.9 AHB – für Versicherungsfälle im Ausland. 2 Dies gilt jedoch nur, soweit die versicherten Haftpflichtansprüche in europäischen Staaten und nach dem Recht europäischer Staaten geltend gemacht werden.
A1-6.16.5 1Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind a) Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen, dass der VN bewusst – unbefugt in fremde Datenverarbeitungssysteme/Datennetze eingreift (z.B. HackerAttacken, Denial of Service Attacks), – Software einsetzt, die geeignet ist, die Datenordnung zu zerstören oder zu verän-dern (z.B. Software-Viren, Trojanische Pferde); b) Ansprüche, die in engem Zusammenhang stehen mit – massenhaft versandten, vom Empfänger ungewollten elektronisch übertragenen Informationen (z.B. Spamming), – Dateien (z.B. Cookies), mit denen widerrechtlich bestimmte Informationen über Internet-Nutzer gesammelt werden sollen; c) Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften (z.B. Teilnahme an rechtswidrigen Online-Tauschbörsen) oder durch sonstige bewusste Pflichtverletzungen herbeigeführt haben. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
4.5 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Ansprüche (1) wegen Schäden, die dadurch entstehen, dass der VN bewusst – unbefugt in fremde Datenverarbeitungssysteme/ Datennetze eingreift (z.B. Hacker-Attacken, Denial of Service Attacks), – Software einsetzt, die geeignet ist, die Datenordnung zu zerstören oder zu verändern (z.B. Software-Viren, Trojanische Pferde); (2) die in engem Zusammenhang stehen mit – massenhaft versandten, vom Empfänger ungewollten elektronisch übertragenen Informationen (z.B. Spamming), – Dateien (z.B. Cookies), mit denen widerrechtlich bestimmte Informationen über Internet-Nutzer gesammelt werden sollen; (3) gegen den VN oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften (z.B. Teilnahme an rechtswidrigen Online-Tauschbörsen) oder durch sonstige bewusste Pflichtverletzungen herbeigeführt haben.
611
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
A1-6.16.6 Versicherungssummen und Selbstbeteiligung Variante für getrennte Versicherungssummen: 1 Die Versicherungssumme für Schäden im Zusammenhang mit der Übertragung elektronischer Daten beträgt je Versicherungsfall EUR …2Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3Abhängig von der Schadenart erfolgt eine Anrechnung auf die jeweilige Personen-, Sach- oder VermögensschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 1 Die Versicherungssumme für Schäden im Zusammenhang mit der Übertragung elektronischer Daten beträgt je Versicherungsfall EUR … 2Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3Es erfolgt eine Anrechnung auf die Pauschal-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung.Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN…
4.2 1Im Rahmen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen ausgewiesene/-n Versicherungssumme/-n beträgt/betragen die Versicherungssumme/-n … EUR. 2 Abweichend von Ziff. 6.2 AHB stellt/ stellen diese zugleich die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres dar.
20 Die Regelung in A1-6.16 AVB PHV, die mit der Überschrift „Übertragung elektronischer Daten“ versehen ist, entspricht im Kern Ziff. 4 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Während in Ziff. 4.2 Satz 1 und 2 BBR PHV nur eine Versicherungssumme vorgesehen ist, sieht A1-6.16.6 AVB PHV eine Variante für getrennte Versicherungssummen und eine Variante für pauschale Versicherungssummen vor. Durch die Zusammenführung der BBR PHV und der AHB entfällt der Ausschluss in Ziff. 7.15 AHB 2016 und der Wiedereinschluss in Ziff. 4 BBR PHV wird Bestandteil der primären Risikoabgrenzung. AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-6.17 Ansprüche aus Benachteiligungen
Ziff. 10 BBR PHV Zusatzbaustein für Ansprüche aus Benachteiligungen für Privatpersonen
Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A1-6.17.1 1Versichert ist – insoweit abweichend von A1-7.10 –die gesetzliche Haftpflicht des VN als Dienstherr der in seinem Privathaushalt oder sonstigen privaten Lebensbereich beschäftigten Personen wegen Personen-, Sach- oder Vermögensschäden (einschließlich immaterieller Schäden) aus Benachteiligungen. 2Gründe für eine
1.1 Der Versicherungsschutz richtet sich nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), den Bestimmungen der Muster-Tarifstruktur IX und den nachfolgenden Vereinbarungen. 1.2 1Der VR bietet dem VN und den mitversicherten Personen – abweichend von Ziff. 7.17 AHB – Versicherungsschutz für den Fall, dass der VN oder mitversicherte Personen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen Benachteiligungen aus den in Ziff. 1.3 genannten
Koch
612
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
A1-6 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Benachteiligung sind – die Rasse, – die ethnische Herkunft, – das Geschlecht, – die Religion, – die Weltanschauung, – eine Behinderung, – das Alter, – oder die sexuelle Identität. 3 Dies gilt ausschließlich für Ansprüche nach deutschem Recht, insbesondere dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). 4Soweit diese Ansprüche gerichtlich verfolgt werden, besteht Versicherungsschutz ausschließlich, wenn sie vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden. 5 Beschäftigte Personen sind auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.
Gründen für einen Personen-, Sach- oder Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. 2 Für den VN besteht Versicherungsschutz als Dienstherr der in seinem Privathaushalt oder sonstigen privaten Lebensbereich beschäftigten Personen. Beschäftigte Personen sind auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Person, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. 3 Mitversicherte Personen sind die in Ziff. 2.1 und 2.2 der Muster-Tarifstruktur IX genannten Personen 1.3 Gründe für eine Benachteiligung sind die Rasse, die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion, die Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität.
A1-6.17.2 Versicherungsfall 1 Versicherungsfall ist – abweichend von A1-3.1 – die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den VN während der Dauer des Versicherungsvertrags. 2Im Sinne dieses Vertrags ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen den VN ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter dem VN schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen den VN zu haben.
2. Versicherungsfall/Zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes 2.1 1Versicherungsfall ist – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den VN oder eine mitversicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrages. 2Im Sinne dieses Vertrages ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen den VN oder eine mitversicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter dem VN oder einer mitversicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen den VN oder eine mitversicherte Person zu haben.
A1-6.17.3 Zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes a) Erfasste Benachteiligungen und Anspruchserhebung 1 Die Anspruchserhebung sowie die zugrundeliegende Benachteiligung müssen während der Wirksamkeit der Versicherung erfolgt sein. 2Wird eine Benachteiligung durch fahrlässige Unterlassung verursacht, gilt sie im Zweifelsfall als an dem Tag begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden.
2. Versicherungsfall/Zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes 2.2 1Die Anspruchserhebung sowie die zugrunde liegende Benachteiligung müssen während der Wirksamkeit der Versicherung erfolgt sein. 2Wird eine Benachteiligung durch fahrlässige Unterlassung verursacht, gilt sie im Zweifel als an dem Tag begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. 2.3 Rückwärtsversicherung für vorvertragliche Benachteiligungen
613
4. Ausschlüsse Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche 4.2 die von den mitversicherten Personen gemäß Ziff. 1.2 geltend gemacht werden; 4.3 – teilweise abweichend von Ziff. 5.1 der MusterTarifstruktur IX – welche vor Gerichten außerhalb Deutschlands geltend gemacht werden – dies gilt auch im Falle der Vollstreckung von Urteilen, die außerhalb Deutschlands gefällt wurden –; – wegen Verletzung oder Nichtbeachtung des Rechts ausländischer Staaten
Koch
A1-6 AVB PHV
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
b) Rückwärtsversicherung für vorvertragliche Benachteiligungen 1 Zusätzlich besteht auch Versicherungsschutz für Benachteiligungen, die innerhalb eines Zeitraums von … Jahren vor Vertragsbeginn begangen wurden. 2Dies gilt jedoch nicht für solche Benachteiligungen, die der VN bei Abschluss dieses Versicherungsvertrags kannte. c) Nachmeldefrist für Anspruchserhebung nach Vertragsbeendigung Der Versicherungsschutz umfasst auch solche Anspruchserhebungen, die auf Benachteiligungen beruhen, die bis zur Beendigung des Versicherungsvertrags begangen und innerhalb eines Zeitraumes von … Jahren nach Beendigung des Versicherungsvertrags erhoben und dem VR gemeldet worden sind. d) Vorsorgliche Meldung von möglichen Inanspruchnahmen 1 Der VN hat die Möglichkeit, dem VR während der Laufzeit des Vertrags konkrete Umstände zu melden,die seine Inanspruchnahme hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. 2Im Fall einer tatsächlich späteren Inanspruchnahme, die aufgrund eines gemeldeten Umstandes spätestens innerhalb einer Frist von … Jahren erfolgen muss, gilt die Inanspruchnahme als zu dem Zeitpunkt der Meldung der Umstände erfolgt.
Zusätzlich besteht auch Versicherungsschutz für Benachteiligungen, die innerhalb eines Zeitraums von … Jahren vor Vertragsbeginn begangen wurden. 2.4 Nachmeldefrist für Anspruchserhebung nach Vertragsbeendigung Der Versicherungsschutz umfasst auch solche Anspruchserhebungen, die auf Benachteiligungen beruhen, die bis zur Beendigung des Versicherungsvertrages begangen und innerhalb eines Zeitraumes von … Jahren nach Beendigung des Versicherungsvertrages erhoben und dem VR gemeldet worden sind. 2.5 Meldung von Umständen 1 Der VN und die versicherten Personen haben die Möglichkeit, dem VR während der Laufzeit des Vertrages konkrete Umstände zu melden, die eine Inanspruchnahme des VN und/oder der versicherten Person hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. 2 Im Fall einer tatsächlich späteren Inanspruchnahme, die aufgrund eines gemeldeten Umstandes spätestens innerhalb einer Frist von … Jahren erfolgen muss, gilt die Inanspruchnahme als zu dem Zeitpunkt der Meldung der Umstände erfolgt.
A1-6.17.4 Versicherungssummen und Selbstbeteiligung Variante für getrennte Versicherungssummen: 1 Die Versicherungssumme für Schäden aus Benachteiligung beträgt je Versicherungsfall EUR … 2 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3Abhängig von der Schadenart erfolgt eine Anrechnung auf die jeweilige Personen-, Sach- oder VermögensschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung Variante für pauschale Versicherungssummen: 1 Die Versicherungssumme für Schäden aus Benachteiligung beträgt je Versicherungsfall EUR … 2 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 4Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN EUR …
3. Versicherungsumfang 3.1 Für den Umfang der Leistung des VR ist die im Versicherungsschein angegebene Versicherungssumme der Höchstbetrag für jeden Versicherungsfall und für alle während eines Versicherungsjahres eingetretenen Versicherungsfälle zusammen. 3.2 In jedem Versicherungsfall beteiligt sich der VN mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt).
A1-6.17.5 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind a) Versicherungsansprüche aller Personen, soweit sie den Schaden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche
4. Ausschlüsse Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche 4.1 gegen den VN und/oder die mitversicherten Personen, soweit sie den Schaden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche
Koch
614
Besondere Regelungen für einzelne private Risiken
A1-6 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Pflichtverletzung herbeigeführt haben. A1-2.3 findet keine Anwendung; b) Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz mit Strafcharakter; hierunter fallen auch Strafen, Buß- und Ordnungs- oder Zwangsgelder, die gegen den Versicherungsnehmer oder die mitversicherten Personen verhängt worden sind; c) Ansprüche wegen – Gehalt, – rückwirkenden Lohnzahlungen,Pensionen, Renten, Ruhegeldern, betrieblicher Altersversorgung, – Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhält-nissen und Sozialplänen sowie – Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
Pflichtverletzung herbeigeführt haben; dem VN und/oder den mitversicherten Personen werden die Handlungen oder Unterlassungen nicht zugerechnet, die ohne ihr Wissen begangen worden sind; 4.4 auf Entschädigung und/oder Schadenersatz mit Strafcharakter; hierunter fallen auch Strafen, Buß- und Ordnungs- oder Zwangsgelder, die gegen den VN oder die mitversicherten Personen verhängt worden sind; 4.5 wegen Gehalt, rückwirkenden Lohnzahlungen, Pensionen, Renten, Ruhegeldern, betrieblicher Altersversorgung, Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und Sozialplänen sowie Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
Die Regelung in A1-6.17 AVB PHV, die mit der Überschrift „Ansprüche aus Benachteiligungen“ 21 versehen ist, entspricht im Kern Ziff. 10 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Abweichend von Ziff. 10 Nr. 3 BBR PHV sieht A1-6.17.4 AVB PHV eine Variante für getrennte Versicherungssummen und eine Variante für pauschale Versicherungssummen vor. A1-6.17.5 lit. a) AVB PHV entspricht Ziff. 10 Nr. 4.1 BBR PHV, A1-6.17.5 lit. b) AVB PHV ent- 22 spricht Ziff. 10 Nr. 4.4 BBR PHV. A1-6.17.5 lit. c) AVB PHV entspricht Ziff. 10 Nr. 4.5 BBR PHV.
615
Koch
A1-7.1 AVB PHV
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:
1 Der den Ausschlusstatbeständen vorangestellte Eingangssatz in A1-7 AVB PHV ist inhaltlich identisch mit dem in Ziff. 7 AHB 2016 (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 20 ff.).
A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
7.1 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben.
2 A1-7.1 Satz 1 AVB PHV ist identisch mit Ziff. 7.1 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 38 ff.). Der Hinweis in A1-7.1 Satz 2 AVB PHV, dass A1-2.3 AVB PHV keine Anwendung findet, spielt für die AHB keine Rolle, da diese keine mit A12.3 AVB PHV vergleichbare Regelung enthalten.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-062
616
A1-7.3 AVB PHV
A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Arbeiten und sonstigen Leistungen AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben. A1-2.3 findet keine Anwendung.
7.2 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben.
A1-7.2 Satz 1 AVB PHV ist identisch mit Ziff. 7.2 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung 3 verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 120 ff.). Der Hinweis, dass A1-2.3 AVB PHV keine Anwendung findet, spielt für die AHB keine Rolle, da diese keine mit A1-2.3 AVB PHV vergleichbare Regelung enthalten.
A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander Ausgeschlossen sind Ansprüche a) des VN selbst oder der in A1-7.4 benannten Personen gegen die mitversicherten Personen, b) zwischen mehreren VNn desselben Versicherungsvertrags, c) zwischen mehreren mitversicherten Personen desselben Versicherungsvertrags. Diese Ausschlüsse erstrecken sich auch auf Ansprüche von Angehörigen der vorgenannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.4 Haftpflichtansprüche (1) des VN selbst oder der in Ziff. 7.5 benannten Personen gegen die Mitversicherten, (2) zwischen mehreren VNn desselben Versicherungsvertrages, (3) zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages. zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
A1-7.3 AVB PHV ist identisch mit Ziff. 7.4 AHB 2016 (nebst Zusatz), sodass auf die dortige Kom- 4 mentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 164 ff.).
617 https://doi.org/10.1515/9783110522686-064
Koch
A1-7.4 AVB PHV
A1-7.4 Schadensfälle von Angehörigen des VN, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.4 Schadenfälle von Angehörigen des VN und von wirtschaftlich verbundenen Personen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche gegen den VN a) aus Schadenfällen seiner Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; Als Angehörige gelten – Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarePartnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, – Eltern und Kinder, – Adoptiveltern und -kinder, – Schwiegereltern und -kinder, – Stiefeltern und -kinder, – Großeltern und Enkel, – Geschwister sowie – Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältniswie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind). b) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; c) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; d) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der Versicherungsnehmer eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; e) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschafts-gesellschaft ist; f) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern. 2 Die Ausschlüsse unter b) bis f) gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.5 Haftpflichtansprüche gegen den VN (1) aus Schadensfällen von seinen Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; Als Angehörige gelten Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarer Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind). (2) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; (3) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; (4) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; (5) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; (6) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern; zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
5 A1-7.4 AVB PHV ist identisch mit Ziff. 7.5 AHB 2016 (nebst Zusatz), sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 174 ff.). Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-065
618
A1-7.5 AVB PHV
A1-7.5 Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.5 Leasing, Pacht, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN oder ein Bevollmächtigter oder Beauftragter des VN diese Sachen geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrags sind.
7.6 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN diese Sachen gemietet, geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages. Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7: Sind die Voraussetzungen der Ausschlüsse in Ziff. 7.6 und Ziff. 7.7 in der Person von Angestellten, Arbeitern, Bediensteten, Bevollmächtigten oder Beauftragten des VN gegeben, so entfällt gleichfalls der Versicherungsschutz, und zwar sowohl für den VN als auch für die durch den Versicherungsvertrag etwa mitversicherten Personen.
A1-7.5 AVB PHV weicht insoweit von Ziff. 7.6 AHB 2016 ab, als Schäden an Sachen, die der VN gemie- 6 tet hat, nicht mehr als Ausschlusstatbestand aufgeführt sind. Für diese besteht jedoch nicht uneingeschränkt Deckung nach A1-1 AVB PHV, sondern nur im Rahmen des A1-6.6.1 AVB PHV, d.h. beschränkt auf Schäden an den gemieteten Räumen. Hinsichtlich aller sonstigen Begrifflichkeiten sei auf die Kommentierung von Ziff. 7.6 AHB 2016 verwiesen (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 199 ff.).
619 https://doi.org/10.1515/9783110522686-066
Koch
A1-7.7 AVB PHV
A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dies gilt auch dann, wenn die Schadenursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
7.8 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dies gilt auch dann, wenn die Schadenursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
7 A1-7.6 AVB PHV entspricht Ziff. 7.8 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 297 ff.).
A1-7.7 Asbest AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.7 Asbest Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
7.11 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
8 A1-7.7 AVB PHV entspricht Ziff. 7.11 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 350 f.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-068
620
A1-7.9 AVB PHV
A1-7.8 Gentechnik
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.8 Gentechnik Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf a) gentechnische Arbeiten, b) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), c) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus GVO oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
7.13 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
A1-7.8 AVB PHV entspricht Ziff. 7.13 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 9 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 357 ff.).
A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen.
7.16 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen.
A1-7.6 AVB PHV entspricht Ziff. 7.16 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 10 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 411 f.).
621 https://doi.org/10.1515/9783110522686-070
Koch
A1-7.11 AVB PHV
A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierung Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen.
7.17 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen.
11 A1-7.10 AVB PHV entspricht Ziff. 7.17 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 413 ff.).
A1-7.11 Übertragung von Krankheiten AVB PHV
AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.11 Übertragung von Krankheiten Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN resultieren, b) Sachschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.
7.18 1Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN resultieren. 2 Das Gleiche gilt für Sachschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 3In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.
12 A1-7.11 AVB PHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.18 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 417 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-072
622
A1-7.13 AVB PHV
A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, welche entstehen durch a) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, b) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer
7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (2) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, (3) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
A1-7.12 AVB PHV entspricht Ziff. 7.14 (2) und (3) AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung 13 verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 384 ff.).
A1-7.13 Strahlen AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.13 Strahlen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen stehen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen).
7.12 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen mit energiereichen ionisierenden Strahlen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen).
A1-7.13 AVB PHV entspricht Ziff. 7.12 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 14 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 353 ff.).
623 https://doi.org/10.1515/9783110522686-074
Koch
A1-7.15 AVB PHV
A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger Ausgeschlossen sind Ansprüche gegen den Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer eines Kfz oder Kfz-Anhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden. A1-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 3 BBR PHV Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeuge 3.1 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs oder Kfz-Anhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden.
15 A1-7.14 AVB PHV entspricht – beschränkt auf Kfz/-Anhänger – Ziff. 3.1 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.
A1-7.15 Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.15 Ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen wegen Schäden durch eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung. A1-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 1 BBR PHV Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus (1) … (2) oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung.
16 A1-7.15 AVB PHV entspricht Ziff. 1 Satz 2 (2) BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 1 BBR PHV Rn. 31 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-076
624
A1-7.16 AVB PHV
A1-7.16 Verantwortliche Betätigung in Vereinigung aller Art
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.16 Verantwortliche Betätigung in Vereinigung aller Art Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art.
Ziff. 1 Versicherte Eigenschaften, Tätigkeiten (versichertes Risiko) Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus (1) einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art.
A1-7.16 AVB PHV entspricht Ziff. 1 Satz 2 (1) BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung 17 verwiesen werden kann (Ziff. 1 BBR PHV Rn. 28 ff.).
625 https://doi.org/10.1515/9783110522686-077
Koch
A1-8 AVB PHV
A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen)
Teil A
BBR PHV/AHB 2016
Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) Versichert ist auch die gesetzliche Haftpflicht des VN A1-8.1 1aus Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos. 2 Dies gilt nicht – für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie – für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen. A1-8.2 1aus Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. 2In diesen Fällen ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 3 Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
Ziff. 3 AHB Versichertes Risiko 3.1 Der Versicherungsschutz umfasst die gesetzliche Haftpflicht (2) 1aus Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. 2Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen, (3) aus Risiken, die für den VN nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung) und die in Ziff. 4 näher geregelt sind. 3.2 1Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. 2Der VR kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 21 kündigen.
1 A1-8 AVB PHV ist mit der Überschrift „Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen)“ versehen. A1-8.1 AVB PHV entspricht Ziff. 3.1 (2) und A1-8.2 Satz 1 entspricht Ziff. 3.2 Satz 1 AHB 2016, so dass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 13 ff.). Der Inhalt der Kündigungsregelung in Ziff. 21 AHB 2016 im Fall der Änderung oder des Erlasses von Rechtsvorschriften hat Eingang in A1-8.2 Satz 2 und 3 BBR PHV gefunden.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-078
626
A1-9 AVB PHV
A1-9 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-9 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A 1-9.1 1Im Umfang des bestehenden Vertrags ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrags neu entstehen, sofort versichert. 2 Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 3Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 4Unterlässt der VN die rechtzeitige Anzeige, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 5 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. 6 Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 7Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. A1-9.2 Variante für getrennte Versicherungssummen: Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von A1-9.1 Absatz 4 auf den Betrag von EUR … für Personenschäden und EUR … für Sach-schäden und – soweit vereinbart –EUR … für Vermögensschäden begrenzt. Variante für pauschale Versicherungssummen: Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von A1-9.1 Absatz 4 auf den Betrag von EUR … für Personen- und Sachschäden und – soweit vereinbart – EUR … für Vermögensschäden begrenzt. A1-9.3 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für a) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; b) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; c) Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen;
627 https://doi.org/10.1515/9783110522686-079
Ziff. 4 AHB Vorsorgeversicherung 4.1 Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu entstehen, sind im Rahmen des bestehenden Vertrages sofort versichert. (1) 1Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 2 Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 3Unterlässt der VN die rechtzeitige Anzeige, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 4Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. (2) 1Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 2Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 4.2 Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von Ziff. 4.1 (2) auf den Betrag von EUR … für Personenschäden und EUR … für Sachschäden und – soweit vereinbart – EUR … für Vermögensschäden begrenzt, sofern nicht im Versicherungsschein geringere Versicherungssummen festgesetzt sind. 4.3 1Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für Risiken (1) aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; (2) aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; (3) die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; (4) die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind. 2 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt bei privaten Haftpflichtversicherungen außerdem nicht für Risiken aus betrieblicher, beruflicher, dienstlicher und amtlicher Tätigkeit.
Koch
A1-9 AVB PHV
Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung)
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
d) Risiken, die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind; e) Risiken aus betrieblicher, beruflicher, dienstlicher und amtlicher Tätigkeit.
1 A1-9.1 Satz 1 bis 7 AVB PHV entspricht Ziff. 4.1 (1) und (2) AHB 2016. A1-9.2 AVB PHV sieht abweichend von Ziff. 4.2 AHB 2016 je eine Variante für getrennte und für pauschale Versicherungssummen vor. A1-9.3 lit. a) bis lit. d) AVB PHV entsprechen Ziff. 4.3 Satz 1 (1) bis (4), A1-9.3 lit. e) AVB PHV entspricht Ziff. 4.3 Satz 2 AHB 2016. Zu Einzelheiten s. die Kommentierung von Ziff. 4 AHB 2016.
Koch
628
A1-10 AVB PHV
A1-10 Fortsetzung der Privathaftpflichtversicherung nach dem Tod des VN
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Privathaftpflichtrisiko A1-10 Fortsetzung der Privathaftpflichtversicherung nach dem Tod des VN 1 Nach dem Tod des VN besteht der bedingungsgemäße Versicherungsschutz bis zum nächsten Beitragsfälligkeitstermin fort. 2Das gilt – für den mitversicherten Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner des Versicherungsnehmers und/oder – unverheiratete und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Kinder des VN. 3 Wird die nächste Beitragsrechnung durch den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner beglichen, so wird dieser VN.
Ziff. 5 BBR PHV Auslandsaufenthalt; Mietsachschäden; Fortführung nach Tod 5.3 1Für die Fortsetzung der Privathaftpflicht-V nach dem Tod des VN gilt: 2 Für den mitversicherten Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner* des VN und/oder unverheiratete und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft* lebende Kinder des VN besteht der bedingungsgemäße Versicherungsschutz im Falle des Todes des VN bis zum nächsten Beitragsfälligkeitstermin fort. 3Wird die nächste Beitragsrechnung durch den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner* eingelöst, so wird dieser VN.
A1-10 AVB PHV entspricht inhaltlich Ziff. 5 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung 1 verwiesen wird (Ziff. 5 BBR PHV Rn. 31).
629 https://doi.org/10.1515/9783110522686-080
Koch
A2 AVB PHV
A2 Besondere Umweltrisiken
AVB PHV
BB Gewässer/BBR PHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A2 Besondere Umweltrisiken Der Versicherungsschutz für Gewässerschäden – abweichend von A1-6.4 – und für Schäden nach dem Umweltschadensgesetz (USchadG) besteht im Umfang von Abschnitt A1 und den folgenden Bedingungen. Zur gesetzlichen Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen (Allgemeines Umweltrisiko) siehe A1-6.4.
1 Abschnitt A2 betrifft den Versicherungsschutz für Gewässerschäden und für Schäden nach dem Umweltschadensgesetz (USchadG). Die „Besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden im Rahmen der Privat- sowie Haus- und GrundbesitzerHaftpflichtversicherung – außer Anlagenrisiko“ (BB Gewässer) sind in die AVB PHV integriert worden.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-081
630
A2-1 AVB PHV
A2-1 Gewässerschäden AVB PHV
BB Gewässer/BBR PHV/AHB 2016
Teil A A2-1 Gewässerschäden A2-1.1 Umfang des Versicherungsschutzes 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN für unmittelbare oder mittelbare Folgen einer nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit eines Gewässers einschließlich des Grundwassers (Gewässerschäden). 2Hierbei werden Vermögensschäden wie Sachschäden behandelt. 3 Sofern diese Gewässerschäden aus der Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen aus Anlagen, deren Betreiber der VN ist, resultieren, besteht Versicherungsschutz ausschließlich für Anlagen bis … l/kg Inhalt (Kleingebinde) soweit das Gesamtfassungsvermögen der vorhandenen Behälter … l/kg nicht übersteigt. 4Wenn mit den Anlagen die o.g. Beschränkungen überschritten werden, entfällt dieser Versicherungsschutz. 5Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A1-9).
Ziff. 2 BBR PHV Mitversichert ist […] Ziff. 2.4 BBR PHV 1im Rahmen der Besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden im Rahmen der Privat- sowie Hausund Grundbesitzer-Haftpflicht-Versicherung – außer Anlagenrisiko – das sog. Restrisiko. 2 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden bis … l/kg Inhalt soweit das Gesamtfassungsvermögen der vorhandenen Behälter … l/kg nicht übersteigt. 3Wenn mit den Anlagen die o.g. Beschränkungen überschritten werden, entfällt dieser Versicherungsschutz. 4Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung.
A2-1.2 Rettungskosten 1 Der VR übernimmt – Aufwendungen, auch erfolglose, die der VN im Versicherungsfall zur Abwendung oder Minderung des Schadens für geboten halten durfte (Rettungskosten), sowie – außergerichtliche Gutachterkosten. 2 Dies gilt nur insoweit, als diese Rettungs- und Gutachterkosten zusammen mit der Entschädigungsleistung die Versicherungssumme für Sachschäden nicht übersteigen. 3Auf Weisung des VR aufgewendete Rettungs- und außergerichtliche Gutachterkosten werden auch insoweit von ihm übernommen, als sie zusammen mit der Entschädigung die Versicherungssumme für Sachschäden übersteigen. 4Eine Billigung des VR von Maßnahmen des VN oder Dritter zur Abwendung oder
Ziff. 2 BB Gewässer Rettungskosten 1 Aufwendungen, auch erfolglose, die der VN im Versicherungsfall zur Abwendung oder Minderung des Schadens für geboten halten durfte (Rettungskosten), sowie außergerichtliche Gutachterkosten werden vom VR insoweit übernommen, als sie zusammen mit der Entschädigungsleistung die Versicherungssumme für Sachschäden nicht übersteigen. 2Für Gerichts- und Anwaltskosten bleibt es bei der Regelung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung. 3 Auf Weisung des VR aufgewendete Rettungs- und außergerichtliche Gutachterkosten sind auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit der Entschädigung die Versicherungssumme für Sachschäden übersteigen. 4Eine Billigung des VR von Maßnahmen des VN oder Dritter zur
631 https://doi.org/10.1515/9783110522686-082
Ziff. 1 BB Gewässer Gegenstand der Versicherung Versichert ist im Umfang des Vertrages, wobei Vermögensschäden wie Sachschäden behandelt werden, die gesetzliche Haftpflicht des VN für unmittelbare oder mittelbare Folgen von Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit eines Gewässers einschließlich des Grundwassers (Gewässerschäden) mit Ausnahme der Haftpflicht als Inhaber von Anlagen zur Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen und aus der Verwendung dieser gelagerten Stoffe. (Versicherungsschutz hierfür wird ausschließlich durch besonderen Vertrag gewährt.)
Koch
A2-1 AVB PHV
Gewässerschäden
AVB PHV
BB Gewässer/BBR PHV/AHB 2016
Minderung des Schadens gilt nicht als Weisung des VR.
Abwendung oder Minderung des Schadens gilt nicht als Weisung des VR.
A2-1.3 Ausschlüsse a) 1Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden durch vorsätzliches Abweichen von dem Gewässerschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, an den VN gerichtetenbehördlichen Anordnungen oder Verfügungen herbeigeführt haben. 2A1-2.3 findet keine Anwendung. b) 1Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich – auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder – unmittelbar auf hoheitlichen Verfügungen oder Maßnahmen beruhen. 2Das Gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben.
Ziff. 3 BB Gewässer Ausschlüsse 3.1 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden durch vorsätzliches Abweichen von dem Gewässerschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen herbeigeführt haben. 3.2 1Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die mittelbar oder unmittelbar auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik (in der Bundesrepublik oder in einem Bundesland) oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen. 2Das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben.
Übersicht 1
D.
Besondere Ausschlüsse (A2-1.3 AVB PHV)
Rest- und Anlagenrisiko (A2-1.1 AVB 2 PHV)
I.
Vorsatzausschluss (A2-1.3 lit. a) AVB 6 PHV)
Rettungskosten und außergerichtliche Gut4 achterkosten (A2-1.2 AVB PHV)
II.
Gemeingefahren (A2-1.3 lit. b) AVB PHV)
A.
Inhalt und Zweck
B.
C.
8
A. Inhalt und Zweck 1 A2-1 AVB PHV beschreibt den Umfang der Deckung für Gewässerschäden, für die nach A1-6.4 Satz 3 AVB PHV kein Versicherungsschutz im Rahmen der Versicherung der Privathaftpflichtrisiken besteht. A2-1 AVB PHV fasst Ziff. 2.4 BBR PHV (Ziff. 2 BBR PHV Rn. 25) und Ziff. 1 BB Gewässer zusammen.
B. Rest- und Anlagenrisiko (A2-1.1 AVB PHV) 2 Gedeckt ist nach A2-1.1 Satz 1 und 2 AVB PHV das sog. Restrisiko aus der Haftpflicht für Gewässerschäden. Im Zentrum steht die Gefährdungshaftung nach § 89 Abs. 1 und 2 WHG. Das Anlagenrisiko ist nach A2-1.1 Satz 3 AVB PHV (Ziff. 2.4 Satz 2 BBR PHV) nur bis zu einem bestimmten, vertraglich festzulegenden Fassungsvermögen versichert (Kleingebinde). Auch für das Gesamtfassungsvermögen der Anlagen (Behälter) ist vertraglich eine Höchstgrenze festzulegen. Wenn diese Grenzen überschritten werden, besteht Versicherungsschutz gem. A2-1.1 Satz 5 AVB PHV (Ziff. 2.4 Satz 4 BBR PHV) nur im Rahmen der Vorsorgeversicherung.
Koch
632
D. Besondere Ausschlüsse (A2-1.3 AVB PHV)
A2-1 AVB PHV
Der Begriff der Anlage ist von der Zielsetzung von A2-1 AVB PHV so zu verstehen wie in § 89 3 Abs. 2 WHG.1 Darunter sind alle ortsfesten oder ortsveränderlichen Einrichtungen, mit denen im Allgemeinen für eine gewisse Dauer bestimmte in § 89 Abs. 2 WHG im einzelnen aufgeführte Zwecke mit technischen Mitteln verfolgt werden, wobei als derartiger Zweck in der Privathaftpflichtversicherung nur das Lagern von gewässerschädlichen Stoffen und deren Verwendung in Betracht kommt. Gekennzeichnet ist die Anlage als solche durch eine gewisse Selbständigkeit und Dauer. Als Anlagen sind u.a. angesehen worden Öltanks2 und Dieselölfässer.3
C. Rettungskosten und außergerichtliche Gutachterkosten (A2-1.2 AVB PHV) Nach A2-1.2 Satz 1 AVB PHV übernimmt der VR Aufwendungen, auch erfolglose, die der VN im 4 Versicherungsfall zur Abwendung oder Minderung des Schadens für geboten halten durfte (Rettungskosten) (Spiegelstrich 1), sowie außergerichtliche Gutachterkosten (Spiegelstrich 2) bis zur Höhe der Versicherungssumme für Sachschäden. Darüber hinausgehende Kosten übernimmt der VR nur dann, wenn diese Kosten aufgrund von Weisungen des VR entstanden sind. Diese Regelung stimmt inhaltlich mit Ziff. 2 BB Gewässer überein und entspricht – soweit es die Rettungskosten angeht – § 83 Abs. 1 und 3 VVG. Der Anspruch auf Rettungskostenersatz ist jedoch – ähnlich wie § 90 VVG – von § 82 VVG entkoppelt. Verletzt der VN seine Obliegenheit nach § 82 Abs. 1 VVG ist der VR deshalb nicht gem. § 83 Abs. 2 VVG zur Kürzung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz gem. A2-1.2 Satz 1 AVB PHV berechtigt. Hinsichtlich der Begrenzung bei Gutachterkosten weicht A2-1.2 Satz 1 Spiegelstrich 2 AVB 5 PHV von § 85 Abs. 1 Satz 2 VVG ab. Hierdurch wird der VN jedoch nicht unbillig i.S.v. §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligt, da diese Beschränkung nicht gilt, wenn die Überschreitung durch eine Weisung des VR veranlasst ist.
D. Besondere Ausschlüsse (A2-1.3 AVB PHV) I. Vorsatzausschluss (A2-1.3 lit. a) AVB PHV) Nach A2-1.3 lit. a) AVB PHV, der Ziff. 3.1 BB Gewässer entspricht, sind Versicherungsansprüche 6 aller Personen ausgeschlossen, die den Schaden durch vorsätzliches Abweichen von dem Gewässerschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen herbeigeführt haben. Diesem Zweck dienen das WHG sowie Rechtsverordnungen und Verwaltungsakte, die auf Grundlage des WHG erlassen wurden. Nach dem Wortlaut von A2-1.3 lit. a) AVB PHV ist ein bewusster Verstoß des VN nicht erfor- 7 derlich, sodass bedingter Vorsatz genügt.4
II. Gemeingefahren (A2-1.3 lit. b) AVB PHV) Der Ausschluss gem. A2-1.3 lit. b) AVB PHV entspricht Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV (Ziff. 7.4 BBR BHV 8 Rn. 2). Bei Schäden, die auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand sowie der Auswirkung elementarer Naturkräfte beruhen (vgl. A1-17 AVB Cyber Rn. 5 ff.), wird es oftmals an 1 2 3 4
Vgl. OLG Karlsruhe 3.12.1992 – 4 U 220/92, RuS 1993 291; OLG Saarbrücken 11.1.1989 – 5 U 13/88, RuS 1990 195. Vgl. BGH 22.7.1999 – III ZR 198-98, BGHZ 142 227, 229 f., 231 = NJW 1999 3633. Vgl. BGH 17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW 1986 2312, 2313. So zu Recht Prölss/Martin/Lücke Ziff. 3 PH Gewässer Rn. 20; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski AVB PHV A2-1 Rn. 10; a.A. OLG Koblenz 15.1.1999 – 10 U 1802/97, VersR 2000 174.
633
Koch
A2-1 AVB PHV
Gewässerschäden
einem schuldhaften Verhalten des VN und damit auch an einem Schadensersatzanspruch des Dritten fehlen. Der Ausschluss ist deshalb vornehmlich von Bedeutung für die Anspruchsabwehr, die der VR nicht zu erbringen hat. Im Unterschied zu Ziff. 3.2 BB Gewässer werden auch Schäden durch illegalen Streik und durch einen Generalstreik außerhalb Deutschlands von der Deckung ausgenommen.
Koch
634
A2-2 AVB PHV
A2-2 Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A A2-2 Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG)
Ziff. 7 BBR PHV Öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG)
Ein Umweltschaden im Sinne des Umweltschadensgesetzes (USchadG) ist eine a) Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, b) Schädigung der Gewässer einschließlich Grundwasser, c) Schädigung des Bodens.
Ziff. 7.1 Satz 4 Umweltschaden ist eine Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer einschließlich Grundwasser, – Schädigung des Bodens.
A2-2.1 1 Versichert sind – abweichend von A1-3.1 – den VN betreffende öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß USchadG, soweit während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrags – die schadenverursachenden Emissionen plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig in die Umwelt gelangt sind oder – die sonstige Schadenverursachung plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig erfolgt ist. 2 Auch ohne Vorliegen einer solchen Schadenverursachung besteht Versicherungsschutz für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 3Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko). 4 Versichert sind darüber hinaus den VN betreffende Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden an eigenen, gemieteten, geleasten, gepachteten oder geliehenen Grundstücken, soweit diese Grundstücke vom Versicherungsschutz dieses Vertrags erfasst sind.
7.1 1 Mitversichert sind abweichend von Ziff. 1.1 AHB öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG), soweit während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages – die schadenverursachenden Emissionen plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig in die Umwelt gelangt sind oder – die sonstige Schadenverursachung plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig erfolgt ist. 2 Auch ohne Vorliegen einer solchen Schadenverursachung besteht Versicherungsschutz für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 3Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko). 4… 5 Mitversichert sind, teilweise abweichend von Ziff. 7.6 AHB, Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden an eigenen, gemieteten, geleasten, gepachteten oder geliehenen Grundstücken, soweit diese Grundstücke vom Versicherungsschutz dieses Vertrages erfasst sind.
A2-2.2 Ausland Versichert sind im Umfang von A1-6.14 die im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) eintretenden Versicherungsfälle. 2 Versichert sind insoweit auch die den VN betreffende Pflichten oder Ansprüche gemäß nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EU-Mitgliedstaaten,
7.4 Ausland Versichert sind abweichend von Ziff. 7.9 AHB und Muster-Tarifstruktur IX Ziff. 5.1 im Umfang dieses Versicherungsvertrages im Geltungsbereich der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) eintretende Versicherungsfälle. 2 Versicherungsschutz besteht insoweit abweichend von Ziff. 7.9 AHB auch für Pflichten oder Ansprüche gemäß
1
635 https://doi.org/10.1515/9783110522686-083
1
Koch
A2-2 AVB PHV
Sanierung von Umweltschäden
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der o.g. EU-Richtlinie nicht überschreiten.
nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EUMitgliedstaaten, sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der o.g. EU-Richtlinie nicht überschreiten.
A2-2.3 Ausschlüsse 7.2 Nicht versichert sind a) 1Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche (1) Pflichten oder Ansprüche soweit sich diese gegen die aller Personen, die den Schaden dadurch Personen (Versicherungsnehmer oder ein verursacht haben, dass sie bewusst von Gesetzen, Mitversicherter) richten, die den Schaden dadurch Verordnungen oder an den VN gerichteten verursacht haben, dass sie bewusst von Gesetzen, behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die Verordnungen oder an den Versicherungsnehmer gerichteten behördlichen Anordnungen oder dem Umweltschutz dienen, abweichen. 2A1-2.3 findet keine Anwendung. Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, b) Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche abweichen. wegen Schäden (2) Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden (1) die durch unvermeidbare, notwendige oder in (a) die durch unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt entstehen entstehen. (2) für die der VN aus einem anderen (b) für die der Versicherungsnehmer aus einem Versicherungsvertrag (z.B. anderen Versicherungsvertrag (z.B. Gewässerschadenhaftpflichtversicherung) Gewässerschadenhaftpflichtversicherung) Versicherungsschutz hat oder hätte erlangen Versicherungsschutz hat oder hätte erlangen können. können. A2-2.4 Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall EUR …und die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR …
7.3 Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der gemäß AT Ziff. 2 vereinbarten Versicherungssumme EUR …
1 A2-2 AVB PHV entspricht inhaltlich Ziff. 7 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch
636
A3 AVB PHV
A3 Forderungsausfallrisiko Abschnitt A3 Forderungsausfallrisiko
Ziff. 8 BBR PHV Forderungsausfalldeckung
Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A3-1 Gegenstand der Forderungsausfalldeckung A3-1.1 1Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der VN oder eine gemäß A1-2 mitversicherte Person während der Wirksamkeit der Versicherung von einem Dritten geschädigt wird (Versicherungsfall) unter folgenden Voraussetzungen: – Der wegen dieses Schadenereignisses in Anspruch genommene Dritte kann seiner Schadensersatzverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen, weil die Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des schadensersatzpflichtigen Dritten festgestellt worden ist und – die Durchsetzung der Forderung gegen den Dritten ist gescheitert. 2 Ein Schadenereignis ist ein Ereignis, das einen Personen-, Sach- oder daraus resultierenden Vermögensschaden zur Folge hat und für den der Dritte aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts zum Schadensersatz verpflichtet ist (schädigender Dritter). A3-1.2 1Der VR ist in dem Umfang leistungspflichtig, in dem der schadensersatzpflichtige Dritte Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der in Abschnitt A1 geregelten Privat-Haftpflichtversicherung des VN hätte. 2Daher finden im Rahmen der Forderungsausfalldeckung für die Person des Schädigers auch die Risikobeschreibungen und Ausschlüsse Anwendung, die für den VN gelten. 3So besteht insbesondere kein Versicherungsschutz, wenn der Schädiger den Schaden im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verursacht hat oder wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. 4 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 5 Mitversichert sind – abweichend von A1-6.9 – gesetzliche Haftpflichtansprüche gegen Dritte aus der Eigenschaft des Schädigers als privater Halter eines Hundes oder Pferdes.
1. Gegenstand der Forderungsausfalldeckung 1.1 1Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der VN oder eine gemäß Ziff. 2.1 und 2.2 Mustertarifstruktur IX mitversicherte Person während der Wirksamkeit der Versicherung von einem Dritten geschädigt wird (Versicherungsfall) und der wegen dieses Schadenereignisses in Anspruch genommene Dritte seiner Schadenersatzverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen kann, weil die Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des schadenersatzpflichtigen Dritten festgestellt worden ist und die Durchsetzung der Forderung gegen ihn gescheitert ist. 2 Ein Schadenereignis ist ein Ereignis, das einen Personen-, Sach- oder daraus resultierenden Vermögensschaden zur Folge hat und für den der Dritte aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts zum Schadenersatz verpflichtet ist (schädigender Dritter). 1.2 1Der VR ist in dem Umfang leistungspflichtig, in dem der schadenersatzpflichtige Dritte Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der PrivatHaftpflichtversicherung des VN hätte. 2Daher finden im Rahmen der Forderungsausfalldeckung für die Person des Schädigers auch die Risikobeschreibungen und Ausschlüsse Anwendung, die für den VN gelten. 3So besteht insbesondere kein Versicherungsschutz, wenn der Schädiger den Schaden im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verursacht hat oder wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. 4 Soweit gesondert vereinbart: 5 Mitversichert sind in Abänderung von Ziffer 1.87 BBR gesetzliche Haftpflichtansprüche gegen Dritte aus der Eigenschaft des Schädigers als privater Halter eines Hundes oder Pferdes.
A3-2 Leistungsvoraussetzungen Der VR ist gegenüber dem VN oder einer gemäß A1-2 mitversicherten Person leistungspflichtig, wenn A3-2.1 1die Forderung durch ein rechtskräftiges Urteil oder einen vollstreckbaren Vergleich vor einem
2. Leistungsvoraussetzungen Der VR ist gegenüber dem VN oder einer gemäß Ziff. 2.1 und 2.2 Mustertarifstruktur IX mitversicherten Person leistungspflichtig, wenn 2.1 1die Forderung durch ein rechtskräftiges Urteil oder
637 https://doi.org/10.1515/9783110522686-084
Koch
A3 AVB PHV
Forderungsausfallrisiko
Abschnitt A3 Forderungsausfallrisiko
Ziff. 8 BBR PHV Forderungsausfalldeckung
ordentlichen Gericht in der Bundesrepublik Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegens, Island und Liechtenstein festgestellt worden ist. 2 Anerkenntnis-, Versäumnisurteile und gerichtliche Vergleiche sowie vergleichbare Titel der vorgenannten Länder binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne einen dieser Titel bestanden hätte A3-2.2 1der schädigende Dritte zahlungs- oder leistungsunfähig ist. 2Dies ist der Fall, wenn der VN oder eine mitversicherte Person nachweist, dass – eine Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat, – eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint, da der schadensersatzpflichtige Dritte in den letzten drei Jahren die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat oder – ein gegen den schadensersatzpflichtigen Dritten durchgeführtes Insolvenzverfahren nicht zur vollen Befriedigung geführt hat oder ein solches Verfahren mangels Masse abgelehnt wurde, und A3-2.3 an den VR die Ansprüche gegen den schadensersatzpflichtigen Dritten in Höhe der Versicherungsleistung abgetreten werden und die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils oder Vergleichs ausgehändigt wird. 3Der VN hat an der Umschreibung des Titels auf den VR mitzuwirken.
einen vollstreckbaren Vergleich vor einem ordentlichen Gericht in der Bundesrepublik Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegens, Island und Liechtenstein festgestellt worden ist. 2Anerkenntnis-, Versäumnisurteile und gerichtliche Vergleiche sowie vergleichbare Titel der vorgenannten Länder binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne einen dieser Titel bestanden hätte 2.2 1der schädigende Dritte zahlungs- oder leistungsunfähig ist. 2Dies ist der Fall, wenn der VN oder eine mitversicherte Person nachweist, dass – eine Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat, – eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint, da der schadenersatzpflichtige Dritte in den letzten drei Jahren die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat oder – ein gegen den schadenersatzpflichtigen Dritten durchgeführtes Insolvenzverfahren nicht zur vollen Befriedigung geführt hat oder ein solches Verfahren mangels Masse abgelehnt wurde, und 2.3 an den VR die Ansprüche gegen den schadenersatzpflichtigen Dritten in Höhe der Versicherungsleistung abgetreten werden und die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils oder Vergleichs ausgehändigt wird. 3Der VN hat an der Umschreibung des Titels auf den VR mitzuwirken.
A3-3 Umfang der Forderungsausfalldeckung A3-3.1 Versicherungsschutz besteht bis zur Höhe der titulierten Forderung. A3-3.2 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die im Versicherungsschein und seinen Nachträgen vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. A3-3.3 Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen vereinbarten Versicherungssumme EUR … A3-3.4 Für Schäden bis zur Höhe von EUR … besteht kein Versicherungsschutz. A3-3.5 Dem schadensersatzpflichtigen Dritten stehen keine Rechte aus diesem Vertrag zu.
3. Umfang der Forderungsausfalldeckung 3.1 Versicherungsschutz besteht bis zur Höhe der titulierten Forderung. 3.2 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. 3.3 Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der gemäß AT Ziff. 2 vereinbarten Versicherungssumme EUR … 3.4 Für Schäden bis zur Höhe von EUR … besteht kein Versicherungsschutz. 3.5 Dem schadenersatzpflichtigen Dritten, stehen keine Rechte aus diesem Vertrag zu.
A3-4 Räumlicher Geltungsbereich Versicherungsschutz besteht – abweichend von A1-6.14 – für Schadenereignisse, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegens, Island oder Liechtenstein eintreten.
4. Räumlicher Geltungsbereich Versicherungsschutz besteht – abweichend von Ziff. 5.1 Mustertarifstruktur IX – für Schadenersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts anlässlich von Schadenereignissen, die in einem Mitgliedsstaat der
Koch
638
Forderungsausfallrisiko
Abschnitt A3 Forderungsausfallrisiko
A3 AVB PHV
Ziff. 8 BBR PHV Forderungsausfalldeckung Europäischen Union, der Schweiz, Norwegens, Island oder Liechtenstein eintreten.
A3-5 Besondere Ausschlüsse für das Forderungsausfallrisiko A3-5.1 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an a) Kfz, Kfz-Anhängern, Luft- und Wasserfahrzeugen; b) Immobilien c) Tieren d) Sachen, die ganz oder teilweise einem Betrieb, Gewerbe, Beruf, Dienst oder Amt des VN oder einer mitversicherten Person zuzurechnen sind. A3-5.2 Der VR leistet keine Entschädigung für a) Verzugszinsen, Vertragsstrafen, Kosten der Rechtsverfolgung; b) Forderungen aufgrund eines gesetzlichen oder vertraglichen Forderungsübergangs; c) Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass berechtigte Einwendungen oder begründete Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurden; d) Ansprüche aus Schäden, zu deren Ersatz ein anderer VR Leistungen zu erbringen hat (z.B. der Schadensversicherer des VN) oder ein Sozialversicherungsträger oder Sozialleistungsträger Leistungen zu erbringen hat, auch nicht, soweit es sich um Rückgriffs-, Beteiligungsansprüche oder ähnliche von Dritten handelt.
5. Ausschlüsse 5.1 Nicht versichert sind Ansprüche wegen Schäden an – Kraft-, Kfzanhänger, Luft- und Wasserfahrzeugen; – Immobilien – Tieren – Sachen, die ganz oder teilweise dem Bereich eines Betriebes, Gewerbes, Berufes, Dienstes oder Amtes des VN oder einer mitversicherten Person zuzurechnen sind. 5.2 Der VR leistet keine Entschädigung für – Verzugszinsen, Vertragsstrafen, Kosten der Rechtsverfolgung; – Forderungen aufgrund eines gesetzlichen oder vertraglichen Forderungsübergangs; – Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass berechtigte Einwendungen oder begründete Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurden; – Ansprüche aus Schäden, zu deren Ersatz – ein anderer VR Leistungen zu erbringen hat (z.B. der Schadensversicherer des VN) oder – ein Sozialversicherungsträger oder Sozialleistungsträger Leistungen zu erbringen hat, auch nicht, soweit es sich um Rückgriffs-, Beteiligungsansprüche oder ähnliche von Dritten handelt.
A3 AVB PHV entspricht inhaltlich Ziff. 8 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung ver- 1 wiesen wird.
639
Koch
A(GB)-1 AVB PHV
Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-1 Abtretungsverbot AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-1 Abtretungsverbot 1 Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des Versicherers weder abgetreten noch verpfändet werden. 2Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig.
Ziff. 28 AHB Abtretungsverbot 1 Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des VR weder abgetreten noch verpfändet werden. 2Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig.
1 A(GB)-1 AVB PHV entspricht Ziff. 28 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-086
640
A(GB)-2 AVB PHV
A(GB)-2 Veränderungen des versicherten Risikos und Auswirkung auf den Beitrag (Beitragsregulierung)
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-2 Veränderungen des versicherten Risikos und Auswirkung auf den Beitrag (Beitragsregulierung) A(GB)-2.1 1Der VN hat nach Aufforderung mitzuteilen, ob und welche Änderungen des versicherten Risikos gegenüber den früheren Angaben eingetreten sind. 2 Diese Aufforderung kann auch durch einen Hinweis auf der Beitragsrechnung erfolgen. 3Die Angaben sind innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung zu machen und auf Wunsch des VR nachzuweisen. 4Bei unrichtigen Angaben zum Nachteil des VR kann dieser vom VN eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschiedes verlangen. 5Dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass ihn an der Unrichtigkeit der Angaben kein Verschulden trifft. A(GB)-2.2 1Aufgrund der Änderungsmitteilung des VN oder sonstiger Feststellungen wird der Beitrag ab dem Zeitpunkt der Veränderung berichtigt (Beitragsregulierung), beim Wegfall versicherter Risiken jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung beim Versicherer. 2Der vertraglich vereinbarte Mindestbeitrag darf dadurch nicht unterschritten werden. 3Alle entsprechend A(GB)-3.1 nach dem Versicherungsabschluss eingetretenen Erhöhungen und Ermäßigungen des Mindestbeitrags werden berücksichtigt. A(GB)-2.3 1Unterlässt der VN die rechtzeitige Mitteilung, kann der VR für den Zeitraum, für den die Angaben zu machen waren, eine Nachzahlung in Höhe des für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Beitrags verlangen. 2Werden die Angaben nachträglich gemacht, findet eine Beitragsregulierung statt. 3Ein vom VN zuviel gezahlter Beitrag wird nur zurückerstattet, wenn die Angaben innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung des erhöhten Beitrags erfolgten. A(GB)-2.4 Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwendung auf Versicherungen mit Beitragsvorauszahlung für mehrere Jahre.
Ziff. 13 AHB Beitragsregulierung 13.1 1Der VN hat nach Aufforderung mitzuteilen, ob und welche Änderungen des versicherten Risikos gegenüber den früheren Angaben eingetreten sind. 2Diese Aufforderung kann auch durch einen Hinweis auf der Beitragsrechnung erfolgen. 3Die Angaben sind innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung zu machen und auf Wunsch des VR nachzuweisen. 4Bei unrichtigen Angaben zum Nachteil des VR kann dieser vom VN eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschiedes verlangen. 5Dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass ihn an der Unrichtigkeit der Angaben kein Verschulden trifft. 13.2 1Aufgrund der Änderungsmitteilung des VN oder sonstiger Feststellungen wird der Beitrag ab dem Zeitpunkt der Veränderung berichtigt (Beitragsregulierung), beim Wegfall versicherter Risiken jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung beim VR. 2Der vertraglich vereinbarte Mindestbeitrag darf dadurch nicht unterschritten werden. 3 Alle entsprechend Ziff. 15.1 nach dem Versicherungsabschluss eingetretenen Erhöhungen und Ermäßigungen des Mindestbeitrags werden berücksichtigt. 13.3 1Unterlässt der VN die rechtzeitige Mitteilung, kann der VR für den Zeitraum, für den die Angaben zu machen waren, eine Nachzahlung in Höhe des für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Beitrages verlangen. 2Werden die Angaben nachträglich gemacht, findet eine Beitragsregulierung statt. 3Ein vom VN zuviel gezahlter Beitrag wird nur zurückerstattet, wenn die Angaben innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung des erhöhten Beitrages erfolgten. 13.4 Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwendung auf Versicherungen mit Beitragsvorauszahlung für mehrere Jahre.
A(GB)-2 AVB PHV entspricht Ziff. 13 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 1 wird.
641 https://doi.org/10.1515/9783110522686-087
Koch
A(GB)-3 AVB PHV
A(GB)-3 Beitragsangleichung und Kündigungsrecht nach Beitragsangleichung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-3 Beitragsangleichung und Kündigungsrecht nach Beitragsangleichung A(GB)-3.1 1Die Versicherungsbeiträge unterliegen der Beitragsangleichung. 2Soweit die Beiträge nach Lohn-, Bau- oder Umsatzsumme berechnet werden, findet keine Beitragsangleichung statt. 3 Mindestbeiträge unterliegen unabhängig von der Art der Beitragsberechnung der Beitragsangleichung. A(GB)-3.2 1Ein unabhängiger Treuhänder ermittelt jährlich mit Wirkung für die ab dem 1. Juli fälligen Beiträge, um welchen Prozentsatz sich im vergangenen Kalenderjahr der Durchschnitt der Schadenzahlungen aller zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen Versicherer gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht oder vermindert hat. 2Den ermittelten Prozentsatz rundet er auf die nächst niedrigere, durch fünf teilbare ganze Zahl ab. 3 Als Schadenzahlungen gelten dabei auch die speziell durch den einzelnen Schadenfall veranlassten Ausgaben für die Ermittlung von Grund und Höhe der Versicherungsleistungen. 4 Durchschnitt der Schadenzahlungen eines Kalenderjahres ist die Summe der in diesem Jahr geleisteten Schadenzahlungen geteilt durch die Anzahl der im gleichen Zeitraum neu angemeldeten Schadenfälle. A(GB)-3.3 1Im Falle einer Erhöhung ist der VR berechtigt, im Falle einer Verminderung verpflichtet, den Folgejahresbeitrag um den sich aus A(GB)-3.2 ergebenden Prozentsatz zu verändern (Beitragsangleichung). 2Der veränderte Folgejahresbeitrag wird dem VN mit der nächsten Beitragsrechnung bekannt gegeben. 3 Hat sich der Durchschnitt der Schadenzahlungen des VR in jedem der letzten fünf Kalenderjahre um einen geringeren Prozentsatz als denjenigen erhöht, den der Treuhänder jeweils für diese Jahre nach A(GB)-3.2 ermittelt hat, so darf der VR den Folgejahresbeitrag nur um den Prozentsatz erhöhen, um den sich der Durchschnitt seiner Schadenzahlungen nach seinen unternehmenseigenen Zahlen im letzten Kalenderjahr erhöht hat; diese Erhöhung darf diejenige nicht überschreiten, die sich nach dem vorstehenden Absatz ergeben würde. A(GB)-3.4 1Liegt die Veränderung nach A(GB)-3.2 oder A(GB)-3.3 unter 5 Prozent, entfällt eine
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-088
Ziff. 15 AHB Beitragsangleichung 15.1 1Die Versicherungsbeiträge unterliegen der Beitragsangleichung. 2Soweit die Beiträge nach Lohn-, Bau- oder Umsatzsumme berechnet werden, findet keine Beitragsangleichung statt. 3Mindestbeiträge unterliegen unabhängig von der Art der Beitragsberechnung der Beitragsangleichung. 15.2 1Ein unabhängiger Treuhänder ermittelt jährlich mit Wirkung für die ab dem 1. Juli fälligen Beiträge, um welchen Prozentsatz sich im vergangenen Kalenderjahr der Durchschnitt der Schadenzahlungen aller zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen VR gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht oder vermindert hat. 2Den ermittelten Prozentsatz rundet er auf die nächst niedrigere, durch fünf teilbare ganze Zahl ab. 3 Als Schadenzahlungen gelten dabei auch die speziell durch den einzelnen Schadenfall veranlassten Ausgaben für die Ermittlung von Grund und Höhe der Versicherungsleistungen. 4 Durchschnitt der Schadenzahlungen eines Kalenderjahres ist die Summe der in diesem Jahr geleisteten Schadenzahlungen geteilt durch die Anzahl der im gleichen Zeitraum neu angemeldeten Schadenfälle. 15.3 1Im Falle einer Erhöhung ist der VR berechtigt, im Falle einer Verminderung verpflichtet, den Folgejahresbeitrag um den sich aus Ziff. 15.2 ergebenden Prozentsatz zu verändern (Beitragsangleichung). 2Der veränderte Folgejahresbeitrag wird dem VN mit der nächsten Beitragsrechnung bekannt gegeben. 3Hat sich der Durchschnitt der Schadenzahlungen des VR in jedem der letzten fünf Kalenderjahre um einen geringeren Prozentsatz als denjenigen erhöht, den der Treuhänder jeweils für diese Jahre nach Ziff. 15.2 ermittelt hat, so darf der VR den Folgejahresbeitrag nur um den Prozentsatz erhöhen, um den sich der Durchschnitt seiner Schadenzahlungen nach seinen unternehmenseigenen Zahlen im letzten Kalenderjahr erhöht hat; diese Erhöhung darf diejenige nicht überschreiten, die sich nach dem vorstehenden Absatz ergeben würde. 15.4 1Liegt die Veränderung nach Ziff. 15.2 oder 15.3 unter 5 Prozent, entfällt eine Beitragsangleichung. 2Diese Veränderung ist jedoch in den folgenden Jahren zu berücksichtigen. Ziff. 18 Kündigung nach Beitragsangleichung 1 Erhöht sich der Beitrag aufgrund der Beitragsangleichung gemäß Ziff. 15.3, ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes ändert, kann der
642
Beitragsangleichung und Kündigungsrecht
A(GB)-3 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Beitragsangleichung. 2Diese Veränderung ist jedoch in den folgenden Jahren zu berücksichtigen. A(GB)-3.5 1Erhöht sich der Beitrag aufgrund der Beitragsangleichung gemäß A(GB)-3.3, ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes ändert, kann der VN den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zu dem Zeitpunkt kündigen, in dem die Beitragserhöhung wirksam werden sollte. 2 Der VR hat den VN in der Mitteilung auf das Kündigungsrecht hinzuweisen. 3Die Mitteilung muss dem VN spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Beitragserhöhung zugehen. 4 Eine Erhöhung der Versicherungsteuer begründet kein Kündigungsrecht.
Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zu dem Zeitpunkt kündigen, in dem die Beitragserhöhung wirksam werden sollte. 2Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf das Kündigungsrecht hinzuweisen. 3Die Mitteilung muss dem Versicherungsnehmer spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Beitragserhöhung zugehen. 4Eine Erhöhung der Versicherungssteuer begründet kein Kündigungsrecht.
A(GB)-3.1 bis 3.4 AVB PHV entspricht Ziff. 15.1 bis 15.4 AHB 2016 und A(GB) 3.5 AVB PHV ent- 1 spricht Ziff. 18 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
643
Koch
A(GB)-4 AVB PHV
A(GB)-4 Schiedsgerichtsvereinbarungen (gilt nicht für private Haftpflichtrisiken) AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil A Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-4 Schiedsgerichtsvereinbarungen (gilt nicht für Fehlanzeige private Haftpflichtrisiken) 1 Die Vereinbarung von Schiedsgerichtsverfahren vor Eintritt eines Versicherungsfalls beeinträchtigt den Versicherungsschutz nicht, wenn das Schiedsgericht folgenden Mindestanforderungen entspricht: – 1Das Schiedsgericht besteht aus mindestens drei Schiedsrichtern. 2Der Vorsitzende muss Jurist sein und soll die Befähigung zum Richteramt haben. Haben die Parteien ihren Firmensitz in verschiedenen Ländern, darf er keinem Land der Parteien angehören. – 1Das Schiedsgericht entscheidet nach materiellem Recht und nicht lediglich nach billigem Ermessen (ausgenommen im Falle eines Vergleichs, sofern dem VR die Mitwirkung am Verfahren ermöglicht wurde). 2Das anzuwendende materielle Recht muss bei Abschluss der Schiedsgerichtsvereinbarung festgelegt sein. – 1Der Schiedsspruch wird schriftlich niedergelegt und begründet. 2In seiner Begründung sind die die Entscheidung tragenden Rechtsnormen anzugeben. 2 Der VN ist verpflichtet, dem VR die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren unverzüglich anzuzeigen und dem VR die Mitwirkung am Schiedsgerichtsverfahren entsprechend der Mitwirkung des VR an Verfahren des ordentlichen Rechtsweges zu ermöglichen. 3Hinsichtlich der Auswahl des vom VN zu benennenden Schiedsrichters ist dem VR eine entscheidende Mitwirkung einzuräumen.
1 A(GB)-4 AVB PHV, der inhaltlich Ziff. 7.6.6 BBR BHV entspricht, findet keine Anwendung in der Privathaftpflichtversicherung, weshalb sich für den Leser die Frage stellt, warum diese Klausel Eingang in die AVB PHV gefunden hat.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-089
644
B1-1 AVB PHV
Teil B Allgemeiner Teil B1-1 Beginn des Versicherungsschutzes AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-1 Beginn des Versicherungsschutzes 1 Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt. 2Dies gilt vorbehaltlich der Regelungen über die Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung des Erst- oder Einmalbeitrags.
Ziff. 8 AHB Beginn des Versicherungsschutzes Ziff. 8.1 AHB 1Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig im Sinne von Ziff. 9.1 zahlt. 2Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungssteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat. Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: Beginn des Versicherungsschutzes, Beitrag und Versicherungsteuer Ziff. 8.1 Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig im Sinne von Ziff. 9.1 zahlt.
B1-1 AVB PHV tritt an die Stelle von Ziff. 8.1 Satz 1 AHB 2016. Die Änderungen in B1-1 AVB PHV 1 sind redaktioneller Art. Während Ziff. 8.1 Satz 1 AHB 2016 den Beginn des Versicherungsschutzes unter den Vorbehalt der rechtzeitigen Prämienzahlung i.S.v. Ziff. 9.1 AHB 2016 stellt, heißt es in B1-1 AVB PHV, dass der Versicherungsschutz „vorbehaltlich der Regelungen über die Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung des Erst- oder Einmalbeitrags“ beginnt. Ein Gewinn an Transparenz im Vergleich zu Ziff. 8.1 Satz 1 AHB 2016 durch die Neuregelung ist nicht ersichtlich.
645 https://doi.org/10.1515/9783110522686-091
Koch
B1-2 AVB PHV
B1-2 Beitragszahlung, Versicherungsperiode AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-2 Beitragszahlung, Versicherungsperiode B1-2.1 Beitragszahlung Je nach Vereinbarung werden die Beiträge im Voraus gezahlt, entweder durch laufende Zahlungen monatlich, vierteljährlich, halbjährlich, jährlich oder als Einmalbeitrag. B1-2.2 Versicherungsperiode 1 Die Versicherungsperiode beträgt ein Jahr. 2Das gilt auch, wenn die vereinbarte Vertragsdauer länger als ein Jahr ist. 3Ist die vereinbarte Vertragsdauer kürzer als ein Jahr, so entspricht die Versicherungsperiode der Vertragsdauer. B1-2.3 Versicherungsjahr 1 Das Versicherungsjahr beträgt ein Jahr. Besteht die vereinbarte Vertragsdauer nicht aus ganzen Jahren, wird das erste Versicherungsjahr entsprechend verkürzt. 2Die folgenden Versicherungsjahre bis zum vereinbarten Vertragsablauf sind jeweils ganze Jahre.
Ziff. 8 AHB Beginn des Versicherungsschutzes Ziff. 8.2 1Die Beiträge können je nach Vereinbarung in einem einzigen Betrag (Einmalbeitrag), durch Monats-, Vierteljahres-, Halbjahres- oder Jahresbeiträge (laufende Beiträge) entrichtet werden. 2Die Versicherungsperiode umfasst bei unterjähriger Beitragszahlung entsprechend der Zahlungsweise einen Monat, ein Vierteljahr bzw. ein halbes Jahr. Ziff. 8.3 Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungsteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat.
1 B1-2 AVB PHV tritt an die Stelle von Ziff. 8.2 AHB 2016. Die Änderungen gegenüber Ziff. 8.2 Satz 1 in B1-2.1 AVB PHV sind redaktioneller Art. Die Regelung zur Länge der Versicherungsperiode in B1-2.2 Satz 1 AVB PHV ergibt sich aus § 12 VVG, sodass Satz 1 kein Regelungsgehalt zukommt. 2 B1-2.2 Satz 2 AVB PHV, wonach auch bei mehrjährigen Verträgen die Versicherungsperiode auf ein Jahr beschränkt ist, ist im Fall des Übergangs der Versicherung von Bedeutung, wenn einer der VN sein Unternehmen veräußert. Gem. B2-3.2 Satz 3 AVB PHV ist der Erwerber berechtigt, den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung oder bis zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode in Textform zu kündigen. Die Regelung in B2-1.4 AVB PHV (Kündigung bei mehrjährigen Verträgen) gilt nicht. 3 B1-2.2 Satz 3 AVB PHV entspricht Ziff. 8.2 Satz 2 AHB 2016. B1-2.3 AVB PHV bestimmt den Zeitraum eines Versicherungsjahres. In den AVB PHV wird der Begriff des Versicherungsjahres im Zusammenhang mit der Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle gebraucht (z.B. A1-6.6.1 AVB PHV).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-092
646
B1-3 AVB PHV
B1-3 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags, Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-3 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags, Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung B1-3.1 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags 1 Der erste oder einmalige Beitrag ist unverzüglich nach dem Zeitpunkt des vereinbarten und im Versicherungsschein angegebenen Versicherungsbeginns zu zahlen. 2Dies gilt unabhängig von dem Bestehen eines Widerrufrechts. 3 Liegt der vereinbarte Zeitpunkt des Versicherungsbeginns vor Vertragsschluss, ist der erste oder einmalige Beitrag unverzüglich nach Vertragsschluss zu zahlen. 4Zahlt der VN nicht unverzüglich nach dem in Absatz 1 oder 2 bestimmten Zeitpunkt, beginnt der Versicherungsschutz erst, nachdem die Zahlung veranlasst ist. 5Weicht der Versicherungsschein vom Antrag des VN oder getroffenen Vereinbarungen ab, ist der erste oder einmalige Beitrag frühestens einen Monat nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. B1-3.2 Rücktrittsrecht des VR bei Zahlungsverzug 1 Wird der erste oder einmalige Beitrag nicht rechtzeitig nach B1-3.1 gezahlt, so kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, solange der VN die Zahlung nicht veranlasst hat. 2Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der VN die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. B1-3.3 Leistungsfreiheit des VR 1 Wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig nach B1-3.1 zahlt, so ist der VR für einen vor Zahlung des Beitrags eingetretenen Versicherungsfall nicht zur Leistung verpflichtet. 2 Voraussetzung ist, dass er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung des Beitrags aufmerksam gemacht hat. 3 Die Leistungsfreiheit tritt nur ein, wenn der VN die Nichtzahlung zu vertreten hat.
Ziff. 9 AHB Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/ erster oder einmaliger Beitrag 9.1 1Der erste oder einmalige Beitrag wird unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. 2 Ist die Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, gilt als erster Beitrag nur die erste Rate des ersten Jahresbeitrags. Alternative für die echte unterjährige Beitragszahlung: 9.1 Der erste oder einmalige Beitrag wird unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. 9.2 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, beginnt der Versicherungsschutz erst ab diesem Zeitpunkt. 2Das gilt nicht, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. 3Für Versicherungsfälle, die bis zur Zahlung des Beitrags eintreten, ist der VR nur dann nicht zur Leistung verpflichtet, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung des Beitrags aufmerksam gemacht hat. 9.3 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, kann der VR vom Vertrag zurücktreten, solange der Beitrag nicht gezahlt ist. 2Der VR kann nicht zurücktreten, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat.
B1-3 AVB PHV tritt an die Stelle von Ziff. 9 AHB 2016. Die Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitra- 1 ges ist abweichend von Ziff. 9.1 AHB 2016 geregelt, der § 33 VVG entspricht. Während nach § 33 VVG und Ziff. 9 AHB 2016 vom VN die erste oder einmalige Prämie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheines zu zahlen ist, bestimmt B1-3.1 Satz 1 AVB PHV, dass die Prämie „unverzüglich nach dem Zeitpunkt des vereinbarten und im Versicherungsschein angegebenen Versicherungsbeginns“ fällig ist. Dies gilt nach B1-3.1 Satz 2 AVB PHV 647 https://doi.org/10.1515/9783110522686-093
Koch
B1-3 AVB PHV
Fälligkeit des Betrags/Folgen bei Verspätung
unabhängig von dem Bestehen eines Widerrufrechts. Eine solche von § 33 Abs. 1 VVG abweichende Regelung ist nach h.M. wirksam.1 2 B1-3.1 Satz 5 AVB PHV, der keine Entsprechung in Ziff. 8 AHB 2016 hat, knüpft an § 5 VVG an, der bestimmt, dass Abweichungen des Versicherungsscheins vom Antrag des VN oder den getroffenen Vereinbarungen als genehmigt gelten, wenn der VR den VN auf die Abweichungen hingewiesen hat und der VN nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins widerspricht. 3 B1-3.2 und B1-3.3 AVB PHV bilden die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges bei der Erst- oder Einmalprämie in § 37 VVG nach. B1-3.2 AVB PHV entspricht Ziff. 9.3 AHB 2016, B1-3.3 AVB PHV entspricht Ziff. 9.2 AHB 2016. Zu beachten ist, dass in B1-3 AVB PHV zum Teil von „Zahlung“ und zum Teil – auch in Abweichung von Ziff. 9.3 Satz 1 AHB 2016 – von „Veranlassen zur Zahlung“ die Rede ist. Der VN wird die Veranlassung zur Zahlung auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr beziehen und in Abgrenzung zum Lastschriftverfahren, das in B1-5 AVB PHV angesprochen wird, so verstehen, dass eine Zahlung veranlasst ist, wenn er seiner Bank den Auftrag zur Überweisung erteilt hat (vgl. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB) und die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind (vgl. § 675o Abs. 2 BGB).2
1 Prölss/Martin/Reiff § 33 Rn. 46; Langheid/Rixecker/Rixecker § 33 Rn. 13; Wandt/Ganster VersR 2007 1034, 1038 f.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Karczewski § 33 Rn. 24; BeckOK VVG/Klimke § 33 Rn. 36; a.A. Wandt/Langheid/Staudinger § 33 Rn. 26. 2 Vgl. Stockmeier AVB PHV B1-4 Rn. 4 zu B1-4 „wenn der Versicherungsnehmer das seinerseits Erforderliche zur Bewirkung der Leistung getan hat“. Koch
648
B1-4 AVB PHV
B1-4 Folgebeitrag AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-4 Folgebeitrag B1-4.1 Fälligkeit 1 Ein Folgebeitrag wird entsprechend der vereinbarten Zahlungsweise jeweils zu Monats-, Vierteljahres-, Halbjahres- oder Jahresbeginn oder zu einem anderen vereinbarten Zeitpunkt fällig. 2Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie zur Fälligkeit veranlasst wird. B1-4.2 Verzug und Schadensersatz 1 Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, gerät der VN ohne Mahnung in Verzug. 2Dies gilt nur, wenn er die verspätete Zahlung zu vertreten hat. 3Ist der VN mit der Zahlung eines Folgebeitrags in Verzug, ist der VR berechtigt, Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens zu verlangen. B1-4.3 Mahnung 1 Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, kann der VR den VN auf dessen Kosten in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) zur Zahlung auffordern und eine Zahlungsfrist bestimmen (Mahnung). 2Die Zahlungsfrist muss mindestens zwei Wochen ab Zugang der Zahlungsaufforderung betragen. 3Die Mahnung ist nur wirksam, wenn der VR je Vertrag die rückständigen Beträge des Beitrags sowie der Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und auf die Rechtsfolgen (Leistungsfreiheit und Kündigungsrecht) hinweist. B1-4.4 Leistungsfreiheit nach Mahnung Tritt nach Ablauf der in der Mahnung gesetzten Zahlungsfrist ein Versicherungsfall ein und ist der VN bei Eintritt des Versicherungsfalles mit der Zahlung des Beitrags oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, so ist der VR von der Verpflichtung zur Leistung frei. B1-4.5 Kündigung nach Mahnung 1 Ist der VN mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug, kann der VR nach Ablauf der in der Mahnung gesetzten Zahlungsfrist den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung kündigen. 2Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist verbunden werden. 3 Mit Fristablauf wird die Kündigung wirksam, wenn der VN zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist. 4Hierauf ist der VN bei der Kündigung ausdrücklich hinzu-weisen. B1-4.6 Zahlung des Beitrags nach Kündigung 1 Die Kündigung wird unwirksam, wenn die Zahlung innerhalb eines Monats nach der Kündigung veranlasst wird. 2Wenn die Kündigung mit der Zahlungsfrist verbunden worden ist, wird sie
649 https://doi.org/10.1515/9783110522686-094
Ziff. 10 AHB Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/ Folgebeitrag 10.1 1Die Folgebeiträge sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, am Monatsersten des vereinbarten Beitragszeitraums fällig. 2Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie zu dem im Versicherungsschein oder in der Beitragsrechnung angegebenen Zeitpunkt erfolgt. 10.2 1Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, gerät der VN ohne Mahnung in Verzug, es sei denn, dass er die verspätete Zahlung nicht zu vertreten hat. 2Der VR ist berechtigt, Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens zu verlangen. 3Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, kann der VR dem VN auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. 4 Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge des Beitrags, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Ziff. 10.3 und 10.4 mit dem Fristablauf verbunden sind. 10.3 Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, besteht ab diesem Zeitpunkt bis zur Zahlung kein Versicherungsschutz, wenn er mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 10.2 Abs. 3 darauf hingewiesen wurde. 10.4 1Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, kann der VR den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn er den VN mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 10.2 Abs. 3 darauf hingewiesen hat. 2Hat der VR gekündigt, und zahlt der VN danach innerhalb eines Monats den angemahnten Betrag, besteht der Vertrag fort. 3Für Versicherungsfälle, die zwischen dem Zugang der Kündigung und der Zahlung eingetreten sind, besteht jedoch kein Versicherungsschutz. 4Die Leistungsfreiheit des VR nach Ziff. 10.3. bleibt unberührt.
Koch
B1-4 AVB PHV
Folgebeitrag
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
unwirksam, wenn die Zahlung innerhalb eines Monats nach Fristablauf veranlasst wird. 3Die Leistungsfreiheit des VR nach B1-4.4 bleibt bis zur Zahlung bestehen.
1 B1-4 AVB PHV entspricht mit redaktionellen Änderungen inhaltlich Ziff. 10 AHB 2016. Deshalb sei auf die dortige Kommentierung verwiesen.
Koch
650
B1-5 AVB PHV
B1-5 Lastschriftverfahren
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-5 Lastschriftverfahren B1-5.1 Pflichten des VN 1 Ist zur Einziehung des Beitrags das Lastschriftverfahren vereinbart worden, hat der VN zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Beitrags für eine ausreichende Deckung des Kontos zu sorgen. 2 Konnte der fällige Beitrag ohne Verschulden des VN vom VR nicht eingezogen werden, ist die Zahlung auch dann noch rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach einer in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) abgegebenen Zahlungsaufforderung des VR erfolgt. B1-5.2 Fehlgeschlagener Lastschrifteinzug 1 Hat es der VN zu vertreten, dass ein oder mehrere Beiträge, trotz wiederholtem Einziehungsversuch, nicht eingezogen werden können, ist der VR berechtigt, das SEPA-Lastschriftmandat in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) zu kündigen. 2 Der VR hat in der Kündigung darauf hinzuweisen, dass der VN verpflichtet ist, den ausstehenden Beitrag und zukünftige Beiträge selbst zu übermitteln. 3 Von Kreditinstituten erhobene Bearbeitungsgebühren für fehlgeschlagenen Lastschrifteinzug können dem VN in Rechnung gestellt werden.
Ziff. 11 AHB Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPALastschriftmandat 1 Ist die Einziehung des Beitrags von einem Konto vereinbart, gilt die Zahlung als rechtzeitig, wenn der Beitrag zum Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN einer berechtigten Einziehung nicht widerspricht. 2 Konnte der fällige Beitrag ohne Verschulden des VN vom VR nicht eingezogen werden, ist die Zahlung auch dann noch rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach einer in Textform abgegebenen Zahlungsaufforderung des VR erfolgt. 3Kann der fällige Beitrag nicht eingezogen werden, weil der VN das SEPA-Lastschriftmandat widerrufen hat, oder hat der VN aus anderen Gründen zu vertreten, dass der Beitrag nicht eingezogen werden kann, ist der VR berechtigt, künftig Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens zu verlangen. 4Der VN ist zur Übermittlung des Beitrags erst verpflichtet, wenn er vom VR hierzu in Textform aufgefordert worden ist.
B1-5 AVB PHV entspricht mit redaktionellen Änderungen inhaltlich Ziff. 11 AHB 2016. Neu ist die 1 Regelung in B1-5.2 Satz 3 AVB PHV, die vorsieht, dass der VR dem VN die von Kreditinstituten für einen fehlgeschlagenen Lastschrifteinzug erhobenen Bearbeitungsgebühren in Rechnung stellen kann. Hierzu ist der VR gegenüber dem VN jedoch nur berechtigt, wenn der Lasteinzug an der fehlenden Kontodeckung scheitert und die Bearbeitungsgebühren rechtmäßig erhoben wurden.
651 https://doi.org/10.1515/9783110522686-095
Koch
B1-6 AVB PHV
B1-6 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B1 Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-6 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung B1-6.1 Allgemeiner Grundsatz Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags steht dem VR nur derjenige Teil des Beitrags zu, der dem Zeitraum entspricht, in dem der Versicherungsschutz bestanden hat. B1-6.2 Beitrag oder Geschäftsgebühr bei Widerruf, Rücktritt, Anfechtung und fehlendem versicherten Interesse B1-6.2.1 1Widerruft der VN seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen, hat der VR nur den auf die Zeit nach Zugang der Widerrufserklärung entfallenden Teil der Beiträge zu erstatten. 2Voraussetzung ist, dass der VR in der Widerrufsbelehrung auf das Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen und der VN zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt. 3 Ist die Widerrufsbelehrung nach Satz 2 unterblieben, hat der VR zusätzlich den für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Beitrag zu erstatten. 4 Dies gilt nicht, wenn der VN Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat. B1-6.2.2 1Tritt der VR wegen Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Versichrungsvertrag zurück, so steht ihm der Beitrag bis zum Zugang der Rücktrittserklärung zu. 2 Wird der Versicherungsvertrag durch Rücktritt des VR beendet, weil der einmalige oder der erste Beitrag nicht rechtzeitig gezahlt worden ist, so steht dem VR eine angemessene Geschäftsgebühr zu. B1-6.2.3 Wird der Versicherungsvertrag durch Anfechtung des VR wegen arglistiger Täuschung beendet, so steht dem VR der Beitrag bis zum Zugang der Anfechtungserklärung zu. B1-6.2.4 Fällt das versicherte Interesse nach dem Beginn der Versicherung vollständig und dauerhaft weg, steht dem VR der Beitrag zu, den er hätte beanspruchen können, wenn die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem der VR vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt hat. B1-6.2.5 1Der VN ist nicht zur Zahlung des Beitrags verpflichtet, wenn das versicherte Interesse bei Beginn der Versicherung nicht besteht, oder wenn das Interesse bei einer Versicherung, die für ein künftiges Unternehmen oder für ein anderes künftiges Interesse genommen ist, nicht entsteht. 2Der VR kann jedoch eine angemessene Geschäftsgebühr Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-096
Ziff. 14 AHB Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages hat der VR, soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, nur Anspruch auf den Teil des Beitrages, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat. Ziff. 17 AHB Wegfall des versicherten Risikos Wenn versicherte Risiken vollständig und dauerhaft wegfallen, so erlischt die Versicherung bezüglich dieser Risiken. Dem VR steht der Beitrag zu, den er hätte erheben können, wenn die Versicherung dieser Risiken nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem er vom Wegfall Kenntnis erlangt.
652
Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
AVB PHV
B1-6 AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
verlangen. 3Hat der VN ein nicht bestehendes Interesse in der Absicht versichert, sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. 4Dem VR steht in diesem Fall der Beitrag bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt.
B1-6.1 AVB PHV entspricht Ziff. 14 AHB 2016. B2-6.2.4 AVB PHV entspricht Ziff. 17 AHB 2016, der 1 wiederum den Inhalt von § 80 Abs. 2 VVG wiedergibt. B1-6.2.1 AVB PHV gibt den Inhalt von § 9 Abs. 1 VVG und B1-6.2.2 und B1-6.2.3 AVB PHV 2 geben den Inhalt von § 39 VVG wieder. B1-6.2.5 AVB PHV entspricht § 80 Abs. 1 und Abs. 3 VVG.
653
Koch
B2-1 AVB PHV
B2-1 Dauer und Ende des Vertrags
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B2 Dauer und Ende des Vertrags/ Kündigung B2-1 Dauer und Ende des Vertrags B2-1.1 Vertragsdauer Der Vertrag ist für den im Versicherungsschein angegebenen Zeitraum abgeschlossen. B2-1.2 Stillschweigende Verlängerung 1 Bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr. 2Er verlängert sich nicht, wenn einer der Vertragsparteien spätestens drei Monate vor dem Ablauf der jeweiligen Vertragslaufzeit eine Kündigung zugegangen ist. B2-1.3 Vertragsdauer von weniger als einem Jahr Bei einer Vertragsdauer von weniger als einem Jahr endet der Vertrag zum vereinbarten Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf. B2-1.4 Kündigung bei mehrjährigen Verträgen Bei einer Vertragsdauer von mehr als drei Jahren kann der VN den Vertrag zum Ablauf des dritten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres kündigen; die Kündigung muss dem VR spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Jahres zugegangen sein. B2-1.5 Wegfall des versicherten Interesses Fällt ein versichertes Interesse nach dem Beginn der Versicherung vollständig und dauerhaft weg, endet der Vertrag bezüglich dieses Interesses zu dem Zeitpunkt, zu dem der VR vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt.
Ziff. 16 AHB Dauer und Ende des Vertrages 16.1 Der Vertrag ist für die im Versicherungsschein angegebene Zeit abgeschlossen. 16.2 Bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr, wenn nicht dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf der jeweiligen Vertragsdauer eine Kündigung zugegangen ist. 16.3 Bei einer Vertragsdauer von weniger als einem Jahr endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zum vorgesehenen Zeitpunkt. 16.4 Bei einer Vertragsdauer von mehr als drei Jahren kann der VN den Vertrag zum Ablauf des dritten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres kündigen; die Kündigung muss dem VR spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Jahres zugegangen sein. Ziff. 17 AHB Wegfall des versicherten Risikos Wenn versicherte Risiken vollständig und dauerhaft wegfallen, so erlischt die Versicherung bezüglich dieser Risiken. Dem VR steht der Beitrag zu, den er hätte erheben können, wenn die Versicherung dieser Risiken nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem er vom Wegfall Kenntnis erlangt.
1 Die Regelungen zu B2-1.1 bis B2-1.4 AVB PHV entsprechen Ziff. 16 AHB 2016. B2-1.5 AVB PHV entspricht Ziff. 17 AHB 2016. Auf die dortigen Kommentierungen wird verwiesen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-097
654
B2-2 AVB PHV
B2-2 Kündigung nach Versicherungsfall
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B2 Dauer und Ende des Vertrags/ Kündigung B2-2 Kündigung nach Versicherungsfall B2-2.1 Kündigungsrecht 1 Der Versicherungsvertrag kann gekündigt werden, wenn a) vom VR eine Schadensersatzzahlung oder eine Zahlung von Sanierungskosten von Umweltschäden geleistet wurde, b) der VR den Anspruch des VN auf Freistellung zu Unrecht abgelehnt hat, oder c) dem VN eine Klage über einen versicherten Anspruch gerichtlich zugestellt wird. 2 Die Kündigung muss dem Vertragspartner in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) spätestens einen Monat nach der Zahlung, der Ablehnung oder der Zustellung der Klage zugegangen sein. B2-2.2 Kündigung durch VN 1 Kündigt der VN, wird seine Kündigung mit ihrem Zugang beim VR wirksam. 2Der VN kann jedoch bestimmen, dass die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende der laufenden Versicherungsperiode, wirksam wird. B2-2.3 Kündigung durch VR Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam.
Ziff. 19 AHB Kündigung nach Versicherungsfall 19.1 1Das Versicherungsverhältnis kann gekündigt werden, wenn – vom VR eine Schadensersatzzahlung geleistet wurde, – der VR den Anspruch des VN auf Freistellung zu Unrecht abgelehnt hat oder – dem VN eine Klage über einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch gerichtlich zugestellt wird. 2 Die Kündigung muss dem Vertragspartner in Textform spätestens einen Monat nach der Schadensersatzzahlung, der Ablehnung oder der Zustellung der Klage zugegangen sein. 19.2 1Kündigt der VN, wird seine Kündigung sofort nach ihrem Zugang beim VR wirksam. 2Der VN kann jedoch bestimmen, dass die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende der laufenden Versicherungsperiode, wirksam wird. 3Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam.
B2-2 AVB PHV entspricht Ziff. 19 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 1 werden kann. Ergänzend ist in B2-2.1 lit. a) AVB PHV aufgenommen, dass der Versicherungsvertrag gekündigt werden kann, wenn bei Umweltschäden (gemäß dem USchadG) Sanierungskosten gezahlt werden.
655 https://doi.org/10.1515/9783110522686-098
Koch
B2-3 AVB PHV
B2-3 Veräußerung und deren Rechtsfolgen AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B2 Dauer und Ende des Vertrags/ Kündigung B2-3 Veräußerung und deren Rechtsfolgen B2-3.1 Übergang der Versicherung 1 Wird ein Unternehmen veräußert, tritt der Erwerber an Stelle des VN in die während der Dauer seines Eigentums sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ein. 2Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen wird.
Ziff. 20 AHB Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen 20.1 1Wird ein Unternehmen, für das eine Haftpflichtversicherung besteht, an einen Dritten veräußert, tritt dieser an Stelle des VN in die während der Dauer seines Eigentums sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. 2Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen wird.
B2-3.2 Kündigung 1 Der VR ist berechtigt, dem Erwerber gegenüber den Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) zu kündigen. 2Dieses Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des VR von der Veräußerung ausgeübt wird. 3 Der Erwerber ist berechtigt, den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung oder bis zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode in Textform zu kündigen. 4Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb, bei fehlender Kenntnis des Erwerbers vom Bestehen der Versicherung innerhalb eines Monats ab Erlangung der Kenntnis, ausgeübt wird.
20.2 Das Versicherungsverhältnis kann in diesem Falle – durch den VR dem Dritten gegenüber mit einer Frist von einem Monat, – durch den Dritten dem VR gegenüber mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode in Textform gekündigt werden. 20.3 Das Kündigungsrecht erlischt, wenn – der VR es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausübt, in welchem er vom Übergang auf den Dritten Kenntnis erlangt; – der Dritte es nicht innerhalb eines Monats nach dem Übergang ausübt, wobei das Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monats von dem Zeitpunkt an bestehen bleibt, in dem der Dritte von der Versicherung Kenntnis erlangt.
B2-3.3 Beitrag 1 Der Veräußerer und der Erwerber haften für den Beitrag als Gesamtschuldner, wenn der Übergang auf den Erwerber während einer laufenden Versicherungsperiode erfolgt. 2Wenn der Versicherungsvertrag gekündigt wird, haftet der Veräußerer allein für die Zahlung des Beitrags.
20.4 Erfolgt der Übergang auf den Dritten während einer laufenden Versicherungsperiode und wird das Versicherungsverhältnis nicht gekündigt, haften der bisherige VN und der Dritte für den Versicherungsbeitrag dieser Periode als Gesamtschuldner.
B2-3.4 Anzeigepflichten 1 Die Veräußerung ist dem VR vom Veräußerer oder Erwerber unverzüglich in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) anzuzeigen. 2Bei einer schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen. 3Der VR muss hierzu nachweisen, dass er den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. 4Der VR bleibt zur Leistung verpflichtet, wenn ihm die Veräußerung zu dem
20.5 1Der Übergang eines Unternehmens ist dem VR durch den bisherigen VN oder den Dritten unverzüglich anzuzeigen. 2Bei einer schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen, und der VR den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. 3Der Versicherungsschutz lebt wieder auf und besteht für alle Versicherungsfälle, die frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt eintreten, in dem der VR von der Veräußerung Kenntnis erlangt. 4Dies gilt nur, wenn
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-099
656
Veräußerung und deren Rechtsfolgen
B2-3 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. 5Der VR bleibt ebenfalls zur Leistung verpflichtet, wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für seine Kündigung abgelaufen war und er nicht gekündigt hat.
der VR in diesem Monat von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. 5Der Versicherungsschutz fällt trotz Verletzung der Anzeigepflicht nicht weg, wenn dem VR die Veräußerung in dem Zeitpunkt bekannt war, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen.
B2-3 AVB PHV entspricht mit redaktionellen Änderungen inhaltlich Ziff. 20 AHB 2016, sodass 1 auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.
657
Koch
B3-1 AVB PHV
B3-1 Anzeigepflichten des VN oder seines Vertreters bis zum Vertragsschluss AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B3 Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten B3-1 Anzeigepflichten des VN oder seines Vertreters bis zum Vertragsschluss B3-1.1 Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände 1 Der VN hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung dem VR alle ihm bekanntenGefahrumstände anzuzeigen, nach denen der VR in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) gefragt hat und die für den Entschluss des VR erheblich sind, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen. 2Diese Anzeigepflicht gilt auch dann, wenn der VR dem VN nach seiner Vertragserklärung, aber vor der Vertragsannahme Fragen im Sinn von Satz 1 in Textform stellt. 3 Wird der Vertrag von einem Vertreter des VN geschlossen, so sind bei der Anwendung von Absatz 1 und B3-1.2 sowohl die Kenntnis und die Arglist des Vertreters als auch die Kenntnis und die Arglist des VN zu berücksichtigen. 4 Der VN kann sich darauf, dass die Anzeigepflicht nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden ist, nur berufen, wenn weder dem Vertreter noch dem Versicherungsnehmer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Ziff. 23 AHB Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN 23.1 Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände 1 Der VN hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung dem VR alle ihm bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, nach denen der VR in Textform gefragt hat und die für den Entschluss des VR erheblich sind, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen. 2Der VN ist auch insoweit zur Anzeige verpflichtet, als nach seiner Vertragserklärung, aber vor Vertragsannahme der VR in Textform Fragen im Sinne des Satzes 1 stellt. 3 Gefahrerheblich sind die Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des VR Einfluss auszuüben, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. 4 Wird der Vertrag von einem Vertreter des VN geschlossen und kennt dieser den gefahrerheblichen Umstand, muss sich der VN so behandeln lassen, als habe er selbst davon Kenntnis gehabt oder dies arglistig verschwiegen.
B3-1.2 Rechtsfolgen der Verletzung der Anzeigepflicht B3-1.2.1 Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes 1 Verletzt der VN seine Anzeigepflicht nach B3-1.1 Absatz 1, kann der VR vom Vertrag zurücktreten. Im Fall des Rücktritts besteht auch für die Vergangenheit kein Versicherungsschutz. 2 Der VR hat jedoch kein Rücktrittsrecht, wenn der VN nachweist, dass er die unrichtigen oder unvollständigen Angaben weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gemacht hat. 3 Das Rücktrittsrecht des VR wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht besteht nicht, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände zu gleichen oder anderen Bedingungen geschlossen hätte. 4 Tritt der VR nach Eintritt des Versicherungsfalls zurück, darf er den Versicherungsschutz nicht versagen, wenn der VN nachweist, dass der unvollständig oder unrichtig angezeigte Umstand weder für den Eintritt oder die Feststellungdes Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-100
23.2 Rücktritt (1) Unvollständige und unrichtige Angaben zu den gefahrerheblichen Umständen berechtigen den VR, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten. (2) 1Der VR hat kein Rücktrittsrecht, wenn der VN nachweist, dass er oder sein Vertreter die unrichtigen oder unvollständigen Angaben weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gemacht hat. 2 Das Rücktrittsrecht des VR wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht besteht nicht, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. (3) 1Im Fall des Rücktritts besteht kein Versicherungsschutz. 2 Tritt der VR nach Eintritt des Versicherungsfalls zurück, darf er den Versicherungsschutz nicht versagen, wenn der VN nachweist, dass der unvollständig oder unrichtig angezeigte Umstand weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung ursächlich war. 3Auch in diesem Fall 658
Anzeigepflichten bis zum Vertragsschluss
B3-1 AVB PHV
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Umfang der Leistungspflicht ursächlich war. 5Auch in diesem Fall besteht aber kein Versicherungsschutz, wenn der VN die Anzeigepflicht arglistig verletzt hat.
besteht aber kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt hat. 4 Dem VR steht der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht.
B3-1.2.2 Kündigung 1 Verletzt der VN seine Anzeigepflicht nach B3-1.1 Absatz 1 einfach fahrlässig oder schuldlos, kann der VR den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monatkündigen. 2Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände zu gleichen oder anderen Bedingungen geschlossen hätte. B3-1.2.3 Vertragsänderung 1 Hat der VN seine Anzeigepflicht nach B3-1.1 Absatz 1 nicht vorsätzlich verletzt und hätte der VR bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände den Vertrag auch zu anderen Bedingungen geschlossen, so werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR rückwirkend Vertragsbestandteil. 2 Bei einer vom VN unverschuldeten Pflichtverletzung werden die anderen Bedingungen ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. 3 Erhöht sich durch eine Vertragsänderung der Beitrag um mehr als 10 Prozent oder schließt der VR die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, so kann der VN den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR ohne Einhaltung einer Frist kündigen. 4In dieser Mitteilung hat der VR den Versicherungsnehmer auf dessen Kündigungsrecht hinzuweisen.
23.3 Beitragsänderung oder Kündigungsrecht 1 Ist das Rücktrittsrecht des VR ausgeschlossen, weil die Verletzung einer Anzeigepflicht weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte, kann der VR den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat in Schriftform kündigen. 2 Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. 3 Kann der VR nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, aber zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR rückwirkend Vertragsbestandteil. 4Hat der VN die Pflichtverletzung nicht zu vertreten, werden die anderen Bedingungen ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. 5 Erhöht sich durch die Vertragsanpassung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließt der VR die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der VN den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR fristlos kündigen. 6 Der VR muss die ihm nach Ziff. 23.2 und 23.3 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. 7Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem er von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. 8Er hat die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung abgeben, wenn für diese die Monatsfrist nicht verstrichen ist. 9 Dem VR stehen die Rechte nach den Ziff. 23.2 und 23.3 nur zu, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. 10 Der VR kann sich auf die in den Ziff. 23.2 und 23.3 genannten Rechte nicht berufen, wenn er den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
B3-1.3 Frist und Form für die Ausübung der Rechte des VR 1 Die Rechte zum Rücktritt, zur Kündigung oder zur Vertragsänderung muss der VR in-nerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. 2Dabei hat er die Umständeanzugeben, auf die er seine Erklärung stützt. 3Zur Begründung kann er nachträglich weitere Umstände innerhalb eines Monats nach deren Kenntniserlangung angeben. 4Die Monatsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der VR von der Verletzung der Anzeigepflicht und der Umstände Kenntnis erlangt, die das von ihm jeweils geltend gemachte Recht begründen. B3-1.4 Hinweispflicht des VR Die Rechte zum Rücktritt, zur Kündigung oder zur Vertragsänderung stehen dem VR nur zu, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) auf die Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht hingewiesen hat.
659
Koch
B3-1 AVB PHV
Anzeigepflichten bis zum Vertragsschluss
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
B3-1.5 Ausschluss von Rechten des VR Der VR kann sich auf seine Rechte zum Rücktritt, zur Kündigung oder zur Vertragsänderung nicht berufen, wenn er den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. B3-1.6 Anfechtung Das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt bestehen.
23.4 Anfechtung 1 Das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt. 2Im Fall der Anfechtung steht dem VR der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht.
B3-1.7 Erlöschen der Rechte des VR 1 Die Rechte des VR zum Rücktritt, zur Kündigung und zur Vertragsänderung erlöschen mit Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss. 2Diese Rechte erlöschen nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist eingetreten sind. 3Die Frist beträgt zehn Jahre, wenn der VN oder sein Vertreter die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt hat.
1 B3-1 AVB PHV entspricht mit redaktionellen Änderungen inhaltlich Ziff. 23 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.
Koch
660
B3-3 AVB PHV
B3-2 Gefahrerhöhung (gilt nur für die Sachversicherung) B3-3 Obliegenheiten des VN AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B3 Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten B3-2 Gefahrerhöhung (gilt nur für die Sachversicherung) B3-3 Obliegenheiten des VN B3-3.1 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls B3-3.1.1 1Besonders gefahrdrohende Umstände hat der VN auf Verlangen des VR innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. 2Dies gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. 3Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne weiteres als besonders gefahrdrohend.
Ziff. 24 AHB Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles 1 Besonders gefahrdrohende Umstände hat der VN auf Verlangen des VR innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. 2Dies gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. 3 Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne weiteres als besonders gefahrdrohend.
B3-3.1.2 Rechtsfolgen 1 Verletzt der VN vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Obliegenheit, die er vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem VR zu erfüllen hat, so kann der Versi-cherer innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, den Vertrag fristlos kündigen. 2 Der VR hat kein Kündigungsrecht, wenn der VN nachweist, dass er die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.
Ziff. 26 AHB Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 26.1 1Verletzt der VN eine Obliegenheit aus diesem Vertrag, die er vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat, kann der VR den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung fristlos kündigen. 2Der VR hat kein Kündigungsrecht, wenn der VN nachweist, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
B3-3.2 Obliegenheiten bei und nach Eintritt des Versicherungsfalls Der VN hat bei und nach Eintritt des Versicherungsfalls folgende Obliegenheiten zu erfüllen: B3-3.2.1 1Er hat nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. 2Dabei hat der VN Weisungen des VR, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weisungen – ggf. auch mündlich oder telefonisch – einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. 3Erteilen mehrere an dem Versicherungsvertrag beteiligte VR unterschiedliche Weisungen, hat der VN nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln. B3-3.2.2 Zusätzlich zu B3-3.2.1 gilt: a) 1Jeder Versicherungsfall ist dem VR innerhalb einer Woche anzuzeigen, auch wenn noch keine Schadensersatzansprüche erhoben worden sind. 2 Das Gleiche gilt, wenn gegen den VN Haftpflichtansprüche geltend gemacht werden.
Ziff. 25 AHB Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles 25.1 1Jeder Versicherungsfall ist, auch wenn noch keine Schadensersatzansprüche erhoben worden sind, dem VR innerhalb einer Woche anzuzeigen. 2Das Gleiche gilt, wenn gegen den VN Haftpflichtansprüche geltend gemacht werden. 25.2 1Der VN muss nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. Weisungen des VR sind dabei zu befolgen, soweit es für den VN zumutbar ist. 2Er hat dem VR ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen. 3 Alle Umstände, die nach Ansicht des VR für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden. 25.3 Wird gegen den VN ein staatsanwaltschaftliches, behördliches oder gerichtliches Verfahren eingeleitet, ein Mahnbescheid erlassen oder ihm gerichtlich der Streit
661 https://doi.org/10.1515/9783110522686-102
Koch
B3-3 AVB PHV
Obliegenheiten des VN
AVB PHV b)
1
BBR PHV/AHB 2016
Er hat dem VR ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen. 2Alle Umstände, die nach Ansicht des VR für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden c) 1Wird gegen den VN ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt oder wird ihm gerichtlich der Streit verkündet, hat er dies dem VR unverzüglich anzuzeigen. 2Dies gilt auch, wenn gegen den VN wegen des den Anspruch begründenden Schadensereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. d) 1Gegen einen Mahnbescheid oder eine Verfügung von Verwaltungsbehördenauf Schadensersatz muss der VN fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen. 2 Einer Weisung des VR bedarf es nicht. e) 1Wird gegen den VN ein Haftpflichtanspruch gerichtlich geltend gemacht, hat er die Führung des Verfahrens dem VR zu überlassen. 2Der VR beauftragt im Namen des VN einen Rechtsanwalt. 3 Der VN muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.
verkündet, hat er dies unverzüglich anzuzeigen. 25.4 1Gegen einen Mahnbescheid oder eine Verfügung von Verwaltungsbehörden auf Scha-densersatz muss der VN fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen. 2Einer Weisung des VR bedarf es nicht. 25.5 1Wird gegen den VN ein Haftpflichtanspruch gerichtlich geltend gemacht, hat er die Führung des Verfahrens dem VR zu überlassen. 2Der VR beauftragt im Namen des VN einen Rechtsanwalt. 3Der VN muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.
B3-3.3 Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung B3-3.3.1 1Verletzt der VN eine Obliegenheit nach B33.1 oder B3-3.2 vorsätzlich, so ist der VR von der Verpflichtung zur Leistung frei. 2Bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit ist der VR berechtigt, seine Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des VN entspricht. B3-3.3.2 Verletzt der VN eine nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehende Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit, ist der VR nur dann vollständig oder teilweise leistungsfrei, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. B3-3.3.3 1Der VR bleibt zur Leistung verpflichtet, wenn der VN nachweist, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat. 2Dies gilt auch, wenn der VN nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung ursächlich war. 3Das gilt nicht, wenn der VN die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
Ziff. 26 AHB Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 26.2 1Wird eine Obliegenheit aus diesem Vertrag vorsätzlich verletzt, verliert der VN seinen Versicherungsschutz. 2Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der VR berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen. 3 Der vollständige oder teilweise Wegfall des Versicherungsschutzes hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Auskunftsoder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. 4 Weist der VN nach, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat, bleibt der Versicherungsschutz bestehen. 5 Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn der VN nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung ursächlich war. 6 Das gilt nicht, wenn der VN die Obliegenheit arglistig verletzt hat. 7 Die vorstehenden Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob der VR ein ihm nach Ziff. 26.1 zustehendes Kündigungsrecht ausübt.
Koch
662
Obliegenheiten des VN
B3-3 AVB PHV
B3-2 AVB PHV gilt nur für die Sachversicherung, weshalb von einem Abdruck abgesehen wird. 1 Diese Klausel hat nur deshalb Berücksichtigung in der Gliederung der AVB PHV gefunden, weil der gesamte Allgemeine Teil (Teil B) zur spartenübergreifenden Verwendung geeignet sein soll.1 B3-3.1 AVB PHV entspricht inhaltlich Ziff. 24 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentie- 2 rung verwiesen werden kann. B3-3.2 AVB PHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 25 AHB 2016 und B3-3.1.2 und B3-3.3 AVB PHV entsprechen Ziff. 26 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.
1 Stockmeier AVB PHV B3-2 Rn. 1. 663
Koch
B4-1 AVB PHV
B4-1 Mehrere VR, Mehrfachversicherung
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-1 Mehrere VR, Mehrfachversicherung B4-1.1 Eine Mehrfachversicherung liegt vor, wenn das Risiko in mehreren Versicherungsverträgen versichert ist. B4-1.2 Wenn die Mehrfachversicherung zustande gekommen ist, ohne dass der VN dies wusste, kann er die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen. B4-1.3 1Das Recht auf Aufhebung erlischt, wenn der VN es nicht innerhalb eines Monats geltend macht, nachdem er von der Mehrfachversicherung Kenntnis erlangt hat. 2Die Aufhebung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die Erklärung, mit der sie verlangt wird, dem VR zugeht.
Ziff. 22 AHB Mehrfachversicherung 22.1 Eine Mehrfachversicherung liegt vor, wenn das Risiko in mehreren Versicherungsverträgen versichert ist. 22.2 Wenn die Mehrfachversicherung zustande gekommen ist, ohne dass der VN dies wusste, kann er die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen. 22.3 1Das Recht auf Aufhebung erlischt, wenn der VN es nicht innerhalb eines Monats geltend macht, nachdem er von der Mehrfachversicherung Kenntnis erlangt hat. 2Die Aufhebung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die Erklärung, mit der sie verlangt wird, dem VR zugeht.
1 Die für die Haftpflichtversicherung geltende Vorschrift zur Mehrfachversicherung in B4-1.2 AVB PHV ist wortgleich mit Ziff. 22 AHB 2016.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-103
664
B4-2 AVB PHV
B4-2 Erklärungen und Anzeigen, Anschriftenänderung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-2 Erklärungen und Anzeigen, Anschriftenänderung B4-2.1 Form, zuständige Stelle 1 Die für den VR bestimmten Erklärungen und Anzeigen, die den Versicherungsvertrag betreffen und die unmittelbar gegenüber dem VR erfolgen, sind in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) abzugeben. 2 Dies gilt nicht, soweit gesetzlich Schriftform oder in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist. 3 Erklärungen und Anzeigen sollen an die Hauptverwaltung des VR oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Stelle gerichtet werden. 4Die gesetzlichen Regelungen über den Zugang von Erklärungen und Anzeigen bleiben bestehen. B4-2.2 Nichtanzeige einer Anschriften- oder Namensänderung 1 Hat der VN eine Änderung seiner Anschrift dem VR nicht mitgeteilt, genügt für eine Willenserklärung, die dem VN gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem VR bekannte Anschrift. 2Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Briefes als zugegangen. 3Dies gilt entsprechend für den Fall einer dem VR nicht angezeigten Namensänderung des VN. B4-2.3 Nichtanzeige der Verlegung der gewerblichen Niederlassung Hat der VN die Versicherung unter der Anschrift seines Gewerbebetriebs abgeschlossen, finden bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung die Bestimmungen nach B4-2.2 entsprechend Anwendung.
Ziff. 29 AHB Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung 29.1 Alle für den VR bestimmten Anzeigen und Erklärungen sollen an die Hauptverwaltung des VR oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden. 29.2 1Hat der VN eine Änderung seiner Anschrift dem VR nicht mitgeteilt, genügt für eine Willenserklärung, die dem VN gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem VR bekannte Anschrift. 2Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Briefes als zugegangen. 3Dies gilt entsprechend für den Fall einer Namensänderung des VN. 29.3 Hat der VN die Versicherung für seinen Betrieb abgeschlossen, finden bei einer Verlegung der betrieblichen Niederlassung die Bestimmungen der Ziff. 29.2 entsprechende Anwendung.
Die Regelungen zu Erklärungen, Anzeigen und Anschriftenänderungen in B4-2 AVB PHV ent- 1 sprechen Ziff. 29 AHB 2016.
665 https://doi.org/10.1515/9783110522686-104
Koch
B4-3 AVB PHV
B4-3 Vollmacht des Versicherungsvertreters
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-3 Vollmacht des Versicherungsvertreters B4-3.1 Erklärungen des VN Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, vom VN abgegebene Erklärungen entgegenzunehmen betreffend a) den Abschluss bzw. den Widerruf eines Versicherungsvertrages; b) ein bestehendes Versicherungsverhältnis einschließlich dessen Beendigung; c) Anzeige- und Informationspflichten vor Abschluss des Vertrages und während des Versicherungsverhältnisses. B4-3.2 Erklärungen des VR Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, vom VR ausgefertigte Versicherungsscheine oder deren Nachträge dem VN zu übermitteln. B4-3.3 Zahlungen an den Versicherungsvertreter Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, Zahlungen anzunehmen, die der VN im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Versicherungsvertrags an ihn leistet. Eine Beschränkung dieser Vollmacht muss der VN nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme der Zahlung kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Fehlanzeige
1 Die Regelungen in B4-3 AVB PHV betreffen die Vollmacht des Versicherungsvertreters. Vergleichbare Regelungen hierzu enthalten die AHB 2016 nicht. B4-3.1 AVB PHV (Erklärungen des VN) entspricht § 69 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VVG, B4-3.2 AVB PHV (Erklärungen des VR) entspricht § 69 Abs. 1 Nr. 3 VVG und B4-3.3 AVB PHV (Zahlungen an den Versicherungsvertreter) entspricht § 69 Abs. 2 VVG.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-105
666
B4-4 AVB PHV
B4-4 Verjährung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-4 Verjährung 1 Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. 3Die grob fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis gleich. 4 Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag bei dem VR angemeldet worden, zählt bei der Fristberechnung der Zeitraum zwischen Anmeldung und Zugang der in Textform (z.B. E-Mail, Telefax oder Brief) mitgeteilten Entscheidung des VR beim Anspruchsteller nicht mit. 5 Im Übrigen richtet sich die Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Ziff. 30 AHB Verjährung 30.1 Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren. Die Fristberechnung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB. 30.2 Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag bei dem VR angemeldet worden, ist die Verjährung von der Anmeldung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des VR dem Anspruchsteller in Textform zugeht.
Die Regelungen in B4-4 AVB PHV entsprechen inhaltlich Ziff. 30 AHB 2016. Die in B4-4 Satz 2 1 AVB PHV zusätzlich aufgenommene Formulierung gibt § 199 Abs. 1 BGB wieder.
667 https://doi.org/10.1515/9783110522686-106
Koch
B4-5 AVB PHV
B4-5 Örtlich zuständiges Gericht AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-5 Örtlich zuständiges Gericht B4-5.1 Klagen gegen den VR 1 Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VR bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 2 Ferner ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz, den Sitz seiner Niederlassung oder seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 3 Verlegt jedoch der VN nach Vertragsschluss seinen Sitz, den Sitz seiner Niederlassung, seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland, sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der VR seinen Sitz hat. B4-5.2 Klagen gegen VN 1 Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VN bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz, dem Sitz der Niederlassung oder dem Wohnsitz des VN; fehlt ein solcher, nach seinem gewöhnlichen Aufenthalt. 2 Sind der Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VN nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung.
Ziff. 31 AHB Zuständiges Gericht 31.1. 1Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VR bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 2Ferner ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz, den Sitz seiner Niederlassung oder seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 3Verlegt jedoch der VN nach Vertragsschluss seinen Sitz, den Sitz seiner Niederlassung, seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland, sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der VR seinen Sitz hat. 31.2 1Ist der VN eine natürliche Person, müssen Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen ihn bei dem Gericht erhoben werden, das für seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts zuständig ist. 2Ist der VN eine juristische Person, bestimmt sich das zuständige Gericht auch nach dem Sitz oder der Niederlassung des VN. 3Das gleiche gilt, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist. 31.3 Sind der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VN nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung.
1 B4-5.1 AVB PHV ist wortgleich mit Ziff. 31.1 AHB 2016. Auf die dortige Kommentierung sei verwiesen. In B4-5.2 Satz 1 AVB PHV ist die Differenzierung in Ziff. 31.2 AHB 2016 zwischen VN, die natürliche Personen sind, und solchen, die juristische Personen sind, aufgegeben worden, ohne dass sich hierduch inhaltlich etwas geändert hat. B4-5.2 Satz 2 ist inhaltsgleich mit Ziff. 31.3 AHB 2016.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-107
668
B4-7 AVB PHV
B4-6 Anzuwendendes Recht
AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-6 Anzuwendendes Recht Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.
Ziff. 32 AHB Anzuwendendes Recht Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.
B4-6 AVB PHV ist wortgleich mit Ziff. 32 AHB 2016. Auf die dortige Kommentierung sei verwie- 1 sen.
B4-7 Embargobestimmung AVB PHV
BBR PHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil Abschnitt B4 Weitere Regelungen B4-7 Embargobestimmung 1 Es besteht – unbeschadet der übrigen Vertragsbestimmungen –Versicherungsschutz nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. 2 Dies gilt auch für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Vereinigten Staaten von Amerika, soweit dem nicht Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen.
Ziff. 1.3 AHB 1 Es besteht – unbeschadet der übrigen Vertragsbestimmungen – Versicherungsschutz nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. 2 Dies gilt auch für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos, die durch die Vereinigten Staaten von Amerika in Hinblick auf den Iran erlassen werden, soweit dem nicht europäische oder deutsche Rechtsvorschriften entgegenstehen.
B4-7 AVB PHV ist wortgleich mit Ziff. 1.3 AHB 2016. Auf die dortige Kommentierung sei verwie- 1 sen.
669 https://doi.org/10.1515/9783110522686-109
Koch
Teil 4 Betriebshaftpflichtversicherung A. Tarifstruktur Allgemeiner Teil AT – Betriebshaftpflicht (BBR BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Ziff. 7 Deckungsumfang Ziff. 7.1 Betriebshaftpflichtversicherung Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Personen Ziff. 7.1.3 Erweiterung des Versicherungsschutzes Ziff. 7.1.3.1 Strahlenschäden Ziff. 7.1.3.2 Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung (im Falle besonderer Vereinbarung) Ziff. 7.1.3.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht Ziff. 7.1.3.4 Mietsachschäden Ziff. 7.1.3.5 Abhandenkommen von Sachen Ziff. 7.2 Berufshaftpflichtversicherung Ziff. 7.3 Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung Ziff. 7.4 Nicht versicherte Risiken Ziff. 7.4.1 Ausgeschlossen sind Ansprüche Ziff. 7.4.2 Besonders zu versichernde Risiken Ziff. 7.4.3 Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge Ziff. 7.4.4 Luft-/Raumfahrzeuge Ziff. 7.4.5 Brand- und Explosionsschäden Ziff. 7.5 Mitversicherung des Kfz-Haftpflichtrisikos Ziff. 7.6 ARGE-Klausel, Abbruch- und Einreißarbeiten, Tätigkeitsschäden, Vermögensschäden, Schiedsgerichtsvereinbarung Ziff. 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften Ziff. 7.6.2 Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen Ziff. 7.6.3 Tätigkeitsschäden bei Betrieben des Handels, Handwerks und des produzierenden Gewerbes Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden bei Betrieben des Bauhaupt-/Baunebengewerbes Ziff. 7.6.5 Mitversicherung von Vermögensschäden Ziff. 7.6.6 Schiedsgerichtsvereinbarungen Ziff. 7.7 Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung Ziff. 7.8 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Ziff. 7.9 Nachhaftungsversicherung für Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung Ziff. 7.10 Gewässerschaden- und Umweltrisiko
Schrifttum Bocianiak Die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1998 285; Fausten Zur Problematik des Sexual Harassment bei US-Risiken und zu deren Bedeutung für deutsche Betriebshaftpflichtversicherungspolicen, VersR 1996 17; Koch Nullstellung und Wiedereinschluss von IT-Risiken in der Betriebshaftpflichtversicherung (AHB 2004/BHV-IT), RuS 2005 181; Krause Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflicht bei Arbeitsunfällen, VersR 1999 819; Littbarski Haftungs- und Versicherungsrecht im Bauwesen (1986); Nickel Die Umdeckung von Betriebshaftpflichtversicherungen, VersR 2002 667; ders. Vertragliche Haftpflichtvereinbarungen in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 2000 1345; ders. Verbindung, Vermischung und Verarbeitung mangelhafter Produkte in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1990 702; Nickel/Ganz Produkthaftpflichtschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1999 951; Nickel/Nickel-Fiedler Die Herstellungs- und Lieferungsklausel in der 671 https://doi.org/10.1515/9783110522686-110
Koch
BBR BHV
Vorbemerkung
Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 2011 41; dies. Der Tätigkeitsschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 2010 1133; Schimikowski Der Versicherungsfall in der Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, RuS 2017 393; Schmalzl Die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und des Bauunternehmers (1989); Schmalzl/KrauseAllenstein Die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und des Bauunternehmers, 2. Aufl. (2006); S Teufl/ Nickel Der Schwimmerschalterfall in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1991 1228. Vgl. ferner die Literaturangaben vor AHB 2016.
Vorbemerkung 1 Die Betriebshaftpflichtversicherung schützt natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften vor der Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen eines Tuns, Duldens oder Unterlassens, das ihrer selbstständigen oder unselbstständigen beruflichen oder ihrer gewerblichen versicherten Tätigkeit zugerechnet werden kann. Sie wird ergänzt durch die Produkt-, Umwelthaftpflicht-, Umweltschadens-, Produkt- und Kfz-Rückrufversicherung. Diese Zusatzdeckungen erweitern den nach der Betriebshaftpflichtversicherung bestehenden Schutz (Produkthaftpflichtrisiko) oder stellen den in der Betriebshaftpflichtversicherung ausgenommenen Schutz für Umwelthaftpflicht-, Umweltschadens-, Produkt- und Kfz-Rückrufkostenrisiken sicher. 2 Der nachstehenden Kommentierung der Betriebshaftpflichtversicherung liegt die vom GDV unverbindlich empfohlene Tarifstruktur Allgemeiner Teil AT – Betriebshaftpflicht (Stand: 2015) zugrunde, die der traditionellen Aufteilung zwischen Allgemeinen Bedingungen und Besonderen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung folgend auf den AHB aufbaut und durch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) ergänzt wird. Seit 2013 hat der GDV damit begonnen, die Allgemeinen Bedingungen und die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen in einem Bedingungswerk zusammenzufassen mit dem Ziel, den Umfang des Versicherungsschutzes für den Kunden verständlicher darzustellen. Das bis dato bestehende System, dass Ausschlüsse, die in den AHB vorgesehen sind, durch BBR wieder eingeschlossen werden, sollte durch positive Leistungsbeschreibungen ersetzt werden. 3 Ob und inwieweit die „AHB-losen“ AVB BHV, die wie zuvor die Muster-Tarifstrukturen für die einzelnen Betriebssparten ergänzende Bedingungen z.B. für Gaststätten und Beherbergungsbetriebe, Bauträger und Generalübernehmer, Betriebe des Bauhauptgewerbes, Betriebe des Baunebengewerbes, Kfz-Dienstleister Kfz-Handel und -Handwerk enthalten, seither Eingang in die Vertragspraxis gefunden haben, ist nicht bekannt. In der bisherigen veröffentlichten Rechtsprechung scheinen sie jedenfalls (noch) keine Rolle zu spielen. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Kommentierung nicht die AVB BHV zum Ausgangspunkt gemacht, sondern die Tarifstruktur Allgemeiner Teil AT – Betriebshaftpflicht (zitiert als BBR BHV). Erst im Anschluss daran werden die AVB PHV synoptisch in den Blick genommen und untersucht, ob sich der Versicherungsschutz für den VN durch diese Strukturreform verbessert oder verschlechtert hat.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-111
672
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7 Deckungsumfang Ziff. 7.1 Betriebshaftpflichtversicherung Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Betrieb mit seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten bzw. aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen beruflichen Tätigkeit.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Bedeutung der Risikodeklaration
C.
Bestimmung des Umfangs des versicherten Risikos
I.
Rechtsverhältnisse
II. 1. 2.
6 Tätigkeiten 7 Berufsbild Hilfstätigkeiten
III.
Nebenrisiken
IV.
Kasuistik
2
Behandlung von Mischfällen
I.
Tätigkeiten des Versicherungsnehmers mit dop24 pelter Zwecksetzung
II.
Verschiedene (nicht) versicherte Eigenschaften oder Rechtsverhältnisse des Versicherungsneh27 mers
E.
Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (2) AHB 33 2016)
F.
Abgrenzung zu neuen Risiken (Ziff. 3.1 (3), 4 34 AHB 2016)
5
15 19
23
D.
22
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.1.1 BBR BHV stellt klar, dass die Betriebshaftpflichtversicherung nicht für alle Wagnisse 1 Versicherungsschutz bietet, sondern nur für die im Versicherungsvertrag näher umschriebenen Risiken (Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos) und konkretisiert Ziff. 3.1 (1) AHB 2016. Insoweit kann ergänzend auf die Kommentierung zu Ziff. 3.1 (1) AHB 2016 verwiesen werden. Die Formulierung „versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachfolgenden Bestimmungen“, bedeutet nicht, dass AHB und BBR BHV gleichrangig Anwendung finden, da dem Sprachgebrauch zufolge besondere Vereinbarungen den allgemeinen vorgehen. Der Versicherungsschutz richtet sich deshalb vorrangig nach den BBR BHV.1 Die AHB kommen nur insoweit zur Anwendung, als die Regelungen der BBR BHV nicht abschließend sind. Dies ist aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen VN einer Betriebshaftpflichtversicherung in jedem Einzelfall vor einem Rückgriff auf die AHB zu klären. Beispielhaft seien Ziff. 1.1 AHB 2016, der den Eintritt des Versicherungsfalles bestimmt, und die Ausschlüsse in Ziff. 7 AHB 2016 genannt.2 1 Vgl. LG München 20.12.2012 – 12 O 12009/12, BeckRS 2013 03140. 2 BGH 9.6.2004 – IV ZR 228/03, VersR 2004 904. 673 https://doi.org/10.1515/9783110522686-113
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
B. Bedeutung der Risikodeklaration 2 In der Betriebshaftpflichtversicherungspraxis knüpft die Beschreibung des versicherten Risikos in erster Linie an den Gegenstand des Unternehmens oder der beruflichen Tätigkeit an. Versichert werden z.B. die Risiken aus dem/der – „Bau- und Möbelschreinerei inkl. Handel mit Möbeln“,3 – Betrieb einer Bauunternehmung,4 – „Betriebe des Bau- und Ausbauhandwerks – Maurerarbeiten –“,5 – Betrieb einer „Fleischerei/Metzgerei/Schlachterei“,6 – Betrieb eines „Investment-Shops“,7 – Betriebs eines „Laden- und Innenausbau“8 – Betrieb eines Sport- und Gymnastikstudios,9 – Dachdeckergeschäft10 – Elektroinstallationsbetrieb,11 – freiberuflicher Ingenieurstätigkeit,12 – Fugarbeiten,13 – „gewerbsmäßige[r] Verwahrung und Pflege von Pensionspferden i.V.m. pferdesportlichen Aktivitäten“,14 – „Herstellung, Lieferung, Montage von und Handel mit Betonfertigteilen und Betonwaren; Kranarbeiten; Generalunternehmer“,15 – Montage, Ausrichtung und Umsetzung von Maschinen innerhalb von Werksgebäuden,16 – „Reparatur von Bootsmotoren“,17 – Sonstigen Großhandel (Endprodukte) – Kommissionierung von Tiefkühlkost auf fremden Grundstücken R. Str. … D.“,18 – Tätigkeit als Assistenzarzt in der Weiterbildung,19 – Transport von Maschinen20 oder – Zimmereibetrieb.21 3 Auf Eigenschaften, spezielle Rechtsverhältnisse oder Tätigkeiten wird zumeist zur Konkretisierung des versicherten Risikos (und damit zur Abgrenzung von unversicherten Risiken) abgestellt. Im Gegensatz zum Unternehmensgegenstand, dessen Umschreibung im Rahmen einer Individualvereinbarung erfolgt, werden diese in der Regel formularmäßig beschrieben. Entsprechendes gilt für die Risikodeklaration bei beruflichen Tätigkeiten. 3 OLG Karlsruhe 15.7.2010 – 12 U 6/10, RuS 2010 416, 417. 4 ÖOGH 24.10.1974 – 7Ob157/74, VersR 1975 1140. 5 OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12, VersR 2013 127 = RuS 2013 705. 6 OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209. 7 OLG Köln 27.6.2003 – 9 U 210/05, RuS 2006 370, 371 zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. 8 OLG Frankfurt/M. 23.11.1978 – 1 U 216/77, VersR 1980 1018. 9 OLG Nürnberg 15.7.1974 – 5 U 84/72, VersR 1975 995. 10 BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77. 11 OLG Hamm 25.2.2005 – 20 U 176/04, RuS 2005 243, 244; vgl. auch LG Marburg 14.12.1977 – 2 O 196/77, VersR 1978 909. 12 LG München 28.1.2010 – 12 O 23208/08, BeckRS 2011 09912 und 17.12.2009 BeckRS 2011 11890. 13 LG Verden 14.2.1990 – 8 O 419/89, zfs 1990 315. 14 LG Kassel 21.3.1990 – 11 O 3113/89, zfs 1990 280. 15 OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, VersR 2016 983, 984. 16 LG Karlsruhe 26.4.1988 – 7 O 87/88, zfs 1988 256, 257. 17 BGH 7.10.1987 – IVa ZR 140/86, VersR 1987 1181. 18 OLG Düsseldorf 23.3.2018 – I-4 U 60/17, VersR 2019 346. 19 AG Offenbach 31.7.2000 – 39 C 5554/99, VersR 2001 1102, 1103. 20 OLG Karlsruhe 19.7.2007 – 12 U 21/07, VersR 2007 1551. 21 OLG Frankfurt/M. 27.5.1999 – 3 U 174/98, NVersZ 2000 241. Koch
674
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Ziff. 7.1 BBR BHV
Hat der VN von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einzelne Teilrisiken in eigenständigen 4 Tarifpositionen zu versichern und andere nicht, ist eine nicht gewählte Position im Zweifel auch nicht durch eine andere Position gedeckt.22 Unterhält der VN z.B. einen Dachdeckerbetrieb und gibt es eine eigene Tarifposition für die Betriebsart Gerüstbau, Gerüstverleih und Gerüstvermietung, die der VN nicht mitversichert hat, gehört die Vermietung nicht zum versicherten Risiko.23
C. Bestimmung des Umfangs des versicherten Risikos I. Rechtsverhältnisse Knüpft das versicherte Risiko an die Inanspruchnahme wegen Schäden aus „Halten, Besitz 5 und Nutzung“ einer Sache an, beschränkt sich der Versicherungsschutz nicht nur auf Schäden Dritter, die während der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache, also dessen „Nutzung im engeren Sinne“ entstanden sind. Versichert sind auch alle der Aufrechterhaltung der Funktionstauglichkeit der Sache dienenden Maßnahmen. Insoweit erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Schäden, die im Zusammenhang mit Unterhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen an der Sache entstehen, weil es sich hierbei um typische, aus dem „Besitz“ der Sache begründende Gefahren handelt. Zu diesen Maßnahmen zählt auch der dauerhafte und unbeaufsichtigte Anschluss des Batterieladegeräts an den Landstrom zur Aufrechterhaltung der Starterund Bordelektronik einer Yacht. Kommt es hierbei zu einem Brand, bei dem Dritte beschädigt werden, besteht Deckung.24
II. Tätigkeiten Alle Tätigkeiten, die im fachlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Unternehmens 6 und/oder der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit stehen, zählen zum versicherten Risiko (vgl. Rn. 10 ff.).25 Zum versicherten Risiko gehören auch die für die Arbeit notwendigen Vorarbeiten26 sowie Sicherungsmaßnahmen.27 Insgesamt ist zugunsten des VN ein großzügiger Maßstab anzulegen. Unklare Beschreibungen gehen im Zweifel zu Lasten des VR. Gibt die Beschreibung des zu versichernden Risikos nicht den kompletten Tätigkeits- und/oder Produktionsbereich wieder (z.B. Softwarehaus, Bauunternehmung, Dachdeckerbetrieb), ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Tätigkeiten im Einzelnen versichert sind.28 Hat der VN – um auf das vorherige Beispiel (Rn. 4) zurückzukommen – keine Kenntnis davon, dass der VR in seinem Tarif eine besondere Tarifposition für die Betriebsart Gerüstbau, Gerüstverleih und Gerüstvermietung gebildet hat, kann dieser Umstand bei der Auslegung, ob die Schadensersatzansprüche eines anderen Handwerkers, der das Gerüst gemietet hatte, unter das versicherte Risiko „Dachdecke-
22 Vgl. BGH 7.10.1987 – IVa ZR 140/86, VersR 1987 1181; OLG Koblenz 17.5.1973 – 4 U 134/73, VersR 1973 957; LG Itzehoe 15.11.1985 – 2 O 226/85, VersR 1987 553; LG Marburg 14.12.1977 – 2 O 196/77, VersR 1978 909; LG Göttingen 28.10.1976 – 2 O 132/76, RuS 1977 157, 158; vgl. auch Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 3; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 19. 23 BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77. 24 OLG Celle 13.12.2018 – 8 U 142/18, RuS 2020 582, 583. 25 Vgl. BGH 7.10.1987 – IV a ZR 140/86, VersR 1987 1181; OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1211; OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, VersR 2016 983, 984, OLG München 24.4.1981 – 8 U 3048/80, VersR 1982 665. 26 OLG Stuttgart 25.4.2016 – 7 U 215/15, VersR 2016 983, 984 (Hauseinmessung für Fassadenarbeiten). 27 LG Stade 8.3.2016 – 3 O 186/15, RuS 2016 563, 564 (provisorisches Abdecken eines Daches mit einer Plane, um dieses vor Regen zu schützen). 28 OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12, VersR 2013 127 = RuS 2013 705. 675
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
reibetrieb“ fallen, keine Berücksichtigung als Abgrenzungsmaßstab finden.29 Soweit die Tätigkeit, die zum Schadenseintritt geführt hat, nicht unter das versicherte Risiko fällt, greifen die Regeln zur Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB 2016) ein.
1. Berufsbild 7 Ist ein bestimmter Beruf versichert, sind im Zweifel alle Tätigkeiten versichert, die dem Berufsbild entsprechen.30 Nicht entscheidend ist, ob es sich um typische oder untypische Tätigkeiten handelt.31 Zu beachten ist, dass Berufsbilder in der Regel nicht starr sind, sondern einem Wandel unterliegen. Deshalb ist nicht das von Tradition geprägte Berufsbild entscheidend dafür, ob eine bestimmte Tätigkeit unter das versicherte Risiko fällt, sondern das, was nach der Verkehrsauffassung im Wirtschaftsleben noch alles zum Berufsbild gehört.32 Die Verkehrsauffassung wird maßgeblich bestimmt durch die den jeweiligen Beruf betref8 fenden Berufszulassungs- und -ausübungsregeln und Branchenüblichkeit.33 Bei Handwerken können z.B. die gem. §§ 45 Abs. 1, 51 a Abs. 2 HWO als Bundesrechtsverordnungen erlassenen Meisterverordnungen sowie die in der Anlage A (zulassungspflichtiges Handwerk) und in den Anlagen B1 und B2 (zulassungsfreie Handwerke und handwerksähnliche Gewerbe) berücksichtigt werden. Bei Architekten zählen alle nach der HOAI abrechenbaren Leistungen zum versicherten Risiko.34 Soweit das Gesetz oder Standesrecht das Berufsbild nicht abschließend regelt, gibt die Verkehrsauffassung das Maß, ob eine bestimmte Tätigkeit zum Beruf gehört. Ein gutes Beispiel für die Bestimmung des versicherten Risikos ist das Urteil des OLG Celle 9 vom 5.7.2012.35 Darin ging es um die Errichtung einer Sohlplatte (Fundamentplatte) aus Stahlbeton durch einen VN, der eine Betriebshaftpflichtversicherung für „Sonstige Betriebe des Bauund Ausbauhandwerks – Maurerarbeiten –“ abgeschlossen hatte. Bedingt durch die Mängel der Sohlplatte kam es zu Schäden am von dritter Seite darauf errichteten Fertighaus, das deswegen abgerissen und einschließlich Sohlplatte neu errichtet werden musste. Der VR verneinte die Deckung mit der Begründung, die Errichtung der Platte falle nicht unter das versicherte Risiko „Maurerarbeiten“. Die Arbeiten gehörten zum Berufsbild des Stahlbetonbauers und nicht zum Berufsbild des Maurers. Das OLG Celle ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat dem VN Deckung mit folgender Begründung gewährt36: „Entgegen der Ansicht [des VR] darf der Begriff der ,Maurerarbeiten‘ nicht zu eng ausgelegt werden. Er umfasst nicht ohne weiteres nur dasjenige, was man umgangssprachlich traditionell auf der Grundlage des Begriffs für die typischen Maurerarbeiten halten wird, nämlich das Erstellen von Mauern, das Mauern also. Der Versicherungsschein wendet sich an … ein Bauunternehmen, so dass es deshalb nicht auf die laienhafte Auslegung des Begriffes ,Maurerarbeiten‘ ankommen kann. Die … Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirt-
29 A.A. wohl Späte BetrH Rn. 8: „grobe Faustregel“. 30 Vgl. OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1211; OLG Karlsruhe 15.7.2010 – 12 U 6/10, RuS 2010 416, 417; OLG Karlsruhe 15.12.2005 – 12 U 150/05, NZBau 2006 256, 257; Späte BetrH Rn. 7; Kuwert Rn. 1048; Beckmann/ Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 11; vgl. auch OLG Stuttgart 23.9.2010 – 7 U 75/10, BeckRS 2011 13674; OLG Stuttgart 28.10.2004 – 7 U 109/04, BeckRS 2007 18594 jeweils zur Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte. 31 OLG München 24.4.1981 – 8 U 3048/80, VersR 1982 665; LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, NJW-RR 2009 1544, 1545; LG Stade 8.3.2016 – 3 O 186/15, RuS 2016 563, 564; Prölss/Martin/Lücke BetriebsHaftPfl Ziff. 7.1.1 Rn. 4; vgl. auch OLG Frankfurt/M. – 3 U 174/98, 27.5.1999 NVersZ 2000 241, 242. 32 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 11. 33 Vgl. LG Stade 8.3.2016 – 3 O 186/15, RuS 2016 563, 564; a.A. OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1211. 34 Vgl. OLG Hamm 7.2.2007 – 20 U 118/06, RuS 2007 152, 153 = VersR 2007 980 (Prüfung möglicher Grundstücksaufteilungen sowie der Realisierbarkeit von Wünschen potentieller Käufer). 35 OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12, RuS 2013 127 = VersR 2013 705. 36 OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12, RuS 2013 127, 128 = VersR 2013 705. Koch
676
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Ziff. 7.1 BBR BHV
schaft enthält auch Vorgaben für die Ausbildung der Maurer… Dabei zeigt § 23 der Verordnung (,Ausbildungsberufsbild‘), dass der Maurerberuf deutlich umfassender ist. Gegenstand der Berufsausbildung sind danach die dort genannten Fertigkeiten und Kenntnisse. Dabei geht es in keiner Weise nur um das Herstellen von Mauern oder überhaupt auch nur das Herstellen von Baukörpern aus Steinen. Dieser Punkt ist nur einer von vielen im Ausbildungsberufsbild. Es zeigt sich weiter, dass es vielfältige Überschneidungen mit anderen Bauberufen gibt. § 28 der Verordnung betrifft den Beton- und Stahlbetonbauer. Die Errichtung von Boden-/Sohlplatten ist auch dort nicht explizit erwähnt. Das gleiche gilt für das Ausbildungsberufsbild des Spezialtiefbauers (§ 88) oder das Ausbildungsberufsbild des Hochbaufacharbeiters (§ 5). Nach § 2 der Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild vom 30. August 2004 sind im Maurer- und Betonbauer-Handwerk (eine Differenzierung findet insoweit nicht statt) zum Zwecke der Meisterprüfung die dort genannten zahlreichen Fertigkeiten und Kenntnisse erforderlich. Unter anderem ist es erforderlich (Abs. 2 Nr. 8), Baugrund nach Bodenarten und Bodenklassen zu unterscheiden, auf Tragfähigkeit, Bearbeitbarkeit und Schadstoffe nach Augenschein zu beurteilen, sowie (Nr. 9) Baugruben herzustellen, zu sichern und zu verfüllen, Gründungen auszuführen und Gebäude zu sichern. Und nach § 58 Abs. 6 NBauO dürfen auch Maurermeister für genehmigungsbedürftige Baumaßnahmen Entwürfe erstellen.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]
Diese sorgfältige Begründung überzeugt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Risikobeschreibung nicht nur ein Maurerbetrieb, sondern ein Betrieb des Bau- und Ausbauhandwerks versichert war, durfte der VN davon ausgehen, dass die Errichtung einer Sohlplatte eine mitversicherte Tätigkeit ist. In der Vertragspraxis wird das Risiko gem. § 5 HwO regelmäßig mitversichert.37 Nach dieser 10 Norm ist ein Handwerker berechtigt, „auch Arbeiten in anderen Handwerken nach § 1 Abs. 1 aus[zu]führen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Gewerbes technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen“.
Einen fachlichen Zusammenhang nimmt die Rechtsprechung an, wenn die Arbeiten in einer derartig engen Verbindung zu einem konkreten Arbeitsauftrag stehen, dass die gemeinsame Verrichtung zwar nicht notwendigerweise technisch, wohl aber wirtschaftlich geboten ist.38 Das OLG Karlsruhe hat beispielsweise einen fachlichen Zusammenhang in einem Fall bejaht, 11 in dem der VN als Hauptauftrag aus seinem eigenen Handwerk die Möbelherstellung und -montage einer Küche vorzunehmen hatte, zu der auch eine Teeküche gehörte.39 Der gerichtliche Sachverständige hatte in seiner Anhörung ausgeführt, es entspreche gängiger Praxis, dass ein Schreiner bei einer Küchenmontage auch die in diesem Zusammenhang erforderlichen sanitären Installationsarbeiten wie die Montage eines Wasserhahns – und zwar auch dessen Anschluss an einen Boiler zur Warmwasseraufbereitung – ausführe.40 Es sei bei wirtschaftlicher Betrachtung völlig unverhältnismäßig, hierfür jedes Mal gesondert einen Sanitärfachbetrieb zu beauftragen. Auch ohne ausdrückliche Inbezugnahme auf § 5 HwO dürften Annexleistungen, die mit dem 12 versicherten Handwerk des VN technisch oder fachlich zusammenhängen, vielfach versichert sein, weil sie nach der Verkehrsauffassung im Wirtschaftsleben noch zum versicherten Handwerk dazu gehören und deshalb eine Nähe zu mitversicherten Hilfstätigkeiten haben (Rn. 15). Als nicht dem Berufsbild entsprechend anzusehen sind im Grundsatz alle Tätigkeiten, zu 13 denen der VN gewerberechtlich nicht befugt ist.41 Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich 37 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 11. 38 OLG Stuttgart 27.7.1990 – 2 U 107/90, BeckRS 1990 31208343; LG Stade 8.3.2016 – 3 O 186/15, RuS 2016 563, 564; VG Berlin 11.9.1991- 4 A 144.88, BeckRS 1991 31333083. 39 OLG Karlsruhe 15.7.2010 – 12 U 6/10, RuS 2010 416, 417; vgl. auch OLG Karlsruhe 30.4.2015 – 12 U 477/12, RuS 2015 291 f.; LG Stade 8.3.2016 – 3 O 186/15, RuS 2016 563, 564. 40 Vgl. auch OLG Hamm 25.2.2005 – 20 U 176/04, RuS 2005 243, 245. 41 OLG Frankfurt/M. 27.5.1999 – 3 U 174/98, NVersZ 2000 241, 242; ÖOGH 24.11.1998 – 7Ob148/98k, ECLI:AT:OGH0002:1998:0070OB00148.98K.1124.000; ÖOGH 21.4.1993 – 7Ob5/93, ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB 0005.93.0421.000; ÖOGH 9.11.1989 –7 Ob 43/89, VersR 1990 1414. 677
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
der VN der Überschreitung der gewerberechtlichen Befugnis bewusst war.42 Abzulehnen ist deshalb das Urteil des ÖOGH vom 28.11.1991, in dem er Versicherungsschutz trotz Überschreitens der Gewerbeberechtigung gewährte.43 In jenem Fall wurde der VN einer Haftpflichtversicherung für den Betrieb „Kaminschleifunternehmen ohne Rauchfangkehrerarbeiten“, dem die Befugnis zur gewerbsmäßigen Ausübung des Patents „Vorrichtung zum Verputzen der Innenwandung von Schornsteinen o. dgl.“ erteilt worden war, damit beauftragt, die Kaminschläuche eines zum Haus gehörenden Kamins auch im Bereich des Kaminkopfes zu schleifen. Hierzu war es erforderlich, die vorhandenen Abzugsrohre zu entfernen. Da diese aus Steingut bestanden, wurden sie durch die Abtragung zwangsläufig zerstört. Deshalb hatte der VN nach Abschluss der Schleifarbeiten neue Metallrohre anzubringen, die bei einem starken Sturm aus der Verankerung gerissen wurden. Der ÖOGH bejahte die Deckung mit der Begründung, zum einen sei dem VR die Erteilung des Patents bekannt gewesen; zum anderen habe der VN die Risikobeschreibung „Kaminschleifunternehmen ohne Rauchfangkehrerarbeiten“ dahingehend verstehen dürfen, dass alle mit der Ausübung des Patents verbundenen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz umfasst seien, sofern hierzu nur nicht offensichtlich die gewerberechtliche Befugnis fehle. 14 Nur im Rahmen der Vorsorgeversicherung besteht Versicherungsschutz, wenn der VN seine Tätigkeiten in der Eigenschaft als Auftraggeber eines für die konkreten Arbeiten konzessionierten Subunternehmers erbringt und dieser Subunternehmer ebenso wie die auszuführenden Tätigkeiten einem anderen Gewerbe unterfällt als die eigentliche Tätigkeit des VN. Anderenfalls könnte es durch die Einschaltung von Subunternehmern zu einer für die Versicherung nicht überschaubaren Ausdehnung des versicherten Risikos kommen.44
2. Hilfstätigkeiten 15 Hilfstätigkeiten sind (ggf. als Risikoerhöhung, vgl. Ziff. 3.1 (2) AHB 2016) versichert, soweit sie dazu bestimmt sind, dem versicherten (Haupt-/Neben-)Risiko zu dienen.45 Da solche Tätigkeiten auch von anderen Betrieben oder Berufen ausgeübt werden können, kommt es auf die Branchenüblichkeit nicht an.46 Zu Hilfstätigkeiten zählen z.B. die auf das Betriebsgrundstück bezogene Sicherstellung der Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten.47 16 Als weiteres Beispiel sei der Einsatz elektronischer Datenverarbeitung genannt, ohne die eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit gleich welcher Branche heutzutage nicht mehr vorstellbar ist. Der Austausch (z.B. mittels Datenträgern), die Übermittlung (z.B. per E-Mail) sowie die Bereitstellung elektronischer Daten im Rahmen der IT-Nutzung sind daher grundsätzlich ebenso als mitversicherte Hilfstätigkeiten anzusehen wie das mit dem Betrieb einer Homepage einhergehende Content-Providing, soweit es sich auf die werbende Darstellung des Unternehmens beschränkt. 17 Auch die Einrichtung und der Betrieb eines Intranets oder Corporate Networks zur Verbesserung der zu dienstlichen Zwecken erfolgenden Kommunikation fällt noch in diese Kategorie, nicht jedoch die Gestattung der Online-Nutzung zu auch privaten Zwecken.48 Zwar erfolgt
42 A.A. wohl ÖOGH 28.11.1991 – 7 Ob 32/91, VersR 1992 1378, 1379, wonach die Überschreitung der gewerberechtlichen Befugnis offensichtlich sein muss; offenlassend OLG Frankfurt/M. 27.5.1999 – 3 U 174/98, NVersZ 2000 241, 242. 43 ÖOGH 28.11.1991 – 7Ob32/91, VersR 1992 1378, 1379. 44 OLG Frankfurt/M. 27.5.1999 – 3 U 174/98, NVersZ 2000 241, 242. 45 OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1210 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 12; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_1 Ziff. 7.1.1 Rn. 5; Späte BetrH Rn. 7; Kuwert Rn. 1048. 46 Vgl. OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1211; ÖOGH 24.10.1974 – 7Ob157/74; 7Ob122/75, VersR 1975 1140; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 12; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 681 f. 47 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_1 Ziff. 7.1.1 Rn. 5. 48 Vgl. Koch IT-Risiken Rn. 1449. Koch
678
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Ziff. 7.1 BBR BHV
diese nicht aus privaten Gründen, sondern mit der Absicht oder zumindest in der Hoffnung, dass das soziale Klima und die Motivation der Mitarbeiter gefördert werden. Diese Zielsetzung rechtfertigt jedoch nur die Annahme einer betrieblichen Veranlassung mit der Folge der Zuordnung eines Risikos zur Betriebshaftpflichtversicherung,49 nicht hingegen die Einordnung als mitversicherte Hilfstätigkeit. Als solche kann die Gestattung der Online-Nutzung zu privaten Zwecken erst dann angesehen werden, wenn sie einen mit der dienstlichen Nutzung vergleichbaren Verbreitungsgrad gefunden hat.50 Ebenso wie bei Haupttätigkeiten (Rn. 7) kommt es nicht darauf an, ob es sich um typische 18 oder untypische Hilfstätigkeiten handelt.51 So umfasst das Risiko „Elektroepilation“ auch die Injektion des Lokalanästhetikums zu dem Zweck einer Betäubung der zu behandelnden Körperstellen, da die Haarentfernung auf diese Weise zugunsten der Kunden schmerzfrei gestaltet, mithin erleichtert werden soll.52 Das versicherte Risiko „Betrieb des Campingplatzes sowie des dazugehörenden [See-]Freibades“ umfasst nicht nur die Verwendung eines Motorbootes zur Rettung betriebseigener Gäste, sondern auch Probefahrten im Anschluss an eine Reparatur des Bootes.53 Nach der Rechtsprechung sind selbst Schäden durch Gewehrschüsse bei der Rattenjagd eines Bäckers54 oder beim Vertreiben von Elstern durch einen Landwirt55 versichert.
III. Nebenrisiken Abzugrenzen von dem versicherten Hauptrisiko sind Nebenrisiken. Darunter sind Zusatzrisiken 19 zu verstehen, die im Zusammenhang mit dem Hauptrisiko stehen, jedoch vom Hauptrisiko abweichende Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten des VN betreffen.56 Nebenrisiken sind nur dann im Rahmen des Hauptvertrages mitversichert, wenn sie branchenüblich sind. Branchenunübliche Nebenrisiken sind versichert, wenn und soweit sie im Vertrag als versichert bezeichnet werden.57 Dazu gehören die Mitversicherung von auf oder in der Nähe des Betriebsgrundstückes befindlichen Privatwohnungen, Wohlfahrtseinrichtungen und der Betriebssport.58 Resultiert der Schaden aus einem branchenunüblichen Nebenrisiko, bestimmt sich der Versicherungsschutz nach den Regeln der Vorsorgeversicherung (Rn. 6). Branchenüblich ist der Betrieb einer Sauna im Rahmen eines Sportstudios. Bei größeren 20 Studios wird auch der Betrieb eines Schwimmbeckens als üblich anzusehen sein. Dies dürfte auch dann gelten, wenn Sauna und Schwimmbecken gegen Entgelt von Nichtmitgliedern benutzt werden dürfen. Entsprechendes gilt für Hotelbetriebe gehobenen Standards. Das bloß gelegentliche Überlassen von Gerüsten durch einen Dachdecker an andere Handwerker ist ebenfalls branchenüblich.59 Gleiches gilt für die Risiken, die aus dem Besitz und der Nutzung von Grundstücken, Gebäu- 21 den oder Räumlichkeiten zu betrieblichen Zwecken und aus betrieblichen Sozialeinrichtungen resultieren. Soweit dies branchenüblich ist, bedarf es keiner ausdrücklichen Mitversicherung.
49 Vgl. Späte PrivH Rn. 4 und BetrH Rn. 7; BGH 7.10.1987 VersR 1987 1181. 50 Koch VersR 2006 1433, 1435. 51 LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, NJW-RR 2009 1544, 1545; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 12; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_1 Ziff. 7.1.1 Rn. 6. 52 LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, RuS 2009 410, 411. 53 ÖOGH 24.11.1998 – 7Ob148/98k, ECLI:AT:OGH0002:1998:RS 0111245. 54 OLG Hamm 9.7.1975 – 20 U 262/74, VersR 1976 233 f. 55 BGH 4.12.1958 – II ZR 177/57, VersR 1959 42, 43. 56 Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 18. 57 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_1 Ziff. 7.1.1 Rn. 6; Späte/Schimikowski/v. Rintelen AHB § 3 Rn. 18. 58 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_1 Ziff. 7.1.1 Rn. 6. 59 Vgl. BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 13. 679
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Allerdings sind solche Risiken in der Betriebshaftpflichtversicherung bereits standardmäßig mitversichert (Ziff. 7.1.2.1, 7.1.2.2 BBR BHV).60
IV. Kasuistik 22 Bei der nachstehenden Rechtsprechungsübersicht ist zu beachten, dass sich die Berufsbilder in den vergangenen Jahr(zehnt)en verändert haben und es eine Fortentwicklung des Branchenüblichen gegeben hat. Insbesondere bei älteren Urteilen ist daher sorgfältig zu prüfen, ob sie noch Geltung beanspruchen können. Als Beispiel für eine heute so nicht mehr aufrechtzuerhaltende Entscheidung sei hier nur das Urteil des OLG Nürnberg vom 15.7.1974 genannt, demzufolge das Risiko „Sport- und Gymnastikstudio“ nicht den Betrieb einer Sauna umfasse.61 Arzt: Nicht versichert ist die Eröffnung einer selbstständigen Facharztpraxis bei einem versicherten Risiko „Assistenzarzt in der Weiterbildung“.62 Baubetrieb: Das versicherte Risiko „Bauunternehmung“ umfasst auch die Errichtung und Bedienung einer Bahnschrankenanlage zur Fahrwegsicherung des Transports von Baumaterial für eine Baustelle.63 Das Betriebsrisiko eines Hochbaubetriebes beinhaltet geringe Abbrucharbeiten, die im Zusammenhang mit einer Hochbaumaßnahme stehen.64 Fassadenreinigungsarbeiten mit Wasserhochdruck und Quarzsand gehören hingegen nicht zum versicherten Risiko „Fugarbeiten“.65 Die Errichtung einer Sohlplatte (Fundamentplatte) aus Stahlbeton fällt unter die Risikobeschreibung „Sonstige Betriebe des Bau- und Ausbauhandwerks – Maurerarbeiten“.66 Bewachungsgewerbe: Das Tätigwerden im Zusammenhang mit dem Schließen von Flutschutztoren bei drohender Überschwemmungsgefahr gehört zu den dienstlichen Verrichtungen im Rahmen der übernommenen Bewachungstätigkeit und hat keinen anderen Stellenwert als das Schließen von Fenstern oder Türen zur Abwehr anderer Gefahren.67 Dachdeckerbetrieb: Kein Versicherungsschutz besteht für die gewerbsmäßige Überlassung von Gerüsten durch einen Dachdeckerbetrieb an andere Bauhandwerker.68 Die nur gelegentliche Überlassung von Gerüsten eines Dachdeckers an andere Bauhandwerker ist dagegen versichert.69 Elektroinstallationsbetrieb: Beim versicherten Risiko „Elektroinstallationsbetrieb“ sind Arbeiten an einer Wasserleitung, die über den unmittelbaren Anschluss des Wärmeerzeugers an das Wassernetz hinausgehen, nicht versichert.70 Entsprechendes gilt für das Löten von Warmwasserleitungen.71 Zur versicherten Tätigkeit „Stahl- + Kesselbau, Bürobetrieb“ zählt auch das Aufstellen von Öfen.72 Fleischerei/Metzgerei/Schlachterei: Betäubung und Tötung eines Tiers zum Zweck der Schlachtung und Weiterverarbeitung sind als Tätigkeiten anzusehen, die dem Betrieb eines Metzgers, Fleischers oder Schlachters zu eigen sind.73
60 61 62 63 64 65 66 67 68 69
Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 14. OLG Nürnberg 15.7.1974 – 5 U 84/72, VersR 1975 995; vgl. Bocianiak VersR 1997 1453, 1454. AG Offenbach 31.7.2000 – 39 C 5554/99, VersR 2001 1102, 1103. ÖOGH 24.10.1974 – 7Ob157/74; 7Ob122/75, VersR 1975 1140. OLG Nürnberg 20.12.1956 – 2 U 9/56, VersR 1957 501. LG Verden 14.2.1990 – 8 O 419/89, zfs 1990 315 (zweifelhaft). OLG Celle 5.7.2012 – 8 U 28/12, RuS 2013 127, 128 = VersR 2013 705. Vgl. LG Hamburg 16.5.2017 – 404 HKO 53/17, RuS 2018 365, 366. BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77, 78. BGH 9.10.1974 – IV ZR 118/73, VersR 1975 77; hingegen OLG Frankfurt/M. 16.2.1954 VersR 1954 362: Versicherungsvertrag in Bezug auf Leih- und Obhutsschäden bezieht sich nicht auf geliehene Kfz. 70 OLG Hamm 25.2.2005 – 20 U 176/04, RuS 2005 243, 245. 71 LG Marburg 8.12.1977 – 2 O 196/77, VersR 1978 909. 72 ÖOGH 21.4.1993 RIS 7Ob5/93. 73 Vgl. OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1211. Koch
680
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Ziff. 7.1 BBR BHV
Kosmetiksalon: Das Risiko „Elektroepilation“ umfasst auch die Injektion des Lokalanästhetikums zu dem Zweck einer Betäubung der zu behandelnden Körperstellen.74 Ladenbaubetrieb: Versichert sich ein Ladenbaubetrieb ausdrücklich als holzverarbeitender Betrieb, sind Schäden im Zusammenhang mit Leichtmetall- und Glasbauarbeiten nicht versichert.75 Malerbetrieb: Das versicherte Risiko „Malerbetrieb“ umfasst auch Schäden, die bei der Demontage einer vom VN erworbenen Spritzraumanlage beim Verkäufer entstehen.76 Mineralöllieferant: Das Auspumpen von Benzin in den Diesel-Erdtank einer Tankstelle gehört zum versicherten Betriebsrisiko des Lieferanten.77 Montagebetrieb: Schadensersatzansprüche wegen falschen Verladens einer Maschine auf einen Lkw fallen nicht unter den Versicherungsschutz, wenn nach dem Versicherungsvertrag nur die Montage, Ausrichtung und Umsetzung von Maschinen innerhalb von Werksgebäuden versichert ist.78 Transportunternehmen: Das Risiko „Transportunternehmen, Deichgräberei und Kanalreinigungsunternehmen“ erstreckt sich nicht auf den Abtransport des gesammelten Schlammes in Kesselwagen.79 Tierhandel/-haltung: Hat ein VN das Risiko „gewerbsmäßige Verwahrung und Pflege von Pensionspferden i.V.m. pferdesportlichen Aktivitäten“ versichert und wird er nach Abschluss des Versicherungsvertrages auch im Pferdehandel in einem Umfang tätig, dass er aus beiden Bereichen gleich hohe Umsätze erzielt, so besteht kein Versicherungsschutz für einen Schadensfall, der in Verbindung mit einer Pferdeverkaufsschau steht.80 Zimmereibetrieb: Verursacht ein Zimmereibetrieb Schäden bei Kunststoffschweißarbeiten auf einem Flachdach, besteht keine Deckung.81 Schäden infolge fehlerhafter Ausführung zwangsläufig anfallender Sicherungsmaßnahmen – hier: provisorisches Abdecken eines Daches mit einer Plane, um dieses vor Regen zu schützen –, gehören dagegen zu dem in einer Betriebshaftpflichtversicherung für „Zimmerei ohne Dachdeckertätigkeit“ versicherten Risiko.82 Das Verlegen selbstklebender Bitumenschweißbahnen unter Verwendung eines Gasbrenners zur Abdichtung eines Daches wird nicht von dem Berufsbild eines Zimmerers, sondern demjenigen eines Dachdeckers erfasst und ist damit nicht Gegenstand des versicherten Risikos „Zimmereien ohne Dachdeckerarbeiten“.83
D. Behandlung von Mischfällen Nimmt der Dritte den VN wegen eines Schadens in Anspruch, der verschiedene versicherte 23 und/oder unversicherte Risiken betrifft, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und/oder ggf. unter welchem Vertrag Versicherungsschutz besteht.84
74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84
LG Dortmund 22.7.2009 – 2 O 322/08, RuS 2009 410, 411. OLG Frankfurt/M. 23.11.1978 – 1 U 216/77, VersR 1980 1018. OLG München 24.4.1981 – 8 U 3048/80, VersR 1982 665. OLG München 24.4.2015 – 25 U 4874/14, RuS 2016 298. LG Karlsruhe 26.4.1988 – 7 O 87/88, zfs 1988 256, 257. ÖOGH 7.7.1977 – 7Ob42/77, VersR 1978 455. LG Kassel 21.3.1990 – 11 O 3113/89, zfs 1990 280. OLG Frankfurt/M. 27.5.1999 – 3 U 174/98, NVersZ 2000 241, 242. LG Stade 8.3.2016 – 3 O 186/15, RuS 2016 563, 564. LG Wiesbaden 6.9.2013 – 1 O 209/12, VersR 2014 494. Entgegen Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 3 AHB Rn. 26 geht es hierbei nicht um die Frage der „Mitverursachung durch das versicherte Risiko“.
681
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
I. Tätigkeiten des Versicherungsnehmers mit doppelter Zwecksetzung 24 Es geht zum einen um solche Konstellationen, in denen ein und dieselbe Tätigkeit sowohl versicherten als auch nicht versicherten Zwecken dient (sog. Mischtätigkeiten). So lag der vom RG entschiedene Fall, der einen Personenschaden auf einer Fahrt zum Gegenstand hatte, die sowohl – versicherten – landwirtschaftlichen Betriebszwecken (Abtransport von Stämmen) als auch einem anderen – nicht versicherten – gewerblichen Zweck (Durchführung einer Lohnfuhre) diente.85 Hier soll es nach Ansicht des RG für den Versicherungsschutz nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages darauf ankommen, ob die versicherte Tätigkeit überwiegt.86 Das Schrifttum folgt diesem Ansatz ganz überwiegend.87 Weitergehend hat sich R. Johannsen dafür ausgesprochen, im Interesse des Versicherungsschutzes und zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht auf die überwiegende Tätigkeit abzustellen, sondern darauf, ob die versicherte Tätigkeit gänzlich untergeordnet zum nicht versicherten Tun war.88 25 Der ÖOGH lässt es dagegen bei einer einheitlich (untrennbaren) Tätigkeit genügen, dass sie sowohl versicherten wie auch unversicherten Interessen des VN dient. In dem vom ÖOGH entschiedenen Fall ging es um Schadensersatzansprüche anlässlich der Reinigung eines Öltanks, den der VN, der ein Erdbewegungsunternehmen betrieb, zur Lagerung von Heizöl für seinen Neubau verwenden wollte. In dem Neubau befanden sich nicht nur die Büroräumlichkeiten seines Erdbewegungsunternehmens, sondern auch seine Wohnung. Der BetriebshaftpflichtVR lehnte die Deckung mit der Begründung ab, die Reinigung stünde in keinem Zusammenhang mit dem Erdbewegungsunternehmen des VN. Dieser Sichtweise vermochte sich der ÖOGH nicht anzuschließen. Dass die Reinigung im Übrigen teilweise auch privaten Interessen des VN (Beheizung seiner Privatwohnung) gedient habe, sei mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Vereinbarung für den Versicherungsschutz der Betriebshaftpflichtversicherung ohne Bedeutung, wenn – so der ÖOGH – wie hier eine einheitliche (untrennbare) Tätigkeit sowohl betrieblichen wie auch privaten Interessen des Versicherten diene. Nur wenn zwei verschiedene, jedoch zusammenhängende Tätigkeiten vorliegen sollten, von denen die eine versichert, die andere aber nicht versichert ist, wäre allenfalls darauf abzustellen, ob eine der Tätigkeiten von so untergeordneter Bedeutung ist, dass sie gegenüber der anderen zurücktreten müsse.89 26 Dem Ansatz von R. Johannsen ist zu folgen. Fälle, in denen es einer Abgrenzung bedarf, dürften freilich eher selten sein. Zumeist wird eine klare Zurechnung zwischen der (nicht) versicherten Tätigkeit und dem eingetretenen Schaden möglich sein. Nimmt beispielsweise ein Fahrradkurier eine Kurierfahrt zum Anlass, auch noch persönliche Einkäufe für das Abendessen zu tätigen und wird er wegen eines Schadens in Anspruch genommen, der sich auf dem Umweg zum Einkaufsladen oder als Folge des (außerplanmäßigen) Halts am Einkaufsladen ereignet, hat sich nur ein Privathaftpflichtrisiko verwirklicht. Die Abgrenzungsfrage stellt sich erst dann, wenn der Halt z.B. auch dem Erwerb von Fahrradflickzeug zur Reparatur eines Reifens dient, der Luft verliert. Kommt es bei dem Halt zu einem Fahrradunfall mit Drittschaden, besteht Deckung in der Betriebshaftpflichtversicherung, weil es sich bei dem Erwerb von Flickzeug nicht um eine gänzlich untergeordnete Tätigkeit handelt, mag der Wert der Waren, die der Kurier zu persönlichen Zwecken erwerben wollte/erworben hat, auch deutlich höher ausfallen als der Wert des Flickzeugs.
85 RG 23.4.1909 VA 1909 Anh. 94, 96 Nr. 482. 86 So auch LG Krefeld-Uerdingen 27.10.1938 – 2 O 512/38, JRPV 1939 93, 94: Waschfrau bearbeitet teils zum versicherten Betrieb und teils zum nicht versicherten Privathaushalt gehörende Wäsche.
87 Bruck/Möller/R. Johannsen8 Bd. IV Anm. G 86; Späte § 1 Rn. 229; K. Sieg VersPrax 1940 8, 9; Hartung 52; a.A. Wussow § 1 Anm. 89.
88 So aber Späte/Schimikowski/v. Rintelen Ziff. 3 AHB Rn. 26. 89 ÖOGH 2.12.1976 – 7Ob59/76, VersR 1977 780. Koch
682
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Ziff. 7.1 BBR BHV
II. Verschiedene (nicht) versicherte Eigenschaften oder Rechtsverhältnisse des Versicherungsnehmers Zum anderen geht es um solche Konstellationen, in denen der Dritte Schadensersatzansprüche 27 geltend macht, die an verschiedene (nicht) versicherte Eigenschaften oder Rechtsverhältnisse des VN anknüpfen. Die von der Rechtsprechung behandelten Fälle betreffen vielfach Sachverhalte, in denen der VN auf seinem Privatgrundstück ein Unternehmen betrieb und von Besuchern oder Angehörigen des Betriebes wegen Schäden, die aus der Beschaffenheit des Grundstücks oder des Hauses entstanden waren, in Anspruch genommen wurde. Unabhängig davon, ob der VN nur eine Grundstücks- oder lediglich eine Betriebshaftpflichtversicherung oder sowohl eine Grundstücks- als auch eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, stellt sich die Frage, ob und welcher VR eintrittspflichtig ist. Zu dieser Problematik existiert ganz überwiegend nur ältere Rechtsprechung, was seinen Grund darin haben dürfte, dass die aktuellen Bedingungswerke eindeutig regeln, dass Versicherungsschutz für das Haftpflichtrisiko aus dem Haus- und Grundstücksbesitz nur durch eine besondere Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung gewährt wird, wenn der VN auf dem Grundstück einen Betrieb oder Beruf ausübt (vgl. Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV). In den neustrukturierten GDV-Musterbedingungen wird diese Beschränkung durch die Formulierung „gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als (privater) Haus- und/oder Grundstücksbesitzer“ zum Ausdruck gebracht (A1-1.1 AVB gewerbliche HuG HV/AVB Private HuGHV).90 In dem Urteil des RG vom 17.6.191191 ging es darum, dass ein Gastwirt für sein Hausgrund- 28 stück eine Grundstückshaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, dagegen keine Haftpflichtversicherung für das Risiko aus der von ihm auf diesem Grundstück betriebenen Gastwirtschaft. Bei einer Vereinsfestlichkeit fiel eine zu einer im Saal aufgebauten Bühne führende Treppe um. Das RG verneinte den Versicherungsschutz. Es ließ dabei die Frage offen, wie zu entscheiden wäre, wenn Bühne und Treppe nicht eigens für die Festlichkeit aufgebaut worden wären, sondern wesentliche Bestandteile oder Zubehör des Grundstücks dargestellt hätten. Das KG hat in einer Entscheidung vom 13.11.193792 in einem Fall, in dem ebenfalls nur eine Grundstückshaftpflichtversicherung, aber keine Betriebshaftpflichtversicherung bestand, einen Sturz auf dem für den öffentlichen Verkehr zugänglichen Vorplatz eines Hauses, in dem sich ein Kino befand, der Grundstückshaftpflichtversicherung zugerechnet. Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn der Sturz nicht auf die Beschaffenheit des Bodens, sondern auch auf das ungestüm zur Kasse drängende Publikum zurückzuführen gewesen sein sollte. In der Entscheidung des RG vom 7.11.193993 ging es ebenfalls um eine Grundstückshaft- 29 pflichtversicherung. Diese enthielt eine Klausel, nach der solche Gefahren nicht mitversichert waren, die mit einem auf dem Grundstück ausgeübten Betrieb des VN oder den dazu gehörigen Einrichtungen zusammenhingen. Zum Gastwirtschaftsbetrieb des VN gehörte ein mit einer Bühneneinrichtung versehener Saal. Der Maler M stürzte in den Hof des Hauses, als er Dekorationsgegenstände von der Bühne über eine Treppe wegschaffte, die an der Außenseite des Hauses vom Bühnenraum zum Hof hinabführte. Die Ursache des Sturzes war ein plötzliches Nachgeben der als Treppengeländer dienenden Eisenstange. Das Berufungsgericht hatte den Vorgang dem Betrieb des VN zugerechnet und deshalb den Versicherungsschutz verweigert.94 Das RG bejahte dagegen den Versicherungsschutz. Es legte die Klausel so aus, dass sie nur einer Erweiterung des Versicherungsschutzes auf außerhalb der eigentlichen gesetzlichen Haftpflicht des Hausbe90 Die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die gewerbliche Haus-und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung (AVB gewerbliche HuG HV) und die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Private Haus-und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung (AVB Private HuGHV) sind auf der Homepage des GDV abrufbar. 91 RG 17.6.1911 – V 392/10, VA 1911 31 f. Nr. 584. 92 KG 13.3.1937 – 24 U 5180/36, JW 1937 2622 = JRPV 1937 166. 93 OLG Naumburg 7.11.1939 – VII 56/39, JRPV 1940 4 f. 94 OLG Naumburg 6.1.1939 – 4 U 150/38, ÖffrV 1939 139. 683
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
sitzers liegende Gefahren vorbeugen wolle und nicht bezwecke, den Versicherungsschutz des Hausbesitzers in solchen Fällen auszuschließen, in denen seine gesetzliche Haftpflicht als Grundstückseigentümer an sich gegeben sei. 30 In der Entscheidung des ÖOGH vom 16.1.197595 bestand sowohl eine Gebäude- als auch eine Betriebshaftpflichtversicherung für „Sauna- und Medizinalbad mit Massage …“. Die VN war wegen Schäden durch Wasseraustritte in Anspruch genommen worden, die ihre Ursache in einer durch Außenkorrosion bedingten Schadhaftigkeit der verzinkten Wasserzuleitungen und Bleiabflussleitungen hatten, die oberhalb dieser Geschäftsräume und des Unterwassermassageraumes lagen, der zum Medizinalbad des VN gehörte. Der Betriebshaftpflicht-VR bestritt, dass das Schadensereignis unter das versicherte Risiko falle, und wollte die VN auf den Gebäudehaftpflicht-VR verweisen. Der Erstrichter gab der Klage der VN gegen den Betriebshaftpflicht-VR auf Gewährung von Versicherungsschutz statt. Da die Geschädigte die VN nicht ausschließlich als Hauseigentümerin in Anspruch genommen habe und der Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Innehabung dieser ausschließlich für den versicherten Betrieb oder Beruf dienenden Räumlichkeiten umfasse, habe der Betriebshaftpflicht-VR den begehrten Versicherungsschutz zu leisten. Das Berufungsgericht trat der dargestellten rechtlichen Beurteilung bei und bestätigte das Ersturteil. In der Revision machte der Betriebshaftpflicht-VR geltend, dass der Klageanspruch auf Deckung im Rahmen der Betriebshaftpflicht nicht bestehe, weil der geschädigte Dritte im Haftpflichtprozess seinen Anspruch nicht aus der „gefährlichen Verwahrung“ von Wasser im Betrieb der VN abgeleitet habe, sondern aus der schuldhaften Beschädigung des Bestandsobjektes durch die VN und ihren Ehemann als Hauseigentümer. Der ÖOGH trat dem mit der Begründung entgegen, dass der Geschädigte sich nicht auf die Geltendmachung des zuletzt genannten Rechtsgrundes beschränkt habe. Zwar sei der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig. Im Fall einer Anspruchskonkurrenz genüge für die Gewährung des Versicherungsschutzes aber, dass einer der Ansprüche oder eine Rechtsgrundlage eines einheitlichen Anspruchs unter das versicherte Risiko falle, gleichgültig, ob daneben noch andere Haftungstatbestände oder Haftungsgründe vorhanden seien. 31 Die vorstehenden Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass die Kriterien, die hinsichtlich der Bestimmung des Versicherungsschutzes bei Mischtätigkeiten gelten, in den Fällen nicht weiterhelfen, in denen Dritte Schadensersatzansprüche geltend machen, die an verschiedene (nicht) versicherte Eigenschaften oder Rechtsverhältnisse des VN anknüpfen. Rutscht beispielsweise ein Gast in einem Restaurant auf dem Gang zur Toilette auf nicht rutschfesten Fliesen aus, lässt sich der Versicherungsschutz nicht nach dem Grundsatz der nicht ganz „untergeordneten oder überwiegenden Tätigkeit“ versagen, wenn der Betreiber und Eigentümer des Grundstücks nur eine Grundstückshaftpflichtversicherung und nicht eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Hier kommt es vielmehr darauf an, ob sich eine dem versicherten Risiko innewohnende Schadensgefahr verwirklicht hat. Daran fehlt es, wenn sich ein Risiko verwirklich hat, das nur in einem zufälligen oder gelegentlichen Zusammenhang mit der versicherten Eigenschaft oder dem versicherten Rechtsverhältnis steht.96 Die Inanspruchnahme des ein Restaurant betreibenden Eigentümers wegen der Verletzungen, die ein Gast erlitten hat, der auf den nicht rutschfesten Fliesen ausgerutscht ist, steht nicht nur in einem zufälligen oder gelegentlichen Zusammenhang mit dem Haus- und Grundstücksbesitzerrisiko, so dass Deckung für den Anspruch aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung einer Verkehrspflicht besteht. Kein Versicherungsschutz besteht dagegen für den Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Verletzung der sich aus dem Gastwirtsvertrag ergebenden Schutzpflichten (§§ 280, 241 Abs. 2 BGB). Versicherungsschutz besteht aber für den auf den schadhaften Zustand der Treppe zurückzuführenden Anspruch aus unerlaubter Handlung. 95 ÖOGH 16.1.1975 – 7 Oh 295/74, VersR 1977 556. 96 OLG München 13.9.2017 – 7 U 4126/13, ZIP 2018 27, 30 f.; Koch ZIP 2018 301, 305. Koch
684
Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko
Ziff. 7.1 BBR BHV
Der Beispielsfall zur Deckung in der Grundstückshaftpflichtversicherung macht deutlich, 32 dass es für die Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz richtigerweise genügt, wenn mehrere Anspruchsgrundlagen gegeben sind, die teils in das versicherte Risiko fallen, teils nicht vom Versicherungsschutz erfasst werden. Versicherungsschutz besteht somit auch dann, wenn unversicherte und gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts oder (unversicherte) öffentlich-rechtliche und (versicherte) privatrechtliche Ansprüche konkurrieren und zwar die vom Geschädigten gewählte Anspruchsgrundlage nicht unter das versicherte Risiko fällt, eine von ihm nicht gewählte, daneben bestehende Anspruchsgrundlage jedoch vom versicherten Risiko erfasst wird.97 Für diese Auslegung des Leistungsversprechens des VR spricht der Gedanke, dass es anderenfalls der Geschädigte in der Hand hätte, dem VN den Versicherungsanspruch zu nehmen. Aus Sicht des VN steht das schädigende Ereignis sowie seine daraus folgende Inanspruchnahme im Vordergrund. Er darf deshalb das Leistungsversprechen so verstehen, dass es genügt, wenn ein Sachverhalt gegeben ist, aus dem gesetzliche Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts erwachsen können, ohne dass es darauf ankommt, ob der Dritte seine Ansprüche auf diesen oder einen anderen Rechtsgrund stützt.98 Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus dem Versicherungsvertrag klar ergibt, dass bei gleichzeitiger Betroffenheit eines versicherten und eines unversicherten Risikos kein Versicherungsschutz bestehen soll. Regelmäßig wird es sich dann nicht mehr um die Abgrenzung verschiedener primärer Risikobegrenzungen handeln, sondern um das Eingreifen einer Ausschlussklausel.99 Zu eigenschaftsbezogenen Ausschlüssen s. Ziff. 1 BBR PHV Rn. 111 ff. und Ziff. 3 BBR PHV Rn. 18 ff.
E. Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos (Ziff. 3.1 (2) AHB 2016) Siehe Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 18 ff.
33
F. Abgrenzung zu neuen Risiken (Ziff. 3.1 (3), 4 AHB 2016) Siehe Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 32 ff.
34
97 Vgl. BGH 20.12.2006 – IV ZR 325/05, RuS 2007 94, 96 f. = VersR 2007 200; BGH 21.2.1957 – II ZR 175/55, BGHZ 23 355, 360 = VersR 1957 212, m.w.N.; s. auch Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil, B Rn. 8: Im Falle einer Anspruchskongruenz zwischen USchadG und z.B. BBodSchG besteht Versicherungsschutz in der USV, soweit nach USchadG gehaftet wird. 98 Vgl. BGH 20.12.2006 – IV ZR 325/05, RuS 2007 94, 96 f. = VersR 2007 200. 99 Späte § 1 Rn. 229; Haidinger LM Nr. 4 zu § 149. 685
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tätigkeiten und Personen Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.1.2.1 des VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Grundstücken nicht jedoch von Luftlandeplätzen, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden (Umfang des Versicherungsschutzes siehe Ziff. 7.3); 7.1.2.2 1des VN aus seinen Sozialeinrichtungen für Betriebsangehörige, die überwiegend für den versicherten Betrieb bestimmt sind (z.B. Betriebssportgemeinschaften, Werkskantinen, Badeanstalten, Erholungsheime, Kindergärten) und aus Vorhandensein und Betätigung einer Werk- oder Betriebsfeuerwehr. 2 Nicht versichert ist die persönliche Haftpflicht der Mitglieder der Betriebssportgemeinschaft aus ihrer Betätigung in dieser; 7.1.2.3 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; 7.1.2.4 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
Übersicht 35
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Inanspruchnahme als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten (Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV) Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer 39 und Nutznießer Grundstücke, Gebäude und Räumlichkei41 ten 44 Verweis auf Ziff. 7.3 BBR BHV
1. 2. 3.
1.
2.
3. IV. 1. 2.
II.
Sozialeinrichtungen, Werk- oder Betriebsfeuer45 wehr (Ziff. 7.1.2.2 BBR BHV)
III.
Mitversicherte Personen (Ziff. 7.1.2.3 und Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV)
Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV a) Gesetzliche Vertreter und Leitungsperso48 nal 50 b) „In dieser Eigenschaft“ Ziff. 7.1.2.4 Satz 1 BBR BHV 51 a) Übrige Betriebsangehörige 52 b) In Ausführung der Verrichtung 60 c) Kasuistik 68 Ausgeschiedene Betriebsangehörige Ausschluss für Arbeits- und Dienstunfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten 70 (Ziff. 7.1.2.4 Satz 2 BBR BHV) Dienstunfälle (Ziff. 7.1.2.4 Satz 3 BBR 75 BHV)
A. Inhalt und Zweck 35 Ziff. 7.1.2 Satz 1 BBR BHV dehnt für den VN standardmäßig den Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung in sachlicher und personeller Hinsicht aus. Nach Ziff. 7.1.2.1 Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-114
686
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
BBR BHV besteht auch Deckung für die gesetzliche Haftpflicht des VN in seiner Eigenschaft als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Grundstücken – nicht jedoch von Luftlandeplätzen –, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden. Versicherungsschutz besteht nach Ziff. 7.1.2.2 BBR BHV auch für die gesetzliche Haftpflicht 36 des VN aus seinen Sozialeinrichtungen für Betriebsangehörige, die ausschließlich für den versicherten Betrieb bestimmt sind (z.B. Betriebssportgemeinschaften, Werkskantinen, Badeanstalten, Erholungsheime, Kindergärten) und aus „Vorhandensein und Betätigung einer Werk- oder Betriebsfeuerwehr“. Infolge der ausdrücklichen Mitversicherung der vorbezeichneten Risiken bedarf es keiner Abgrenzung zwischen branchenüblichen Nebenrisiken, die auch ohne ausdrückliche Regelung mitversichert sind, und branchenunüblichen Nebenrisiken, für die Deckung nur bei einer Vereinbarung besteht (Rn. 19 ff.). Nicht versichert ist die persönliche Haftpflicht der Mitglieder der Betriebssportgemeinschaft aus ihrer Betätigung in dieser. In personeller Hinsicht dehnen Ziff. 7.1.2.3 und 7.1.2.4 BBR BHV den Versicherungsschutz 37 auf alle Mitarbeiter aus. Beide Klauseln dienen der Ausgestaltung des § 102 Abs. 1 VVG. Der Hauptgrund für die Ausdehnung besteht darin, dass der VN ohne die Einbeziehung seiner Mitarbeiter – obgleich selbst nicht verantwortlich und/oder nicht vom Geschädigten in Anspruch genommen – vielfach den Schaden wirtschaftlich zu tragen hätte. So liegt der Fall, wenn Betriebsangehörige unterhalb der Ebene der Geschäftsführung/des Vorstands im Rahmen ihrer betrieblichen/beruflichen Tätigkeit einen Fremdschaden verursacht haben, für den sie nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gegenüber dem VN gar nicht oder nur beschränkt haften und deshalb im Falle ihrer Inanspruchnahme durch den Geschädigten Freistellung vom VN verlangen können (vgl. Einleitung Rn. 29). Ziff. 7.1.2 Satz 2 und 3 BBR BHV (Arbeitsunfallklausel) soll verhindern, dass Sozialversi- 38 cherungsträger und die öffentliche Hand ihre Leistungspflicht im Regresswege auf den Haftpflicht-VR verlagern.1 Im Hinblick darauf, dass Ansprüche zwischen mitversicherten Betriebsangehörigen nach Ziff. 7.4 AHB 2016 von der Deckung ausgeschlossen sind, kommt der Klausel nur bei Ansprüchen der Betriebsangehörigen gegen den VN Bedeutung zu.
B. Einzelheiten I. Inanspruchnahme als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten (Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV) 1. Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer Bei den Begriffen „Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer“ handelt es sich um festumris- 39 sene Begriffe der Rechtssprache, so dass auch der durchschnittliche VN darunter nichts anderes versteht. Dagegen handelt es sich bei dem Begriff „Nutznießer“ nicht um einen solchen festumrissenen Begriff. Er wird unter anderem in § 289 StGB (Pfandkehr) verwendet und umfasst z.B. den Nießbraucher i.S.v. § 1030 BGB.2 Der durchschnittliche VN dürfte unter dem Begriff „Nutznießer“ auch den Nießbraucher verstehen. Es geht vor allem um Personen- und/oder Sachschäden infolge der Verletzung von Ver- 40 kehrssicherungspflichten auf dem Betriebsgelände (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen), für die der VN in einer der vorbe-
1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 13; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 35; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 617. 2 MüKoStGB/Maier § 289 Rn. 6; Schönke/Schröder/Heine/Hecker § 289 Rn. 5; BeckOK-StGB/Schmidt StGB § 289 Rn. 5. 687
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
zeichneten Eigenschaften von Dritten in Anspruch genommen wird.3 Zu beachten ist, dass keine Deckung besteht für Mietsachschäden. Durch Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV wird der Ausschluss nach Ziff. 7.6 AHB 2016 nicht abbedungen.4 Der Versicherungsschutz umfasst somit nur Schäden, die durch den Gebrauch der Sache oder die Gestattung des Gebrauchs der Sache an anderen Sachen eintreten.
2. Grundstücke, Gebäude und Räumlichkeiten 41 Nur Grundstücke, Gebäude oder Räumlichkeiten, die „ausschließlich“ für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden, sind versichert. Wird der VN wegen einer das Grundstück betreffenden Verkehrspflichtverletzung in Anspruch genommen, kommt es somit auf die ausschließliche Nutzung des Grundstücks an, wird er wegen einer die Gebäude oder Räumlichkeiten betreffenden Verkehrspflichtverletzung in Anspruch genommen, ist deren Nutzung maßgeblich. Insoweit können „ausschließlich“ für den versicherten Betrieb auch Teile eines (z.B. im Übrigen vermieteten) Grundstücks genutzt werden.5 Entscheidend ist die Nutzung im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles, so dass der gelegentliche Gebrauch der Grundstücke, Gebäude oder Räumlichkeiten zu anderen Zwecken die Deckung nicht berührt. 42 Bei dem Begriff „zu Wohnzwecken“ handelt es sich nicht um einen eindeutig festgelegten Begriff der Rechtssprache, so dass für die Auslegung an sich die Verkehrsanschauung das Maß gibt, die sich wiederum am allgemeinen Sprachgebrauch und am allgemeinen Sprachverständnis orientiert. Es muss sich um Räumlichkeiten handeln, die zum dauernden Bewohnen bestimmt sind. Im Hinblick auf die Verknüpfung von Wohnen und Mitarbeiterstellung kommt es zudem darauf an, dass der Raum mit Rücksicht auf das Bestehen eines Anstellungsverhältnisses zu Wohnzwecken überlassen und benutzt wird. Es geht also vor allem um Werkdienst- und Werkmietwohnungen i.S.v. §§ 576 und 576b BGB. Nicht erforderlich ist, dass die vom VN oder der Betriebsangehörigen bewohnten Räumlichkeiten auf dem Betriebsgrundstück oder in seiner unmittelbaren Nähe liegen. Die Räumlichkeit muss zudem nicht notwendig in einem Gebäude sein. Es genügt auch ein etwa für die Unterbringung von Saisonarbeitern aufgestellter Container oder Wohnwagen.6 43 Zum Kreis der Betriebsangehörigen zählen auch Ehepartner und erwachsene Kinder des Betriebsangehörigen.7 Deren Versicherungsschutz endet mit dem Ausscheiden des Betriebsangehörigen aus dem Betrieb des VN.8
3. Verweis auf Ziff. 7.3 BBR BHV 44 Im Klammerzusatz zu Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV wird hinsichtlich des Umfangs des Versicherungsschutzes auf Ziff. 7.3 BBR BHV verwiesen, der den Versicherungsschutz u.a. für Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten zum Gegenstand hat, die den VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer oder Nutznießer treffen (vgl. Ziff. 7.3.1 BBR BHV).
3 4 5 6 7 8
Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 15; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 1a. BGH 9.6.2004 – IV ZR 228/03, VersR 2004 904. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 1a. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 3. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 4. A.A. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 4.
Koch
688
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
II. Sozialeinrichtungen, Werk- oder Betriebsfeuerwehr (Ziff. 7.1.2.2 BBR BHV) Den Begriff der Sozialeinrichtung für Betriebsangehörige dürfte der unternehmerische VN im We- 45 sentlichen im Sinne des gleichlautenden Begriffs in § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) ArbGG, § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verstehen. Eine Sozialeinrichtung liegt danach vor, wenn eine soziale Leistung des VN nach allgemeinen Richtlinien aus einer abgesonderten, besonders zu verwaltenden Vermögensmasse erfolgt. Sie dient der Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der Arbeitnehmer und/oder ihrer Hinterbliebenen.9 Neben den im Klammerzusatz aufgeführten Beispielen (Betriebssportgemeinschaften, Werkskantinen, Badeanstalten, Erholungsheime, Kindergärten) kommen betriebliche Wohnungs- oder Baugesellschaften oder Beschäftigungsgesellschaften in Betracht. Ohne Bedeutung ist, ob es sich um eine juristisch unselbstständige Einrichtung des VN handelt, bei der der VN Träger ist, oder um eine juristisch selbständige Einrichtung, die den Weisungen des VN unterliegt (z.B. Kantine wird durch einen Pächter geführt, dessen Pflichten gegenüber dem VN im Pachtvertrag geregelt sind). Die Einrichtung muss nicht ausschließlich, sondern überwiegend für den versicherten Betrieb bestimmt sein, sodass z.B. die betriebsfremden Dritten erteilte Erlaubnis, die Kantine zu besuchen, nicht deckungsschädlich ist. Die Formulierung „Werks- oder Betriebsfeuerwehr“ trägt dem Umstand Rechnung, dass die 46 von gewerblichen und sonstigen Betrieben oder Einrichtungen aufgestellte Betriebsfeuerwehr auf Antrag vom Regierungspräsidium als Werkfeuerwehr anerkannt werden (vgl. § 14 Abs. 8 HBKG). Der Versicherungsschutz ist nicht auf Einsätze im eigenen Betrieb beschränkt.10 Nicht versichert ist die persönliche Haftpflicht der Mitglieder der Betriebssportgemein- 47 schaft aus ihrer Betätigung in dieser, was insoweit verwundert, als Betriebssport dem Ausgleich dient und insoweit ein Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit besteht.11
III. Mitversicherte Personen (Ziff. 7.1.2.3 und Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV) 1. Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV a) Gesetzliche Vertreter und Leitungspersonal. Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV dient der Ausgestal- 48 tung von § 102 Abs. 1 Satz 1 VVG. Zwar ist dort allgemein von Vertretern die Rede. Jedoch ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass nur gesetzliche Vertreter gemeint sind.12 Die Formulierung in Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV „in dieser Eigenschaft“, die sich auf die Vertreter und die zur Leitung und zur Beaufsichtigung angestellten Betriebsangehörigen bezieht, bedeutet im Vergleich zu den übrigen Betriebsangehörigen in Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV keine Beschränkung des Versicherungsschutzes.13 Da die Vertreter und die zur Leitung und zur Beaufsichtigung angestellten Betriebsangehörigen sich ihrer Eigenschaft als solche nicht entledigen können, stehen letztlich alle ihre betriebs-/berufsbezogenen Handlungen im Zusammenhang mit der Leitung und Beaufsichtigung. Zur Bestimmung des Kreises der Personen, die zur Leitung oder Beaufsichtigung des ver- 49 sicherten Betriebes angestellt sind, kann auf die Auslegung des Begriffs des leitenden Angestellten zurückgegriffen werden, den das BetrVG (§ 5 Abs. 3 Satz 2) und das MitbestG (§ 3 Abs. 3 Nr. 2) verwenden. Leitender Angestellter ist danach, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb 9 BAG 23.8.2001 – 5 AZB 11/01, NZA 2002 230, 231. 10 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 6. 11 Vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 14.7.2021 – L 17 U 155/20, BeckRS 2021 351174. 12 Bruck/Möller/Koch § 102 Rn. 17. 13 Späte BetrH Rn. 11; Schmalzl Berufshaftpflichtversicherung Rn. 357; a.A. Prölss/Martin/Lücke BetriebsHaftPfl Ziff. 7.1.2 Rn. 11; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 22; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 29; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 610. 689
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
„1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.“
Der Begriff des leitenden Angestellten deckt sich im Kern mit dem Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters i.S.v. § 31 BGB. Hierunter fallen alle Personen, denen „durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person repräsentieren.“14
50 b) „In dieser Eigenschaft“. Die Formulierung „in dieser Eigenschaft“ dient ebenso wie die Formulierung „in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen“ in Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV erkennbar nur der Abgrenzung zur Privathaftpflicht und ist deshalb dahin gehend zu verstehen, dass die Mitglieder dieser Personengruppe „in amtlicher Eigenschaft“ und nicht lediglich als Privatperson tätig geworden sein müssen. Zur Einordnung beider Formulierungen kann deshalb auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen der Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung entwickelt worden sind (hierzu sogleich Rn. 52 ff.).15 Dabei ist bei der Beurteilung der Betriebsbezogenheit der Risiken eher großzügig zu verfahren.16
2. Ziff. 7.1.2.4 Satz 1 BBR BHV 51 a) Übrige Betriebsangehörige. Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV dient ebenfalls der Ausgestaltung von § 102 Abs. 1 Satz 1 VVG. Der Kreis der „sämtlichen übrigen Betriebsangehörigen“ erfasst alle Personen, die ihre Tätigkeit mit Wissen und Willen des VN für sein Unternehmen ausüben und seinen Weisungen unterliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob ein wirksamer (unselbständiger) Dienstvertrag (§ 611 BGB) oder Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) mit dem VN vorliegt.17 Zu den übrigen Betriebsangehörigen zählen nicht nur Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG) oder arbeitnehmerähnliche Personen,18 sondern auch Leiharbeitnehmer und unentgeltlich mithelfende Familienangehörige oder Lebensgefährten.19 Subunternehmer zählen nicht zu den Betriebsangehörigen.
14 15 16 17
BGH 5.3.1998 – III ZR 183-96, NJW 1998 1854, 1856. Bruck/Möller/Koch § 102 Rn. 25 ff. OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209, 1211. Vgl. Bruck/Möller/Koch § 102 Rn. 20; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 9; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 30. 18 Vgl. BAG 6.7.1995 – 5 AZB 9/93, NZA 1996 33, 35 – Rote-Kreuz-Schwester. 19 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 9. Koch
690
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
b) In Ausführung der Verrichtung. Versicherungsschutz für die übrigen Betriebsangehörigen 52 besteht nur für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. Wie zuvor bereits ausgeführt, dient dieses Merkmal der Abgrenzung der Deckungsbereiche von Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung, weil dort vertragsseitig nur die „Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson“ und nicht auch die „Gefahren eines Betriebes oder Berufes“ versichert sind. Insoweit kann zur Abgrenzung ergänzend auch auf die Kasuistik zu der Frage der (Mit-)Versicherung von Schäden durch Mitarbeiter zurückgegriffen werden, die nach dem äußeren Ablauf sowohl durch eine private als auch durch eine betriebsbezogene Tätigkeit entstanden sein können. Die Rechtsprechung stellt zur Abgrenzung der beiden Deckungsbereiche darauf ab, ob der 53 Schaden bei Ausübung einer dienstlichen Verrichtung verursacht worden ist. Eine dienstliche Verrichtung liegt nur vor, wenn die Handlung der versicherten Person betriebs-/berufsbezogen war. Betriebs-/Berufsbezogenheit setzt grundsätzlich voraus, dass der Schaden durch ein Verhalten des VN verursacht worden ist, das erstens den Interessen des Betriebes/Berufs zu dienen bestimmt ist und zweitens in einem inneren ursächlichen Zusammenhang zum betrieblichen/beruflichen Tätigkeitsbereich steht.20 An der erstgenannten Voraussetzung fehlt es, wenn der Mitinhaber eines Gebrauchtwagenhandels sein nur privaten Zwecken dienendes Kfz in der Firmenwerkstatt repariert und hierbei Schäden entstehen (anders kann der Fall liegen, wenn es sich um das Kfz eines Betriebsangehörigen handelt, hierzu sogleich Rn. 54).21 Bei Schädigungen, die nur bei Gelegenheit betrieblicher Verrichtungen verursacht werden, fehlt es am inneren Zusammenhang.22 Wie den nachstehenden Ausführungen des BGH entnommen werden kann, genügt es für 54 die Betriebs-/Berufsbezogenheit, wenn das Handeln subjektiv darauf gerichtet war, betrieblichen Belangen zu dienen,23 wozu im Übrigen auch die Förderung des sozialen Klimas am Arbeitsplatz zählt. Mit dieser Begründung hat der BGH die Betriebsbezogenheit von Schweißarbeiten des VN an dem privaten Kfz einer Betriebsangehörigen in seinem auf die Reparatur von Bootsmotoren eingerichteten Betrieb bejaht, bei denen es zu einem Brand gekommen war.24 Dagegen hat das OLG Frankfurt/M. die Betriebsbezogenheit des Baus einer Konfettikanone unter Verwendung der im Betrieb vorhandenen Gerätschaften und Materialien für einen Faschingsumzug mit der eher fragwürdigen Begründung verneint, nur ein Teil der Belegschaft habe an ihm
20 BGH 26.10.1988 – IVa ZR 73/87, RuS 1989 8, 9 = VersR 1988 1283, 1284; BGH 7.10.1987 – IVa ZR 140/86, VersR 1987 1181 f.; BGH 2.6.1976 – IV ZR 163/75, VersR 1976 921, 922 f. = NJW 1976 2134; BGH 17.1.1973 – IV ZR 167/71, VersR 1973 214 = NJW 1973 515, 516; BGH 4.5.1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41 327, 334 = VersR 1964 709 ff.; BGH 9.3.1961 – II ZR 247/58, VersR 1961 399 f.; BGH 4.12.1958 – II ZR 177/57, NJW 1959 243, 244 = VersR 1959 42, 43; OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 535; OLG Frankfurt/M. 17.12.1997 – 23 U 42–97, OLGR 1998 144; OLG Frankfurt/M. 29.10.1997 – 7 U 105/96, VersR 1998 575; OLG Hamm 14.2.1997 – 20 U 204/96, VersR 1997 1093; OLG Köln 2.7.1996 – 9 U 14/96, VersR 1997 1345, 1346 f.; OLG Köln 20.6.1995 – 9 U 362/94, VersR 1996 966, 967; OLG Bamberg 20.2.1992 – 1 U 272/90, VersR 1992 1346, 1347; Hans. OLG Hamburg 8.3.1990 – 6 U 224/89, VersR 1991 92 f.; OLG Celle 15.3.1989 – 8 U 63/88, VersR 1991 216 f.; Hans. OLG Hamburg 3.3.1981 – 12 U 114/80, VersR 1982 458 ff.; OLG Hamm 24.8.1973 – 20 U 65/73, VersR 1973 1133 f.; LG Limburg 16.11.2007 – 3 S 116/07, VersR 2008 814, 815; LG Düsseldorf 8.3.1966 – 16 O 49/66, VersR 1968 438, 439; BAG 15.9.2016 – 8 AZR 187/15, VersR 2017 875 Rn. 27. 21 BGH 26.10.1988 – IVa ZR 73/87, RuS 1989 8, 9 = VersR 1988 1283, 1284. 22 BGH 4.5.1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41 327, 334 = VersR 1964 709 ff.; OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 535; OLG Bamberg 20.2.1992 – 1 U 272/90, VersR 1992 1346, 1347; LG Düsseldorf 8.3.1966 – 16 O 49/66, VersR 1968 438, 439; BAG 15.9.2016 – 8 AZR 187/15, VersR 2017 875 Rn. 27; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 12. 23 Vgl. BGH 17.1.1973 – IV ZR 146/71, VersR 1973 313; BGH 4.12.1958 – II ZR 177/57, VersR 1959 42; OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 535. 24 Vgl. BGH 7.10.1987 – IVa ZR 140/86, RuS 1987 337. 691
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
teilnehmen wollen.25 Nicht erforderlich ist, dass das Handeln auch objektiv im Interesse des Unternehmens liegt. Vgl. hierzu grundlegend das Urteil des BGH vom 4.12.1958:26 „Bei der Frage, ob der Schaden, für den der Mitversicherte haftpflichtig gemacht wird, bei Ausübung seiner dienstlichen Verrichtungen verursacht worden ist, kommt es hiernach nicht darauf an, ob der schadenstiftenden Handlung ein besonderer Auftrag oder bestimmte Weisungen des Versicherungsnehmers zugrunde lagen. Ebenso ist es unerheblich, ob der schadenstiftenden Handlung ein besonderer Auftrag oder bestimmte Weisungen des VN zugrunde lagen. Ebenso ist es unerheblich, ob der Mitversicherte solche Weisungen richtig befolgt oder beschritten hat, ob er seine dienstlichen Verrichtungen gut oder schlecht ausgeführt hat, ob sein Handeln im objektiven Interesse des Betriebes lag und dem mutmaßlichen Willen des Versicherungsnehmers entsprach und ob die von ihm getroffenen Maßnahmen geeignet waren, den erstrebten Erfolg herbeizuführen. Wollte man das Bestehen des Versicherungsschutzes der Mitversicherten hierauf abstellen, so würde die praktische Bedeutung der Mitversicherung weitgehend ausgehöhlt werden, weil schadenstiftende Handlungen von Betriebsangehörigen regelmäßig auch vom Standpunkt des Versicherungsnehmers aus Fehlhandlungen sind, die nicht im objektiven Interesse des Betriebes liegen. Entscheidend ist vielmehr […], ob der Umstand, daß der Mitversicherte haftpflichtig geworden ist, eine Auswirkung seiner Beschäftigung in dem betreffenden Betrieb ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er bei der schadenstiftenden Handlung im Rahmen seiner Beschäftigung im Betrieb für diesen tätig geworden ist. Hierbei genügt es schon, daß sein Handeln dazu bestimmt war, dem Interesse des Betriebes zu dienen. Dagegen ist nicht erforderlich, daß es auch objektiv im Interesse des Betriebes lag.“ [Hervorhebung durch Verfasser]
55 In späteren Entscheidungen hat der BGH zur Bestimmung der Betriebs-/Berufsbezogenheit auch die für § 831 BGB und § 637 RVO a.F. (§ 105 SGB VII) geltenden Grundsätze herangezogen, ohne dabei zu anderen Ergebnissen zu gelangen. Vgl. hierzu das Urteil des BGH vom 17.1.197327: „Die für § 831 BGB und § 637 RVO geltenden Grundsätze können dazu beitragen, den hier streitigen Deckungsbereich der Betriebshaftpflichtversicherung richtig abzugrenzen. An die Stelle des vom Geschäftsherrn übertragenen Aufgabenbereiches tritt dabei der Betrieb. Der mitversicherte Betriebsangehörige hat Versicherungsschutz nur für Schäden, die er durch eine „betriebliche Tätigkeit“ verursacht. Ist der Betriebsangehörige bei der schadenstiftenden Handlung im Rahmen seiner Beschäftigung für den Betrieb tätig geworden, so ist es unerheblich, ob er seine dienstlichen Verrichtungen gut oder schlecht ausgeführt hat, ob er seine Befugnisse irrig oder eigenmächtig überschritten hat, ob sein Handeln im objektiven Interesse des Betriebes gelegen und dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprochen hat. Es genügt, daß sein Handeln bestimmt war, dem Interesse des Betriebes zu dienen. In allen diesen Fällen ist ein betriebsbezogenes Handeln, das vom Versicherer zu decken ist, anzunehmen … Dieser übereinstimmenden Ansicht von Rechtsprechung […] und Schrifttum […] schließt sich der erkennende Senat an. Hingegen vermag er nicht mehr der darüber hinausgehenden Auffassung zu folgen, daß der Betriebshaftpflichtversicherer auch dann noch zur Deckung verpflichtet sei, wenn der mitversicherte Betriebsangehörige nicht für den Betrieb tätig geworden sei, sondern aus Mutwillen gehandelt habe […]. Denn damit wird die notwendige Betriebsbezogenheit des Handelns aufgegeben.“ [Hervorhebung durch Verfasser]
Für die Erstreckung der Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung auf Mitarbeiter kommt es somit nicht darauf an, ob eine Haftung des VN aus § 831 BGB möglich ist.28 Dies schließt jedoch nicht aus, zur Bestimmung der Betriebs-/Berufsbezogenheit auf diese Vorschrift (dann natürlich ohne Berücksichtigung der Exkulpationsmöglichkeit) zurückzugreifen. Die Kasuistik (dazu sogleich Rn. 60 ff.) zeigt, dass sich die Betriebs-/Berufsbezogenheit bei der Haftpflichtversicherung an 25 Vgl. OLG Frankfurt/M. 17.12.1997 – 7 U 192/96, OLGR 1998 144 f. 26 BGH 4.12.1958 – II ZR 177/57, NJW 1959 243, 244 = VersR 1959 42; vgl. auch BAG 15.9.2016 – 8 AZR 187/15, VersR 2017 875 Rn. 27; vgl. auch OLG Jena 26.7.2019 – 4 U 50/19, VersR 2019 1209. 27 BGH 17.1.1973 – IV ZR 146/71, NJW 1973 515, 516 = VersR 1973 313. 28 A.A. BGH 19.3.1952 – II ZR 122/51, VersR 1952 141, 142: Mitversicherungsklausel in der Privathaftpflichtversicherung ist dahin auszulegen, dass Versicherungsschutz für Mitversicherte nur dann eingreift, wenn es sich um die Tätigkeit einer Person handelt, für die eine Haftung des VN aus § 831 BGB in Betracht kommt. Koch
692
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
ähnlichen Kriterien misst, wie sie für die Qualifikation der Verrichtung i.S.v. § 831 BGB (und einer betrieblichen Tätigkeit i.S.v. § 105 SGB VII/§ 637 RVO a.F.) entwickelt worden sind.29 Ein auf Kausalität beschränkter, lediglich äußerer Zusammenhang zwischen der schadenstiftenden Tätigkeit und dem Unternehmen genügt auch nach diesen Vorschriften nicht. Erforderlich ist vielmehr ein innerer Zusammenhang zwischen dem übertragenen Aufgabenkreis und der Schadenszufügung.30 Betriebs-/Berufsbezogenheit ist stets gegeben, wenn der Schaden durch eine Tätigkeit ver- 56 ursacht worden ist, die dem Mitarbeiter von dem Unternehmen und für das Unternehmen übertragen worden ist, die er auf Weisung des Vorgesetzten31 oder im Interesse des Unternehmens ausführt. Für örtlich dem Unternehmen zugehöriges Verhalten besteht eine tatsächliche Vermutung für betriebsbezogenes Verhalten.32 Ob die zu dem schädigenden Ereignis führende Tätigkeit zum eigentlichen Aufgabengebiet des Mitarbeiters gehört, ist nicht entscheidend. Handelt er Weisungen zuwider oder überschreitet er die Grenzen seines Auftrags, ist Betriebsbezogenheit zu bejahen, soweit sein Verhalten noch mit dem Betriebszweck in Zusammenhang steht. Wird etwa der Fahrer einer Planierraupe angewiesen, das Eintreffen frischen Hydrauliköls abzuwarten, hält sich dieser nicht daran und verursacht dadurch einen Unfall, ist die Betriebsbezogenheit gegeben. Kein unternehmensbezogener Zusammenhang besteht für Unfälle, die ein Arbeitnehmer auf dem Weg von und zur Arbeit mit seinem Fahrzeug verursacht. Die Betriebsbezogenheit ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Mitarbeiter vorsätz- 57 lich eine Pflichtverletzung begangen oder einen Schaden herbeigeführt hat (im letztgenannten Fall besteht wegen Ziff. 7.1 AHB 2016 allerdings kein Versicherungsschutz für den Mitarbeiter33). Der notwendige innere Zusammenhang zwischen der unternehmerischen Tätigkeit und dem Schadensereignis fehlt jedoch, wenn nicht mehr die Verfolgung betrieblicher Zwecke, sondern die durch die Eigeninteressen des Mitarbeiters bedingte Art und Weise der Tätigkeit als entscheidende Schadensursache anzusehen ist. An einem inneren Zusammenhang fehlt es auch, wenn das deliktische Verhalten aus dem Kreis der übertragenen Aufgaben herausfällt, der Gehilfe also „rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in Berührung“ kommt. Bei missbräuchlicher Verwendung gefährlicher Betriebsmittel hat sich der BGH für eine wertende Gesamtschau ausgesprochen, bei der es vor allem darauf ankomme, ob das mutwillige Verhalten des Versicherten oder die Gefährlichkeit des Betriebswerkzeugs als die entscheidende Schadensursache zu werten sei. Im erstgenannten Fall liege eher eine Verwirklichung dieser persönlichkeitsbezogenen Gefahr „des täglichen Lebens” vor als eine Auswirkung eines Betriebsrisikos.34 Keine Betriebsbezogenheit liegt vor, wenn der Mitarbeiter die Tätigkeit im eigenen Namen 58 und/oder für eigene Rechnung erbringt, mag er auch für die Tätigkeit seine beruflich im Unternehmen des VN erworbenen Kenntnisse zum Einsatz bringen35 oder die von ihm geschaffene Gefahrenlage typisch für seine berufliche Tätigkeit sein.36 In diesen Fällen dient die Tätigkeit weder den Interessen des versicherten Unternehmens noch steht sie in einem inneren ursächlichen Zusammenhang zu der Tätigkeit des versicherten Unternehmens. An der Betriebsbezogenheit fehlt es auch, wenn jemand im Betrieb eines anderen, ohne hierzu vom VN angewiesen zu sein, aushilfsweise tätig wird.37 Ohne Bedeutung für die Deckung in der Betriebshaftpflichtversi-
29 30 31 32 33 34 35
vgl. ErfK/Rolfs § 105 SGB VII Rn. 3; MüKoBGB/Wagner § 831 Rn. 30 ff.; BeckOGK-BGB/Spindler § 831 Rn. 29 ff. BGH 14.2.1989 – VI ZR 121/88, NJW-RR 1989 723, 725. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 12; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 716 ff. Berliner Kommentar/Baumann § 151 Rn. 14. Vgl. auch BAG 15.9.2016 – 8 AZR 187/15, VersR 2017 875 Rn. 37. Vgl. BGH 2.6.1976 – IV ZR 163/75, NJW 1976 2134, 2135; OLG Hamm 7.11.2018 – 20 U 107/17, VersR 2019 533, 535. vgl. BGH 11.12.1980 – III ZR 38/79, BGHZ 79 145, 152 = NJW 1981 2057, 2059; KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 230; OLG Hamm 9.12.1977 – 20 W 29/77, VersR 1980 1037. 36 LG Frankfurt 19.2.1971 – 2/17 O 464/70, VersR 1974 181. 37 Vgl. LG Amberg 16.10.1985 – 2 O 359/85, ZfS 1986 56; LG Osnabrück 3.4.1958 – 4 O 378/57, VersR 1958 469, 470. 693
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
cherung ist, ob der Schaden im Betrieb während der Arbeitszeit und mit Betriebsmitteln herbeigeführt worden ist.38 In den Fällen, in denen Mitarbeiter nur gelegentlich in ihrer Freizeit tätig werden, besteht Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung.39 59 Zu beachten ist, dass der VN, der als Unternehmensinhaber wegen der schadenstiftenden Handlung seiner Mitarbeiter auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, auch dann Versicherungsschutz genießt, wenn es an der Betriebsbezogenheit der Handlung des Mitarbeiters fehlt, da der Versicherungsschutz auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche umfasst. Voraussetzung ist – wie auch sonst –, dass der Anspruch an das versicherte Risiko anknüpft oder die Vorsorgeversicherung eingreift.40
60 c) Kasuistik. Betriebsbezogenheit mangels inneren ursächlichen Zusammenhangs mit der Betriebstätigkeit hat die Rechtsprechung verneint, wenn der Mitversicherte seinem Arbeitskollegen die Tür zuhält und einen Faustschlag versetzt,41 aus „Langeweile“ einen Arbeitskollegen erschrecken will und diesen dabei versehentlich verletzt42 oder unter Verwendung im Betrieb vorhandener Gerätschaften und Teile eine „Konfettikanone“ für einen Faschingsumzug zusammenbaut und beim Ausprobieren einen Auszubildenden verletzt.43 Für Haftpflichtansprüche aus Schäden, die bei der betriebsbedingten Teilnahme am 61 Straßenverkehr entstehen, besteht Versicherungsschutz, wenn und solange ein innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Betrieb und der schadenstiftenden Tätigkeit besteht.44 Dieser Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der Mitarbeiter zur Ausführung eines Auftrags am Straßenverkehr teilnimmt (z.B. Lkw-Fahrer, Bring-Dienste, Fahrradkuriere). Dagegen fallen die Haftpflichtgefahren aus Wegeunfällen des Arbeitnehmers auf dem Nachhauseweg von seiner versicherten Tätigkeit45 oder zum Zwecke des häuslichen Mittagessens nicht in den Bereich der Betriebshaftpflichtversicherung.46 Nach Ansicht des BGH fehlt es an einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem 62 Betrieb des VN, wenn ein Gesellschafter einer betriebshaftpflichtversicherten oHG aus Gefälligkeit einem fremden LKW-Fahrer durch Einwinken beim Einfahren in eine belebte Straße behilflich war. Eine betriebliche Tätigkeit soll danach nicht allein dadurch begründet werden, dass eine Gefälligkeitshandlung aus Gründen der Berufssolidarität vorgenommen wird. Anders wäre aber dann zu entscheiden, wenn es sich um die Ausfahrt aus dem Hof des VN gehandelt hätte oder um eine Tätigkeit für den Lastzug einer Firma, mit der der VN in Geschäftsbeziehungen
38 KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 230; OLG Frankfurt/M. 17.12.1997 – 7 U 192/96, OLGR 1998 144; a.A. OLG Hamm 16.4.1984 – 2 U 307/82, VersR 1985 438, 439 = ZfS 1985 219: Schäden bei Ausführung von Schweißarbeiten an einem fremden PKW außerhalb der Arbeitszeit in der Werkstatt des Arbeitgebers fallen nicht in den Deckungsbereich der Betriebshaftpflichtversicherung; wie hier Berliner Kommentar/Baumann § 151 Rn. 24. 39 Bruck/Möller/Koch9 Ziff. 3 AHB Rn. 20 ff. 40 BGH 13.7.1983 – IVa ZR 226/81, VersR 1983 945 f. 41 BGH 17.1.1973 – IV ZR 146/71, NJW 1973 515, 517; OLG Hamm 24.8.1973 – 20 U 65/73, VersR 1973 1133 f. 42 BGH 2.6.1976 – IV ZR 163/75, NJW 1976 2134 f. unter Aufgabe von BGH 9.3.1961 – II ZR 247/58, VersR 1961 399 f., wo ein Handeln im Bereich der dienstlichen Verrichtungen bejaht wurde, als ein Lehrling aus grobem Unfug einen anderen durch „spielerisches Anzünden von Waschbenzin“ schwer verletzte; vgl. auch BSG 29.5.1962– 2 RU 113/60, NJW 1962 1742 (zu § 542 RVO a.F.); Hans. OLG Hamburg 8.3.1990 – 6 U 224/89, VersR 1991 92 f.; OLG Hamm 16.5.1979 – 20 W 24/78, VersR 1979 1046 (Verletzung eines Arbeitskollegen durch einen im Scherz geworfenen Nagel); ÖOGH 18.2.1982 – 8 Ob 9/82, VersR 1983 302 (scherzhafte, von leichten Fußtritten begleitete Streitigkeiten zwischen Arbeitskollegen im manuellen Arbeitsbereich); ÖOGH 7.7.1977 – 7 Ob 44/77, VersR 1978 532. 43 OLG Frankfurt/M. 17.12.1997 – 7 U 192/96, OLGR 1998 144. 44 BGH 4.5.1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41 333, 335; Späte PrivH Rn. 12; Kuwert/Erdbrügger PrivH Rn. 3023. 45 LG Karlsruhe 11.1.2012 – 2 O 370/11, VersR 2013 352, 354. 46 BGH 12.5.1971 – IV ZR 50/70, VersR 1971 657 f. Koch
694
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
steht oder wenn der VN durch das Einwinken des fremden Fahrers seine eigene Tätigkeit danach hätte leichter ausüben können.47 Betriebsbezogenheit ist zu bejahen, wenn ein Mitarbeiter auf der Baustelle die Arbeit eines 63 anderen Unternehmers übernimmt, um mit der eigenen Arbeit weiterzukommen.48 Hier ist bei Prüfung der Eintrittspflicht des Betriebshaftpflicht-VR allerdings der Umfang der Risikobeschreibung zu beachten. Soweit sich das versicherte Risiko nicht auf die Haftpflichtgefahren des fremden Betriebs erstreckt, besteht keine Deckung aus der Betriebshaftpflichtversicherung (da die Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 27.1 Satz 2 AHB 2016 nicht eingreift). Ohne Bedeutung für den inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem Betrieb des VN ist, ob der Mitarbeiter die schadensstiftende Tätigkeit un-/entgeltlich oder als Gefälligkeit erbracht hat, da auch eine un-/entgeltliche oder eine Gefälligkeitstätigkeit den Interessen des Unternehmens dienen kann.49 Will ein Vorarbeiter seinen Arbeitskollegen durch Schläge zur Arbeit zwingen, soll es sich 64 um ein Ereignis aus der Betriebssphäre handeln.50 Ist der Mitversicherte von dem Inhaber einer Bar damit beauftragt worden, sein Hausrecht auszuüben und Gäste, von denen Unruhe droht, aus dem Lokal zu weisen, fallen Schäden, die dadurch entstehen, dass der Mitversicherte nach Abgabe eines Warnschusses aus Furcht Schüsse auf einen vermeintlichen Angreifer abgibt, dem er zuvor Hausverbot erteilt hatte, in den Bereich der Betriebshaftpflichtversicherung.51 Will ein Bauarbeiter einen Jugendlichen von einer Baustelle vertreiben, kommt der Jugendliche dabei zu Fall und verletzt sich, besteht wegen der Betriebsbezogenheit Versicherungsschutz über die Betriebshaftpflichtversicherung.52 Dem betrieblichen Bereich zuzuordnen ist auch ein Schaden, den der VN dadurch verursacht, dass er seinen Aktenkoffer versehentlich auf die Brille eines Kollegen gestellt und diese dabei zerbrochen hat.53 Entgleitet einem Dachdecker während der Frühstückspause auf dem Dach eine Sprudelfla- 65 sche und wird dadurch ein parkender Pkw beschädigt, besteht Deckung in der Betriebshaftpflichtversicherung.54 Verlässt ein Mitarbeiter dagegen das Unternehmensgelände, um sich in der Umgebung etwas zu Essen zu beschaffen, unterbricht er seine zuvor für das Unternehmen ausgeübte Tätigkeit bis zu seiner Rückkehr in das Unternehmen. Er handelt deshalb im privaten Bereich.55 Dieser Sachverhalt ist nicht anders zu beurteilen, als wenn ein Betriebsangehöriger in einer Arbeitspause die Betriebsstätte verlässt, um an anderer Stelle eine Mahlzeit einzunehmen.56 In solchen Fällen kann der Bezug zur betrieblichen Betätigung nicht mit der Überlegung hergestellt werden, dass das Verlassen des Betriebes und die Rückkehr dorthin ohne die Betriebstätigkeit nicht stattgefunden hätten bzw. dass die Einnahme oder Beschaffung einer Mahlzeit insofern betrieblichen Interessen diene, als damit die Arbeitskraft und die Leistungsfähigkeit der versicherten Person bewahrt und gefördert werde.57 Anders liegt es lediglich, wenn ein Arbeitgeber den bei ihm Beschäftigten Gelegenheit zur Einnahme einer Mahlzeit im Bereich der Betriebsstätte oder in einer außerhalb dieser gelegenen Kantine gewährt, da dann die Mahlzeit
47 BGH 12.1.1961 – II ZR 249/58, VersR 1961 121, 122; vgl. hierzu auch BGH 7.2.1963 – II ZR 137/61, VersR 1963 325, wo ein betriebliches Handeln bejaht wurde, als ein Betriebsleiter des VN den Straßenverkehr regelte, weil ein von den Leuten des VN zu beladendes fremdes Fahrzeug eine Kurve gefährlich verengte. 48 Hans. OLG Hamburg 3.3.1981 – 12 U 114/80, VersR 1982 458 ff. 49 Vgl. BGH 11.12.1980 – IVa ZR 29/80, BGHZ 79 145, 152 = VersR 1981 271 ff.; BGH 2.6.1976 – IV ZR 163/75, VersR 1976 921, 922 f.; KG 26.10.2001 – 6 U 4294/00, NVersZ 2002 229, 230; OLG Köln 20.4.1999 – 9 U 9/99, VersR 2000 95, 96; OLG Hamm 9.12.1977 – 20 W 29/77, BeckRS 2010 04875. 50 LG Düsseldorf 8.3.1966 – 16 O 49/66, VersR 1968 438, 439. 51 OLG Frankfurt/M. 29.10.1997 – 7 U 105/96, VersR 1998 575. 52 LG Aachen 10.8.1979 – 7 O 69/79, ZfS 1981 184 f. 53 AG Hannover 24.4.1990 – 528 C 554/90, ZfS 1991 62. 54 AG Dortmund 18.4.1984 – 113 C 24/84, ZfS 1984 186, 187. 55 Hans. OLG Hamburg 15.12.1989 – 11 U 183/89, RuS 1990 367 f. 56 BGH 12.5.1971 – IV ZR 50/70, VersR 1971 657 f. 57 Hans. OLG Hamburg 15.12.1989 – 11 U 183/89, RuS 1990 367 f. 695
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
in den betrieblichen Arbeitsablauf eingeordnet ist,58 oder den Mitarbeiter anweist, Post wegzubringen oder für eine Betriebsfeier einzukaufen.59 66 Das Rauchen im Betrieb ist grundsätzlich privater Natur. Daraus entstehende Haftpflichtschäden fallen nach einem Urteil des LG Hannover deshalb nicht in den Bereich der Betriebshaftpflichtversicherung, sondern in den der Privathaftpflichtversicherung.60 Dieser Bewertung ist das OLG Celle in der Rechtsmittelinstanz nicht gefolgt.61 Danach soll die Betriebshaftpflichtversicherung jedenfalls dann zuständig sein, wenn der VN bestimmte Bewachungs- und Obhutspflichten übernommen hatte.62 Die Sinnhaftigkeit dieser Abgrenzung erschließt sich nicht. Vorzugswürdiger ist die Ansicht von Späte und Schmalz, die die Zuordnung davon abhängig machen, ob das Rauchen im Betrieb ausnahmsweise als Ausübung dienstlicher Verrichtungen anzusehen ist, z.B. weil ein Unternehmer in einer Arbeitsbesprechung darauf Wert legt, dass man ihm rauchend Gesellschaft leistet,63 ein Prüfer einer Zigarettenfabrik zur Qualitätskontrolle eine Zigarette raucht oder ein Tankwart eine Zigarette im Kassenraum ablegt, um beim Bedienen an der Zapfsäule keine Explosion hervorzurufen.64 v. Rintelen spricht sich gegen eine isolierte Betrachtung des Rauchens als Tätigkeit rein privater Natur aus und will es ausreichen lassen, dass der VN während der Dienstausübung am Dienstort geraucht hat.65 Das Ausleeren eines Aschenbechers durch einen Lehrling im Rahmen des Aufräumens des Vesperraums nach einer Adventsfeier stellt eine betriebsbezogene Handlung dar.66 Die Verwahrung beruflich anvertrauter Schlüssel in der Privatwohnung ist nach Ansicht 67 des OLG Köln67 sowie des LG Limburg68 dem Privathaftpflichtrisiko zuzuordnen. Eine Berufsbezogenheit könne nur bejaht werden, wenn der VN die ihm beruflich anvertrauten Schlüssel Dritten z.B. ausgehändigt habe, nicht aber dann, wenn er die Schlüssel lediglich während seiner Dienstzeit in einem privaten Wohnbereich zwecks jederzeitiger Verfügbarkeit aufbewahre, wie es in vielen Berufsbereichen (z.B. bei Dienstzimmerschlüsseln) der Fall sei. In diesen Fällen bestehe allenfalls noch ein mittelbarer, äußerer Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, der für eine Bejahung der Berufshaftpflicht aber nicht ausreiche. Diese Wertung ist nicht zwingend. Ein ausreichender Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn der VN dienstlich verpflichtet ist, den Schlüssel im Interesse des Betriebes bei sich zu verwahren (z.B. Filialleiterschlüssel zum Auf- und Abschließen bei Geschäftsbeginn und -schluss).69
3. Ausgeschiedene Betriebsangehörige 68 Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung (vgl. A1-2.1.4 AVB BHV) verlieren Betriebsangehörige der VN ihren Status als versicherte Person und haben deshalb auch keinen Anspruch mehr auf die Versicherungsleistung, wenn der Versicherungsfall nach ihrem Ausscheiden aus
58 59 60 61 62
vgl. BGH 12.5.1971 – IV ZR 50/70, VersR 1971 657 f.; auch OLG Celle 30.4.1976 – 8 U 70/75, RuS 1976 180. vgl. Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 612 ff. LG Hannover 30.4.1975 RuS 1975 159 f.; a.A. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 12. OLG Celle 30.4.1976 – 8 U 70/75, RuS 1976 180. ablehnend Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 14; offengelassen OLG Bamberg 20.2.1992 – 1 U 272/ 90, VersR 1992 1346, 1347. 63 Schmalz Berufshaftpflichtversicherung 1. Aufl. (1989) Rn. 455; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 14. 64 Beispiele von Wussow WJ 1986 1; Späte/Schimikowski/Schimikowski BB PHV Rn. 14. 65 Beckmann/Matusche-Beckmann/von Rintelen § 32 Rn. 5. 66 OLG Bamberg 20.2.1992 – 1 U 272/90, VersR 1992 1346, 1347; a.A. Langheid/Wandt/Littbarski § 102 Rn. 62. 67 OLG Köln 5.3.1991 – 5 U 160/91, RuS 1992 228. 68 LG Limburg 16.11.2007 – 3 S 116/07, VersR 2008 814, 815. 69 Prölss/Martin/Lücke PHV Nr. 1 Rn. 7. Koch
696
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
dem Unternehmen der VN eintritt.70 Es besteht somit kein Versicherungsschutz auf der Grundlage des Schadensereignisprinzips, wenn ein Mitarbeiter der VN eine Fehlkonstruktion erstellt, die nach seinem Ausscheiden zu einem Schadensereignis mit einem Personenschaden führt. Versicherungsschutz besteht jedoch für die VN, soweit sie für das Verhalten ihres ehemaligen Mitarbeiters einstehen muss oder unter dem Gesichtspunkt der Organisationpflichtverletzung gegenüber dem Geschädigten haftet. Der ausgeschiedene Mitarbeiter – soweit er nicht zum Kreis der gesetzlichen Vertreter der 69 VN zählt – hat wiederum nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs einen Anspruch auf Freistellung gegen die VN, von dem selbst bei grober Fahrlässigkeit als Faustregel höchstens ein 1-2-faches Jahresgehalt in Abzug zu bringen ist, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und dem Schadensrisiko besteht, das sich verwirklicht hat (Einleitung Rn. 29). Beispiel: Der ausgeschiedene Mitarbeiter A, der ein Jahreseinkommen von 100.000 EUR hatte, wird wegen eines Sachschadens in Höhe von A 5 Mio., den er grob fahrlässig während seiner aktiven Zeit verursacht hat, von D in Anspruch genommen. Bringt man das 1,5fache des Jahresgehalts in Abzug (= A 150.000) kann A von seinem Arbeitgeber Freistellung in Höhe von A 4.850.000 verlangen. A 150.000 muss A selbst tragen.
Zumindest in diesem Umfang besteht für ausgeschiedene Mitarbeiter in der Betriebshaftpflichtversicherung eine Deckungslücke, die nur durch Einbeziehung auch ehemaliger Mitarbeiter in den Versicherungsschutz geschlossen werden kann.71 Werden ausgeschiedene gesetzliche Vertreter der VN von Dritten wegen eines nach ihrem Ausscheiden eingetretenen Sach- oder Personenschadens in Anspruch genommen, haben sie keinen Anspruch auf Freistellung. Da auf sie die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs keine Anwendung finden, müssen sie für den gesamten Schaden mit ihrem Privatvermögen einstehen.
IV. Ausschluss für Arbeits- und Dienstunfälle 1. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Ziff. 7.1.2.4 Satz 2 BBR BHV) Kein Versicherungsschutz besteht gem. Ziff. 7.1.2.4 Satz 2 BBR BHV für Haftpflichtansprüche 70 gegen Betriebsangehörige aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN nach SGB VII handelt. Bei einem Arbeitsunfall handelt es sich gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII um Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Was unter den Begriff der Berufskrankheit fällt, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Der Ausschluss betrifft den Ersatzanspruch von Sozialversicherungsträgern aus § 110 71 Abs. 1 SGB VII, der immer dann entsteht, wenn der Unfallverursacher, dessen Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Für diesen (originären) Anspruch des Sozialversicherungsträgers gegen einen Betriebsangehörigen besteht grundsätzlich Deckung gem. Ziff. 1.1 AHB 2016, da er privatrechtlicher Natur ist (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 77), wobei hinsichtlich vorsätzlich herbeigeführter Versicherungsfälle die Einschränkungen des Ziff. 7.1 AHB 2016 zu beachten sind. Zwar können die Sozialversicherungsträger nach § 110 Abs. 2 SGB VII auf den Ersatzanspruch gegen den Betriebsangehörigen verzichten. Dafür besteht jedoch kein Anlass, wenn der Betriebsangehörige in den Schutz der Betriebshaftpflichtversicherung eingeschlossen wäre. Durch den Ausschluss gem. Ziff. 7.1.2.4
70 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 10; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 43 f. 71 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 9; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 43 f. 697
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Satz 2 BBR BHV soll verhindert werden, dass die Sozialversicherungsträger ihre Leistungspflicht auf die Haftpflicht-VR abwälzen.72 72 Der Ausschluss von Ansprüchen aus Personenschäden gegen Betriebsangehörige erstreckt sich gem. Ziff. 7.1.2.4 Satz 2 BBR BHV nicht auf die Haftpflicht der gesetzlichen Vertreter und der zur Leitung und zur Beaufsichtigung angestellten Betriebsangehörigen i.S.v. Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV. Er ist beschränkt auf die in Ziff. 7.1.2.4 Satz 1 BBR BHV genannten übrigen Betriebsangehörigen.73 Schon nach dem Wortlaut findet der Ausschluss keine Anwendung, wenn der VN den Arbeitsunfall verursacht hat.74 Insoweit sind die Haftpflichtansprüche aus einem betrieblichen Arbeitsunfall versichert, die der verletzte Betriebsangehörige gegen den VN erhebt. Für Ansprüche gegen eine leitende oder beaufsichtigende Person besteht dagegen wegen Ziff. 7.4 (1) AHB 2016 keine Deckung. 73 Der Grund für die unterschiedliche Behandlung des Leitungspersonals und der leitenden und aufsichtsführenden Mitarbeiter im Vergleich zu den sonstigen Betriebsangehörigen ist darin zu sehen, dass die auf der Leitungsebene stehenden Personen haftungsmäßig dem Unternehmer näherstehen als den sonstigen Betriebsangehörigen und deshalb auch deckungsmäßig so behandelt werden wie der VN.75 74 Die örtliche Begrenzung auf Arbeitsunfälle „im Betrieb des Versicherungsnehmers“ beschränkt sich nicht auf solche Arbeitsunfälle, die sich in Büro- oder sonstigen Betriebsräumen des VN ereignen, sondern betrifft alle Arbeitsunfälle, die sich dort ereignen, wo die betreffenden Betriebsangehörigen betrieblich tätig sind.76
2. Dienstunfälle (Ziff. 7.1.2.4 Satz 3 BBR BHV) 75 Der Ausschluss von Ansprüchen aus Personenschäden gem. Ziff. 7.1.2.4 Satz 3 BBR BHV wegen eines Dienstunfalles, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehöriger derselben Dienststelle zugefügt werden, trägt den Vorschriften des BeamtVG Rechnung.77 Nach der Definition gem. § 31 Abs. 1 BeamtVG handelt es sich bei einem Dienstunfall um „ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist“.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG hat ein Beamter aus Anlass eines Dienstunfalls gegen seinen Dienstherrn nur die in den §§ 30 bis 43 BeamtVG geregelten Ansprüche auf Unfallfürsorge. Weitergehende Ansprüche aufgrund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften, wie z.B. ein Anspruch auf Schmerzensgeld (§ 253 BGB), können gegen einen öffentlichen Dienstherrn im Geltungsbereich des BeamtVG oder gegen in seinem Dienst stehende Personen nur dann geltend gemacht werden, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung einer solchen Person verursacht worden ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG) oder wenn der Dienstunfall sich bei der Teilnahme am öffentlichen Verkehr ereignet hat (§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG i.V.m. § 1 ErwZulG).
72 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 13; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 35; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 617.
73 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 13. 74 OLG Frankfurt/M. 24.5.2007 – 3 U 144/06, RuS 2008 66, 67; vgl. auch ÖOGH 16.6.1988 – 7 Ob 19/88, VersR 1989 826; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 18. 75 Prölss/Martin/Lücke BetriebsHaftPfl Ziff. 7.1.2 Rn. 19; vgl. auch Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 720 ff.; mit teilweise anderer Begründung Krause VersR 1999 819, 820; Späte BetrH Rn. 16. 76 Vgl. Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 617. 77 Vgl. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_2 Ziff. 7.1.2 Rn. 22. Koch
698
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Eigenschaften, Tatigkeiten und Personen
Ziff. 7.1 BBR BHV
Für die Beurteilung, ob ein Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten 76 ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH das Verhältnis zu dem in Anspruch genommenen Schädiger maßgeblich. Fälle, in denen ein Beamter während einer Dienstfahrt für seine eigene Verwaltung im öffentlichen Straßenverkehr einen Unfall erleidet, den eine andere Verwaltung verursacht hat, sind danach ohne weiteres als Teilnahme am allgemeinen Verkehr anzusehen.78
78 BGH 27.11.2003 –- III ZR 54/03, RuS 2004 174 m.w.N.; vgl. auch OLG Koblenz 24.4.2006 –12 U 134/05, BeckRS 2006 06137. 699
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.3 Erweiterung des Versicherungsschutzes Ziff. 7.1.3.1 Strahlenschäden 7.1.3.1.1 1Eingeschlossen ist abweichend von Ziff. 7.12 AHB und Ziff. 7.10 (b) AHB die gesetzliche Haftpflicht des VN aus – dem deckungsvorsorgefreien Umgang mit radioaktiven Stoffen; – Besitz und Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern. 2 Soweit der vorstehende Einschluss auch Schäden durch Umwelteinwirkung umfasst, besteht kein Versicherungsschutz über die Umwelthaftpflicht-Basis-Versicherung 7.1.3.1.2 1Werden vom VN gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet, ohne dass dies für den VN ersichtlich war, wird sich der Versicherer nicht auf Ziff. 7.12 AHB berufen. 2 Dies gilt nicht für Schäden, – die durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen; – die durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind. 7.1.3.1.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – wegen Personenschäden solcher Personen, die gleichgültig für wen oder in wessen Auftrag aus beruflichem oder wissenschaftlichem Anlass im Betrieb des VN eine Tätigkeit ausüben und hierbei die von energiereichen ionisierenden Strahlen oder Laserstrahlen ausgehenden Gefahren in Kauf zu nehmen haben; – gegenüber jedem VN oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen verursacht hat.
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Ziff. 7.1.3.1.1 BBR BHV
77
II.
Ziff. 7.1.3.1.2 BBR BHV
79
III.
Ziff. 7.1.3.1.3 BBR BHV
80
78
A. Inhalt und Zweck 77 Nach Ziff. 7.12 AHB 2016 sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen mit energiereichen ionisierenden Strahlen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen) von der Versicherung ausgeschlossen. Hieran anknüpfend schließt Ziff. 7.1.3.1 BBR BHV Ansprüche wegen Strahlenschäden in die Deckung wieder ein.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-116
700
Ziff. 7.1.3 Erweiterung des Versicherungsschutzes
Ziff. 7.1 BBR BHV
B. Einzelheiten I. Ziff. 7.1.3.1.1 BBR BHV Nach Ziff. 7.1.3.1.1 BBR BHV ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Schäden infolge des Um- 78 gangs mit radioaktiven Stoffen und des Besitzes und der Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern versichert. Beruhen die Strahlenschäden auf einer Umwelteinwirkung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 329 ff.), werden sie nach Ziff. 7.1.3.1.1 Satz 2 BBR BHV nicht der Umwelthaftpflicht-Basis-Versicherung zugewiesen.
II. Ziff. 7.1.3.1.2 BBR BHV Ziff. 7.1.3.1.2 Satz 1 BBR BHV betrifft Schäden, die durch Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige 79 Leistungen des VN „im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen“ (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 355) verursacht wurden (Produkthaftpflichtrisiko). Damit ist gemeint, dass die Erzeugnisse strahlen oder bei der Erbringung der Arbeit und sonstigen Leistungen Hilfsmittel eingesetzt werden, von denen eine Strahlung ausgeht. Für daraus resultierende Schäden besteht Deckung, wenn es für den VN nicht ersichtlich war, dass von ihm gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet werden (zum Begriff der Ersichtlichkeit s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346). Etwas anderes gilt nach Ziff. 7.1.3.1.2 Satz 2 BBR BHV, wenn die Schäden durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen oder durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind. In diesen Konstellationen wird für den VN der Zusammenhang mit der Strahlung regelmäßig ersichtlich sein, so dass bereits keine Deckung nach Ziff. 7.1.3.1.2 Satz 1 BBR BHV besteht.
III. Ziff. 7.1.3.1.3 BBR BHV Ziff. 7.1.3.1.3 Spiegelstr. 1 BBR BHV schließt Ansprüche wegen Personenschäden aus, wenn die 80 geschädigten Personen, im Betrieb des VN – „gleichgültig für wen oder in wessen Auftrag aus beruflichem oder wissenschaftlichem Anlass“ – eine Tätigkeit ausüben, bei der sie „die von ionisierenden Strahlen oder Laserstrahlen ausgehenden Gefahren in Kauf zu nehmen haben“ (von der im Betrieb beschäftigten Putzfrau bis hin zu dem bei einem potenziellen Kunden tätigen Ingenieur, der eine Anlage erproben soll, oder dem Beamten, der Sicherheitsanlagen zu überprüfen hat).1 Diese Formulierung bezieht sich erkennbar auf § 26 Abs. 4 Nr. 2 AtG, der die Haftung nach § 26 Abs. 1 bis 3 AtG ausschließt, wenn zwischen dem Besitzer und dem Verletzten ein Rechtsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Verletzte die von dem Stoff ausgehende Gefahr in Kauf genommen hat. Insoweit hat der Ausschluss nur die Bedeutung eines Hinweises und bewirkt, dass der VR nicht verpflichtet ist, einen trotzdem erhobenen unbegründeten Anspruch abzuwehren. Zu beachten ist, dass § 26 Abs. 4 Nr. 2 AtG nur die atomrechtliche modifizierte Gefährdungs- 81 haftung ausschließt. Die allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsansprüche z.B. nach § 1 UmweltHG oder aus § 823 BGB, aufgrund derer auch zu bestimmen ist, ob eine Minderung oder ein Ausschluss der Schadensersatzpflicht wegen Handelns des Verletzten „auf eigene Gefahr“ vorliegt, kommen uneingeschränkt zur Anwendung.2 In diesen Fällen greift der Ausschluss
1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_3_1 Ziff. 7.1.3.1 Rn. 4. 2 BeckOGK/Fontana 1.3.2021 AtG § 32 Rn. 18; vgl auch MüKo-BGB/Wagner Vor § 823 Rn. 24; Landmann/Rohmer UmweltR/Rehbinder, 97. EL Dezember 2021, UmweltHG § 18 Rn. 3. 701
Koch
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.3 Erweiterung des Versicherungsschutzes
nicht ein.3 Beruhen die Strahlenschäden auf einem Arbeitsunfall oder führen zu einer Berufskrankheit im Betrieb des VN, kommt der Ausschluss in Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV zum Tragen. 82 Ziff. 7.1.3.1.3 Spiegelstr. 2 BBR BHV ergänzt die subjektiven Risikoausschlüsse in Ziff. 7.1 und 7.2 AHB 2016 in Bezug auf Schäden durch bewusstes Abweichen von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen. Zwischen dem bewussten Abweichen des VN und dem eingetretenen Schaden muss adäquate Kausalität bestehen.4 Erforderlich ist zudem, dass der Schaden gerade durch die Beachtung/Einhaltung der Vorschrift, Anweisung oder Bedingung abgewendet werden sollte.5
Ziff. 7.1.3.2 Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung (im Falle besonderer Vereinbarung) Die Versicherung des Erweiterten Produkthaftpflicht-Risikos erfolgt nach den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell). 83 Ziff. 7.1.3.2 BBR BHV hat keinen Regelungsgehalt, nur Hinweischarakter.
Ziff. 7.1.3.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die vom VN als Mieter, Entleiher, Pächter oder Leasingnehmer durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter, Leasinggeber) in dieser Eigenschaft. 84 Für Haftpflichtansprüche gegen den VN, die daraus resultieren, dass er innerhalb des versicherten Risikos als Mieter von Geschäftsräumlichkeiten, Entleiher von Werkzeugen, Pächter von Grundstücken oder Leasingnehmer z.B. Verkehrspflichten übernommen hat, die an sich den Vermieter, Verleiher, Verpächter oder Leasinggeber treffen, besteht Deckung nach Ziff. 1.1 AHB 2016. Der Ausschluss gem. Ziff. 7.3 AHB 2016 greift nicht ein (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 151), weshalb der Einschub „abweichend von Ziff. 7.3 AHB“ nicht richtig ist.1
3 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_3_1 Ziff. 7.1.3.1 Rn. 6. 4 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 273; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 7; v. Bühren/Lenz § 12 Rn. 150, vgl. auch BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45.
5 Vgl. auch Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 58 Rn. 44. 1 Für Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 49 und Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_3_3 Ziff. 7.1.3.3 Rn. 1 hat Ziff. 7.1.3.3 BBR BHV dagegen klarstellende Funktion. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-118
702
Ziff. 7.1 BBR BHV
Ziff. 7.1.3.4 Mietsachschäden 7.1.3.4.1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden, die anlässlich von Dienst- und Geschäftsreisen an gemieteten Räumen in Gebäuden entstehen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 7.1.3.4.2 Falls besonders vereinbart, gilt: 1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an zu betrieblichen Zwecken gemieteten (nicht geleasten) Gebäuden und/oder Räumen (nicht jedoch an Einrichtung, Produktionsanlagen und dgl.) und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch Brand, Explosion, Leitungswasser und – insoweit abweichend von Ziff. 7.14 (1) AHB – durch Abwässer. Variante für getrennte Versicherungssummen: 2 Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … 3Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 4 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Sachschaden-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 2 Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … 3Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 4 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Pauschal-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 7.1.3.4.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – von Gesellschaftern des VN; – von gesetzlichen Vertretern des VN und solchen Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat; – von Angehörigen (s. Ziff. 7.5 (1) Abs. 2 AHB) der vorgenannten Personen, wenn sie mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben; – von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbundene sind und unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen. Ziff. 7.1.3.4.1 BBR BHV schließt standardmäßig Schäden, die anlässlich von Dienst- und Ge- 85 schäftsreisen an gemieteten Räumen in Gebäuden entstehen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, abweichend von Ziff. 7.6 AHB 2016 wieder ein. Die Schäden müssen an den Räumen eintreten. Für bewegliche Sachen in den Räumen besteht ebenso wie in der Privathaftpflichtversicherung kein Versicherungsschutz. Dagegen sind mitversichert Schäden an mit den Räumen fest verbundenen Einrichtungsgegenständen – also in der Regel an Sachen, die zugleich wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes i.S.v. § 94 Abs. 2 BGB sind. Darüber hinaus besteht nach Ziff. 7.1.3.4.2 BBR BHV die Möglichkeit für den VN, die gesetzli- 86 che Haftpflicht wegen Schäden durch Brand, Explosion, Leitungswasser und durch Abwässer an zu betrieblichen Zwecken gemieteten Gebäuden und/oder Räumen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden zu versichern. Ausgenommen bleiben Schäden an geleasten Räumen und an der Einrichtung (z.B. Produktionsanlagen und dgl.). Der (fakultative) Einschluss gilt gem. Ziff. 7.1.3.4.3 BBR BHV nicht für Ansprüche von Gesell- 87 schaftern des VN, von gesetzlichen Vertretern des VN und solchen Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, von Angehörigen (Ziff. 7.5 (1) AHB 2016) der vorgenannten Personen, wenn sie mit diesen in häusli703 https://doi.org/10.1515/9783110522686-119
Koch
Ziff. 7.2 BBR BHV
Berufshaftpflichtversicherung
cher Gemeinschaft leben und von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind und unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen. Damit soll die Kollusionsgefahr vermindert werden.1
Ziff. 7.1.3.5 Abhandenkommen von Sachen Falls besonders vereinbart, gilt: 1 Eingeschlossen ist – in Ergänzung von Ziff. 2.2 AHB und abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus dem Abhandenkommen von Sachen (einschl. Kraftfahrzeuge und Fahrräder mit Zubehör) der Betriebsangehörigen und Besucher und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Ausgenommen hiervon sind Geld sowie bargeldlose Zahlungsmittel, Wertpapiere (einschl. Sparbücher), Scheckhefte, Urkunden, Schmuck und andere Wertsachen. 3 Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je Versicherungsfall EUR …, höchstens EUR … für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres. 88 Ziff. 7.1.3.5 BBR BHV sieht die Möglichkeit vor, die gesetzliche Haftpflicht des VN – etwa wegen der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten oder deliktischer Verkehrssicherungspflichten oder wegen Organisationsmängeln – aus dem Abhandenkommen von Sachen (einschl. Kfz und Fahrräder mit Zubehör) der Betriebsangehörigen und Besucher und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden zu versichern. Ausgenommen hiervon sind Geld sowie bargeldlose Zahlungsmittel, Wertpapiere (einschl. Sparbücher), Scheckhefte, Urkunden, Schmuck und andere Wertsachen.1
Ziff. 7.2 Berufshaftpflichtversicherung Das unter Ziff. 7.1 Gesagte gilt sinngemäß. Siehe jedoch Sonderregelung in Tarif V und Tarif VI. 1 Die Sonderregelungen in Tarif V und Tarif VI betreffen das Heilwesen und die Architekten, Bauingenieure und beratende Ingenieure. Diese Tarife haben Eingang gefunden in den durchgeschriebenen Musterbedingungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte, Zahnärzte und ambulante Gemeinschaftseinrichtungen (AVB Arzt) und in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die ObjektHaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren (AVB Objekt-Arch./Ing.).
1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_3_4 Ziff. 7.1.3.4 Rn. 2. 1 Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 55; vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_1_3_5 Ziff. 7.1.3.5 Rn. 1, der sich für die Ausdehnung der Deckung auf die Haftung für eingebrachte Sachen ausspricht. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-121
704
Ziff. 7.3 BBR BHV
Ziff. 7.3 Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung (Gilt auch bei Mitversicherung im Rahmen der Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung) Wenn der VN auf dem Grundstück einen Betrieb unterhält oder einen Beruf ausübt, wird Versicherungsschutz für das Haftpflichtrisiko aus dem Haus- und Grundbesitz nur durch eine besondere Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung gewährt. (Bei Vermietung von Teilen des Grundstücks an Betriebsfremde siehe Tarif IZ Ziff. 3.) 7.3.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Haus- und/oder Grundstücksbesitzer, z.B. als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer oder Nutznießer. 2 Versichert sind hierbei Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen). 7.3.2 1Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.3.2.1 des VN als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Erdarbeiten) bis zu einer Bausumme von EUR … je Bauvorhaben. 2 Für die private Haus- und Grundstücksbesitzer-Haftpflichtversicherung nach Ziff. 2.1.1 Muster-Tarifstruktur-Teil VIII gilt zusätzlich: 3 Wenn der Betrag überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz. 4Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB). 7.3.2.2 des VN als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestand; 7.3.2.3 der durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung der Grundstücke beauftragten Personen für Ansprüche, die gegen sie aus Anlass der Ausführung dieser Verrichtung erhoben werden. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden; 7.3.2.4 des Insolvenzverwalters und Zwangsverwalters in dieser Eigenschaft. 7.3.3 1Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.14 (1) AHB – Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden, die durch Abwässer aus dem Rückstau des Straßenkanals auftreten. 2 Falls Versicherungsschutz in der UHV-Basisversicherung für Fettabscheider, Benzin- und Ölabscheider besonders vereinbart ist, gilt: 3 Zusätzlich sind Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden durch Abwässer aus Fettabscheidern, Benzin- und Ölabscheidern eingeschlossen. 4 Falls nicht ausschließlich private Haftpflichtrisiken versichert werden, gilt: Ziff. 7.10 (b) AHB bleibt unberührt. 5 Diese Deckungserweiterung findet für die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung keine Anwendung. 7.3.4 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die vom VN als Mieter, Entleiher, Pächter oder Leasingnehmer durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter, Leasinggeber) in dieser Eigenschaft.
705 https://doi.org/10.1515/9783110522686-122
Koch
Ziff. 7.3 BBR BHV
Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung
Übersicht 1
III.
Grundstücksbetreuung (Ziff. 7.3.2.3 BBR 7 BHV)
VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer oder Nutznießer (Ziff. 7.3.1 BBR 2 BHV)
IV.
Insolvenz- und Zwangsverwalterhaftpflicht 8 (Ziff. 7.3.2.4 BBR BHV)
C.
Ziff. 7.3.2 BBR BHV
D.
Abwässer (Ziff. 7.3.3 BBR BHV)
I.
Bauherrenrisiko (Ziff. 7.3.2.1 BBR BHV)
E.
Ziff. 7.3.4 BBR BHV
II.
Grundstücksbesitzerrisiko (Ziff. 7.3.2.2 BBR 6 BHV)
A.
Inhalt und Zweck
B.
3
9
10
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 7.3 BBR BHV ergänzt Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV und erweitert den Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung für das Haftpflichtrisiko aus dem Haus- und Grundbesitz. Dem Hinweis im Eingangssatz von Ziff. 7.3 BBR BHV, dem zufolge Versicherungsschutz für das Haftpflichtrisiko aus dem Haus- und Grundbesitz nur durch eine „besondere Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung“ gewährt wird, kommt insoweit Bedeutung zu, als dass nach Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV Versicherungsschutz nur für Grundstücke, Gebäude und Räumlichkeiten besteht, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden. Fehlt es an der ausschließlichen Nutzung zu diesen Zwecken (Mischnutzung), besteht somit kein Versicherungsschutz über Ziff. 7.3 BBR BHV. Der Inhaber des Betriebs muss vielmehr eine gewerbliche Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung abschließen.
B. VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer oder Nutznießer (Ziff. 7.3.1 BBR BHV) 2 Diese Regelung knüpft ebenso wie Ziff. 7.1.2.1 BBR BHV an die gesetzliche Haftpflicht des VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer eines Hauses oder Grundstücks an. Unter ein Haus i.S.v. Ziff. 7.3.1 BBR BHV fallen sowohl Gebäude als auch Räumlichkeiten. Wie soeben bemerkt macht Ziff. 7.3.1 BBR BHV den Versicherungsschutz nicht davon abhängig, dass das Haus oder Grundstück ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt wird. Im Hinblick auf den Eingangssatz von Ziff. 7.3 BBR BHV kann der VN daraus jedoch nicht folgern, dass ihm im Fall der Mischnutzung über Ziff. 7.3.1 BBR BHV Versicherungsschutz für Ansprüche z.B. aus der Verletzung von Verkehrspflichten (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen) gewährt wird.
C. Ziff. 7.3.2 BBR BHV I. Bauherrenrisiko (Ziff. 7.3.2.1 BBR BHV) 3 Versicherungsschutz besteht auch für das Risiko des VN, als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten in Anspruch genommen zu werden (z.B. wegen Verletzung von VerkehrssicherungspflichKoch
706
C. Ziff. 7.3.2 BBR BHV
Ziff. 7.3 BBR BHV
ten und Unterlassung von Sicherungsvorkehrungen im Zusammenhang mit der Bautätigkeit), sofern die Bausumme einen bei Abschluss des Vertrages vereinbarten Betrag („je Bauvorhaben“) nicht überschreitet. Übersteigen die Kosten diesen Betrag, besteht Versicherungsschutz kraft ausdrücklicher Anordnung nur nach Maßgabe der Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB 2016). Der Begriff „Bauarbeiten“ umfasst – wie durch den Klammerzusatz klargestellt wird – Neu- 4 bauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch- und Grabearbeiten. Auch für – sich länger hinziehende – Renovierungsarbeiten besteht somit Versicherungsschutz.1 Bauherr ist derjenige, der in seiner Eigenschaft als Wohnungs-/Hausinhaber in eigener Regie Bauarbeiten vornimmt oder vornehmen lässt.2 Die Haftpflichtfälle müssen sich während der Bauphase ereignet haben.3 Sie dürfen nicht auf Sicherheitsrisiken beruhen, die sich erst nach Abschluss der Bauarbeiten als Folge verbliebener Baumängel verwirklicht haben.4 Für solche Haftpflichtfälle haftet der Inhaber nicht mehr als Bauherr, sondern als Haus-/Wohnungseigentümer, sodass Versicherungsschutz im Rahmen des zuvor beschriebenen Haus- und Wohnungsrisikos besteht (Rn. 2).5 Die Begrenzung auf einen bestimmten Betrag (z.B. „50 000 A je Bauvorhaben“) ist nach der 5 Gesamtplanung vorzunehmen.6 Maßgeblich für die Berechnung sind grundsätzlich die dem VN tatsächlich entstehenden Kosten.7 Soweit er Arbeiten in Eigenleistung erbringt, für die kein Geldbetrag aufgewendet werden muss, sind zunächst die (fiktiven) ortsüblichen Kosten zu ermitteln, die der VN bei Beauftragung eines Dritten gezahlt hätte.8 Von den so ermittelten Kosten ist ein Abschlag zu machen, weil Eigenleistungen des Bauherrn in jedem Fall kostengünstiger, zudem umsatzsteuerfrei wären.9
II. Grundstücksbesitzerrisiko (Ziff. 7.3.2.2 BBR BHV) Mitversichert ist insbesondere die Haftpflicht des VN als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, 6 wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestanden hat. Nach dieser Vorschrift haftet der frühere Besitzer des Grundstücks für einen Schaden, wenn der Einsturz oder die Ablösung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eintritt, es sei denn, dass er während seines Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder ein späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können.
III. Grundstücksbetreuung (Ziff. 7.3.2.3 BBR BHV) Ziff. 7.3.2.3 BBR BHV dehnt den Versicherungsschutz über den Kreis der mitversicherten Be- 7 triebsangehörigen auf Personen aus, die durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung der Grundstücke beauftragt worden sind und wegen dieser Tätigkeit auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. In Betracht kommen Wirtschafterinnen oder Hausangestellte des VN, der ein Betriebsgrundstück bewohnt, oder Gärtner, 1 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – I-4 U 121/07, 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757. 2 Vgl. OLG Düsseldorf 17.6.2008 – I-4 U 121/07, 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 189/ 04, VersR 2006 353, 354; Späte PrivH Rn. 25. 3 Vgl. auch ÖOGH 3.5.1979 – 7 Ob 7/79, VersR 1981 266. 4 OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 189/04, VersR 2006 353, 354. 5 OLG Karlsruhe 28.4.2005 – 19 U 189/04, VersR 2006 353, 354; OLG Hamm 12.5.1982 – 20 U 366/81, VersR 1983 257. 6 OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; AG Saarbrücken 17.12.1985 – 5 C 92/85, VersR 1986 754; ÖOGH 29.9.1988 –7 Ob 30/88, VersR 1989 826. 7 Prölss/Martin/Lücke Ziff. 1 BesBed PrivH Rn. 34. 8 Vgl. auch OLG Düsseldorf 17.6.2008 – 4 U 121/07, BeckRS 2009 23757; vgl. auch OLG Bamberg 21.2.2013 – 1 U 146/ 12, NZBau 2013 382, 383. 9 Offengelassen von OLG Bamberg 21.2.2013 – 1 U 146/12, NZBau 2013 382, 383. 707
Koch
Ziff. 7.3 BBR BHV
Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung
die er zur Betreuung der Umlage der Betriebswohnungen oder des Betriebes einsetzt, ohne dass sie mit dem Betriebsablauf etwas zu tun haben.10 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt, sowie für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 70 ff.).
IV. Insolvenz- und Zwangsverwalterhaftpflicht (Ziff. 7.3.2.4 BBR BHV) 8 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Insolvenz- und Zwangsverwalters in dieser Eigenschaft (§ 60 InsO, § 154 ZVG). Insoweit wird der Anwendungsbereich der Betriebshaftpflichtversicherung auf die Gefahren eines Berufes ausgedehnt. Für den Fall, dass er für Schäden wegen Verletzung von Verkehrssicherungs- oder Organisationspflichten verantwortlich gemacht wird, besitzt er Deckung. Dies ist deshalb wichtig, weil in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung des Insolvenz- und Zwangsverwalters Personen- und Sachschäden standardmäßig nicht versichert sind.11
D. Abwässer (Ziff. 7.3.3 BBR BHV) 9 Nach Ziff. 7.14 (1) AHB 2016 sind Haftpflichtansprüche aus Sachschäden nicht versichert, welche durch nicht häusliche Abwässer entstehen. Hieran anknüpfend dehnt Ziff. 7.3.3 BBR BHV die Deckung auch auf Sachschäden durch nicht häusliche Abwässer aus, soweit diese durch einen Rückstau im Straßenkanal verursacht werden.
E. Ziff. 7.3.4 BBR BHV 10 Ziff. 7.3.4 BBR BHV entspricht Ziff. 7.1.3.3 BBR BHV (Ziff. 7.1 Rn. 84).
10 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_3 Ziff. 7.3 Rn. 4. 11 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 61. Koch
708
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4 Nicht versicherte Risiken Ziff. 7.4.1 Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.1 wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben; 7.4.1.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages; 7.4.1.3 nach den Art. 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Gemeingefahren (Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV)
2
II.
Entschädigung mit Strafcharakter (Ziff. 7.4.1.2 3 BBR BHV)
III.
Art. 1792 ff. französischer Code Civil (Ziff. 7.4.1.3 4 BBR BHV)
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.4.1 BBR BHV statuiert einen Ausschluss für Ansprüche wegen Schäden, die auf Gemeinge- 1 fahren beruhen (Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV) und nicht (nur) auf Kompensation des erlittenen Schadens gerichtet sind (Ziff. 7.4.1.2 und Ziff. 7.4.1.3 BBR BHV).
B. Einzelheiten I. Gemeingefahren (Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV) Bei Schäden, die auf Kriegsereignissen, feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, 2 Generalstreik, illegalem Streik, Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand (vgl. A1-17 AVB Cyber Rn. 5 ff.) oder der Auswirkung elementarer Naturkräfte beruhen, wird es oftmals an einem schuldhaften Verhalten des VN und damit auch an einem Schadensersatzanspruch des Dritten fehlen. Der Ausschluss ist deshalb vornehmlich von Bedeutung für die Anspruchsabwehr, die der VR nicht zu erbringen hat.
II. Entschädigung mit Strafcharakter (Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV) Ausgeschlossen nach Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV sind auch Ansprüche auf Entschädigung mit Straf- 3 charakter, insbesondere „punitive damages“ oder „exemplary damages“. Hier bleibt der VR zur Deckung verpflichtet, soweit mit der Klage auch Ansprüche geltend gemacht werden, die auf Kompensation des erlittenen Schadens gerichtet sind (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 52), und nicht der Vorsatzausschluss gem. Ziff. 7.1 AHB 2016 zum Tragen kommt (Ziff. 7.7 BBR BHV Rn. 6). Insoweit 709 https://doi.org/10.1515/9783110522686-124
Koch
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.1 Ausgeschlossen sind Ansprüche
ist der Ausschluss in Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV von Ansprüchen auf Entschädigung mit Strafcharakter restriktiv auszulegen haben.
III. Art. 1792 ff. französischer Code Civil (Ziff. 7.4.1.3 BBR BHV) 4 Schließlich sind nach Ziff. 7.4.1.3 BBR BHV auch Ansprüche nach den Art. 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil (CC) oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder nicht versichert. Nach Art. 1792 CC haftet der „Konstrukteur“ eines Bauwerks dem Eigentümer oder Käufer des Bauwerks für Schäden – auch wenn sie auf einem Mangel des Baugrundes beruhen –, die die Standfestigkeit des Bauwerks herabsetzen oder einen seiner wesentlichen Bestandteile oder seiner Ausstattungselemente für die vorgesehene Nutzung beeinträchtigen.1 Hier ist der Hinweis geboten, dass Art. 1147 CC seit dem 1.10.2016 die Geschäftsfähigkeit betrifft und die bisherige Regelung in Art. 1147 CC2 Eingang in Art. 1231-1 CC3 gefunden hat (vgl. A1-7.20 AVB BHV).4 Nach Art. 1231-1 CC kann sich der Schuldner durch den Nachweis höherer Gewalt entlasten, während Art. 1147 CC a.F. Entlastung durch Nachweis einer „cause étrangère“ zuließ.5
1 Art. 1792 CC hat folgenden Wortlaut. „Tout constructeur d'un ouvrage est responsable de plein droit, envers le maître ou l'acquéreur de l'ouvrage, des dommages, même résultant d'un vice du sol, qui compromettent la solidité de l'ouvrage ou qui, l'affectant dans l'un de ses éléments constitutifs ou l'un de ses éléments d'équipement, le rendent impropre à sa destination. Une telle responsabilité n'a point lieu si le constructeur prouve que les dommages proviennent d'une cause étrangère.”. 2 Art. 1147 CC a.F. lautet wie folgt: “Le débiteur est condamné, s'il y a lieu, au paiement de dommages et intérêts, soit à raison de l'inexécution de l'obligation, soit à raison du retard dans l'exécution, toutes les fois qu'il ne justifie pas que l'inexécution provient d'une cause étrangère qui ne peut lui être imputée, encore qu'il n'y ait aucune mauvaise foi de sa part.“. 3 Art. 1231-1 CC hat folgenden Wortlaut: „Le débiteur est condamné, s'il y a lieu, au paiement de dommages et intérêts soit à raison de l'inexécution de l'obligation, soit à raison du retard dans l'exécution, s'il ne justifie pas que l'exécution a été empêchée par la force majeure.“. 4 Zur Reform des französischen Schuldvertragsrechts umfassend: Sonnenberger ZEuP 2017 6, 34 und 60 f.; vgl. auch Kötz ZEuP 2017 283 Fn. 20; Schneider VersR 2017 1429 Fn. 24. 5 Sonnenberger ZEuP 2017 6, 60 f. Koch
710
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.2 Besonders zu versichernde Risiken Ziff. 7.4.2 Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.1 aus Tätigkeiten, die weder dem versicherten Betrieb oder Beruf eigen, noch sonst dem versicherten Risiko zuzurechnen sind; 7.4.2.2 wegen Personenschäden durch im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) an Verbraucher abgegebene Arzneimittel, für die der VN in der Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer i.S. des AMG eine Deckungsvorsorge zu treffen hat; 7.4.2.3 aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken; 7.4.2.4 aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbständigen und nichtselbständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb. 7.4.2.5 wegen Bergschäden (i.S. des § 114 BBergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör; wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S. des § 114 BBergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen.
Übersicht 5
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Ziff. 7.4.2.1 BBR BHV
II.
Pharmarisiko (Ziff. 7.4.2.2 BBR BHV)
III.
Sprengstoffe (Ziff. 7.4.2.3 BBR BHV)
7
10
IV.
Bahnen (Ziff. 7.4.2.4 BBR BHV)
V.
Bergschäden und Schäden beim Bergbaubetrieb 11 (Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV) 12 Bergschäden 15 Schäden beim Bergbaubetrieb
1. 2. 8 9
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.4.2 BBR BHV stellt klar, dass nur das im Versicherungsschein oder nach den BBR BHV 5 ohne besondere Prämie beschriebene versicherte Risiko gedeckt ist, und listet in Ziff. 7.4.2.1 bis 7.4.2.4 BBR BHV beispielhaft Tätigkeiten, Eigenschaften und Rechtsverhältnisse auf, für die ohne entsprechende Einbeziehung kein Versicherungsschutz besteht. Ergänzend bestimmt 7.4.2.5 BBR BHV, dass für Bergschäden und Schäden beim Bergbaubetrieb i.S.d. § 114 BBergG kein Versicherungsschutz besteht. Während es sich bei Ziff. 7.4.2.1, 7.4.2.2, 7.4.2.3 und 7.4.2.4 BBR BHV um primäre Risikoabgrenzungen handelt, begründet Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV einen Ausschluss.1 Mit Ausnahme von Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV, der nur an (Berg-)Schäden anknüpft, beschreiben 6 die anderen Ausnahmetatbestände neue Risiken i.S.v. Ziff. 3.1 (3) AHB 2016, die im Rahmen und zu den Bedingungen der Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB 2016) versichert sind. Insoweit ist 1 Vgl. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, VersR 2009 350, 351. 711 https://doi.org/10.1515/9783110522686-125
Koch
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.2 Besonders zu versichernde Risiken
der Hinweis geboten, dass Ziff. 7.4.2 BBR BHV sich nur auf das Hauptrisiko bezieht und nicht darauf abzielt, die Vorsorgeversicherung über das in Ziff. 4.3 AHB 2016 aufgeführte Maß einzuschränken. Da die Regelungen der Vorsorgeversicherung für Risiken aus dem Betrieb oder Führen von Bahnen (Ziff. 4.3 (2) AHB 2016) und Risiken, die der Deckungsvorsorgepflicht unterliegen (Ziff. 4.3 (3) AHB 2016), nicht gelten, besteht jedoch nur für die in Ziff. 7.4.2.1 und Ziff. 7.4.2.4 BBR BHV genannten Tätigkeiten Vorsorgeversicherungsschutz.
B. Einzelheiten I. Ziff. 7.4.2.1 BBR BHV 7 Zur Abgrenzung zwischen neuen Risiken und mitversicherten Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos s. die Kommentierung zu Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 32 ff. Hilfstätigkeiten, die dazu bestimmt sind, dem Hauptrisiko zu dienen (z.B. Übermittlung und Bereitstellung elektronischer Daten im Rahmen der IT-Nutzung, Content-Providing beim Betrieb der UnternehmensHomepage), sind stets mitversichert.
II. Pharmarisiko (Ziff. 7.4.2.2 BBR BHV) 8 Ist das Pharmarisiko nicht versichert, besteht wegen Ziff. 4.3 (3) auch im Rahmen der Vorsorgeversicherung keine Deckung. (Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 30).
III. Sprengstoffe (Ziff. 7.4.2.3 BBR BHV) 9 Ist die Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihre Lagerung zu Großhandelszwecken sowie die Veranstaltung oder das Abbrennen von Feuerwerken nicht versichert, besteht keine Deckung im Rahmen des Hauptvertrages. Hier kommt die Vorsorgeversicherung zum Tragen, soweit nicht der Ausschluss von Brand-Explosionsschäden gem. Ziff. 7.4.5 BBR BHV sowie die Beschränkungen bei Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen gem. Ziff. 7.6.2 BBR BHV eingreifen. Nicht von Ziff. 7.4.2.3 BBR BHV erfasst ist das Risiko des Gebrauchs von Sprengstoff und der Lagerung, sofern Letztere nicht zu Großhandelszwecken erfolgt. Gleichwohl besteht für diese Risiken nur Deckung im Rahmen der Vorsorgeversicherung, soweit es sich nicht um bloße Hilfstätigkeiten handelt.
IV. Bahnen (Ziff. 7.4.2.4 BBR BHV) 10 Ist das Risiko aus dem Besitz und dem Betrieb von Bahnen nicht versichert, besteht wegen Ziff. 4.3 (2) auch im Rahmen der Vorsorgeversicherung keine Deckung (s. Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 29).
V. Bergschäden und Schäden beim Bergbaubetrieb (Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV) 11 Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV beinhaltet alternativ für zwei Schadensarten speziell formulierte Ausschlüsse. Zum einen geht es um die Haftpflicht „wegen Bergschäden“ und zum anderen um die Haftpflicht „wegen Schäden beim Bergbaubetrieb“. Infolge des Verweises auf § 114 BBergG gibt diese Vorschrift das Maß für die Auslegung dieser beiden Begriffe.
Koch
712
Ziff. 7.4.2 Besonders zu versichernde Risiken
Ziff. 7.4 BBR BHV
1. Bergschäden Ein Bergschaden i.S.d. § 114 Abs. 1 BBergG liegt vor, sofern ein Personen- oder Sachschaden 12 eintritt – infolge des Aufsuchens, Gewinnens und Aufbereitens von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen einschl. des Verladens, Beförderns, Abladens, Lagerns und Ablagerns von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG), – infolge der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche während und nach der Aufsuchung (§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 BBergG) oder – durch Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen, die überwiegend einer der o.g. Tätigkeiten dienen oder zu dienen bestimmt sind (Bergbaubetrieb) (§ 2 Abs. 1 Ziff. 3 BBergG).2 13 Kein Bergschaden liegt nach § 114 Abs. 2 BBergG vor, wenn 1. ein Schaden, der an im Bergbaubetrieb beschäftigten Personen oder an im Bergbaubetrieb verwendeten Sachen entsteht, 2. ein Schaden, der an einem anderen Bergbaubetrieb oder an den dem Aufsuchungs- oder Gewinnungsrecht eines anderen unterliegenden Bodenschätzen entsteht, 3. ein Schaden, der durch Einwirkungen entsteht, die nach § 906 nicht verboten werden können, 4. ein Nachteil, der durch Planungsentscheidungen entsteht, die mit Rücksicht auf die Lagerstätte oder den Bergbaubetrieb getroffen werden und 5. ein unerheblicher Nachteil oder eine unerhebliche Aufwendung im Zusammenhang mit Maßnahmen der Anpassung nach § 110 BBergG. Der Ausschluss der Haftpflicht wegen Bergschäden vom Versicherungsschutz ist beschränkt auf 14 die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör. Personenschäden und sonstige Sachschäden fallen nicht unter den Ausschluss. Schäden an Wegen werden von der Ausschlussregelung erfasst, da sie realer Flächenteil eines Grundstücks sind. Demgegenüber sind z.B. Stromkabel weder Grundstück noch Bestandteil eines solchen. Es handelt sich vielmehr um sogenannte „Scheinbestandteile“ i.S.v. § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB.3 Ein Kabel ist auch kein Zubehör des Grundstücks, da es weder dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks zu dienen bestimmt ist noch vom Verkehr als Zubehör angesehen wird.4
2. Schäden beim Bergbaubetrieb Der Ausschluss der Haftpflicht wegen Schäden beim Bergbaubetrieb ist nicht beschränkt auf 15 die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör, setzt aber voraus, dass der Schaden auf bestimmten Ursachen beruht, nämlich schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen. Unter dem Begriff „schlagende Wetter“ beim Bergbaubetrieb sind nicht Niederschläge zu verstehen. Mit diesem Begriff wird vielmehr im Kohlebergbau wie auch im Salz- und Erzbergbau unter Tage austretendes Grubengas (Methangas) bezeichnet, welches, mit Luft gemischt, explosiv reagiert (Schlagwetterexplosion).5
2 3 4 5
Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1331. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 150 = VersR 2009 350. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 150 = VersR 2009 350. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 150 = VersR 2009 350.
713
Koch
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.3 Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge (Siehe aber auch Ziff. 7.5 und Tarif XIII). 7.4.3.1 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers verursachen. 7.4.3.2 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 7.4.3.3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 7.4.3.4 Eine Tätigkeit der in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 genannten Personen an einem Kfz, KfzAnhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Übersicht 16
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers 18 (Ziff. 7.4.3.1 BBR BHV)
II.
Gebrauch, Halten oder Besitzen eines Wasser21 fahrzeugs (Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV)
III.
Auswirkungen von Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 BBR BHV auf den Versicherungsschutz der übrigen Versicherten (Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV) 22
IV.
Tätigkeit an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Was23 serfahrzeug (Ziff. 7.4.3.4 BBR BHV)
A. Inhalt und Zweck 16 Die sog. „große Benzinklausel“ bezweckt ebenso wie die sog. „kleine Benzinklausel“ in der Privathaftpflichtversicherung vor allem die Abgrenzung zur Kfz-Haftpflichtversicherung. Nach Ziff. 3.1 BBR PHV ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kfz wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Kfz oder Kfz-Anhängers verursacht werden, nicht versichert. Ziff. 7.4.3.1 BBR BHV schließt ebenfalls Schäden infolge Fahrzeuggebrauchs aus. Der Ausschluss erfasst zudem Haftpflichtansprüche gegen Personen, die nicht Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer eines Kfz sind. Des Weiteren sind nach Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV Ansprüche wegen Schäden durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs ausgeschlossen. Die das Kfz oder Wasserfahrzeug Gebrauchenden müssen nach Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 BBR 17 BHV nicht VN oder Mitversicherte sein, es reicht vielmehr aus, dass sie vom VN oder einem Mitversicherten zum Gebrauch bestellt oder beauftragt worden sind. Im Übrigen wirkt der Ausschluss, wenn er in der Person eines Versicherten (VN oder Mitversicherten) verwirklicht ist, nach Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV auch gegenüber allen anderen Versicherten. Ziff. 7.4.3.4 BBR BHV stellt klar, dass eine Tätigkeit an dem Kfz durch eine nicht mit dem Halter oder Besitzer des Kfz identische Person kein Gebrauch ist, wenn das Kfz hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-126
714
Ziff. 7.4.3 Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge
Ziff. 7.4 BBR BHV
B. Einzelheiten I. Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers (Ziff. 7.4.3.1 BBR BHV) Ausgeschlossen sind gem. Ziff. 7.4.3.1 BBR BHV Ansprüche wegen Schäden durch den Ge- 18 brauch des Kfz und des Kfz-Anhängers. Zum Begriff des Kfz und des Kfz-Anhängers s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 2. Die Klausel erfasst somit auch Ansprüche wegen Schäden durch den Gebrauch von nicht zulassungs- und nicht versicherungspflichtigen Kfz aller Art einschließlich selbstfahrender Arbeitsmaschinen und Anhänger-Arbeitsmaschinen, soweit deren Gebrauch nicht nach Ziff. 7.5 BBR BHV mitversichert ist. Ebenso wie in der Privathaftpflichtversicherung ist der Begriff des Gebrauchs eng auszulegen. Für die Einzelheiten sei deshalb auf die Kommentierung in Ziff. 3 BBR PHV Rn. 3 ff. verwiesen. Nur Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauf- 19 tragte Person durch den Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers verursachen, sind ausgeschlossen. Die Formulierung „bestellt oder beauftragt“ macht deutlich, dass kein Auftragsverhältnis zwischen dem VN und dem Fahrer bestehen muss, sondern jeder bestellt bzw. beauftragt ist, der vom VN oder von einer versicherten Person zum Gebrauch autorisiert worden ist. Ob die versicherte Person zur Überlassung des Gebrauchs bevollmächtigt war und/oder nur die Stellung eines Besitzdieners i.S.v. § 855 BGB hat, ist unbeachtlich. Fraglich ist, ob auch die Unterbestellung/-beauftragung eines Dritten seitens des Beauftragten von dem Ausschluss in Ziff. 7.4.3.1 BBR BHV erfasst wird. Dafür spricht der ohne weiteres für den VN einer Betriebshaftpflichtversicherung erkennbare Sinn und Zweck des Ausschlusses, Kfz-Schäden aus dem Anwendungsbereich der Betriebshaftpflichtversicherung herauszunehmen.1 Gebrauchen Personen ein Kfz oder einen Kfz-Anhänger, die weder zum Kreis der nach 20 Ziff. 7.1.2 BBR BHV Versicherten zählen noch von diesen bestellt oder beauftragt worden, und verursachen sie dabei einen Drittschaden, wird dieser Schaden regelmäßig nicht im Zusammenhang mit dem beschriebenen, versicherten Risiko stehen. Der Gebrauch des Kfz wird sich insoweit nicht als betriebsbezogene Handlung darstellen, so dass für die nach § 7 Abs. 1 und 3 StVG bestehende Mithaftung des VN in seiner Eigenschaft als Halter des Kfz schon deshalb kein Versicherungsschutz besteht (wegen Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 auch nicht im Rahmen der Vorsorgeversicherung). Für die haftende Person (z.B. bloßer Insasse des Kfz) mag Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung bestehen (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 18).
II. Gebrauch, Halten oder Besitzen eines Wasserfahrzeugs (Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV) Der Ausschluss in Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV betrifft Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder 21 eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch, das Halten oder Besitzen eines Wasserfahrzeugs verursachen. Zum Begriff des Wasserfahrzeugs s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 59. Der Begriff des Gebrauchs ist eng auszulegen.
III. Auswirkungen von Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 BBR BHV auf den Versicherungsschutz der übrigen Versicherten (Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV) Im Unterschied zur Privathaftpflichtversicherung entfällt der Versicherungsschutz gem. 22 Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV für alle Versicherten (VN oder Mitversicherte), wenn der Ausschluss gem. Ziff. 7.4.3.1 oder Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV („nach diesen Bestimmungen“) in der Person eines Versicherten erfüllt ist.2 Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV greift nicht ein, wenn eine bestellte/beauftragte Person, 1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_3 Ziff. 7.4.3 Rn. 3. 2 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 83; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_3 Ziff. 7.4.3 Rn. 6. 715
Koch
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.3 Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge
die nicht zum Kreis der nach Ziff. 7.1.2.3 oder Ziff. 7.1.2.4 BBR BHV mitversicherten Personen (gesetzliche Vertreter und Leitungspersonal sowie alle übrigen Betriebsangehörige der VN) zählt, einen nach Ziff. 7.4.3.1 oder Ziff. 7.4.3.2 BBR BHV ausgeschlossenen Schaden durch Gebrauch des Kfz herbeiführt.3
IV. Tätigkeit an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeug (Ziff. 7.4.3.4 BBR BHV) 23 Ziff. 7.4.3.4 BBR BHV schränkt den Begriff des Gebrauchs ein, indem er Tätigkeiten der in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 BBR BHV genannten Personen an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeug nicht als Gebrauch ansieht, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. Anders formuliert besteht kein Versicherungsschutz, wenn die in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 BBR BHV genannten Personen zugleich Halter (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 27) oder Besitzer des Fahrzeugs (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 23 ff.) sind und sie das Fahrzeug bei der Ausübung dieser Tätigkeit in Betrieb gesetzt haben. 24 Zu den Tätigkeiten an einem Fahrzeug zählt u.a. das Be- und Entladen, Waschen,4 Reparieren,5 das Anbringen und Demontieren von Fahrzeugteilen, auch wenn diese Arbeiten nicht zu Reparaturzwecken erfolgen, wie z.B. das An-/Abbauen eines Dachgepäckträgers,6 Lackieren7 sowie das Öffnen und Schließen der Fahrzeugtüren. Die Formulierung „in Betrieb gesetzt“ wird der VN gleichsetzen mit dem Anlassen des Mo25 tors. Im Übrigen verlangt das „Inbetriebsetzen“ – im Gegensatz zum „Inbetriebnehmen“ – kein persönliches Führen des Fahrzeugs.8
3 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_3 Ziff. 7.4.3 Rn. 83. 4 Vgl. BGH 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78 52, 54 f. = VersR 1980 1039; OLG Celle 18.9.1975 – 5 U 145/74, DAR 1976 72; LG Kiel 7.6.1984 – 10 S 25/84, zfs 1984 259; OLG Hamm 29.5.1987 – 20 W 73/86, RuS 1987 213; LG Hamburg 22.9.1987 – 9 S 68/87, VersR 1988 260, 261. 5 BGH 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78 52, 54; BGH 26.10.1988 – IVa ZR 73/87, VersR 1988 1283, 1284; BGH 14.12.1988 – IVa ZR 161/87, VersR 1989 243–244; BGH 21.2.1990 – IV ZR 271/88, VersR 1990 482; OLG München 5.7.1985 – 18 U 2012/85, RuS 1985 263 f. = VersR 1987 196; OLG München 27.10.1989 – 21 U 2589/89, RuS 1990 40, 42 (zur Auslegung eines Teilungsabkommens; Grenzfall); LG Kiel 28.1.1985 – 2 O 210/84, VersR 1986 538, 539. 6 AG Hamburg-Altona 18.10.1989 – 315c C 467/89, zfs 1989 424. 7 AG Dinslaken 16.1.1985 – 8 C 735/84, VersR 1985 983. 8 BHHJ/Jahnke/Hühnermann § 1 Rn. 9. Koch
716
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.4 Luft-/Raumfahrzeuge 7.4.4.1 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 7.4.4.2 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 7.4.4.3 Nicht versichert ist die Haftpflicht aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeugen bestimmt waren, – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen, und zwar wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge. Sonderregelung zu Ziff. 7.4.3 und 7.4.4: Privathaftpflicht: Tarif IX Ziff. 3. Unterrichtswesen: Tarif X Ziff. 1.4 und Ziff. 2.4
Übersicht 26
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Gebrauch, Halten oder Besitzen eines Luft- oder 27 Raumfahrzeugs (Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV)
II.
Auswirkungen von Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV auf den Versicherungsschutz der übrigen Versicherten (Ziff. 7.4.4.2 BBR BHV) 28
III.
Luftfahrtprodukthaftpflichtrisiko (Ziff. 7.4.4.3 29 BBR BHV)
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.4.4 BBR BHV schließt Luft- und Raumfahrzeugrisiken (Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV) und das 26 Luftfahrtprodukthaftpflichtrisiko (Ziff. 7.4.4.3 BBR BHV) aus, die durch eine gesonderte Luftfahrtversicherung abgedeckt werden können.
B. Einzelheiten I. Gebrauch, Halten oder Besitzen eines Luft- oder Raumfahrzeugs (Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV) Der Ausschluss in Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV betrifft Risiken aus dem Gebrauch, Halten oder Besitzen 27 des Luft- oder Raumfahrzeugs durch den VN, Mitversicherte oder von ihnen bestellte oder beauftragte Personen (Rn. 19). Zum gesetzlich nicht definierten Begriff des Luftfahrzeugs s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 57. Gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 LuftVG gelten Raumfahrzeuge als Luftfahrzeuge. Das sind nach Strauch Gegenstände, die auf Umlaufbahnen oder darüber hinaus einen Weltraumverkehr
717 https://doi.org/10.1515/9783110522686-127
Koch
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.4 Luft-/Raumfahrzeuge
eröffnen sollen.1 Zum Begriff des Halters s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 27 und des Besitzers s. Ziff. 3 BBR PHV Rn. 23 ff. Der Begriff des Gebrauchs ist eng auszulegen. Die Ausführungen zum Gebrauch des Kfz (s. Rn. 18) gelten entsprechend.
II. Auswirkungen von Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV auf den Versicherungsschutz der übrigen Versicherten (Ziff. 7.4.4.2 BBR BHV) 28 Diese Regelung entspricht Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV (Rn. 22).
III. Luftfahrtprodukthaftpflichtrisiko (Ziff. 7.4.4.3 BBR BHV) 29 Der Ausschluss in Ziff. 7.4.4.3 BBR BHV betrifft Risiken aus der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft-/Raumfahrzeugen als Ganzes sowie aus Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft-/Raumfahrzeugen sowie Luft-/Raumfahrzeugteilen, die sich nach dem Inverkehrbringen der Erzeugnisse, des Abschlusses der Arbeiten oder der Ausführung der Leistungen verwirklicht haben. Soweit es nicht um die Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft-/Raumfahrzeugen als Ganzes, sondern nur von Teilen geht, kommt es für die Deckung darauf an, ob diese Teile ersichtlich für den Bau von Luft-/Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft-/Raumfahrzeuge bestimmt waren. Diese Formulierung ist angelehnt an den Ziff. 7.10 lit. b) Satz 3 AHB 2016. 30 Der Begriff „ersichtlich“ ist zugunsten des VN subjektiv zu bestimmen. Nicht erforderlich ist die positive Kenntnis des VN. Es genügt, wenn die Verwendung der Erzeugnisse für die angesprochenen Risikobereiche für den VN bei Auslieferung (ex-ante) erkennbar war,2 wobei nur grobe Fahrlässigkeit schadet (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346).3 Soweit der VN Erzeugnisse herstellt und liefert, die zur Verwendung in Luft-/Raumfahrzeugen bestimmt sind, muss sich für ihn deren Verwendung schon aus dieser Zweckbestimmung aufdrängen. Selbst wenn die Lieferung nicht direkt an Luftfahrzeughersteller oder -zulieferer erfolgt, liegt zumindest grob fahrlässige Unkenntnis vor.
1 Geigel/Strauch Haftpflichtprozess 28. Aufl. (2020) Kap. 29 Rn. 1. 2 Prölss/Martin/Voit Ziff. 4.4 Rn. 14; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 175. 3 Weitergehend Produkthaftungshandbuch2//Graf von Westphalen Produkthaftungshandbuch Bd. 1, 2. Aufl. (1997), § 60 Rn. 5 (nur positive Kenntnis schadet). Koch
718
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.5 Brand- und Explosionsschäden Nicht versichert sind Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden durch bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen verursachen.
Übersicht 31
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Gesetzliche oder behördliche Vorschrif32 ten
II.
Kausalität/Schutzzweckzusammenhang
III.
Beweisfragen
33
34
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.4.5 BBR BHV ergänzt die subjektiven Risikoausschlüsse in Ziff. 7.1 und 7.2 AHB 2016 in 31 Bezug auf Schäden durch bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen. Alle Schäden, auch Personenschäden, sind ausgeschlossen.1 Abweichend von § 103 VVG, wonach sich der Vorsatz nicht nur auf das haftungsbegründende Verhalten, sondern auch in der Weise auf die Schadensfolgen erstrecken muss, dass der VN (oder die mitversicherten Personen) den schädigenden Erfolg als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat,2 greift der Risikoausschluss gem. Ziff. 7.4.5 BBR BHV schon dann ein, wenn der VN Personen den Schaden unter bewusstem Verstoß gegen gesetzlich, behördlich oder auf anderem Wege begründete Pflichten herbeigeführt, jedoch ohne Schädigungsvorsatz gehandelt hat.3 Der VN kann sich also nicht darauf berufen, er sei von der Folgenlosigkeit des Verstoßes überzeugt gewesen oder habe auf diese gehofft.
B. Einzelheiten I. Gesetzliche oder behördliche Vorschriften Neben öffentlich-rechtlichen Normen kommen auch technische Regelwerke (z.B. DIN-Vorschrif- 32 ten, Unfallverhütungsvorschriften) in Betracht.4 Auf die Wirksamkeit dieser Vorschriften kommt es nach Sinn und Zweck von Ziff. 7.4.5 BBR BHV nicht an, sodass auch für Schäden infolge von Verstößen gegen kompetenzwidrig erlassene öffentlich-rechtliche Normen keine Deckung besteht.
1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_5 Ziff. 7.4.5 Rn. 1; zur Einordnung einer älteren Fassung dieser Klausel, der zufolge Haftpflichtansprüche aus vorschriftswidrigem Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen nicht versichert sind, als Obliegenheit s. BGH 24.10.1979 – IV ZR 182/77, NJW 1980 837, 838; BayObLG 12.12.1980 – 2 Z 63/80, VersR 1981 1045, 1046; LG Bonn 8.10.2004 – 10 O 183/04, NJW-RR 2005 822; vgl. auch BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887; OLG Koblenz 4.12.1981 – 10 U 129/80 VersR 1982 1089; zum Ausschluss für Feuer- und Explosionssachschäden aus Anlass von Schweiß- oder Lötarbeiten s. OLG Schleswig 16.3.1972 – 7 U 167/71, VersR 1972 823. 2 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 103 Rn. 31 ff. 3 Vgl. OLG Stuttgart 5.5.1994 – 7 U 313/93, RuS 1994 451, 452; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 102. 4 Vgl. BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887. 719 https://doi.org/10.1515/9783110522686-128
Koch
Ziff. 7.4 BBR BHV
Ziff. 7.4.5 Brand- und Explosionsschäden
II. Kausalität/Schutzzweckzusammenhang 33 Zwischen dem bewussten Abweichen des VN und dem eingetretenen Schaden muss adäquate Kausalität bestehen.5 Erforderlich ist zudem, dass der Schaden gerade durch die Beachtung/ Einhaltung der Vorschrift, Anweisung oder Bedingung abgewendet werden sollte.6 Daran fehlt es, wenn die Vorschrift nicht der Feuer- und Unfallverhütung dient, sondern allein fiskalischen Zwecken dient (z.B. besondere Färbung von Heiz- und Kraftstoffen).7 Auch muss es sich um allgemeingültige Regeln handeln; Anordnungen, die sich nur auf einen Einzelfall beziehen (Verwaltungsakte), fallen nicht unter den Begriff der Vorschrift.8
III. Beweisfragen 34 Nach der Rechtsprechung lässt sich ein Pflichtverstoß nur dadurch geltend machen, dass der VR aufzeigt, wie sich der VN bei Einhaltung der gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie der schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen hätte verhalten müssen, und darlegt, dass der VN gewusst hat, wie er sich hätte verhalten müssen.9
5 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 273; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 7; v. Bühren/Lenz § 12 Rn. 150, vgl. auch BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45.
6 Vgl. auch Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 58 Rn. 44. 7 BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_5 Ziff. 7.4.5 Rn. 3; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 102. 8 Vgl. BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887. 9 BGH 17.12.1986 – IVa ZR 166/85, RuS 1987 99; vgl. auch BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45. Koch
720
Ziff. 7.5 BBR BHV
Ziff. 7.5 Mitversicherung des Kfz-Haftpflichtrisikos 7.5.1 Durch die Allgemeine Haftpflichtversicherung können folgende, nicht versicherungspflichtige Kfz versichert werden: 7.5.1.1 Alle nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit; 7.5.1.2 alle Kfz mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; 7.5.1.3 alle Stapler mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; 7.5.1.4 alle selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; 7.5.1.5 Kfz-Anhänger, die nicht zulassungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. 7.5.2 Für diese Kfz gilt der Ausschluss in Ziff. 4.3 (1) AHB nicht. 7.5.3 Hierfür gilt: 1 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 2Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 3Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 4 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 5Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 6 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). 7.5.4 Sonderregelung für Tankstellen und Garagenvermietung: Tarif I Ziff. 17. für Beherbergungsbetriebe: Tarif IV Ziff. 3.2
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I. 1.
Ziff. 7.5.1 BBR BHV Kfz-Gebrauch auf nicht öffentlichen Wegen und 2 Plätzen (Ziff. 7.5.1.1 BBR BHV) Gebrauch von Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 7.5.1.2 BBR 3 BHV) Stapler und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 7.5.1.3 und Ziff. 7.5.1.4 BBR 4 BHV)
2.
3.
4.
Nicht versicherungspflichtige Kfz-Anhänger (Ziff. 7.5.1.5 BBR BHV) 5
II.
Abbedingung der Ausschlüsse in Ziff. 4.3 (1) 6 AHB 2016 (Ziff. 7.5.2 BBR BHV)
III.
Kfz-risikospezifische Obliegenheiten (Ziff. 7.5.3 BBR BHV) Nutzung nur durch den berechtigten Fahrer 7 (Ziff. 7.5.3 Satz 1-3 BBR BHV) Fahren nur mit Fahrerlaubnis (Ziff. 7.5.3 Satz 4-5 8 BBR BHV) Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 9 (Ziff. 7.5.3 Satz 6 BBR BHV)
1. 2. 3.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.5.1 BBR BHV knüpft an § 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) – c) PflVG an und stellt klar, dass die 1 nicht der Versicherungspflicht unterliegenden Kfz, die im Rahmen der versicherten betrieblichen Tätigkeit eingesetzt werden, in der Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert werden 721 https://doi.org/10.1515/9783110522686-129
Koch
Ziff. 7.5 BBR BHV
Mitversicherung des Kfz-Haftpflichtrisikos
können. Im Unterschied zur Privathaftpflichtversicherung, in der der Gebrauch von nicht der Versicherungspflicht unterliegenden Kfz standardmäßig wiedereingeschlossen ist (Ziff. 3.2 (1) bis (5) BBR PHV), bedarf der Wiedereinschluss in der Betriebshaftpflichtversicherung besonderer Vereinbarung. Ergänzend bestimmt Ziff. 7.5.2 BBR BHV, dass für diese Kfz der Ausschluss in Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 nicht gilt, sodass für sie die Vorsorgeversicherung eingreifen kann. Ziff. 7.5.3 BBR BHV enthält die aus der Kfz-Versicherung bekannten Obliegenheiten der Nutzung nur durch den berechtigten Fahrer (sog. Schwarzfahrtklausel, D.1.1.2 AKB) und des Fahrens nur mit Fahrerlaubnis (sog. Führerscheinklausel, D.1.1.3 AKB).
B. Einzelheiten I. Ziff. 7.5.1 BBR BHV 1. Kfz-Gebrauch auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen (Ziff. 7.5.1.1 BBR BHV) 2 Diese Klausel entspricht Ziff. 3.2 (1) BBR PHV (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 40 f.).
2. Gebrauch von Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 7.5.1.2 BBR BHV) 3 Diese Klausel entspricht Ziff. 3.2 (2) BBR PHV (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 42).
3. Stapler und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit (Ziff. 7.5.1.3 und Ziff. 7.5.1.4 BBR BHV) 4 Diese Klausel entsprechen Ziff. 3.2 (3) und (4) BBR PHV (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 43 f.).
4. Nicht versicherungspflichtige Kfz-Anhänger (Ziff. 7.5.1.5 BBR BHV) 5 Diese Klausel entspricht Ziff. 3.2 (5) BBR PHV (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 45).
II. Abbedingung der Ausschlüsse in Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 (Ziff. 7.5.2 BBR BHV) 6 Ziff. 7.5.2 BBR BHV stellt klar, dass bei Mitversicherung des Kfz-Haftpflichtrisikos die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB 2016) auch dann gilt, wenn die in Ziff. 7.5.1 BBR BHV genannten Kfz der Zulassungs- und Führerscheinpflicht unterliegen.1 Ziff. 4.3 (1) AHB 2016 nimmt die Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kfz von der Vorsorgeversicherung aus, soweit sie der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen. Zwar unterliegen die wiedereingeschlossenen Kfz nicht der Versicherungspflicht. Kfz, selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h dürfen gem. § 4 FeV auf öffentlichen Straßen jedoch nur mit Fahrerlaubnis gefahren werden, so dass ohne die Abbedingung in Ziff. 7.5.2 BBR BHV die Regelung über die Vorsorgeversicherung bei diesen Kfz ausgeschlossen wäre.
1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_3 Ziff. 7.4.3 Rn. 9. Koch
722
B. Einzelheiten
Ziff. 7.5 BBR BHV
III. Kfz-risikospezifische Obliegenheiten (Ziff. 7.5.3 BBR BHV) 1. Nutzung nur durch den berechtigten Fahrer (Ziff. 7.5.3 Satz 1-3 BBR BHV) Die Regelungen entsprechen Ziff. 3.2 Satz 3 bis 5 BBR PHV (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 47 ff.).
7
2. Fahren nur mit Fahrerlaubnis (Ziff. 7.5.3 Satz 4-5 BBR BHV) Die Regelungen entsprechen Ziff. 3.2 Satz 7 bis 8 BBR PHV (Ziff. 3 BBR PHV Rn. 51 ff.).
8
3. Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten (Ziff. 7.5.3 Satz 6 BBR BHV) Verletzt der VN eine der Obliegenheiten in Ziff. 7.5.3 Satz 1 bis 5 BBR BHV, bestimmen sich gem. 9 Ziff. 7.5.3 Satz 6 BBR BHV die Rechtsfolgen nach Ziff. 26 AHB 2016.
723
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6 Weitere Regelungen 1 Ziff. 7.6 BBR BHV erweitert den Versicherungsschutz des VN auf Haftpflichtansprüche, die ihn in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Arbeits- oder Liefergemeinschaft treffen (Ziff. 7.6.1 BBR BHV), schließt nach Ziff. 7.7 AHB 2016 ausgeschlossene Tätigkeitsschäden wieder in die Deckung ein (Ziff. 7.6.2 bis 7.6.4 BBR BHV), konkretisiert den Versicherungsschutz für Vermögensschäden (Ziff. 7.6.5 BBR BHV) und stellt Mindestanforderungen für den Inhalt von Schiedsgerichtsvereinbarungen auf, die vor Eintritt eines Versicherungsfalles geschlossen worden sind (Ziff. 7.6.6 BBR BHV).
Ziff. 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften Außerdem gilt: 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften 1 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften auch dann, wenn sich der Haftpflichtanspruch gegen die Arbeitsoder Liefergemeinschaft selbst richtet. 2 Für die Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften gelten unbeschadet der sonstigen Vertragsbedingungen (insbesondere der Versicherungssummen) folgende Bestimmungen: 7.6.1.1 1Die Ersatzpflicht des Versicherers bleibt auf die Quote beschränkt, welche der prozentualen Beteiligung des VN an der Arbeits- oder Liefergemeinschaft entspricht. 2Dabei ist es unerheblich, welcher Partnerfirma die schadenverursachenden Personen oder Sachen (Arbeitsmaschinen, Baugeräte, Baumaterialien usw.) angehören. 7.6.1.2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Schäden an den von den einzelnen Partnern in die Arbeitsgemeinschaft eingebrachten oder von der Arbeitsgemeinschaft beschafften Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, gleichgültig, von wem die Schäden verursacht wurden. 7.6.1.3 Ebenso bleiben ausgeschlossen Ansprüche der Partner der Arbeits- oder Liefergemeinschaft untereinander sowie Ansprüche der Arbeits- oder Liefergemeinschaft gegen die Partner und umgekehrt. 7.6.1.4 1Die Ersatzpflicht des Versicherers erweitert sich innerhalb der vereinbarten Versicherungssummen über Ziff. 7.6.1.1 hinaus für den Fall, dass über das Vermögen eines Partners das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist und für diesen Partner wegen Nichtzahlung seines Beitrages kein Versicherungsschutz besteht. 2Ersetzt wird der dem VN zugewachsene Anteil, soweit für ihn nach dem Ausscheiden des Partners und der dadurch erforderlichen Auseinandersetzung ein Fehlbetrag verbleibt. 7.6.1.5 Versicherungsschutz im Rahmen der Ziff. 7.6.1.1 bis 7.6.1.3 besteht auch für die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst.
Übersicht 2
A.
Inhalt und Zweck
B.
Maßgeblichkeit der Verlustbeteiligung des Versicherungsnehmers im Innenverhältnis 4 (Ziff. 7.6.1.1 BBR BHV)
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-131
C.
Schäden an in die ARGE eingebrachten oder von der ARGE beschafften Sachen 6 (Ziff. 7.6.1.2 BBR BHV)
724
Ziff. 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften
D.
Ansprüche der Partner untereinander sowie Sozialansprüche-/verbindlichkeiten der Arbeits- oder Liefergemeinschaft (Ziff. 7.6.1.3 7 BBR BHV)
E.
Vermögenslosigkeit Ziff. 7.6.1.4 BBR 9 BHV
F.
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf die ARGE oder Liefergemeinschaft 11 (Ziff. 7.6.1.5 BBR BHV)
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.6.1 BBR BHV betrifft die Teilnahme des VN (im Rahmen der versicherten Tätigkeit) an 2 Arbeits- oder Liefergemeinschaften. In erster Linie geht es dabei um Arbeitsgemeinschaften (ARGE) in der Bauwirtschaft.1 Mit Ziff. 7.6.1 BBR BHV wollen die VR dem Umstand Rechnung tragen, dass sich größere Bauprojekte nur durch eine Kooperation mehrerer Unternehmen bewältigen lassen. Die Mitglieder einer ARGE verpflichten sich typischerweise dazu, im Verhältnis ihrer Beteili- 3 gung ihre volle unternehmerische Leistung zur Erreichung des gesellschaftlichen Zweckes einzusetzen und sich hierbei gegenseitig zu unterstützen. Es handelt sich bei der ARGE um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)(§ 705 BGB).2 In Ausnahmefällen – wenn die ARGE nicht nur auf die Durchführung eines Bauvorhabens für einen Auftraggeber, sondern auf Dauer angelegt ist – kommt auch die Einordnung als oHG in Betracht.3 Als GbR besitzt die ARGE Rechtsfähigkeit, haftet als Vertragspartei und muss entsprechend § 31 BGB für ein deliktisches Handeln ihrer geschäftsführenden Gesellschafter einstehen.4 Für die ARGE bedeutet dies, dass sowohl die ARGE selbst als auch jeder Gesellschafter der ARGE und damit auch der VN persönlich für das haftungsbegründende Verhalten ihrer Organe einzustehen haben. Der VN haftet in seiner Eigenschaft als Gesellschafter wiederum gesamtschuldnerisch mit den anderen Gesellschaftern entsprechend § 128 HGB für sämtliche Verbindlichkeiten der ARGE. Vor diesem Hintergrund stellt Ziff. 7.6.1 Satz 1 BBR BHV klar, dass Versicherungsschutz für den VN auch dann besteht, wenn sich der Haftpflichtanspruch gegen die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst richtet (s. auch Ziff. 7.6.1.5 BBR BHV).
B. Maßgeblichkeit der Verlustbeteiligung des Versicherungsnehmers im Innenverhältnis (Ziff. 7.6.1.1 BBR BHV) Nicht alle Mitglieder der ARGE sind zu gleichen Teilen als Gesellschafter an der ARGE beteiligt. 4 Das Beteiligungsverhältnis ist für die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter gegenüber Dritten entsprechend § 128 HGB jedoch ohne Bedeutung. Wird z.B. allein der VN vom Dritten in Anspruch genommen, ist der VN zur Zahlung verpflichtet. Im Innenverhältnis kann er jedoch gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Regress bei seinen Mitgesellschaftern nehmen, und zwar pro rata, also entsprechend ihrer vertraglich festgelegten (Verlust-)Beteiligungen an der ARGE.5 Fehlt es an Festlegung, so bestimmt sich die Leistungspflicht des VR nach Ziff. 7.6.1.1 Satz 1 BBR 1 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_1 Ziff. 7.6.1 Rn. 1. 2 BGH 21.1.2009 – Xa ARZ 273/08, BeckRS 2009 5200; Oetker/Körber HGB § 1 Rn. 21; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 538. 3 OLG Frankfurt/M. 10.12.2004 – 21 AR 138/04, NZBau 2005 590; OLG Dresden 20.11.2001 – 2 U 1928/01, BauR 2002 1414. 4 BGH 24.2.2003 – II ZR 385/99, NJW 2003 1445, 1146 f. 5 Vgl. OLG Köln 30.10.2015 – 19 U 20/15, BeckRS 2016 16770. 725
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften
BHV nach der Quote, welche der prozentualen Beteiligung des VN an der ARGE entspricht. Gleiches ist anzunehmen, wenn sich der schadensverursachende Partner nicht ermitteln lässt (vgl. A1-6.10.2 AVB BHV). Ziff. 7.6.1.1 Satz 1 BBR BHV stellt somit klar, dass sich der Versicherungsschutz im Außenverhältnis nach der Verlustbeteiligung des VN im Innenverhältnis bestimmt.6 Beispiel: Wird an einer aus A (VN), B und C bestehenden ARGE, an der A zur Hälfte und B und C zu je 1/4 beteiligt sind, der VN vom Gläubiger im Außenverhältnis auf Zahlung von A 12.000 in Anspruch genommenen, kann der VN von B und C A 3.000 verlangen. Der VR ersetzt nur A 6.000.
5 Ziff. 7.6.1.1 Satz 1 BBR BHV wird ergänzt durch Ziff. 7.1.6.4 BBR BHV, der für den Fall, dass ein Ausgleich an der Insolvenz eines Mitglieds/Gesellschafters scheitert, eine Erhöhung vorsieht (Rn. 9 f.). In der Vertragspraxis wird von Ziff. 7.6.1.1 Satz 1 BBR BHV abgewichen, wenn die Aufgaben nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Bauabschnitten aufgeteilt sind. In diesem Fall gewähren die VR für Schäden, die der VN verursacht hat, bis zu den vereinbarten Versicherungssummen Deckung.7
C. Schäden an in die ARGE eingebrachten oder von der ARGE beschafften Sachen (Ziff. 7.6.1.2 BBR BHV) 6 Ziff. 7.6.1.2 BBR BHV schließt Schäden an den von den einzelnen Partnern in die ARGE eingebrachten oder von der ARGE beschafften Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden aus, gleichgültig von wem die Schäden verursacht wurden. Mit dem Begriff „Partner“ sind die Mitglieder/Gesellschafter der ARGE gemeint. Ebenso wie bei Ziff. 7.4, 7.5 AHB 2016 dient der Ausschluss dem Zweck, Interessenkonflikte zwischen dem VN und seinen in der ARGE tätigen Partnern zu vermeiden und vom VR solche Schadensersatzansprüche fernzuhalten, bei denen eine besonders hohe Kollusionsgefahr besteht.8
D. Ansprüche der Partner untereinander sowie Sozialansprüche-/ verbindlichkeiten der Arbeits- oder Liefergemeinschaft (Ziff. 7.6.1.3 BBR BHV) 7 Der Ausschluss von Ansprüchen der Partner der ARGE/Liefergemeinschaft untereinander bezieht sich nicht auf Regressansprüche gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 und § 426 Abs. 2 BGB bei der Inanspruchnahme im Außenverhältnis,9 sondern nur auf die unmittelbaren Ansprüche der Mitglieder der ARGE untereinander. Insoweit ergänzt Ziff. 7.1.6.3 BBR BHV die Regelung in Ziff. 7.1.6.2 BBR BHV, die Ansprüche wegen Schäden an den von den einzelnen Partnern in die ARGE eingebrachten oder von der ARGE beschafften Sachen ausschließt. 8 Für Ansprüche der ARGE oder Liefergemeinschaft gegen ihre Mitglieder (Sozialansprüche) besteht ebenso wenig Deckung wie für die Ansprüche der Mitglieder gegen die ARGE oder Liefergemeinschaft (Sozialverpflichtungen). 6 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 235. 7 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 235; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 107. 8 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_1 Ziff. 7.6.1 Rn. 1; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 541. 9 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 237; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_1 Ziff. 7.6.1 Rn. 5; Schmalzl/Krause-Allenstein Rn. 541. Koch
726
Ziff. 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften
Ziff. 7.6 BBR BHV
E. Vermögenslosigkeit Ziff. 7.6.1.4 BBR BHV Ziff. 7.1.6.4 Satz 1 BBR BHV ergänzt Ziff. 7.6.1.1 Satz 1 BBR BHV, wenn ein Ausgleich an der Insol- 9 venz eines Mitglieds/Gesellschafters scheitert und für diesen Partner wegen Nichtzahlung seines Beitrages kein Versicherungsschutz bei dessen VR besteht (üblicherweise wird im ARGE-Vertrag vereinbart, dass jeder Gesellschafter seinen Haftungsanteil aus dem Innenverhältnis bei seinem Haftpflicht-VR zu eigenen Lasten zu versichern hat). Abweichend von § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB, der eine Erhöhung des Anteils eines Gesamt- 10 schuldners vorsieht, wenn ein Schuldner ausfällt, stellt Ziff. 7.1.6.4 Satz 2 BBR BHV nicht auf den Ausfall ab, sondern macht den Ersatz des dem VN zugewachsenen Anteils davon abhängig, dass für ihn nach dem Ausscheiden des Partners und der dadurch erforderlichen Auseinandersetzung, die sich nach § 738 Abs. 1 BGB bestimmt, ein Fehlbetrag verbleibt. Es ist somit eine Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen, in die u.a. auch der auf den insolventen Gesellschafter entfallende Haftungsanteil einzustellen ist. Ergibt sich daraus ein Verlustanteil des insolventen Gesellschafters haften die verbleibenden Gesellschafter – wie im Rahmen des § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Weise, dass der Anteil des insolventen Gesellschafters auf die verbleibenden Gesellschafter anteilig verteilt wird. Ist im obigen Beispiel B insolvent und verbleibt nach der Auseinandersetzung ein Fehlbetrag in Höhe des Haftungsanteils, ist dessen Anteil vom VN zu 2/3 und von C zu 1/3 zu übernehmen. Der VN haftet auf insgesamt A 8.000. Für den dem VN in Höhe von A 2.000 zugewachsenen Anteil des B besteht Versicherungsschutz.
F. Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf die ARGE oder Liefergemeinschaft (Ziff. 7.6.1.5 BBR BHV) Nach Ziff. 7.6.1.5 BBR BHV besteht Versicherungsschutz im Rahmen der Ziff. 7.6.1.1 bis 7.6.1.3 11 auch für die ARGE oder Liefergemeinschaft selbst. Diese Regelung trägt dem oben bereits angesprochenen Umstand Rechnung, dass einerseits sowohl die ARGE selbst als auch jeder Gesellschafter der ARGE und damit auch der VN persönlich für das haftungsbegründende Verhalten ihrer Organe einzustehen haben, andererseits die ARGE den VN, der für das Verhalten seines Organs einzustehen hat, auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der actio pro socio in Anspruch nehmen kann. Insoweit dient die Mitversicherung der ARGE (Fremdversicherung i.S.v. § 43 VVG) einerseits dem Schutz des VN, weil die ARGE infolge der Entschädigung des Dritten durch den VR keinen Schaden mehr hat, den sie bei VN regressieren könnte (für diesen Sozialanspruch bestünde nach Ziff. 7.6.1.4 BBR BHV keine Deckung, Rn. 7 f.). Andererseits dient die Mitversicherung der ARGE auch ihrem eigenen Schutz. Zu beachten 12 ist, dass die ARGE im Außenverhältnis zusammen mit den Gesellschaftern nur „wie ein Gesamtschuldner“ haftet, weil es an der Gleichstufigkeit zwischen der Gesellschaftshaftung und der akzessorischen Gesellschafterhaftung fehlt.10 Dies folgt daraus, dass die Gesellschafter einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen die Gesellschaft haben (§ 110 Abs. 1 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB), soweit sie die Verbindlichkeit der Gesellschaft tilgen. Kann die ARGE nicht mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Gesellschafter aufrechnen, würde der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG ohne Ziff. 7.6.1.5 BBR BHV auf den VR übergehen.11 Da die ARGE mitversichert ist, ist sie jedoch nicht Dritte i.S.v. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG, so dass ein Übergang nicht stattfindet.
10 Grüneberg/Sprau § 714 Rn. 15. 11 Zur Übergangsfähigkeit des Aufwendungsersatzanspruchs s. Bruck/Möller/Voit9 § 86 Rn. 62. 727
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.2 Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen 1
Mitversichert sind Haftpflichtansprüche aus Anlass von Abbruch- und Einreißarbeiten an Bauwerken sowie von Sprengungen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen – bei Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; – bei Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m. 3 Ziff. 7.10 (b) AHB bleibt unberührt. 4 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
13 17
I.
Abbruch- und Einreißarbeiten
II.
Sprengungen
18
21
A. Inhalt und Zweck 13 Für Haftpflichtansprüche aus Anlass von Abbruch- und Einreißarbeiten an Bauwerken sowie von Sprengungen besteht grundsätzlich nach Ziff. 7.1.1 BBR BHV Versicherungsschutz, soweit diese betriebliche Tätigkeit versichert ist und kein Ausschluss eingreift. In diesem Fall ist Ziff. 7.6.2 Satz 1 BBR BHV nur von deklaratorischer Bedeutung. Nach Ziff. 7.4.5 Satz 2 BBR BHV sind Ansprüche wegen Sachschäden und alle sich daraus 14 ergebenden Vermögensschäden ausgeschlossen, die innerhalb eines bestimmten Radius vom Ort der Abbruch- und Einreißarbeiten sowie der Sprengung eintreten (Radiusklausel). Nach Ansicht des LG Hannover ist die Radiusklausel unter Berücksichtigung der im Baugewerbe herrschenden Gebräuche weder überraschend i.S.d. des § 305c Abs. 1 BGB noch unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB, da die Beschränkung für Sachschäden aus Abrissarbeiten in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerkes entspricht, nur einen geringen Teil möglicher Gefahren aus Abrissarbeiten betreffe.1 Gem. Ziff. 7.6.2 Satz 3 BBR BHV gilt der Umwelthaftpflichtausschluss gem. Ziff. 7.10 (b) 15 AHB 2016 ungeachtet der Mitversicherung von Abbruch- und Einreißarbeiten an Bauwerken sowie von Sprengungen fort. Keine Deckung besteht deshalb für Personen- und Sachschäden, die auf einer Umwelteinwirkung beruhen, d.h. durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht werden, die sich infolge der Abbruch-/Einreißarbeiten oder Sprengungen in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 329). Zu beachten ist jedoch, dass bei Schäden, die bei Abbruch- und Einreißarbeiten oder Spren16 gungen außerhalb des Radius eintreten, keine Umwelteinwirkung i.S.v. Ziff. 10 lit. b) S. 1 AHB 2016 vorliegt, wenn sie durch hinausgeschleuderte Bauteile aus Metall oder Stein verursacht werden. Hier ist die Schadensursache nicht umweltmedienspezifisch, sondern lediglich mechanisch vermittelt (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 336). Schäden, die bei Abbruch- und Einreißarbeiten infolge des Einsatzes der sog. „Fallbirne“ oder von Rammblöcken durch umhergeschleuderte Teile des Mauerwerkes verursacht werden, beruhen deshalb nicht auf einer Umwelteinwirkung.
1 LG Hannover 25.2.1999 – 19 O 276/98, RuS 2000 149, 150; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 109. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-132
728
Ziff. 7.6.2 Abbruch, Einriss und Sprengungen
Ziff. 7.6 BBR BHV
B. Einzelheiten Ziff. 7.6.2 BBR BHV unterscheidet zwischen Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen. 17
I. Abbruch- und Einreißarbeiten Für Abbruch- und Einreißarbeiten hängt der Versicherungsschutz davon ab, dass die Sach(fol- 18 ge)schäden den Umkreis überschreiten, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht. Nach zutreffender Ansicht des OLG Celle kommt es nicht auf die Höhe des Bauwerks im Zeitpunkt des Schadeneintrittes, sondern zu Beginn der Abbrucharbeiten an. Für diese Auslegung spricht die Formulierung in Ziff. 7.6.2 Satz 2 BBR BHV. Ein „einzureißendes“ Bauwerk ist ein Bauwerk, das erst eingerissen werden soll. Der Ausschluss geht demnach von der Höhe des Bauwerks zu Beginn der Abbrucharbeiten und nicht von seiner Höhe bei Eintritt des Schadenfalles aus.2 Ein Abstellen auf den Eintritt des Schadensfalles hätte zudem zur Folge, dass bei dem in der Regel stufenweisen Abbruch eines Bauwerkes nachträglich festgestellt werden müsste, wie hoch die Bauruine in dem Augenblick ihres Einsturzes gewesen war. Diese Feststellung wird sich häufig nachträglich nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit treffen lassen.3 Die Höhe des einzureißenden Bauwerks bestimmt sich entsprechend dem Sprachgebrauch nach der Dachoberkante.4 Die Höhe lässt sich in der Regel durch die Bauzeichnungen bzw. durch die Ausschreibungsunterlagen feststellen.5 Der Begriff des Einreißens eines Bauwerkes setzt nicht voraus, dass die Gebäudeteile noch fest 19 miteinander verbunden sind. Dies folgert der BGH daraus, dass „reißen“ nach heutigem Sprachgebrauch verwendet wird im Sinne von gewaltsam entfernen, heftig ziehen, zerren. Ein Bauwerk wird somit eingerissen, wenn dessen Teile voneinander getrennt oder gewaltsam auseinandergezogen werden. Auch beim Niederlegen eines Bauwerkes, dessen Teile nur noch durch ihr Eigengewicht aufeinander ruhen und zusammenhalten, spricht man von einem Einreißen. Grundsätzlich kann deshalb auch noch eine Bauruine eingerissen werden (z.B. durch Heraus- und Herunterziehen von Eisenträgern).6 Abbruch- und Einreißarbeiten sind von Abräumarbeiten zu trennen. Kommt es zu Sach- 20 schäden z.B. beim Abtransport des Schutts, werden diese weder vom Wortlaut noch vom Zweck der Ausschlussklausel erfasst, da das Abräumen des Schutts nicht die erhöhte Gefahr wie die in der Klausel aufgeführten Einreißarbeiten mit sich bringt. Es besteht Versicherungsschutz.7
II. Sprengungen Für Sprengungen hängt der Versicherungsschutz davon ab, dass die Sach(folge)schäden in einem 21 Umkreis mit einem Radius von mindestens 150 m eingetreten sind. Nach der Verkehrsauffassung handelt es sich bei der Sprengung um eine Explosion, die gewollt herbeigeführt worden ist. Wird ein Gebäude durch Sprengung eingerissen, bestimmt sich der Versicherungsschutz nach den für Sprengungen getroffenen Vereinbarungen, da es sich um den im Vergleich zu Abbruch- und Einreißarbeiten spezielleren Fall handelt.8 Zu beachten ist, dass bei Sprengungen nur Schäden an Immobilien ausgeschlossen sind. 22 Für Schäden an beweglichen Sachen, die sich innerhalb des Radius befinden, besteht Deckung. 2 3 4 5 6 7 8
OLG Celle 10.10.1975 – 8 U 33/75, VersR 1976 133. OLG Celle 10.10.1975 – 8 U 33/75, VersR 1976 133. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_2 Ziff. 7.6.2 Rn. 2. OLG Celle 10.10.1975 – 8 U 33/75, VersR 1976 133. BGH 14.6.1965 – II ZR 114/63, VersR 1965 750. OLG Saarbrücken 14.2.1973 – 4 U 81/72, VersR 1974 1165; LG Saarbrücken 29.4.1974 – 13 O 137/73, VersR 1974 1117. .Vgl. OLG Hamm 28.8.1996 – 20 U 41/96, VersR 1997 730.
729
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.3 Tätigkeitsschäden bei Betreiben des Handels, Handwerks und des produzierenden Gewerbes Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.7 AHB – Tätigkeitsschäden in folgendem Umfang: 7.6.3.1 Be- und Entladeschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen der Beschädigung von Landund Wasserfahrzeugen, Containern durch/oder beim Be- und Entladen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Für Schäden an Containern besteht auch dann Versicherungsschutz, wenn diese entstehen beim Abheben von oder Heben auf Land- oder Wasserfahrzeuge durch Kräne oder Winden zum Zwecke des Be- und Entladens. 3Dies gilt nicht, wenn die Container selbst Gegenstand von Verkehrsverträgen (Fracht-, Speditions- oder Lagerverträgen) sind. 4 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern. 5 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 7.6.3.2 Leitungsschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Erdleitungen (Kabel, unterirdische Kanäle, Wasserleitungen, Gasrohre und andere Leitungen) sowie Frei- und/oder Oberleitungen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 3 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … Falls besonders vereinbart, gilt: 7.6.3.3 Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Fremdmaterial, das dem VN zum Ein-, Auf- oder Zusammenbau zur Verfügung gestellt wurde, wenn diese Schäden – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen entstanden sind; – dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit benutzt hat; – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 Abs. 1 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) finden insoweit keine Anwendung. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der – Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung oder Reparatur befinden oder befunden haben; – Vermögensschäden, die sich aus diesen Tätigkeitsschäden ergeben. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … 5 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Sachschaden-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-133
730
Ziff. 7.6.3 Tätigkeitsschäden Handel/Handwerk/Produktion
Ziff. 7.6 BBR BHV
Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … 5 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Pauschal-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 7 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 7.6.3.4 Sonstige Tätigkeitsschäden (Hinweis: Problematisch bei EDV-Betrieben, Softwarebetrieben/-händlern, Software-Erstellern, Montage-, Reparatur-, Reinigungs- und Wartungsarbeiten) 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht aus Schäden, die an fremden Sachen durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen entstanden sind und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn diese Schäden – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen entstanden sind; – dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit benutzt hat, – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der – Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder zu sonstigen Zwecken befinden, befunden haben oder die von ihm übernommen wurden; – Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern durch/oder beim Be- und Entladen. 4 Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je Versicherungsfall EUR … 5Die Gesamtleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das …-fache dieser Versicherungssumme. 6 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Übersicht 23
A.
Inhalt und Zweck
B.
Anwendungsbereich von Ziff. 7.6.3 BBR BHV
I.
Betrieb des Handels, Handwerks und des produ24 zierenden Gewerbes
II.
Begriff des Tätigkeitsschadens
C.
Einzelheiten
731
I.
Be- und Entladeschäden (Ziff. 7.6.3.1 BBR 27 BHV)
II.
Leitungsschäden (Ziff. 7.6.3.2 BBR BHV)
III.
Tätigkeitsschäden an Fremdmaterial (Ziff. 7.6.3.3 31 BBR BHV)
IV.
Sonstige Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.6.3.4 BBR 34 BHV)
30
25
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.3 Tätigkeitsschäden Handel/Handwerk/Produktion
A. Inhalt und Zweck 23 Ziff. 7.6.3 BBR BHV schließt Tätigkeitsschäden, die nach Ziff. 7.7 AHB 2016 ausgeschlossen sind, für VN, die Handel, Handwerk oder produzierendes Gewerbe betreiben, wieder in den Versicherungsschutz ein. Im Schadensfall ist somit zu prüfen, ob ein Tätigkeitsschaden i.S.v. Ziff. 7.7 AHB 2016 vorliegt (dazu sogleich Rn. 25).1
B. Anwendungsbereich von Ziff. 7.6.3 BBR BHV I. Betrieb des Handels, Handwerks und des produzierenden Gewerbes 24 Der Anwendungsbereich des Ziff. 7.6.3 BBR BHV ist beschränkt auf den Versicherungsschutz für das Betreiben des Handels, Handwerks und des produzierenden Gewerbes. Dazu zählt nicht das Bauhauptgewerbe und das Baunebengewerbe, für das Ziff. 7.6.4 BBR BHV eigene Regelungen enthält. Nach der Verkehrsauffassung fällt unter den Begriff des Handeltreibens die Beschaffung, Lagerung, Abgabe oder Ausfuhr von Ware. Nach § 1 Abs. 2 HandwO ist ein Gewerbebetrieb ein Handwerksbetrieb, wenn er „handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur HandwO aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten)“. In Abgrenzung zum produzierenden Gewerbe, das durch maschinelle Produktion, Arbeitsteilung und Fertigung größerer Stückzahlen gekennzeichnet ist, steht beim Handwerk die handwerkliche Qualifikation der Mitarbeiter und die Individualität der erbrachten Leistungen oder Waren im Vordergrund.2 Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen werden Bewachungsunternehmen, Heime, Verkehrs- und Versorgungsbetriebe ebenso wenig wie Reinigungsbetriebe oder Bürobetriebe von Ziff. 7.6.3 BBR BHV erfasst.3
II. Begriff des Tätigkeitsschadens 25 Wie zuvor ausgeführt, knüpft die Anwendung von Ziff. 7.6.3 BBR BHV an den Begriff des Tätigkeitsschadens i.S.v. Ziff. 7.7 AHB 2016 an. Ein Tätigkeitsschaden nach Ziff. 7.7 AHB 2016 liegt vor, wenn der Schaden an einer fremden beweglichen Sache (Ausschlussobjekt) dadurch entstanden ist, dass der VN, Angestellte, Arbeiter, Bedienstete, Bevollmächtigte oder Beauftragte des VN – an diesen Sachen tätig geworden sind (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung oder dergleichen) (vgl. Ziff. 7.7 (1) AHB 2016), – diese Sachen zur Durchführung ihrer Tätigkeiten als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche oder dergleichen benutzt haben (vgl. Ziff. 7.7 (2) AHB 2016) oder – Sachen beschädigt haben, die sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich ihrer Tätigkeit befunden haben (vgl. Ziff. 7.7 (3) AHB 2016). 26 Bei unbeweglichen Sachen liegt ein Tätigkeitsschaden nur dann vor, wenn diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen gewesen, unmittelbar benutzt worden sind oder sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich befunden haben (vgl. Ziff. 7.7 (1) bis (3) AHB 2016).
1 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 116. 2 Vgl. BVerwG 12.7.1979 – 5 C 10.79, BVerwGE 58 217 = BeckRS 1979 30439412. 3 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_3 Ziff. 7.6.3 Rn. 10. Koch
732
Ziff. 7.6.3 Tätigkeitsschäden Handel/Handwerk/Produktion
Ziff. 7.6 BBR BHV
C. Einzelheiten I. Be- und Entladeschäden (Ziff. 7.6.3.1 BBR BHV) Grundsätzlich besteht unter Zugrundelegung des Tätigkeitsschadensbegriffs i.S.v. Ziff. 7.7 AHB 27 2016 Deckung für Haftpflichtansprüche wegen der Beschädigung von Land- und Wasserfahrzeugen und Containern (Ausschlussobjekte) durch/oder beim Be- und Entladen sowie für Schäden an Containern, die beim Abheben von oder Heben auf Land- oder Wasserfahrzeuge durch Kräne oder Winden entstanden sind. Von diesem Wiedereinschluss nimmt Ziff. 7.6.3.1 Satz 3 BBR BHV solche Tätigkeitsschäden aus, gegen die die Verkehrshaftungs- und Speditionsversicherung Schutz bietet.4 Nach Ziff. 7.6.3.1 Satz 4 BBR BHV bleiben des Weiteren Ansprüche wegen Beschädigung 28 der Ladung von Fahrzeugen und Containern ausgeschlossen. Der durchschnittliche VN wird den Begriff der „Ladung von Fahrzeugen“ nach dem Beförderungszweck bestimmen und darunter alle nicht zur Fahrzeugausrüstung gehörenden Sachen verstehen, die zum Zwecke der Beförderung auf, in oder an einem Fahrzeug untergebracht werden.5 Die „Ladung von Containern“ umfasst den selbständigen, mehr oder weniger lose befestigten, wechselnden und jeweils für eine alsbaldige Trennung vorgesehenen Inhalt eines Containers, der zu einem bestimmten Ziel befördert wird.6 Nicht zur Ladung eines Containers zählt ein Aufsatzstreuautomat für den Winterdienst, der durch Ketten- und Bolzen mit dem Container verbunden war.7 Für Schäden, die beim Be- und Entladen eines Containers an anderen Containern oder 29 Fahrzeugen eintreten, besteht Deckung im Rahmen von Ziff. 1.1 AHB 2016. Da es sich nicht um Ausschlussobjekte i.S.v. Ziff. 7.7 AHB 2016 handelt, kommt es auf den Wiedereinschluss nicht an.8 Gleiches gilt für den Fall, dass ein Sachverhalt unter Ziff. 7.7 (3) AHB 2016 fällt (Wirkbereichsschäden) und dem VN der Nachweis gelingt, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte.
II. Leitungsschäden (Ziff. 7.6.3.2 BBR BHV) Erdleitungen (Kabel, unterirdische Kanäle, Wasserleitungen, Gasrohre und andere Leitungen) 30 sowie Frei- und/oder Oberleitungen sind aufgrund Ziff. 7.6.3.2 BBR BHV nicht mehr Ausschlussobjekt i.S.v. Ziff. 7.7 AHB 2016, sodass für Schäden – einschließlich der sich daraus ergebenden Vermögensschäden (= Sachfolgeschäden) – Deckung in der Regel sublimitiert und ggf. abzüglich eines Selbstbehalts besteht.9 Ziff. 1.2 und Ziff. 7.8 AHB 2016 bleiben unberührt. Auch hier gilt bei Wirkbereichsschäden i.S.v. Ziff. 7.7 (3) AHB 2016, dass es auf den Wiedereinschluss nur dann ankommt, wenn dem VN nicht der Nachweis gelingt, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte.
III. Tätigkeitsschäden an Fremdmaterial (Ziff. 7.6.3.3 BBR BHV) Falls besonders vereinbart besteht gem. Ziff. 7.6.3.3 BBR BHV Versicherungsschutz für Tätig- 31 keitsschäden an Fremdmaterial. Ziff. 7.6.3.3 BBR BHV knüpft spiegelbildlich an den Ausschluss
4 5 6 7 8 9
Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_3 Ziff. 7.6.3 Rn. 1. Vgl. BayObLG 7.5.1999 – 2 ObOWi 186/99, NZV 1999 479 zu § 22 StVO. OLG Saarbrücken 1.6.2005 – 5 U 328/04-41, RuS 2005 416, 418. OLG Saarbrücken 1.6.2005 – 5 U 328/04-41, RuS 2005 416, 418. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 113; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_3 Ziff. 7.6.3 Rn. 4. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 114; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_3 Ziff. 7.6.3 Rn. 6.
733
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.3 Tätigkeitsschäden Handel/Handwerk/Produktion
gem. Ziff. 7.7 AHB 2016 bezogen auf Schäden an Fremdmaterial an, das dem VN zum Ein-, Auf- oder Zusammenbau zur Verfügung gestellt wurde, wenn sie entstanden sind – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen, – durch eine Benutzung der Sachen zur Durchführung der Tätigkeit oder – sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. Ziff. 1.2 und Ziff. 7.8 AHB 2016 sind abbedungen. 32 Vom Versicherungsschutz gem. Ziff. 7.6.3.3 Satz 3 BBR BHV ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung oder Reparatur befinden oder befunden haben (sog. Werkstattklausel), und Ansprüche wegen der Vermögensschäden, die sich aus diesen Tätigkeitsschäden ergeben (= Sachfolgeschäden). Da sich Ziff. 7.6.3.3 AHB 2016 auf die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Fremdmaterial bezieht, das dem VN zum Ein-, Auf- oder Zusammenbau zur Verfügung gestellt wurde, findet der Ausschluss nur Anwendung auf fremde Sachen, die der VN im Rahmen der Lohnbe- oder -verarbeitung oder Reparatur ein-, auf- oder zusammenbauen soll. Die zu bearbeitenden Sachen befinden sich „beim VN“, wenn sie sich auf dem Betriebsgrundstück oder in seiner Verfügungsgewalt befinden oder befunden haben. 33 Nach Schimikowski muss der Schaden gerade durch die Reparatur eingetreten sein. Wird die zur Bearbeitung in der Werkstatt abgestellte Sache angefahren oder umgestoßen und dadurch beschädigt, bestehe Deckung.10 Gegen eine solche enge Auslegung spricht, dass die Werkstattklausel überflüssig wäre, weil bei einem Schaden durch die Reparatur stets der Ausschluss gem. Ziff. 1.2 AHB 2016 eingreifen würde. Für die Ansicht Schimikowskis ließe sich der vom Musterbedingungsgeber angeführte Zweck der Regelung anführen. Sie soll danach der besonderen Risikosituation dienen, insbesondere der Abgrenzung zum nicht gedeckten Erfüllungsbereich.11 Angesichts des Wortlauts von Ziff. 7.6.3.3 Satz 3 BBR BHV ließe sich unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung zur Auslegung von AVB aufgestellten Maßstäbe eine enge Auslegung nur rechtfertigen, wenn man den Sinn und Zweck der Klausel als für den durchschnittlichen VN einer Betriebshaftpflichtversicherung ohne weiteres erkennbar erachtet. Dies scheint fraglich.
IV. Sonstige Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.6.3.4 BBR BHV) 34 Falls besonders vereinbart besteht gem. Ziff. 7.6.3.4 BBR BHV auch Versicherungsschutz für alle sonstigen Tätigkeitsschäden. Ziff. 7.6.3.4 Satz 1 BBR BHV knüpft ebenfalls spiegelbildlich an den Ausschluss gem. Ziff. 7.7 AHB 2016 an. Alle Tatbestände, die Ziff. 7.7 AHB 2016 ausschließt, werden wieder eingeschlossen. Unberührt nach Ziff. 7.6.3.4 Satz 2 BBR BHV bleiben der Erfüllungsund Herstellungsschadensausschluss (Ziff. 1.2, 7.8 AHB 2016). Abweichend von Ziff. 7.6.3.3 Satz 3 BBR BHV bleiben Vermögensschäden (= Sachfolgeschäden) versichert. 35 Vom Versicherungsschutz gem. Ziff. 7.6.3.4 Satz 3 BBR BHV ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung oder Reparatur befinden oder befunden haben (sog. Werkstattklausel, vgl. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 29 f.) und wegen der Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern durch/oder beim Be- und Entladen. Die Ersatzleistung ist sublimitiert, eine Selbstbeteiligung kann vereinbart werden.12
10 Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 117; skeptisch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_3 Ziff. 7.6.3 Rn. 8.
11 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 3. 12 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_3 Ziff. 7.6.3 Rn. 9. Koch
734
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden bei Betrieben des Bauhaupt-/ Baunebengewerbes Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.7 AHB – Tätigkeitsschäden in folgendem Umfang: 7.6.4.1 Be- und Entladeschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen der Beschädigung von Landund Wasserfahrzeugen, Containern durch/oder beim Be- und Entladen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Für Schäden an Containern besteht auch dann Versicherungsschutz, wenn diese entstehen beim Abheben von oder Heben auf Land- oder Wasserfahrzeuge durch Kräne oder Winden zum Zwecke des Be- und Entladens. 3Dies gilt nicht, wenn die Container selbst Gegenstand von Verkehrsverträgen (Fracht-, Speditions- oder Lagerverträgen) sind. 4 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern. 5 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 7.6.4.2 Leitungsschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Erdleitungen (Kabel, unterirdische Kanäle, Wasserleitungen, Gasrohre und andere Leitungen) sowie Frei- und/oder Oberleitungen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 7.6.4.3 Unterfangungen, Unterfahrungen 1 Eingeschlossen ist teilweise abweichend von Ziff. 7.14 AHB und von Ziff. 7.10 (b) AHB die gesetzliche Haftpflicht wegen Sachschäden an den zu unterfangenden und unterfahrenden Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteile und Anlagen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Soweit der vorstehende Einschluss auch Schäden durch Umwelteinwirkung umfasst, besteht kein Versicherungsschutz über die Umwelthaftpflicht-Basis-Versicherung. 3 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 4 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … Falls besonders vereinbart, gilt: 7.6.4.4 Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Fremdmaterial, das dem VN zum Ein-, Auf- oder Zusammenbau zur Verfügung gestellt wurde, wenn diese Schäden – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen entstanden sind; – dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit benutzt hat; – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 Abs. 1 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) finden insoweit keine Anwendung. 735 https://doi.org/10.1515/9783110522686-134
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden Bauhaupt-/-nebengewerbe
3
Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der – Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung oder Reparatur befinden oder befunden haben; – Vermögensschäden, die sich aus diesen Tätigkeitsschäden ergeben. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 5 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Sachschaden-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 5 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Pauschal-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 6 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 7.6.4.5 Sonstige Tätigkeitsschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht aus Schäden, die an fremden Sachen durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen entstanden sind und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn diese Schäden – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen entstanden sind; – dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit benutzt hat; – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern durch/ oder beim Be- und Entladen. 4 Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je Versicherungsfall EUR … 5Die Gesamtleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das …-fache dieser Versicherungssumme. 6 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Übersicht 36
A.
Inhalt und Zweck
B.
Anwendungsbereich von Ziff. 7.6.4 BBR 37 BHV
C.
Einzelheiten
I.
Be- und Entladeschäden (Ziff. 7.6.4.1 BBR 40 BHV)
II.
Leitungsschäden (Ziff. 7.6.4.2 BBR BHV)
Koch
III.
Unterfangungen, Unterfahrungen (Ziff. 7.6.4.3 BBR BHV) 42
IV.
Tätigkeitsschäden an Fremdmaterial 43 (Ziff. 7.6.4.4 BBR BHV)
V.
Sonstige Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.6.4.5 BBR 44 BHV)
VI.
Sonderregelungen
45
41
736
Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden Bauhaupt-/-nebengewerbe
Ziff. 7.6 BBR BHV
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.6.4 BBR BHV schließt für das Bauhaupt- und Baunebengewerbe nach Ziff. 7.7 AHB 2016 36 ausgeschlossene Tätigkeitsschäden in der Regel sublimitiert wieder ein. Im Schadensfall ist somit auch hier zu prüfen, ob ein Tätigkeitsschaden i.S.v. Ziff. 7.7 AHB 2016 vorliegt.1
B. Anwendungsbereich von Ziff. 7.6.4 BBR BHV Der Anwendungsbereich des Ziff. 7.6.4 BBR BHV ist beschränkt auf den Versicherungsschutz für 37 das Bauhauptgewerbe und das Baunebengewerbe. Welche Arbeiten zum Bauhauptgewerbe zählen, lässt sich § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 41 BauBetrVO entnehmen: 1. Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit; 2. Aptierungs- und Drainierungsarbeiten, wie z.B. das Entwässern von Grundstücken und urbar zu machenden Bodenflächen, einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen; 2a. Asbestsanierungsarbeiten an Bauwerken und Bauwerksteilen; 3. Bautrocknungsarbeiten, das sind Arbeiten, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen, auch unter Verwendung von Kunststoffen oder chemischen Mitteln sowie durch Einbau von Kondensatoren; 4. Beton- und Stahlbetonarbeiten einschließlich Betonschutz- und Betonsanierungsarbeiten sowie Armierungsarbeiten; 5. Bohrarbeiten; 6. Brunnenbauarbeiten; 7. chemische Bodenverfestigungen; 8. Dämm-(Isolier-)Arbeiten (das sind z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen sowie technischen Dämm-(Isolier-)Arbeiten, insbesondere an technischen Anlagen und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen; 9. Erdbewegungsarbeiten, das sind z.B. Wegebau, Meliorations-, Landgewinnungs-, Deichbauarbeiten, Wildbach- und Lawinenverbau, Sportanlagenbau sowie Errichtung von Schallschutzwällen und Seitenbefestigungen an Verkehrswegen; 10. Estricharbeiten, das sind z.B. Arbeiten unter Verwendung von Zement, Asphalt, Anhydrit, Magnesit, Gips, Kunststoffen oder ähnlichen Stoffen; 11. Fassadenbauarbeiten; 12. Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der Rechtsform – durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden; nicht erfasst wird das Herstellen von Betonfertigteilen, Holzfertigteilen zum Zwecke des Errichtens von Holzfertigbauwerken und Isolierelementen in massiven, ortsfesten und auf Dauer eingerichteten Arbeitsstätten nach Art stationärer Betriebe; § 2 Nr. 12 AUEG bleibt unberührt; 13. Feuerungs- und Ofenbauarbeiten; 14. Fliesen-, Platten- und Mosaik-Ansetz- und Verlegearbeiten; 14a. Fugarbeiten an Bauwerken, insbesondere Verfugung von Verblendmauerwerk und von Anschlüssen zwischen Einbauteilen und Mauerwerk sowie dauerelastische und dauerplastische Verfugungen aller Art; 1 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 116. 737
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden Bauhaupt-/-nebengewerbe
15. 16. 17.
Glasstahlbetonarbeiten sowie Vermauern und Verlegen von Glasbausteinen; Gleisbauarbeiten; Herstellen von nicht lagerfähigen Baustoffen, wie zum Beispiel Beton- und Mörtelmischungen (Transportbeton und Fertigmörtel), wenn mit dem überwiegenden Teil der hergestellten Baustoffe die Baustellen des herstellenden Betriebes, eines anderen Betriebes desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der Rechtsform – die Baustellen des Betriebes mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt werden; 18. Hochbauarbeiten; 19. Holzschutzarbeiten an Bauteilen; 20. Kanalbau-(Sielbau-)Arbeiten; 21. Maurerarbeiten; 22. Rammarbeiten; 23. Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen; 24. Schachtbau- und Tunnelbauarbeiten; 25. Schalungsarbeiten; 26. Schornsteinbauarbeiten; 27. Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten; nicht erfasst werden Abbruch- und Abwrackbetriebe, deren überwiegende Tätigkeit der Gewinnung von Rohmaterialien oder der Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien dient; 28. Stahlbiege- und -flechtarbeiten, soweit sie zur Erbringung anderer baulicher Leistungen des Betriebes oder auf Baustellen ausgeführt werden; 29. Stakerarbeiten; 30. Steinmetzarbeiten; 31. Straßenbauarbeiten, das sind z.B. Stein-, Asphalt-, Beton-, Schwarzstraßenbauarbeiten, Pflasterarbeiten aller Art, Fahrbahnmarkierungsarbeiten; ferner Herstellen und Aufbereiten des Mischgutes, wenn mit dem überwiegenden Teil des Mischgutes der Betrieb, ein anderer Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der Rechtsform – der Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt wird; 32. Straßenwalzarbeiten; 33. Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern; 34. Terrazzoarbeiten; 35. Tiefbauarbeiten; 36. Trocken- und Montagebauarbeiten (zum Beispiel Wand- und Deckeneinbau und -verkleidungen, Montage von Baufertigteilen) einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern; 37. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen; 38. Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal, wenn die Baumaschinen mit Bedienungspersonal zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt werden; 38a. Wärmedämmverbundsystemarbeiten; 39. Wasserwerksbauarbeiten, Wasserhaltungsarbeiten, Wasserbauarbeiten (z.B. Wasserstraßenbau, Wasserbeckenbau, Schleusenanlagenbau); 40. Zimmerarbeiten und Holzbauarbeiten, die im Rahmen des Zimmergewerbes ausgeführt werden; 41. Aufstellen von Bauaufzügen.
Koch
738
Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden Bauhaupt-/-nebengewerbe
Ziff. 7.6 BBR BHV
38 Zum Baunebengewerbe zählen gemäß § 2 BaubetrVO Betriebe 1. des Bauten- und Eisenschutzgewerbes; 2. des Betonwaren und Terazzowaren herstellenden Gewerbes, soweit nicht in Betriebsabteilungen nach deren Zweckbestimmung überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 AUEG ausgeführt werden; 3. der Fassadenreinigung; 4. der Fußboden- und Parkettlegerei; 5. des Glaserhandwerks; 6. des Installationsgewerbes, insbesondere der Klempnerei, des Klimaanlagenbaues, der Gas-, Wasser-, Heizungs-, Lüftungs- und Elektroinstallation, sowie des Blitzschutz- und Erdungsanlagenbaues; 7. des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 AUEG ausgeführt werden; 8. der Naturstein- und Naturwerksteinindustrie und des Steinmetzhandwerks; 9. der Nassbaggerei; 10. des Kachelofen- und Luftheizungsbaues; 11. der Säurebauindustrie; 12. des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie einschließlich der Holzfertigbauindustrie, soweit nicht überwiegend Fertigbau-, Dämm-(Isolier-), Trockenbauund Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden; 13. des reinen Stahl-, Eisen-, Metall- und Leichtmetallbaues sowie des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues; 14. und Betriebe, die Betonentladegeräte gewerblich zur Verfügung stellen. Als im Vergleich zum Ziff. 7.6.3 BBR BHV speziellere Regelung, fallen auch Arbeiten des Bau- 39 haupt- oder Baunebengewerbes, die unter den Begriff des Handwerktreibens fallen, unter Ziff. 7.6.4 BBR BHV.
C. Einzelheiten I. Be- und Entladeschäden (Ziff. 7.6.4.1 BBR BHV) Ziff. 7.6.4.1 BBR BHV ist gleichlautend mit Ziff. 7.6.3.1 BBR BHV (Rn. 27 ff.).
40
II. Leitungsschäden (Ziff. 7.6.4.2 BBR BHV) Ziff. 7.6.4.2 BBR BHV ist gleichlautend mit Ziff. 7.3.6.2 BBR BHV (Rn. 30).
41
III. Unterfangungen, Unterfahrungen (Ziff. 7.6.4.3 BBR BHV) Weitergehend sieht Ziff. 7.6.4.3 S. 1 BBR BHV einen Einschluss für Unterfangungen und Unter- 42 fahrungen vor. Als Unterfangung bezeichnet man im Bauwesen die Sicherung eines Gebäudes gegen Abrutschen oder Setzung bei Erdarbeiten unterhalb seiner Fundamente. Unterfahrungen sind Baumaßnahmen, um unterhalb der Gründung eines vorhandenen Bauwerks ein neues Bauwerk, z.B. einen Verkehrstunnel, auszuführen. Solche Arbeiten können zu Grundstückssenkungen, Erschütterungen oder Erdrutschungen führen, für die nach Ziff. 7.14 AHB 2016 keine Deckung besteht.2 Werden Schäden durch Umwelteinwirkungen verursacht, besteht hierfür
2 Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 120. 739
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.4 Tätigkeitsschäden Bauhaupt-/-nebengewerbe
nach Ziff. 7.6.4.3 S. 2 BBR BHV abweichend von Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB 2016 Versicherungsschutz über die Umwelthaftpflicht-Basis-Versicherung.
IV. Tätigkeitsschäden an Fremdmaterial (Ziff. 7.6.4.4 BBR BHV) 43 Ziff. 7.6.4.4 BBR BHV ist gleichlautend mit Ziff. 7.6.3.3 BBR BHV (Rn. 31).
V. Sonstige Tätigkeitsschäden (Ziff. 7.6.4.5 BBR BHV) 44 Ziff. 7.6.4.5 BBR BHV ist nahezu gleichlautend mit Ziff. 7.6.3.4 BBR BHV (Rn. 34). Es fehlt lediglich die Werkstattklausel (Rn. 35).
VI. Sonderregelungen 45 Die Muster-Bedingungsstruktur in der Haftpflichtversicherung I – Industrie, Handel und Gewerbe für Risiken des Bauhauptgewerbes und des Baunebengewerbes3 hat Eingang in den durchgeschriebenen Musterbedingungen für die Betriebshaftpflichtversicherung für das Bauhauptgewerbe (AVB BHV-BauHG) und für die Betriebshaftpflichtversicherung für das Baunebengewerbe (AVB BHV-BauNG) gefunden. Versicherungsschutz besteht auch für Schäden durch Umwelteinwirkung, die durch Senkungen eines Grundstücks oder Erdrutschungen verursacht werden. Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden am Baugrundstück selbst und/oder den darauf befindlichen Gebäuden oder Anlagen (vgl. A1-6.15 AVB BHV-BauHG/AVB BHV-BauNG). Im Baunebengewerbe sind Mängelbeseitigungsnebenkosten eingeschlossen (vgl. A1-6.16 AVB BHV-BauNG)(Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 112 ff.).
3 Prölss/Martin/Lücke29 BetrH I § 1.1 Rn. 1 und § 1.2 Rn. 1. Koch
740
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.5 Mitversicherung von Vermögensschäden 7.6.5.1 Vermögensschäden – Datenschutz 1 Mitversichert ist – abweichend von Ziff. 7.16 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne der Ziff. 2.1 AHB wegen Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verwendung personenbezogener Daten. 2 Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.4 AHB – gesetzliche Haftpflichtansprüche von Versicherten untereinander. 7.6.5.2 Sonstige Vermögensschäden 1 Mitversichert ist im Rahmen des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne der Ziff. 2.1 AHB wegen Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden a. durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; b. aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; c. aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; d. aus Vermittlungsgeschäften aller Art; e. aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; f. aus Anlage-, Kredit-, Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung; g. aus – Rationalisierung und Automatisierung, – Datenerfassung, -speicherung, -sicherung, -wiederherstellung, – Austausch, Übermittlung, Bereitstellung elektronischer Daten. h. aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Namensrechten, gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; i. aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vor- und Kostenanschlägen; j. aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; k. aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; l. aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen. 7.6.5.3 1Die Versicherungssumme beträgt je Schadenereignis EUR … 2Die Gesamtleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das …-fache dieser Versicherungssumme. 3 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 4 Zusätzliche Regelung für Heilwesen: Tarif V
741 https://doi.org/10.1515/9783110522686-135
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.5 Mitversicherung von Vermögensschäden
Übersicht 46
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Verletzung von Datenschutzgesetzen (Ziff. 7.6.5.1 47 BBR BHV)
II.
Sonstige Vermögensschäden (Ziff. 7.6.5.2 BBR 48 BHV)
A. Inhalt und Zweck 46 Gem. Ziff. 2.1 AHB 2016 kann der Versicherungsschutz durch besondere Vereinbarung erweitert werden auf die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden, die weder durch Personennoch durch Sachschäden entstanden sind. Ein Beispiel für eine solche besondere Vereinbarung ist Ziff. 7.6.5.1 BBR BHV, demzufolge Deckung besteht für die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verwendung personenbezogener Daten. Für sonstige Vermögensschäden besteht aufgrund des umfassenden Ausschlusskatalogs in Ziff. 7.6.5.2 Satz 2 BBR BHV praktisch kein über Ziff. 7.6.5.1 BBR BHV hinausgehender Versicherungsschutz.
B. Einzelheiten I. Verletzung von Datenschutzgesetzen (Ziff. 7.6.5.1 BBR BHV) 47 Vermögensschäden wegen Versicherungsfällen aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verwendung personenbezogener Daten sind nach Ziff. 7.6.5.1 Satz 1 BBR BHV standardmäßig – gem. Ziff. 7.6.5.3 BBR BHV in der Regel sublimitiert – mitversichert. Der Begriff der Verwendung ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Verarbeitung, der nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO „jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“ bezeichnet. Der Ausschluss von Haftpflichtansprüchen wegen Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen in Ziff. 7.16 AHB 2016 wird ausdrücklich abbedungen. Deckung besteht insoweit für Haftpflichtansprüche wegen Verletzung der DSGVO, von Länderdatenschutzgesetzen sowie bereichsspezifischen Datenschutzregeln (z.B. im SGB I, SGB X). Bezüglich dieser Ansprüche bestimmt Ziff. 7.6.5.1 Satz 2 BBR BHV, dass Ziff. 7.4 AHB 2016 – gesetzliche Haftpflichtansprüche von Versicherten untereinander – keine Anwendung findet, so dass für Ansprüche von Arbeitnehmern gegen Kollegen wegen Verletzung von Datenschutzgesetzen Versicherungsschutz besteht.
II. Sonstige Vermögensschäden (Ziff. 7.6.5.2 BBR BHV) 48 Ziff. 7.6.5.2 BBR BHV entspricht im Wesentlichen Ziff. 6 BBR PHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 6 BBR PHV Rn. 3 f.). Weitergehend umfasst der Ausschlusskatalog in Ziff. 7.6.5.2 Satz 2 BBR BHV Ansprüche wegen Schäden aus Datenerfassung, -speicherung, -sicherung, -wiederherstellung und Austausch, Übermittlung, Bereitstellung elektronischer Daten in
Koch
742
Ziff. 7.6.5 Mitversicherung von Vermögensschäden
Ziff. 7.6 BBR BHV
(Ziff. 7.6.5.2 Satz 2 lit. g) BBR BHV) sowie aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Namensrechten (Ziff. 7.6.5.2 Satz 2 lit. h) BBR BHV). Im Hinblick darauf, dass nach Ziff. 7.6.5.1 Satz 1 BBR BHV Vermögensschäden wegen Versiche- 49 rungsfällen aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verwendung personenbezogener Daten versichert sind, greifen diese beiden Ausschlussklauseln nicht ein, wenn die Verletzung von Datenschutzgesetzen aus der Erfassung, Speicherung, Sicherung und Wiederherstellung oder dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung personenbezogener Daten resultiert. Für daraus resultierende Schadensersatzansprüche der Betroffenen besteht somit Versicherungsschutz. Letzteres gilt auch dann, wenn durch die Verwendung personenbezogener Daten Persönlichkeitsrechte oder Namensrechte Dritter verletzt werden, wie die Abbedingung von Ziff. 7.16 AHB 2016 in Ziff. 7.6.5.1 Satz 1 BBR BHV deutlich macht.
743
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.6 Schiedsgerichtsvereinbarungen 1
Die Vereinbarung von Schiedsgerichtsverfahren vor Eintritt eines Versicherungsfalles beeinträchtigt den Versicherungsschutz nicht, wenn das Schiedsgericht folgenden Mindestanforderungen entspricht: – Das Schiedsgericht besteht aus mindestens drei Schiedsrichtern. Der Vorsitzende muss Jurist sein und soll die Befähigung zum Richteramt haben. Haben die Parteien ihren Firmensitz in verschiedenen Ländern, darf er keinem Land der Parteien angehören. – Das Schiedsgericht entscheidet nach materiellem Recht und nicht lediglich nach billigem Ermessen (ausgenommen im Falle eines Vergleichs, sofern dem Versicherer die Mitwirkung am Verfahren ermöglicht wurde). Das anzuwendende materielle Recht muss bei Abschluss der Schiedsgerichtsvereinbarung festgelegt sein. – Der Schiedsspruch wird schriftlich niedergelegt und begründet. In seiner Begründung sind die die Entscheidung tragenden Rechtsnormen anzugeben. 2 Der VN ist verpflichtet, dem Versicherer die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren unverzüglich anzuzeigen und dem Versicherer die Mitwirkung am Schiedsgerichtsverfahren entsprechend der Mitwirkung des Versicherers an Verfahren des ordentlichen Rechtsweges zu ermöglichen. 3Hinsichtlich der Auswahl des vom VN zu benennenden Schiedsrichters ist dem Versicherer eine entscheidende Mitwirkung einzuräumen.
Übersicht 50
A.
Inhalt und Zweck
B.
Schiedsgerichtsverfahren vor Eintritt eines 51 Versicherungsfalles
I.
Mindestanforderungen an das Schiedsgericht und -verfahren (Ziff. 7.6.6 Satz 1 BBR 52 BHV)
II.
Pflicht zur Anzeige und Ermöglichung der Mitwirkung (Ziff. 7.6.6 Satz 2 und 3 BBR BHV) 56 Einordnung als Obliegenheit
1.
2.
Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung oder den Umfang der dem Versiche58 rer obliegenden Leistung a) Feststellung oder Umfang der Freistellung 59 des Versicherungsnehmers b) Feststellung oder Umfang der Rechts62 schutzgewähr
C.
Schiedsgerichtsvereinbarungen nach Eintritt eines Versicherungsfalles ohne Zustimmung 63 des Versicherers
A. Inhalt und Zweck 50 Ziff. 7.6.6 Satz 1 BBR BHV betrifft Schiedsgerichtsvereinbarungen, die vor Eintritt eines Versicherungsfalles getroffen worden sind, und macht Vorgaben hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichts, der Form und des Inhalts des Schiedsspruchs sowie der Festlegung des anwendbaren Rechts und verbietet Billigkeitsentscheidungen. Ziff. 7.6.6 Satz 2 und 3 BBR BHV „verpflichten“ den VN, dem VR die Einleitung des Schiedsverfahrens anzuzeigen und ihm die Mitwirkung am Verfahren zu ermöglichen. Bei der Auswahl des vom VN zu benennenden Schiedsrichters ist dem VR „eine entscheidende Mitwirkung“ einzuräumen.
B. Schiedsgerichtsverfahren vor Eintritt eines Versicherungsfalles 51 Nach hier vertretener Ansicht ist der VR nach Ziff. 5.1 und 5.2 AHB 2016 verpflichtet, dem VN nicht nur in Verfahren vor ordentlichen Gerichten, sondern auch in Schiedsgerichtsverfahren RechtsKoch https://doi.org/10.1515/9783110522686-136
744
Ziff. 7.6.6 Schiedsgerichtsvereinbarungen
Ziff. 7.6 BBR BHV
schutz zu gewähren und die Kosten hierfür zu übernehmen (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 44). Den VN wiederum trifft auch bei Schiedsgerichtsverfahren die Obliegenheit nach Ziff. 25.3 und 25.5 AHB 2016, die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens anzuzeigen und dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen. Vor diesem Hintergrund stellt sich vor allem die Frage nach der rechtsdogmatischen Einordnung von Ziff. 7.6.6 BBR BHV als primäre oder sekundäre Risikobegrenzung.
I. Mindestanforderungen an das Schiedsgericht und -verfahren (Ziff. 7.6.6 Satz 1 BBR BHV) Aus der Formulierung, wonach eine Schiedsvereinbarung vor Eintritt des Versicherungsfalles den Versicherungsschutz „nicht beeinträchtigt”, lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass Schiedsvereinbarungen, die nicht unter Einhaltung der in der Musterklausel genannten Mindestanforderungen geschlossen worden sind, den Versicherungsschutz des VN beeinträchtigen. Offen bleibt, was unter Beeinträchtigung zu verstehen ist. Soll mit dieser Formulierung nur der Anspruch auf Rechtsschutz vor Schiedsgerichten im Sinne einer primären Risikoabgrenzung und damit einhergehend die Bindungswirkung des Schiedsgerichtsspruchs beschränkt werden, wenn die Mindestanforderungen nicht eingehalten werden?1 So verstanden müsste der im Schiedsverfahren unterlegene VN nicht nur die Kosten des Schiedsverfahrens selbst tragen. Er wäre darüber hinaus gezwungen, die Haftungsfrage erneut – nunmehr vor einem staatlichen Gericht – in einem Deckungsprozess gegen den VR überprüfen zu lassen. Ein solches Ergebnis hielte nur dann einer Inhaltskontrolle stand, wenn man den VR entgegen der vertretenen Ansicht (Ziff. 5 AHB 2016 Rn. 44 und Ziff. 25 AHB 2016 Rn. 70), als nicht zur Rechtsschutzgewährung vor Schiedsgerichten verpflichtet und Ziff. 7.6.6 BBR BHV insofern als Deckungserweiterung ansehen würde.2 Soll mit dieser Formulierung auch der Freistellungsanspruch beschränkt werden oder der Versicherungsschutz insgesamt ausgeschlossen sein, wäre die Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 100 VVG unwirksam. Die Unklarheiten, die sich aus der Formulierung „beeinträchtigt den Versicherungsschutz nicht“ ergeben, lassen sich mit den Mitteln der Auslegung nicht beseitigen, so dass Ziff. 7.6.6 Satz 1 BBR BHV insgesamt als intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und deshalb unwirksam zu qualifizieren ist.3 Unabhängig von diesem Befund ist der VN zur Vermeidung unnötiger Deckungsstreitigkeiten gut beraten, in den Verträgen mit seinen Vertragspartnern (z.B. Zulieferern) nur Schiedsvereinbarungen zu treffen, die den Vorgaben von Ziff. 7.6.6 Satz 1 BBR BHV Rechnung tragen und sich die Zustimmung des VR vor Abschluss abweichender Schiedsvereinbarungen einzuholen.
52
53
54
55
II. Pflicht zur Anzeige und Ermöglichung der Mitwirkung (Ziff. 7.6.6 Satz 2 und 3 BBR BHV) 1. Einordnung als Obliegenheit Bei den Pflichten aus Ziff. 7.6.6 Satz 2 und 3 BBR BHV handelt es sich um Obliegenheiten, die 56 die bereits aus Ziff. 25.3 AHB 2016 folgende Anzeigeobliegenheit und die in Ziff. 25.5 AHB 2016 statuierte Pflicht des VN, dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen, für Schiedsgerichtsverfahren konkretisieren (Ziff. 25 AHB 2016 Rn. 68). Zeigt der VN die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren nicht unverzüglich an und/oder ermöglicht dem VN keine Mitwir1 So Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_6 Ziff. 7.6.6 Rn. 1, vgl. auch Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 129. 2 Vgl. auch Bruck/Möller/Koch § 106 Rn. 23. 3 Vgl. auch Koch SchiedsVZ 2007 281, 290. 745
Koch
Ziff. 7.6 BBR BHV
Ziff. 7.6.6 Schiedsgerichtsvereinbarungen
kung am Schiedsgerichtsverfahren sowie bei der Auswahl des Parteischiedsrichters, bestimmen sich die Rechtsfolgen deshalb – auch in Inbezugnahme auf diese Obliegenheit und ohne ausdrücklichen Hinweis – nach Ziff. 26 AHB 2016.4 In den durchgeschriebenen Bedingungswerken ist ein solcher Hinweis in A(GB)-4.2 S. 3 AVB BHV aufgenommen worden. 57 Die Formulierung in Ziff. 7.6.6 Satz 3 BBR BHV, der zufolge der VN dem VR eine entscheidende Mitwirkung bei der Auswahl des Parteischiedsrichters einräumen muss, ist dahin zu verstehen, dass im Fall eines Streits zwischen VN und VR über die Benennung des Schiedsrichters, der VR das letzte Wort haben muss.
2. Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung 58 Lässt man den Fall der Arglist außer Betracht, stellt sich für den VN vorrangig die Frage nach der Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung, wenn der VR die Freistellung und/oder den Rechtsschutz wegen seiner Nichtbeteiligung an der Schiedsrichterbenennung verweigert. Hierbei ist zwischen der Verpflichtung des VR zur Freistellung und zur Rechtsschutzgewährung zu unterscheiden.
59 a) Feststellung oder Umfang der Freistellung des Versicherungsnehmers. Hinsichtlich der Freistellung kann der VR durch seine Nichtbeteiligung nur dann einen Nachteil erleiden, wenn er an die Entscheidung des Schiedsgerichts gebunden ist. Fehlt es an der Bindungswirkung, muss der VN in einem vor ordentlichen Gerichten zu führenden Deckungsprozess den Kausalitätsgegenbeweis führen, dass der im Schiedsspruch festgestellte Haftpflichtanspruch bestanden hat. Insoweit gilt hier nichts anderes als in dem Fall, in dem der VN ein Anerkenntnis ohne Zustimmung des VR abgibt, wozu er nach § 105 VVG berechtigt ist. Allein die Zustimmung des VN zu einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut (§ 1053 Abs. 1 Satz 2 ZPO) berechtigt deshalb ebenfalls nicht zur Kürzung des Freistellungsanspruchs.5 60 Hat der VR ungeachtet seiner Nichtbeteiligung an der Schiedsrichterbenennung dem VN Rechtsschutz in dem Schiedsverfahren gewährt (ohne Präjudiz für die Freistellung), ist er an den die Haftung des VN aussprechenden Schiedsspruch grundsätzlich gebunden. Der VN muss den (negativen) Beweis der fehlenden Kausalität der Obliegenheitsverletzung in der Weise führen, dass er zunächst die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der VR über Art und Maß der Kausalität aufstellt, die der VN dann ebenfalls zu widerlegen hat. Der VR muss die konkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses aufzeigen, indem er z.B. vorträgt, welche Maßnahmen er bei Erfüllung der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte.6 Die Behauptung eines irgendwie gearteten Einflusses der Obliegenheitsverletzung auf die Feststellung oder den Umfang der Versicherungsleistung genügt nicht. Erforderlich ist die Darlegung einer für den VR im Ergebnis nachteiligen Beeinflussung der Feststellung oder des Umfangs selbst.7 61 Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf die hier in Rede stehende Problematik ist einerseits zu sehen, dass die Frage, welche Entscheidung ein Schiedsgericht getroffen hätte, welches unter Beteiligung des VR bei der Auswahl der Schiedsrichter sich konstituiert hätte, keines Beweises zugänglich ist. Die Ursächlichkeit zwischen der Verletzung der Pflicht zur Überlassung 4 A.A. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_6_6 Ziff. 7.6.6 Rn. 1; kritisch im Hinblick auf die Transparenz Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 129.
5 Vgl. auch Koch SchiedsVZ 2007 281, 289. 6 BGH 4.4.2001 – IV ZR 63/00, VersR 2001 756; BGH 4.5.1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41 327, 336 = BGH NJW 1964 1899.
7 BGH 4.5.1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41 327, 336 = BGH NJW 1964 1899. Koch
746
Ziff. 7.6.6 Schiedsgerichtsvereinbarungen
Ziff. 7.6 BBR BHV
der Schiedsverfahrensführung und der Urteilsfindung ist somit – jedenfalls was die Folgen der Nichtbeteiligung des VR an der Zusammensetzung des Schiedsgerichts angeht – eines Gegenbeweises für den VN nicht zugänglich. Andererseits ist zu beachten, dass Schiedsgerichte zu einer Rechtsentscheidung gemäß der nach § 1051 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO zu ermittelnden Rechtsordnung verpflichtet sind, ebenso wie wenn der staatliche Richter zu entscheiden hätte.8 Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen, nicht auf den Schiedsort Deutschland beschränkten Grundsatz (vgl. Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 UNCITRAL Model Law). Rechtstatsächlich ist somit zu unterstellen, dass die Urteilsfindung im Ergebnis auch im Fall einer anderen personellen Zusammensetzung des Gerichts nicht anders ausgefallen wäre. Insoweit ist die Vermutung der Ursächlichkeit zwischen der Nichtbeteiligung des VR an der Zusammensetzung des Schiedsgerichts und der Urteilsfindung als widerlegt anzusehen.9 Da der VR seinerseits nicht in der Lage ist, die Ursächlichkeit zu beweisen, hat dieser Befund zur Folge, dass auch eine nur quotale Kürzung des Freistellungsanspruchs unterbleibt.
b) Feststellung oder Umfang der Rechtsschutzgewähr. Hinsichtlich der Rechtsschutzge- 62 währ kann der Nachteil, der den VR zur Kürzung der Rechtsschutzkosten berechtigt, u.a. darin bestehen, dass die Kosten des Verfahrens infolge der Nichtbeteiligung des VR an der Schiedsrichterbenennung höher ausgefallen sind als im Fall seiner Beteiligung.
C. Schiedsgerichtsvereinbarungen nach Eintritt eines Versicherungsfalles ohne Zustimmung des Versicherers Trifft der VN nach Eintritt eines Versicherungsfalles ohne Zustimmung des VR eine Schiedsge- 63 richtsvereinbarung, kommt eine Verletzung der Obliegenheit zur Schadenabwehr/-minderung nach Ziff. 25.2 AHB 2016 vornehmlich im Hinblick auf die Kosten des Schiedsverfahrens in Betracht, die im Vergleich zu Verfahren vor staatlichen Gerichten höher liegen und die der VN im Falle des Prozessverlusts zu tragen hätte. Verletzt der VN nach Erhebung der Schiedsklage seitens des Geschädigten die Obliegenheit gem. Ziff. 25.5 AHB 2016 zur Überlassung der Verfahrensführung, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.10
8 BTDrucks. 13/5274 S. 34, 46; BGH SchiedsVZ 2004 259, 261; Zöller/Geimer § 1051 Rn. 1; Rittlewski SchiedsVZ 2007 130, 136. 9 Vgl. auch Koch SchiedsVZ 2007 281, 290. 10 Vgl. auch Koch SchiedsVZ 2007 281, 288. 747
Koch
Ziff. 7.7 BBR BHV
Ziff. 7.7 Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung Insgesamt gilt: 7.7.1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland vorkommender Versicherungsfälle a. aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten; b. durch Erzeugnisse, die ins Ausland gelangt sind, ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen; c. durch Erzeugnisse, die der VN ins europäische Ausland geliefert hat, hat liefern lassen oder die dorthin gelangt sind; d. aus Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten (auch Inspektion und Kundendienst) oder sonstigen Leistungen im Inland oder europäischen Ausland. Zu Buchst. b. und c.: Für Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeitpunkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung in die USA, US-Territorien oder nach Kanada bestimmt waren, besteht Versicherungsschutz nur nach besonderer Vereinbarung. (Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger u. dgl. sowie eine Erweiterung des Export-, Arbeits- oder Leistungsrisikos auf Länder außerhalb Europas) 7.7.2 1Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. 2Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des SGB VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB); 7.7.3 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 7.7.4 Bei Versicherungsfällen in den USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/USTerritorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen gilt: Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … Kosten gemäß Ziff. 7.7.3 gelten als Schadensersatzleistungen. 7.7.5 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I. 1.
Wiedereinschluss gem. Ziff. 7.7.1 BBR BHV 2 Begriff der gesetzlichen Haftpflicht
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-137
2. 3.
Geschäftsreisen, Ausstellungen, Messen (Ziff. 7.7.1 lit. a) BBR BHV) 11 Indirekte/direkte Exporte (Ziff. 7.7.1 lit. b) und c) BBR BHV) 13 a) Bedeutung der Unterscheidung 15 b) Abgrenzungskriterium
748
Ziff. 7.7 BBR BHV
B. Einzelheiten
4.
Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsarbei21 ten (Ziff. 7.7.1 lit. d) BBR BHV)
V.
USA-/Kanada-Risiken (Ziff. 7.7.1 „Zu Buchst. b 29 und c“ und Ziff. 7.7.4 BBR BHV)
II.
Ausländisches Betriebsrisiko (Klammerzusatz zu 22 Ziff. 7.7.1 BBR BHV)
VI.
Währungsklausel (Ziff. 7.7.5 BBR BHV)
C.
Ausschlüsse mit Auslandsbezug
III.
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Ziff. 7.7.2 24 BBR BHV)
D.
Unionsrecht
IV.
31 32
33
Kostenanrechnungsklausel (Ziff. 7.7.3 BBR 26 BHV)
A. Inhalt und Zweck Ziff. 7.7 BBR BHV schließt Versicherungsfälle, die im Ausland eingetreten und nach Ziff. 7.9 AHB 1 2016 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, für die in Ziff. 7.7.1 BBR BHV genannten Konstellationen (Geschäftsreisen, Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten, in-/direkte Exporte, Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten) wieder ein. Ziff. 7.7.2 BBR BHV betrifft Haftpflichtansprüche aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt und dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. Ziff. 7.7.3 BBR BHV sieht abweichend von Ziff. 6.5 AHB 2016 eine Anrechnung der Kosten auf die Versicherungssumme vor. Ziff. 7.7.4 BBR BHV enthält Sonderregelungen bei Versicherungsfällen in den USA/US-Territorien und Kanada sowie dort geltend gemachter Haftpflichtansprüche. Ziff. 7.7.5 BBR BHV legt fest, dass die Leistungen des VR in Euro erfolgen und die Verpflichtung des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt gilt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
B. Einzelheiten I. Wiedereinschluss gem. Ziff. 7.7.1 BBR BHV 1. Begriff der gesetzlichen Haftpflicht Durch Ziff. 7.7.1 BBR BHV ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland vorkommender 2 Versicherungsfälle versichert. Mit „gesetzlicher Haftpflicht“ sind – ebenso wie mit „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen“ nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 43 ff.) – Haftpflichtansprüche aufgrund derjenigen Gesetze gemeint, die im Einzelfall zur Anwendung kommen. Welche das sind – ob deutsche oder ausländische –, bestimmt sich nach dem Kollisionsrecht desjenigen Staates, in dem der Haftpflichtanspruch gerichtlich geltend gemacht wird.1 Soweit vor einem Gericht eines EU-Staates geklagt wird, richtet sich das anwendbare Recht je nachdem, ob es sich um vertragliche (Ausnahme) oder um außervertragliche Ansprüche handelt, nach der Rom I-Verordnung oder der Rom II-Verordnung. Abweichend von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 ist die Deckung nicht auf Haftpflichtbestimmun- 3 gen privatrechtlichen Inhalts beschränkt. Dies hat seinen Grund darin, dass ausländische Rechtsordnungen vielfach nicht zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht unterscheiden. Nicht anders als bei Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 ist für die Deckung nach Ziff. 7.7.1 BBR BHV entscheidend, dass nach dem anwendbaren materiellen Recht (Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen sowie Gewohnheitsrecht) die Rechtsfolgen unabhängig vom Willen der Parteien 1 Späte § 4 Rn. 26. 749
Koch
Ziff. 7.7 BBR BHV
Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung
eintreten. Ob es sich dabei um kodifiziertes Recht (z.B. österreichisches ABGB, französischer Code Civil u.ä.) oder um Richterrecht („Common-law“ Länder) handelt, ist unerheblich.2 4 Grundsätzlich werden von dem Begriff der „gesetzlichen Haftpflicht“ auch solche ausländischen Anspruchsnormen erfasst, deren Tatbestand und/oder Rechtsfolgen mit dem deutschen ordre public nicht vereinbar sind. Beispielhaft seien Ansprüche auf Strafschadensersatz („punitive/exemplary damages“ oder „treble damages“), die nach dem Recht nahezu aller U.S.-Bundesstaaten dem Geschädigten bei besonders rücksichtslos begangenen unerlaubten Handlungen/Kartellrechtsverstößen zugesprochen werden können.3 Zwar mag die Anerkennung (§ 328 ZPO) und Vollstreckung (§ 722 ZPO) in Deutschland unterbleiben, wenn der VN zu unverhältnismäßig hohen Strafzahlungen verurteilt wird.4 Dies hilft dem VN freilich nicht, wenn er in dem Urteilsstaat oder einem anderen Staat, der solche Urteile anerkennt und vollstreckt, Vermögen hat. Zu Recht vertritt Späte deshalb die Ansicht, dass es nicht darauf ankommen könne, ob ausländische Haftpflichtbestimmungen dem deutschen ordre public zuwiderlaufen oder nicht, da die Interessenlage nicht nur des VN, sondern auch des VR die Bejahung des Versicherungsschutzes grundsätzlich gebiete.5 Schließlich ist auch der VR an einer möglichst zügigen Schadensregulierung und deshalb nicht daran interessiert, Rechtsgutachten zur Klärung der Frage einzuholen, ob und inwieweit die Anwendung eines ausländischen Gesetzes gegen den deutschen ordre public verstößt. 5 Die Grenze ist erst dann überschritten, wenn von „gesetzlicher Haftpflicht“ nicht mehr die Rede sein kann, weil „nach rechtsstaatlichen Gepflogenheiten überhaupt keine Haftung mehr angenommen werden kann, weil entweder eine allgemeine gesetzliche Grundlage überhaupt fehlt oder aber die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs nach allgemeiner Rechtsanschauung als reiner Willkürakt anzusehen wäre“.6
Ansonsten ist der VR dadurch hinreichend geschützt, dass er entweder von vornherein oder nach Maßgabe des Versicherungsvertrages entsprechende Risikozuschläge zum Versicherungsbeitrag vereinbaren kann.7 Verschlechtern sich die rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse in einem ausländischen Staat nach Abschluss des Versicherungsvertrages, kann sich der VR durch ordentliche oder außerordentliche (Änderungs-)Kündigung von einem ihm zu groß gewordenen Risiko befreien.8 6 Allerdings ist zu beachten, dass nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 nur Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche gewährt wird und darunter nur solche Haftpflichtbestimmungen fallen, deren Rechtsfolge auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadensereignis gerichtet ist (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 49). Für Ansprüche auf Strafschadensersatz kommt Deckung deshalb von vornherein nur in Betracht, soweit sie dem Ausgleich des erlittenen (immateriellen) Schadens dienen.9 Insoweit wird man den Ausschluss in Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV von Ansprüchen auf Entschädigung mit Strafcharakter restriktiv auszulegen haben (s. Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 3). Werden Auslandsschäden wieder in den Versicherungsschutz eingeschlossen, stellt sich die 7 Frage, inwieweit der Versicherungsschutz von rechtlichen Wertungen ausländischer Haf-
2 Späte § 4 Rn. 26; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_7 Ziff. 7.7 Rn. 1. 3 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 33 Rn. 62. 4 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118 312, 334 f. = NJW 1992 3096, 3102 f.; vgl. auch BGH 8.5.2000 – II ZR 182/ 98, NJW-RR 2000 1372, 1373. 5 Späte § 4 Rn. 27; vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_7 Ziff. 7.7 Rn. 1. 6 Späte § 4 Rn. 27. 7 Späte § 4 Rn. 27. 8 Späte § 4 Rn. 27. 9 Zur dogmatischen Einordnung s. BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91, NJW 1992 3096, 3101 ff.; OLG Düsseldorf 28.5.1991 – 4 U 119/90, RuS 1991 339, 340; OLG München 9.5.1989 – 9 VA 3/89, NJW 1989 3102, 3103; vgl. auch Späte § 41. Koch
750
B. Einzelheiten
Ziff. 7.7 BBR BHV
tungsregimes abhängig ist. Muss der VR z.B. für die Verursachung von Daten- und Programmschäden in einem ausländischen Staat Deckung gewähren, dessen Rechtsordnung (gespeicherte) Daten und Programme als Sachen und Schäden daran folglich als Eigentumsverletzung/ Sachschaden qualifiziert, und kann er im umgekehrten Fall, wenn solche Schäden nach dem ausländischen Erfolgsortrecht nicht als Eigentumsverletzung/Sachschaden eingeordnet werden, die Deckung verweigern? Muss der VR Deckung für die Inanspruchnahme des VN wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen gewähren, wenn das ausländische Recht diese als Personenschäden qualifiziert? Die Antwort auf diese Fragen hängt von der Auslegung des Begriffs des Sach- und Personenschadens i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 ab. Wie bereits festgestellt (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 18, 26) muss dieser Begriff in der Haftpflichtver- 8 sicherung im Hinblick auf die angestrebte Kongruenz zwischen Haftung und Deckung ausgelegt werden. Bedeutet dies nun, dass er bei der Mitversicherung von Auslandsschäden im Lichte des Erfolgsorthaftungsrechts zu verstehen ist? Dagegen ließe sich im Hinblick auf den Auslandsschadensausschluss gem. Ziff. 7.9 AHB 2016 anführen, dass der Begriff des Sach- und Personenschadens in Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 an die Haftung nach deutschem Deliktsrecht anknüpft. Der Wiedereinschluss von Versicherungsfällen gem. Ziff. 7.7.1 BBR BHV geht den AHB jedoch als Spezialregelung vor und muss deshalb grundsätzlich auch primärer Anknüpfungspunkt für die Auslegung sein. Legt man mit der Rechtsprechung die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versiche- 9 rungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – seine Interessen zugrunde,10 erscheint es deshalb naheliegend, den versicherungsvertraglichen Begriff des Sach- und Personenschadens bei Versicherungsfällen im Ausland im Lichte des dort geltenden Haftungsrechts auszulegen. Für Schadensersatzansprüche, die auf ausländischem Erfolgsortrecht beruhen, das die in Rede stehenden Schäden als Sachschäden oder Personenschäden qualifiziert, besteht deshalb ungeachtet der Einordnung nach deutschem Recht Deckung. Im umgekehrten Fall, in dem das ausländische Erfolgsortrecht derartige Schäden nicht als Sach- und Personenschäden qualifiziert, ist diese Frage schwierig zu beantworten. Hier dürfte jedenfalls in den Konstellationen, in denen der Geschädigte nach der lex fori 10 zwischen dem Erfolgsort- und dem Handlungsortrecht wählen kann und das Handlungsortrecht die Schäden wie Sach- oder Personenschäden behandelt, die Deckung zu bejahen sein, weil es anderenfalls der Geschädigte in der Hand hätte, dem VN den Versicherungsschutz durch die Wahl des Erfolgsortrechts zu entziehen. Bezogen auf die zuvor genannten Beispiele ist die Deckung somit stets zu bejahen, wenn das Handlungs- und/oder das Erfolgsortrecht Datenschäden als Eigentumsverletzung/Sachschaden qualifiziert. Bei einer Qualifikation von Persönlichkeitsrechtsverletzungen als Personenschaden besteht wegen Ziff. 7.16 AHB 2016 kein Versicherungsschutz.
2. Geschäftsreisen, Ausstellungen, Messen (Ziff. 7.7.1 lit. a) BBR BHV) Nach Ziff. 7.7.1 lit. a) BBR BHV ist weltweit die gesetzliche Haftpflicht wegen im Ausland vor- 11 kommender Schadensereignisse aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten versichert. Dient die Geschäftsreise oder Teilnahme nicht nur betrieblichen oder beruflichen Zwecken, sind die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze zur Behandlung von Mischtätigkeiten (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 24 ff.) und zur Abgrenzung zwischen Privathaftpflichtversicherung und Betriebshaftpflichtversicherung bei der Auslegung heranzuziehen (Ziff. 1 BBR PHV Rn. 5 ff.). Insoweit macht es für die Zurechnung 10 St. Rspr., vgl. BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, NJW 2007 2544, 2545; BGH 11.12.2002 – IV ZR 226/01, RuS 2003 149, 150; BGH 8.12.1999 – IV ZR 40/99, NJW 2000 1194, 1196; BGH 5.7.1995 – IV ZR 133/94, NJW-RR 1995 1303, 1304; BGH 18.3.1992 – IV ZR 87/91, NJW-RR 1992 793, 794; BGH 5.12.1992 – IV ZR 94/91, NJW 1992 1511 f.; BGH 26.3.1986 – IVa ZR 86/84, NJW-RR 1986 900, 901; OLG München 27.5.1998 – 15 U 5947/97, RuS 1999 146, 147. 751
Koch
Ziff. 7.7 BBR BHV
Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung
zum privaten oder betrieblichen Bereich keinen Unterschied, ob sich ein Schadensfall im Inland oder im Ausland ereignet.11 12 Zu beachten ist, dass die Beschränkungen bei Mietsachschäden gem. Ziff. 7.1.3.4.1 BBR BHV auch hier gelten. Beschädigt der VN bei einer Geschäftsreise ins Ausland in seinem Hotelzimmer eine Vase, besteht deshalb keine Deckung.
3. Indirekte/direkte Exporte (Ziff. 7.7.1 lit. b) und c) BBR BHV) 13 a) Bedeutung der Unterscheidung. Der Umfang des Versicherungsschutzes wegen im Ausland vorkommender Versicherungsfälle durch Erzeugnisse, die der VN in Verkehr gebracht hat, hängt davon ab, wie sie ins Ausland gelangt sind und ob die Versicherungsfälle innerhalb oder außerhalb Europas eingetreten sind. Sind die Erzeugnisse ins Ausland gelangt, „ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen“ (sog. indirekte Exporte), besteht nach Ziff. 7.7.1 lit. b) BBR BHV weltweit Versicherungsschutz.12 Hat der VN die Erzeugnisse geliefert oder liefern lassen (direkte Exporte), besteht Versiche14 rungsschutz gem. Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV nur für Versicherungsfälle im europäischen Ausland. Da unklar ist, ob Europa im geografischen Sinne oder staats-/völkerrechtlich zu verstehen ist (Ziff. 4 BBR PHV Rn. 11), gilt nach der Unklarheitenregel die jeweils für den VN günstigere Auslegung.13 Um sich gegen Versicherungsfälle zu schützen, die durch direkte Exporte im nicht europäischen Ausland eintreten, bedarf es besonderer Vereinbarung.
15 b) Abgrenzungskriterium. Der Wiedereinschluss von Auslandsschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung und damit auch die Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Exporten war bislang nicht Gegenstand der Rechtsprechung. In der Literatur wird zur Abgrenzung darauf abgestellt, ob die Erzeugnisse ohne/auf Veranlassung des VN ins Ausland gelangt sind.14 Dabei soll es unerheblich sein, ob dem VN eine Auslandsberührung seiner Erzeugnisse bekannt ist.15 Danach ist ein Fall des indirekten Exports gegeben, wenn z.B. ein deutscher Hersteller sein Produkt an einen inländischen Händler liefert und dieser es ins Ausland exportiert oder ein Käufer das Erzeugnis mit ins Ausland nimmt oder es jemandem schenkt, der es seinerseits ins Ausland bringt.16 Ein indirekter Export liegt auch dann vor, wenn ein Zulieferer sein Erzeugnis an einen anderen Hersteller liefert, der aus diesem Produkt zusammen mit anderen ein Endprodukt herstellt und das fertige Endprodukt ins Ausland verkauft.17 Das Kriterium der Veranlassung hat keinen Eingang in den Text der hier einschlägigen 16 Klauseln gefunden. Begreift man die Lieferung als Realakt i.S.v. Ablieferung,18 liegt es näher, auf den Erfolgsort abzustellen. Da der Leistungserfolg in der Regel beim Käufer eintritt, weil dort die Übergabe und ggf. der Eigentumserwerb stattfindet, ist somit grundsätzlich der Sitz des Käufers entscheidend. Hat der VN an einen Käufer geliefert, der seinen Sitz in Deutschland hat, beurteilt sich die Deckung für Auslandsschäden nach 7.7.1 lit. b) BBR BHV. Erfolgt die Lieferung an einen Käufer, der seinen Sitz außerhalb Europas hat, besteht nach Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR
11 Vgl. auch Späte § 4 Rn. 30. 12 Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 132. 13 So auch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_7 Ziff. 7.7 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 133; vgl. auch LG Berlin 9.1.2007 – 7 S 31/06, VersR 2007 941 (zur Europaklausel der VHB). 14 Vgl. Späte § 4 Rn. 32; ähnlich Kuwert Rn. 4024. 15 Späte § 4 Rn. 32. 16 Späte § 4 Rn. 32. 17 Späte § 4 Rn. 32. 18 Vgl. BGH 11.10.1995 – VIII ZR 151/94, NJW 1995 3381, 3383 zu § 377 HGB. Koch
752
B. Einzelheiten
Ziff. 7.7 BBR BHV
BHV nur Versicherungsschutz, wenn das Erzeugnis nach Europa zurückgelangt und dort einen Versicherungsfall auslöst. Hat der Käufer dagegen seinen Sitz im europäischen Ausland, besteht stets nach Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV Deckung, selbst wenn es zu einer Weiterlieferung an einen Abkäufer mit Sitz im nicht europäischen Ausland kommt, dem direkten Export also ein – aus der Sicht des VN – indirekter Export nachfolgt. Um einen von Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV erfassten Fall handelt es sich auch beim sog. Streckengeschäft, bei dem der europäische Käufer und der VN vereinbaren, dass das Erzeugnis ohne den Umweg über den Käufer direkt an seinen Abnehmer außerhalb Europas geliefert wird. Hierbei gilt es allerdings, die Beschränkungen für Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada zu beachten (Rn. 28 ff.). Weder um einen Fall des direkten noch des indirekten Exports i.S.v. Ziff. 7.7.1 lit. b) und c) BBR BHV geht es, wenn Erzeugnisse für Ausstellungen und Messen ins Ausland verbracht werden. Ereignet sich beim Vorführen des eigenen Erzeugnisses auf der Ausstellung ein Personenschaden oder ein Schaden an Sachen Dritter, beurteilt sich die Deckung nach Ziff. 7.7.1 lit. a) BBR BHV.19 Liefert der VN seine Erzeugnisse von der Ausstellung oder Messe an einen Dritten im Ausland, besteht Versicherungsschutz nach Maßgabe von Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV. Deckung besteht nur für Produkthaftpflichtschäden innerhalb Europas. Ist der Aussteller nicht der Hersteller, sondern ein Händler, der das Erzeugnis innerhalb Deutschlands oder Europas erworben und auf der Messe ausgestellt hat, liegt ein Fall des indirekten Exports vor, sodass Versicherungsschutz nach Ziff. 7.7.1 lit. b) BBR BHV besteht. Die Auslandsdeckung in der Betriebshaftpflichtversicherung sei anhand nachstehender Fallkonstellationen verdeutlicht: – Erzeugnis wird in Deutschland ausgeliefert, Schadensfall tritt im (nicht-/europäischen) Ausland ein: Versicherungsschutz gem. Ziff. 7.7.1 lit. b) BBR BHV – Erzeugnis wird ins europäische Ausland ausgeliefert, Schadensfall tritt in Europa ein: Versicherungsschutz gem. Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV – Erzeugnis wird ins europäische Ausland ausgeliefert, Schadensfall tritt außerhalb Europas ein: Versicherungsschutz gem. Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV – Erzeugnis wird ins nichteuropäische Ausland geliefert, Schadensfall tritt außerhalb Europas ein: Versicherungsschutz besteht nicht – Erzeugnis wird ins nichteuropäische Ausland geliefert, Schadensfall tritt in Europa ein: Versicherungsschutz gem. Ziff. 7.7.1 lit. c) BBR BHV
17
18
19
20
4. Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten (Ziff. 7.7.1 lit. d) BBR BHV) Ziff. 7.7.1 lit. d) BBR BHV betrifft die Erbringung von Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsar- 21 beiten (auch Inspektion und Kundendienst) oder sonstigen Leistungen im Inland oder europäischen Ausland (zum Europabegriff s. Rn. 14). Da Montage-, Wartungs- und Reparaturarbeiten zwangsläufig ein Objekt voraussetzen, an dem diese Tätigkeiten entfaltet werden, kann die Tätigkeitsschadenklausel des Ziff. 7.7 AHB 2016 zur Anwendung gelangen. Hat der VN die Sache, an der er eine Montage-, Reparatur- oder Wartungsarbeit entfaltet, selbst hergestellt und/oder geliefert, ist zudem Ziff. 7.8 AHB 2016 zu beachten. Wer also beispielsweise die Lieferung einer Maschine und deren Montage vertraglich vereinbart, hat regelmäßig keinen Versicherungsschutz, wenn er bei der Montage die Maschine beschädigt.20
19 Vgl. Späte § 4 Rn. 31. 20 Späte § 4 Rn. 36. 753
Koch
Ziff. 7.7 BBR BHV
Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung
II. Ausländisches Betriebsrisiko (Klammerzusatz zu Ziff. 7.7.1 BBR BHV) 22 Besonderer Vereinbarung bedarf nach Ziff. 7.7.1 BBR BHV die Versicherung „der Haftpflicht für im Ausland gelegene Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger u. dgl.“. Hierauf weist der außerhalb des Bedingungstextes stehende Klammerzusatz hin, um zu vermeiden, dass beim VN Fehlvorstellungen über die Erstreckung des Versicherungsschutzes auf ausländische Betriebsstätten entstehen.21 Der Grund dafür, dass ausländische Betriebsstätten nicht automatisch versichert sind, besteht darin, dass die VR solche zusätzlichen Haftpflichtrisiken nicht ohne sorgfältige Prüfung und ggf. Prämienerhöhung übernehmen wollen.22 Aufsichtsrechtlich ist zu klären, ob das ausländische Betriebsstättenrisiko überhaupt in 23 rechtlich zulässiger Weise durch einen deutschen VR im Rahmen einer sog. „Umbrella“-Police – ggf. als Exzedent für die Auslandstochter im Anschluss an deren örtliche Haftpflichtversicherung – versichert werden darf oder dieses vollständig im jeweiligen Land bei einem dort zugelassenen VR abzudecken ist.23
III. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Ziff. 7.7.2 BBR BHV) 24 Nach Ziff. 7.7.2 BBR BHV besteht für Ansprüche aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind, kein Versicherungsschutz. Der Ausschluss trägt dem Umstand Rechnung, dass die deutschen Sozialversicherungsgesetze nicht ohne weiteres auf das Ausland übertragbar sind. Da auf die Besonderheiten und die gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Auslandes Rücksicht genommen werden muss, ist dieser Problemkreis einer generalisierenden Lösung nicht zugänglich.24 Für die Fälle, dass sich die ausländischen Arbeitnehmer im Ausland untereinander schädigen, empfiehlt Späte, sie nach Maßgabe des dortigen Sozialversicherungsrechts selbst zu versichern.25 Ohne Belang ist es, ob der VN mit diesen Personen im Ausland einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, da der Ausschluss auch dann greift, wenn eine Person nur rein tatsächlich mit der Durchführung der Arbeiten betraut worden ist.26 25 Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und gegen die unter Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV genannten Versicherten (gesetzliche Vertreter und die zur Leitung und zur Beaufsichtigung angestellten Betriebsangehörigen des VN) aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des SGB VII unterliegen. Damit werden die Fälle erfasst, in denen ein im Inland angestellter Arbeitnehmer im Ausland einen Arbeitsunfall erleidet. Daraus erklärt sich auch der in Klammern gesetzte Hinweis auf Ziff. 7.9 AHB 2016.27 Sind Regressansprüche gem. § 110 Abs. 1 SGB VII wegen inländischer Arbeitsunfälle eingeschlossen, gilt dies auch für ausländische. Sind Regressansprüche wegen inländischer Arbeitsunfälle durch die Arbeits- oder Dienstunfallklausel ausgeschlossen,28 bleiben sie es auch für ausländische.29
21 22 23 24 25 26 27 28
Späte § 4 Rn. 37. Vgl. Späte § 4 Rn. 37. Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 134. Späte § 4 Rn. 38; Kuwert Rn. 4024. Späte § 4 Rn. 38. Späte § 4 Rn. 38. Späte § 4 Rn. 38; Kuwert Rn. 4024. Vgl. BGH 19.5.2010 – IV ZR 130/08, BeckRS 2010 14815 (zur Arbeitsunfallklausel in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung für Betriebe des Baunebengewerbes). 29 Späte § 4 Rn. 38; Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 222. Koch
754
B. Einzelheiten
Ziff. 7.7 BBR BHV
IV. Kostenanrechnungsklausel (Ziff. 7.7.3 BBR BHV) Ziff. 7.7.3 BBR BHV sieht – abweichend von § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG und Ziff. 6.5 AHB 2016 – die 26 Anrechnung der Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten als Leistungen auf die Versicherungssumme vor. Nach hier vertretener Ansicht bestehen gegen die Wirksamkeit der Kostenanrechnungsklausel keine Bedenken. Insbesondere liegt keine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken des § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG vor.30 Im Übrigen hat der VR ein berechtigtes Interesse an der Verwendung dieser Klausel, so dass diese Regelung selbst im Fall der Bejahung der Abweichung von wesentlichen Gedanken den VN nicht unangemessen benachteiligt.31 Während bei inländischen Versicherungsfällen die Kosten des Rechtsstreits aufgrund der 27 nach RVG zu berechnenden Gebühren und der nach dem GKG zu berechnenden Gerichtskosten kalkulierbar und bei erfolgreicher Anspruchsabwehr vom Kläger zu tragen sind, ist dies bei Verfahren vor ausländischen Gerichten nicht immer der Fall. Besteht das Risiko, dass die Kosten der Abwehr von Ansprüchen die üblichen Regeldeckungssummen übersteigen, was insbesondere bei Produkthaftpflichtfällen in den USA vorkommen kann, gilt es deshalb, von vornherein eine ausreichende Deckungssumme zu vereinbaren. Ziff. 7.7.3 Satz 3 BBR BHV a.F., der eine Kostenanrechnung auch dann vorsah, wenn die 28 Kosten auf Weisung des VR entstanden sind, ist in der Neufassung gestrichen worden (vgl. aber Ziff. 9.4 Satz 3 und Ziff. 10.2 Satz 3 UmweltHM, die diese Klausel noch enthalten). Diese Regelung war nach § 87 VVG und bei Versicherung von Großrisiken gem. §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie sich auch auf Aufwendungen des VN zur Minderung oder Abwendung des Schadens i.S.v. § 82 Abs. 1 VVG erstreckte.32 Insoweit stand sie in Widerspruch zu § 83 Abs. 3 VVG, demzufolge der VR dem VN Aufwendungen, die dieser gemäß seinen Weisungen macht, auch dann zu erstatten hat, wenn sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen.33
V. USA-/Kanada-Risiken (Ziff. 7.7.1 „Zu Buchst. b und c“ und Ziff. 7.7.4 BBR BHV) Für Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeit- 29 punkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung in diese Gebiete bestimmt waren, besteht nach Ziff. 7.7.1 zu lit. b) und c) BBR BHV Versicherungsschutz nur nach besonderer Vereinbarung, ohne dass es darauf ankommt, auf welchem Wege (in-/direkter Export) die Erzeugnisse dorthin gelangt sind. Unter dem Begriff „ersichtlich“ ist nicht positive Kenntnis zu verstehen. Nur grob fahrlässige Unkenntnis von der Auslieferung in eines der vorbezeichneten Länder schadet (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346). Soweit Deckung für Versicherungsfälle in den USA/US-Territorien und Kanada besteht, 30 sieht Ziff. 7.7.4 BBR BHV Sonderregelungen für die Selbstbeteiligung des VN vor und bestimmt, dass Kosten gem. Ziff. 7.7.3 BBR BHV als Schadensersatzleistungen gelten. Dies hat zur Folge, dass ein vereinbarter Selbstbehalt vom VN auch bei erfolgreicher Anspruchsabwehr zu tragen ist. Gleiches gilt, wenn Ansprüche aus Versicherungsfällen, die außerhalb des Staates, in dem der VN seinen Geschäftssitz hat – für Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen gilt Ziff. 7.8 BBR BHV –, und außerhalb der USA/US-Territorien und Kanadas eingetreten sind, in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemacht werden.
30 Bruck/Möller/Koch § 101 Rn. 81 ff; a.A. Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_7 Ziff. 7.7 Rn. 4; Späte/Schimikowski/ Schimikowski BBR BHV Rn. 136. 31 Bruck/Möller/Koch § 101 Rn. 92 ff. 32 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_7 Ziff. 7.7 Rn. 3. 33 So auch Bruck/Möller/Baumann9 Ziff. 4 AVB-AVG Rn. 32 (zu Ziff. 4.4 AVB-AVG). 755
Koch
Ziff. 7.7 BBR BHV
Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung
VI. Währungsklausel (Ziff. 7.7.5 BBR BHV) 31 Ziff. 7.7.5 BBR BHV ist identisch mit Ziff. 5.1 Satz 3 und 4 BBR PHV, weshalb auf die dortigen Anmerkungen verwiesen wird (Ziff. 5 BBR PHV Rn. 6 f.).
C. Ausschlüsse mit Auslandsbezug 32 Zu sonstigen Ausschlüssen mit Auslandsbezug s. Ziff. 7.4.1 BBR BHV.
D. Unionsrecht 33 Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Versicherungsfälle in einem EU-Mitgliedsstaat verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot gem. Art. 18 Abs. 1 AEUV.34
34 EuGH 11.6.2020 – C-581/18 (RB/TÜV Rheinland LGA Products GmbH ua), VersR 2020 1443 Rn. 45 ff. = NJW 2020 2169 m. Anm. Armbrüster. Koch
756
Ziff. 7.9 BBR BHV
Ziff. 7.8 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen, die im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Ziffern 7.7.3–7.7.5. Ziff. 7.8 BBR BHV bezieht sich auf Ansprüche aus Versicherungsfällen, die in dem Staat eingetre- 1 ten sind, in dem der VN seinen Geschäftssitz hat, und außerhalb dieses Landes gegen den VN geltend gemacht werden. Für sie gelten die Regelungen zur Kostenanrechnung (Ziff. 7.7.3 BBR BHV) und zum Selbstbehalt (Ziff. 7.7.4 BBR BHV) sowie die Währungsklausel (Ziff. 7.7.5 BBR BHV).
Ziff. 7.9 Nachhaftungsversicherung für Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (für die der Versicherungsfall Schadenereignis gilt) Falls besonders vereinbart: 1 Wird der Versicherungsvertrag allein wegen des vollständigen und dauerhaften Wegfalls des versicherten Risikos wegen Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktions- oder Liefereinstellung (nicht aus anderen Gründen, wie z.B. Änderung der Rechtsform) beendet, besteht für nach der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene Versicherungsfälle Versicherungsschutz im Umfang des Vertrags, wie folgt: 2 Der Versicherungsschutz – gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet; – besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Umfang des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsvertrages, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall jedoch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 3 Die in den vorgenannten Zeitraum fallenden Versicherungsfälle werden so behandelt, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten. 4 In den Fällen des vollständigen und dauernden Wegfalls versicherter Risiken (z.B. Betriebs- oder Praxisaufgabe; auch Tod des VN) sollte auf die Möglichkeit einer Nachhaftungsversicherung hingewiesen werden. 5 Die Nachhaftungsversicherung umfasst nach Beendigung des Vertrages eintretende Versicherungsfälle, die durch eine betriebliche/berufliche Tätigkeit vor diesem Zeitpunkt herbeigeführt wurden. 6Es gelten die zum Vertrag vereinbarten Bedingungen und Versicherungssummen.
Übersicht 1
II.
Dauer der Nachhaftungsversicherung
Nachhaftungsversicherung
III.
Umfang der Deckung
Gegenstand der Nachhaftungsversiche2 rung
IV.
Selbstverpflichtung des VR
A.
Inhalt und Zweck
B. I.
757 https://doi.org/10.1515/9783110522686-139
4
5 6
Koch
Ziff. 7.9 BBR BHV
Nachhaftungsversicherung
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 7.9 BBR BHV sieht die Möglichkeit vor, den Versicherungsschutz für Versicherungsfälle auszudehnen, die nach Beendigung des Versicherungsvertrages wegen des vollständigen und dauerhaften Wegfalls des versicherten Risikos infolge Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktions- oder Liefereinstellung eintreten. Für eine solche Nachhaftungsversicherung besteht im Hinblick auf die Definition des Versicherungsfalles in Ziff. 1.1 Satz 2 AHB 2016 ein Bedürfnis des VN, weil es in diesen Konstellationen nicht zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages mit einem (anderen) VR kommen kann.
B. Nachhaftungsversicherung I. Gegenstand der Nachhaftungsversicherung 2 Nach Ziff. 7.9 Satz 5 BBR BHV umfasst die Nachhaftungsversicherung nach Beendigung des Vertrages eintretende Versicherungsfälle, die durch eine betriebliche/berufliche Tätigkeit vor diesem Zeitpunkt herbeigeführt wurden. Grund für die Beendigung des Vertrages darf nach Ziff. 7.9 Satz 1 BBR BHV allein der vollständige und dauerhafte Wegfall des versicherten Risikos infolge Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktions- oder Liefereinstellung sein. Im Falle der Kündigung des Versicherungsvertrages wegen Folgeprämienverzugs besteht somit kein Schutz durch die Nachhaftungsversicherung. 3 Zu beachten ist, dass im Hinblick auf die Definition des Versicherungsfalles nach Ziff. 1.1 Satz 2 AHB 2016 das versicherte Risiko nicht allein wegen Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktions- oder Liefereinstellung wegfällt. Von einem vollständigen und dauerhaften Wegfall des versicherten Risikos lässt sich nur dann sprechen, wenn dem VN keine Haftung mehr aus der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit oder Eigenschaft mehr droht, an die das Risiko geknüpft war. Ein vollständiger und dauerhafter Risikowegfall liegt somit nicht bereits mit der Aufgabe einer bestimmten versicherten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit oder Eigenschaft oder mit dem Tod des VN vor, sondern erst dann, wenn eine Inanspruchnahme des VN oder seiner Rechtsnachfolger, die in die Rechte und Pflichten des Versicherungsvertrages eingetreten sind, ausgeschlossen ist (Ziff. 17 AHB 2016 Rn. 4).1
II. Dauer der Nachhaftungsversicherung 4 Die Dauer der Nachhaftungsversicherung bedarf nach Ziff. 7.9 Satz 2 Spiegelstr. 1 BBR BHV besonderer Vereinbarung. In der Praxis wird regelmäßig eine mindestens fünfjährige Frist vereinbart.2
III. Umfang der Deckung 5 Gem. Ziff. 7.9 Satz 6 BBR BHV bestimmt sich der Umfang der Deckung nach den Bedingungen und Versicherungssummen des beendeten Vertrages. Dabei steht gem. Ziff. 7.9 Satz 2 Spiegelstr. 2 BBR BHV für sämtliche während der Dauer der Nachhaftungsversicherung eintretenden Versicherungsfälle (nur) der unverbrauchte Teil der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall je1 Vgl. Prölss/Martin/Lücke AHB Abs. 17 Ziff. 17 Rn. 4; a.A. Rüffer/Halbach/Schimkowski/Schimikowski Ziff. 17 AHB Rn. 2: Nachhaftungsversicherung erforderlich.
2 Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 138. Koch
758
Nachhaftungsversicherung
Ziff. 7.9 BBR BHV
doch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres zur Verfügung, in dem das Versicherungsverhältnis endet. Hierzu bestimmt Ziff. 7.9 Satz 3 BBR BHV korrespondierend, dass alle im Nachhaftungszeitraum eintretenden Versicherungsfälle so behandelt werden, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten. Diese Regelungen können dazu führen, dass kein oder nur noch ein beschränkter Versicherungsschutz für Versicherungsfälle besteht, die in der Nachhaftungszeit eintreten (soweit sich nicht aus § 109 VVG etwas anderes ergibt).3
IV. Selbstverpflichtung des VR Nach Ziff. 7.9 Satz 4 BBR BHV sollte in den Fällen des vollständigen und dauernden Wegfalls 6 versicherter Risiken auf die Möglichkeit einer Nachhaftungsversicherung hingewiesen werden. Zu Recht entnimmt die Literatur dieser Formulierung eine Selbstverpflichtung des VR gegenüber dem Betroffenen, deren Verletzung den VN nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz berechtigt.4
3 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_9 Ziff. 7.9 Rn. 2. 4 Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_9 Ziff. 7.9 Rn. 3; Späte/Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 138. 759
Koch
Ziff. 7.10 AVB BHV
Ziff. 7.10 Gewässerschaden- und Umweltrisiko 7.10.1
Bei der Versicherung privater Risiken, insbesondere bei der – Privat-Haftpflichtversicherung – Haftpflichtversicherung für Wassersportfahrzeuge (s. Sonderregelung in Tarif XIII Abschnitt A.) – Pferde- und Hundehalter-Haftpflichtversicherung – Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung – Bauherren-Haftpflichtversicherung – Jagd-Haftpflichtversicherung – Gewässerschaden-Haftpflichtversicherung gilt: 7.10.1.1 Mitversichert ist im Umfang der Besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden im Rahmen der Privat- sowie Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung – außer Anlagenrisiko – das sog. Restrisiko. 7.10.1.2 Gewässerschaden-Anlagenrisiko: Tarif XV 7.10.2 In sonstigen Fällen gilt: 7.10.2.1 Es besteht Versicherungsschutz im Umfang der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung im Rahmen der Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (Umwelthaftpflicht-Basisversicherung). 7.10.2.2 Falls besonders vereinbart: Umwelthaftpflichtversicherung nach den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Modell): Tarif XVI. 7.10.2.3 Es besteht Versicherungsschutz im Umfang der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Umweltschadens-Basisversicherung (USV-Basis). 7.10.2.4 Falls besonders vereinbart: Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung (USV) 1 Für die Betriebshaftpflichtversicherung ist nur Ziff. 7.10.2 BBR BHV von Bedeutung. Ziff. 7.10.2.1 und 7.10.2.3 BBR BHV stellen klar, dass für Schäden durch Umwelteinwirkung und für Umweltschäden Versicherungsschutz im Umfang der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung (UHV Basis) und der Umweltschadens-Basisversicherung (USV Basis) besteht. Weitergehender Versicherungsschutz im Umfang des Umwelthaftpflicht-Modells oder der Umweltschadensversicherung bedarf gesonderter Vereinbarung (Ziff. 7.10.2.2 und 7.10.2.4 BBR BHV).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-140
760
B. A1 AVB BHV (Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebshaftpflichtversicherung (AVB BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Mai 2020)
Inhaltsverzeichnis Hinweise zum Aufbau und zur Anwendung Vorbemerkung Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-1 Versicherte Eigenschaften, Rechtsverhältnisse, Tätigkeiten, Betriebsstätten (versichertes Risiko) A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (Versicherungsnehmer und mitversicherten Personen) A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des Versicherers A1-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) A1-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) A1-6.1 Sozial- und Sicherheitseinrichtungen A1-6.2 Haus- und Grundbesitz A1-6.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht A1-6.4 Abhandenkommen von Sachen A1-6.5 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A1-6.6 Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen (Miet-/Pachtsachschäden) A1-6.7 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen (Tätigkeitsschäden) A1-6.8 Schäden im Ausland A1-6.9 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden A1-6.10 Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften A1-6.11 Schäden durch Strahlen A1-6.12 Vermögensschäden A1-6.13 Schäden durch Verletzung von Datenschutzgesetzen sowie durch Übertragung elektronischer Daten A1-6.14 Geothermie A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Arbeiten und sonstigen Leistungen A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander A1-7.4 Schadensfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen A1-7.5 Leasing, Pacht, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A1-7.7 Asbest A1-7.8 Gentechnik A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen 761 https://doi.org/10.1515/9783110522686-141
Koch
A1 AVB BHV
Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko
A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen A1-7.11 Übertragung von Krankheiten A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen A1-7.13 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A1-7.15 Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze A1-7.16 Wasserfahrzeuge A1-7.17 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb A1-7.18 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt A1-7.19 Entschädigungen mit Strafcharakter („punitive damages“) A1-7.20 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen A1-7.21 Arzneimittel A1-7.22 Sprengstoffe, Feuerwerke A1-7.23 Brennbare und explosible Stoffe A1-7.24 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen A1-7.25 Umweltrisiko A1-7.26 Produkthaftpflichtrisiko A1-7.27 Kommissionsware A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) A1-9 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A1-10 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung) A3-8.23 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen A3-8.24 Ansprüche nach Umweltschadensgesetz A3-8.25 Schäden im Zusammenhang mit dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten A3-8.26 Erprobungsklausel A3-8.27 Kommissionsware A3-8.28 Umweltrisiko A3-9 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) A3-10 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A3-11 Zeitliche Begrenzung A3-12 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung) Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A(GB)-1 Abtretungsverbot A(GB)-2 Veränderungen des versicherten Risikos und Auswirkung auf den Beitrag (Beitragsregulierung) A(GB)-3 Beitragsangleichung und Kündigungsrecht nach Beitragsangleichung A(GB)-4 Schiedsgerichtsvereinbarungen (gilt nicht für private Haftpflichtrisiken) Teil B – Allgemeiner Teil Abschnitt B1 – Beginn des Versicherungsschutzes, Beitragszahlung B1-1 Beginn des Versicherungsschutzes B1-2 Beitragszahlung, Versicherungsperiode B1-3 Fälligkeit des Erst- oder Einmalbeitrags, Folgen verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung B1-4 Folgebeitrag B1-5 Lastschriftverfahren B1-6 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
Koch
762
Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko
A1 AVB BHV
Abschnitt B2 – Dauer und Ende des Vertrags/Kündigung B2-1 Dauer und Ende des Vertrags B2-2 Kündigung nach Versicherungsfall B2-3 Veräußerung und deren Rechtsfolgen Abschnitt B3 – Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten B3-1 Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers oder seines Vertreters bis zum Vertragsschluss B3-2 Entfällt B3-3 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Abschnitt B4 – Weitere Regelungen B4-1 Mehrere Versicherer, Mehrfachversicherung B4-2 Erklärungen und Anzeigen, Anschriftenänderung B4-3 Vollmacht des Versicherungsvertreters B4-4 Verjährung B4-5 Meinungsverschiedenheiten und Gerichtsstände B4-6 Anzuwendendes Recht B4-7 Embargobestimmung
Hinweise [des Musterbedingungsgebers] zum Aufbau und zur Anwendung Teil A Regelungen zur Ausgestaltung des Versicherungsschutzes in der Haftpflichtversicherung. – Abschnitt A1 gilt für die allgemeinen und besonderen betrieblichen und beruflichen Risiken (Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko) – Abschnitt A2 gilt für Schäden durch Umwelteinwirkungen und Schäden an der Umwelt (Umweltrisiko) – Abschnitt A3 gilt für Risiken durch gelieferte Erzeugnisse, abgeschlossene Arbeiten oder sonstige ausgeführte Leistungen (Produkthaftpflichtrisiko). Die Gemeinsamen Bestimmungen zu Teil A enthalten Regelungen zum Abtretungsverbot, zur Beitragsregulierung, zur Beitragsangleichung und zu Schiedsgerichtsvereinbarungen. Teil B enthält Regelungen über allgemeine Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. – Abschnitt B1 regelt Beginn des Versicherungsschutzes und Beitragszahlung. – Abschnitt B2 regelt Dauer und Ende des Vertrags/Kündigung. – Die Abschnitte B3 und B4 enthalten Obliegenheiten des VN und weitere Bestimmungen. Maßgeblich für den Versicherungsschutz sind der gesamte Bedingungstext, der Versicherungsschein und seine Nachträge.
Vorbemerkung Zur Strukturreform der Musterbedingungen s. Vorbemerkung BBR BHV Rn. 2 f. Bei der nachste- 1 henden Kommentierung geht es vor allem darum aufzuzeigen, ob sich der Versicherungsschutz auf Grundlage der AVB BHV im Vergleich zu den BBR BHV (Tarifstruktur Allgemeiner Teil AT – Betriebshaftpflicht) für den VN verändert, d.h. verbessert oder verschlechtert hat. Zu diesem Zweck werden die AVB BHV und die BBR BHV synoptisch gegenübergestellt. Die AVB BHV sind – wie alle neu strukturierten Musterbedingungen – in zwei Teile gegliedert. 2 Teil A beinhaltet die haftpflichtspezifischen Bestimmungen. Er ist in fünf Abschnitte gegliedert (Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko, Umweltrisiko, Produkthaftpflichtrisiko, Rückrufkostenrisiko für Hersteller- und Handelsbetriebe und Rückrufkostenrisiko für Kfz-Teile-Zulieferer). Hier wird nur der Abschnitt A1 Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko behandelt. Die Abschnitte A2 Umweltrisiko und A3 Produkthaftpfichtrisiko, A4 Rückrufkostenrisiko für Hersteller- und Handelsbetriebe und A5 Rückrufkostenrisiko für Kfz-Teile-Zulieferer werden gesondert kommentiert. 763 https://doi.org/10.1515/9783110522686-143
Koch
A1 AVB BHV
3
Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko
Die gemeinsamen Bestimmungen der vorbezeichneten Abschnitte in (A)GB-1 bis A(GB)-3 AVB BHV zum Abtretungsverbot, zur Beitragsregulierung und zur Beitragsangleichung sind wortgleich mit (A)GB-1 bis A(GB)-3 AVB PHV, sodass auf die dortige Kommentierung/Gegenüberstellung verwiesen und von einem Abdruck abgesehen werden kann. Lediglich die Klausel in A(GB)-4 AVB BHV zu Schiedsgerichtsvereinbarungen, die nach A(GB)-4 AVB PHV nicht für private Haftpflichtrisiken gilt, bedarf näherer Betrachtung. Da die allgemeinen Bestimmungen in Teil B spartenübergreifend gelten, wird auf deren Kommentierung/Gegenüberstellung in den AVB PHV verwiesen und ebenfalls von einem Abdruck abgesehen.
Koch
764
Teil A A1 Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-1 Versicherte Eigenschaften, Rechtsverhältnisse, Tätigkeiten, Betriebsstätten AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko
Ziff. 7 Deckungsumfang
A1-1 Versicherte Eigenschaften, Rechtsverhältnisse, Ziff. 7.1.1 Versichertes Risiko Tätigkeiten, Betriebsstätten (versichertes Risiko) 1
Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus dem im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Betrieb mit seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten oder aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen beruflichen Tätigkeit.
Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflicht-Versicherung (AHB) und der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Betrieb mit seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten bzw. aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen beruflichen Tätigkeit.
2
Im Rahmen dieses Risikos sind mitversichert Ansprüche wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte (Subunternehmer). 3Nicht versichert ist die Haftpflicht der Subunternehmer selbst und deren Betriebsangehörige.
Fehlanzeige
4 Der Versicherungsschutz besteht ausschließlich für Betriebsstätten (z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger) innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. 5 Falls im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten (z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger) versichert werden sollen, bedarf es einer besonderen Vereinbarung.
Ziff. 7.7.1 Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung (Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger u. dgl. sowie eine Erweiterung des Export-, Arbeits- oder Leistungsrisikos auf Länder außerhalb Europas).
A1-1 Satz 1 AVB BHV ist inhaltsgleich mit Ziff. 7.1.1 BBR BHV und A1-1 Satz 4 und 5 AVB BHV 1 entsprechen dem Klammerzusatz zu Ziff. 7.7.1 BBR BHV. Auf die dortige Kommentierung sei verwiesen. A1-1 Satz 2 und 3 AVB BHV betreffen das Subunternehmerrisiko und entsprechen Ziff. 2 2 Satz 2 und 3 ProdHM 2008, so dass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 2 ProdHM 2008/2015 Rn. 3 f.).
765 https://doi.org/10.1515/9783110522686-146
Koch
A1-2 AVB BHV
A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen)
Ziff. 7.1.2 BBR BHV Mitversicherte Personen
A1-2.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht A1-2.1.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, hat, für Schäden, die sie in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten für den VN verursachen; A1-2.1.2 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten für den VN verursachen. 2 Betriebsangehörige sind beispielsweise auch in den Betrieb eingegliederte Arbeitnehmer fremder Unternehmen, Praktikanten, Volontäre und Hospitanten. 3 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 4Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.1.2.3 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; 7.1.2.4 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
A1-2.1.3 des Insolvenzverwalters und Zwangsverwalters für Schäden aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit.
Fehlanzeige
A1-2.1.4 Versicherungsschutz für die in A1-2.1.1 bis Fehlanzeige A1-2.1.3 genannten Personen besteht auch, wenn sie aus ihrer früheren Tätigkeit für den versicherten Betrieb in Anspruch genommen werden. A1-2.2 1Alle für den VN geltenden Vertragsbestimmungen sind auf die mitversicherten Personen entsprechend anzuwenden. 2Dies gilt nicht für die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A1-9), wenn das neue Risiko nur für eine mitversicherte Person entsteht.
Ziff. 27 AHB 27.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4.) gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Mitversicherten entsteht.
A1-2.3 Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person
Fehlanzeige
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-147
766
A1-2 AVB BHV
Regelungen zu mitversicherten Personen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
vorliegen, entfällt der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen. A1-2.4 1Die Rechte aus diesem Versicherungsvertrag darf nur der VN ausüben. 2Für die Erfüllung der Obliegenheiten sind sowohl der VN als auch die mitversicherten Personen verantwortlich.
Ziff. 27 AHB 27.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2Er ist neben den Mitversicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
Übersicht A.
A1-2.1 AVB BHV
B.
A1-2.2 AVB BHV
5
I.
Gesetzliche Vertreter und Betriebsangehö1 rige
C.
A1-2.3 AVB BHV
6
D.
A1-2.4 AVB BHV
7
II.
Insolvenz- und Zwangsverwalter
III.
Inanspruchnahme aus einer früheren Tätigkeit 3 für den VN
2
A. A1-2.1 AVB BHV I. Gesetzliche Vertreter und Betriebsangehörige A1-2.1.1 und A1-2.1.2 AVB BHV entsprechen inhaltlich Ziff. 7.1.2.3 und 7.1.2.4 BBR BHV, weshalb 1 auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 48 ff.). Das Erfordernis in A1-2.1.1 AVB BHV, dass Schäden der gesetzlichen Vertreter und des sonstigen Leistungspersonals „in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten“ für den VN verursacht worden sein müssen, dient ebenso wie die Formulierung „in dieser Eigenschaft“ in Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV der Abgrenzung zur Privathaftpflicht (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 50). Hinsichtlich des Kreises der Betriebsangehörigen führt A1-2.1.2 Satz 2 AVB BHV im Vergleich zur BBR BHV zu keiner Deckungseinschränkung, da die in A1-2.1.2 Satz 2 AVB BHV genannten Personen nur beispielhaft und nicht abschließend („sind beispielsweise auch“) aufgeführt sind.
II. Insolvenz- und Zwangsverwalter Weitergehend schließt A1-2.1.3 AVB BHV die Haftung des Insolvenz- und Zwangsverwalters für 2 Schäden aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ein (vgl. § 60 Inso, § 154 ZVG). Nach Ziff. 7.3.2.4 BBR BHV besteht Deckung für den Insolvenz- und Zwangsverwalter nur im Rahmen der Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung.
III. Inanspruchnahme aus einer früheren Tätigkeit für den VN Daneben besteht nach A1-2.1.4 AVB BHV Versicherungsschutz für die in A1-2.1.1 bis A1-2.1.3 AVB 3 BHV genannten Personen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb des VN fort, wenn 767
Koch
A1-2 AVB BHV
Regelungen zu mitversicherten Personen
sie aus ihrer früheren Tätigkeit für den VN in Anspruch genommen werden. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die ehemaligen Betriebsangehörigen i.S.v. A.1-2.1.2 AVB BHV sowie die gesetzlichen Vertreter und leitenden Angestellten i.S.v. A.1-2.1.2 AVB BHV vom VN verlangen können, von den Ansprüchen des Geschädigten freigestellt zu werden. Da für deren Freistellungsanspruch gegen den VN Deckung in der Betriebshaftpflichtversicherung besteht (ausgenommen gesetzliche Vertreter, wenn die VN eine juristische Person ist, vgl. A1-7.4 AVB BHV), macht es Sinn, den Versicherungsschutz nach A1-2.1.1 und A1-2.1.2 AVB BHV für diesen Personenkreis fortbestehen zu lassen (vgl. auch Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 55 und Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 68). 4 Für den ausgeschiedenen Mitarbeiter – soweit er nicht zum Kreis der gesetzlichen Vertreter der VN zählt – schließt die Erweiterung gem. A1-2.1.4 AVB BHV eine Deckungslücke. Er hat zwar nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs einen Anspruch auf Freistellung gegen den VN. Bei grober Fahrlässigkeit muss er jedoch ein 1-2 faches Jahresgehalt selbst tragen, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und dem Schadensrisiko besteht, das sich verwirklicht hat (vgl. Beispiel Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 69). Infolge der Erweiterung nach A1-2.1.4 AVB BHV besteht für die ehemaligen Mitarbeiter Versicherungsschutz und sie müssen – ohne dass es bei grober Fahrlässigkeit darauf ankommt, ob ein grobes Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und dem Schadensrisiko besteht – nichts von dem Schaden selbst tragen. Für ausgeschiedene gesetzliche Vertreter der VN, die von Dritten wegen eines nach ihrem Ausscheiden eingetretenen Sach- oder Personenschadens in Anspruch genommen werden, hat die Erweiterung eine erhebliche Verbesserung zur Folge. Da auf sie die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs keine Anwendung finden, müssten sie ohne A1-2.1.4 AVB BHV für den gesamten Schaden mit ihrem Privatvermögen einstehen.
B. A1-2.2 AVB BHV 5 A1-2.2 AVB BHV entspricht Ziff. 27.1 AHB 2016. Die Änderungen sind nur redaktioneller Art. Insoweit kann auf die Kommentierung von Ziff. 27 AHB 2016 verwiesen werden.
C. A1-2.3 AVB BHV 6 Neu ist die Regelung in A1-2.3 AVB BHV, derzufolge unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen entfällt. Sie ist wortgleich mit A1-2.3 AVB PHV, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
D. A1-2.4 AVB BHV 7 A1-2.4 AVB BHV entspricht Ziff. 27.2 AHB 2016. Die Änderungen sind nur redaktioneller Art. Insoweit kann auf die Kommentierung von Ziff. 27 AHB 2016 verwiesen werden.
Koch
768
A1-3 AVB BHV
A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall AVB BHV
AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall 1
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
A1-3.1 Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2 Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.
Ziff. 1.1 Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.
A1-3.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
Ziff. 1.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
A1-3.3 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, soweit sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder Zusage über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
Ziff. 7 Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen 7.3 Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
1
A. A1-3.1 AVB BHV A1-3.1 AVB BHV entspricht Ziff. 1.1 AHB 2016, wobei infolge des Hinweises in A1-1 AVB BHV auf 1 die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem im Versicherungsschein angegebenen Betrieb mit 769 https://doi.org/10.1515/9783110522686-148
Koch
A1-3 AVB BHV
Versicherungsschutz, Versicherungsfall
seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten oder aus der Ausübung der im Versicherungsschein beschriebenen beruflichen Tätigkeit der Passus „im Rahmen des versicherten Risikos“ entfallen ist. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 1.1 AHB 2016.
B. A1-3.2 AVB BHV 2 A1-3.2 AVB BHV entspricht Ziff. 1.2 AHB 2016. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 1.2 AHB 2016 (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 82 ff.).
C. A1-3.3 AVB BHV 3 A1-3.3 AVB BHV entspricht Ziff. 7.3 AHB 2016, der nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 7.3 AHB 2016 (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 140 ff.).
Koch
770
A1-4 AVB BHV
A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR AVB BHV
AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR
Ziff. 5 Leistungen der Versicherung
A1-4.1 1Der Versicherungsschutz umfasst – die Prüfung der Haftpflichtfrage, – die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und – die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleichs zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
5.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3 Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
A1-4.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR bevollmächtigt, den Prozess zu führen. 3Der VR führt dann den Rechtsstreit auf seine Kosten im Namen des VN.
5.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR zur Prozessführung bevollmächtigt. 3Er führt den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten.
A1-4.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gesetzlichen Vergütung oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
5.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
A1-4.4 Erlangt der VN oder eine mitversicherte Person das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR bevollmächtigt, dieses Recht auszuüben.
5.4 Erlangt der VN oder ein Mitversicherter das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR zur Ausübung dieses Rechts bevollmächtig.
A1-4.1 bis A1-4.4 AVB BHV entsprechen weitgehend wörtlich Ziff. 5.1 bis 5.4 AHB 2016. Zu den 1 Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 5 AHB 2016.
771 https://doi.org/10.1515/9783110522686-149
Koch
A1-5 AVB BHV
A1-5 Begrenzung der Leistungen AVB BHV
AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung)
Ziff. 6 AHB Begrenzung der Leistungen
A1-5.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden EUR … und für Sachschäden EUR … Variante für pauschale Versicherungssummen: Die Versicherungssumme beträgt für Personen- und Sachschäden EUR …
6.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt.
A1-5.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Die Entschädigungsleistungen des VR sind für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
6.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Entschädigungsleistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …fache der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt.
A1-5.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang beruhen.
6.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang oder – auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen.
A1-5.4 1Falls vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall an der Entschädigungsleistung des VR mit einem im Versicherungsschein und seinen Nachträgen festgelegten Betrag (Selbstbeteiligung). 2Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3A1-5.1 Satz 1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, bleibt der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet.
6.4 1Falls besonders vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt). 2Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3Ziff. 6.1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, ist der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet.
A.1-5.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
6.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
A.1-5.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die
6.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme,
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-150
772
Begrenzung der Leistungen
A1-5 AVB BHV
AVB BHV
AHB 2016
Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
A1-5.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
6.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3 Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
A1-5.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
6.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
A1-5.1 bis A1-5.8 AVB BHV entsprechen weitgehend wörtlich Ziff. 6.1 bis 6.8 AHB 2016. Lediglich 1 die Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln begründet keinen Serienschaden mehr. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 6 AHB 2016. Neu ist, dass im Anschluss an A1-5.1 AVB BHV Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, ob mit VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind.
773
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) 1 A1-6 regelt den Versicherungsschutz für einzelne betriebliche und berufliche Risiken, deren Risikobegrenzungen und die für diese Risiken geltenden besonderen Ausschlüsse. 2Soweit A1-6 keine abweichenden Regelungen enthält, finden auch auf die in A1-6 geregelten Risiken alle anderen Vertragsbestimmungen Anwendung (z.B. A1-4 – Leistungen der Versicherung oder A1-7 – Allgemeine Ausschlüsse).
1 A1-6 AVB BHV enthält die aus den BBR BHV bekannten besondere Bestimmungen zu einzelnen Risiken, durch die der Versicherungsschutz teilweise beschränkt (z.B. Mietsachschäden nur an bestimmten Räumen und Gebäuden, Sublimits) und teilweise auch erweitert wird (z.B. „echte“ Vermögensschäden). Anstelle des bisherigen Ausschluss-Einschluss-Systems wird der Versicherungsumfang positiv umschrieben. Wie bei den BBR BHV sind die einzelnen Bestimmungen kumulativ anwendbar: Beschädigt der VN auf einer Geschäftsreise ins Ausland in seinem Hotelzimmer eine chinesische Vase, besteht kein Versicherungsschutz, da Mietsachschäden an beweglichen Sachen nicht versichert sind (A1-6.6 AVB BHV).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-151
774
A1-6 AVB BHV
A1-6.1 Sozial- und Sicherheitseinrichtungen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.1 Sozial- und Sicherheitseinrichtungen 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus seinen Sozialeinrichtungen für Betriebsangehörige, die überwiegend für den versicherten Betrieb bestimmt sind (z.B. Betriebssportgemeinschaften, Kantinen, Erholungseinrichtungen, Kindertagesstätten,) und seiner Werks- oder Betriebsfeuerwehr. 2 Versichert ist hierbei auch die persönliche gesetzliche Haftpflicht der Mitglieder der Betriebssportgemeinschaft aus der Betätigung für diese, soweit es sich nicht um rein private Handlungen oder Unterlassungen handelt.
7.1.2.2 1des VN aus seinen Sozialeinrichtungen für Betriebsangehörige, die überwiegend für den versicherten Betrieb bestimmt sind (z.B. Betriebssportgemeinschaften, Werkskantinen, Badeanstalten, Erholungsheime, Kindergärten) und aus Vorhandensein und Betätigung einer Werk- oder Betriebsfeuerwehr. 2 Nicht versichert ist die persönliche Haftpflicht der Mitglieder der Betriebssportgemeinschaft aus ihrer Betätigung in dieser;
A1-6.1 Satz 1 AVB PHV entspricht inhaltlich Ziff. 7.1.2.2 Satz 1 BBR BHV, weshalb auf die dortige 2 Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 36). Abweichend von Ziff. 7.1.2.2 Satz 2 BBR BHV ist auch die persönliche gesetzliche Haftpflicht der Mitglieder der Betriebssportgemeinschaft aus der Betätigung für diese versichert, soweit es sich nicht um rein private Handlungen oder Unterlassungen handelt.
775 https://doi.org/10.1515/9783110522686-152
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6.2 Haus- und Grundbesitz AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.2 Haus- und Grundbesitz 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht A1-6.2.1 des VN als Besitzer (z.B. Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nießbraucher) von Grundstücken, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden. 2 Versichert sind hierbei Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen). 3 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Vermietung oder Verpachtung eines Betriebsgrundstücks oder Teilen davon an Betriebsfremde.
Ziff. 7.1.2 Mitversicherte Personen Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.1.2.1 des VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Grundstücken nicht jedoch von Luftlandeplätzen, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden (Umfang des Versicherungsschutzes siehe Ziff. 7.3) Ziff. 7.3 Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung Wenn der VN auf dem Grundstück einen Betrieb unterhält oder einen Beruf ausübt, wird Versicherungsschutz für das Haftpflichtrisiko aus dem Haus- und Grundbesitz nur durch eine besondere Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung gewährt. (Bei Vermietung von Teilen des Grundstücks an Betriebsfremde siehe Tarif IZ Ziff. 3.) 7.3.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Haus- und/oder Grundstücksbesitzer, z.B. als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer oder Nutznießer. 2 Versichert sind hierbei Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen).
A1-6.2.2 1Versichert ist für die in A1-6.2.1 genannten Risiken auch auf die gesetzliche Haftpflicht a) 1des VN als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Erdarbeiten) bis zu einer veranschlagten Bausumme von EUR … je Bauvorhaben. 2Wenn der Betrag überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz. 3Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A1-9). b) des VN als früherer Besitzer aus § 836 Absatz 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestand. c) 1der vom VN durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung der Grundstücke beauftragten Personen für Ansprüche, die gegen sie aus Anlass der Ausführung dieser Verrichtung erhoben werden. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
7.3.2 1Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.3.2.1 1des VN als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Erdarbeiten) bis zu einer Bausumme von EUR … je Bauvorhaben. 2 Für die private Haus- und GrundstücksbesitzerHaftpflicht-Versicherung nach Ziff. 2.1.1 MusterTarifstruktur-Teil VIII gilt zusätzlich: 3 Wenn der Betrag überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz. 4Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB). 7.3.2.2 des VN als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die V bis zum Besitzwechsel bestand; 7.3.2.3 1der durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung der Grundstücke beauftragten Personen für Ansprüche, die gegen sie aus Anlass der Ausführung dieser Verrichtung erhoben werden. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-153
776
Haus- und Grundbesitz
A1-6 AVB BHV
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3 Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden. d) 1des VN wegen Schäden durch Abwässer. 2Bei Sachschäden gilt dies ausschließlich für Schäden durch – Abwässer aus dem Rückstau des Straßenkanals – häusliche Abwässer; – Abwässer aus Fettabscheidern. 2 Falls Versicherungsschutz nach A2-1.1.4 f) für Benzin- und Ölabscheider besonders vereinbart ist, gilt zusätzlich: – Abwässer aus Benzin- und Ölabscheidern.
oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden; 7.3.2.4 des Insolvenzverwalters und Zwangsverwalters in dieser Eigenschaft. 7.3.3 1Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.14 (1) AHB – Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden, die durch Abwässer aus dem Rückstau des Straßenkanals auftreten. 2 Falls Versicherungsschutz in der UHV-Basisversicherung für Fettabscheider, Benzin- und Ölabscheider besonders vereinbart ist, gilt: 3 Zusätzlich sind Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden durch Abwässer aus Fettabscheidern, Benzin- und Ölabscheidern eingeschlossen. 4 Falls nicht ausschließlich private Haftpflichtrisiken versichert werden, gilt: Ziff. 7.10 (b) AHB bleibt unberührt. 5 Diese Deckungserweiterung findet für die Umwelthaftpflichtbasisversicherung keine Anwendung. 7.3.4 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die vom VN als Mieter, Entleiher, Pächter oder Leasingnehmer durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter, Leasinggeber) in dieser Eigenschaft.
A1-6.2 AVB BHV umfasst die nach Ziff. 7.1.2.1 und 7.3 BBR BHV zugesagte Deckung. Die Änderun- 3 gen sind redaktioneller Art bzw. dem Umstand geschuldet, dass die AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen. Zu den Einzelheiten kann deshalb auf die Kommentierung zu Ziff. 7.1.2.1 und 7.3 BBR BHV verwiesen werden (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 39 ff. und Ziff. 7.3 BBR BHV Rn. 1 ff.).
A1-6.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht Versichert ist die vom VN als Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Leasinggeber, Verpächter, Verleiher) in dieser Eigenschaft.
Ziff. 7.1.3.3 Vertraglich übernommene Haftpflicht Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die vom VN als Mieter, Entleiher, Pächter oder Leasingnehmer durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter, Leasinggeber) in dieser Eigenschaft.
A1-6.3 AVB BHV ist inhaltlich identisch mit Ziff. 7.1.3.3 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommen- 4 tierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 83).
777 https://doi.org/10.1515/9783110522686-154
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6.4 Abhandenkommen von Sachen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.4 Abhandenkommen von Sachen Fehlanzeige A1-6.4.1 Schlüssel 1 Versichert ist – in Erweiterung zu A1-3.1 – die gesetzliche Haftpflicht des VN ausschließlich wegen des Abhandenkommens fremder mechanischer oder elektronischer Schlüssel für Gebäude und Räume, sofern sich diese Schlüssel rechtmäßig im Gewahrsam des VN befunden haben. 2Auf diese Schäden finden die Bestimmungen über Sachschäden Anwendung 3 Der Versicherungsschutz beschränkt sich auf gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen der Kosten für das notwendige Auswechseln oder Programmieren von Schlössern und Schließanlagen sowie für vorübergehende Sicherungsmaßnahmen (Notschloss) und einen Objektschutz bis zu … Tagen, gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem der Verlust des Schlüssels festgestellt wurde. 4 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche aus Folgeschäden des Abhandenkommens. Variante für getrennte Versicherungssummen: 5 Die Versicherungssumme für Schäden aus dem Abhandenkommen von Schlüsseln beträgt je Versicherungsfall … EUR. 6Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt… EUR. 7Es erfolgt eine Anrechnung auf die Sachschaden-Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 5 Die Versicherungssumme für Schäden aus dem Abhandenkommen von Schlüsseln beträgt je Versicherungsfall … EUR. 6Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt… EUR. 7 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. A1-6.4.2 Sachen der Betriebsangehörigen und Besucher 1 Versichert ist – in Erweiterung zu A1-3.1 – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem Abhandenkommen von Sachen (einschließlich Kraftfahrzeugen und Fahrrädern mit Zubehör) der Betriebsangehörigen und Besucher. 2Auf diese Schäden finden die Bestimmungen über Sachschäden Anwendung. 3Vom Versicherungsschutz
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-155
Ziff. 7.1.3.5 Abhandenkommen von Sachen Falls besonders vereinbart, gilt: 2 Eingeschlossen ist – in Ergänzung von Ziff. 2.2 AHB und abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus dem Abhandenkommen von Sachen (einschl. Kraftfahrzeuge und Fahrräder mit Zubehör) der Betriebsangehörigen und Besucher und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 3Ausgenommen hiervon sind Geld sowie bargeldlose Zahlungsmittel, Wertpapiere 1
778
Abhandenkommen von Sachen
A1-6 AVB BHV
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
ausgeschlossen sind Schäden durch Abhandenkommen von – Geld sowie bargeldlosen Zahlungsmitteln, – Wertpapieren (einschließlich Sparbüchern), – Scheckheften, – Urkunden, – Schmuck und – anderen Wertsachen. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Schäden aus dem Abhandenkommen von Sachen der Betriebsangehörigen und Besucher beträgt je Versicherungsfall … EUR. 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt … EUR. 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Schäden aus dem Abhandenkommen von Sachen der Betriebsangehörigen und Besucher beträgt je Versicherungsfall … EUR. 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt … EUR. 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung.
(einschl. Sparbücher), Scheckhefte, Urkunden, Schmuck und andere Wertsachen. 4 Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je Versicherungsfall EUR …, höchstens EUR … für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.
A1-6.4.2 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.1.3.5 BBR BHV. Zu den Ein- 5 zelheiten siehe die dortige Kommentierung (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 88). Neu ist, dass Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, ob mit dem VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind. A1-6.4.1 AVB BHV hat keine Entsprechung in den BBR BHV. Diese Regelung, nach der für 6 die Kosten des Auswechselns oder Programmierens von Schlössern und Schließanlagen sowie für vorübergehende Sicherungsmaßnahmen (Notschloss) und einen Objektschutz Deckung besteht, wenn der VN seine (Büro-/Betriebs-)Schlüssel verliert, dient der Klarstellung. Sie lässt den Streit darüber, ob das Abhandenkommen eines Schlüssels als Sachschaden anzusehen ist, für den auf der Basis der AHB Versicherungsschutz besteht (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 38), obsolet werden.
779
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6.5 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.5 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A1-6.5.1 Versichert ist – abweichend von A1-7.14 – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden durch den Gebrauch ausschließlich von folgenden nicht versicherungspflichtigen Fahrzeugen: a) nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrende Kraftfahrzeuge ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit; b) Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; c) Stapler mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; d) selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; e) Kraftfahrzeug-Anhänger, die nicht zulassungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. A1-6.5.2 1Die in A1-6.5.1 genannten Fahrzeuge dürfen nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 2Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 3Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Fahrzeuge nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht werden. 4 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 5Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nur von einem Fahrer benutzt wird, der die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 6Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt B3-3.3 (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
Ziff. 7.5 Mitversicherung des Kfz-Haftpflichtrisikos 7.5.1 Durch die Allgemeine Haftpflichtversicherung können folgende, nicht versicherungspflichtige Kfz versichert werden: 7.5.1.1 Alle nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit*; 7.5.1.2 alle Kfz mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; 7.5.1.3 alle Stapler mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit**; 7.5.1.4 alle selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit***; 7.5.1.5 Kfz-Anhänger, die nicht zulassungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. 7.5.2 Für diese Kfz gilt der Ausschluss in Ziff. 4.3 (1) AHB nicht. 7.5.3 Hierfür gilt: 1 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 2Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 3Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 4 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 5Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 6 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). 7.5.4 Sonderregelung für Tankstellen und Garagenvermietung: Tarif I Ziff. 17. für Beherbergungsbetriebe: Tarif IV Ziff. 3.2.
7 A1-6.5 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen Ziff. 7.5.1 bis 7.5.3 BBR BHV. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung zu Ziff. 7.5 BBR BHV.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-156
780
A1-6 AVB BHV
A1-6.6 Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.6 Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen (Miet-/Pachtsachschäden) Miet-/Pachtsachschäden sind Schäden an fremden, vom VN oder von seinen Bevollmächtigten oder Beauftragten gemieteten oder gepachteten Sachen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. A1-6.6.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Mietsachschäden ausschließlich an a) anlässlich von Dienst- und Geschäftsreisen gemieteten Räumen in Gebäuden; b) 1zu betrieblichen oder beruflichen Zwecken gemieteten Gebäuden und/oder Räumen (nicht jedoch an Einrichtungen, Produktionsanlagen und dergleichen). 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen – Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden; – Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektround Gasgeräten und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 3Der Ausschluss gilt nicht, sofern diese Schäden durch Brand, Explosion, Leitungswasser oder Abwasser entstanden sind. Variante für getrennte Versicherungssummen: 1 Die Versicherungssumme für Miet-/ Pachtsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … 2Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 1 Die Versicherungssumme für Miet-/ Pachtsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … 2Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. A1-6.6.2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind – in Ergänzung von A1-7.4 – auch Ansprüche von a) Gesellschaftern des VN; b) gesetzlichen Vertretern des VN und solchen Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung 781 https://doi.org/10.1515/9783110522686-157
Ziff. 7.1.3.4 Mietsachschäden 7.1.3.4.1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden, die anlässlich von Dienst- und Geschäftsreisen an gemieteten Räumen in Gebäuden entstehen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 7.1.3.4.2 Falls besonders vereinbart, gilt: Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an zu betrieblichen Zwecken gemieteten (nicht geleasten) Gebäuden und/oder Räumen (nicht jedoch an Einrichtung, Produktionsanlagen und dgl.) und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch Brand, Explosion, Leitungswasser und – insoweit abweichend von Ziff. 7.14 (1) AHB – durch Abwässer. Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 7.1.3.4.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – von Gesellschaftern des VN; – von gesetzlichen Vertretern des VN und solchen Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat; – von Angehörigen (s. Ziff. 7.5 (1) Abs. 2 AHB) der vorgenannten Personen, wenn sie mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben; – von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbundene sind und unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen.
Koch
A1-6 AVB BHV
Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat und deren Angehörigen gemäß A1-7.4 a) Absatz 2, wenn sie mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben; c) Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind und unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen.
8 A1-6.6 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen Ziff. 7.1.3.4 BBR BHV. Zu den Einzelheiten siehe die dortige Kommentierung (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 85 ff.).
Koch
782
A1-6 AVB BHV
A1-6.7 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.7 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen (Tätigkeitsschäden) 1 Tätigkeitsschäden sind Schäden an fremden Sachen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit, die dadurch entstanden sind, dass der VN oder ein Bevollmächtigter oder Beauftragter des VN a) an diesen Sachen tätig geworden ist (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung oder dergleichen), b) diese Sachen zur Durchführung seiner Tätigkeiten als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche oder dergleichen benutzt hat oder c) Sachen beschädigt hat, die sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Sind zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen getroffen worden, um diese Schäden zu vermeiden, liegt kein Tätigkeitsschaden vor. 3 Bei unbeweglichen Sachen liegt ein solcher Tätigkeitsschaden nur dann vor, wenn diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen gewesen, unmittelbar benutzt worden sind oder sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich befunden haben.
A1-6.7.1 Tätigkeitsschäden an Land- und Wasserfahrzeugen und Containern 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Tätigkeitsschäden an Land- und Wasserfahrzeugen, Containern ausschließlich, falls jene durch oder beim Be- und Entladen entstanden sind. 2 Für Schäden an Containern besteht auch dann Versicherungsschutz, wenn diese beim Abheben von oder Heben auf Land- oder Wasserfahrzeuge durch Kräne oder Winden zum Zwecke des Be- und Entladens entstanden sind. 3Dies gilt nicht, wenn die Container selbst Gegenstand von Verkehrsverträgen (Fracht-, Speditions- oder Lagerverträgen) sind. 4Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern.
783 https://doi.org/10.1515/9783110522686-158
Ziff. 7.6.3 BBR BHV Tätigkeitsschäden bei Betrieben des Handels, Handwerks und des produzierenden Gewerbes Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.7 AHB – Tätigkeitsschäden in folgendem Umfang: Ziff. 7.7 AHB Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn (1) die Schäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung und dgl.) entstanden sind; bei unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen waren; (2) die Schäden dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeiten (als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche und dgl.) benutzt hat; bei unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Benutzung betroffen waren; (3) die Schäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen oder – sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt – deren Teile im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben; dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der VN beweist, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte. 7.6.3.1 BBR BHV Be- und Entladeschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen der Beschädigung von Land- und Wasserfahrzeugen, Containern durch/oder beim Be- und Entladen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Für Schäden an Containern besteht auch dann Versicherungsschutz, wenn diese entstehen beim Abheben von oder Heben auf Land- oder Wasserfahrzeuge durch Kräne oder Winden zum Zwecke des Be- und Entladens. 3Dies gilt nicht, wenn die Container selbst Gegenstand von Verkehrsverträgen (Fracht-, Speditionsoder Lagerverträgen) sind. 4 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern. 5 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Koch
A1-6 AVB BHV
Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
5
Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers: …
A1-6.7.2 Tätigkeitsschäden an Leitungen 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Tätigkeitsschäden an Erdleitungen (Kabel, unterirdische Kanäle, Wasserleitungen, Gasrohre und andere Leitungen) sowie Frei- oder Oberleitungen. 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
7.6.3.2 BBR BHV Leitungsschäden 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Erdleitungen (Kabel, unterirdische Kanäle, Wasserleitungen, Gasrohre und andere Leitungen) sowie Frei- und/oder Oberleitungen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 3 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A1-6.7.3 Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Tätigkeitsschäden an ihm zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beim oder infolge des Ein-, Auf- oder Zusammenbaus in oder mit anderen Sachen. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, dass sowohl der Ein-, Auf- oder Zusammenbau, als auch der Eintritt des Tätigkeitsschadens außerhalb des Betriebsgrundstücks des VN erfolgen. 2 A1-3.2 und A1-7.6 Absatz 1 finden insoweit keine Anwendung. 3 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) der Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung oder zur Reparatur befinden oder befunden haben; b) Vermögensschäden, die sich aus diesen Tätigkeitsschäden ergeben – insoweit abweichend von A1-6.7 Satz 1. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf
Falls besonders vereinbart, gilt: 7.6.3.3 BBR BHV Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an Fremdmaterial, das dem VN zum Ein-, Aufoder Zusammenbau zur Verfügung gestellt wurde, wenn diese Schäden – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen entstanden sind; – dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit benutzt hat; – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 Abs. 1 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) finden insoweit keine Anwendung. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der – Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung oder Reparatur befinden oder befunden haben; – Vermögensschäden, die sich aus diesen Tätigkeitsschäden ergeben. Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial beträgt je Versicherungsfall EUR … Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR …
Koch
784
Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen
A1-6 AVB BHV
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
die Jahreshöchstersatzleistung. 7 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
A1-6.7.4 Tätigkeitsschäden an sonstigen Sachen 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Tätigkeitsschäden an sonstigen Sachen. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen der Beschädigung a) der Ladung von Fahrzeugen und Containern, die durch oder beim Be- und Entladen entstanden sind; b) von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder zu sonstigen Zwecken – auf seinem Betriebsgrundstück oder – außerhalb seines Betriebsgrundstücks in seiner Verfügungsgewalt befinden oder befunden haben und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. Variante für getrennte Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an sonstigen Sachen beträgt je Versicherungsfall EUR … 4 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 5Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden an sonstigen Sachen beträgt je Versicherungsfall EUR … 4 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 5Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 6 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
7.6.3.4 Sonstige Tätigkeitsschäden (Hinweis: Problematisch bei EDV-Betrieben, Softwarebetrieben/-händlern, Software-Erstellern, Montage-, Reparatur-, Reinigungs- und Wartungsarbeiten) 1 Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht aus Schäden, die an fremden Sachen durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen entstanden sind und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn diese Schäden – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen entstanden sind; – dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit benutzt hat; – durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. 2 Die Regelungen der Ziff. 1.2 AHB (Erfüllungsansprüche) und der Ziff. 7.8 AHB (Schäden an hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen) bleiben bestehen. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen der – Beschädigung von Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder zu sonstigen Zwecken befinden, befunden haben oder die von ihm übernommen wurden; – Beschädigung der Ladung von Fahrzeugen und Containern durch/oder beim Be- und Entladen. 4 Die Höchstersatzleistung beträgt innerhalb der Versicherungssumme für Sachschäden je Versicherungsfall EUR … 5Die Gesamtleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das …-fache dieser Versicherungssumme. 6 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
In den AVB BHV wird der Umfang des Versicherungsschutzes für Tätigkeitsschäden abschlie- 9 ßend in A1-6.7 AVB BHV positiv umschrieben. Dabei hat der Musterbedingungsgeber zur Definition der Tätigkeitsschäden auf die in Ziff. 7.7 AHB 2016 beschriebenen Tätigkeitsschäden zurückgegriffen, die Eingang in A1-6.7 AVB BHV gefunden haben. Die Versicherung von Tätigkeitsschäden an Land- und Wasserfahrzeugen und Containern 10 in A1-6.7.1 AVB BHV entspricht Ziff. 7.6.3.1 BBR BHV, die Versicherung von Tätigkeitsschäden an Leitungen in A1-6.7.2 AVB BHV entspricht Ziff. 7.6.3.2 BBR BHV und die Versicherung von Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestelltem Fremdmaterial in A1-6.7.3 AVB BHV entspricht Ziff. 7.6.3.3 BBR BHV. Insoweit kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 27 ff.). Die Versicherung von Tätigkeitsschäden an sonstigen Sachen in A1-6.7.4 S. 1 AVB BHV ent- 11 spricht Ziff. 7.6.3.4 S. 1 BBR BHV. Der Ausschluss in A1-6.7.4 S. 2 AVB BHV weicht insoweit von Ziff. 7.6.3.4 BBR BHV ab, als Ziff. 7.6.3.4 Satz 3 BBR BHV darauf abstellt, dass die Sachen „sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder zu sonstigen Zwecken befinden, befun785
Koch
A1-6 AVB BHV
Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen
den haben oder [.] von ihm übernommen wurden“. A1-6.7.4 Satz 2 lit. b) AVB BHV verlangt, dass die Sachen sich auf dem Betriebsgrundstück des VN oder außerhalb seines Betriebsgrundstücks in seiner Verfügungsgewalt befinden oder befunden haben müssen. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 32).
Koch
786
A1-6 AVB BHV
A1-6.8 Schäden im Ausland AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.8 Schäden im Ausland A1-6.8.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland eintretender Versicherungsfälle ausschließlich a) aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten; b) aus Arbeiten oder Leistungen im Inland oder europäischen Ausland; c) 1 durch Erzeugnisse, die ins Ausland gelangt sind, ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeitpunkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung dorthin bestimmt waren. d) 1 aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind, soweit diese Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten den Bestimmungen des SGB VII unterliegen. 2Dies gilt ausschließlich für den VN und für die in A1-2.1.1 genannten Personen. Falls im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten (z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger) versichert werden sollen, bedarf es einer besonderen Vereinbarung.
Ziff. 7.7 Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung Insgesamt gilt: 7.7.1 1Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland vorkommender Versicherungsfälle a. aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten; b. durch Erzeugnisse, die ins Ausland gelangt sind, ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen; c. durch Erzeugnisse, die der VN ins europäische Ausland geliefert hat, hat liefern lassen oder die dorthin gelangt sind; d. aus Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten (auch Inspektion und Kundendienst) oder sonstigen Leistungen im Inland oder europäischen Ausland. 2 Zu Buchst. b. und c.: 3 Für Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeitpunkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung in die USA, USTerritorien oder nach Kanada bestimmt waren, besteht Versicherungsschutz nur nach besonderer Vereinbarung. (Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger u. dgl. sowie eine Erweiterung des Export-, Arbeits- oder Leistungsrisikos auf Länder außerhalb Europas) 7.7.2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des SGB VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB);
A1-6.8.2 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugenund Gerichtskosten, werden – abweichend von A15.5 – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet.
7.7.3 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet.
787 https://doi.org/10.1515/9783110522686-159
Koch
A1-6 AVB BHV
Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
A1-6.8.3 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
7.7.5 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
A1-6.8.4 1Bei Versicherungsfällen in den USA/USTerritorien und Kanada oder Ansprüchen, die dort geltend gemacht werden, gilt: 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 3 Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten gemäß A1-6.8.2 berücksichtigt.
7.7.4 1Bei Versicherungsfällen in den USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen gilt: 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 3 Kosten gemäß Ziff. 7.7.3 gelten als Schadensersatzleistungen.
12 A1-6.8 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 7.7 BBR BHV. Lediglich die Untergliederungspunkte haben sich geändert. Zu den Einzelheiten siehe die dortige Kommentierung.
A1-6.9 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.9 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen, die im Ausland geltend gemacht werden, gelten A16.8.2 bis A1-6.8.4.
Ziff. 7.8 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen, die im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Ziffern 7.7.3 – 7.7.5.
13 A1-6.9 AVB BHV entspricht Ziff. 7.8 BBR BHV. Zu den Einzelheiten siehe die dortige Kommentierung.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-160
788
A1-6 AVB BHV
A1-6.10 Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.10 Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften. 2 Dies gilt auch, wenn sich der Haftpflichtanspruch gegen die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst richtet.
Ziff. 7.6.1 Arbeits- und Liefergemeinschaften 1 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften auch dann, wenn sich der Haftpflichtanspruch gegen die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst richtet. 2 Für die Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften gelten unbeschadet der sonstigen Vertragsbedingungen (insbesondere der Versicherungssummen) folgende Bestimmungen:
A1-6.10.1 Sind die Aufgaben nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Bauabschnitten aufgeteilt, besteht ausschließlich Versicherungsschutz für Schäden, die der VN im Rahmen der von ihm übernommenen Aufgabe verursacht hat.
Fehlanzeige
A1-6.10.2 Sind die Aufgaben nicht im Sinne von A1-6.10.1 aufgeteilt oder ist der schadenverursachende Partner nicht zu ermitteln, gilt: a) Die Ersatzpflicht des VR ist auf die Quote beschränkt, welche der prozentualen Beteiligung des VN an der Arbeits- oder Liefergemeinschaft entspricht. Dabei ist es unerheblich, welcher Partnerfirma die schadenverursachenden Personen oder Sachen (Arbeitsmaschinen, Baugeräte, Baumaterialien usw.) angehören. b) Die Ersatzpflicht des VR erweitert sich innerhalb der vereinbarten Versicherungssummen über A1-6.10.2 a) hinaus für den Fall, dass über das Vermögen eines Partners das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist und für diesen Partner wegen Nichtzahlung seines Beitrages kein Versicherungsschutz besteht. Ersetzt wird der dem VN zugewachsene Anteil, soweit für ihn nach dem Ausscheiden des Partners und der dadurch erforderlichen Auseinandersetzung ein Fehlbetrag verbleibt.
7.6.1.1 1Die Ersatzpflicht des VR bleibt auf die Quote beschränkt, welche der prozentualen Beteiligung des VN an der Arbeits- oder Liefergemeinschaft entspricht. 2 Dabei ist es unerheblich, welcher Partnerfirma die schadenverursachenden Personen oder Sachen (Arbeitsmaschinen, Baugeräte, Baumaterialien usw.) angehören. 7.6.1.4 1Die Ersatzpflicht des VR erweitert sich innerhalb der vereinbarten Versicherungssummen über Ziff. 7.6.1.1 hinaus für den Fall, dass über das Vermögen eines Partners das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist und für diesen Partner wegen Nichtzahlung seines Beitrages kein Versicherungsschutz besteht. 2Ersetzt wird der dem VN zugewachsene Anteil, soweit für ihn nach dem Ausscheiden des Partners und der dadurch erforderlichen Auseinandersetzung ein Fehlbetrag verbleibt.
A1-6.10.3 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche a) wegen Schäden an den von den einzelnen Partnern in die Arbeitsgemeinschaft eingebrachten oder von der Arbeitsgemeinschaft beschafften Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, gleichgültig, von wem die Schäden verursacht wurden. b) der Partner der Arbeits- oder Liefergemeinschaft untereinander sowie der
7.6.1.2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Schäden an den von den einzelnen Partnern in die Arbeitsgemeinschaft eingebrachten oder von der Arbeitsgemeinschaft beschafften Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, gleichgültig, von wem die Schäden verursacht wurden. 7.6.1.3 Ebenso bleiben ausgeschlossen Ansprüche der Partner der Arbeits- oder Liefergemeinschaft untereinander sowie Ansprüche der Arbeits- oder Liefergemeinschaft gegen die Partner und umgekehrt.
789 https://doi.org/10.1515/9783110522686-161
Koch
A1-6 AVB BHV
Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Arbeits- oder Liefergemeinschaft gegen die Partner und umgekehrt. A1-6.10.4 Versicherungsschutz im Umfang von A1-6.10.1 bis A1-6.10.3 besteht auch für die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst.
7.6.1.5 Versicherungsschutz im Rahmen der Ziff. 7.6.1.1 bis 7.6.1.3 besteht auch für die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst.
14 A1-6.10 AVB BHV weicht insoweit von Ziff. 7.6.1 BBR BHV ab, als Versicherungsschutz für den Fall, dass die Arbeits- oder Liefergemeinschaften nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Bauabschnitten aufgeteilt waren, nach A1-6.10.1 AVB BHV nur für die vom VN verursachten Fehler gewährt wird. Es besteht somit keine Deckung für die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des VN im Außenverhältnis, wenn ein anderer Partner der ARGE den Schaden verursacht hat1 oder – wie sich aus dem Eingangssatz in A1-6.10.2 AVB BHV ergibt – eine Aufgabenteilung zwar besteht, der schadensverursachende Partner sich jedoch nicht ermitteln lässt. Lässt sich der schadensverursachende Partner nicht ermitteln und/oder gibt es keine Aufga15 benteilung, bestimmt sich der Versicherungsschutz nach Ziff. A1-6.10.2 lit. a) und b), A1-6.10.3 und A1-6.10.4 AVB BHV. Diese Regelungen entsprechen inhaltlich Ziff. 7.6.1.1 bis 7.6.1.5 BBR BHV (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 4 ff.). Lediglich die Untergliederungspunkte haben sich geändert.
1 Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 32 Rn. 35. Koch
790
A1-6 AVB BHV
A1-6.11 Schäden durch Strahlen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.11 Schäden durch Strahlen A1-6.11.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen stehen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen), ausschließlich für a) den deckungsvorsorgefreien Umgang mit radioaktiven Stoffen; b) den Besitz und die Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern.
Ziff. 7.1.3.1 Strahlenschäden 7.1.3.1.1 1Eingeschlossen ist abweichend von Ziff. 7.12 AHB und Ziff. 7.10 (b) AHB die gesetzliche Haftpflicht des VN aus – dem deckungsvorsorgefreien Umgang mit radioaktiven Stoffen; – Besitz und Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern. 2 Soweit der vorstehende Einschluss auch Schäden durch Umwelteinwirkung umfasst, besteht kein Versicherungsschutz über die Umwelthaftpflicht-BasisVersicherung. 7.1.3.1.2 1Werden vom VN gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet, ohne dass dies für den VN ersichtlich war, wird sich der VR nicht auf Ziff. 7.12 AHB berufen. 2 Dies gilt nicht für Schäden, – die durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen; – die durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind.
A1-6.11.2 1Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen abweichen. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
7.1.3.1.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – wegen Personenschäden solcher Personen, die gleichgültig für wen oder in wessen Auftrag aus beruflichem oder wissenschaftlichem Anlass im Betrieb des VN eine Tätigkeit ausüben und hierbei die von energiereichen ionisierenden Strahlen oder Laserstrahlen ausgehenden Gefahren in Kauf zu nehmen haben; – gegenüber jedem VN oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen verursacht hat.
A1-6.11.1 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen Ziff. 7.1.3.1 BBR BHV. A1- 16 6.11.2 AVB BHV entspricht Ziff. 7.1.3.1.3 Spiegelstr. 2 BBR BHV. Das Produkt-/Leistungshaftpflichtrisiko in Ziff. 7.1.3.1.2 BBR BHV ist nach den AVB BHV nicht versichert. Zu den Einzelheiten siehe Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 78 ff.
791 https://doi.org/10.1515/9783110522686-162
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6.12 Vermögensschäden AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.12 Vermögensschäden A1-6.12.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch durch Sachschäden entstanden sind. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Vermögensschäden a) durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; b) aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; c) aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; d) aus Vermittlungsgeschäften aller Art; e) aus Auskunftserteilung, Übersetzung; f) aus Reiseveranstaltung; g) aus Anlage-, Kredit-, Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung; h) aus – Rationalisierung und Automatisierung, – Datenerfassung, -speicherung, -sicherung, -wiederherstellung, – Austausch, Übermittlung, Bereitstellung elektronischer Daten. i) aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Namensrechten, gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; j) aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vor- und Kostenanschlägen; k) aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; l) aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; m) aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen. 3 Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall EUR … 4Die Höchstersatzleistung für Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-163
Ziff. 7.6.5 BBR BHV Mitversicherung von Vermögensschäden 7.6.5.2 Sonstige Vermögensschäden 1 Mitversichert ist im Rahmen des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne der Ziff. 2.1 AHB wegen Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden a. durch vom VN (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellte oder gelieferte Sachen, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen; b. aus planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; c. aus Ratschlägen, Empfehlungen oder Weisungen an wirtschaftlich verbundene Unternehmen; d. aus Vermittlungsgeschäften aller Art; e. aus Auskunftserteilung, Übersetzung sowie Reiseveranstaltung; f. aus Anlage-, Kredit-, Versicherungs-, Grundstücks-, Leasing- oder ähnlichen wirtschaftlichen Geschäften, aus Zahlungsvorgängen aller Art, aus Kassenführung sowie aus Untreue oder Unterschlagung; g. aus – Rationalisierung und Automatisierung, – Datenerfassung, -speicherung, -sicherung, -wiederherstellung, – Austausch, Übermittlung, Bereitstellung elektronischer Daten. h. aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Namensrechten, gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten sowie des Kartell- oder Wettbewerbsrechts; i. aus der Nichteinhaltung von Fristen, Terminen, Vorund Kostenanschlägen; j. aus Pflichtverletzungen, die mit der Tätigkeit als ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder von Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat oder anderer vergleichbarer Leitungs- oder Aufsichtsgremien/Organe im Zusammenhang stehen; k. aus bewusstem Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften, von Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder aus sonstiger bewusster Pflichtverletzung; l. aus dem Abhandenkommen von Sachen, auch z.B. von Geld, Wertpapieren und Wertsachen.
792
Vermögensschäden
AVB BHV
A1-6 AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das …-fache dieser Versicherungssumme. 5 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … A1-6.12.2 Energiemehraufwand 1 Versichert ist – abweichend von A1-6.12.1 a) – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Vermögensschäden aus einem erhöhten Energie- oder Wasserverbrauch aufgrund vom VN mangelhaft erbrachter Installations-, Reparatur- oder Wartungsarbeiten. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche infolge der Unwirksamkeit von Energiesparmaßnahmen. 3 Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall EUR … 4Die Höchstersatzleistung für all Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt das …-fache dieser Versicherungssumme. 5 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers:…
Fehlanzeige
A. Vermögensschäden A1-6.12.1 AVB BHV entspricht Ziff. 7.6.5.2 BBR BHV. Zu den Einzelheiten siehe die dortige Kom- 17 mentierung (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 48 f.). Der Ausschlusskatalog hat sich um den Buchstaben m) erweitert, weil der Ausschluss von Reiseveranstaltungsschäden in Ziff. 7.6.5.2 lit. e) BBR BHV Eingang in A1-6.12.1 lit. f) AVB BHV gefunden hat. Die Versicherung von Vermögensschäden wegen Versicherungsfällen aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen hat Eingang in A1-6.13 AVB BHV gefunden.
B. Energiemehraufwand Die sublimitierte Versicherung des VN wegen Vermögensschäden aus einem erhöhten Energie- 18 oder Wasserverbrauch aufgrund vom VN mangelhaft erbrachter Installations-, Reparaturoder Wartungsarbeiten in A1-6.12.2 S. 1 AVB BHV ist neu. Soweit A1-6.12.2 Satz 2 AVB BHV Ansprüche infolge der Unwirksamkeit von Energiesparmaßnahmen ausschließt, geht es um Erfüllungsansprüche, für die bereits auf der Ebene der primären Risikobegrenzung nach A1-3.2 AVB BHV kein Versicherungsschutz besteht.
793
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6.13 Schäden durch Verletzung von Datenschutzgesetzen sowie durch Übertragung elektronischer Daten AVB BHV
BBR BHV/BetrH IT/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.13 Schäden durch Verletzung von Datenschutzgesetzen sowie durch Übertragung elektronischer Daten A1-6.13.1 Verletzung von Datenschutzgesetzen 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden – auch Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch durch Sachschäden entstanden sind, sowie immaterielle Schäden – aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verarbeitung personenbezogener Daten. 2 Verarbeitung ist jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. 3 Versichert sind gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch durch Sachschäden entstanden sind, sowie wegen immaterieller Schäden von Versicherten (VN oder mitversicherte Personen) untereinander. 4 Der Ausschluss in A1-7.3 findet insoweit keine Anwendung. 5Die Ausschlüsse in A1-6.12.1, A1-7.9 und A1-7.26 finden keine Anwendung.
Ziff. 7.6.5 BBR BHV Mitversicherung von Vermögensschäden 7.6.5.1 Vermögensschäden – Datenschutz 1 Mitversichert ist – abweichend von Ziff. 7.16 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne der Ziff. 2.1 AHB wegen Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aus der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verwendung personenbezogener Daten. 2 Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.4 AHB – gesetzliche Haftpflichtansprüche von Versicherten untereinander.
A1-6.13.2 Übertragung elektronischer Daten
Ziff. 1 BetrH IT Vertragsgrundlagen Grundlagen des Versicherungsschutzes sind – die beigefügten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und – die folgenden Bestimmungen. Der Versicherungsschutz für das nachfolgend genannte versicherte Risiko besteht ausschließlich über diesen Zusatzbaustein.
A1-6.13.2.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden – auch Tätigkeitsschäden und Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch durch Sachschäden entstanden sind – aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-164
Ziff. 2 BetrH IT Versichertes Risiko Versichert ist, falls auf dem Versicherungsschein oder seinen Nachträgen ausdrücklich vereinbart – insoweit abweichend von Ziff. 7.7, 7.15 und 7.16 AHB – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung
1
794
Datenschutz, Übertragung elektronischer Daten
A1-6 AVB BHV
AVB BHV
BBR BHV/BetrH IT/AHB 2016
elektronischer Daten (z.B. im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger) ausschließlich aus a) der Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten (Datenveränderung) bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme; b) der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten und zwar wegen – sich daraus ergebender Personen- und Sachschäden, nicht jedoch weiterer Datenveränderungen sowie – der Kosten zur Wiederherstellung der veränderten Daten bzw. Erfassung/korrekten Speicherung nicht oder fehlerhaft erfasster Daten; c) der Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch. 2 Für a) bis c) gilt: 3 Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/oder -techniken (z.B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. 4Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen. 5 Verletzt der VN diese Obliegenheit, gilt B3-3.3 (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). d) der Verletzung von Persönlichkeits- und Namensrechten, insoweit besteht auch Versicherungsschutz für immaterielle Schäden, nicht jedoch aus der Verletzung von Urheberrechten. 2Der VR ersetzt auch – Gerichts- und Anwaltskosten eines Verfahrens, mit dem der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den VN begehrt wird, auch wenn es sich um Ansprüche auf Unterlassung oder Widerruf handelt; – Gerichts- und Anwaltskosten einer Unterlassungsoder Widerrufsklage gegen den VN. 3 Für a) bis d) gilt: Die Ausschlüsse in A1-6.12.1 i), A1-7.9 und A1-7.26 finden keine Anwendung.
elektronischer Daten, z.B. im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger, soweit es sich handelt um Schäden aus 2.1 der Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten (Datenveränderung) bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme; 2.2 der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten und zwar wegen – sich daraus ergebender Personen- und Sachschäden, nicht jedoch weiterer Datenveränderungen sowie – der Kosten zur Wiederherstellung der veränderten Daten bzw. Erfassung/korrekten Speicherung nicht oder fehlerhaft erfasster Daten; 2.3 der Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch; 2 Für Ziff. 2.1 bis 2.3 gilt: 3 Dem VN obliegt es, dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/oder -techniken (z.B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. 4Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen. 5 Verletzt der VN diese Obliegenheit, gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). 2.4 der Verletzung von Persönlichkeits- und Namensrechten, insoweit besteht auch Versicherungsschutz für immaterielle Schäden, nicht jedoch aus der Verletzung von Urheberrechten. Der VR ersetzt auch – Gerichts- und Anwaltskosten eines Verfahrens, mit dem der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den VN begehrt wird, auch wenn es sich um Ansprüche auf Unterlassung oder Widerruf handelt; – Gerichts- und Anwaltskosten einer Unterlassungsoder Widerrufsklage gegen den VN.
A1-6.13.2.2 Ausschlüsse Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind a) Ansprüche, die im Zusammenhang stehen mit – massenhaft versandten, vom Empfänger ungewollten elektronisch übertragenen Informationen (z.B. Spamming), – Dateien (z.B. Cookies), mit denen widerrechtlich bestimmte Informationen über Internet-Nutzer gesammelt werden können;
Ziff. 7 BetrH IT Ausschlüsse/Risikoabgrenzungen Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind ergänzend zu Ziff. 7 AHB Ansprüche 7.1 die im Zusammenhang stehen mit – massenhaft versandten, vom Empfänger ungewollten elektronisch übertragenen Informationen (z.B. Spamming), – Dateien (z.B. Cookies), mit denen widerrechtlich bestimmte Informationen über Internet-Nutzer gesammelt werden können;
1
795
Koch
A1-6 AVB BHV
Datenschutz, Übertragung elektronischer Daten
AVB BHV
BBR BHV/BetrH IT/AHB 2016
b) Ansprüche wegen Schäden, die von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen Leitung stehen, geltend gemacht werden; c) Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder durch sonstige bewusste Pflichtverletzungen herbeigeführt haben. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung. d) Ansprüche wegen der Verletzung von Datenschutzgesetzen durch Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Versicherungsschutz hierfür richtet sich nach A16.13.1.
7.2 wegen Schäden, die von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen Leitung stehen, geltend gemacht werden; 7.3 gegen den VN oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder durch sonstige bewusste Pflichtverletzungen herbeigeführt haben; 7.4 auf Entschädigung mit Strafcharakter (punitive und exemplary damages); 7.5 nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
A1-6.13.3 Nicht versicherte Tätigkeiten und Leistungen Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Tätigkeiten oder Leistungen: a) IT-Beratung, -Analyse, -Organisation, -Einweisung, -Schulung; b) Software-Erstellung, -Handel, -Implementierung, -Pflege; c) Netzwerkplanung, -installation, -integration, -betrieb, -wartung, -pflege; d) Bereithalten fremder Inhalte, z.B. Access-, Host-, Full-Service-Providing; e) Betrieb von Rechenzentren und Datenbanken; f) Betrieb von Telekommunikationsnetzen.
Ziff. 6 BetrH IT Nicht versicherte Risiken Nicht versichert sind Ansprüche aus nachfolgend genannten Tätigkeiten und Leistungen: – Software-Erstellung, -Handel, -Implementierung, -Pflege; – IT-Beratung, -Analyse, -Organisation, -Einweisung, -Schulung; – Netzwerkplanung, -installation, -integration, -betrieb, -wartung, -pflege; – Bereithalten fremder Inhalte, z.B. Access-, Host-, FullService-Providing; – Betrieb von Rechenzentren und Datenbanken; – Betrieb von Telekommunikationsnetzen; – Tätigkeiten, für die eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, z.B. nach SigG/SigV, De-Mail-G, besteht.
A1-6.13.4 Serienschaden 1 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall (Serienschaden), der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese a) auf derselben Ursache, b) auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang oder c) auf dem Austausch, der Übermittlung und Bereitstellung elektronischer Daten mit gleichen Mängeln beruhen. 2 A1-5.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 4 Versicherungssumme/Serienschaden 4.2 1Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem Zusammenhang oder – auf dem Austausch, der Übermittlung und Bereitstellung elektronischer Daten mit gleichen Mängeln beruhen. 2 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen.
A1-6.13.5 Schäden im Ausland Versicherungsschutz besteht für Versicherungsfälle im Ausland ausschließlich soweit die Ansprüche in EWR-Staaten oder der Schweiz und nach deren Recht geltend gemacht werden. 2 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten 1
Koch
Ziff. 5 BetrH IT Auslandsschäden Versicherungsschutz besteht – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – für Versicherungsfälle im Ausland. 2 Dies gilt jedoch nur, soweit die versicherten Haftpflichtansprüche in europäischen Staaten und nach dem Recht europäischer Staaten geltend gemacht werden. 1
796
Datenschutz, Übertragung elektronischer Daten
A1-6 AVB BHV
AVB BHV
BBR BHV/BetrH IT/AHB 2016
geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von A1-5.5 – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 3 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. A1-6.8 findet keine Anwendung.
3
A1-6.13.6 Versicherungssumme a) Personenschäden sind im Rahmen der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme versichert. b) 1 Für andere Schäden beträgt die Versicherungssumme je Versicherungsfall EUR … 2 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die Versicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung für Sachschäden.
Ziff. 4 BetrH IT Versicherungssumme/Serienschaden 4.1 1Im Rahmen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen ausgewiesene/-n Versicherungssumme/-n beträgt/betragen die Versicherungssumme/-n für Sachund Vermögensschäden dieser Zusatzversicherung … EUR. 2Die Höchstersatzleistung für alle derartigen Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 3 Personenschäden sind im Rahmen der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme versichert.
Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insb. Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet.
A. Schäden durch Verletzung von Datenschutzgesetzen A1-6.13.1 Satz 1 bis 4 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 7.6.5.1 BBR BHV (Ziff. 7.6 BBR BHV 19 Rn. 47). Anstelle des Begriffes der Verwendung von Daten bedient sich A.1-6.13.1 Satz 1 BBR BHV klarstellend der Formulierung der „Verarbeitung von Daten“, der in A.1-6.13.1 Satz 2 BBR BHV in Übereinstimmung mit Art. 4 Nr. 2 DSGVO definiert wird, als jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Klarstellend heißt es in A.1-6.13.1 Satz 5 AVB BHV, dass die Ausschlüsse in A1-6.12.1, A1-7.9 und A1-7.26 AVB BHV keine Anwendung finden.
B. Schäden durch Übertragung elektronischer Daten A1-6.13.2 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen den Zusatzbedingungen 20 zur Betriebshaftpflichtversicherung für die Nutzer von Internet-Technologien (BetrH IT), die im Teil 9 kommentiert werden. Die Regelung zur Mitversicherung in Ziff. 3 BetrH IT ist in A1-2 AVB BHV enthalten.
797
Koch
A1-6 AVB BHV
A1-6.14 Geothermie
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-6.14 Geothermie Fehlanzeige 1 Eine Geothermie-Anlage ist eine Anlage, in der Erdwärme dem Untergrund entnommen wird. 2 Alle oberirdischen Anlagenteile gehören nicht zu der Geothermie-Anlage im Sinne dieser Bedingungen. Satz 1 und Satz 2 gelten gleichermaßen für Flächengeothermie und Geothermiemittels Bohrung. A1-6.14.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden ausschließlich im Zusammenhang mit a) Flächengeothermie-Anlagen (z.B. Erdkollektoren, Erdwärmekörbe), b) Herstellung und Lieferung von Teilen für Geothermie-Anlagen. 2 Falls Geothermie-Anlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden, versichert werden sollen, kann der Versicherungsschutz durch besondere Vereinbarung im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen erweitert werden. A1-6.14.2 Die folgenden Ausschlüsse finden keine Anwendung: a) A1-7.12 (Senkungen, Erdrutschung und Überschwemmungen), b) A1-7.13 (Bergschaden, Schäden beim Bergbaubetrieb).
21 Versicherungssschutz besteht nach A1-6.14.1 AVB BHV wegen Schäden ausschließlich im Zusammenhang mit Flächengeothermie-Anlagen (z.B. Erdkollektoren, Erdwärmekörbe) oder der Herstellung und Lieferung von Teilen für Geothermie-Anlagen. Unter einer Geothermieanlage ist nach A1-6.14 Satz 1 AVB BHV eine Anlage zu verstehen, in der Erdwärme dem Untergrund entnommen wird. Nicht erwähnt ist der Umweltrisikoausschluss in A1-7.25 AVB BHV, weil Schäden im Zusammenhang mit Flächengeothermie-Anlagen nicht auf einer Umwelteinwirkung beruhen. Es handelt sich hierbei nur um mechanisch vermittelte Schäden (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 336). Versicherungsschutz für Schäden durch Geothermie-Anlagen, die mittels Bohrung errichtet 22 werden oder wurden, bedarf besonderer Vereinbarung.1
1 Zur Zuordnung von Schäden durch Geothermiebohrungen s. Schimikowski RuS 2017 113 ff. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-165
798
A1-7 AVB BHV
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:
Der den Ausschlusstatbeständen vorangestellte Eingangssatz in A1-7 AVB BHV ist inhaltlich 1 identisch mit dem in Ziff. 7 AHB 2016 (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 20 ff.).
A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.1 Vorsätzlich herbeigeführte Schäden 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
7.1 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben.
A1-7.1 Satz 1 AVB BHV ist identisch mit Ziff. 7.1 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung 2 verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 38 ff.). Der Hinweis in A1-7.1 Satz 2 AVB BHV, dass A1-2.3 AVB BHV keine Anwendung findet, spielt für die AHB keine Rolle, da diese keine mit A12.3 AVB BHV vergleichbare Regelung enthalten.
799 https://doi.org/10.1515/9783110522686-167
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Arbeiten und sonstigen Leistungen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit Arbeiten oder sonstige Leistungen erbringen. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
7.2 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben.
3 A1-7.2 Satz 1 AVB BHV weicht insoweit von Ziff. 7.2 AHB 2016 ab, als die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse nicht mehr als Ausschlussgrund aufgeführt wird. Hintergrund der Streichung ist, dass nunmehr in A1-7.26 AVB BHV das Produkthaftpflichtrisiko ausgeschlossen ist. Abgesehen davon kann auf die Kommentierung von Ziff. 7.2 AHB 2016 verwiesen werden (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 120 ff.). Der Hinweis in A1-7.1 Satz 2 AVB BHV, dass A1-2.3 AVB BHV keine Anwendung findet, spielt für die AHB keine Rolle, da diese keine mit A1-2.3 AVB BHV vergleichbare Regelung enthalten.
A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.3 Ansprüche der Versicherten untereinander 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche a) des VN selbst oder der in A1-7.4 benannten Personen gegen die mitversicherten Personen, b) zwischen mehreren VNn desselben Versicherungsvertrags, c) zwischen mehreren mitversicherten Personen desselben Versicherungsvertrags. 2 Diese Ausschlüsse gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der vorgenannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.4 Haftpflichtansprüche (1) des VN selbst oder der in Ziff. 7.5 benannten Personen gegen die Mitversicherten, (2) zwischen mehreren VN desselben Versicherungsvertrages, (3) zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages. zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
4 A1-7.3 AVB BHV ist inhaltsgleich mit Ziff. 7.4 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 166 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-169
800
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.4 Schadensfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.4 Schadensfälle von Angehörigen des VN, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche gegen den VN a) 1 aus Schadensfällen seiner Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; 2 Als Angehörige gelten – Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbare Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, – Eltern und Kinder, – Adoptiveltern und -kinder, – Schwiegereltern und -kinder, – Stiefeltern und -kinder, – Großeltern und Enkel, – Geschwister sowie – Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind). b) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; c) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; d) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der Versicherungsnehmer eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; e) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; f) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern. 2 Die Ausschlüsse unter b) bis e) gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.5 Haftpflichtansprüche gegen den VN (1) 1aus Schadensfällen von seinen Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; 2 Als Angehörige gelten Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarer Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind (2) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; (3) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; (4) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; (5) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; (6) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern; zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
A1-7.4 AVB BHV ist inhaltsgleich mit Ziff. 7.5 AHB 2016, so dass auf die dortige Kommentierung 5 verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 174 ff.). 801 https://doi.org/10.1515/9783110522686-170
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.5 Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.5 Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN oder ein Bevollmächtigter oder Beauftragter des VN diese Sachen geleast, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrags sind.
7.6 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN diese Sachen gemietet, geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages.
6 Nach A1-7.5 AVB BHV sind Miet- und Pachtsachschäden nicht ausgeschlossen. Dagegen besteht auf Basis der BBR BHV/AHB 2016 nur für Mietsachschäden im Umfang von Ziff. 7.1.3.4 BBR BHV Deckung. Hinsichtlich aller sonstigen Begrifflichkeiten sei auf die Kommentierung von Ziff. 7.6 AHB 2016 verwiesen (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 199 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-171
802
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dies gilt auch dann, wenn die Schadensursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
Ziff. 7.8 AHB 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Dies gilt auch dann, wenn die Schadenursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
A1-7.6 AVB BHV entspricht Ziff. 7.8 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 7 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 297 ff.).
803 https://doi.org/10.1515/9783110522686-172
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.7 Asbest AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.7 Asbest Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
7.11 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
8 A1-7.7 AVB BHV entspricht Ziff. 7.11 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 350 ff.).
A1-7.8 Gentechnik
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.8 Gentechnik Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf a) gentechnische Arbeiten, b) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), c) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus GVO oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
7.13 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
9 A1-7.8 AVB BHV entspricht Ziff. 7.13 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 357 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-174
804
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.9 Persönlichkeits- und Namensrechtsverletzungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen.
7.16 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Persönlichkeits- oder Namensrechtsverletzungen.
A1-7.9 AVB BHV entspricht Ziff. 7.16 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 10 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 411 f.).
A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.10 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen.
7.17 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen.
A1-7.10 AVB BHV entspricht Ziff. 7.17 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 11 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 413 ff.).
805 https://doi.org/10.1515/9783110522686-176
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.11 Übertragung von Krankheiten AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.11 Übertragung von Krankheiten Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) 1Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit einer natürlichen versicherten Person resultieren, es sei denn, diese Person beweist, dass sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung. b) Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind, es sei denn, der VN beweist, dass weder er noch eine mitversicherte Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
7.18 1Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN resultieren. 2 Das Gleiche gilt für Sachschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 3In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.
12 A1-7.11 b) AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.18 Satz 2 AHB 2016, so dass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 423 ff.). A1-7.11 a) Satz 1 AVB BHV weicht insoweit von Ziff. 7.18 Satz 1 AHB 2016 ab, als nicht die Übertragung einer Krankheit des VN, sondern einer „natürlichen versicherten Person“ abgestellt wird. Diese Formulierung wird nicht näher definiert. Aus dem Sinnzusammenhang mit A1-7.11 a) Satz 2 AVB BHV folgt jedoch, dass damit nicht nur der VN, sondern auch die nach A1-2 AVB BHV mitversicherten Personen gemeint sind. Da A1-2.3 AVB BHV nicht gilt, schränkt A1-7.11 a) Satz 1 AVB BHV den Versicherungsschutz nicht weiter ein als Ziff. 7.18 Satz 1 AHB 2016. Hier wie dort besteht Eigenversicherungsschutz für die als juristische Person organisierte VN, wenn eines ihrer Organe oder leitenden Angestellten erkrankt und durch die Übertragung dieser Krankheit Dritten ein Schaden zugefügt wird (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 422).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-177
806
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.12 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, welche entstehen durch a) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, b) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (2) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, (3) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
A1-7.12 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.14 (2) und (3) AHB 2016, sodass 13 auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 384 ff.).
A1-7.13 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.13 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) Bergschäden im Sinne des § 114 BBergG, wenn hierdurch Grundstücke, deren Bestandteile und Zubehör beschädigt werden; b) Schäden beim Bergbaubetrieb im Sinne des § 114 BBergG durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.5 wegen Bergschäden (i.S. des § 114 BBergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör; wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S. des § 114 BBergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen.
A1-7.13 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV, sodass auf die 14 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 11 ff.).
807 https://doi.org/10.1515/9783110522686-179
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.14 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder KraftfahrzeugAnhängers verursachen. 2 Eine Tätigkeit der vorstehend genannten Personen an einem Kraftfahrzeug oder Kraftfahrzeug-Anhänger ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Ziff. 7.4.3 BBR BHV Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge (Siehe aber auch Ziff. 7.5 und Tarif XIII) 7.4.3.1 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers verursachen. 7.4.3.2 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 7.4.3.3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 7.4.3.4 Eine Tätigkeit der in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 genannten Personen an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
15 A1-7.14 AVB BHV beschränkt sich auf Ansprüche wegen Schäden durch den Gebrauch von Kfz und Kfz-Anhängern. Für Wasserfahrzeuge s. A1-7.16 AVB BHV. Ansonsten entspricht die Regelung Ziff. 7.4.3.1 und Ziff. 7.4.3.4 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 16 ff.). Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV ist nicht in A1-7.14 AVB BHV aufgeführt, weil A1-2.3 AVB BHV bereits bestimmt, dass unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen entfällt.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-180
808
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.15 Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.15 Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze Ausgeschlossen sind Ansprüche a) wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeugs in Anspruch genommen werden. b) wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeugen bestimmt waren; – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung, Be- und Entladen) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen. c) gegen den VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nießbraucher von Luftlandeplätzen.
Ziff. 7.4.4 BBR BHV Luft-/Raumfahrzeuge 7.4.4.1 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 7.4.4.2 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 7.4.4.3 Nicht versichert ist die Haftpflicht aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeugen bestimmt waren, – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen, und zwar wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge. Sonderregelung zu Ziff. 7.4.3 und 7.4.4: Privathaftpflicht: Tarif IX Ziff. 3. Unterrichtswesen: Tarif X Ziff. 1.4 und Ziff. 2.4
A1-7.15 AVB BHV tritt an die Stelle von Ziff. 7.4.4 BBR BHV. A1-7.15 lit. a) AVB BHV ist inhaltsgleich 16 mit Ziff. 7.4.4.1 BBR BHV. A1-7.15 lit. b) AVB BHV ist inhaltsgleich mit Ziff. 7.4.4.3 BBR BHV. Neu hinzugekommen ist A1-7.15 lit. c) AVB BHV, der Haftpflichtansprüche gegen den VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nießbraucher von Luftlandeplätzen ausschließt. Ziff. 7.4.4.2 BBR BHV ist nicht in A1-7.15 AVB BHV aufgeführt, weil A1-2.3 AVB BHV bereits bestimmt, dass unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen entfällt.
809 https://doi.org/10.1515/9783110522686-181
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.16 Wasserfahrzeuge
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.16 Wasserfahrzeuge 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 2 Eine Tätigkeit der vorstehend genannten Personen an einem Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Wasserfahrzeugs ist und wenn das Wasserfahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Ziff. 7.4.3 BBR BHV Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge (Siehe aber auch Ziff. 7.5 und Tarif XIII). 7.4.3.2 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 7.4.3.3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 7.4.3.4 Eine Tätigkeit der in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 genannten Personen an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
17 A1-7.16 AVB BHV schließt Ansprüche wegen Schäden durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges aus. Diese Regelung entspricht dem Ausschluss gem. Ziff. 7.4.3.2 und Ziff. 7.4.3.4 BBR BHV. Auf die dortige Kommentierung kann verwiesen werden (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 21 und Rn. 23 ff.). Ziff. 7.4.3.3 BBR BHV ist nicht in A1-7.14 AVB BHV aufgeführt, weil A1-2.3 AVB BHV bereits bestimmt, dass unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen entfällt.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-182
810
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.17 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.17 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbstständigen und nichtselbstständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.4 aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbständigen und nichtselbständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb;
A1-7.17 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.4 BBR BHV, sodass auf die 18 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 10).
A1-7.18 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.18 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich – auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder – unmittelbar auf hoheitlichen Verfügungen oder Maßnahmen beruhen. 2 Das Gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.1 wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben;
A1-7.18 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV, sodass auf die 19 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 2).
811 https://doi.org/10.1515/9783110522686-184
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.19 Entschädigungen mit Strafcharakter
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7.19 Entschädigungen mit Strafcharakter Ausgeschlossen sind Ansprüche auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages;
20 A1-7.19 AVB BHV entspricht Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 3).
A1-7.20 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.20 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Artikel 1231-1 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.3 nach den Art. 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
21 A1-7.20 AVB BHV entspricht Ziff. 7.4.1.3 BBR BHV. Seit dem 1.10.2016 hat Art. 1147 des französischen Code Civil (CC) Eingang in Art. 1231-1 CC gefunden (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 4).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-186
812
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.21 Arzneimittel AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.21 Arzneimittel Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) an Verbraucher abgegebene Arzneimittel, für die der VN in der Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des AMG eine Deckungsvorsorge zu treffen hat.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.2 wegen Personenschäden durch im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) an Verbraucher abgegebene Arzneimittel, für die der VN in der Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer i.S. des AMG eine Deckungsvorsorge zu treffen hat;
A1-7.21 AVB BHV entspricht Ziff. 7.4.2.2 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwie- 22 sen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 8).
A1-7.22 Sprengstoffe, Feuerwerke AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.22 Sprengstoffe, Feuerwerke Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.3 aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken;
A1-7.22 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.3 BBR BHV, so dass auf die 23 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 9).
813 https://doi.org/10.1515/9783110522686-188
Koch
A1-7 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.23 Brennbare und explosible Stoffe
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.23 Brennbare und explosible Stoffe 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden durch bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen verursacht haben. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 7.4.5 BBR BHV Brand- und Explosionsschäden Nicht versichert sind Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden durch bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen verursachen.
24 A1-7.23 Satz 1 AVB BHV entspricht Ziff. 7.4.5 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff- 7.4 BBR BHV Rn. 31 ff.). Der Hinweis in A1-7.23 Satz 2 AVB BHV, dass A1-2.3 AVB BHV keine Anwendung findet, spielt für die BBR BHV/AHB 2016 keine Rolle, da diese keine mit A1-2.3 AVB BHV vergleichbare Regelung enthalten.
A1-7.24 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.24 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen bei a) Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; b) Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m.
Ziff. 7.6.2 BBR BHV Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen 1 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen – bei Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; – bei Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m. 2 Ziff. 7.10 (b) AHB bleibt unberührt. 3 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
25 A1-7.24 AVB BHV entspricht Ziff. 7.6.2 Satz 1 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 13 ff.). Der Hinweis in Ziff. 7.6.2 Satz 2 BBR BHV, der nur deklaratorische Bedeutung hat, ist nicht in A1-7.24 AVB BHV enthalten.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-190
814
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.25 Umweltrisiko AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A1-7.25 Umweltrisiko Ausgeschlossen sind a) 1Ansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. 2 Siehe hierzu A2 (Umweltrisiko).
7.10(b) 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. 2Dieser Ausschluss gilt nicht (1) im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken oder (2) für Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse (auch Abfälle), durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht). 3 Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für Schäden durch Umwelteinwirkung, die aus der Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von – Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHGAnlagen); – Anlagen gem. Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG-Anlagen); – Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen; – Abwasseranlagen- oder Teilen resultieren, die ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind.
b) 1Ansprüche, die gegen den VN wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz oder anderen auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/ 35/EG) basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen geltend gemacht werden. 2Dies gilt auch dann, wenn der VN von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Anspruch genommen wird. 3 Siehe hierzu A2 (Umweltrisiko). 4 Der Versicherungsschutz bleibt aber für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten.
7.10(a) 1Ansprüche, die gegen den VN wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz oder anderen auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/ EG) basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen geltend gemacht werden. 2Dies gilt auch dann, wenn der VN von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Anspruch genommen wird. 3 Der Versicherungsschutz bleibt aber für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 4 Dieser Ausschluss gilt nicht im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken.
A1-7.25 lit. a) AVB BHV stellt abweichend von Ziff. 7.10 lit. b) AHB 2016 die Versicherung von 26 Umwelthaftpflichtrisiken im Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko auf Null und weist sie dem Umweltrisiko-Abschnitt A2 AVB BHV zu. 815 https://doi.org/10.1515/9783110522686-191
Koch
A1-7 AVB BHV
27
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7.25 lit. b) Satz 1 bis 3 AVB BHV stellt abweichend von Ziff. 7.10 lit. a) AHB 2016 die Versicherung von Umweltschadensrisiken im Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko ebenfalls auf Null und weist sie dem Umweltrisiko-Abschnitt A2 AVB BHV zu. Nach A1-7.25 lit. b) Satz 4 AVB BHV, der identisch ist mit Ziff. 7.10 lit. a) Satz 3 AHB 2016, bleibt der Versicherungsschutz im Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko lediglich für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des USchadG oder anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 326).
Koch
816
Allgemeine Ausschlüsse
A1-7 AVB BHV
A1-7.26 Produkthaftpflichtrisiko AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.26 Produkthaftpflichtrisiko Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, soweit diese durch vom VN – hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, – erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden und der VN die Erzeugnisse in den Verkehr gebracht, die Arbeiten abgeschlossen oder die Leistungen ausgeführt hat. Siehe hierzu Abschnitt A3 (Produkthaftpflichtrisiko) sowie die Regelung zum Umwelt-Produktrisiko in Abschnitt A2 (Umweltrisiko).
Ziff. 7.1.3.2 BBR BHV Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung (im Falle besonderer Vereinbarung) Die Versicherung des Erweiterten ProdukthaftpflichtRisikos erfolgt nach den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell).
A1-7.26 AVB BHV stellt die Versicherung des allgemeinen Produkthaftpflichtrisikos und die Versi- 28 cherung des nicht-anlagenspezifischen Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos im Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko auf Null und weist die Versicherung des allgemeinen Produkthaftpflichtrisikos Abschnitt A3-1 AVB BHV und die Versicherung des nicht-anlagenspezifischen Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos, für das nach Ziff. 7.10 lit. b) (2) AHB 2016 Deckung besteht, Abschnitt A2 AVB BHV zu.
A1-7.27 Kommissionsware AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A1-7.27 Kommissionsware Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an Kommissionsware und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.
Fehlanzeige
Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Ansprüche wegen Schäden an Kommissionsware 29 und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. Die Kommissionsklausel erweitert die Besitzklausel der Ziff. 7.6 AHB 2016, die den Kommissonsvertrag nicht erfasst (Zif. 7 AHB 2016 Rn. 222). Der Ausschluss greift nur dann ein, wenn der VN in seiner Eigenschaft als Kommissionär wegen Beschädigung des Kommissionsgutes in Anspruch genommen wird (vgl. § 390 HGB). Beschädigt eine Malerfirma die Ware beim Anstreichen des Lagerraums, verliert sie ihren (eigenen) Betriebshaftpflichtversicherungsschutz vorbehaltlich von Tätigkeitsausschlüssen nicht.1
1 Vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rinteln § 32 Rn. 139. 817 https://doi.org/10.1515/9783110522686-193
Koch
A1-8 AVB BHV
A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-8 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) Versichert ist auch die gesetzliche Haftpflicht des VN A1-8.1 1aus Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos. 2Dies gilt nicht a) für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen, b) für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen sowie c) für Risiken im Zusammenhang mit GeothermieAnlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden. A1-8.2 1aus Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. 2In diesen Fällen ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 3 Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
Ziff. 3 AHB Versichertes Risiko 3.1 Der Versicherungsschutz umfasst die gesetzliche Haftpflicht (2) 1aus Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. 2Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen, 3.2 1Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. 2Der VR kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 21 kündigen.
1 A1-8 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen und der Herausnahme von Risiken im Zusammenhang mit Geothermie-Anlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden, Ziff. 3.1 (2) und 3.2 AHB 2016. Zu den Einzelheiten siehe die dortige Kommentierung (Ziff 3 AHB 2016 Rn. 13 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-194
818
A1-9 AVB BHV
A1-9 Neu hinzukommende Risiken AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-9 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A1-9.1 1Im Umfang des bestehenden Vertrags ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrags neu entstehen, sofort versichert. 2 Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 3Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 4Unterlässt der VN die rechtzeitige Anzeige, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 5 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. 6 Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 7Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rück-wirkend ab dessen Entstehung.
4. Vorsorgeversicherung 4.1 Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu entstehen, sind im Rahmen des bestehenden Vertrages sofort versichert. (1) 1Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 2 Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 3Unterlässt der VN die rechtzeitige Anzeige, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 4Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versi-cherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. (2) 1Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 2Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung.
A1-9.2 Variante für getrennte Versicherungssummen: Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von A1-9.1 Absatz 4 auf den Betrag von EUR … für Personenschäden und EUR … für Sach-schäden und – soweit vereinbart – EUR … für Vermögensschäden begrenzt. Variante für pauschale Versicherungssummen: Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von A1-9.1 Absatz 4 auf den Betrag von EUR … für Personen- und Sachschäden und – soweit vereinbart – EUR … für Vermögensschäden begrenzt.
4.2 Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von Ziff. 4.1 (2) auf den Betrag von EUR … für Personenschäden und EUR … für Sachschäden und – soweit vereinbart – EUR … für Vermögensschäden begrenzt, sofern nicht im Versicherungsschein geringere Versicherungssummen festgesetzt sind.
A1-9.3 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für a) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs,
4.3 1Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für Risiken (1) aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese
819 https://doi.org/10.1515/9783110522686-195
Koch
A1-9 AVB BHV
Neu hinzukommende Risiken
AVB BHV
b) c) d)
e)
soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; Risiken, die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind; für Risiken im Zusammenhang mit GeothermieAnlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden.
BBR BHV/AHB 2016 Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; (2) aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; (3) die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; (4) die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind. 2 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt bei privaten Haftpflichtversicherungen außerdem nicht für Risiken aus betrieblicher, beruflicher, dienstlicher und amtlicher Tätigkeit.
1 A1-9 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen Ziff. 4 AHB 2016. Ergänzt werden die von der Vorsorgeversicherung ausgenommenen Risiken um solche im Zusammenhang mit Geothermie-Anlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden. Neu ist, dass Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, dass mit VN Kunden getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind (A1-9.2 AVB BHV). Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung zu Ziff 4 AHB 2016.
Koch
820
A1-10 AVB BHV
A1-10 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe
AVB BHV
BBR BHV/AHB 2016
Teil A Abschnitt A1 – Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko A1-10 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung) Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 1 Wird der Versicherungsvertrag allein wegen des vollständigen und dauerhaften Wegfalls des versicherten Risikos wegen Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktions- oder Liefereinstellung (nicht aus anderen Gründen, wie z.B. Änderung der Rechtsform) beendet, besteht für nach der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene Versicherungsfälle Versicherungsschutz im Umfang des Vertrags, wie folgt: 2 Der Versicherungsschutz a) gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet; b) besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Umfang des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsvertrags, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall jedoch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 3 Die in den vorgenannten Zeitraum fallenden Versicherungsfälle werden so behandelt, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten.
Ziff. 7.9 BBR BHV Nachhaftungs-Versicherung für Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (für die der Versicherungsfall Schadenereignis gilt) Falls besonders vereinbart: 1 Wird der Versicherungsvertrag allein wegen des vollständigen und dauerhaften Wegfalls des versicherten Risikos wegen Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktionsoder Liefereinstellung (nicht aus anderen Gründen, wie z.B. Änderung der Rechtsform) beendet, besteht für nach der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene Versicherungsfälle Versicherungsschutz im Umfang des Vertrags, wie folgt: 2 Der Versicherungsschutz – gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet; – besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Umfang des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsvertrages, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall jedoch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das V-Verhältnis endet. 3 Die in den vorgenannten Zeitraum fallenden Versicherungsfälle werden so behandelt, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten. 4 In den Fällen des vollständigen und dauernden Wegfalls versicherter Risiken (z.B. Betriebs- oder Praxisaufgabe; auch Tod des VN) sollte auf die Möglichkeit einer Nachhaftungs-Versicherung hingewiesen werden. 5 Die Nachhaftungs-Versicherung umfasst nach Beendigung des Vertrages eintretende Versicherungsfälle, die durch eine betriebliche/berufliche Tätigkeit vor diesem Zeitpunkt herbeigeführt wurden. 6Es gelten die zum Vertrag vereinbarten Bedingungen und Versicherungssummen.
A1-10 AVB BHV entspricht mit wenigen redaktionellen Änderungen Ziff. 7.9 Satz 1 bis 3 BBR BHV. 1 Die Hinweispflicht in Ziff. 7.9 Satz 4 BBR BHV ist nicht in A1-10 AVB BHV enthalten. Ziff. 7.9 Satz 5 und 6 BBR BHV finden sich ebenfalls nicht in den AVB BHV, da sie überflüssig sind. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung zu Ziff 7.9 AHB 2016.
821 https://doi.org/10.1515/9783110522686-196
Koch
A(GB) AVB BHV
Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A
BBR BHV/AHB 2016
A(GB)-1 Abtretungsverbot
S. Ziff. 28 AHB
A(GB)-2 Veränderungen des versicherten Risikos und Auswirkung auf den Beitrag (Beitragsregulierung)
S. Ziff. 13 AHB
A(GB)-3 Beitragsangleichung und Kündigungsrecht nach Beitragsangleichung
S. Ziff. 15 und 18 AHB
A(GB)-4 Schiedsgerichtsvereinbarungen (gilt nicht für private Haftpflichtrisiken) A(GB)-4.1 Die Vereinbarung von Schiedsgerichtsverfahren vor Eintritt eines Versicherungsfalls beeinträchtigt den Versicherungsschutz nicht, wenn das Schiedsgericht folgenden Mindestanforderungen entspricht: – 1Das Schiedsgericht besteht aus mindestens drei Schiedsrichtern. 2Der Vorsitzende muss Jurist sein und soll die Befähigung zum Richteramt haben. 3 Haben die Parteien ihren Firmensitz in verschiedenen Ländern, darf er keinem Land der Parteien angehören. – 1Das Schiedsgericht entscheidet nach materiellem Recht und nicht lediglich nach billigem Ermessen (ausgenommen im Falle eines Vergleichs, sofern dem VR die Mitwirkung am Verfahren ermöglicht wurde). 2Das anzuwendende materielle Recht muss bei Abschluss der Schiedsgerichtsvereinbarung festgelegt sein. – 1Der Schiedsspruch wird schriftlich niedergelegt und begründet. 2In seiner Begründung sind die die Entscheidung tragenden Rechtsnormen anzugeben. A(GB)-4.2 1Der VN ist verpflichtet, dem VR die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren unverzüglich anzuzeigen und dem VR die Mitwirkung am Schiedsgerichtsverfahren entsprechend der Mitwirkung des VR an Verfahren des ordentlichen Rechtsweges zu ermöglichen. 2Hinsichtlich der Auswahl des vom VN zu benennenden Schiedsrichters ist dem VR eine entscheidende Mitwirkung einzuräumen. 3 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt B3-3.3 (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
Ziff. 7.6.6 BBR BHV Schiedsgerichtsvereinbarungen Die Vereinbarung von Schiedsgerichtsverfahren vor Eintritt eines Versicherungsfalles beeinträchtigt den Versicherungsschutz nicht, wenn das Schiedsgericht folgenden Mindestanforderungen entspricht: – 1Das Schiedsgericht besteht aus mindestens drei Schiedsrichtern. 2Der Vorsitzende muss Jurist sein und soll die Befähigung zum Richteramt haben. 3 Haben die Parteien ihren Firmensitz in verschiedenen Ländern, darf er keinem Land der Parteien angehören. – 1Das Schiedsgericht entscheidet nach materiellem Recht und nicht lediglich nach billigem Ermessen (ausgenommen im Falle eines Vergleichs, sofern dem VR die Mitwirkung am Verfahren ermöglicht wurde). 2 Das anzuwendende materielle Recht muss bei Abschluss der Schiedsgerichtsvereinbarung festgelegt sein. – 1Der Schiedsspruch wird schriftlich niedergelegt und begründet. 2In seiner Begründung sind die die Entscheidung tragenden Rechtsnormen anzugeben. 2 Der VN ist verpflichtet, dem VR die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren unverzüglich anzuzeigen und dem VR die Mitwirkung am Schiedsgerichtsverfahren entsprechend der Mitwirkung des VR an Verfahren des ordentlichen Rechtsweges zu ermöglichen. 3Hinsichtlich der Auswahl des vom VN zu benennenden Schiedsrichters ist dem VR eine entscheidende Mitwirkung einzuräumen. 1
1 A(GB)-4 AVB BHV unterscheidet sich von Ziff. 7.6.6 BBR BHV vom Wortlaut nur dadurch, dass in A(GB)-4.2 Satz 3 AVB BHV ein Hinweis auf die Rechtsfolgen der Verletzung einer dieser Obliegenheiten gegeben wird. Hierdurch wird klargestellt, dass es sich bei den Pflichten in A(GB)-4.2 Satz 1 und 2 AVB BHV um Obliegenheiten handelt.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-197
822
B AVB BHV
Teil B Allgemeiner Teil Teil B Allgemeiner Teil
BBR BHV/AHB 2016
s. Kommentierung AVB PHV
s. Gegenüberstellung AVB PHV
823 https://doi.org/10.1515/9783110522686-198
Koch
Teil 5 Produkthaftpflichtversicherung A. Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell) (ProdHM) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: August 2008 und Januar 2015)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Einleitung ProdHM 2008
ProdHM 2015
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko
Ziff. 2 Versichertes Risiko
Ziff. 2 Versichertes Risiko und mitversicherte Personen
Ziff. 3 Mitversicherte Personen
Ziff. 3 Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
Ziff. 4 Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes
Ziff. 4 Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
Ziff. 4.1 Personen- und Sachschäden aufgrund von Sachmängeln infolge Fehlens von vereinbarten Eigenschaften
Ziff. 4.1 Begriffsbestimmungen/Anwendbarkeit von Ziff. 3.2
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschäden
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschäden
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten Ziff. 4.4.5/4.4.6 Aus- und Einbaukosten beim Einzelteileaustausch und Reparaturkosten (fakultativ)
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ)
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ)
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten (fakultativ)
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten; Versicherungsschutz gemäß Ziffer 4.2 bis 4.5 für Produkte mit Mangelverdacht (fakultativ)
Ziff. 5 Auslandsdeckung
Ziff. 5 Auslandsdeckung
Ziff. 6 Risikoabgrenzungen
Ziff. 6 Risikoabgrenzungen
Ziff. 7 Zeitliche Begrenzung
Ziff. 7 Zeitliche Begrenzung
Ziff. 8 Versicherungsfall und Serienschaden
Ziff. 8 Versicherungsfall und Serienschaden
Ziff. 9 Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt
Ziff. 9 Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt
Ziff. 10 Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/ neue Risiken
Ziff. 10 Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/ neue Risiken
825 https://doi.org/10.1515/9783110522686-200
Koch
ProdHM 2008/2015
Schrifttum
Schrifttum Armbrüster Neue Bedingungen in der Produkthaftpflicht, VW 2014 70; Bechler Produkthaftpflichtversicherung: Ausund Einbaukosten, (2010); Beckmann Versicherungsschutz für Rückrufkosten – unter besonderer Berücksichtigung eines Anspruchs auf Ersatz von Rettungskosten gem. §§ 62, 63 VVG RuS 1997 265; Brügermayer Die vertragsrechtliche Haftung für fehlerhafte Produkte und der deliktsrechtliche Eigentumsschutz nach § 823 Abs. 1 BGB, VersR 1983 501; Burckhardt Das Ende kostenloser Nachrüstung beim Rückruf von Produkten? VersR 2007 1601; Czeremuga „Was richtig erprobt ist, geht nicht kaputt!“ – Verteidigungsstrategien gegen den Einwand der mangelnden Erprobung, VersPrax 2017 40; Dinzen Rückrufkostendeckung und Haftpflicht aus einer Hand? VW 2006 1185; Ermert/Zölch Produkthaftpflicht, Haftung und Versicherungsschutz, 6. Aufl. (2011); Fausten Zur Modifizierung der Experimentierklausel im Rahmen von Produkthaftpflichtversicherungen, VersR 1996 411; Fenyves Die rechtliche Behandlung von Serienschäden in der Haftpflichtversicherung (1988); Foerste/Graf von Westphalen Produkthaftungshandbuch 3. Aufl. (2012)(zitiert Produkthaftungshandbuch3/Bearbeiter); Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Erläuterungen zu den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen Produkthaftpflichtversicherung von Industrieund Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell)(Stand: August 2008), abgedruckt in Thürmann/Kettler 297; Grote Ein- und Ausblicke bei Aus- und Einbaukosten, VersR 1995 508; ders. Der Herstellerregress beim Produktrückruf, VersR 1994 1269; Hoffmann Produktrückruf – ein Haftpflichtrisiko? (Teil 1), PHI 1999 35; Kettler ProdukthaftpflichtModell 2015: Mit Vorsicht zu genießen oder empfehlenswert? VP 2017 18; ders. Renaissance der Rückrufkostendiskussion: Ist die Rückrufpflicht mit kostenloser Reparatur ein – teurer – Irrtum? PHI 2008 52; Kettler/Bäcker Die neue Struktur der betrieblichen Haftpflichtversicherung in Deutschland, PHI 2015 130; Kettler/Visser Die Neufassung der GDV-Modelle zur Rückrufkostenversicherung, PHI 2004 213 und PHI 2005 2; Kettler/Waldner Die Struktur der Erprobungsklausel im Produkthaftpflichtmodell, VersR 2004 413; Klinkhammer Grenzen der Haftung beim Produktrückruf, VP 2009 49; Koch Folgen der „Boston-Scientific“-Urteile des EuGH vom 5. 3. 2015 (VersR 2015, 900) und des BGH vom 9. 6. 2015 (VersR 2015, 1038) für die Produkthaftung und die Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, VersR 2015 1467; ders. Versicherbarkeit von IT-Risiken in der Sach-, Vertrauensschaden- und Haftpflichtversicherung (2005); Koch/Artz Prüfstand AGB-Gesetz: Die Erprobungsklausel gem. Ziff. 6.6 des Produkthaftpflicht-Modells (1987), DB 2001 1599; Krause Das neue Produkthaftpflicht-Versicherungsmodell für Produktions- und Handelsbetriebe (Verbandsmodell des GDV vom März 2000), NVersZ 2001 103; ders. Deckung von Rückrufkosten und Unternehmerrisiko, NVersZ 1999 153; Krins Haftung und Versicherung in der Kontraktlogistik, TranspR 2007 269; Link Gesetzliche Regressansprüche bei Produzentenhaftung gegenüber dem Zulieferer, BB 1985 1424; Littbarski Produkthaftpflichtversicherung 2. Aufl. (2014); Manderfeld/Böckmann/Kluth Versicherungsschutz für Haftpflichtrisiken aus fehlerhafter Produktberatung, VersR 2003 1350; Meyer-Kahlen Der Serienschaden in der Produkt-Haftpflichtversicherung, VersR 1976 8; Michael-Ganz Produktsicherheitsschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1999 151; Mühlbauer Die Besonderheiten der Produkthaftpflicht luftfahrttechnischer Betriebe unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung, VersR 2007 184; ders. Die Schnittstellen der Luftfahrtversicherung zu anderen Versicherungssparten, VersR 2008 1045; Nickel Der Tätigkeitsschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1987 965; ders. Der Tätigkeitsschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1987 965; ders. Streit um den Rückruffall – Deckung in keinem Vertrag? VW 2006 820; ders. Die neuen Grundlagen der Produkt-Haftpflichtversicherung, VW 2005 1652; Nickel/Nickel-Fiedler Produkt-Haftpflichtversicherungsrecht (2010); Schimikowski Abgrenzung und Regulierung von Sach- und Vermögensschäden in der Produkthaftpflichtversicherung – Neuerungen im Produkthaftpflichtmodell 2015, VersPrax 2016 3; ders. Experimentier- und Entwicklungsrisikoausschlüsse in Planungshaftpflichtversicherungen, VersR 2002 1313; ders. Produkthaftpflichtversicherung: Austauschkosten und wirtschaftlich vertretbare Ersatzlösung, RuS 2002 45; Schilbach Versicherungsschutz für Hersteller fehlerverdächtiger Medizinimplantate – Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Produkthaftpflicht- und Rückrufkostendeckung, RuS 2019 561; Schlegelmilch Die Absicherung der Produkthaftpflicht 2. Aufl. (1978); Schmidt-Salzer Produkthaftung, Bd. IV Produkthaftpflichtversicherung, Teil 1, 2. Aufl. (1990); Sieder/Zeitler WHG AbwAG 44. Ergänzungslieferung (2012); Schwabe Die Erprobungsklausel in der Produkthaftpflichtversicherung, VersR 2002 785; Taeger Haftung für Verdachtsfehler aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG, ZfPC 2022 62; Tamme Rückrufkosten, Haftung und Versicherung (1996); Terrahe Haftungs- und Deckungssituation für Aus- und Einbaukosten nach dem neuen Kaufrecht VersR 2004 680; Thürmann Rückruf und Haftpflichtversicherung nach AHB und ProdHB, NVersZ 1999 145; dies. Das neue Produkthaftpflichtmodell, PHI 2000 163; ders. Die Themen kehren wieder … – Alte und neue Fragen der Produkthaftpflichtversicherung nach 30 Jahren, PHI-Sonderheft 2002 24; Thürmann/Kettler Produkthaftpflichtversicherung und Ausgewählte Fragen der Produkthaftung 7. Aufl. (2019); Wagner Haftung und Versicherung als Instrumente der Techniksteuerung, VersR 1999 1441; Graf von Westphalen Produkthaftpflicht-Bedingungen (2002) für gesetzliche und/oder vertragliche Schadensersatzansprüche, PHI 2004 172; ders. Waren- oder Rückrufaktion bei nicht sicheren Produkten: §§ 8, 9 ProdSG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB – rechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen, DB 1999 1369; ders. Produkthaftungshandbuch Bd. 1 1. Aufl. (1997) und 2. Aufl. (1999)(zitiert Produkthaftungshandbuch½/Bearbeiter); ders. Die Produkthaft-
Koch
826
Vorbemerkung
ProdHM 2008/2015
pflichtversicherung des HUK-Modells, BB 1974 625; Wiesenhütter/Ottes Erprobung von Software unter dem Gesichtspunkt der Erprobungsklausel im Produkthaftpflicht-Modell, DS 2012 309; Zölch Die Versicherung der Haftung für vereinbarte Eigenschaften nach dem Produkthaftpflichtmodell 2002, PHI 2005 16; ders. Die Überarbeitung des Produkthaftpflicht-Modells im Jahre 2002 (Teil 1), PHI 2002 166; Die Überarbeitung des Produkthaftpflicht-Modells im Jahre 2002 (Teil 2), PHI 2002 236.
Vorbemerkung Der nachstehenden Kommentierung des Produkthaftpflicht-Modells (ProdHM) liegen die unver- 1 bindlichen Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) i.d.F. aus den Jahren 2008 und 2015 zugrunde.1 Das ProdHM geht zurück auf das Verbandsmodell über die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung, das der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Versicherungsschutzverband (DVS) und der damalige Verband der Haftpflichtversicherer, Autoversicherer und Rechtsschutzversicherer (HUK-Verband) im Jahre 1973 gemeinsam erarbeiteten.2 In einer geschäftsplanmäßigen Erklärung gegenüber dem damaligen Bundesaufsichtsamt 2 für das Versicherungswesen (BAV)3 verpflichteten sich alle VR, das Verbandsmodell zunächst nur für solche Betriebe zu verwenden, die sich mit der Gewinnung, Erzeugung oder Herstellung von Rohstoffen, Halb- oder Fertigfabrikaten sowie mit dem Vertrieb solcher Produkte befassen (Industriebetriebe), und die Deckung des Produkthaftpflichtrisikos nur zusammen mit dem Stammrisiko (= Betriebsstättenrisiko) anzubieten. Damit sollten Überschneidungen im Versicherungsschutz vermieden werden.4 Die VR versicherten das Produkthaftpflichtrisiko somit nicht im Rahmen eines selbstständigen Versicherungsvertrages, sondern stets nur zusammen mit dem Betriebsstättenrisiko (auch Betriebsrisiko genannt). Diese Praxis, die bis heute im Grundsatz fortgilt, führt bei Abschluss der Produkthaftpflichtversicherung zu einer Drei-, bei Indeckungnahme des Rückrufkosten- und Umwelthaftpflichtrisikos zu einer Vier- oder Fünfteilung. Ein Allgemeiner Teil I enthält alle Vertragsbestimmungen, die auch für die folgenden Vertragsteile gelten, wie z.B. Betriebsbeschreibung, mitversicherte Personen und nicht versicherte Risiken. Teil II regelt das Betriebsstättenrisiko sowie die Risiken aus Haus- und Grundbesitz und einzelne Nebenrisiken (zu diesem Begriff Ziff. 7 BBR BHV Rn. 19). In Teil III wird das Produkthaftpflichtrisiko nach Maßgabe des ProdHM erfasst. Die Teile IV und V regeln die Risiken aus dem Rückruf von Produkten und aus Umweltbeeinträchtigungen.5 Im Jahre 1975 wurde der Adressatenkreis des Verbandsmodells auf Großhandelsbetrie- 3 be6 und schließlich im Jahre 1987 auf alle Handelsbetriebe ausgedehnt.7 In den Jahren 1999 und 2000 erfolgte eine eingehende Überarbeitung des Modells durch den GDV ohne Beteiligung des BDI und des DVS.8 2002 wurde infolge der Änderungen des Haftungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eine erneute Überarbeitung erforderlich. Die Anpassungen
1 Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/64012/5384b97970708c11d24d87f9af79df5f/10-be sondere-bedingungen-und-risikobeschreibungen-fuer-die-produkthaftpflichtversicherung-von-industrie-und-hande lsbetrieben-produkthaftpflicht-modell-data.pdf (zuletzt abgerufen am 9.8.2022). 2 Abgedruckt in VW 1973 1409 ff.; s. hierzu Schmidt-Salzer/Schmidt-Salzer Rn. 7. 148 ff.; Thürmann/Kettler/Thürmann 7 ff.; Littbarski Einl. Rn. 16 ff. 3 Abgedruckt bei Späte AHB 722 und 807. 4 Späte ProdHM Rn. 3. 5 Vgl. Ermert/Zölch 122; OLG Hamm 27.3.2009 – 20 U 87/08, RuS 2011 284. 6 VerBAV 1975 187. 7 VerBAV 1987 3. 8 Hierzu Thürmann/Kettler/Thürmann 10 ff.; zu den Zielgruppen des ProdHM s. Krause NVersZ 2001 103. 827 https://doi.org/10.1515/9783110522686-201
Koch
ProdHM 2008/2015
Vorbemerkung
danach waren vor allem den Änderungen der AHB im Jahre 2004 geschuldet.9 Die Änderungen in den Jahren 2006 und 2008 betrafen die Prüf- und Sortierklausel (Ziff. 4.6 ProdHM). 4 Seit dem Jahr 2013 hat der GDV damit begonnen, für alle Sparten der Haftpflichtversicherung neue Musterbedingungen zu entwickeln, mit denen die Zweiteilung zwischen Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Form der AHB und den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen in Form des ProdHM aufgegeben und durch ein einheitliches, durchgeschriebenes und AHB-freies Bedingungswerk ersetzt wird. Für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung wurden diese Bedingungen (AVB BHV), einschließlich der Deckung des Produkthaftungsrisikos, im August 2014 erstmals veröffentlicht. Die Regelungen des ProdHM 2008 haben mit einigen Änderungen, die nicht nur redaktioneller Natur sind, sondern auch den Umfang der Deckung betreffen, Eingang in Abschnitt A3 AVB BHV gefunden.10 Diese Änderungen wurden in das AHB-basierte ProdHM 2015 „zurückgespiegelt“.11 Das ProdHM 2015 wird seit April 2020 nicht mehr weitergepflegt. Weitergepflegt werden nur noch die AVB BHV.12 5 Es gibt bislang keine Rechtsprechung zum ProdHM 2015 und zu A3 AVB BHV. Die Kommentarliteratur stellt vorrangig auf das ProdHM 2008 ab.13 Beides lässt darauf schließen, dass weder das ProdHM 2015 noch die AVB BHV von praktischer Bedeutung bei der Schadensregulierung sind. Über die Gründe für die fehlende Marktakzeptanz lässt sich nur spekulieren. Es dürfte vor allem an den konzeptionellen Neuerungen liegen, die das Verhältnis von Sachschadensdeckung zur Vermögensschadensdeckung in den Bausteinen 4.2 ff. ProdHM 2015 betreffen und Anlass zu neuen Auslegungsfragen geben.14 Es ist deshalb verständlich, dass Makler und VN nicht auf das ProdHM 2015, sondern auf das ihnen vertrauter scheinende ProdHM 2008 zurückgreifen und zur Grundlage für Deckungserweiterungen machen. Deshalb wird dieser Kommentierung weiterhin das ProdHM 2008 als Ausgangspunkt zugrundegelegt. Die Abweichungen des ProdHM 2015 vom ProdHM 2008 werden synoptisch dargestellt und im Detail im Anschluss an die Kommentierung der jeweils einschlägigen Klauseln des ProdHM 2008 behandelt. Auf A3 AVB BHV wird in Teil 5 B gesondert eingegangen. Abweichend von sonstigen Darstellungen wird zum besseren Verständnis nicht auf Absätze, sondern auf die Sätze in den jeweiligen Klauseln Bezug genommen, die durchnummeriert und durch hochgestellte Ziffern gekennzeichnet werden.
9 Zur Entstehungsgeschichte und den Überarbeitungen im Einzelnen Thürmann/Kettler/Thürmann 7 ff.; Thürmann PHi 2000 163; Schmidt-Salzer/Schmidt-Salzer Rn. 7.148 ff.
10 S. Erläuterungen zur Strukturreform und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV), hrsgg. vom GDV, abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6238/ 1381db76f87bca203bf853d1821c249a/01-erlaeuterungen-strukturreform-und-avb-bhv-2014-08-data.pdf (zuletzt abgerufen am 9.8.2022). 11 So die Formulierung von Kettler VersPrax 2017 18; s. auch Kettler/Bäcker PHi 2015 130, 135 ff. 12 S. rotumrandeten Hinweis in den Musterbedingungen (ProdHM 2015), abrufbar unter https://www.gdv.de/re source/blob/64012/5384b97970708c11d24d87f9af79df5f/10-besondere-bedingungen-und-risikobeschreibungen-fuerdie-produkthaftpflichtversicherung-von-industrie-und-handelsbetrieben-produkthaftpflicht-modell-data.pdf (zuletzt abgerufen am 9.8.2022). 13 Vgl. Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell); Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310; Thürmann/Kettler/Thürmann 29 ff.; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15. 14 Thürmann/Kettler/Kettler 273 mutmaßt, dass die bisher fehlende Marktdurchsetzung neben dem typischerweise langsam erfolgten Generationenwechsel bei Versicherungsbedingungen auch mit dem Fehlen von Erläuterungen zum 2015er Modell und mit der Entstehungsgeschichte des 2015er Models zusammenhängen; vgl. auch Kettler VersPrax 2017 S. 18. Koch
828
Vorbemerkung
ProdHM 2008/2015
Unberücksichtigt müssen die vom GDV herausgebenen Erläuterungen15 bleiben.16 Zwar fin- 6 det § 305 Abs. 2 BGB gem. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Anwendung. Es bedarf jedoch auch im unternehmerischen Verkehr einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung über die Geltung der Erläuterungen,17 an der es regelmäßig fehlt.
15 Z.B. Erläuterungen zu den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie und Handelsbetrieben (Stand: August 2008), abgedruckt bei Thürmann/Kettler/Kettler 297 ff.
16 Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 8; Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 64 Rn. 13; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 8 und Rn. 209; vgl. auch Prölss/Martin/Voit Vor ProdHM Rn. 2; a.A. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 13. 17 BGH 15.1.2014 – VIII ZR 111/13, NJW 2014 1296 Rn. 17 m.w.N. 829
Koch
ProdHM 2008/2015
Einleitung Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrieund Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: August 2008) – ProdHM 2008
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015) – ProdHM 2015
[Einleitung] Der Versicherungsschutz für Produkthaftpflichtrisiken von Industrie- und Handelsbetrieben richtet sich nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und den folgenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen.
[Einleitung] 1 Der Versicherungsschutz für Produkthaftpflichtrisiken richtet sich nach den folgenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen. 2Soweit diese Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen keine besonderen Regelungen vorsehen, finden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) Anwendung. 3 Dieser Versicherungsschutz beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der VN die Erzeugnisse in den Verkehr gebracht, die Arbeiten abgeschlossen oder die Leistungen ausgeführt hat.
A. Inhalt und Zweck 1 Die Einleitung, die dem ProdHM seit der Überarbeitung im Jahr 2000 vorangestellt ist, stellt klar, dass sich der Versicherungsschutz für Produkthaftpflichtrisiken nach dem ProdHM und den AHB richtet. Aus der Formulierung in Einleitungssatz 1 des ProdHM 2008, derzufolge sich der Versicherungsschutz nach den AHB „und“ dem ProdHM richtet, folgt nicht, dass AHB und ProdHM gleichrangig Anwendung finden. Da dem Sprachgebrauch zufolge besondere Vereinbarungen den allgemeinen vorgehen,1 richtet sich der Versicherungsschutz, soweit es um das Produktrisiko geht, deshalb vorrangig nach dem ProdHM 2008.2 Die AHB kommen nur insoweit zur Anwendung, als die Regelungen des ProdHM nicht abschließend sind.3 Dies ist aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung in jedem Einzelfall vor einem Rückgriff auf die AHB zu klären. 2 Im ProdHM 2015 wird der Vorrang des ProdHM im Einleitungssatz 2 sprachlich hervorgehoben („Soweit“).4 Ziff. 1.1 Satz 2 ProdHM 2008 hat als Satz 3 Eingang in die Einleitung erhalten, was eher unglücklich ist, weil der Inhalt von Ziff. 1.1 Satz 2 ProdHM 2008 den Schutzbereich des ProdHM in zeitlicher Hinsicht festlegt und deshalb nicht nur den erläuternden Charakter einer Präambel hat. Zur Bedeutung von Ziff. 1.1 Satz 2 ProdHM 2008 s. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 1. 3 Im Übrigen beschreibt die Einleitung die nach dem ProdHM versicherten Gefahren nur unvollständig. Versicherungsschutz wird nämlich nicht nur gewährt für Ansprüche nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG oder gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Personen- und Sachschäden infolge des Inverkehrbringens fehlerhafter Produkte, sondern auch für Ansprüche nach §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB (Schadensersatz statt der Leistung)5 und §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz neben der Leistung) wegen der Verletzung der Pflicht zur Lieferung einer man1 Vgl. LG München 20.12.2012 – 12 O 12009/12, BeckRS 2013 03140. 2 Vgl. Littbarski Ziff. 1 Rn. 6 ff.; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 16, a.A. Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 50 Rn. 20.
3 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Vorbemerkung Rn. 5; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 16. 4 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 19; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 16. 5 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 347. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-202
830
B. Adressatenkreis
ProdHM 2008/2015
gelfreien Sache und/oder der Pflicht zur Nacherfüllung (vgl. Ziff. 4.2 ff. ProdHM). Beim Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, der auf den Ersatz von Vermögensschäden gerichet ist, realisiert sich kein Produkthaftpflichtrisiko, weil Letzteres stets voraussetzt, dass eines der in § 1 Abs. 1 ProdHaftG und § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Rechtsgüter Körper, Gesundheit oder Sacheigentum geschädigt wird.6 Insoweit wäre der Begriff des Produktrisikos an sich die geeignetere Beschreibung.
B. Adressatenkreis Der Kreis der Adressaten des ProdHM ist nicht auf solche Unternehmen beschränkt, die für 4 Produktfehler in Anspruch genommen werden können, sondern erstreckt sich – wie der Hinweis auf „Industrie- und Handelsbetriebe“ in der Einleitung des ProdHM 2008 deutlich machen soll – auch auf Handelsbetriebe, die im Rahmen des Deliktsrechts begrenzte Sorgfaltspflichten zur Gewährleistung der Sicherheit der von ihnen vertriebenen Produkte haben7 und nur ausnahmsweise nach dem ProdHaftG haften.8 Auch das ProdHM 2015 richtet sich an diesen Adressatenkreis, wenngleich auch der Hinweis auf Industrie- und Handelsbetriebe in der Einleitung gestrichen wurde.
6 Zur Abgrenzung des deliktischen Fehlerbegriffs zum Fehlerbegriff des Vertragsrechts s. MüKoBGB/Wagner § 3 ProdHaftG Rn. 2.
7 Hierzu BeckOGK-BGB/Spindler § 823 Rn. 692 ff.; MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 930 ff. 8 Vgl. § 4 Abs. 3 ProdHaftG; vgl. auch Thürmann/Kettler/Kettler 41. 831
Koch
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung ProdHM 2008
ProdHM 2015
1. Gegenstand der Versicherung 1.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN für Personen-, Sach- und daraus entstandene weitere Schäden, soweit diese durch vom VN – hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, – erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden. 2 Dieser Versicherungsschutz beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der VN die Erzeugnisse in den Verkehr gebracht, die Arbeiten abgeschlossen oder die Leistungen ausgeführt hat.
1. Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des VN für Personen-, Sach- und sich daraus ergebende Vermögensschäden – nicht jedoch für in Ziff. 4 benannte Schäden – soweit diese durch vom VN – hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, – erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden. 2 Schäden nach Ziff. 4 können im Umfang dieser Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen gesondert versichert werden.
1.2 1Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.7 AHB – gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen entstanden sind, und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dieser Versicherungsschutz besteht nur, sofern die Schäden nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistungen eingetreten sind. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung von – Kraft-, Schienen- und Wasserfahrzeugen, Containern sowie deren Ladung; – Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder sonstigen Zwecken befinden oder befunden haben.
3. Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken 3.1 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen (Tätigkeitsschäden) 1 Eingeschlossen sind abweichend von Ziff. 7.7 AHB gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen entstanden sind, und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dieser Versicherungsschutz besteht nur, sofern die Schäden nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistungen eingetreten sind. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung von – Kraft-, Schienen- und Wasserfahrzeugen, Containern sowie deren Ladung; – Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder sonstigen Zwecken befinden oder befunden haben. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 7 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-203
1
832
A. ProdHM 2008
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1.1 ProdHM 2008) 1 Inhalt und Zweck Inverkehrbringen des Erzeugnisses 9 a) Erzeugnis 11 b) Inverkehrbringen Abschluss der Arbeit oder Ausführung sonstiger 16 Leistungen Beispiele 21 a) Betriebsstättenrisiko 22 b) Produkthaftpflichtrisiko
1. 2.
3. 4.
II. 1.
Tätigkeitsspätschäden (Ziff. 1.2 ProdHM 2008) Einschluss von Tätigkeitsspätschäden a) Schäden nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistun23 gen
2.
24 b) Begriff des Tätigkeitsschadens 25 c) Beispiele Ausnahmen vom Wiedereinschluss a) Kraft-, Schienen- und Wasserfahrzeuge, 26 Container b) Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur 29 (sog. Werkstattklausel)
B.
ProdHM 2015
I.
Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 ProdHM 31 2015)
II.
Tätigkeitsspätschäden (Ziff. 3.1 ProdHM 37 2015)
A. ProdHM 2008 I. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1.1 ProdHM 2008) 1. Inhalt und Zweck Ziff. 1.1 ProdHM 2008 bestimmt und begrenzt zugleich den Schutzbereich des ProdHM in sachli- 1 cher und zeitlicher Hinsicht. Im Ausgangspunkt besteht entsprechend dem Konzept der AHB umfassend – im Sinne einer Allgefahrenversicherung – Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht des VN für Personen- und Sachschäden und daraus entstandene weitere Schäden. Zur Auslegung der Begriffe Personen- und Sachschäden sowie zur Abgrenzung von Sach- und Vermögensschäden kann auf die Kommentierung zu Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 verwiesen werden. Letzteres gilt auch für den Begriff der „gesetzlichen Haftpflicht“ (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 11 ff. und 43 ff.).1 Über den Schutzbereich der AHB hinaus sind nach Ziff. 4.1 ProdHM 2008 auch Schadenser- 2 satzansprüche wegen Personen- oder Sachschäden infolge Fehlens vereinbarter Eigenschaften (= Beschaffenheitsgarantie i.S.v. §§ 442, 444, 445 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) versichert, die nur deshalb durchgesetzt werden können, weil der VN mit seinem Abnehmer verabredet hat, dass er verschuldensunabhängig für deren Vorhandensein im Zeitpunkt des Gefahrübergangs einsteht (zur Abgrenzung von Beschaffenheits-, Haltbarkeits- und sonstigen Garantien vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 146 ff.). Der Versicherungsschutz nach Ziff. 1.1 Satz 1 ProdHM 2008 setzt abweichend von Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 nicht voraus, dass es sich bei der gesetzlichen Haftung um eine solche privatrechtlichen Inhalts handelt.2 Abzulehnen ist die Ansicht Thürmanns, die aus der ergänzenden Geltung der AHB für das 3 ProdHM Gegenteiliges folgert.3 Aus Sicht des VN handelt es sich bei Ziff. 1.1 Satz 1 ProdHM 2008 1 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 26. 2 Zu Recht Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 8; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 17; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 10.
3 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 28. 833
Koch
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
Gegenstand der Versicherung
um eine abschließende Regelung, die keiner Ergänzung bedarf. Insoweit gilt hier nichts anderes als bei der Betriebshaftpflichtversicherung, die ebenfalls Versicherungsschutz im Rahmen der AHB bietet, beim Einschluss von Auslandsschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung jedoch nur auf die gesetzliche Haftpflicht des VN abstellt (Ziff. 7.7 BBR BHV Rn. 2 ff.). 4 Der Versicherungsschutz ist nach Ziff. 1.1 Satz 1 ProdHM 2008 beschränkt auf Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden. Ergänzend bestimmt Ziff. 1.1 Satz 2 ProdHM 2008, dass der Versicherungsschutz in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der VN die Erzeugnisse in den Verkehr gebracht, die Arbeiten abgeschlossen oder die Leistungen ausgeführt hat. Damit ist nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Zäsur gesetzt. Die Deckung von Schäden durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse vor Inverkehrbringen des Erzeugnisses oder vor Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der Leistung sind dem allgemeinen Betriebsrisiko zuzurechnen. Dessen Versicherung richtet sich nach den BBR BHV und nicht nach dem ProdHM. 5 Für Schäden, die nach Inverkehrbringen des Erzeugnisses oder nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der Leistung entstanden sind, besteht – bei Abschluss der Produkthaftpflichtversicherung – demgegenüber Versicherungsschutz nur nach Maßgabe des ProdHM. Dies führt im Ergebnis – vergleichbar dem Verhältnis zwischen dem allgemeinen Betriebsrisiko und dem Umwelt-Betriebsrisiko (vgl. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB 2016) – zu einer Art Nullstellung des allgemeinen Produkthaftpflichtrisikos in der Betriebshaftpflichtversicherung.4 Diese Nullstellung kann sich für den VN durchaus nachteilig auswirken, weil die Produkt6 haftpflichtversicherung im Vergleich zur Betriebshaftpflichtversicherung nicht nur Deckungserweiterungen, sondern auch einige Deckungseinschränkungen enthält, die vornehmlich bei Sach- sowie daraus resultierenden Folgeschäden eingreifen und mit den Vorteilen aus den Deckungserweiterungen sorgfältig abgewogen werden müssen.5 Gegebenenfalls müssen die Deckungseinschränkungen modifiziert oder abbedungen werden. Zur Verdeutlichung der Problematik soll hier folgendes Beispiel genügen, welches sich auf den Ausschluss gem. Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 (sog. „Erprobungsklausel“ oder „Experimentierklausel“) bezieht. Beispiel: Der VN stellt Software für die Steuerung von Lasergeräten her. Nunmehr bietet er diese Software auch für den Einsatz in Industrierobotern an, ohne zuvor die Eignung der Software für diesen Einsatzbereich hinreichend getestet zu haben. Aufgrund der Inkompatibilität der Software mit der Steuerungselektronik der Roboter kommt es nach Abschluss der Arbeiten zu Funktionsstörungen, die zu Schäden an den von den Robotern zu bearbeitenden Sachen führen.
7 Für diese Schäden haftet der VN seinem Abnehmer sowohl vertraglich gem. §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB als auch deliktisch nach § 823 Abs. 1 BGB. Deckungsausschlüsse im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung greifen nicht ein. Die Tatsache, dass es sich um neuentwickelte Software handelt, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck offensichtlich noch nicht vollständig getestet worden ist, berührt den Versicherungsschutz für die vom Kunden geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz des Sach- und Sachfolgeschadens nicht. 8 Bei Abschluss einer Produkthaftpflichtversicherung greift demgegenüber die Erprobungsklausel der Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 ein, wonach vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind „Ansprüche aus Sach- und Vermögensschäden durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt waren“. Dieser Ausschluss schlägt aufgrund der Nullstellung der Betriebshaftpflichtversicherung für Schäden nach Inverkehrbringen des Pro4 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 16 (sog. unechte Nullstellung der Produkthaftpflichtrisiken). 5 Vgl. OLG Köln 14.2.2012 – 9 U 116/11, RuS 2015 190, 191 (der BGH hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschl. v. 6.3.2013 –IV ZR 73/12 zurückgewiesen). Koch
834
A. ProdHM 2008
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
dukts mit der Folge durch, dass nunmehr keine Deckung für die eingetretenen Schäden an den bearbeiteten Sachen besteht.
2. Inverkehrbringen des Erzeugnisses a) Erzeugnis. Der Begriff des Erzeugnisses wird im ProdHM 2008 nicht erläutert. Im Gesetz hat 9 er Eingang in § 99 Abs. 1 BGB gefunden und kennzeichnet dort die „Frucht einer Sache“. Das sind alle natürlichen Tier- und Bodenprodukte.6 Ebenso wie bei dem korrespondierenden Begriff in Ziff. 7.2 AHB 2016 ist auch hier ein solches Begriffsverständnis zu eng, da das ProdHM nicht nur der Versicherung von Betrieben, die Früchte i.S.v. § 99 Abs. 1 BGB gewinnen, zugrunde liegt. Unter dem Begriff „Erzeugnis“ fallen deshalb nicht nur Früchte einer Sache, sondern alle körperlichen Gegenstände i.S.v. § 90 BGB. Fraglich ist, ob unter diesen Begriff auch (lebende) Tiere fallen (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 123). Dies wird man grundsätzlich bejahen müssen. Die Tatsache, dass nicht alle Deckungsbausteine gem. Ziff. 4.2 bis 4.6 ProdHM auf lebende Tiere anwendbar sind, ändert daran nichts, weil die Bausteine jedenfalls auf lebend erworbene und vom Gesamtprodukthersteller vor der weiteren Verwertung getötete Tiere ohne Weiteres anwendbar sind. Angesichts des Schutzbereichs des ProdHM ist weitere Voraussetzung, dass das Erzeugnis 10 wirtschaftlich verwertbar ist, m.a.W. muss es sich bei dem Erzeugnis um Ware i.S.d. Vorschriften des Handelskaufs (§§ 373 ff. HGB) handeln. Unter den Begriff der Ware fallen „ganz allgemein bewegliche körperliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sind oder die nach der Anschauung des Verkehrs als Gegenstände des Warenumsatzes in Betracht kommen können“.7 Hierzu zählen nicht nur Endprodukte, die im Rahmen der Lieferkette weiterveräußert werden, sondern auch Sachen, die im Wege tierischer oder pflanzlicher Produktion zu erzeugen sind (Urproduktion), sowie Ausgangsstoffe (Zuliefererprodukte), die Gegenstand einer weiteren gewerblichen/industriellen Tätigkeit (z.B. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Bearbeitung) sind oder der Herstellung von Produkten dienen (z.B. Maschinen).8 Auch Daten und Programme, soweit sie auf einem zum Verkauf bestimmten Datenträger gespeichert sind, fallen unter den Begriff des Erzeugnisses.9 b) Inverkehrbringen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff des Inverkehr- 11 bringens in Anlehnung an § 1 Abs. 2 Ziff. 1 ProdHaftG als willentliches Begeben der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über das Erzeugnis zu verstehen.10 Dies geschieht dadurch, dass der Hersteller das (End- oder Teil-)Erzeugnis ausliefert oder in den Vertrieb, in die Verteilerkette oder in den Wirtschaftskreislauf gibt. Das irrtümliche Inverkehrbringen (versehentliches Ausliefern) lässt die Willentlichkeit unberührt.11 Insoweit weist das Merkmal des Inverkehrbringens Parallelen mit dem Begriff der Ablieferung i.S.v. § 377 Abs. 1 HGB auf. Hier wie dort ist erforder-
6 MüKoBGB/Stresemann § 99 Rn. 2; Staudinger/Stieper (2021) § 99 Rn. 6 f. 7 RG 14.10.1930 – III 425/29, RGZ 130 85, 88. 8 Oetker/Koch Vorbem. §§ 373–381 Rn. 30 ff.; vgl. auch Littbarski Ziff. 1 Rn. 86 ff.; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 2; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 17; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 42; Thürmann/Kettler/Thürmann 64. 9 Vgl. auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 42. 10 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 1 Rn. 17; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 47; Looschelders/ Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 22; Schimikowski RuS 2002 45 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 15. 11 vgl. auch Littbarski Ziff. 1 Rn. 94; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4; Thürmann/Kettler/Thürmann 69. 835
Koch
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
12
13
14
15
Gegenstand der Versicherung
lich, dass der VN/Verkäufer die Ware durch einseitige Handlung in Erfüllungsabsicht aus seiner Verfügungsgewalt entlässt und die Ware in den Machtbereich des Käufers gelangt.12 Letzteres ist zu bejahen, wenn der Käufer sich durch einseitige Handlung jederzeit den Besitz an der Ware verschaffen kann. Ausnahmsweise liegt ein Inverkehrbringen auch dann vor, wenn das Erzeugnis die Herrschaftssphäre des VN nicht verlassen hat, weil es sich um ein Erzeugnis handelt, das gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Person, für die es bestimmt ist, selbst in diese Herrschaftssphäre begeben muss.13 Hier kann es zu einer Überschneidung zwischen dem Inverkehrbringen von Erzeugnissen und der Erbringung von Arbeiten oder sonstigen Leistungen kommen. Ohne Belang für die Frage des Inverkehrbringens ist, ob der Gefahrübergang erfolgt ist, das Eigentum an der Ware bereits übergegangen ist oder übergeht. Wird eine vom VN hergestellte Ware auf Weisung des Käufers versendet, erfolgt das Inverkehrbringen dadurch, dass dem Käufer oder einem von diesem beauftragten Transportunternehmen die Ware am Bestimmungsort zur sofortigen Abholung zur Verfügung gestellt wird.14 Die Übergabe an den vom VN beauftragten Spediteur oder Frachtführer stellt dagegen noch kein Inverkehrbringen dar, und zwar unabhängig davon, ob ein Versendungskauf oder eine Bringschuld vorliegt.15 Das Inverkehrbringen muss durch den VN erfolgen oder veranlasst werden. Nicht in den Verkehr gebracht hat der Hersteller ein Erzeugnis, das ohne seinen Willen seiner Verfügungsmacht entzogen wurde.16 Kein Versicherungsschutz nach Maßgabe des ProdHM besteht somit, wenn abhandengekommene, gestohlene oder unterschlagene Erzeugnisse Schäden verursachen. In diesen Fällen besteht Versicherungsschutz nur nach Maßgabe der für das Betriebsstättenrisiko geltenden Bestimmungen des Versicherungsvertrages.17 Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit des Willens des VN kommt der Formulierung „hergestellt“ kaum noch eine den Anwendungsbereich des ProdHM beschränkende Bedeutung zu, da auch Roh- und Halbfertigprodukte als „hergestellte Erzeugnisse“ zu qualifizieren sind, wenn sie als solche (in Erfüllungsabsicht) vom VN veräußert werden.18 Da das Erfordernis des Inverkehrbringens auch die Lieferung des Erzeugnisses als Vorstufe der Auslieferung mit einschließt, dient die Formulierung „geliefert“ insoweit nur der Klarstellung, dass auch reine Händler in den Schutzbereich des ProdHM einbezogen sind. Abweichend von Ziff. 7.2 AHB 2016 ist insoweit nicht erforderlich, dass der VN die mangelhafte Sache selbst hergestellt hat (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 125).
12 Vgl. Oetker/Koch § 377 Rn. 7; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 15 und Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 48 f. schlagen einen Rückgriff auf §§ 269, 270 BGB vor. 13 EuGH 10.5.2001 – C-203/99, NJW 2001 2781, 2782. 14 Zu den verschiedenen Ansichten s. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 49; Littbarski Ziff. 1 Rn. 87; Späte/ Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 12; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 31; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4; Schmidt-Salzer Rn. 7.172. 15 A.A. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 14. 16 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 14; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 47; Looschelders/ Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 22. 17 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 14; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 27; Thürmann/Kettler/Thürmann 69. 18 Nach Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 3 ist „[h]ergestellt [.] ein Erzeugnis, wenn die geplante produzierende Arbeit des VN daran abgeschlossen ist, wenn also die erarbeitete oder bearbeitete Sache den Fertigungsstand hat, den sie nach den vom VN mit seinem Auftraggeber oder Kunden getroffenen Vereinbarungen oder nach den einseitigen Planungen des VN erreichen soll“; zu vergleichbaren Umschreibungen s. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 43. Koch
836
A. ProdHM 2008
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
3. Abschluss der Arbeit oder Ausführung sonstiger Leistungen Das ProdHM ist vornehmlich auf die Lieferung von (vom VN hergestellten) Waren ausgerichtet. Dem Abschluss der Arbeit oder der Ausführung sonstiger Leistungen kommt als Abgrenzungskriterium in den Fällen Bedeutung zu, in denen der VN das Erzeugnis nicht nur liefert, sondern anschließend auch einbaut oder sonstige Leistungen (z.B. Beratung oder Montage) erbringt.19 In diesen Konstellationen greift der Versicherungsschutz nach Maßgabe des ProdHM erst mit dem Abschluss der „erbrachten Arbeiten“ und der Ausführung „sonstiger Leistungen“ ein. Was unter diesen Formulierungen zu verstehen ist, lässt sich dem ProdHM nicht entnehmen. Eine gesetzliche Definition, auf die zur Auslegung zurückgegriffen werden könnte, fehlt. Ausgangspunkt für die Frage, ob ein Abschluss oder eine Ausführung der Arbeiten oder Leistungen vorliegt, ist die Vertragssituation. Dabei ist es ohne Belang, ob die Arbeiten oder Leistungen im Rahmen eines Kaufvertrages (vgl. § 434 Abs. 4 BGB) oder aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages geschuldet sind. Es kommt somit grundsätzlich nicht darauf an, ob die Arbeiten oder Leistungen i.S.v. § 640 BGB abgenommen oder i.S.v. § 363 BGB als Erfüllung angenommen wurden.20 Ist eine Abnahme der Arbeiten oder Leistungen i.S.v. § 640 BGB jedoch vorgesehen und auch tatsächlich erfolgt, liegt ein Abschluss oder eine Ausführung in jedem Fall vor. Unterbleibt die Abnahme oder Annahme, weil zwischen den Parteien Streit darüber herrscht, ob erfüllt wurde, oder ist keine Abnahme vorgesehen, stellt die Literatur ebenso wie bei dem Merkmal des Inverkehrbringens auf die Herrschaft über die durchzuführenden Arbeiten und Leistungen und auf die Vorstellungen des VN ab.21 Ein Arbeitsabschluss oder eine Leistungsausführung soll danach vorliegen, wenn der VN Arbeiten aufgegeben oder von der Erbringung weiterer Leistungen abgesehen hat, weil er nach seiner Auffassung alles seinerseits vertraglich Geschuldete getan hat. Beispielhaft wird der Fall angeführt, dass der VN seine Arbeitskräfte von einer Arbeitsstelle mit der Erklärung abzieht, fertig zu sein.22 Unerheblich sei, ob die Arbeiten oder Leistungen mangelhaft sind.23 Für diese Ansicht spricht, dass es anderenfalls in der Hand des Auftraggebers läge, den Umfang des Versicherungsschutzes nach Maßgabe der Deckung des Betriebsstättenriskos oder des ProdHM zu bestimmen. Dies entspricht nicht dem Interesse des VN. Dagegen wird der VR im Verhältnis zum VN durch das Abstellen auf das Verhalten oder die Vorstellung des VN nicht erkennbar nachteilig belastet, da für etwaige Schadensersatzansprüche des Dritten statt der Leistung gem. Ziff. 6.1.1 ProdHM keine Deckung besteht und der VR nach Ziff. 7.2 AHB 2016 leistungsfrei ist, wenn der VN Kenntnis von etwa bestehenden Mängeln der Arbeiten oder Leistungen gehabt hat. Eine „Flucht“ des VN in den zeitlichen Anwendungsbereich des ProdHM durch Aufgabe der Arbeiten oder der Erbringung weiterer Leistungen verspricht deshalb keinen Erfolg. Durchlaufen die Arbeiten oder Leistungen des VN mehrere Projektstufen, bestimmt sich der Versicherungsschutz nach dem ProdHM, wenn ein Schaden durch in sich abgeschlossene Teilarbeiten/ausgeführte Teilleistungen verursacht wurde.
19 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 5; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 37 ff.; Krause NVersZ 2001 103 f.
20 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 50; Schimikowski RuS 2002 45, 46; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 15; vgl. BGH 3.11.1960 – VII ZR 150/59, BGHZ 33 236, 238 = NJW 1961 115: „Begriffe der Annahme als Erfüllung in § 363 BGB und der Abnahme in § 640 BGB sind gleichbedeutend“. 21 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 50; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 6; wohl auch Schimikowski RuS 2002 45 f. 22 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 50; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 6. 23 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7; Schimikowski RuS 2002 45, 46. 837
Koch
16
17
18
19
20
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
Gegenstand der Versicherung
4. Beispiele 21 a) Betriebsstättenrisiko. Zum Betriebsstättenrisiko rechnen folgende Sachverhalte: Der VN stellt explosible Stoffe her. Noch während der Lagerung auf seinem Betriebsgrundstück ereignet sich durch diese Stoffe eine Explosion, die Schäden in der Nachbarschaft des Betriebsgrundstückes verursacht. Ein Monteur des VN verursacht während der Schweißarbeiten auf dem Betriebsgelände des Kunden einen Brand.24 Der VN arbeitet beim Kunden an Computertomographen und vergisst einen Schraubenzieher in der Maschine. Die Maschine wird während der Arbeiten probegeschaltet und erleidet einen Totalschaden.25
22 b) Produkthaftpflichtrisiko. Wird die Maschine vom Kunden nach Ablieferung eingeschaltet, erfolgt die Deckung hingegen nach Maßgabe des ProdHM.26 Ebenfalls dem Produkthaftpflichtrisiko zuzuordnen sind folgende Sachverhalte: Nach Auslieferung der explosiblen Stoffe ereignet sich beim Kunden des VN eine Explosion, die auf eine unsachgemäße Verpackung des Produktes zurückzuführen ist. Der VN repariert bei seinem Kunden eine Maschine. Nach Abschluss der Arbeiten explodiert die Maschine infolge eines Reparaturfehlers.27 Der VN (Elektromonteur) isoliert eine Leitung nicht ordnungsgemäß. Einige Tage nach Abschluss führt ein Kurzschluss zum Brand.28 Der VN liefert lösungsmittelhaltigen Lack, ohne auf die Explosionsgefahr hinzuweisen. Infolge des unterlassenen Hinweises kommt es beim Abnehmer, der den Lack verarbeitet, zu einer Explosion.29
II. Tätigkeitsspätschäden (Ziff. 1.2 ProdHM 2008) 1. Einschluss von Tätigkeitsspätschäden 23 a) Schäden nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistungen. Ziff. 1.2 Satz 1 und 2 ProdHM 2008 schließt Tätigkeitsschäden an fremden Sachen, die nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistungen eingetreten sind (Tätigkeitsspätschäden), abweichend vom Ausschluss nach Ziff. 7.7 AHB 2016 wieder in die Produkthaftpflichtversicherung ein. Es geht um die Fälle, in denen die Tätigkeit an oder mit einer fremden Sache ursächlich für den späteren Schadenseintritt geworden ist. Der Versicherungsschutz für Tätigkeitsschäden, die bereits während der Ausführung der Arbeiten oder der Erbringung sonstiger Leistungen eintreten, bestimmt sich nach der Betriebsstättendeckung. Dort besteht nur eingeschränkt Versicherungsschutz nach Maßgabe von Ziff. 7.6.3.3 und 7.6.3.4 BBR BHV (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 23 ff.).30
24 b) Begriff des Tätigkeitsschadens. Was unter dem Begriff des Tätigkeitsschaden zu verstehen ist, folgt aus der Anknüpfung an Ziff. 7.7 AHB 2016.31 Ein Tätigkeitsschaden nach Ziff. 7.7 AHB 2016 liegt vor, wenn der Schaden an einer fremden Sache (Ausschlussobjekt) dadurch entstanden ist, dass der VN, Angestellte, Arbeiter, Bedienstete, Bevollmächtigte oder Beauftragte 24 25 26 27 28 29 30 31
Ermert/Zölch 125 f. Vgl. Thürmann/Kettler/Thürmann 71. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7. Ermert/Zölch 125 f. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7. Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 52; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 22. Vgl. OLG Dresden 22.5.2018 – 4 U 1579/17, RuS 2018 367, 368; auch Littbarski Ziff. 1 Rn. 136 ff.
Koch
838
A. ProdHM 2008
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
des VN an diesen Sachen tätig geworden sind (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung oder dergleichen)(vgl. Ziff. 7.7 (1) AHB 2016), diese Sachen zur Durchführung ihrer Tätigkeiten als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche oder dergleichen benutzt haben (vgl. Ziff. 7.7 (2) AHB 2016) oder Sachen beschädigt haben, die sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich ihrer Tätigkeit befunden haben (vgl. Ziff. 7.7 (3) AHB 2016). Bei unbeweglichen Sachen liegt ein Tätigkeitsschaden nur dann vor, wenn diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen gewesen, unmittelbar benutzt worden sind oder sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich befunden haben (zu Einzelheiten s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 265 ff.).
c) Beispiele. Wird bei der Installation eines Ersatzteils an eine Maschine eine Mutter nicht 25 ausreichend angezogen, wodurch sich beim ersten Probelauf durch den VN das Ersatzteil lockert und andere Teile der Maschine beschädigt, besteht Deckung über das Betriebsstättenrisiko. Sitzt das Ersatzteil zunächst ausreichend fest und lockert sich erst später im laufenden Betrieb beim Betreiber der Maschine die Mutter, besteht Deckung über ProdHM.32 Baut der VN die von ihm selbst zugelieferten Teile zur Erweiterung einer bereits vorhandenen Maschinenstraße gleich im Auftraggeberwerk ein und gerät die Anlage infolge eines Montagefehlers nach Abschluss der Arbeiten in Brand, besteht Deckung bzgl. der sachbeschädigten Anlage (ohne die Teile des VN) über das ProdHM.33 2. Ausnahmen vom Wiedereinschluss a) Kraft-, Schienen- und Wasserfahrzeuge, Container. Ziff. 1.2 Satz 3 ProdHM 2008 nimmt 26 bestimmte Bereiche vom Wiedereinschluss aus. Hierzu zählen Ansprüche wegen der Tätigkeitkeitsspätschäden, die an oder mit Kraft-, Schienen- und Wasserfahrzeugen sowie an Containern und deren Ladung eintreten. Als Beispiel für solche ausgeschlossenen Tätigkeitkeitsspätschäden „an“ vorbezeichneten Sachen nennt Thürmann den Fall, dass ein Automobilzulieferer die zu liefernden Kfz-Teile beim Kfz-Hersteller zugleich auch am Band montiert und dadurch später nach Abschluss der Montage Schäden entstehen.34 Zur Auslegung der Begriffe Kraft- und Wasserfahrzeuge s. Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 24 ff. Der 27 Begriff des Schienenfahrzeugs wird in § 38 Abs. 1 BImSchG gebraucht. Die einschlägige Kommentarliteratur zählt hierzu nicht nur Eisenbahnen und Straßenbahnen, sondern in Anlehnung an § 4 Abs. 2 PBefG auch Hochbahnen, Untergrundbahnen und Schienenschwebebahnen sowie schienengebundene Bergbahnen. Keine Rolle spielt, ob die Schienenfahrzeuge durch Maschinenkraft bewegt werden, weshalb auch Waggons, Draisinen oder Anhänger erfasst werden.35 Diese Beispiele dürften der Verkehrsauffassung entsprechen. Damit ist der Begriff des Schienenfahrzeugs identisch mit dem der Bahn i.S.v. Ziff. 4.3 (2) AHB 2016 (Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 29). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei Containern um Behälter. Die mit dem Ausschluss in Ziff. 4.4.4.2 ProdHM 2008 vergleichbare Regelung wird in den 28 Erläuterungen des GDV mit dem erheblichen Risikopotenzial begründet, das z.B. bei der Zulieferung und dem gleichzeitigen Assembling durch den VN bei einem Kfz-Hersteller besteht.36 Ziff. 1.2 Satz 2 ProdHM 2008 wird ergänzt durch den Ausschluss von Tätigkeitsschäden an Luftoder Raumfahrzeugen gem. Ziff. 6.2.6 ProdHM 2008. Zur Auslegung der Begriffe Luft- oder Raumfahrzeuge s. Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 28 und Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 27.
32 33 34 35 36 839
Beispiel von Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 52. Beispiel von Krause NVersZ 2001 103, 104. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 57. Jarass BImSchG 13. Aufl. (2020) § 38 Rn. 8 m.w.N.; vgl. auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 56. Vgl. GDV-Erläuterungen 56. Koch
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
Gegenstand der Versicherung
29 b) Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur (sog. Werkstattklausel). Das Risiko der Beschädigung von Sachen, die sich „beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder sonstigen Zwecken befinden oder befunden haben“, wird nicht vom ProdHM umfasst. Dies begründet der GDV wiederum mit der besonderen Risikosituation, insbesondere der Abgrenzung zum nicht gedeckten Erfüllungsbereich.37 Beispiel:38 Der VN lackiert im Lohnauftrag ihm zugelieferte (fremde) Fensterrahmen, die infolge der Lackierung nach Abschluss der Arbeiten beschädigt werden.
„Beim VN“ bedeutet, dass die Sache sich in einem vom VN allein beherrschten Bereich (z.B. Betriebsstätte) befindet oder befunden haben muss.39 30 Voit will die Ausnahme vom Wiedereinschluss nur auf solche Sachen beziehen, die selbst Gegenstand der Tätigkeit gewesen sind, welche den Schaden verursacht hat. Sei dagegen eine Sache als Folge einer Tätigkeit an einer anderen Sache beschädigt worden, sei der Ausschluss nicht anzuwenden.40 Wären in dem vorherigen Beispiel nicht die Lackierarbeiten an dem Fensterrahmen ursächlich für den späteren Schadenseintritt, sondern Arbeiten an anderen Sachen, bestünde somit nach Ansicht Voits für die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers Versicherungsschutz. Voit begründet seine Ansicht damit, dass der in den GDV-Erläuterungen genannte Grund (Abgrenzung zum nicht gedeckten Erfüllungsbereich) in diesen Fällen nicht trage, weil der Erfüllungsbereich nicht betroffen sei.41 Das lässt sich durchaus hören. Angesichts des Wortlauts von Ziff. 1.2 Satz 2 ProdHM ließe sich unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung zur Auslegung von AVB aufgestellten Maßstäbe42 eine solche Differenzierung jedoch nur dann rechtfertigen, wenn man den Sinn und Zweck der Klausel als für den durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung ohne Weiteres erkennbar erachtet. Zweifel sind angebracht.
B. ProdHM 2015 I. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 ProdHM 2015) 31 Im Hinblick auf die Beschreibung des Gegenstands der Versicherung besteht der wesentliche Unterschied zwischen dem ProdHM 2015 und dem ProdHM 2008 darin, dass für die in Ziff. 4 ProdHM 2008 benannten Schäden kein Versicherungsschutz nach Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015 gewährt wird („– nicht jedoch für in Ziff. 4 benannte Schäden –“). Die im ProdHM 2008 bei den Bausteinen „Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden“ (Ziff. 4.2 ProdHM 2008) und „Schäden durch mangelhafte Maschinen“ (Ziff. 4.5 ProdHM 2008) verwandte Formulierung „soweit hierfür nicht bereits Versicherungsschutz nach Ziff. 1 oder 4.1 besteht“ findet sich im ProdHM 2015 deshalb nicht mehr. 32 Der in Parenthese gesetzte Einschub in Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015 hat Anlass zu einer Kontroverse zum Umfang der Deckung des ProdHM 2015 gegeben. Schimikowski vertritt die Ansicht, dass dadurch die Sachschadensdeckung im ProdHM 2015 (im Gegensatz zum ProdHM 2008) auf die enumerativ benannten Schäden in Ziff. 4.2.2, 4.3.2 und 4.4.2 ProdHM 2015 begrenzt werde, die aus den in Ziff. 4.2.1, 4.3.1 und 4.4.1 ProdHM 2015 genannten Produktionsvorgängen 37 GDV-Erläuterungen 56, vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 23. 38 Krause NVersZ 2001 103, 104. 39 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 58; vgl. auch Littbarski Ziff. 1 Rn. 190. 40 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 4; ihm folgend Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 25. 41 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 3. 42 Vgl. nur BGH 21.7.2011 – IV ZR 42/10, NJW 2011 3718, 3719. Koch
840
B. ProdHM 2015
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
resultierten (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Weiterver- oder -bearbeitung, Aus- und Einbau fehlerhafter Erzeugnisse).43 Kettler widerspricht dem. Er ist der Auffassung, der Einschub könne nur so verstanden werden, dass von der Sachschadensdeckung ausschließlich die Schäden ausgenommen seien, die aus einem der Produktionsvorgänge resultiere, die in Ziff. 4 ProdHM 2015 beschrieben seien. Sofern ein Schaden nicht aus einem dieser Produktionsvorgänge resultiere, würde man insoweit die Voraussetzungen der Sachschadensdeckung prüfen müssen.44 Im Ergebnis ist Kettlers Ansicht zu folgen. Nimmt man zunächst den Wortlaut von Ziff. 1 33 Satz 1 ProdHM 2015 in den Blick, besteht aufgrund des Einschubs für die in Ziff. 4 ProdHM 2015 benannten Schäden keine Deckung, und zwar unabhängig von deren Qualifikation als Personen-, Sach- oder sich daraus ergebender (unechter) Vermögensschäden oder als echter Vermögensschäden. Richtet man sodann den Blick auf Ziff. 4 ProdHM 2015 und lässt Ziff. 4.1 ProdHM 2015 außer Betracht, da sie lediglich der Begriffsbestimmung dient, ist nach Ziff. 4.2.1, 4.3.1 und 4.4.1 ProdHM 2015 die Gefahr der Inanspruchnahme des VN auf Ersatz von Schäden aus bestimmten Produktionsvorgängen (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Weiterveroder -bearbeitung, Aus- und Einbau fehlerhafter Erzeugnisse) und sind nach Ziff. 4.4.2, 4.3.2 und 4.4.2 ProdHM 2015 nur bestimmte Schadenspositionen versichert, deren Ersatz der VN als Hersteller oder Lieferant des mangelhaften Erzeugnisses seinem Abnehmer (Gesamtprodukthersteller) schuldet. Gleiches gilt für den fakultativen Deckungsbaustein Ziff. 4.5 ProdHM 2015 (Schäden durch mangelhafte Maschinen). Bei den in Ziff. 4.4.2, 4.3.2, 4.4.2 und 4.5.2 ProdHM 2015 benannten Schadenspositionen 34 geht es vor allem um vergeudete Herstellungskosten, Nachbesserungs-/Schadenbeseitigungskosten, entgangenen Gewinn und Produktionsausfall. Bei den Verbindungs-, Vermischungsund Verarbeitungsschäden (Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2015) und den Schäden durch mangelhafte Maschinen (Ziff. 4.5.2.1 ProdHM 2015) geht es auch um die Versicherung von Ersatzansprüchen wegen Schäden durch Beschädigung und der Vernichtung anderer mangelfreier Produkte, die der Abnehmer im Rahmen der Herstellung des Gesamtprodukts verwendet hat. Für alle anderen Ersatzansprüche, die nicht aus einem der in Ziff. 4.2.1, 4.3.1, 4.4.1 und 4.5.1 ProdHM 2015 beschriebenen Produktionsvorgänge resultieren, bestimmt sich der Versicherungschutz nach Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015. Dieses aus dem Wortlaut gewonnene Auslegungsergebnis wird dadurch bestätigt, dass der Einschub nur von „in Ziff. 4 benannte[n] Schäden“ spricht, ohne zwischen den Schadensarten zu unterscheiden. Daraus wird deutlich, dass der Einschub auch darauf abzielt, die zuweilen schwierige Einordnung von Schäden als Sach-/-folgeschäden/unechte Vermögensschäden oder als echte Vermögensschäden überflüssig zu machen. Der Einschub hat somit keine Beschränkung des Versicherungsschutzes für Sachschäden auf die in Ziff. 4.2.1, 4.3.1, 4.4.1 und 4.5.1 ProdHM 2015 aufgeführten Produktionsvorgänge zur Folge, sondern beschränkt lediglich die versicherten ersatzfähigen Sach-/-folgeschäden, soweit sie aus einem dieser Produktionsvorgänge resultieren. Beispiel: Kommt es infolge der Mangelhaftigkeit des Teilprodukts des VN zu einer Explosion beim Gesamtprodukthersteller oder beim Abnehmer des Gesamtprodukts, besteht für deren Schadensersatzansprüche gegen den VN, die auf den Ersatz der Schäden an anderen Sachen und daraus resultierenden Folgeschäden gerichtet sind, Deckung gem. Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015. Soweit es infolge der Verbindung zwischen dem mangelhaften Teilprodukt und einem mangelfreien Teilprodukt des Gesamtproduktherstellers zu einer Beschädigung oder Vernichtung des Teilprodukts des Gesamtproduktherstellers gekommen ist, richtet sich die Deckung für den daraus resultierenden Schadensersatzanspruch des Gesamtproduktherstellers ausschließlich nach Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2015.
43 Schimikowski VP 2016 3 ff. 44 Thürmann/Kettler/Kettler 276; vgl. auch Kettler VP 2017 18, 19. 841
Koch
Ziff. 1 ProdHM 2008/2015
Gegenstand der Versicherung
35 Offen bleibt die Frage, wie der Fall zu behandeln ist, wenn ein VN nur einzelne Deckungsbausteine versichert. Hat im vorbezeichneten Beispiel der VN einer Produkthaftpflichtversicherung sich nicht gegen die Gefahr der Inanspruchnahme wegen Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden gem. Ziff. 4.2.1 ProdHM 2015 versichert, sondern nur gegen Weiterverarbeitungs- und Weiterbearbeitungsschäden i.S.v. Ziff. 4.3.1 ProdHM 2015, besteht für den Anspruch des Gesamtproduktherstellers, der auf den Ersatz des Schaden wegen der Beschädigung oder Vernichtung seines Teilprodukts gerichtet ist, keine Deckung nach Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2015. Ein Anspruch auf Versicherungsschutz aus Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015 besteht ebenfalls nicht, da ein von Ziff. 4 ProdHM 2015 erfasste Produktionsvorgang vorliegt. Nach Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2008 bestünde dagegen Versicherungsschutz für die Schadensersatzansprüche des Gesamtproduktherstellers wegen der Beschädigung oder Vernichtung seiner anderen Produkte. Insoweit kann sich das ProdHM 2015 im Vergleich zum ProdHM 2008 für VN, die nicht alle Deckungsbausteine versichern, als nachteilig erweisen. 36 Der GDV sollte bei der nächsten Überarbeitung der Musterbedingungen zur Produkthaftpflichtversicherung in Erwägung ziehen, den Einschub „– nicht jedoch für in Ziff. 4 benannte Schäden –“ in Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015 und den Hinweis in Ziff. 1 Satz 2 ProdHM 2015 zu streichen und in einem neuen Satz 2 aufnehmen, dass Versicherungsschutz für die in Ziff. 4.2.1, 4.3.1, 4.4.1 und 4.5.1 ProdHM 2015 genannten Produktionsvorgänge nur nach Maßgabe der Ziff. 4.2.2, 4.3.2, 4.4.2 bis 4.4.5 und 4.5.2 ProdHM 2015 gewährt wird. Der Hinweis in Ziff. 1 Satz 2 ProdHM 2015, dass Schäden nach Ziff. 4 „im Umfang dieser Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen gesondert versichert werden [können]“, ist dagegen überflüssig, da der VN die Produkthaftpflichtversicherung gerade deshalb abschließt, um Versicherungsschutz für die in der Betriebshaftpflichtversicherung nicht versicherten (echten) Vermögensschäden zu erhalten.
II. Tätigkeitsspätschäden (Ziff. 3.1 ProdHM 2015) 37 Der Versicherungsschutz für die Tätigkeitsspätschäden hat ohne inhaltliche Änderung Eingang als Ziff. 3.1 in Ziff. 3 ProdHM 2015 gefunden, die die Überschrift „Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken“ trägt. Neu sind Textvarianten für getrennte oder pauschale Versicherungssummen. In der Variante für getrennte Versicherungssummen wird die für die Deckung von Tätigkeitsspätschäden vereinbarte Versicherungssumme (Sublimit) auf die für Sachschäden nach Ziff. 9 ProdHM vereinbarte Versicherungssumme angerechnet. Ist eine pauschale, nicht zwischen den versicherten Schäden differenzierende Versicherungssumme nach Ziff. 9 ProdHM 2015 vereinbart, erfolgt die Anrechnung auf die pauschale Versicherungssumme.
Koch
842
Ziff. 2 ProdHM 2008/2015
Ziff. 2 Versichertes Risiko ProdHM 2008
ProdHM 2015
2. Versichertes Risiko 1 Der Versicherungsschutz bezieht sich auf den in der Betriebsbeschreibung genannten Produktions- und Tätigkeitsumfang. 2 Im Rahmen dieses Risikos sind mitversichert Ansprüche wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte (Subunternehmer). 3Nicht versichert bleibt die Haftpflicht der Subunternehmer selbst und deren Betriebsangehöriger.
2. Versichertes Risiko und mitversicherte Personen 2.1 1Der Versicherungsschutz bezieht sich auf den in der Betriebsbeschreibung genannten Produktions- und Tätigkeitsumfang. 2 Im Rahmen dieses Risikos sind mitversichert Ansprüche wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte (Subunternehmer). 3Nicht versichert bleibt die Haftpflicht der Subunternehmer selbst und deren Betriebsangehörige.
Übersicht A.
ProdHM 2008
II.
Subunternehmerrisiko (Ziff. 2 Satz 2 und 3 3 ProdHM 2008)
I.
Risikobeschreibung (Ziff. 2 Satz 1 ProdHM 1 2008)
B.
ProdHM 2015
5
A. ProdHM 2008 I. Risikobeschreibung (Ziff. 2 Satz 1 ProdHM 2008) Ziff. 2 Satz 1 ProdHM 2008 stellt klar, dass auch die Produkthaftpflichtversicherung nicht für 1 alle Wagnisse Versicherungsschutz bietet, sondern nur für die im Versicherungsvertrag näher umschriebenen Risiken (Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos). Üblicherweise wird eine einheitliche Betriebsbeschreibung für den Betriebsstättenteil und den Produkthaftungsteil individualvertraglich im Versicherungsschein festgelegt. Nur ausnahmsweise weicht die nach Ziff. 2 Satz 1 ProdHM 2008 für die Produkthaftpflichtversicherung vorzunehmende Beschreibung von der Beschreibung ab, die für den Betriebsstättenteil gilt.1 Die Festlegung des versicherten Risikos erleichtert für den VR die Risikobewertung und ist für die Kalkulation der Prämie erforderlich (Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 1 ff.). Letztere bemisst sich im Bereich der Produkthaftpflichtversicherung vor allem nach dem Produktions- und Tätigkeitsprogramm, das im Versicherungsvertrag beschrieben ist. Umfasst das Produktionsprogramm sehr viele Einzelerzeugnisse genügt es, wenn diese in Produktgruppen zusammengefasst und diese Gruppen in die Beschreibung des Produktionsprogrammes aufgenommen werden.2 Abweichend von Ziff. 13.1 und 4.1 AHB 2016 statuiert Ziff. 10.1 ProdHM 2008 für den VN 2 die Pflicht, wesentliche Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges sowie neue Risiken unverzüglich anzuzeigen. Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, sieht Ziff. 10.2 ProdHM 2008 als Sanktion nicht Leistungsfreiheit vor, sondern eine Erhöhung der in Ziff. 9.3 ProdHM 2008 genannten Selbstbehalte in Schadensfällen, die mit solchen Erhöhungen/Erweiterungen oder mit neuen Risiken in Zusammenhang stehen (zu den Einzelheiten s. die Kommentierung zu Ziff. 10 ProdHM 2008).
1 Vgl. Thürmann/Kettler/Thürmann 75; hierzu ausführlich Littbarski Ziff. 2 Rn. 12 ff. 2 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 26; Littbarski Ziff. 2 Rn. 6 ff.; Ermert/Zölch 129. 843 https://doi.org/10.1515/9783110522686-204
Koch
Ziff. 2 ProdHM 2008/2015
Versichertes Risiko
II. Subunternehmerrisiko (Ziff. 2 Satz 2 und 3 ProdHM 2008) 3 Ziff. 2 Satz 2 ProdHM 2008 betrifft das (eigene) Haftpflichtrisiko des VN, für Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Wie der Klammerzusatz „Subunternehmer“ deutlich macht, handelt es sich bei den Dritten nicht um Betriebsangehörige des VN. Letztere genießen nach Ziff. 3 ProdHM 2008 den Status eines Mitversicherten. Es geht vielmehr um die Haftung des VN für Unternehmer i.S.v. § 14 BGB, deren Hilfe er sich im Rahmen des in der Betriebsbeschreibung genannten Produktions- und Tätigkeitsrisikos bedient hat. Verursachen diese einen Schaden, kommt eine deliktische Haftung des VN wegen Organisationsverschuldens nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Dagegen scheidet eine Haftung nach § 831 BGB in der Regel aus, weil sie als selbständige Subunternehmer nicht organisatorisch abhängig und weisungsgebunden sind und deshalb keine Verrichtungsgehilfen sind.3 Ausnahmsweise kann allerdings auch ein für sich genommen selbständiger Unternehmer als Verrichtungsgehilfe zu qualfizieren sein, weil er nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls erkennbar in den Organisationsbereich des Geschäftsherrn eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt.4 Vertragliche Schadensersatzansprüche drohen wegen fehlerhafter Auswahl des Dritten oder weil der Dritte schuldhaft gehandelt hat und der VN sich dessen Verschulden nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. Da es sich um eigene Haftung des VN handelt, besteht hierfür grundsätzlich Deckung. 4 Hiervon abzugrenzen ist die persönliche Haftung des Subunternehmers, für die gem. Ziff. 2 Satz 3 ProdHM 2008 kein Versicherungsschutz besteht.5 Ziff. 2 Satz 2 und 3 ProdHM 2008 bringen eigentlich nur Selbstverständlichkeiten in der Haftpflichtversicherung zum Ausdruck. Sie haben deshalb rein deklaratorische Bedeutung und sind damit zu erklären, dass vor der Überarbeitung des ProdHM 2008 im Jahre 2000 Ansprüche wegen Schäden durch von dem VN beauftragte Subunternehmer ohne besondere Vereinbarung nicht mitversichert waren.6 Als Grund für die frühere Regelung, bei der es sich der Sache nach um eine negative Risikobeschreibung handelte,7 wurde das bei der Fremdvergabe infolge Einschaltung unbekannter Personen größere Risiko für den VR genannt.8
B. ProdHM 2015 5 Ziff. 2.1 ProdHM 2015 ist wortgleich mit Ziff. 2 ProdHM 2008.
3 BGH 21.6.1994 – VI ZR 215/93, NJW 1994 2756, 2757; OLG Frankfurt/M. 19.2.2008 – 18 U 58/07, NJW-RR 2008 1476, 1478. 4 BGH 25. 4. 2012 – I ZR 105/10, GRUR 2012 1279 Rn. 45, vgl. auch BeckOK-BGB/Förster § 831 Rn. 20–22.1. 5 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 11. 6 Vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 Produkthaftpflicht Ziff. 2. 7 Späte ProdHM Rn. 14. 8 Thürmann PHi 2000 163, 166. Koch
844
Ziff. 3 ProdHM 2008/2015
Ziff. 3 Mitversicherte Personen ProdHM 2008
ProdHM 2015
3. Mitversicherte Personen Mitversichert ist die persönliche gesetzliche Haftpflicht 3.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teils desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; 3.2 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
2.2 Mitversichert ist die persönliche gesetzliche Haftpflicht 2.2.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teils desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; 2.2.2 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
Ziff. 3 ProdHM 2008 und Ziff. 2.2 ProdHM 2015 sind wortgleich und entsprechen Ziff. 7.1.2.3 und 1 7.1.2.4 Satz 1 und 2 BBR BHV. Insoweit kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 48 ff.).
845 https://doi.org/10.1515/9783110522686-205
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4 Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes ProdHM 2008
ProdHM 2015
4. Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes
4. Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen Falls folgende zusätzliche Risiken versichert werden sollen, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
Übersicht 1
A.
Vorbemerkung
B.
ProdHM 2008
I.
Systematik und Aufbau von Ziff. 4.1 ff. ProdHM 2008 2 Enumerationsprinzip Beratungsmängel, Fehlen vereinbarter Eigenschaften 6 a) Beratungsmängel 7 b) Fehlen vereinbarter Eigenschaften 8 Ausschluss von Rückrufkosten Übersicht über die Bausteine des ProdHM 9 2008
1. 2.
3. 4.
II.
Terminologie
1.
2.
Mangelbegriff 10 a) Sachmangel 11 b) Mangelverdachtsfälle Erzeugnis, Produkt, Gesamtprodukt
III.
Deckung für mehrstufige Verarbeitung
C.
ProdHM 2015
I.
Formal-systematische Änderungen
II.
Redaktionelle Änderungen und Erweiterungen des standardmäßigen Deckungsum20 fangs
III.
Mangelverdachtsfälle
14 17
19
21
A. Vorbemerkung 1 Für Haftpflichtansprüche wegen Personen- und/oder Sachschäden, die durch vom VN hergestellte und vertriebene Produkte oder erbrachte Dienstleistungen verursacht worden sind, besteht bereits Versicherungsschutz nach Maßgabe der AHB und der BBR BHV. Insoweit ist das aus dem ProdHaftG und nach den Grundsätzen der deliktischen Produzentenhaftung resultierende Produkthaftpflichtrisiko im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert. Ausgenommen vom Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung sind jedoch (echte) Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB 2016 infolge der Herstellung oder Lieferung mangelhafter Erzeugnisse, infolge von Falschlieferungen und infolge fehlerhafter Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse. Diese Schäden können in der Betriebshaftpflichtversicherung wegen des Produktrisikoausschlusses gem. Ziff. 7.6.5.2 lit. a) BBR BHV nicht einmal mit einem Sublimit mitversichert werden. Hier setzt das ProdHM an, indem es Vermögensschäden, die aus im Einzelnen beschriebenen Produktionsvorgängen resultieren, in den Versicherungsschutz mit einschließt und zudem den Streit um den Einschluss von Mangelfolgeschäden an Sachen und Personen wegen Fehlens zugesicherter/vereinbarter Eigenschaften obsolet werden lässt.1 Für diese Deckungserweiterungen besteht nicht nur ein Bedürfnis bei Herstellern, deren Erzeugnisse einer weite-
1 Vgl. Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 2. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-206
846
B. ProdHM 2008
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ren gewerblichen/industriellen Tätigkeit unterliegen, sondern auch bei Händlern, die solche Erzeugnisse vertreiben.2
B. ProdHM 2008 I. Systematik und Aufbau von Ziff. 4.1 ff. ProdHM 2008 1. Enumerationsprinzip Ziff. 4.1 ProdHM 2008 erweitert den bereits nach Ziff. 1.1 ProdHM 2008 gewährten Versicherungsschutz für Personen-, Sach- und daraus entstandene weitere Schäden auf die Fälle, in denen der VN wegen einer Beschaffenheitsgarantie verschuldensunabhängig haftet (Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 2). Darüber hinaus werden echte Vermögensschäden, d.h. Schäden, die nicht auf einem Personen- oder Sachschaden beruhen, ausschnittsweise im Rahmen der in Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 enumerativ aufgeführten Deckungsbausteine versichert. Nach Ziff. 4.2.1, 4.3.1 und 4.4.1 ProdHM sind nur bestimmte Produktionsvorgänge (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Weiterver- oder -bearbeitung, Aus- und Einbau fehlerhafter Erzeugnisse) und daran anknüpfend nach Ziff. 4.2.2, 4.3.2 und 4.4.2 ProdHM 2008 bestimmte Schadenspositionen (Herstellungskosten, Nachbesserungs-/Schadenbeseitigungskosten, entgangener Gewinn und Produktionsausfall) versichert, deren Ersatz der VN als Hersteller oder Lieferant des mangelhaften Erzeugnisses seinem Abnehmer schuldet. Letzteres gilt auch für die fakultativen Deckungsbausteine Ziff. 4.5 ProdHM (Schäden durch mangelhafte Maschinen) und Ziff. 4.6 ProdHM (Prüf- und Sortierkosten). Die Schäden müssen also auf im Versicherungsvertrag benannte Ursachen zurückzuführen sein, allein der betriebliche Zusammenhang genügt nicht. Insoweit folgt das ProdHM für die Deckung von Vermögensschäden nicht dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Prinzip der Allgefahrendeckung. Für Schadensersatzansprüche, die nicht auf den Ersatz von benannten Schadenspositionen gerichtet sind, besteht keine Deckung.3 Welche Bausteine im Einzelnen benötigt werden, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Erzeugnisse des VN in oder ohne Verbindung mit anderen Produkten weiterverarbeitet, eingebaut oder verlegt werden können. Soweit Erzeugnisse des VN mehrere Fertigungsstufen unterschiedlicher Art bei Abnehmern durchlaufen können, darf nicht nur die nächste Verarbeitungsstufe betrachtet, sondern müssen auch die möglichen weiteren Verwendungen der damit erzeugten Produkte in die Betrachtung einbezogen werden. Da die Verarbeitungs- und Verwendungsmöglichkeiten eines Produkts in der Praxis oftmals nicht im Vorhinein bestimmbar und zudem die Übergänge zwischen manchen Bausteinen fließend sind, entspricht es der gängigen Praxis, dass zumindest die Deckungsbausteine Ziff. 4.2, 4.3 und 4.4 ProdHM 2008 en bloc von den VR angeboten und von den Unternehmen versichert werden.4 Lediglich die im ProdHM 2008 als „fakultativ“ bezeichneten Bausteine Ziff. 4.5 und Ziff. 4.6 ProdHM 2008 werden erst nach einer Bedarfsprüfung versichert.5 Zu beachten ist, dass nach dem ProdHM 2008 zwar Deckungssumme und Selbstbehalt für alle Teile der Produkthaftpflichtdeckung identisch sind, in der Praxis jedoch für die Deckungsbausteine gem. Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 häufig höhere Selbstbehalte und niedrigere Deckungs2 Vgl. Späte ProdHM Rn. 4. 3 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 69; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 32 ff.; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 27. 4 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 71; Littbarski Ziff. 4 Rn. 10; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 35; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 29; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 27; Krause NVersZ 2001 103, 104; Klinkhammer VP 2000 143, 150. 5 Vgl. Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 27. 847
Koch
2
3
4
5
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes
summen vereinbart werden als für die Deckung von Sach- und Personenschäden im Rahmen von Ziff. 1.1 und 4.1 ProdHM 2008.6
2. Beratungsmängel, Fehlen vereinbarter Eigenschaften 6 a) Beratungsmängel. Gemeinsames Merkmal der Bausteine Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 ist, dass nach Ziff. 4.2.1 Satz 3, 4.3.1 Satz 3, 4.4.1 Satz 3 und 4.5.1 Satz 2 ProdHM 2008 „Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom Versicherungsnehmer hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen [.] Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich[stehen]“.
Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung einer Sache können einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB begründen, wenn der Käufer dem Verkäufer (VN) die intendierte Verwendung mitgeteilt hat und auf der Grundlage der Empfehlungen des Verkäufers eine nur scheinbar geeignete Sache auswählt.7 Berät der VN den Käufer im Hinblick auf dessen Verwendungsabsichten, ohne diese zum Vertragsinhalt zu machen, kommt eine Haftung wegen Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Betracht. Zu prüfen ist in solchen Fällen auch ein selbständiger Beratungsvertrag.8 Für die Deckung im Rahmen der Ziff. 4.2.2, 4.3.2, 4.4.4 und 4.5.2 ProdHM 2008 kommt es auf die haftungsrechtliche Zu- und Einordnung von Mängeln bei der Beratung nicht an.
7 b) Fehlen vereinbarter Eigenschaften. Darüber hinaus besteht im Rahmen der Bausteine Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 Versicherungsschutz gem. Ziff. 4.2.1 Satz 4, 4.3.1 Satz 4, 4.4.1 Satz 4 und 4.5.1 Satz 3 ProdHM 2008 „für auf Sachmängeln beruhende Schadensersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang, wenn der Versicherungsnehmer auf Grund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind“.9
Dieser Einschluss dehnt die in Ziff. 4.1 ProdHM 2008 auf Personen- und Sachschäden beschränkte Deckungserweiterung auf die nach Ziff. 4.2.2, 4.3.2, 4.4.2 und 4.5.2 ProdHM 2008 versicherten Vermögensschäden aus.
3. Ausschluss von Rückrufkosten 8 Soweit Schadensersatzansprüche auf den Ersatz von Kosten gerichtet sind, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden, besteht keine Deckung.10
6 Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.544. 7 BeckOK-BGB/Faust § 434 Rn. 49; Erman/Grunewald § 434 Rn. 18. 8 jurisPK-BGB/Pammler § 434 Rn. 67. 9 Vgl. Ziff. 4.2.1 Satz 3, 4.3.1 Satz 3, 4.4.1 Satz 3, 4.5.1 Satz 2 ProdHM 2008. 10 Vgl. Kommentierung zu Ziff. 4.2.2.3, 4.2.2.4, 4.3.2.2, 4.3.2.3, 4.4.4.3, 4.6.5 und zu Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008. Koch
848
B. ProdHM 2008
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
4. Übersicht über die Bausteine des ProdHM 200811 9 falkultativ: Prüf- und Sortierkosten (Ziff. 4.6) falkultativ: Einzelteileaustausch- und Reparaturkosten (Ziff. 4.4.5, 4.4.6)
Verbindungs-, Vermischungsund Verarbeitungsschäden (Ziff. 4.2)
falkultativ: Schäden durch mangelhafte Maschinenteile (Steuerungselemente)
Weiterver-/ bearbeitungsschäden (Ziff. 4.3)
Austauschkosten (Ziff. 4.4)
falkultativ: Umpackkosten durch mangelhafte Verpackungsmaschine
falkultativ: Schäden durch mangelhafte Maschinen (Ziff. 4.5)
Personen-, Sach- und daraus entstandene weitere Schäden infolge Fehlens zugesicherter Eigenschaften (Ziff. 4.1) Personenschäden, Sachschäden und daraus entstandene weitere Schäden (Ziff. 1.1, 1.2)
II. Terminologie 1. Mangelbegriff a) Sachmangel. Das ProdHM bedient sich, soweit es um die Haftung als Voraussetzung der 10 Deckung geht, weitgehend der Terminologie des BGB zum Sachmängelrecht (Sachmangel, Gleichstellung der Falschlieferung mit Mängeln in der Herstellung oder Lieferung, vgl. § 434 Abs. 5 BGB). Eine ausdrückliche Beschränkung auf Sachmängel findet sich allerdings nur in Ziff. 4.1 ProdHM 2008. In Ziff. 4.2.1, 4.3.1 und 4.4.1 ProdHM 2008 ist dagegen nur die Rede von „mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen“, sodass dort auch Deckung für Erzeugnisse besteht, die mit einem Rechtsmangel i.S.v. § 435 BGB (z.B. gewerbliches Schutzrecht) behaftet sind. Jedoch schließt Ziff. 6.2.2 ProdHM 2008 Ansprüche vom Versicherungsschutz aus, die daraus hergeleitet werden, dass gelieferte Sachen oder Arbeiten einen Rechtsmangel aufweisen. b) Mangelverdachtsfälle. Fraglich ist, ob auch der bloße Mangelverdacht von Ziff. 4.2 ff. 11 ProdHM 2008 erfasst wird. Nach ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass der hinreichend konkrete Verdacht eines Sachmangels, ohne dass er als solcher feststeht, bereits die Voraussetzungen von § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BGB erfüllen kann. So hat die Rechtsprechung einen Sachmangel bejaht, wenn konkrete Tatsachen den naheliegenden Verdacht begründen, dass die
11 Vgl. Ermert/Zölch 156. 849
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes
zum Weiterverkauf gelieferte Ware nicht verkehrsfähig ist.12 Das LG Aachen hat in seinem Urteil vom 24.6.201013 einen Sachmangel bejaht, weil der objektive Verdacht bestand, dass im Rahmen der Fertigung mängelbehaftete Feuerwehrstiefel produziert worden waren, und somit allen Stiefeln desselben Typs Mängel anhaften konnten.14 Der Mangelverdacht besteht fort, wenn er nicht durch eine Mangelbeseitigungsmaßnahme (Aufspielen eines Softwareupdates) ausgeräumt wird.15 Somit kommen Haftpflichtansprüche des Abnehmers gegen den VN wegen der Lieferung von Erzeugnissen, die mit einem Mangelverdacht belastet sind, grundsätzlich in Betracht. 12 Gleichwohl soll nach ganz überwiegender Ansicht der Literatur keine Deckung im Rahmen der Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 für Schadensersatzansprüche bestehen, die aus dem Verdacht der Mangelhaftigkeit des vom VN gelieferten Erzeugnisses resultieren. Begründet wird dies damit, dass der bloße Mangelverdacht keine vom Wortlaut der Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 erfasste Mangelhaftigkeit sei.16 Dies gehe außerdem aus den GDV-Erläuterungen zu den einzelnen Bausteinen hervor. Zudem sei für den Mangelverdacht eine gesonderte fakultative Deckungsmöglichkeit (Ziff. 4.6 ProdHM 2008) vorgesehen.17 Diese Begründung überzeugt nicht, weil sie mit den AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätzen 13 nicht in Einklang zu bringen ist. Bei dem Begriff des Mangels handelt es sich erstens – wie zuvor festgestellt – um einen Begriff der Rechtssprache, der im Hinblick auf die in der Haftpflichtversicherung angestrebte Kongruenz zwischen Haftung i.S.d. § 434 BGB zu verstehen ist.18 Zweitens spielen die Erläuterungen des Musterbedingungsgebers bei der Auslegung des Mangelbegriffs keine Rolle, soweit sie dem VN nicht vor Vertragsschluss vorgelegt worden sind. Drittens kann der VN der Tatsache, dass fakultativ ein Deckungsbaustein wegen Kosten der Vorsortierung und Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht angeboten wird, im Umkehrschluss nicht zwingend entnehmen, dass für auf einem Mangelverdacht beruhende Schadensersatzansprüche, die nicht auf den Ersatz von Prüf- und Vorsortierkosten gerichtet sind, keine Deckung besteht. Es ist deshalb bei den nach Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 versicherten Schadenspositionen jedes einzelnen Bausteins zu prüfen, ob der Versicherungsschutz auch bei solchen Erzeugnissen des VN, Produkten, die Erzeugnisse des VN enthalten, oder bei Gesamtprodukten eingreift, die lediglich mit Mangelverdacht behaftet sind.19 Zur Behandlung des Mangelverdachts im ProdHM 2015 s. Rn. 21. Dem Mangelverdacht steht im Übrigen der Fall gleich, in dem begründete Zweifel an der erfolgreichen Beseitigung eines vorhandenen Mangels bestehen. 12 Zu § 434 BGB a.F. und § 459 BGB a.F. BGH 22.10.2014 – VIII ZR 195/13, BGHZ 203 98 = NJW 2015 544 Rn. 42 ff. (konkreter Verdacht einer unzulässigen Dioxinbelastung des gelieferten Futtermittels als Sachmangel); BGH 7.2.2003 – V ZR 25/02, NJW-RR 2003 772 f. (Hausschwammverdacht); BGH 23.11.1988 – VIII ZR 247/87, NJW 1989 218, 219/220 (Verdacht der Gesundheitsgefährdung); BGH 14.6.1972 – VIII ZR 75/71, NJW 1972 1462, 1463; BGH 20.6.1968 – III ZR 32/66, WM 1968 1220, 1221 (Hausschwammverdacht); BGH 16.4.1969 – VIII ZR 176/66, BGHZ 52 51, 54 f. (Salmonellenverdacht); vgl. auch zum internationalen Warenkauf – Verdacht auf Dioxinbelastung bei Schweinefleisch – BGH 2.3.2005 – VIII ZR 67/04, NJW-RR 2005 1218, 1219 f.; OLG Hamm 9.2.2012 – I-28 U 186/10, BeckRS 2012 05285 (Verdacht, dass die betriebswesentlichen Bauteile des Fahrzeugs durch die Vorbenutzung im getunten Zustand übermäßig verschlissen sind); OLG Karlsruhe 25.6.2008 – 7 U 37/07, NJW-RR 2009 134 f. (Verdacht einer Gesundheitsgefährdung durch zum menschlichen Verzehr nicht geeigneten Fleisch); zum „Verdacht“ eines Mangels bei Kaufverträgen über Pkw OLG Naumburg 6.11.2008 – 1 U 30/08, OLGR 2009 284, 285 (Verdacht eines weitergehenden Mangels oder Schadens im Motorbereich eines Kfz). 13 LG Aachen 24.6.2010 – 8 O 386/09 (juris). 14 Vgl. auch OLG Düsseldorf 14.12.2012 – I-17 U 68/12, NJOZ 2013 924, 925 f. (Verdacht bei Medikament begründet Rechtsmangel). 15 OLG Saarbrücken 28.8.2019 – 2 U 94/18, NJW-RR 2019 1453; LG Paderborn 16.7.2020 – 4 O 43/20, BeckRS 2020 44576. 16 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 73, 98; Thürmann/Kettler/Kettler 278; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 33; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 32; v. Bühren/Lenz § 12 Rn. 76; Prölss/ Martin/Voit ProdHM Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 3. 17 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 73; Thürmann/Kettler/Kettler 278. 18 Vgl. Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 71 Rn. 5. 19 Vgl. auch Armbrüster NJW 2015 1162 (Ausschluss des Mangelverdachts ist keineswegs unzweifelhaft). Koch
850
B. ProdHM 2008
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
2. Erzeugnis, Produkt, Gesamtprodukt Auf der Ebene der Deckung unterscheiden die Bausteine Ziff. 4.2 bis 4.6 ProdHM 2008 zwischen 14 „Erzeugnis“, „Produkt“ und „Gesamtprodukt“.20 Mit dem Begriff „Erzeugnis“ ist jeweils das vom VN herrührende Teil gemeint (bei Ziff. 4.5 ProdHM 2008 muss es sich um eine Maschine des VN handeln). Nach allgemeinem Sprachgebrauch sowie Sinn und Zweck des ProdHM 2008 sind nur Waren, d.h. bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sind, als „Erzeugnis“ anzusehen (vgl. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 9 f.). Der Begriff „Produkt“ bezieht sich auf Sachen von Dritten, die Erzeugnisse des VN enthal- 15 ten oder seitens des Herstellers in den Verarbeitungsprozess eingebracht oder von ihm mittels einer vom VN hergestellten, gelieferten, montierten oder gewarteten Maschine produziert, beoder verarbeitet worden sind. Der Begriff „Gesamtprodukt“ bezieht sich auf das Ergebnis des Verarbeitungsprozesses 16 von Erzeugnissen mit Produkten.21 Dabei muss es sich nicht um ein Endprodukt handeln, vielmehr kann es auch ein Zwischenprodukt sein, das weiteren Produktionsprozessen unterzogen wird.22 Da die Haftung des VN für die Folgen der Mangelhaftigkeit seines Erzeugnisses nicht mit dessen Einbau in einen anderen Gegenstand oder dessen Verwendung für die Herstellung eines (End-)Produkts erlischt, fallen unter den Begriff „Produkt“/„Gesamtprodukt“ nicht nur andere bewegliche, sondern auch unbewegliche Sachen, deren wesentlicher Bestandteil das Erzeugnis geworden ist.23
III. Deckung für mehrstufige Verarbeitung Mit der Einbeziehung von Erzeugnissen des VN, die in Produkten Dritter enthalten sind, werden 17 mehrstufige Verarbeitungsprozesse erfasst.24 Hierdurch wird sichergestellt, dass nicht nur Deckung für die beim unmittelbaren Abnehmer (= Gesamtprodukthersteller) entstandenen Schäden gewährt wird, sondern auch für die Schäden derjenigen, die das Gesamtprodukt wiederum verbunden, eingebaut etc. haben, und für deren Ersatz der VN über die Regresskette Abnehmer des Gesamtproduktes – Hersteller des Gesamtproduktes haftet. Hiervon ausgenommen sind nur die Schadenspositionen der Ziff. 4.2.2.5 und 4.5.2.5 ProdHM. Beispiel:25 Der VN liefert Farbe an eine Stofffabrik, die damit Stoffe für Polstermöbel einfärbt und diese Stoffe an einen Hersteller von Polstermöbeln verkauft. Nach der Fertigstellung der Polstermöbel stellt sich heraus, dass die Möbelstoffe infolge eines Fehlers der Farbe abfärben. Die Polstermöbel sind unbrauchbar.
Für die Schadensersatzansprüche des Herstellers der Polstermöbel gegen den Stoffhersteller, 18 für die der VN gegenüber dem Stoffhersteller gem. §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haftet, besteht im Rahmen von Ziff. 4.2 ProdHM 2008 (Ziff. 4.2.2.1 bis 4.2.2.4 ProdHM 2008) Versicherungsschutz. Für die Schadensposition „Produktionsausfall“ (Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008) des Polstermöbelherstellers besteht hingegen keine Deckung, da er nicht Abnehmer des VN ist.
20 Vgl. zur Terminologie Nickel VW 2005 1652; Nickel/Nickel-Fiedler 25. 21 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 74; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 186. 22 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 91 f.; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 48; Ermert/Zölch 135; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 186. 23 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 2; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 33. 24 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 76. 25 Nach Ermert/Zölch 136. 851
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes
C. ProdHM 2015 I. Formal-systematische Änderungen 19 Das ProdHM 2015 folgt dem zuvor beschriebenen Bausteinsystem des ProdHM 2008. Gestrichen wurde die Regelung in Ziff. 4.1 ProdHM 2008. Die Deckung für Personenschäden, die durch vom VN hergestellte/gelieferte Erzeugnisse oder erbrachte Arbeiten/ sonstige Leistungen verursacht wurden, bestimmt sich allein nach Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015. Für Sachschäden und daraus resultierende (unechte) Vermögensfolgeschäden sowie für echte Vermögensschäden, die aus einem der in Ziff. 4.2.1, 4.3.1, 4.4.1, 4.5.1 und 4.6.1 ProdHM 2015 beschriebenen Produktionsvorgängen resultieren, bestimmt sich der Versicherungsschutz nunmehr ausschließlich (vgl. Ziff. 1 Satz 2 ProdHM 2015) nach Maßgabe von Ziff. 4.2.2, 4.3.2, 4.4.2, 4.5.2 und 4.6.2 ProdHM 2015. Für Sachschäden, die nicht aus den in Ziff. 4.2.1, 4.3.1, 4.4.1, 4.5.1 und 4.6.1 ProdHM 2015 beschriebenen Produktionsvorgängen resultieren, bestimmt sich die Deckung nach Ziff. 1 Satz 1 ProdHM 2015 (zur Diskussion über den Umfang der Deckung des ProdHM 2015 s. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 32 ff.).
II. Redaktionelle Änderungen und Erweiterungen des standardmäßigen Deckungsumfangs 20 Ziff. 4.1 Satz 1 und 2 ProdHM 2015 zieht die Regelung zu den Beratungsmängeln (Rn. 6) und Begriffsbestimmungen, die für alle Bausteine relevant sind, vor die Klammer. Die für das ProdHM nur fakultativ vorgesehene Einzelteileaustauschdeckung (Ziff. 4.4.5 ProdHM 2008) ist nunmehr standardmäßig vorgesehen und die Werkzeugklausel hat neu Eingang in Ziff. 4.5.1 ProdHM 2015 gefunden. Die Hinweis auf Ziff. 6.2.8 ProdHM (Ausgrenzung des Rückrufkostenrisikos) in Ziff. 4.2.2.3, 4.2.2.4, 4.3.2.2, 4.3.2.3, 4.4.4.3 und 4.6.5 ProdHM 2008 findet sich im ProdHM 2015 nicht.
III. Mangelverdachtsfälle 21 In Ziff. 4.1 Satz 3 ProdHM 2015 (s. synoptische Gegenüberstellung von Ziff. 4.2 ProdHM 2008 und Ziff. 4.1 ProdHM 2015) heißt es nunmehr, dass „Mangelhaftigkeit im Sinne dieser Regelung (sic) [.] die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht [ist].“ Nach Ansicht der Verfasser der Musterbedingungen26 und der Autoren, die den Mangelverdacht nicht von Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 erfasst ansehen (Rn. 12), handelt es sich nur um eine Klarstellung.
26 Vgl. Erläuterungen zur Strukturreform und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebsund Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV), S. 14, abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6238/ 1381db76f87bca203bf853d1821c249a/01-erlaeuterungen-strukturreform-und-avb-bhv-2014-08-data.pdf (zuletzt abgerufen am 8.8.2022). Koch
852
Ziff. 4.1 ProdHM 2008/Ziff. 3.2 ProdHM 2015
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.1 Personen- oder Sachschäden aufgrund von Sachmängeln infolge Fehlens von vereinbarten Eigenschaften Eingeschlossen sind – insoweit abweichend von Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB – auf Sachmängeln beruhende Schadensersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang wegen Personen-, Sach- und daraus entstandener weiterer Schäden, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
3.2 Vertraglich übernommene Haftpflicht 3.2.1 Vereinbarte Eigenschaften Eingeschlossen sind – insoweit abweichend von Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB – auf Sachmängeln beruhende Schadensersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang wegen Personen-, Sach- und daraus entstandener weiterer Schäden, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind. 3.2.2 Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 2 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 – die Haftpflicht des VN wegen Personen-, Sach- und daraus entstandener weiterer Schäden, soweit der VN gegenüber seinen Abnehmern vertraglich auf die Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 377 HGB, Art. 38, 39 UN-Kaufrecht oder vergleichbarer Bestimmungen verzichtet.3Versicherungsschutz besteht nur, wenn der VN mit seinen Abnehmern vereinbart, – dass eine Eingangskontrolle in Form einer Sichtprüfung auf offensichtliche Mängel, Transportschäden und Identität der Ware beim Abnehmer durchgeführt wird und – erkannte Mängel unverzüglich beim VN gerügt werden müssen – sowie unter der Voraussetzung, dass ein Qualitätssicherungsmanagement mit branchenüblichem Standard (z.B. ISO 9000 ff.) beim VN eingeführt und eine Ausgangskontrolle geregelt ist
Fehlanzeige
1
Übersicht A.
ProdHM 2008 (Ziff. 4.1 ProdHM 2008)
I.
Inhalt und Zweck
II.
Reichweite der Deckungserweiterung
B.
ProdHM 2015 (Ziff. 3.2 ProdHM 2015)
853
I.
Vereinbarte Eigenschaften (Ziff. 3.2.1 ProdHM 27 2015)
II.
Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht (Ziff. 3.2.2 28 ProdHM 2015)
22 25
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.1 ProdHM 2008/Ziff. 3.2 ProdHM 2015
A. ProdHM 2008 (Ziff. 4.1 ProdHM 2008) I. Inhalt und Zweck 22 Ziff. 4.1 ProdHM 2008 erweitert den nach Ziff. 1 ProdHM 2008 bestehenden Versicherungsschutz auf die Fälle, in denen der VN auf Ersatz von Personen- oder Sachschäden und Folgeschäden wegen des Fehlens einer vereinbarten Eigenschaft in Anspruch genommen wird, die einen Sachmangel begründet. Der Begriff der „Eigenschaft“ knüpft an die Sachmängelhaftung vor der Schuldrechtsreform an, die zwischen Merkmalen, die Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 459 Abs. 1 BGB a.F. sein konnten, und Merkmalen, die Gegenstand einer Eigenschaftszusicherung i.S.v. § 459 Abs. 2 BGB a.F. waren, unterschied.1 Durch die Neuregelung des Gewährleistungsrechts im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ist die Unterscheidung dergestalt aufgehoben worden, dass jede nach früherem Recht zusicherungsfähige Eigenschaft nunmehr eine Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 2 BGB darstellt.2 Der durchschnittliche VN wird den Begriff der Eigenschaft i.S.v. Ziff. 4.1 ProdHM gleichsetzen mit dem der Beschaffenheit einer Sache i.S.v. § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB.3 Aus Gründen der Transparenz sollte jedoch in Erwägung gezogen werden, anstelle des Begriffs der Eigenschaft den der Beschaffenheit zu verwenden. 23 Beschaffenheitsvereinbarungen i.S.v. § 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB lassen die Deckung grundsätzlich unberührt, weil der VN für das Vorhandensein einer vereinbarten Beschaffenheit nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit auf Schadensersatz haftet und insoweit der Haftungsmaßstab unberührt bleibt.4 Von der Beschaffenheitsvereinbarung abzugrenzen ist die Beschaffenheitsgarantie i.S.v. §§ 442 Abs.S. 2 Alt. 2, 444 Alt. 2, 445 Alt. 2 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB,5 bei der der VN für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit verschuldensunabhängig haftet (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 146). Die Beschaffenheitsgarantie ändert somit den Haftungsmaßstab im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung. Ohne Ziff. 4.1 ProdHM 2008 bestünde für die Ansprüche auf Ersatz von Personen- oder 24 Sachschäden und Folgeschäden wegen Fehlens einer garantierten Beschaffenheit im Hinblick darauf, dass Ziff. 1 ProdHM 2008 – ebenso wie Ziff. 1 AHB 2016 – nur gesetzliche Haftpflichtansprüche versichert, keine Deckung. Schadensersatzansprüche, die nur aufgrund einer die gesetzliche Haftpflicht erweiternden vertraglichen Vereinbarung durchgesetzt werden können, sind keine gesetzlichen Haftpflichtansprüche i.S.v. Ziff. 1 ProdHM und Ziff. 1 AHB 2016 (vgl. Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 43, Ziff. 7.3 AHB 2016 Rn. 140 ff.). Dem Hinweis auf die Abbedingung von Ziff. 1.1 und 7.3 AHB 2016 kommt insoweit nur klarstellende Bedeutung zu.
II. Reichweite der Deckungserweiterung 25 Ziff. 4.1 ProdHM 2008 schließt nur Abreden zwischen dem VN und seinem Abnehmer ein, die eine vom Verschulden unabhängige Haftung des VN für fehlende Beschaffenheit begründen. Nicht gedeckt sind Ansprüche, die an eine über dieses Haftungserweiterungsmaß hinausge-
1 Zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform s. BeckOK-BGB/Faust § 434 Rn. 13–18. 2 Vgl. BGH 15.6.2016 – VIII ZR 134/15, NJW 2016 2874 Rn. 10 m.w.N. 3 Vgl. auch OLG Köln 14.2.2012 – 9 U 116/11, RuS 2015 190, 191 („Gesetzlichen Schadensersatzansprüchen wegen des Fehlens „zugesicherter Eigenschaften“ i.S. des § 459 Abs. 2 BGB a.F. entsprechen nunmehr aus Beschaffenheitsvereinbarungen gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. aus Beschaffenheitsgarantien i.S. des § 443 BGB resultierende Schadensersatzansprüche“); der BGH hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschl. v. 6.3.2013 – IV ZR 73/12 zurückgewiesen. 4 Langheid/Wandt/Büsken Kap. 300 Rn. 164. 5 Vgl. BGH 12.3.2008 – VIII ZR 253/05, NZV 2008 344 Rn. 13; BGH 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170 86, 91 = NJW 2007 1346, 1348; Nickel/Nickel-Fiedler RuS 2011 459, 463; Braunschmidt/Vesper JuS 2011 393, 394. Koch
854
Ziff. 4.1 ProdHM 2008/Ziff. 3.2 ProdHM 2015
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
hende Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie i.S.v. § 443 Abs. 1 BGB anknüpfen (vgl. auch Ziff. 6.2.1 ProdHM 2008 sowie Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 147).6 Haltbarkeitsgarantien scheiden auch deshalb aus, weil sich Ziff. 4.1 ProdHM nur auf Vereinbarungen erstreckt, die sich auf das Vorhandensein von Eigenschaften bei Gefahrübergang beziehen.7 Ebenso wenig versichert sind frei vereinbarte Rechtsfolgen, wie z.B. pauschalierter Schadensersatz bei einer bestimmten Anzahl fehlerhafter Erzeugnisse.8 Die Erweiterung des Versicherungsschutzes bezieht sich nur auf Beschaffenheitsgarantien, 26 die der VN mit seinem Abnehmer vereinbart hat. Die Erweiterung ist somit auf vertragliche Ansprüche des Abnehmers beschränkt.9 Ergibt die Auslegung der Beschaffenheitsgarantie, dass der VN auch für Ansprüche, die auf den Ersatz des Haftungsschadens des Abnehmers, der von seinem Abkäufer wegen der fehlenden Beschaffenheit auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, und/oder für Schäden an anderen Rechtsgütern des Abnehmers nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz neben der Leistung) verschuldensunabhängig einstehen will, besteht auch insoweit Deckung nach Zif. 4.1 ProdHM 2008.
B. ProdHM 2015 (Ziff. 3.2 ProdHM 2015) I. Vereinbarte Eigenschaften (Ziff. 3.2.1 ProdHM 2015) Im ProdHM 2015 hat die Deckung für die Haftung für vereinbarte Eigenschaften unter der Über- 27 schrift „Vertraglich übernommene Haftpflicht“ ohne inhaltliche Änderung Eingang in Ziff. 3.2.1 ProdHM 2015 gefunden.
II. Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht (Ziff. 3.2.2 ProdHM 2015) Ohne Entsprechung im ProdHM 2008 ist Ziff. 3.2.2 ProdHM 2015, die vorsieht, dass bei besonde- 28 rer Vereinbarung der Verzicht des VN gegenüber seinen Abnehmern auf die Untersuchungsund Rügepflicht gemäß § 377 HGB, Art. 38, 39 CISG oder vergleichbarer Bestimmungen deckungsunschädlich ist, wenn der VN mit ihnen bestimmte Prüfungsanforderungen vereinbart, die in Ziff. 3.2.2 Satz 3 ProdHM im Einzelnen aufgeführt sind. Eine solche Deckungserweiterung entspricht bereits bislang weitgehend der vertraglichen Praxis.10 Nach Ziff. 3.2.2 Satz 3 ProdHM besteht im Falle eines Verzichts auf die Untersuchung und Rü- 29 gepflicht Versicherungsschutz nur dann, wenn der VN mit seinem Abnehmer eine Vereinbarung trifft, dass letzterer eine Eingangskontrolle in Form einer Sichtprüfung auf offensichtliche Mängel, Transportschäden und Identität der Ware durchführt und erkannte Mängel unverzüglich rügen muss. Zudem muss der VN ein Qualitätssicherungsmanagement mit branchenüblichem Standard (z.B. ISO 9000 ff.) betreiben und eine Ausgangskontrolle muss geregelt sein. Nach Ziff. 3.2.2 Satz 3 ProdHM genügt die Vereinbarung zwischen dem VN und seinen Ab- 30 nehmern. Der Versicherungsschutz wird somit nicht dadurch nachteilig berührt, dass Abnehmer gegen die Vereinbarung mit dem VN verstoßen (z.B. keine Eingangskontrolle durchführen) oder Beschäftigte des VN gegen die internen Vorgaben in Bezug auf die Qualitätssicherung und/oder die Ausgangskontrolle verstoßen.11 6 Zu den verschiedenen Typen der Garantie s. MüKoBGB/Westermann § 443 Rn. 8 ff. 7 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 7; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 63; Thürmann PHi Jubiläumsausgabe 2002 24, 27 ff.; Zölch PHi 2002 236, 239. 8 Littbarski Ziff. 4 Rn. 52. 9 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 62. 10 Vgl. Thürmann/Kettler/Kettler 279; Veith/Gräfe/Gebert/Bäcker/Ollick § 16 Rn. 64. 11 Vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 11. 855
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden 4.2.1 1Eingeschlossen sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.2.2 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch eine aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht trennbare Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen mit anderen Produkten entstanden sind. 2Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich. 4 Versicherungsschutz besteht insoweit auch – abweichend von Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB – für auf Sachmängeln beruhende Schadenersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden 4.2.1 Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.2.2 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch eine aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht trennbare Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen mit anderen Produkten entstanden sind.
4.2.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen 4.2.2.1 der Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte, soweit hierfür nicht bereits Versicherungsschutz nach Ziff. 1 oder 4.1 besteht; 4.2.2.2 anderer für die Herstellung der Gesamtprodukte aufgewendeter Kosten mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN; 4.2.2.3 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der Gesamtprodukte oder für eine andere Schadenbeseitigung (siehe aber Ziff. 6.2.8). 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadensbeseitigung) steht; 4.2.2.4 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die Gesamtprodukte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können (siehe aber Ziff. 6.2.8). 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN für die Gesamtprodukte zu erzielen gewesen wäre; 4.2.2.5 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten durch den Produktionsausfall, der aus der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte herrührt.
4.2.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.2.2.1 der Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte; 4.2.2.2 anderer für die Herstellung der Gesamtprodukte aufgewendeter Kosten mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN;
Koch
4.1 Begriffsbestimmungen/Anwendbarkeit von Ziff. 3.2 1 Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 2 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich 3 Mangelhaftigkeit im Sinne dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. 4 Ziff. 3.2 (vertraglich übernommene Haftpflicht) findet auf Schäden gem. Ziff. 4.2 ff. Anwendung.
4.2.2.3 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der Gesamtprodukte oder für eine andere Schadenbeseitigung. 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadenbeseitigung) steht; 4.2.2.4 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die Gesamtprodukte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können. 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN für die Gesamtprodukte zu erzielen gewesen wäre; 4.2.2.5 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten durch den Produktionsausfall, der aus der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte herrührt. 856
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
ProdHM 2008
ProdHM 2015
2
2
Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert.
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert.
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Haftung für Verbindungs-, Vermischungs- und 31 Verarbeitungsschäden
II.
Versicherung von Verbindungs-, Vermischungsund Verarbeitungsschäden Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008) 33 a) Mangelhaftes Erzeugnis b) Verbindung, Vermischung und Verarbei34 tung 35 aa) Auslegung 40 bb) Verbindung 41 cc) Vermischung 42 dd) Verarbeitung Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.2.2 ProdHM 2008) 43 a) Vorbemerkungen b) Beschädigung oder Vernichtung anderer Produkte (Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 47 2008) c) Kosten der Herstellung des Gesamtproduk50 tes (Ziff. 4.2.2.2 ProdHM 2008) d) Kosten der Nachbearbeitung des Gesamtproduktes und andere Schadensbeseitigungskosten (Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 54 2008) 55 aa) Nachbearbeitung 56 bb) Andere Schadensbeseitigung cc) Versicherte Schadenspositio57 nen dd) Rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung oder andere Schadensbeseitigung 58 (1) Anwendungsbereich (2) Rechtliche Gebotenheit und wirtschaftliche Zumutbarkeit der 60 Nachbearbeitung (a) Weiterveräußertes Gesamt61 produkt (b) Gesamtprodukt noch beim 62 Hersteller
1.
2.
857
(c)
e)
f)
B.
Nicht behebbarer Man63 gel (d) Kosten der Nachbearbeitung entsprechen oder übersteigen Neuherstel64 lungskosten (e) Neuherstellungskosten übersteigen Kosten der 65 Nachbearbeitung (f) Berücksichtigung von Fol66 geschäden ee) Nichtberücksichtigung des Erfüllungsinteresses des Versicherungsneh67 mers ff) Ausschluss von Rückrufkos69 ten Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.2.2.4 70 ProdHM 2008) aa) Veräußerung des Gesamtproduktes nicht oder nur mit Preisnachlass möglich (1) Unveräußerlichkeit des Gesamt71 produktes (2) Veräußerlichkeit des Gesamtpro73 duktes mit Preisnachlass bb) Begriff des weiteren Vermögensnach74 teils cc) Verzugsschäden und Vertragsstrafen als weiterer Vermögensnach76 teil? dd) Nichtberücksichtigung des Erfüllungs79 interesses Produktionsausfallkosten (Ziff. 4.2.2.5 80 ProdHM) aa) Begriff des Produktionsaus81 falls bb) Infolge der Mangelhaftigkeit der Ge82 samtprodukte
ProdHM 2015
86
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
A. ProdHM 2008 I. Haftung für Verbindungs-, Vermischungs- und Verarbeitungsschäden 31 Ziff. 4.2 ProdHM regelt den Sachverhalt, dass der VN ein mangelhaftes Erzeugnis hergestellt oder geliefert hat, welches ein anderes Unternehmen (= Hersteller des Gesamtproduktes) mit anderen Produkten aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen zu einem mangelhaften Gesamtprodukt verbunden, vermischt oder verarbeitet hat. Der Mangel des Gesamtproduktes wird vom Hersteller erst nach dem Herstellungsprozess erkannt. Der Mangel macht das Gesamtprodukt unveräußerlich, sodass die Herstellungskosten rückblickend nutzlos erbracht wurden. Beispiel:1 Der VN liefert Speicherchips mit fehlerhaft arbeitenden Transistoren aus. Der Abnehmer (= Hersteller von Steuergeräten) lötet diese mit anderen Bestandteilen auf Leiterplatten auf, überzieht die Platinen sodann mit einem Schutzlack und baut sie in Steuergeräte ein, die zur Herstellung von Pkw-Zentralverriegelungen dienen. Erst nach dem Einbau stellt er fest, dass es zu Ausfällen bei den Steuergeräten infolge der mangelhaften Transistoren kommen kann. Sie sind somit für den Einbau in Zentralverriegelungen untauglich. Die vom Abnehmer zum Zusammenbau der Steuergeräte verwandten fehlerfreien Bauelemente lassen sich von den Speicherchips nicht mehr trennen und sind folglich unbrauchbar.
Der Hersteller der Steuergeräte hat gegen den VN – Verschulden vorausgesetzt – neben dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, der auf den Wert der Chips in mangelfreien Zustand gerichtet ist, wegen der Verletzung des Eigentums an den mangelfreien Zutaten, die infolge der untrennbaren Verbindung eingetreten ist, vertragliche Ansprüche gem. §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB sowie deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auf Ersatz aller Schäden, die auf der Eigentumsverletzung an den Zutaten beruhen. 32 Daneben schuldet der VN dem Hersteller gem. §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB Ersatz der Herstellungskosten der Gesamtprodukte (Steuerungsgeräte), der Nachbesserungskosten, des entgangenen Gewinns und des Produktionsausfalls wegen der Mangelhaftigkeit des Gesamtproduktes. Falls weitere Vermögensnachteile wie z.B. zusätzliche Lager- oder Vernichtungskosten durch die Unveräußerlichkeit (hierzu Rn. 74) der Endprodukte entstanden sind, gehören auch diese Kosten zu dem nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schaden. Da diese Schadenspositionen nicht Folge der Eigentumsverletzung am mangelfreien Ausgangsmaterial, sondern der von Anfang an bestehenden Mangelhaftigkeit des Gesamtproduktes sind, sind sie nicht nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähig.
II. Versicherung von Verbindungs-, Vermischungs- und Verarbeitungsschäden 1. Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008) 33 a) Mangelhaftes Erzeugnis. Die Anwendung von Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008 hat im Ausgangspunkt stets das Vorhandensein zweier Sachen, nämlich des mangelhaften Erzeugnisses des VN und eines anderen Produktes im Zeitpunkt der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung zur Voraussetzung. Entsprechend heißt es in Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008 „Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen mit anderen Produkten“. Die anderen Produkte müssen nicht unbedingt von einem Dritten zugeliefert sein. Es kann sich um eigene Materialien des Abnehmers oder um vom VN früher unabhängig von dem nunmehr fraglichen mangelhaften Erzeugnis gelieferte Produkte handeln.2 Im Übrigen stehen gem. Ziff. 4.2.1 Satz 3 ProdHM 2008 – wie in den insoweit parallelen Regelungen in Ziff. 4.3, 4.4 1 BGH 31.3.1998 – VI ZR 109/97, BGHZ 138 230, 231 = VersR 1998 855 – Transistor. 2 S. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 2. Koch
858
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
und 4.5 ProdHM 2008 – Mängel bei der Beratung über die An- und Verwendung sowie Falschlieferungen den Mängeln bei der Herstellung oder Lieferung des VN-Erzeugnisses gleich.
b) Verbindung, Vermischung und Verarbeitung. Weitere Voraussetzung für die Anwendbar- 34 keit dieses Bausteins ist, dass aus der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung eine neue Sache (= Gesamtprodukt in Form eines End- oder Zwischenprodukts) entstanden ist.3 aa) Auslegung. Die Begriffe „Verbindung“, „Vermischung“ und „Verarbeitung“ in Ziff. 4.2.1 35 ProdHM 2008 werden in Ziff. 4.2.2 ProdHM 2008 nicht näher erläutert. Klarheit über die Auslegung bringen auch nicht die anderen Deckungsbausteine. Teile der Literatur sprechen sich für einen Rückgriff auf §§ 946 ff. BGB aus.4 Nach mehrheitlicher Ansicht können die §§ 946 ff. BGB jedoch allenfalls als „Hilfserwägung“ dienen, weil die dortigen Begriffe in anderem Regelungszusammenhang (eigentumsrechtliche Zuordnung) verwendet würden.5 Maßgebend sei eine „wirtschaftliche Betrachtung“.6 Ein Rückgriff auf die §§ 946 ff. BGB hätte nach den Grundsätzen der Auslegung von AGB 36 zweierlei zur Voraussetzung. Erstens müsste die Rechtssprache mit den dort verwendeten Ausdrücken „Verbindung“, „Vermischung“ und „Verarbeitung“ einen fest umrissenen Begriff verbinden, weil nur dann im Zweifel anzunehmen ist, dass auch die AVB darunter nichts anderes verstehen wollen.7 Zweitens dürfte das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache nicht deutlich abweichen oder sich aus dem Sinnzusammenhang der AVB etwas anderes ergeben.8 Dafür, dass es sich bei den Ausdrücken „Verbindung“, „Vermischung“ und „Verarbeitung“ 37 um fest umrissene Begriffe der Rechtssprache handelt, sprechen die amtlichen Überschriften der §§ 946 ff. BGB. Da diese Ausdrücke Realakte beschreiben, dürften sie auch mit dem allgemeinen Sprachverständnis weitgehend übereinstimmen, sodass sich eine von §§ 946 ff. BGB abweichende Auslegung nur aus dem Sinnzusammenhang des ProdHM 2008 ergeben könnte. Dafür bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Für eine sachenrechtlich orientierte Auslegung spricht ferner, dass auch Ziff. 4.2 ProdHM 38 2008 zur Voraussetzung hat, dass eine neue Sache („Gesamtprodukt“) entsteht.9 Dies setzt in aller
3 S. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 89. 4 Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 71 Rn. 4; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 52 Rn. 12; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 34; Nickel VersR 1990 702, 703.
5 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 83; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 4; Littbarski Ziff. 4 Rn. 60 (unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht in der Vorauflage); Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.599; i.d.S. auch MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 168; Späte ProdHM Rn. 26. 6 Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.2 Rn. 4. 7 BGH 29.10.2008 – IV ZR 128/07, RuS 2009 107, 108 = VersR 2009 216; BGH 25.4.2007 – IV ZR 85/05, RuS 2007 319, 320 = VersR 2007 939; BGH 17.1.2007 – IV ZR 124/06, RuS 2007 154, 156 = VersR 2007 535; BGH 5.7.1995 – IV ZR 133/94, RuS 1995 332, 333 = VersR 1995 951. 8 BGH 29.10.2008 – IV ZR 128/07, RuS 2009 107, 109 = VersR 2009 216; BGH 17.1.2007 – IV ZR 124/06, RuS 2007 154, 156 = VersR 2007 535; BGH 5.7.1995 – IV ZR 133/94, RuS 1995 332, 333 = VersR 1995 951. 9 Vgl. auch ÖOGH 24.9.2008 – 7 Ob 154/08 k, VersR 2009 1386, 1388 zu Art. 4.2.2. AHVB 1999 („Im vorliegenden Fall ist einem durchschnittlich versierten Versicherungsnehmer ein derartiges, der sachenrechtlichen Terminologie entsprechendes Verständnis der betreffenden Klausel doch zuzubilligen: Dies zum einen, weil die Gleichstellung der Begriffe Verbindung, Vermischung und Verarbeitung die Vorstellung einer untrennbaren Verbindung nahe legt; zum anderen auch deshalb, weil nach einhelliger Meinung (…) schon nach dem klaren Wortlaut der Klausel durch die Verbindung (oder Vermischung oder Verarbeitung) eine Sache erst neu entstanden sein muss (,Sachen, die erst durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von durch den Versicherungsnehmer gelieferten Produkten mit anderen Produkten entstehen‘)“); a.A. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 83, 91 (Gesamtprodukt muss keine neue Sache sein). 859
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Regel wohl auch nach dem Verständnis eines durchschnittlich versierten VN einer Produkthaftpflichtversicherung ein dauerhaftes Sachganzes voraus, das nur durch eine entsprechend dauerhafte Verbindung aller wesentlichen Teile überhaupt existieren beziehungsweise funktionieren kann. 39 Im Hinblick auf das Erfordernis „zu einem Gesamtprodukt“ reicht für die Annahme einer Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung jedoch ein vom Willen getragenes Verhalten des Herstellers nicht aus. Vielmehr muss die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung gerade zum Zweck der Herstellung eines Gesamtproduktes vorgenommen werden.10
40 bb) Verbindung. Eine Verbindung liegt immer dann vor, wenn die Erzeugnisse des VN wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks oder Bauwerks (§ 946 BGB) oder einer neuen einheitlichen beweglichen Sache (§ 947 BGB) werden. Dies beurteilt sich nach §§ 93, 94 BGB. Gem. § 93 BGB sind Bestandteile einer beweglichen Sache wesentlich, die von einander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird.11 Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 94 Abs. 1 BGB die mit Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören gem. § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.
41 cc) Vermischung. Vermischung i.S.v. § 948 BGB setzt voraus, dass bewegliche Sachen miteinander untrennbar verbunden werden. Die Sachen müssen miteinander derart vermischt oder vermengt sein, dass ihre Trennung objektiv unmöglich (Absatz 1) oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (Absatz 2).12 Der Untrennbarkeit steht es dabei gleich, wenn die Trennung der vermischten Sachen mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein würde. Vermischungen, die nur aufgrund einer gemeinsamen Lagerung oder zufällig entstehen, werden nicht von Ziff. 4.2 ProdHM 2008 erfasst, da hierdurch das Erfordernis „zu einem Gesamtprodukt“ nicht erfüllt wird.13
42 dd) Verarbeitung. Verarbeitung i.S.v. § 950 BGB liegt schließlich vor, wenn durch eine bewusste menschliche oder menschlich gesteuerte Arbeitsleistung (Maschinenleistung) ein oder mehrere Stoffe verarbeitet oder umgebildet werden und dadurch eine neue beweglichen Sache hergestellt wird.14
2. Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.2.2 ProdHM 2008) 43 a) Vorbemerkungen. Aus dem Wortlaut von Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008, wonach nur Schadensersatzansprüche Dritter „infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten“ gedeckt sind, folgt zum
10 Zu den unterschiedlichen Ansichten zu § 950 BGB vgl. MüKoBGB/Füller § 950 Rn. 5; BeckOK-BGB/Kindl § 950 Rn. 4; BeckOGK/Schermaier § 950 Rn. 9 (Herstellung muss nicht beabsichtigt sein); Erman/Ebbing § 950 Rn. 5; Soergel/Henssler § 950 Rn. 5 (Herstellung muss beabsichtigt sein). 11 Weitergehend Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 4 („Verbindung: Kleben, Schrauben, Nähen, Befüllen einer Flasche“). 12 Staudinger/Heinze (2020) § 950 Rn. 9. 13 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 84; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 48; Littbarski Ziff. 4 Rn. 62; Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 ProdHaftPfl Ziff. 4.2 Rn. 20; Schmidt-Salzer Rn. 7.556; Prölss/Martin/ Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 5 (unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht in der Vorauflage). 14 Vgl. BeckOGK/Schermaier § 950 Rn. 11; MüKoBGB/Füller § 950 Rn. 7; Staudinger/Heinze (2020) § 950 Rn. 9; Grüneberg/Bassenge § 950 Rn. 2. Koch
860
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
einen, dass Versicherungsschutz lediglich hinsichtlich der Mangelfolgeschäden besteht, für die der VN nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haftet, nicht jedoch für den „eigentlichen“ Mangelschaden an den vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen, für den der VN nach §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB einzustehen hat. Zum anderen sind nach Ziff. 4.2.2 ProdHM 2008 „Schadensersatzansprüche“ gedeckt, weshalb für die sonstigen mangelbedingten Ansprüche des Herstellers auf Nacherfüllung, aus Minderung oder Rücktritt von vornherein kein Versicherungsschutz besteht.15 Im Rahmen der Ziff. 4.2.2.1 bis 4.2.2.4 ProdHM 2008 sind nicht nur die auf den Ersatz der 44 in Ziff. 4.2.2 ProdHM benannten Schäden gerichteten Ansprüche des Vertragspartners (Abnehmer) des VN versichert, sondern auch derartige Ansprüche Dritter, die im Zusammenhang mit der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung des vom VN gelieferten Erzeugnisses mit anderen Produkten entstehen und über die Regresskette Abnehmer des Gesamtproduktes – Hersteller des Gesamtproduktes den VN erreichen (s. Rn. 17 und Beispiel unter Rn. 68). Dies folgt daraus, dass nach Ziff. 4.2.1 Satz 2 ProdHM 2008 Erzeugnis auch dasjenige ist, das mithilfe des Erzeugnisses des VN hergestellt wurde.16 Nur in Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 beschränkt sich der Versicherungsschutz auf Schäden des unmittelbaren Abnehmers des VN. Für Schadensersatzansprüche, die daraus resultieren, dass das Erzeugnis des VN mit einem 45 Mangelverdacht (Rn. 11 ff.) behaftet ist, besteht nur im Rahmen der Ziff. 4.2.2.2, Ziff. 4.2.2.4 und 4.2.2.5 ProdHM 2008 Deckung, da eine Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte i.S.v. Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 nur durch tatsächlich mangelhafte Erzeugnisse in Betracht kommt. Nachbearbeitungskosten i.S.v. Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 fallen ebenfalls nur insoweit an, als das Gesamtprodukt tatsächlich mangelhaft ist. Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 ist dagegen auch beim Mangelverdacht anwendbar, soweit das Gesamtprodukt nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden kann. Ein Produktionsausfall ist ebenfalls denkbar. Des Weiteren ist der Hinweis geboten, dass die Ziff. 4.2.2.1 bis 4.2.2.5 ProdHM 2008 kumula- 46 tiv nebeneinander angewendet werden können. Je nachdem, ob das Produkt unveräußerlich ist und deshalb verworfen werden muss oder der Nachbearbeitung zugänglich ist und ggf. mit Preisnachlass verkauft werden kann, kommen Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 (Kosten der Zutaten), 4.2.2.2 ProdHM 2008 (Herstellungskosten) und 4.2.2.4 Alt. 1 ProdHM 2008 (entgangener Gewinn) oder Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 (Nachbearbeitung) und 4.2.2.4 Alt. 2 ProdHM 2008 (Preisnachlass) in Betracht. Darüber hinaus kann Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 (Produktionsausfall) eingreifen, wenn das Gesamtprodukt mehrere Verarbeitungsstufen beim ersten Abnehmer durchlaufen soll, aber bereits nach Durchlaufen der ersten Stufe verworfen werden muss oder es während der Zeit der Nachbearbeitung zu einem Produktionsausfall kommt.17
b) Beschädigung oder Vernichtung anderer Produkte (Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008). 47 Nach Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 besteht für Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte Versicherungsschutz, „soweit hierfür nicht bereits Deckung nach Ziff. 1.1 oder 4.1 ProdHM 2008 besteht“. Letzteres ist stets der Fall, wenn es infolge der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung zu Schäden an anderen für die Herstellung des Gesamtproduktes verwendeten Produkten gekommen ist, die unversehrt im Eigentum des VN standen. Für die Schadensersatzansprüche des Gesamtproduktherstellers wegen Eigentumsverletzung besteht Versicherungsschutz nach Ziff. 1.1 ProdHM 2008 und – soweit der VN versprochen hat, verschuldensunabhängig für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen einzustehen – nach Ziff. 4.1 ProdHM 2008. Für vertragliche oder deliktische Ansprüche, die auf den Ersatz von Folgeschäden an anderen Sachen des Her15 Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.644. 16 Thürmann/Kettler/Thürmann 110. 17 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.694; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 101; Thürmann/Kettler/Thürmann 113. 861
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
stellers gerichtet sind, die nicht Bestandteil des Gesamtproduktes werden, besteht ebenfalls Deckung nach Ziff. 1.1 ProdHM 2008 und Ziff. 4.1 ProdHM 2008.18 48 Damit stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008. Nach Voit findet Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 Anwendung, „wenn die Verbindung oder Vermischung nur aus wirtschaftlichen Gründen nicht trennbar ist und deshalb die anderen Produkte noch unbeschädigt vorhanden sind“.19 Thürmann sieht Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 als Auffangregel an, weil bislang nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob hinsichtlich der anderen Produkte ein Sachschaden vorliege.20 Ersetzt werde nur der Wert der beschädigten oder vernichteten Produkte, die mit dem Erzeugnis des VN verbunden, vermischt oder verarbeitet wurden.21 Für den „Auffangcharakter“ spricht, dass nach Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008 Schadensersatzansprüche Dritter „wegen der in Ziff. 4.2.2 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB“ eingeschlossen sind, was der VN nur in dem Sinne verstehen kann, dass der VR auch die Beschädigung oder Vernichtung nach Ziff. 4.2.2.1 ProdHM als Vermögensschaden ansieht. Allerdings macht dann die Einschränkung „soweit hierfür nicht bereits Deckung nach Ziff. 1 oder 4.1 ProdHM 2008 besteht“ keinen Sinn, weil diese Klauseln nur Anwendung finden, wenn ein Sachschaden vorliegt und sich Sachschaden und (echter) Vermögensschaden einander ausschließen. Diese Widersprüchlichkeit ist im ProdHM 2015 u.a. dadurch beseitigt worden, dass in Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008 die Beschränkung auf Vermögensschäden gestrichen worden ist (Rn. 68). 49 Da es im Rahmen der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung i.S.v. §§ 947, 948 und 950 BGB zwangsläufig zu einer Einwirkung auf die Sachsubstanz der anderen Produkte kommt, durch die ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird, ist Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 eine eigenständige Bedeutung abzusprechen.
50 c) Kosten der Herstellung des Gesamtproduktes (Ziff. 4.2.2.2 ProdHM 2008). Nach Ziff. 4.2.2.2 ProdHM 2008 besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche wegen „anderer für die Herstellung der Gesamtprodukte aufgewendeter Kosten mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN“. Zu den Herstellungskosten zählen z.B. Materialkosten, Löhne und Gehälter, Energie, Verbrauchs- und Betriebsstoffe sowie Abschreibungen auf Maschinen und Gebäude, Gemeinkosten für die Verwaltung sowie die Transportkosten des Dritten.22 Die Herstellungskosten werden nur in Höhe der Selbstkosten gedeckt.23 Gewinnanteile werden über die Deckung für den Vermögensnachteil durch Preisnachlass oder Unverkäuflichkeit nach Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 erfasst. 51 Kosten, die nach Herstellung des Gesamtproduktes entstehen, sind nicht nach Ziff. 4.2.2.2 ProdHM 2008 gedeckt.24 Hierzu zählen z.B. Kosten des Vertriebs25 und des Verkaufs26 sowie Lager- oder Vernichtungskosten, die durch die Unveräußerlichkeit (Rn. 74 f.) des Endproduktes entstanden sind. Soweit Vertriebs-/Verkaufskosten in den Kaufpreis für das Gesamtprodukt einkalkuliert sind, werden auch sie nur anteilig über die Deckung für den Vermögensnachteil durch Preisnachlass oder Unverkäuflichkeit nach Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 erfasst.27 18 19 20 21 22
Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 103; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 129. Prölss/Martin/Voit29 ProdHM § 4.2 Rn. 9: Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 74. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 103; so auch Littbarski Ziff. 4 Rn. 100 f. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 103; Littbarski Ziff. 4 Rn. 101. Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.633; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 56; Langheid/Wandt/ Thürmann Kap. 310 Rn. 106; Littbarski Ziff. 4 Rn. 106; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 52 Rn. 26. 23 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 107; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 7; SchmidtSalzer/Hinsch Rn. 7.634. 24 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 107. 25 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 107. 26 A.A. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 133. 27 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 108. Koch
862
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Die Kosten für die „vergeudete“ Verpackung des Gesamtproduktes sind als Herstellungs- 52 kosten ersatzfähig, soweit die Verpackung des Gesamtproduktes als Akt der Herstellung angesehen werden kann, etwa weil das Gesamtprodukt ohne die Verpackung nicht veräußert werden könnte (z.B. Speiseeis) oder das Gesamtprodukt einschließlich Verpackung verworfen werden müsste (z.B. Joghurtprodukte).28 Kein Versicherungsschutz besteht für den Schadensersatzanspruch des Herstellers, soweit 53 er auf den Ersatz des Entgelts für die mangelhaften Erzeugnisse gerichtet ist (Schadensersatz statt der Leistung). Wäre diese Schadensposition mitversichert, würde der VR das Unternehmensrisiko des VN tragen.29
d) Kosten der Nachbearbeitung des Gesamtproduktes und andere Schadensbeseiti- 54 gungskosten (Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008). Nach Ziff. 4.2.2.3 Satz 1 ProdHM 2008 besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche wegen „Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der Gesamtprodukte oder für eine andere Schadenbeseitigung“.
aa) Nachbearbeitung. Bei dem Begriff der Nachbearbeitung handelt es sich nicht um einen 55 Begriff der Rechtssprache. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis dürfte der Begriff der Nachbearbeitung weitgehend gleichgesetzt werden mit dem in Ziff. 4.2.3 ProdHM 1973/1987 verwendeten Begriff der Nachbesserung. Nach Hinsch geht es dabei „um Maßnahmen, die der Behebung des Mangels am Endprodukt dienen und das Endprodukt noch retten, so dass es nicht verworfen oder mit Preisnachlass verkauft werden muss“.30 Mit anderer Akzentuierung, aber der Sache nach ähnlich definiert Thürmann den Begriff der Nachbearbeitung als „jede Behandlung des Gesamtproduktes zur Minderung von dessen Mangelhaftigkeit, die es näher an den ursprünglich geplanten Zustand und Wert heranführt, auch wenn keine vollständige Behebung der Mangelhaftigkeit gelingt“.31 bb) Andere Schadensbeseitigung. Nach den Erläuterungen des GDV fallen unter den Begriff 56 „andere Schadensbeseitigung“ solche Maßnahmen, die zwar nicht die Mängel als solche beheben, aber deren negative Auswirkungen reduzieren oder aufheben. Hierfür wird folgendes Beispiel gegeben: Der VN liefert seinem Abnehmer mangelhafte Butter, die dieser zusammen mit Kakao und anderen Zutaten zu Schokoriegeln verarbeiten will. Aufgrund des Mangels können die Schokoriegel nicht mangelfrei hergestellt werden, die Rohmasse kann aber durch Zusatz von Honig und Sonnenblumenöl noch als Brotaufstrich verwendet werden.32 Im Unterschied zur Nachbearbeitung ist die Schadensbeseitigung nicht darauf gerichtet, den Sollzustand – fehlerfreies Gesamtprodukt – noch zu erreichen. Vielmehr zielt sie darauf ab, das Gesamtprodukt in einen „solchen Zustand zu versetzen“, dass es wirtschaftlich verwertet werden kann.33
28 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 106; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 57; SchmidtSalzer/Hinsch Rn. 7.633; Littbarski Ziff. 4 Rn. 106; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 52 Rn. 26. 29 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 107; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 36; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 57; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 187. 30 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.644; so auch Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 59; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 194; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 8. 31 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 111. 32 GDV-Erläuterungen 61. 33 Vgl. Littbarski Ziff. 4 Rn. 118 ff.; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 60; MAH Versicherungsrecht/ Stempfle § 15 Rn. 196; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 12; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 38; Thürmann/Kettler/Thürmann 120 f. 863
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
57 cc) Versicherte Schadenspositionen. Zu den gedeckten Kosten der Nachbearbeitung und Mangelbeseitigung zählen u.a. Materialkosten, Löhne und Gehälter, Reisekosten, Energie, Verbrauchs- und Betriebsstoffe.34
dd) Rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung oder andere Schadensbeseitigung 58 (1) Anwendungsbereich. Zunächst stellt sich die Frage, ob die für die Nachbearbeitung des Gesamtproduktes geltende Einschränkung auch für die Maßnahmen der „anderen Schadensbeseitigung“ gilt. Die Literatur bejaht diese Frage unter Hinweis darauf, die andere Schadensbeseitigung sei der Nachbearbeitung gleichgestellt.35 Nach Stempfle ist „ein triftiger Grund, weshalb diese ohnehin schwer voneinander abgrenzbaren Begriffe insoweit nicht gleich zu behandeln [seien], [.] nicht ersichtlich“.36 Diese Begründungen überzeugen mit Blick auf die AGB-rechtlichen Auslegungsregeln nicht. Nach dem Wortlaut bezieht sich die Einschränkung nur auf die Nachbearbeitung, nicht auf die „andere Schadensbeseitigung“. Zu beachten ist jedoch, dass erstens der Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nur die 59 Aufwendungen zu ersetzen hat, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot),37 und zweitens den Hersteller des Gesamtproduktes – wie jeden anderen Geschädigten – gem. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB die Obliegenheit trifft, den Schaden gering zu halten. Diese haftungsrechtlichen Beschränkungen führen dazu, dass der Anspruch auf Ersatz der Kosten für die „andere Schadensbeseitigung“ um die nach §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gebotenen Kosten gekürzt wird und folglich auch der Freistellungsanspruch des VN zwangsläufig geringer ausfällt.
60 (2) Rechtliche Gebotenheit und wirtschaftliche Zumutbarkeit der Nachbearbeitung. Zur Feststellung, ob die Nachbearbeitung für den Hersteller des Gesamtproduktes rechtlich geboten und wirtschaftlich zumutbar ist, ist ebenfalls auf die haftungsrechtlichen Wertungen der §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zurückzugreifen. Zu beachten ist jedoch, dass sich das Erfordernis der rechtlichen Gebotenheit und wirtschaftlichen Zumutbarkeit auf die Nachbearbeitung bezieht. Ist die Nachbearbeitung rechtlich nicht geboten oder wirtschaftlich unzumutbar, besteht deshalb – im Unterschied zur Alternative „andere Schadensbeseitigung“ – keine Deckung für den haftungsrechtlich nach §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB reduzierten Anspruch des Gesamtproduktherstellers auf Ersatz der Kosten für die Nachbearbeitung.
61 (a) Weiterveräußertes Gesamtprodukt. Ist das Gesamtprodukt bereits weiterveräußert worden, ist die Nachbearbeitung für den Gesamtprodukthersteller rechtlich geboten und wirtschaftlich zumutbar, soweit er gegenüber seinem Abnehmer zur Beseitigung der Mangelhaftigkeit des Gesamtproduktes nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB verpflichtet ist.38 Hat der Gesamtproduktehersteller den Mangel des Gesamtproduktes im Rahmen seiner Verpflichtung gegenüber seinem Abnehmer gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB beseitigt, besteht für seinen Anspruch auf Ersatz der Nachbearbeitungskosten gegen den VN nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB somit 34 35 36 37
Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.661; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 63. Thürmann/Kettler/Thürmann 120 f.; vgl. auch Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 60. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 199. St. höchstrichterliche Rspr., vgl. nur BGH 27.3.2012 – VI ZR 40/10, VersR 2012 874 f.; BGH 14.10.2008 – VI ZR 308/07, VersR 2008 1706, 1707; BGH 12.10.2004 – VI ZR 151/03, BGHZ 160 377, 383 f. = RuS 2005 41; BGH 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155 1, 5 = RuS 2003 201. 38 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 110; Littbarski Ziff. 4 Rn. 116. Koch
864
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Versicherungsschutz. Hat der Abnehmer des Gesamtproduktes die Nachbearbeitung im Wege der Ersatzvornahme vorgenommen und begehrt vom Hersteller Ersatz der Kosten gem. §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB oder § 439 Abs. 3 BGB, besteht für die Regressansprüche des Herstellers gegen den VN nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB Versicherungsschutz.
(b) Gesamtprodukt noch beim Hersteller. Befindet sich das Gesamtprodukt noch beim Her- 62 steller, kommt dem Erfordernis „wirtschaftlich zumutbar“ neben dem Merkmal der rechtlichen Gebotenheit keine eigenständige Bedeutung zu. Soweit die Nachbearbeitung vom Gesamtprodukthersteller unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) und der Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) erfolgte, war sie dem Hersteller auch wirtschaftlich zumutbar. Für seinen auf den Ersatz der Kosten gem. §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den VN besteht Deckung.
(c) Nicht behebbarer Mangel. Weist das Gesamtprodukt einen nicht behebbaren Mangel 63 auf, sind Nachbearbeitungsarbeiten rechtlich nicht geboten. Für den auf Ersatz der Kosten für die fruchtlose Nachbearbeitung gerichteten Schadensersatzanspruch besteht keine Deckung. (d) Kosten der Nachbearbeitung entsprechen oder übersteigen Neuherstellungskos- 64 ten. Ist der Mangel des Gesamtproduktes zwar behebbar, sind die Kosten der Nachbearbeitung jedoch gleich hoch oder sogar höher als die Kosten der Neuherstellung des Gesamtproduktes, ist die Nachbearbeitung rechtlich nicht geboten. Nimmt der Gesamtprodukthersteller in diesen Fällen gleichwohl eine Nachbearbeitung vor, besteht für seinen auf Ersatz der Kosten der Neuherstellung beschränkten Schadensersatzanspruch gegen den VN kein Versicherungsschutz.
(e) Neuherstellungskosten übersteigen Kosten der Nachbearbeitung. Ist der Mangel 65 des Gesamtproduktes behebbar, sind die Kosten der Nachbearbeitung rechtlich nicht geboten, wenn diese zwar niedriger sind als die Neuherstellungskosten, der Wertzuwachs jedoch nur gleich hoch oder sogar niedriger ist als die Kosten der Neuherstellung.39 In diesem Fall ist der Schadensersatzanspruch des Gesamtproduktherstellers gegen den VN beschränkt auf den entgangenen Gewinn, wenn das Gesamtprodukt nur mit einem Preisnachlass hätte veräußert werden können. Hierfür besteht Deckung nach Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008.
(f) Berücksichtigung von Folgeschäden. Soweit ohne die Nachbearbeitung Folgeschäden 66 drohen, die vom Versicherungsschutz umfasst sind – wie z.B. Transportkosten der Neulieferung, Verzugsschäden, Vertragsstrafen –, sind diese Folgeschäden in den Vergleich der Kosten der Nachbearbeitung und der Kosten der Neuherstellung des Gesamtproduktes einzustellen. Nur wenn die Kosten der Neuherstellung des Gesamtproduktes zusammen mit den Folgeschäden niedriger ausfallen als die Kosten der Nachbearbeitung, ist die Nachbearbeitung nicht geboten.40 ee) Nichtberücksichtigung des Erfüllungsinteresses des Versicherungsnehmers. Nach 67 Ziff. 4.2.2.3 Satz 2 ProdHM 2008 ersetzt der VR die Nachbearbeitungs-/Schadensbeseitigungskosten 39 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.657 ff. 40 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.658. 865
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
„in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des Versicherungsnehmers zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadensbeseitigung) steht“.
Mit dieser Regelung soll anteilig das nicht versicherte Erfüllungsinteresse des VN in Abzug gebracht werden, weil in der Nachbearbeitung des Gesamtproduktes stets auch eine Nachbesserung des Erzeugnisses des VN liegt.41 Der Wertanteil für das zugelieferte mangelhafte Produkt und der Vertragserfüllungsaufwand sind somit aus dem vom VR zu leistenden Entschädigungsbetrag herauszurechnen. Beispiel: Der VN liefert mangelhafte Speicherchips, die so in ein Steuergerät eingebaut werden, dass sie ohne Zerstörung des Steuergeräts nicht wieder von diesem separiert werden können. Der Verkaufspreis für den Speicherchip (Erzeugnis des VN) beträgt A 0,50/Stück und der des Steuergeräts (Gesamtprodukt) A 50. Die Kosten der Nachbearbeitung des Steuergeräts belaufen sich auf A 5/Stück. Nach der Nachbearbeitung kann es ohne Preisnachlass veräußert werden. Setzt man das Entgelt für den Speicherchip ins Verhältnis zu dem nach der Nachbearbeitung erzielten Verkaufspreis für das Steuergerät, so ergibt sich ein Verhältnis von 1:100. Ersatzfähig sind A 5 abzüglich 1/100 von A 5, also A 4,95.
68 Hat es sich bei dem Gesamtprodukt um ein Zwischenprodukt gehandelt, dass zu einem Endprodukt weiterverarbeitet worden ist, ist zur Herausrechnung ebenfalls auf das Entgelt für das Erzeugnis des VN abzustellen. Dieses Entgelt ist nunmehr dem Verkaufspreis des Endprodukts gegenüberzustellen.42 Beispiel: Wird in dem vorhergehenden Beispiel das Steuergerät untrennbar in ein elektrisches Gerät eingebaut, dessen Verkaufspreis A 5.000 beträgt und das nach der Nachbearbeitung auch zu diesem Preis verkauft werden kann, ergibt sich ein Verhältnis von 1:10.000. Die Kosten für die Nachbearbeitung, für die der VN seinem Abnehmer im Rahmen der Regresskette haftet, belaufen sich auf A 50. Aus diesem Betrag ist der Erfüllungsanteil in Höhe von 1/10.000 (= A 0,005) herauszurechnen, sodass für die Nachbearbeitungskosten in Höhe von A 49,995 Versicherungsschutz besteht.
69 ff) Ausschluss von Rückrufkosten. Der Hinweis auf Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 ist vor dem Hintergrund des Sonderdeckungskonzeptes der Rückrufkostenversicherung zu sehen. Soweit die Nachbearbeitung des Gesamtproduktes oder eine andere Schadenbeseitigung im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht wird, werden die daraus resultierenden Kosten nicht ersetzt. Versicherungsschutz kann der VN in einem solchen Fall nur über eine gesondert zu vereinbarende Rückrufkostenversicherung erhalten (ProdRückRM, KfzRückRM). Beispiel: Der VN liefert fehlerhaft programmierte Steuerungselemente für Gasöfen, die mit den Gasöfen fest verlötet werden. Aufgrund des Fehlers drohen kleinere Mengen Gas zu entweichen, die sich unter ungünstigen Belüftungsumständen so in der Luft konzentrieren können, dass es zu einer Explosion in der Küche kommen kann. Daraufhin führt der Hersteller der Gasöfen eine Rückrufaktion durch, beseitigt den Fehler und verlangt vom VN Ersatz der Kosten der Mangelbeseitigung und der Herstellung der Gasöfen. Deckung besteht nur für die Herstellungskosten (Ziff. 4.2.2.2 ProdHM 2008), nicht jedoch für die Kosten der Mangelbeseitigung.
70 e) Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008). Gem. Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 sind ferner versichert Schadensersatzansprüche wegen „weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die Gesamtprodukte nicht oder nur mit einem Preisnachlass ver41 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 114; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 39; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 200. 42 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 116. Koch
866
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
äußert werden können“. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die Ziff. 4.2.2.2 und Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 ergänzt.43
aa) Veräußerung des Gesamtproduktes nicht oder nur mit Preisnachlass möglich (1) Unveräußerlichkeit des Gesamtproduktes. Die Unveräußerlichkeit kann sich sowohl 71 aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen ergeben.44 Tatsächliche Unveräußerlichkeit liegt vor, wenn das Gesamtprodukt derart mit Mängeln behaftet ist, dass es wirtschaftlich wertlos ist und/oder durch seinen Gebrauch Gefahren für die deliktisch geschützten Rechtsgüter Körper, Gesundheit, Eigentum drohen, so dass es nicht in den Verkehr gebracht werden darf.45 Zeitlich ist der Rahmen der Unveräußerlichkeit weit zu fassen. Deshalb erfasst Ziff. 4.2.2.4 Satz 1 Alt. 1 ProdHM 2008 auch die Fälle, in denen die Mangelhaftigkeit erst nach Veräußerung des Gesamtproduktes beim Abnehmer erkannt wird und die Ware entweder im Rahmen des Rücktritts (§ 323 BGB) oder des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung (§ 281 Abs. 5 BGB) zurückgegeben wird46 oder vernichtet werden muss (vgl. Art. 8 Abs. 2 MüG i.V.m. Art. 16 Abs. 3 lit. d) MarktüberwachungsVO47). Rechtliche Unveräußerlichkeit ist gegeben, wenn ein mangelhaftes Gesamtprodukt auf- 72 grund eines Verstoßes gegen gesetzliche Bestimmungen nicht absetzbar ist oder mit einem behördlichen Verkaufsverbot belegt wurde.48
(2) Veräußerlichkeit des Gesamtproduktes mit Preisnachlass. Ziff. 4.2.2.4 Satz 1 Alt. 2 73 ProdHM 2008 ist ferner anwendbar, wenn das – mangelhafte – Gesamtprodukt noch/nur mit einem Preisnachlass veräußert werden kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Hersteller des Gesamtproduktes den Preisnachlass auf Verlangen seiner Kunden – vor oder nach der Übereignung – einräumen muss, das Gesamtprodukt aufgrund seines mangelhaften Zustandes sogleich mit einem Preisnachlass verkauft wird oder trotz Nachbearbeitung nicht den zu erwartenden Preis erzielen kann.49 Die Minderung des Kaufpreises (§ 441 BGB) steht einem Preisnachlass gleich.50 bb) Begriff des weiteren Vermögensnachteils. Versichert sind alle Vermögensnachteile, die 74 kausal auf der Unveräußerlichkeit des Gesamtproduktes oder der Veräußerung mit einem Preisnachlass beruhen. Als wichtigster Fall des Vermögensnachteils ist im Klammerzusatz der entgangene Gewinn genannt. In den GDV-Erläuterungen werden darüber hinaus die Kosten der Vernichtung des fehlerhaften Gesamtproduktes aufgeführt.51 Zu den weiteren Positionen, die im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gegen den VN als Folge der Unveräußerlichkeit 43 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 206; Thürmann/Kettler/Thürmann 122. 44 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 211; Littbarski Ziff. 4 Rn. 138; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.666. 45 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 64; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 210; Littbarski Ziff. 4 Rn. 138; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.666. 46 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 117; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 211; Littbarski Ziff. 4 Rn. 138. 47 Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011, ABl. EU L 169 S. 1. 48 Vgl. Littbarski Ziff. 4 Rn. 138; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 64; MAH Versicherungsrecht/ Stempfle § 15 Rn. 211. 49 Vgl. Littbarski Ziff. 4 Rn. 139; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 212. 50 Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 40; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 14; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.674. 51 GDV-Erläuterungen 61 f.; Littbarski Ziff. 4 Rn. 134; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 65; zweifelnd Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 16. 867
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
des mangelhaften Gesamtproduktes versichert sind, zählen die Transportkosten zum Vernichtungsort sowie Zoll-, Lager-, Sortier- und Überprüfungskosten.52 Deckung besteht auch für die Kosten besonderer Werbemaßnahmen für das preisreduzierte Produkt53 oder für die erforderlich gewordene Neuauszeichnung des Preises.54 75 Nicht versichert sind dagegen Schadensersatzansprüche, soweit sie auf den Ersatz (frustrierter) Aufwendungen gerichtet sind, die vor der Unveräußerlichkeit entstanden sind (z.B. Investitionskosten, Kosten für die Vorbereitung der Produktion).55 Ebenso wenig sind Ansprüche wegen Kosten versichert, die der Vorbereitung der Anspruchsstellung dienen (z.B. Kosten für Gutachter).56
76 cc) Verzugsschäden und Vertragsstrafen als weiterer Vermögensnachteil? Fraglich ist, ob zu den weiteren Vermögensnachteilen i.S.v. Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 auch Verzugsschäden und Vertragsstrafen gerechnet werden können, die der Hersteller des Gesamtproduktes ersetzen/seinen Vertragspartner zahlen muss, weil er nicht rechtzeitig mangelfrei liefern konnte. Hinsch verneint dies mit der Begründung, die Vertragsstrafe müsse „direkte Folge der Unveräußerlichkeit sein. Das ist bei der Vertragsstrafe nicht der Fall. Die Vertragsstrafe ist nicht deshalb verwirkt, weil das mit Hilfe des gelieferten Erzeugnisses hergestellte Endprodukt unveräußerlich ist (…). Zusätzliche Ursache ist vielmehr, daß mangelfreie Endprodukte nicht rechtzeitig lieferbar waren. Zwischen Vermögensnachteil und Unveräußerlichkeit tritt damit eine weitere Ursache, so daß der Vermögensnachteil ‚Vertragsstrafe‘ nur noch eine mittelbare Folge der Unveräußerlichkeit und damit einen gemäß Ziff. 6.1 ProdHB [ProdHM a.F.] nicht versicherten Folgeschaden bildet“.57
Diese Begründung, der sich u.a. Thürmann58 und Späte59 angeschlossen haben, vermag nicht zu überzeugen.60 Der Hinweis auf Ziff. 6.1 ProdHM a.F., der Eingang in Ziff. 6.1.2 ProdHM 2008 gefunden hat, 77 geht fehl, weil dort die Nichtversicherung von Folgeschäden – abweichend von Ziff. 6.1 ProdHM a.F. – nunmehr ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt wird, dass diese nicht in den Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 ausdrücklich mitversichert sind. Soweit der Hersteller des Gesamtprodukts den Verzug und/oder die Verwirkung der Vertragsstrafe durch ein Deckungsgeschäft hätte vermeiden können, mag die Unterlassung eine mitwirkende zusätzliche Ursache für die Vertragsstrafe sein, die haftungsrechtlich dazu führen kann, dass der Hersteller des Gesamtproduktes die Vertragsstrafe im Rahmen seines Schadensersatzanspruches gegen den VN wegen Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht ersetzt erhält.61 Die Entscheidung, kein nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gebotenes Deckungsgeschäft durchzuführen, kann darüber hinaus dazu führen, den Zurechnungszusammenhang zwischen der Liefe52 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 206; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 52 Rn. 64; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 118; Littbarski Ziff. 4 Rn. 86; Späte ProdHM Rn. 32; Schmidt-Salzer/ Hinsch Rn. 7.669. 53 Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.2 Rn. 17. 54 Vgl. Littbarski Ziff. 4 Rn. 354 (zu Ziff. 4.5 ProdHM). 55 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 118; Littbarski Ziff. 4 Rn. 135; Thürmann/Kettler/Thürmann 123. 56 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.672. 57 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.670. 58 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 118; Thürmann/Kettler/Thürmann 123; vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 16. 59 Späte ProdHM Rn. 32. 60 Wie hier Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 66; Littbarski Ziff. 4 Rn. 136 ff.; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 208. 61 Zur Obliegenheit ein Deckungsgeschäft vorzunehmen vgl. BGH 15.5.2008 – III ZR 170/07, NJW 2008 2430, 2431 m.w.N. Koch
868
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
rung des fehlerhaften Erzeugnisses und der Vertragsstrafe wegen Verzugs infrage zu stellen. Der Kausalzusammenhang wird jedoch nicht unterbrochen.62 Hinsch will das Erfordernis des Kausalzusammenhangs zwischen Unveräußerlichkeit und 78 Vermögensnachteil offenbar so verstehen, dass erstens die Vermögensnachteile unmittelbar die Folge der Unveräußerlichkeit der Gesamtsache sein müssen, wobei er zweitens Unmittelbarkeit nur dann als gegeben ansieht, wenn der Vermögensnachteil nicht durch Zwischenhandlungen des Gesamtproduktherstellers hätte vermieden werden können. Für eine solche einschränkende Auslegung gibt der Text von Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 indessen nichts her, weshalb hierfür nach § 305c Abs. 2 BGB kein Raum ist. Weder lässt sich der Klausel – anders als in Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 – ein Unmittelbarkeitserfordernis entnehmen, noch lässt sich begründen, warum es sich bei einer Vertragsstrafe, die der Hersteller des Gesamtproduktes an seinen Vertragspartner zahlen muss, weil er das Gesamtprodukt infolge der Mangelhaftigeit nicht rechtzeitig liefern konnte, nur um eine „mittelbare Folge“ der Unveräußerlichkeit handeln sollte.63
dd) Nichtberücksichtigung des Erfüllungsinteresses. Wie bei Ziff. 4.2.2.3 Satz 2 ProdHM 79 bringt Ziff. 4.2.2.4 Satz 2 ProdHM das nicht versicherte Erfüllungsinteresse des VN in Bezug auf die gedeckten Schadenspositionen mittels Quotenklausel in Abzug. Danach ersetzt der VR die Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN für die Gesamtprodukte zu erzielen gewesen wäre. Beispiel: Könnte der Hersteller der Steuergeräte in den Beispielen Rn. 67 u. 68 aufgrund des Mangels der Speicherchips (A 0,50/Stück) trotz der Nachbearbeitung das Gesamtprodukt nicht mehr für A 50/Stück sondern nur noch für A 40/Stück veräußern, wären die Kosten der Nachbearbeitung (A 5/Stück) gem. Ziff. 4.2.2.3 Satz 2 ProdHM im Verhältnis 0,50:40, also in Höhe von 1/80 von A 5 nicht ersatzfähig (A 0,06/Stück). Der VR hätte von den Nachbearbeitungskosten einen Betrag von A 4,94/Stück zu tragen. Der Preisnachlass in Höhe von A 10 ist nach Ziff. 4.2.2.4 Satz 2 ProdHM im Verhältnis des Werts der Speicherchips zum Verkaufspreis der Steuergeräte in mangelfreiem Zustand (0,5:50 = 1/100), also in Höhe von A 9,90/Stück vom VR zu tragen. Insgesamt besteht somit für die Schadensersatzansprüche des Herstellers gegen den VN (A 5 für Nachbearbeitung und A 10 für die Preisanpassung) Deckung in Höhe von A 14,84/Stück (= A 4,94 + A 9,90).
f) Produktionsausfallkosten (Ziff. 4.2.2.5 ProdHM). Ziff. 4.2.2.5 ProdHM betrifft Schadens- 80 ersatzansprüche des Abnehmers des VN, die gerichtet sind auf den Ersatz seiner ihm unmittelbar entstandenen Kosten durch den Produktionsausfall, der aus der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte herrührt. aa) Begriff des Produktionsausfalls. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Ziff. 4.2.2.5 81 ist ein Produktionsausfall. Hierbei handelt es sich wiederum nicht um einen Rechtsbegriff. Die Literatur versteht darunter im Anschluss an Hinsch eine ungewollte Unterbrechung des Fertigungsprozesses.64 Diese Auslegung entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem allgemeinen Sprachverständnis des durchschnittlichen VN in der Produkthaftpflichtversicherung; dieser dürfte einen Produktionsausfall mit der Betriebsunterbrechung gleichsetzen.
62 Vgl. OLG Nürnberg 6.12.2000 – 12 U 2953/00, NJW-RR 2002 47, 49. 63 I.E. wie hier Littbarski Ziff. 4 Rn. 136 ff.; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 208. 64 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.684; vgl. auch MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 218; Littbarski Ziff. 4 Rn. 150; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 71. 869
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
82 bb) Infolge der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte. Der Produktionsausfall muss auf der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte beruhen, die wiederum aus der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mangelhafter Erzeugnisse mit anderen Produkten zu einer neuen Sache entstanden sein muss. An dieser Doppelkausalität fehlt es, wenn der Mangel des Erzeugnisses vor Beginn der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung, z.B. bei der Eingangskontrolle, festgestellt und deshalb die Produktion gestoppt wird. Für die Schadensersatzansprüche des Abnehmers wegen daraus erwachsener Kosten besteht kein Versicherungsschutz.65 Unschädlich ist, wenn der Herstellungsprozess des Gesamtproduktes noch nicht abgeschlossen war, weil es im Anschluss an Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung weiterer Be- oder Verarbeitung bedarf.66 Entscheidend ist, dass mit der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung des Erzeugnisses eine Verarbeitungsstufe zum Abschluss gebracht wurde. 83 Als typische Anwendungsfälle werden in der Literatur angeführt das Verkleben, Verstopfen oder Verunreinigen der Maschinen zur Herstellung des Gesamtproduktes durch die Verarbeitung des mangelhaften Erzeugnisses, so dass Ausfall für die Reinigung oder neue Zurüstung entsteht; das Entfernen des fehlerhaften Gesamtproduktes aus der Maschine sowie Ausfall während der Zeit der Nachbearbeitung des Gesamtproduktes.67 Als weiteres Beispiel wird der Fall genannt, dass das mangelhafte Gesamtprodukt gesundheitsschädliche Auswirkungen auf den VN hat und deswegen der Betrieb des Gesamtproduktherstellers zeitweilig stillsteht.68 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nur die dem ersten Abnehmer (Hersteller des Ge84 samtproduktes) infolge des Ausfalls unmittelbar entstehenden fortlaufenden Kosten versichert sind, nicht hingegen der Produktionsausfall (Betriebsgewinn) selbst.69 Betroffen sind alle weiteren Verarbeitungs- und Bearbeitungsstufen, die das Gesamtprodukt beim Hersteller bei Mangelfreiheit durchlaufen hätte.70 Zu diesen Kosten zählen z.B. Lohn- und Materialkosten.71 Für Produktionsausfallkosten seiner Abnehmer, die der Hersteller des Gesamtproduktes beim VN als Schadensersatz geltend macht, besteht keine Deckung.72 Beruht der Produktionsausfall darauf, dass es durch das Erzeugnis des VN vor oder wäh85 rend der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung zu einem Sachschaden z.B. an einer Maschine kommt, besteht sowohl für den eigenen Schaden, den der Gesamtprodukthersteller erleidet, als auch für den Schaden seines Abnehmers, für den er in Anspruch genommen wird, Deckung nach Ziff. 1 und Ziff. 4.1 ProdHM 2008.73
B. ProdHM 2015 86 Ziff. 4.2 ProdHM 2015 weicht insoweit von Ziff. 4.2 ProdHM 2008 ab, als anstelle der Formulierung „wegen der in Ziff. 4.2.2 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB“ Bezug genommen wird auf die „in Ziff. 4.2.2 genannten Schäden“ (hierzu Rn. 19). Es fehlen zudem Regelungen zu den 65 Vgl. GDV-Erläuterungen 62; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 122; Littbarski Ziff. 4 Rn. 158; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 156, 159, 162; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.685.
66 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 220 ff.; einschränkend Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 122. 67 Thürmann/Kettler/Thürmann 125. 68 Thürmann/Kettler/Thürmann 126; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.686; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_2 Ziff. 4.2 Rn. 17; Littbarski Ziff. 4 Rn. 152. 69 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 123; Littbarski Ziff. 4 Rn. 155 f.; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 52 Rn. 12; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.692. 70 Vgl. GDV-Erläuterungen 62; Littbarski Ziff. 4 Rn. 106; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.690; MAH Versicherungsrecht/ Stempfle § 15 Rn. 223. 71 Vgl. GDV-Erläuterungen 62; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 121; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 161; Littbarski Ziff. 4 Rn. 155; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.690. 72 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.693. 73 Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 74; Veith/Gräfe/Gebert/Bäcker/Ollick § 16 Rn. 94 f. Koch
870
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
vereinbarten Eigenschaften und zu Beratungsmängeln sowie die Begriffsbestimmungen, die – gleichsam vor die Klammer gezogenen – Eingang in Ziff. 3.2.1 ProdHM 2015 und Ziff. 4.1 ProdHM 2015 gefunden haben.
871
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschaden
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschäden 4.3.1 1Eingeschlossen sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.3.2 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB infolge Weiterverarbeitung oder -bearbeitung mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse, ohne dass eine Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit anderen Produkten stattfindet. 2 Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich.
4.3 Weiterverarbeitungs- und Weiterbearbeitungsschäden 4.3.1 Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.3.2 genannten Schäden infolge Weiterverarbeitung oder -bearbeitung mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse, ohne dass eine Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit anderen Produkten stattfindet.
4
Versicherungsschutz besteht insoweit auch – abweichend von Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB – für auf Sachmängeln beruhende Schadenersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
4.3.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen 4.3.2.1 Kosten für die Weiterverarbeitung oder -bearbeitung der mangelhaften Erzeugnisse mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN, sofern die verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse unveräußerlich sind; 4.3.2.2 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der weiterverarbeiteten oder -bearbeiteten Erzeugnisse oder für eine andere Schadenbeseitigung (siehe aber Ziff. 6.2.8). 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der weiterverarbeiteten oder -bearbeiteten Erzeugnisse (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadenbeseitigung) steht; 4.3.2.3 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die weiterverarbeiteten oder -bearbeiteten Erzeugnisse nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können (siehe aber Ziff. 6.2.8). 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN nach Weiterverarbeitung oder -bearbeitung zu erwarten gewesen wäre.
Koch
4.1 Begriffsbestimmungen/Anwendbarkeit von Ziff. 3.2 1 Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 2 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich 3 Mangelhaftigkeit im Sinne dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. 4 Ziff. 3.2 (vertraglich übernommene Haftpflicht) findet auf Schäden gem. Ziff. 4.2 ff. Anwendung.
4.3.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.3.2.1 Kosten für die Weiterverarbeitung oder -bearbeitung der mangelhaften Erzeugnisse mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN, sofern die verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse unveräußerlich sind; 4.3.2.2 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse oder für eine andere Schadenbeseitigung. 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadenbeseitigung) steht; 4.3.2.3 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können. 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN nach Weiterverarbeitung oder -bearbeitung zu erwarten gewesen wäre.
872
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Haftung für Weiterver- oder -bearbeitungsschä87 den
II.
Versicherung von Weiterver- oder -bearbeitungsschäden Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.3.1 ProdHM 2008) 89 a) Mangelhaftes Erzeugnis 90 b) Weiterver- oder -bearbeitung Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.3.2 ProdHM 2008)
a) b)
c)
1.
2.
d)
B.
93 Vorbemerkungen Kosten der Weiterverarbeitung oder Weiterbearbeitung (Ziff. 4.3.2.1 ProdHM 96 2008) Nachbearbeitungskosten (Ziff. 4.3.2.2 98 ProdHM 2008) Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.3.2.3 99 ProdHM 2008)
ProdHM 2015
100
A. ProdHM 2008 I. Haftung für Weiterver- oder -bearbeitungsschäden Ziff. 4.3 ProdHM regelt den Sachverhalt, dass der VN ein mangelhaftes Erzeugnis geliefert hat, 87 das eine dritte Person weiterbe- oder -verarbeitet hat, ohne dabei – in Abgrenzung zum Anwendungsbereich des Ziff. 4.2 ProdHM – andere Produkte hinzuzusetzen. Erst nach der Ver-/Bearbeitung wird der Mangel des gelieferten Erzeugnisses erkannt. Aufgrund des Mangels ist das weiterver- oder -bearbeitete Erzeugnis unveräußerlich, sodass der Weiterver- oder -bearbeitungsaufwand rückblickend betrachtet nutzlos war.1 Beispiel:2 Der VN veräußert fehlerhafte Computer an ein Unternehmen, das an diesen Computern Veränderungen vornimmt, um sie für spezielle Anwendungszwecke tauglich zu machen (z.B. für den Einsatz unter Wasser). Im Rahmen der Bearbeitung der Computer wird die Fehlerhaftigkeit festgestellt.
Hat der VN die mangelhafte Lieferung zu vertreten, ist der Erwerber unter den Voraussetzungen 88 der §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB zum Schadensersatz statt der Leistung berechtigt. Jedoch umfasst dieser Anspruch nicht die nutzlosen Weiterver- oder -bearbeitungskosten. Dies folgt daraus, dass sie nicht durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung hätten verhindert werden können. Sie sind ebenso wie die Kosten der Nachbearbeitung des weiterver- oder -bearbeiteten Erzeugnisses und der entgangene Gewinn als Mangelfolgeschäden zu qualifizieren, deren Ersatz der Erwerber unter den Voraussetzungen des §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB als Schadensersatz neben der Leistung verlangen kann. Deliktische Ansprüche des Erwerbers aus § 823 Abs. 1 BGB scheiden aus, weil es an einer Eigentumsverletzung fehlt.
II. Versicherung von Weiterver- oder -bearbeitungsschäden 1. Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.3.1 ProdHM 2008) a) Mangelhaftes Erzeugnis. Nach Ziff. 4.3.1 Satz 1 ProdHM 2008 ist Voraussetzung für die 89 Deckung, dass das vom VN gelieferte Erzeugnis mangelhaft ist. Für das Verständnis der Mangelhaftigkeit gilt auch hier, dass der bloße Mangelverdacht von Ziff. 4.3.1 ProdHM 2008 grund1 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.710. 2 Weitere Beispiele bei v. Bühren/Lenz § 12 Rn. 87 und 92. 873
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschaden
sätzlich erfasst wird, soweit er einen Sachmangel begründet (Rn. 11 ff.).3 Deckung besteht im Rahmen der Ziff. 4.3.2.1 und Ziff. 4.3.2.3 ProdHM 2008. Nachbearbeitungskosten i.S.v. Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008 fallen nur insoweit an, als das Gesamtprodukt tatsächlich mangelhaft ist. Hinsichtlich der Auslegung der Begriffe Verbindung, Vermischung und Verarbeitung kann auf die vorherigen Ausführungen verwiesen werden (Rn. 34 ff.).
90 b) Weiterver- oder -bearbeitung. Weder Weiterver- noch Weiterbearbeitung sind gesetzlich definiert, sodass wiederum der allgemeine Sprachgebrauch und das Sprachverständnis des VN das Maß geben. Danach lassen sich unter Weiterverarbeitung allgemein solche Vorgänge fassen, bei denen der Dritte das gelieferte Erzeugnis in ein anderes Produkt umwandelt („sachauflösende Wertschöpfung“).4 Beispielhaft zu nennen sind Fräsen, Drehen, Stanzen von Teilen aus Blechen oder Folien, Spinnen von Wolle, Formpressen von Kunststoffen etc.5 Auch das Zusammensetzen, Montieren, Aufbauen und Assembling ist als Weiterverarbeitung anzusehen;6 nicht dagegen die Verschraubung beispielsweise von Wärmetauschern und Rohrleitung.7 Bei der Weiterbearbeitung bleibt das gelieferte Erzeugnis in der Regel erhalten, wird aber 91 einer Veredelung, Oberflächenbehandlung oder Ähnlichem unterzogen („sachbewahrende Wertschöpfung“).8 Beispielhaft zu nennen sind Polieren, Schleifen, Montieren sowie Veränderung durch Wärmebehandlung.9 Zur Weiterbearbeitung zählt auch das Aufspielen von Software.10 Wird das fehlerhafte Erzeugnis des VN lediglich als Hilfsmittel eingesetzt, ohne selbst be92 oder verarbeitet zu werden (z.B. Schmiermittel), ist der Anwendungsbereich von Ziff. 4.3 ProdHM 2008 nicht eröffnet.11
2. Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.3.2 ProdHM 2008) 93 a) Vorbemerkungen. Soweit der Tatbestand der Ziff. 4.3.1 ProdHM 2008 erfüllt ist, regelt sich die Deckung nach Ziff. 4.3.2 ProdHM 2008. Ziff. 4.3.2 ProdHM 2008 gleicht in seiner Struktur Ziff. 4.2.2 ProdHM 2008. Es fehlen lediglich Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 (Beschädigung der anderen Produkte) und Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 (Kosten durch Produktionsausfall) entsprechende Regelungen. Wie bei Ziff. 4.2.2 ProdHM 2008 sind ausschließlich Schadensersatzansprüche gedeckt. Aus der Formulierung in Ziff. 4.3.1 ProdHM 2008, wonach nur Schadensersatzansprüche Dritter „infolge Weiterverarbeitung oder -bearbeitung mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse“ gedeckt sind, folgt zudem, dass für den eigentlichen Mangelschaden an den vom VN gelieferten Erzeugnissen kein Versicherungsschutz besteht, sondern nur hinsichtlich der Ansprüche, die auf den Ersatz von Folgeschäden gerichtet sind. Zu beachten ist, dass im Rahmen der Ziff. 4.3.2.1 bis Ziff. 4.3.2.3 ProdHM 2008 nicht nur 94 Schadensersatzansprüche des Vertragspartners des VN versichert sind, sondern auch Scha3 A.A. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 127. 4 ÖOGH 29.9.2021 – 7 Ob 153/21g, BeckRS 2021 34764. 5 Thürmann/Kettler/Thürmann 132; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 125; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.714; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 79; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_3 Ziff. 4.3 Rn. 1, 3; Littbarski Ziff. 4 Rn. 164. 6 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.717; Thürmann/Kettler/Kettler 132; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 168; Looschelders/Pohlmann/Lenz Kap. 310 Rn. 40; Littbarski Ziff. 4 Rn. 164. 7 ÖOGH 29.9.2021 – 7 Ob 153/21g, BeckRS 2021 34764. 8 ÖOGH 29.9.2021 – 7 Ob 153/21g, BeckRS 2021 34764. 9 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.715; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 125. 10 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 125. 11 Thürmann/Kettler/Thürmann 132; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_3 Ziff. 4.3 Rn. 1, 3; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 43; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 57; Littbarski Ziff. 4 Rn. 165. Koch
874
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschaden
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
densersatzansprüche Dritter für Schäden, die im Zusammenhang mit der Weiterverarbeitung oder -bearbeitung mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse des VN entstehen und über die Regresskette zweiter Abnehmer – erster Abnehmer den VN erreichen (Rn. 17 und Rn. 44).12 Schließlich ist der Hinweis geboten, dass auch die Ziff. 4.3.2.1 bis 4.3.2.3 ProdHM 2008 zum 95 Teil kumulativ nebeneinander angewendet werden können. Je nachdem, ob das weiterver- oder -bearbeitete Erzeugnis unveräußerlich ist und deshalb verworfen werden muss oder der Nachbearbeitung zugänglich ist und ggf. mit Preisnachlass verkauft werden kann, kommen Ziff. 4.3.2.1 ProdHM 2008 (Kosten der Weiterverarbeitung oder -bearbeitung) und Ziff. 4.3.2.3 Alt. 1 ProdHM 2008 (entgangener Gewinn) oder Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008 (Nachbearbeitung) und 4.3.2.3 Alt. 2 ProdHM 2008 (Preisnachlass) in Betracht.
b) Kosten der Weiterverarbeitung oder Weiterbearbeitung (Ziff. 4.3.2.1 ProdHM 2008). 96 Nach Ziff. 4.3.2.1 ProdHM 2008 besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche wegen der „Kosten für die Weiterverarbeitung oder -bearbeitung der mangelhaften Erzeugnisse mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des Versicherungsnehmers, sofern die verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse unveräußerlich sind“. Hinsichtlich des Erfordernisses der Unveräußerlichkeit gilt das zu Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 Gesagte entsprechend (Rn. 71 f.). Zu den ersatzfähigen Kosten zählen die umsonst aufgewandten Lohnkosten, Energiekosten, Kosten für Betriebs- und Verbrauchsstoffe und Abschreibungen für die eingesetzten Maschinen, zugehörige Gemeinkosten sowie Verpackungskosten.13 Materialkosten sind keine Weiterverarbeitungs- oder -bearbeitungskosten i.S.v. Ziff. 4.3.2.1 97 ProdHM 2008. Dies folgt daraus, dass ein Fremdmaterialeinsatz bei der Deckung zu dieser Klausel nicht in Betracht kommt.14 Auch das Entgelt, das der Geschädigte für die mangelhaften Erzeugnisse des VN gezahlt hat, fällt nach Ziff. 4.3.2.1 ProdHM 2008 nicht unter die Weiterverarbeitungs- oder -bearbeitungskosten.
c) Nachbearbeitungskosten (Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008). Hinsichtlich der Deckung von 98 Nachbearbeitungskosten enthält Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008 eine mit Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 inhaltsgleiche Regelung (wobei für Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008 jeweils die „weiterverarbeiteten oder -bearbeiteten Erzeugnisse des VN“ an die Stelle der „Gesamtprodukte“ zu setzen sind), weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Rn. 54 ff.).
d) Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.3.2.3 ProdHM 2008). Bezüglich der Deckung wei- 99 terer Vermögensnachteile, wozu insbesondere auch der entgangene Gewinn zählt, enthält Ziff. 4.3.2.3 ProdHM 2008 eine mit Ziff. 4.2.2.4 ProdHM 2008 inhaltsgleiche Regelung (wobei wiederum für Ziff. 4.3.2.3 ProdHM 2008 jeweils die „weiterverarbeiteten oder -bearbeiteten Erzeugnisse des VN“ an die Stelle der „Gesamtprodukte“ treten). Es wird auf die dortige Kommentierung verwiesen (Rn. 70 ff.).
12 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.727. 13 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 240; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 83; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 131; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.733; Thürmann/Kettler/Kettler 133.
14 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 240; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 83; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 53 Rn. 12; Littbarski Ziff. 4 Rn. 166. 875
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.3 Weiterver- oder -bearbeitungsschaden
B. ProdHM 2015 100 Ziff. 4.3 ProdHM 2015 weicht insoweit von Ziff. 4.3 ProdHM 2008 ab, als anstelle der Formulierung „wegen der in Ziff. 4.2.2 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB“ Bezug genommen wird auf die „in Ziff. 4.3.2 genannten Schäden“. Es fehlen zudem Regelungen zu den vereinbarten Eigenschaften und zu Beratungsmängeln sowie die Begriffsbestimmungen, die – gleichsam vor die Klammer gezogenen – Eingang in Ziff. 3.2.1 ProdHM 2015 und Ziff. 4.1 ProdHM 2015 gefunden haben.
Koch
876
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.4 Aus- und Einbaukosten 4.4.1 1Eingeschlossen sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.4.2 und 4.4.3 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen entstanden sind. 2Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich. 4 Versicherungsschutz besteht insoweit auch – abweichend von Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB – für auf Sachmängeln beruhende Schadenersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
4.4 Aus- und Einbaukosten 4.4.1 Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.4.2 und 4.4.3 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen entstanden sind.
4.4.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen 4.4.2.1 1Kosten für den Austausch mangelhafter Erzeugnisse (nicht jedoch von deren Einzelteilen), d.h. Kosten für das Ausbauen, Abnehmen, Freilegen oder Entfernen mangelhafter Erzeugnisse und das Einbauen, Anbringen, Verlegen oder Auftragen mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. 2Vom Versicherungsschutz ausgenommen bleiben die Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. 4.4.2.2 1Kosten für den Transport mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN. 2Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN bzw. vom Dritten zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nur die Kosten des Direkttransportes versichert.
4.4.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.4.2.1 1Kosten für den Austausch mangelhafter Erzeugnisse (nicht jedoch von deren Einzeltei-len), d.h. Kosten für das Ausbauen, Abnehmen, Freilegen oder Entfernen mangelhafter Erzeugnisse und das Einbauen, Anbringen, Verlegen oder Auftragen mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. Vom Versicherungsschutz ausgenommen bleiben die Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. 4.4.2.2 1Kosten für den Transport mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des Versicherungs-nehmers. 2 Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN bzw. vom Dritten zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nur die Kosten des Direkttransportes versichert.
4.4.3 Ausschließlich für die in Ziff. 4.4.2 genannten Kosten besteht in Erweiterung der Ziff. 4.4.1 – und insoweit abweichend von Ziff. 1.1 und 1.2 AHB – Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden.
4.4.3 Ausschließlich für die in Ziff. 4.4.2 genannten Kosten besteht in Erweiterung der Ziff. 4.4.1 – und insoweit abweichend von Ziff. 1.1 und 1.2 AHB – Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden.
877
4.1 Begriffsbestimmungen/Anwendbarkeit von Ziff. 3.2 1 Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 2 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich 3 Mangelhaftigkeit im Sinne dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. 4 Ziff. 3.2 (vertraglich übernommene Haftpflicht) findet auf Schäden gem. Ziff. 4.2 ff. Anwendung.
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.4.4 Kein Versicherungsschutz besteht, wenn 4.4.4.1 der VN die mangelhaften Erzeugnisse selbst eingebaut oder montiert hat oder in seinem Auftrag, für seine Rechnung oder unter seiner Leitung hat einbauen oder montieren lassen; dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass die Mangelhaftigkeit nicht aus dem Einbau, der Montage oder Montageleitung, sondern ausschließlich aus der Herstellung oder Lieferung resultiert; 4.4.4.2 sich die Mangelbeseitigungsmaßnahmen gemäß Ziff. 4.4.1 bis 4.4.3 auf Teile, Zubehör oder Einrichtungen von Kraft-, Schienen-, oder Wasserfahrzeugen beziehen, soweit diese Erzeugnisse im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von oder den Einbau in Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeugen bestimmt waren; 4.4.4.3 Ziff. 6.2.8 eingreift.
4.4.4 Kein Versicherungsschutz besteht, wenn 4.4.4.1 der VN die mangelhaften Erzeugnisse selbst eingebaut oder montiert hat oder in seinem Auftrag, für seine Rechnung oder unter seiner Leitung hat einbauen oder montieren lassen; dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass die Mangelhaftigkeit nicht aus dem Einbau, der Montage oder Montageleitung, sondern aus-schließlich aus der Herstellung oder Lieferung resultiert; 4.4.4.2 sich die Mangelbeseitigungsmaßnahmen gemäß Ziff. 4.4.1 bis 4.4.3 auf Teile, Zubehör oder Einrichtungen von Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeugen beziehen, soweit diese Erzeugnisse im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von oder den Einbau in Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeugen bestimmt waren.
Fakultative Deckungserweiterung der Ziff. 4.4 ProdHM Soweit im Versicherungsschein besonders vereinbart, gilt: 4.4.5 In Erweiterung zu Ziff. 4.4.1–4.4.3 besteht Versicherungsschutz auch für gesetzliche Ansprüche Dritter wegen 4.4.5.1 1Kosten für den Austausch mangelhafter Einzelteile von Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind (mit Ausnahme der Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Einzelteile); 4.4.5.2 Kosten der Reparatur mangelhafter Erzeugnisse des VN im eingebauten Zustand; 4.4.5.3 1Kosten für andere Mangelbeseitigungsmaßnahmen an mangelhaften Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind. 2 Im Falle des Austausches mangelhafter Einzelteile im Sinne der Ziff. 4.4.5.1 besteht Versicherungsschutz auch für die Kosten des Transportes nach- oder neugelieferter Einzelteile mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN. 3 Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nur die Kosten des Direkttransportes versichert. 4 Die Ausschlüsse gem. Ziff. 4.4.4 finden auch in Fällen der Ziff. 4.4.5 Anwendung.
4.4.5 Aus- und Einbaukosten beim Einzelteileaustausch und Reparaturkosten (fakultativ) 1 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 2 In Erweiterung zu Ziff. 4.4.1–4.4.3 besteht Versicherungsschutz auch für gesetzliche Ansprüche Dritter wegen 4.4.5.1 Kosten für den Austausch mangelhafter Einzelteile von Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind (mit Ausnahme der Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Einzelteile); 4.4.5.2 Kosten der Reparatur mangelhafter Erzeugnisse des VN im eingebauten Zustand; 4.4.5.3 Kosten für andere Mangelbeseitigungsmaßnahmen an mangelhaften Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind. 4.4.5.4 1Im Falle des Austausches mangelhafter Einzelteile im Sinne der Ziff. 4.4.5.1 besteht Versicherungsschutz auch für die Kosten des Transportes nach- oder neugelieferter Einzelteile mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN. 2Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nur die Kosten des Direkttransportes versichert. 4.4.5.5 Die Ausschlüsse gem. Ziff. 4.4.4 finden auch in Fällen der Ziff. 4.4.5 Anwendung.
Koch
878
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.4.6 1Kann der Mangel des Gesamtproduktes durch verschiedene der in den Ziff. 4.4.2, 4.4.3 und 4.4.5 genannten Maßnahmen beseitigt werden, besteht Versicherungsschutz nur in Höhe der günstigsten versicherten Kosten. 2Im Falle einer Reparatur oder anderer Mangelbeseitigungsmaßnahmen im Sinne der Ziff. 4.4.5.2 und 4.4.5.3 ersetzt der VR die daraus entstandenen Kosten darüber hinaus in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Reparatur oder anderer Mangelbeseitigungsmaßnahme) steht.
4.4.6 1Kann der Mangel des Gesamtproduktes durch verschiedene der in den Ziff. 4.4.2, 4.4.3 und 4.4.5 genannten Maßnahmen beseitigt werden, besteht Versicherungsschutz nur in Höhe der günstigsten versicherten Kosten. 2Im Falle einer Reparatur oder anderen Mangelbeseitigungsmaßnahmen im Sinne der Ziff. 4.4.5.2 und 4.4.5.3 ersetzt der VR die daraus entstandenen Kosten darüber hinaus in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Reparatur oder anderer Mangelbeseitigungsmaßnahme) steht.
Übersicht A.
ProdHM 2008 3. 101
I.
Haftung für Aus- und Einbaukosten
II. 1.
Versicherung von Aus- und Einbaukosten Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.4.1 105 ProdHM 2008) a) Austausch 106 aa) Begriffe bb) Erzeugnis als austauschbarer Bestand108 teil des Gesamtproduktes 110 cc) Abgrenzungsfragen b) Kostengünstigere Ersatzmaßnah112 men c) Abgrenzung zu Ziff. 4.2 ProdHM 114 2008 Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.4.2 ProdHM 2008) 115 a) Vorbemerkungen b) Austauschkosten (Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2008) aa) Austausch des mangelhaften Erzeugnisses (1) Kosten des Austausches des Er120 zeugnisses als Ganzes 122 (2) Zweitaustausch (3) Versicherte Schadenspositio123 nen bb) Berücksichtigung des Erfüllungsbe128 reichs c) Transportkosten (Ziff. 4.4.2.2 ProdHM 2008) aa) Unterscheidung zwischen „inneren Transportkosten“ und „äußeren 129 Transportkosten“
2.
879
4.
5.
B.
133 bb) Kosten des Direkttransports Nacherfüllungsansprüche (Ziff. 4.4.3 ProdHM 134 2008) a) Vor dem 1.1.2018 geschlossene Lieferver135 träge b) Seit dem 1.1.2018 geschlossene Lieferver137 träge 140 Ausschlüsse (Ziff. 4.4.4 ProdHM 2008) a) Eigenmontage (Ziff. 4.4.4.1 ProdHM 141 2008) b) Kfz-, Schienen- und Wasserfahrzeugteile 143 (Ziff. 4.4.4.2 ProdHM 2008) c) Ausschluss von Rückrufkosten (Ziff. 4.4.4.3 146 ProdHM 2008) Fakultative Deckungserweiterung der Ziff. 4.4 ProdHM 2008: Aus- und Einbaukosten beim Einzelteileaustausch und Reparaturkosten 147 a) Fakultative Deckungserweiterung b) Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.4.5 ProdHM 2008) aa) Kosten des Einzelteileaustausches 148 (Ziff. 4.4.5.1 ProdHM 2008) bb) Mangelbeseitigungskosten 149 (Ziff. 4.4.5.2 ProdHM 2008) 151 c) Ausschlüsse d) Beschränkung auf kostengünstigste Maßnahme (Ziff. 4.4.6 Satz 1 ProdHM 152 2008) e) Berücksichtigung des Erfüllungsbereichs 153 (Ziff. 4.4.6 Satz 2 ProdHM 2008) ProdHM 2015
155
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
A. ProdHM 2008 I. Haftung für Aus- und Einbaukosten 101 Gegenstand der Deckung gem. Ziff. 4.4 ProdHM 2008 sind die Kosten für die Beseitigung der Mangelhaftigkeit eines Gesamtproduktes infolge des Einbaus, des Anbringens, Verlegens oder Auftragens mangelhafter Erzeugnisse des VN oder Produkte, die solche Erzeugnisse enthalten. Im Unterschied zu den anderen Deckungsbausteinen verspricht der VR in Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008 den Ersatz dieser Kosten auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses vom VN oder seinem Abnehmer aufgewendet werden. Insoweit geht es bei diesem Baustein nicht nur um die Versicherung von auf Schadensersatz gerichteten Ansprüchen, was am nachstehenden Beispiel illustriert werden soll. Beispiel: Der VN liefert Standardserien-Speichermodule, die sein Abnehmer mit der darauf integrierten Software in von ihm hergestellte Maschinen einbaut. Nach dem Einbau stellt sich heraus, dass die Maschinen Fehlfunktionen aufweisen, die auf die vom VN gelieferten Speichermodule zurückzuführen sind.
In dieser Situation hat der Abnehmer einen verschuldensunabhängigen Anspruch gegen den VN gem. § 439 Abs. 3 BGB auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache. Daneben tritt ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung sowohl der Aus- als auch der Einbaukosten, wenn der Verkäufer seine Vertragspflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache verletzt und dies zu vertreten hat (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB).1 Hat der Abnehmer das Gesamtprodukt weiterveräußert und wird von seinem Abkäufer nach 102 § 439 Abs. 3 BGB in Anspruch genommen, haftet der VN seinem Abnehmer gegenüber nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Ein Regress des Abnehmers gegen den VN nach § 445a Abs. 1 BGB scheitert daran, dass es sich bei der vom Abnehmer weiterverkauften Sache (Maschine) nicht um dieselbe Sache handelt, die er seinerseits vom VN bezogen hat (Speichermodule). Nimmt der VN den Austausch vor und kommt es dabei zu Schäden an anderen Sachen, ist der VN zum Ersatz des Schadens gem. §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB verpflichtet.2 Übersteigen die Kosten des Austausches den Wert des Gesamtproduktes, ist der Schadens103 ersatzanspruch des Abnehmers auf den Wert der Gesamtproduktes beschränkt. Die Kosten des Austausches kann er nicht ersetzt verlangen. Dies folgt zum einen aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und zum anderen aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB (Rn. 59). Fallen die Austauschkosten höher aus als eine dem Hersteller zumutbare Veräußerung der (mangelhaften) Gesamtsache zu einem Preisnachlass, ist der Schadensersatzanspruch auf den entgangenen Gewinn beschränkt. Lässt sich die Mangelhaftigkeit des Gesamtproduktes kostengünstiger durch Austausch des fehlerhaften Einzelteils des mangelhaften Erzeugnisses im eingebauten Endzustand beseitigen, hat der Gesamtproduktehersteller lediglich einen Anspruch auf Ersatz der Einzelteilaustauschkosten. 104 Deliktsrechtliche Ansprüche gegen den VN gem. § 823 Abs. 1 BGB kommen nur dann in Betracht, wenn durch den Einbau eine Eigentumsverletzung an zuvor unversehrten Bestandteilen des Gesamtproduktes eingetreten ist. Der Schadensersatzanspruch umfasst in diesem Fall die Kosten für den Ersatz der beschädigten Materialien, nicht hingegen die Austauschkosten.3
1 BGH 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014 2183 Rn. 29; BGH 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195 135 = NJW 2013 220 Rn. 11; Grüneberg/Weidenkaff § 437 Rn. 12.
2 Vgl. OLG Saarbrücken 25.7.2007 – 1 U 467/06, NJW 2007 3503, 3504 f.; MüKoBGB/H.P. Westermann § 437 Rn. 32 f.; Grüneberg/Weidenkaff § 437 Rn. 35; BeckOK-BGB/Faust § 439 Rn. 73. 3 Vgl. OLG Stuttgart 18.2.2000 – 4 U 175/99, NJW-RR 2002 25, 26; Kullmann NJW 2002 30, 31; Koch AcP 203 (2003) 603, 625 f.; Terrahe VersR 2004 680, 687. Koch
880
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
II. Versicherung von Aus- und Einbaukosten 1. Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008) Nach Ziff. 4.4.1 S. 1 ProdHM 2008 ist Voraussetzung für die Deckung, dass die Mangelhaftigkeit 105 des Gesamtproduktes aus dem Einbau, Anbringen, Verlegen oder Auftragen mangelhafter Erzeugnisse des VN oder Produkten resultiert, die solche Erzeugnisse enthalten. Gem. Ziff. 4.4.1 Satz 3 ProdHM 2008 stehen – wie in den insoweit parallelen Regelungen der Ziff. 4.2 Satz 3, 4.3 Satz 3 und 4.5 Satz 2 ProdHM 2008 – Mängel bei der Beratung über die An- und Verwendung sowie Falschlieferungen den Mängeln bei der Herstellung oder Lieferung des VN-Erzeugnisses gleich. Die Deckung von Aus- und Einbaukosten ist vor allem bedeutsam für Hersteller und Lieferanten von Maschinenteilen, Aggregaten, Zubehörteilen, Rohren, Kabeln, Leitungen, Baufertigteilen und Baustoffen.4
a) Austausch aa) Begriffe. Die Begriffe Einbau und Anbringen haben zwar seit dem Inkrafttreten des Geset- 106 zes zur Reform des Bauvertragsrechts zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung zum 1.1.20185 Eingang in § 439 Abs. 3 BGB gefunden. Es handelt sich jedoch (noch) nicht um festumrissene Begriffe der Rechtssprache, so dass ebenso wie bei den Begriffen Verlegen oder Auftragen die Verkehrsanschauung, der allgemeine Sprachgebrauch und das allgemeine Sprachverständnis das Maß geben. Diese Begriffe beschreiben tatsächliche Vorgänge.6 Wie die Begriffspaarbildung in Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2008 zeigt (Ausbauen/Einbauen, Abnehmen/Anbringen, Freilegen/Verlegen, Entfernen/Auftragen), soll jeder nennenswerte Aufwand zum Austausch eines gelieferten Erzeugnisses erfasst werden, ohne dass es darauf ankommt, wie dieser Austauschvorgang benannt wird.7 Auch das Ausbaggern, Abklemmen, Abreißen, Abziehen, Abkratzen, Herausdrücken, Loslösen, Losbinden sowie das anschließende Einarbeiten, Einrichten, Anpassen, Andrücken, Ankleben werden somit von Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 erfasst.8 Einbau ist die Integration des mangelhaften Erzeugnisses in eine andere – bewegliche oder 107 unbewegliche – Sache, ohne dass sie in ihrer Substanz verändert wird, z.B. das Montieren von Maschinenteilen, von Einbaumöbeln oder den Funktionsteilen von Geräten.9 Zudem muss das Erzeugnis mit der anderen Sache in der Weise körperlich verbunden werden, dass sie unselbstständiger Bestandteil dieser anderen Sache wird.10 Beim Anbringen wird das mangelhafte Erzeugnis nicht in die andere Sache eingefügt, sondern lediglich außen an ihr angebracht wird, z.B. das Verschrauben von Aufsätzen an Maschinen sowie das Installieren von Leuchtkörpern oder von Rollen unter Möbeln.11 Verlegen ist z.B. das Einbringen von Rohren oder Kabeln in
4 GDV-Erläuterungen 63; vgl. auch Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 47; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 90. 5 BGBl. 2017 I 969. 6 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.776; GDV-Erläuterungen 64; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 99. 7 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 99; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 140; SchmidtSalzer/Hinsch Rn. 7.774; Littbarski1 Ziff. 4 Rn. 162 ff., jeweils zu Ziff. 4.4 lit. a) ProdHM 1987. 8 Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.774; Littbarski Ziff. 4 Rn. 224; weitere Beispiele bei Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.4.1 Rn. 5: Bergen eines Seekabels, Stemmarbeiten, Taucharbeiten. 9 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 140: vgl. auch Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.762; Littbarski Ziff. 4 Rn. 207. 10 Vgl. OLG Köln 7.4.2022 – 15 U 82/21, NZG 2022 1022, 1023 (zu § 439 Abs. 3 BGB). 11 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 140: vgl. auch Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.762; Littbarski Ziff. 4 Rn. 207 sowie OLG Köln 7.4.2022 – 15 U 82/21, NZG 2022 1022, 1023; BeckOGK/Höpfner § 439 BGB Rn. 66 (beide zu § 439 Abs. 3 BGB). 881
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Gebäude, aber auch ins Erdreich, das Einfügen von Fliesen oder Bodenelementen.12 Auftragen ist jedwedes Beschichten wie Anstreichen, Lackieren, Verputzen.13
108 bb) Erzeugnis als austauschbarer Bestandteil des Gesamtproduktes. Das Erzeugnis muss austauschbarer Bestandteil des Gesamtproduktes geworden sein. Wie ausgeführt (Rn. 16) ist der Begriff „Gesamtprodukt“ nicht gleichbedeutend mit Endprodukt, sondern umfasst auch Zwischenprodukte, die das Ergebnis eines Verarbeitungsprozesses sind. Für Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 heißt das, dass das Erzeugnis dann Bestandteil des Gesamtproduktes geworden ist, wenn durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen eine weitere Verarbeitungsstufe erreicht wurde.14 Daran fehlt es, wenn an einem vom VN gelieferten Filtereinsatz Ansatzstücke für Zu- und Ableitungen zur Erleichterung des Einbaus des Einsatzes in die Maschinenanlage angebracht werden und sich vor Einbau des Filters in die Maschine ein Mangel des Filtereinsatzes herausstellt. Ist ein Austausch des Erzeugnisses nicht möglich, weil ein Fall der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung vorliegt, richtet sich die Deckung nach Ziff. 4.2 ProdHM 2008 (zur Abgrenzung s. unten Rn. 114).15 109 Nach der Überarbeitung des ProdHM im Jahre 2000 wird der Austausch von künstlichen Körperteilen, Implantaten, Herzschrittmachern nicht mehr von dem Deckungsbaustein „Aus- und Einbaukosten“ erfasst,16 weil das Erzeugnis in ein Gesamtprodukt eingebaut worden sein muss. Anders liegt der Fall, wenn das Erzeugnis des VN, das der Hersteller z.B. in den Herzschrittmacher (= Gesamtprodukt) eingebaut hat, mangelhaft war.17 Nimmt der Patient den Hersteller des Schrittmachers u.a. gem. § 439 Abs. 3 BGB auf Ersatz der Kosten der Herausnahme des mangelhaften Schrittmachers und Implantation des neuen Schrittmachers in Anspruch, besteht für Regressansprüche des Herstellers gegen den VN nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB Versicherungsschutz.
110 cc) Abgrenzungsfragen. Entscheidend für die Deckung nach Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 ist, dass es zum Austausch des mangelhaften Erzeugnisses tatsächlich kommt. Dienen die Maßnahmen nur der Nachbesserung des mangelhaften Erzeugnisses im eingebauten Zustand18 oder der Vorbereitung des Austausches des mangelhaften Einzelteils des mangelhaften Erzeugnisses, besteht kein Versicherungsschutz nach Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2008.19 Dagegen sind Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz der Kosten für das Freilegen eines im Innern einer Maschine eingebauten mangelhaften Erzeugnisses gerichtet sind, versichert, wenn das Freilegen für den Austausch des Erzeugnisses als Ganzes erforderlich ist.20 Nach Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 besteht auch Deckung, wenn das mangelhafte Erzeugnis zunächst im eingebauten Zustand zerlegt, herausgerissen, herausgezogen, abgeschlagen oder zertrümmert werden muss, um es überhaupt als Ganzes austauschen oder um alle Teile entfernen zu können und dann durch ein 12 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 140: vgl. auch Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.762; Littbarski Ziff. 4 Rn. 207. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 140; Littbarski Ziff. 4 Rn. 207. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 141. Vgl. auch Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 73 Rn. 8. Littbarski Ziff. 4 Rn. 226; zu Ziff. 4.4 ProdHM 1974/1987 vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.776; a.A. Prölss/Martin/ Voit ProdHM Abs. 4_3 Ziff. 4.3 Rn. 5. 17 Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 99. 18 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 150; vgl. auch LG Hannover 27.12.2002 – 6 O 144/02, NJW-RR 2003 817, 818; a.A. Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 54 Rn. 35 zu Ziff. 4.4 ProdHM 1987. 19 LG Hannover 27.12.2002 – 6 O 144/02m NJW-RR 2003 817, 818; vgl. auch Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.765 f. 20 Vgl. LG Hannover 27.12.2002 – 6 O 144/02, NJW-RR 2003 817, 818 (Begriff Freilegung umfasst auch den Ausbau von Aggregaten oder Motorteilen, um das gelieferte eingebaute mangelhafte Teil zu erreichen); Langheid/Wandt/ Thürmann Kap. 310 Rn. 150.
13 14 15 16
Koch
882
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
anderes Produkt zu ersetzen.21 Werden vom VN gelieferte mangelhafte Kabel durch andere ersetzt, gehören der Aushub des Erdreichs, das Entnehmen und Wiederverlegen des Kabels und das Wiederverfüllen des Erdreichs zum Austausch.22 Nicht erforderlich ist, dass es sich bei dem eingebauten Erzeugnis um ein anderes als das 111 ausgebaute handelt. Es kann sich somit um ein und dasselbe Erzeugnis handeln, dessen Mangelhaftigkeit im ausgebauten Zustand beseitigt worden ist.23 Wird dagegen das gelieferte mangelhafte Erzeugnis nicht wieder eingebaut oder nicht durch ein neues ersetzt, sind die auf den Ersatz der Ausbaukosten gerichteten Schadensersatzansprüche nicht versichert.24 Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass eine mangelhafte Sache nicht ausgebaut, sondern nur eine neue Sache eingebaut wird.25 Sind die Dachbahnen des VN mangelhaft und bringt der Bauherr die neuen Dachbahnen auf den mangelhaften Dachbahnen an, ohne diese vorher zu entfernen, besteht deshalb für die auf den Ersatz der Kosten des Anbringens dieser neuen Dachbahn gerichteten Ansprüche des Bauherrn keine Deckung.26
b) Kostengünstigere Ersatzmaßnahmen. Die durch Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 gewährte De- 112 ckung für für Ansprüche, die auf den Ersatz von Aus- und Einbaukosten gerichtet sind, besteht – wie ausgeführt – grundsätzlich nur, wenn es zum Austausch des mangelhaften Erzeugnisses kommt. Die Kosten des „nur Ausbau, nur Einbau“ sind auch dann nicht versichert, wenn sie kostengünstiger sind als die Kosten des Austausches des Erzeugnisses. Zwar wird in der Literatur die Ansicht vertreten, nach Sinn und Zweck von Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 seien die Kosten für kostengünstigere Ersatzmaßnahmen bis zur Höhe der gedeckten Austauschkosten ersatzfähig.27 Nach Schimikowski vermag der vom ProdHM angesprochene Adressatenkreis „weder dem Wortlaut der Ziff. 4.4 des alten und noch weniger des neuen Produkthaftpflicht-Modells (und noch viel weniger besonderen vertraglichen Regelungen über Ersatzlösungen) zu entnehmen, dass zwar der teure Komplettaustausch versichert ist, nicht aber die billigere Nachbesserungslösung“.28
Diese Ansicht läuft darauf hinaus, den für die Auslegung von Normen zulässigen Erst-rechtSchluss auf die Auslegung von AGB zu übertragen. Eine solche auf dem vermuteten Willen des Verfassers von AGB basierende Auslegung von AVB lässt sich mit den von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätzen nicht in Einklang bringen.29 Die Tatsache, dass für Einzelteilaustauschkosten unabhängig davon, ob der Austausch des 113 Einzelteils (ohne Ausbau des Erzeugnisses aus dem Gesamtprodukt, d.h. im eingebauten Zustand) kostengünstiger ist als der Austausch des Erzeugnisses als Ganzes, ausdrücklich keine Deckung besteht, gibt im Übrigen eher Anlass zu der Auslegung, dass für kostengünstigere Ersatzmaßnahmen – zu deren Vornahme den Gesamtprodukthersteller haftungsrechtlich eine Obliegenheit trifft (vgl. Rn. 103) – grundsätzlich kein Versicherungsschutz besteht. Dass das „Ob“ des Versicherungsschutzes von der Vornahme einer haftungsrechtlich nicht gebotenen Maßnahme des Gesamtproduktherstellers (Ausbau des mangelhaften Erzeugnisses, Einbau eines mangelfreien Erzeugnisses) abhängig gemacht wird, lässt sich nur mit der wirtschaftlichen Überlegung des VR erklären, dass anderenfalls kein Bedarf für die von ihm gegen zusätzliche 21 22 23 24 25 26 27 28 29
Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 151. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 151. Thürmann/Kettler/Kettler 144. A.A. Thürmann/Kettler/Kettler 143; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.779. A.A. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.780. A.A. Thürmann/Kettler/Kettler 143. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 195; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 208. Schimikowski RuS 2002 45, 47. Vgl. auch Thürmann/Kettler/Kettler 169 („kaum mehr vertretbar“).
883
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Prämie fakultativ nach Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 ProdHM 2008 angebotene Deckung von Aus- und Einbaukosten beim Einzelteilaustausch und von Reparaturkosten bestünde.30
114 c) Abgrenzung zu Ziff. 4.2 ProdHM 2008. Die Auslegung von Ziff. 4.2 ProdHM 2008 folgt nach hier vertretener Ansicht sachenrechtlichen Grundsätzen (Rn. 35 ff.). Wenn und soweit Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Erzeugnisse des VN i.S.v. §§ 946 ff. BGB vorliegt, es sich mithin um die Integration wesentlicher Bestandteile in neu entstandene Sachen i.S.v. §§ 93, 94 BGB handelt, ist Ziff. 4.2 ProdHM 2008 einschlägig. Ziff. 4.4 ProdHM 2008 regelt dagegen den Sachverhalt, dass mangelhafte Erzeugnisse des VN in andere Sachen eingebaut oder sonst verlegt werden, ohne dabei ihre sachenrechtliche Eigenständigkeit aufzugeben. Es muss sich also um unwesentliche Bestandteile oder um Zubehör gem. § 97 BGB handeln.31 Bei den Speichermodulen in dem eingangs gebildeten Beispiel (Rn. 101) handelt es sich um unwesentliche Bestandteile der Maschine, weil sie sich ausbauen lassen, ohne dabei die Maschine zu zerstören oder in ihrem Wesen zu verändern.
2. Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.4.2 ProdHM 2008) 115 a) Vorbemerkungen. Soweit der Tatbestand der Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 erfüllt ist, regelt sich die Deckung nach Ziff. 4.4.2 und Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008. Versicherungsschutz besteht zum einen gem. Ziff. 4.4.2 ProdHM 2008 für die Schadensersatzansprüche wegen der Kosten für den Austausch mangelhafter Erzeugnisse (nicht jedoch von deren Einzelteilen) und der Kosten für den Transport mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. Darüber hinaus werden diese Kosten nach Ziff. 4.4.3 ProdHM auch dann ersetzt, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Nacherfüllung vom VN (§ 439 Abs. 2 BGB) oder von seinem Abnehmer (§ 439 Abs. 3 BGB) aufgewendet werden. 116 Auch im Rahmen der Ziff. 4.4.2 ProdHM 2008 sind nicht nur die Schäden des Vertragspartners des VN (Gesamtprodukthersteller), sondern auch die Schäden versichert, die im Zusammenhang mit dem Austausch mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse des VN bei Abnehmern des Gesamtproduktes entstehen und über die Regresskette zweiter Abnehmer – Gesamtprodukthersteller den VN erreichen (Rn. 17). Dagegen betrifft die Erweiterung nach Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008 nur das Verhältnis des VN zum ersten Abnehmer. 117 Für Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz der Austausch- und Transportkosten i.S.v. Ziff. 4.4.2.1 und Ziff. 4.4.2.2 ProdHM 2008 von Erzeugnissen des VN gerichtet sind, die mit einem Mangelverdacht behaftet sind, besteht Deckung, selbst wenn die Überprüfung ergibt, dass kein Mangel besteht.32 Wie zuvor festgestellt (Rn. 111), hängt die Deckung nicht davon ab, dass es sich beim (wieder-)eingebauten Erzeugnis um ein anderes als das ausgebaute handeln muss. Voraussetzung ist lediglich, dass es zu einer Beseitigung der Mangelhaftigkeit des Erzeugnisses (im ausgebauten Zustand) gekommen ist. Mit Blick auf die Rechtsprechung, die einen Mangel bereits dann als gegeben ansieht, wenn ein hinreichend konkreter Verdacht besteht (Rn. 11 ff.), kann auch die Ausräumung eines Mangelverdachts als „Mangelbeseitigung“ angesehen werden. Keine Deckung besteht für den Fall, das es nicht zu einem Ausbau kommt, die Überprüfung somit im eingebauten Zustand erfolgt.33 Weder die Aus- und Einbaukosten noch die Kosten der Überprüfung sind nach § 83 Abs. 1 118 VVG ersatzfähig. Ein Anspruch aus § 83 Abs. 1 VVG hätte zur Voraussetzung, dass den VN nach 30 Vgl. auch Littbarski Ziff. 4 Rn. 220. 31 Vgl. Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 52 Rn. 12. 32 A.A. Kettler/Thürmann 143; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.856; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 95; Littbarski Ziff. 4 Rn. 196, 218; wohl auch MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 265 f.
33 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 265; vgl. auch Littbarski Ziff. 4 Rn. 218. Koch
884
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 25.2 Satz 1 AHB 2016 i.V.m. § 82 Abs. 1 VVG eine Obliegenheit zum Aus- und Einbau (als Schadensminderungsmaßnahme) träfe. Eine solche Obliegenheit entsteht, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist und die Maßnahmen zur Begrenzung des Versicherungsschadens i.e.S. geboten sind.34 Daran fehlt es, weil der Aus- und Einbau ebenso wenig wie die Prüfung geeignet sind, den Umfang der nach Ziff. 4.4.2 ProdHM 2008 versicherten Vermögensschäden zu beschränken, die die Haftpflichtschuld bestimmen (Versicherungsschadens i.e.S). Ergibt die Prüfung, dass ein Erzeugnis tatsächlich mangelhaft ist und deshalb ausgetauscht werden muss, fallen die Kosten des Aus- und Einbaus sowie die Transportkosten nämlich gleichwohl an. Eine Minderung der nach Ziff. 4.4.2 ProdHM 2008 versicherten Schäden kann nicht erreicht werden. Besteht somit keine Obliegenheit nach Ziff. 25.2 Satz 1 AHB 2016 i.V.m. § 82 Abs. 1 VVG zur Prüfung und zum Aus- und Einbau des Erzeugnisses, sind die Kosten auch nicht nach § 83 Abs. 1 VVG ersatzfähig.35 Eine Obliegenheit zum Austausch und zur Prüfung gem. § 82 Abs. 1 VVG lässt sich auch 119 nicht etwa deshalb bejahen, weil im Fall des Vorliegens eines Mangels des Erzeugnisses das mangelhafte Gesamtprodukt zu Sach- oder Personenschäden führen kann. Zwar besteht für diese Schäden Deckung nach Ziff. 1.1, 1.2 und/oder Ziff. 4.1. ProdHM 2008. Da es hinsichtlich solcher Schäden jedoch am Eintritt des Versicherungsfalles fehlt, besteht (noch) keine Rettungsobliegenheit.36 Es handelt sich insoweit nur um nicht gedeckte Schadensverhütungskosten.37
b) Austauschkosten (Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2008) aa) Austausch des mangelhaften Erzeugnisses (1) Kosten des Austausches des Erzeugnisses als Ganzes. Versicherungsschutz besteht 120 gem. Ziff. 4.4.2.1 Satz 1 ProdHM 2008 für Schadensersatzansprüche des Gesamtproduktherstellers gegen den VN wegen der „Kosten für den Austausch mangelhafter Erzeugnisse (nicht jedoch von deren Einzelteilen), d.h. Kosten für das Ausbauen, Abnehmen, Freilegen oder Entfernen mangelhafter Erzeugnisse und das Einbauen, Anbringen, Verlegen oder Auftragen mangeIfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter“.38 Die Kosten der Erstmontage des fehlerhaften Erzeugnisses sind somit nicht gedeckt. Wie aus dem Klammerzusatz deutlich wird, besteht nur Versicherungsschutz für den Austausch des Erzeugnisses als Ganzes.39 Soweit der Gesamtprodukthersteller weiter gehende Schadensersatzansprüche geltend macht, weil er mangelhafte Einzelteile des mangelhaften Erzeugnisses ausgetauscht hat, um die Mangelhaftigkeit des Erzeugnisses zu beseitigen, besteht hierfür standardmäßig keine Deckung. Beispiel (für nicht gedeckten Einzelteilaustausch40): Der VN stellt komplexe elektronische Bauteile für von Drittunternehmen gefertigte EDV-Anlagen her. Nach Auslieferung der EDV-Anlage wird die Mangelhaftigkeit eines Einzelteils der vom VN gefertigten Bauteile festgestellt. Der Fehler lässt sich erst nach Ausbau der Bauteile durch den Austausch des Einzelteils beheben.
Um das insbesondere für die Zulieferer komplexer Bauteile (z.B. Systemhersteller und As- 121 sembler) bestehende Bedürfnis nach weiter gehender Deckung zu befriedigen, hat der Musterbe34 Zu diesem Erfordernis s. Bruck/Möller/Koch9 § 82 Rn. 56 ff. 35 I.E. so auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 9; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 266 (unter Verkennung, dass der Versicherungsfall nach Ziff. 8.2.3 ProdHM bereits eingetreten ist).
36 Bruck/Möller/Koch9 § 82 Rn. 103. 37 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 9; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 266. 38 Nach MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 194 soll nur der Ausbau des mangelhaften Erzeugnisses des VN von Ziff. 4.4.2.1 ProdHM erfasst sein. 39 GDV-Erläuterungen 63. 40 Vgl. GDV-Erläuterungen 67. 885
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
dingungsgeber die fakultativ zu vereinbarenden Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 ProdHM 2008 vorgesehen, die Versicherungsschutz für Einzelteile-Austauschmaßnahmen, für Reparaturen im eingebauten Zustand sowie für Mangelbeseitigungsmaßnahmen bieten (Rn. 147 ff.).
122 (2) Zweitaustausch. Das mangelhafte Erzeugnis muss gegen ein mangelfreies Erzeugnis ausgetauscht werden. Erweist sich die als neu eingebaute Sache ebenfalls als mangelhaft und muss deshalb der Austauschvorgang wiederholt werden, sind nur die Kosten des Zweitaustausches im Rahmen des Schadensersatzanspruchs des Gesamtproduktherstellers versichert.41 Kein Versicherungsschutz besteht für die Kosten des Erstaustausches. Ist das auszutauschende mangelhafte Erzeugnis auf dem Markt nicht mehr (mangelfrei) erhältlich, wird die Deckung der Kosten nicht nachteilig dadurch berührt, dass ein weiterentwickeltes oder verbessertes Erzeugnis oder Produkt eingebaut wird.42
123 (3) Versicherte Schadenspositionen. Zu den gedeckten Schadensersatzpositionen des geschädigten Dritten (Gesamtprodukthersteller, Abnehmer des Gesamtproduktes usw.) zählen die zeitlich, räumlich und funktional im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Austausch stehenden Kosten (einschließlich der Kosten der Vorbereitung und einer notwendigen Montageüberwachung),43 soweit diese haftungsrechtlich geboten waren. Beispielhaft seien genannt: Reisekosten, Überstundenzuschläge, Spesen und Übernachtungskosten für das Montagepersonal, Gemeinkosten wie z.B. Buchhaltungskosten oder Personalverwaltungskosten, Prüfkosten sowie Kosten für Arbeitsmittel und -geräte, Kleinteile wie z.B. Schrauben, Muttern und Dichtungen einschließlich aller Vorhaltekosten für Gerüste und sonstige Arbeitsgeräte.44 124 Keine Deckung besteht für Schäden aus einer durch den Aus- und Einbau bedingten Betriebsstilllegung, aus einem dadurch entstandenen Produktionsausfall sowie für entgangenen Gewinn. Bei diesen Schadenspositionen fehlt es an dem zuvor beschriebenen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Austausch.45 Gleiches gilt für die Transport- und Entsorgungskosten der ausgebauten Erzeugnisse.46 125 Auch im Rahmen des Ziff. 4.4 ProdHM 2008 sind das haftungsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) und der Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu beachten (Rn. 59). Übersteigen die tatsächlich angefallenen Austauschkosten den Wert des Gesamtproduktes, ist der Haftpflichtanspruch des Geschädigten nicht auf den Ersatz der Ausund Einbaukosten gerichtet, sondern auf den Ersatz des Werts des Gesamtproduktes beschränkt. Fallen die Austauschkosten höher aus als eine Veräußerung der (mangelhaften) Gesamtsache zu einem Preisnachlass oder als die Kosten einer Nachbearbeitung der Gesamtsache, ist der Schadensersatzanspruch der Höhe nach beschränkt auf Ersatz des entgangenen Gewinns oder der Nachbearbeitungskosten. Für den solchermaßen reduzierten Anspruch besteht entgegen Hinsch47 Deckung. Insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2008 abweichend von Ziff. 4.2.2.3 und Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008 die Deckung nicht von vornherein auf die 41 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 152, 156; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 69; Grote VersR 1995 508, 511; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.781; a.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 103 (zweimaliger Ausbau, aber nur ein Einbau versichert); Veith/Gräfe/Gebert/Bäcker/Ollick § 16 Rn. 121. 42 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 6; Nickel/Nickel-Fiedler Ziff. 4.4 Rn. 102. 43 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 154; umfassend Littbarski Ziff. 4 Rn. 228 ff.; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.858 ff. 44 Vgl. GDV-Erläuterungen 64; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 154; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.846 ff.; Littbarski Ziff. 4 Rn. 146; Späte ProdHM Rn. 43. 45 Vgl. Littbarski Ziff. 4 Rn. 232; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 269. 46 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 7; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.761; Grote VersR 1995 508, 511; Feindt VW 1989 316. 47 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.773. Koch
886
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Kosten „für einen rechtlich gebotenen und wirtschaftlich zumutbaren Austausch“ beschränkt. Dies hat zur Folge, dass der VN gegen den VR einen Anspruch auf Freistellung hat, dessen Höhe sich nach dem Wert des Gesamtproduktes oder den Kosten einer Nachbearbeitung bemisst, soweit diese niedriger sind, als die tatsächlich angefallenen Austauschkosten. Zu den vom Versicherungsschutz erfassten Schadensersatzpositionen zählen nach allgemei- 126 ner Ansicht auch Nachbesserungsbegleitschäden, d.h. die Kosten des Gesamtproduktherstellers für die Reparatur von Sachen, die beim Aus- und Einbau des mangelhaften Erzeugnisses zwangsläufig beschädigt oder zerstört werden.48 Der Ausschluss gem. Ziff. 7.7 AHB 2016 greift nicht ein, da der Austausch nicht seitens des VN vorgenommen wird. Der Ausschluss gem. Ziff. 1.2, 2. Spiegelstrich AHB 2016 wird durch den nach Ziff. 6.1.1, 2. Spiegelstrich ProdHM 2008 ersetzt, der wiederum nur dann eingreift, wenn keine Deckung nach Ziff. 4 ProdHM besteht. Beispiele:49 Beschädigung des Putzes und des Anstrichs, um unter Putz verlegte Leitungen auszutauschen; beim Austausch mangelhafter Kondensatoren, die auf Leiterplatten montiert sind, ist nicht zu vermeiden, dass gelegentlich benachbarte an sich mangelfreie weitere Bauteile beschädigt werden und mit ersetzt werden müssen; Abriss der Außenanlagen, um die Kellerabdichtung zu erneuern.50
Über die eigentlichen Einbaukosten hinaus sind vom Versicherungsschutz die Kosten für die 127 Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasst, z.B. das Wiederanpflanzen nach dem Aufgraben, um defekte Rohre auszutauschen.51
bb) Berücksichtigung des Erfüllungsbereichs. Nach Ziff. 4.4.2.1 Satz 2 ProdHM 2008 blei- 128 ben die Kosten für die „Nach- und Neulieferung“ mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter vom Versicherungsschutz ausgenommen. Zu diesen Kosten zählen auch die Transportkosten zum Erfüllungsort. c) Transportkosten (Ziff. 4.4.2.2 ProdHM 2008) aa) Unterscheidung zwischen „inneren Transportkosten“ und „äußeren Transportkos- 129 ten“. Ziff. 4.4.2.2 ProdHM 2008 trifft eine Regelung bezüglich der Deckung von Schadensersatzansprüchen, die auf den Ersatz von Transportkosten gerichtet sind, die im Zusammenhang mit der (Weiter-)Lieferung eines mangelfreien Erzeugnisses des VN (oder ersatzweise der Produkte eines Dritten) vom Erfüllungsort zum Austauschort entstehen (sog. „äußere Transportkosten“). Die Kosten für den Transport an den Erfüllungsort der ursprünglich vereinbarten Leistung sind – wie zuvor bemerkt – nicht umfasst (sog. „innere Transportkosten“). Zu den gedeckten äußeren Transportkosten gehören die Kosten der Beförderung, Zölle, 130 Verladekosten, Hafen-, Schleusen-, Kanal- und Brückengelder, Lotsengebühren sowie das Porto. Ist für das Verfrachten oder Transportieren zum Austauschort eine gesonderte Verpackung erforderlich (z.B. auslaufsicherer Container, salzwasserfeste Verpackung für Seetransport), gehört auch diese Transportverpackung zu den äußeren Transportkosten.52 Zu den Kosten des Transports zählt die Einfuhrumsatzsteuer. Wird diese auf die Ersatzlieferung eines mangelfreien Erzeugnis ins Ausland vom Einfuhrstaat erhoben und kann vom Importeur nicht
48 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 8; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.850; Langheid/Wandt/ Thürmann Kap. 310 Rn. 154; Littbarski Ziff. 4 Rn. 231; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 104. Nach Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 154. Vgl. LG Berlin 13.12.2011 – 7 O 446/10, BeckRS 2012 19702. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 154; vgl. auch LG Berlin 13.12.2011 – 7 O 446/10, BeckRS 2012 19702. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 161.
49 50 51 52
887
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
als Vorsteuer geltend gemacht werden, besteht für dessen Schadensersatzanspruch, der auf den Ersatz dieser Position gerichtet ist, Deckung.53 131 Was mit Erfüllungsort gemeint ist, lässt sich dem ProdHM nicht entnehmen. Im Bürgerlichen Recht wird dieser Begriff in §§ 447 Abs. 1, 644 Abs. 2 BGB ohne nähere Bestimmung verwendet. Dort wird er im allgemeinen gleichgesetzt mit dem Leistungsort i.S.v. § 269 Abs. 1 BGB.54 Maßgeblich ist danach der Ort, an dem die geschuldete Leistungshandlung vorzunehmen ist. Es handelt sich nach § 269 Abs. 1 und 2 BGB um den Ort, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seine gewerbliche Niederlassung hatte, soweit die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben oder sich aus den Umständen, insb. aus der Natur des Schuldverhältnisses, etwas anderes ergibt. In diesem Sinne dürfte auch der durchschnittliche VN einer Produkthaftpflichtversicherung den Begriff des Erfüllungsortes verstehen. Dieser Erfüllungsort ist bei Hol- und Schickschulden die Niederlassung des VN, sodass die Kosten von diesem Ort zum Austauschort übernommen werden.55 Bei Bringschulden ist der Erfüllungsort der Ort, an welchen das Erzeugnis zu bringen war.56 Sofern der Austausch an diesem Ort stattzufinden hat, sind Transportkosten nicht gedeckt. Beispiel: Der VN in Köln stellt elektronische Bauteile zum Einbau in EDV-Anlagen für seinen Abnehmer in Wolfsburg her. Der Abnehmer hat die Bauteile beim Bau eines EDV-Zentrums in Hamburg verwendet. Nachdem sich herausgestellt hat, dass die Bauteile mangelhaft sind, werden sie ausgebaut und durch mangelfreie Bauteile des VN ersetzt. Die neuen mangelfreien Bauteile werden zunächst nach Wolfsburg und von dort nach Hamburg befördert. Der Abnehmer verlangt vom VN Ersatz der Transportkosten von Köln nach Wolfsburg und den Transport von Wolfsburg nach Hamburg aus §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB.
Versicherungsschutz besteht nur für die Kosten des Transports von Wolfsburg nach Hamburg. Keine Deckung besteht dagegen für die Kosten des Transports von Köln nach Wolfsburg. 132 Ist das mangelhafte Erzeugnis des VN vom ersten Abnehmer eingebaut und das daraus entstandene Gesamtprodukt zum Zwecke des Einbaus weiterveräußert worden (vgl. Ziff. 4.4.1 Satz 2 ProdHM), kommt es für die Abgrenzung der inneren und äußeren Transportkosten auf den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN an. Beispiel:57 Der VN liefert defekte Wälzlager an den Hersteller von Getrieben für Windkrafträder, der seinen Sitz in Baden-Württemberg hat. Dieser baut die Wälzlager in die Getriebe und liefert sie an seinen Abnehmer aus, der Windkrafträder in der Nordsee installiert. Müssen die installierten Windkrafträder ausgetauscht werden, weil sie infolge von Ausfällen der vom VN an den Getriebehersteller gelieferten Wälzlager nicht mehr funktionieren, ist für die Berechnung der vom VR zu übernehmenden (äußeren) Transportkosten auf den Erfüllungsort der Wälzlagerlieferung in Baden-Württemberg abzustellen. Somit besteht Deckung für auf den Ersatz der gesamten Transportkosten der Getriebe gerichteten Schadensersatzansprüche des Getriebeherstellers.
133 bb) Kosten des Direkttransports. Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN bzw. vom Dritten zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nach Ziff. 4.4.2.2 Satz 2 ProdHM 2008 nur die Kosten des Direkttransportes versichert. Sollte im vorstehenden Beispiel Rn. 131 der Direkttransport von Köln nach Hamburg kostengünstiger sein als von Wolfsburg nach Hamburg, sind somit nur die Kosten des Direkttransports versichert.58 Dies gereicht dem 53 54 55 56 57 58
Thürmann/Kettler/Kettler 149. BeckOK-BGB/Faust § 447 Rn. 5; MüKoBGB/H.P. Westermann § 447 Rn. 4. Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 11. Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 11. Nach Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 161. Vgl. GDV-Erläuterungen 65.
Koch
888
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
VN jedoch nicht zum Nachteil, da die Schadensersatzansprüche des Abnehmers wegen § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Ersatz der Direkttransportkosten beschränkt sind.59
3. Nacherfüllungsansprüche (Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008) Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008 erweitert den Versicherungsschutz für die in Ziff. 4.4.2.1 und 4.4.2.2 134 ProdHM 2008 genannten Kosten des Austausches und Transports, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden. Diese Formulierung wurde noch auf Basis der Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, das mit Wirkung zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist, gewählt.
a) Vor dem 1.1.2018 geschlossene Lieferverträge. Für vor diesem Datum entstandene 135 Schuldverhältnisse (vgl. Art. 229 § 39 EGBGB) ergibt sich für den Verkäufer die Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels aus § 439 Abs. 1 BGB. Jedoch schuldet der Verkäufer dem Käufer nicht den Ausbau der mangelhaften Kaufsache und den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache, wenn der Käufer Ersatzlieferung verlangt (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB).60 Hat der Verkäufer seine Vertragspflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache verletzt und dies zu vertreten (§§ 437 Nr. 3, 280 BGB), schuldet er die Erstattung sowohl der Aus- als auch der Einbaukosten als Schadensersatz (neben der Leistung).61 Verlangt der Käufer Mangelbeseitigung (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB), kann sich eine Verpflich- 136 tung des Verkäufers zum Ausbau der mangelhaften und Einbau der reparierten Kaufsache ergeben, wenn die Reparatur nur im ausgebauten Zustand vorgenommen werden kann.62 In diesem Fall muss der Verkäufer die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten nach § 439 Abs. 2 BGB tragen.
b) Seit dem 1.1.2018 geschlossene Lieferverträge. Für nach dem 1.1.2018 abgeschlossene 137 Kaufverträge bestimmt § 439 Abs. 3 BGB weitergehend, dass der Käufer einen verschuldensunabhängigen Anspruch gegen den Verkäufer auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache hat. Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber auf das Urteil des EuGH vom 16.6.201163 und die Rechtprechung des BGH reagiert. Der EuGH hatte entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen einer Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Da das Urteil des EuGH die Auslegung der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie betraf, sah der BGH keine Veranlassung dieses Auslegungsergebnis Kaufverträgen zwischen Unternehmern zugrunde zu legen.64 59 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 158. 60 Vgl. BGH 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGBHZ 195 135 = NJW 2013 220 Rn. 14 ff.; BGH 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014 2183 Rn. 27. 61 BGH 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014 2183 Rn. 29; BGH 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 = NJW 2013 220 Rn. 11; Grüneberg/Weidenkaff § 437 Rn. 12. 62 Thürmann/Kettler/Kettler 153. 63 EuGH 16.6.2011 – C 65/09 und C 87/09, NJW 2011 2269 Rn. 40 ff. 64 Vgl. BGH 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGBHZ 195 135 = NJW 2013 220 Rn. 17 ff.; s.a. BGH 16.4.2013 – VIII ZR 375/ 11, BeckRS 2013 15325 Rn. 3; BGH 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014 2183 Rn. 27. 889
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Für Werkunternehmer, die mangelhaftes Baumaterial gekauft und dieses in Unkenntnis des Mangels bei einem Dritten verbauten, hatte die Beschränkung auf Kaufverträge mit Verbrauchern zur Folge, dass sie diesem aus dem geschlossenen Werkvertrag zum Ausbau des mangelhaften und zum Einbau von mangelfreiem Baumaterial verpflichtet waren, von dem Verkäufer jedoch nur die Lieferung des dafür benötigten neuen Baumaterials verlangen konnten. Die Ausund Einbaukosten mussten sie – von den Fällen eines schuldhaften Verhaltens des Verkäufers abgesehen – selbst tragen. Diese Rechtssituation wollte der Gesetzgeber durch Einführung des nicht auf Verbrauchsgüterkaufverträge beschränkten § 439 Abs. 3 BGB verbessern.65 Welche Konsequenzen sich aus der Einräumung eines Aufwendungsersatzanspruchs für das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers ergeben, ist bislang nicht absehbar. Klärungsbedürftig ist insbesondere das Verhältnis zwischen dem Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 439 Abs. 3 BGB und dem Nacherfüllungsanspruch gemäß § 439 Abs. 1 BGB66 sowie die Bestimmung der relativen Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 4 BGB, die aufgrund eines Vergleichs der beiden Arten der Nacherfüllung festzustellen ist. 139 Da Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008 Versicherungsschutz für die Austauschkosten auch dann gewährt, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von seinem Abnehmer aufgewendet werden, berührt die Gesetzesänderung den Versicherungsschutz des VN nicht nachteilig.67
138
4. Ausschlüsse (Ziff. 4.4.4 ProdHM 2008) 140 In Ziff. 4.4.4 ProdHM sind speziell für die Austauschkostendeckung geltende Ausschlüsse formuliert.
141 a) Eigenmontage (Ziff. 4.4.4.1 ProdHM 2008). Keine Deckung besteht nach Ziff. 4.4.4.1 Halbs. 1 ProdHM 2008 für auf den Ersatz von Austauschkosten gerichtete Schadensersatzansprüche sowie die Kosten der Nacherfüllung, wenn der VN die mangelhaften Erzeugnisse selbst eingebaut oder montiert hat oder in seinem Auftrag, für seine Rechnung oder unter seiner Leitung hat einbauen oder montieren lassen. In diesen Fällen zählt der Austausch des mangelhaften Erzeugnisses zum ungedeckten Erfüllungsbereich.68 Kein Versicherungsschutz besteht deshalb, wenn der Einbau, die Montage oder Montageleitung zur Mangelhaftigkeit beigetragen haben. Etwas anderes gilt nach Ziff. 4.4.4.1 Halbs. 2 ProdHM 2008, wenn die Mangelhaftigkeit nicht aus dem Einbau, der Montage oder Montageleitung, sondern ausschließlich aus der Herstellung oder Lieferung resultiert, weil sich dann kein mit der Eigenmontage verbundenes Risiko verwirklicht hat. 142 Mit der Beschränkung des Eigenmontage-Ausschlusses in Ziff. 4.4.4.1 Halbs. 2 ProdHM 2008, bei dem es sich der Sache nach um einen Wiedereinschluss handelt, soll nach den Vorstellungen des Musterbedingungsgebers sichergestellt werden, dass der VN, der neben der Herstellung oder Lieferung auch noch zum Einbau verpflichtet ist, nicht schlechter gestellt ist, als der VN, der nur zur Herstellung oder Lieferung verpflichtet ist.69 Entsprechend den allgemeinen Regeln liegt die Beweislast dafür, dass die Mangelhaftigkeit ausschließlich aus der Herstellung oder Lieferung und nicht aus dem Einbau, der Montage oder der Montageleitung resultiert, beim VN.70 65 66 67 68 69 70
Vgl. BTDrucks. 18/8486 S. 38 f. Vgl. MüKoBGB/Westermann § 439 Rn. 3. So auch Thürmann/Kettler/Kettler 157 f. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 168. Vgl. GDV-Erläuterungen 66 f.; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 169. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 170; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 112.
Koch
890
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Beispiel:71 Der VN produziert, liefert und installiert einen Flansch für eine Leitung. Der Flansch wird undicht. Es kommt zum Austritt des Mediums und dadurch zum Zersetzen der Dichtung des Flansches und zu Materialschäden an den benachbarten Außenflächen des Flansches. Danach ist nicht mehr festzustellen, ob die Dichtung des Flansches mangelhaft war oder bei der Montage des Flansches nicht richtig positioniert wurde. Es besteht keine Deckung für die Kosten des Ausbaus des schadhaften Flansches aus der Leitung und der Neuinstallation, da unklar bleibt, ob die Ursache der Mangelhaftigkeit in der Herstellung oder in der Montage lag.
b) Kfz-, Schienen- und Wasserfahrzeugteile (Ziff. 4.4.4.2 ProdHM 2008). Kein Versiche- 143 rungsschutz besteht gem. Ziff. 4.4.4.2 ProdHM 2008, wenn sich die Mangelbeseitigungsmaßnahmen gem. Ziff. 4.4.1 bis 4.4.3 ProdHM 2008 auf Teile, Zubehör oder Einrichtungen von Kfz, Schienenfahrzeugen oder Wasserfahrzeugen beziehen (zur Auslegung des Begriffs Kraftfahrzeuge s. Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 25 f., zum Begriff des Wasserfahrzeugs s. Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 27). Der Begriff Schienenfahrzeug umfasst nur schienengebundene Fahrzeuge (vgl. § 1 Abs. 1 HPflG, § 4 Abs. 1 PBefG und Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 29). Betroffen von diesem Ausschluss sind u.a. Hersteller von Software in der Steuerungselektronik.72 Von der Formulierung „Teile, Zubehör oder Einrichtungen“ werden alle beweglichen Sa- 144 chen erfasst, die ihrer Art und ihrem Verwendungszweck nach in die genannten Fahrzeuge i.S.v. Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008 eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen werden. Sie müssen nicht mit der Fortbewegungsfunktion im Zusammenhang stehen.73 Dazu zählen u.a. – im Fahrzeug eingebaute oder am Fahrzeug angebaute Fahrzeugteile, – im Fahrzeug eingebautes (z.B. Radio- und sonstige Audiosysteme, Video-, technische Kommunikations- und Leitsysteme) oder am Fahrzeug angebautes Fahrzeugzubehör (z.B. Spiegel, Sportler), – Sonderlackierungen und -beschriftungen, – Beiwagen und Verkleidungen bei Krafträdern, – Spezialaufbauten (z.B. Kran-, Tank-, Silo-, Kühl- und Thermoaufbauten, Betonmischer74) und – Spezialeinrichtungen (z.B. für Werkstattwagen, Messfahrzeuge, Krankenwagen).75 Die Anwendung des Ausschlusses ist beschränkt auf die Fälle, in denen diese Erzeugnisse im 145 Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von oder den Einbau in vorgenannte Fahrzeuge bestimmt waren.76 Das Erfordernis „ersichtlich“ ist zugunsten des VN subjektiv zu bestimmen. Nicht erforderlich ist die positive Kenntnis des VN. Es genügt, wenn die Verwendung der Erzeugnisse für die angesprochenen Risikobereiche für den VN bei Auslieferung (ex-ante) erkennbar war,77 wobei nur grobe Fahrlässigkeit schadet (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346).78 Nach Hinsch79 und den ihm folgenden Autoren80 soll bereits einfach fahrlässige Unkenntnis den VN nicht entlasten. Da die Vertreter dieser Ansicht die abstrakte Möglichkeit, dass die betroffenen Erzeugnisse in Fahrzeuge eingebaut werden könn71 Nach Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 170. 72 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 174. 73 LG Köln 19.3.2008 – 20 O 108/07, VersR 2008 1201, 1202; auch Littbarski Ziff. 4 Rn. 280; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.830; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 174; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 56. 74 Vgl. LG Köln 19.3.2008 – 20 O 108/07, VersR 2008 1201, 1202. 75 Vgl. auch Littbarski Ziff. 4 Rn. 277 ff.; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.829 ff.; Thürmann/Kettler/Kettler 165 f.; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 174. 76 Zur hinreichenden Bestimmtheit dieser Formulierung s. LG Köln 19.3.2008 – 20 O 108/07, VersR 2008 1201, 1202. 77 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 14; Prölss/Martin/Voit Ziff. 4.4 Rn. 14; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 175. 78 Weiter gehend Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 50 Rn. 50 (nur positive Kenntnis schadet). 79 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.835. 80 Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 118; wohl auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_4 Ziff. 4.4 Rn. 14; unklar Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 175; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 278; Nickel/ Nickel-Fiedler 429. 891
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
ten, nicht ausreichen lassen, sondern verlangen, dass der VN nach der Art der Erzeugnisse und/oder der Person des Bestellers deren Verwendung hätte erkennen können, überzeugt diese Auffassung nicht, da in diesen Fällen ebenfalls grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Soweit der VN Erzeugnisse herstellt und liefert, die nach ihrer Art und ihrem Verwendungszweck zur Verwendung in Fahrzeugen bestimmt sind, muss sich für ihn deren Verwendung schon aus dieser Zweckbestimmung aufdrängen. Selbst wenn die Lieferung nicht direkt an Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeughersteller oder – zulieferer erfolgt, liegt zumindest grob fahrlässige Unkenntnis vor.
146 c) Ausschluss von Rückrufkosten (Ziff. 4.4.4.3 ProdHM 2008). Kein Versicherungsschutz für Aus- und Einbaukosten besteht nach Ziff. 4.4.4.3 ProdHM 2008, soweit Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 eingreift, wenn also Ansprüche wegen der Kosten gem. Ziff. 4.4 ProdHM 2008 im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen des VN oder Produkten Dritter, die Erzeugnisse des VN enthalten, geltend gemacht werden. Beispiel:81 Der VN stellt Elektromotoren für Dunstabzugshauben her. Im Rahmen einer Rückrufaktion des Herstellers der Dunstabzugshauben müssen die Elektromotoren wegen Kurzschluss- und damit verbundener Brandgefahr ausgetauscht werden.
5. Fakultative Deckungserweiterung der Ziff. 4.4 ProdHM 2008: Aus- und Einbaukosten beim Einzelteileaustausch und Reparaturkosten 147 a) Fakultative Deckungserweiterung. Die Deckung nach Ziff. 4.4.2 und Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008 setzt voraus, dass es zu einem Austausch des mangelhaften Erzeugnisses des VN kommt.82 Unterbleibt ein Austausch, weil eine Reparatur im eingebauten Zustand möglich ist (und im Hinblick auf die Kosten vom VN haftungsrechtlich auch nur geschuldet wird), besteht nach hier vertretener Ansicht für die auf den Ersatz dieser Kosten gerichteten Schadensersatzansprüche gegen den VN kein Versicherungsschutz (vgl. Rn. 112 ff.). Letzteres gilt auch für Ansprüche, die auf den Ersatz der Kosten für den Austausch mangelhafter Einzelteile des mangelhaften Erzeugnisses – im ausgebauten oder im eingebauten Zustand – gerichtet sind. Diese Lücken können durch besondere Vereinbarung geschlossen werden, die als Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 Eingang in das ProdHM 2008 finden.
b) Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.4.5 ProdHM 2008) 148 aa) Kosten des Einzelteileaustausches (Ziff. 4.4.5.1 ProdHM 2008). Nach Ziff. 4.4.5.1 ProdHM 2008 sind die gesetzlichen Ansprüche Dritter gedeckt, die auf den Ersatz der Kosten für den Austausch mangelhafter Einzelteile von Erzeugnissen des VN gerichtet sind. Hierzu gehören auch Freilegungskosten.83 Erfasst werden sowohl Schadensersatzansprüche als auch der Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Mangelbeseitigung (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB).84 Voraussetzung für die Deckung ist, dass die Erzeugnisse des VN in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind (vgl. Rn. 105 ff.). Entsprechend der Regelungssystematik der Ziff. 4.4.2.1 und Ziff. 4.4.2.2 ProdHM 2008 sind die auf Ersatz der Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Einzelteile gerichteten Ansprüche von der Deckung 81 82 83 84
Vgl. GDV-Erläuterungen 78. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 181. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 124; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 183. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 184.
Koch
892
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ausgenommen. Für die Kosten des Transports nach- oder neugelieferter Einzelteile besteht gem. Ziff. 4.4.5.3 Satz 2 und 3 ProdHM 2008 Deckung, soweit es um den Transport vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung zum Austauschort geht und die Kosten für den direkten Transport vom VN zum Ort des Austausches nicht geringer sind.85
bb) Mangelbeseitigungskosten (Ziff. 4.4.5.2 ProdHM 2008). Ziff. 4.5.5.2 ProdHM 2008 149 schließt die Kosten der Reparatur des mangelhaften Erzeugnisses in eingebautem Zustand und Ziff. 4.4.5.3 ProdHM 2008 die Kosten für sonstige Mangelbeseitigungsmaßnahmen an mangelhaften Erzeugnissen ein. Zu den Kosten der Reparatur zählen neben den Arbeitskosten auch die dafür nötigen Materialkosten.86 Keine Deckung besteht für Reparaturversuche, die erfolglos bleiben.87 Nach Thürmann erfasst Ziff. 4.5.5.2 ProdHM 2008 nicht nur Reparaturen „in eingebautem Zustand“, sondern auch an angebrachten, verlegten oder aufgetragenen Sachen.88 Wird bei der Durchführung der Reparatur das Gesamtprodukt des Dritten beschädigt, besteht für den Schadensersatzanspruch gegen den VN Deckung im Rahmen der Ziff. 4.4.5.2 ProdHM 2008.89 Zu sonstigen Mangelbeseitigungsmaßnahmen zählen alle Maßnahmen, die sich nicht als 150 Einzelteileaustausch oder Reparatur darstellen, aber gleichwertig sind.90 Der Musterbedingungsgeber hat hierfür als Beispiel die Ummantelung von undichten Schläuchen aufgeführt, die vom VN für den Einsatz in Hydraulik-Systemen hergestellt werden.91
c) Ausschlüsse. Ziff. 4.4.5 Satz 4 ProdHM 2008 erklärt die Ausschlüsse gem. Ziff. 4.4.4 ProdHM 151 2008 (Rn. 140 ff.) ausdrücklich für anwendbar. d) Beschränkung auf kostengünstigste Maßnahme (Ziff. 4.4.6 Satz 1 ProdHM 2008). 152 Sofern der Mangel des Gesamtproduktes durch verschiedene der in den Ziff. 4.4.2, 4.4.3 und 4.4.5 ProdHM 2008 genannten Maßnahmen beseitigt werden kann, besteht nach Ziff. 4.4.6 Satz 1 ProdHM 2008 Versicherungsschutz „nur in Höhe der günstigsten versicherten Kosten“. Zu Recht weist Thürmann darauf hin, dass es sich bei Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 ProdHM 2008 um Deckungserweiterungen der Versicherung von Aus- und Einbaukosten handelt. Mit dem Sinn und Zweck einer Deckungserweiterung wäre es nicht vereinbar, den Versicherungsschutz auf die geringeren Kosten eines Einzelteileaustausches zu beschränken, weil sich der VN damit schlechter stellen würde als ohne Vereinbarung der Deckungserweiterung. Sofern der Abnehmer den Mangel nicht im Wege der Nachbesserung durch Austausch des defekten Einzelteils, sondern durch den Komplettaustausch des Erzeugnisses beseitigt, besteht für seinen Aufwendungsersatzanspruch nach § 439 Abs. 3 BGB somit selbst dann Versicherungsschutz, wenn die Kosten für den Einzelteileaustausch geringer wären.92 Insoweit ist die Bezugnahme in Ziff. 4.4.6 Satz 1 ProdHM 2008 auf Ziff. 4.4.2 und Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008 verbunden mit der Formulierung „nur in Höhe der günstigsten versicherten Kosten“ etwas unglücklich und sollte bei der nächsten Überarbeitung der Musterbedingungen geändert werden. VN und VR werden dadurch ge85 Vgl. auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 190. 86 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 188; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 59. 87 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 188; soweit nur durch den Reparaturversuch die Notwendigkeit des Komplettaustausches feststellbar war, a.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 126. 88 Vgl. auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 182. 89 Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 127. 90 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 189. 91 GDV-Erläuterungen 69. 92 Vgl. auch Thürmann/Kettler/Kettler 179; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 192. 893
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.4 Aus- und Einbaukosten
schützt, dass der Käufer nur Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen kann und die Aufwendungen für den Komplettaustausch im Vergleich zum Einzelteileaustausch nach § 439 Abs. 4 BGB nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Zudem ist der Hinweis geboten, dass nach der Rechtsprechung § 254 BGB als Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch auf die Nachbesserung anzuwenden ist.93
153 e) Berücksichtigung des Erfüllungsbereichs (Ziff. 4.4.6 Satz 2 ProdHM 2008). Ziff. 4.4.6 Satz 2 ProdHM 2008 enthält eine mit Ziff. 4.2.2.3 S. 2, 4.2.2.4 S. 2, 4.3.2.2 S. 2, 4.3.2.2 S. 2 ProdHM 2008 vergleichbare Kostenabzugsregelung. Mit dieser Regelung soll für den Fall der Nachbearbeitung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der VN bei Reparatur oder sonstigen Mangelbeseitigungsmaßnahmen die beim Austausch des Erzeugnisses als Ganzes oder Einzelteilaustausch nicht gedeckte Nach- oder Neulieferung mangelfreier Erzeugnisse oder Einzelteile erspart.94 Zur Berechnung des nicht gedeckten Anteils sind das Entgelt für die Erzeugnisse des VN und der Verkaufspreis des Gesamtproduktes nach der Reparatur oder einer anderen Mangelbeseitigungsmaßnahme ins Verhältnis zu setzen.95 154
Beispiel:96 Der VN stellt Hydraulik-Systeme für Produktionsmaschinen her. Die in den Hydraulik-Systemen verwendeten Schläuche sind undicht. Entgelt für ein Hydraulik-System: A 1.000; Verkaufspreis einer Produktionsmaschine (nach Reparatur oder anderer Mangelbeseitigungsmaßnahme): A 100.000; Kosten der Nachrüstmaßnahme je Hydraulik-System: A 100; somit kein Ersatz der Kosten der Nachrüstmaßnahmen in Höhe von 1 % (1000:100.000 = 1:100); somit Deckung über A 99 (A 100 – abzüglich 1 %).
B. ProdHM 2015 155 Im Unterschied zum ProdHM 2008 sind Ziff. 4.4.5 und Ziff. 4.4.6 ProdHM sichtbar als fakultativer Baustein in den Bedingungstext aufgenommen worden.97
93 BGH 22.3.1984 – VII ZR 50/82, NJW 1984 1676, 1677; vgl. auch BGH 16.10.2014 – VII ZR 152/12, NJW 2014 3645 Rn. 24 (jeweils zum Werkvertragsrecht); BeckOGK-BGB/Looschelders § 254 Rn. 67; MüKoBGB/Oetker BGB § 254 Rn. 23. 94 GDV-Erläuterungen 70. 95 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 194. 96 Nach GDV-Erläuterungen 70. 97 Thürmann/Kettler/Kettler 280. Koch
894
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ) 4.5.1 1Eingeschlossen sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.5.2 genannten Vermögensschäden i.S.v. Ziff. 2.1 AHB infolge Mangelhaftigkeit von Produkten, die durch vom VN mangelhaft hergestellte, gelieferte, montierte oder gewartete Maschinen produziert, be- oder verarbeitet wurden. 2Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten, gelieferten, montierten oder gewarteten Maschinen sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich. 3Versicherungsschutz besteht insoweit auch – abweichend Ziff. 1.1, 1.2 und
4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ) Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 4.5.1 1Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.5.2 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Produkten, die durch vom VN mangelhaft hergestellte, gelieferte, montierte oder gewartete Maschinen produ-ziert, beoder verarbeitet wurden. 2 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 3Als Maschinen gelten auch Werkzeuge an Maschinen und Erzeugnisse der Steuer-, Mess- und Regeltechnik sowie Formen.
7.3 AHB – für auf Sachmängeln beruhende Schadensersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
4.1 Begriffsbestimmungen/Anwendbarkeit von Ziff. 3.2 1 … 2 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich 3 … 4 Ziff. 3.2 (vertraglich übernommene Haftpflicht) findet auf Schäden gem. Ziff. 4.2 ff. Anwendung. 4.5.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen 4.5.2.1 der Beschädigung oder Vernichtung der mittels der Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte, soweit hierfür nicht bereits Versicherungsschutz nach Ziff. 1 oder 4.1 besteht; 4.5.2.2 anderer für die Herstellung, Be- oder Verarbeitung der Produkte nutzlos aufgewendeter Kosten; 4.5.2.3 Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte oder für eine andere Schadenbeseitigung; 4.5.2.4 weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden konnten; 4.5.2.5 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten infolge eines sich aus Mängeln der hergestellten, be- oder verarbeitenden Produkte ergebenden Produktionsausfalles. 2Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert;
895
4.5.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.5.2.1 der Beschädigung oder Vernichtung der mittels der Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte; 4.5.2.2 anderer für die Herstellung, Be- oder Verarbeitung der Produkte nutzlos aufgewendeter Kosten; 4.5.2.3 Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte oder für eine andere Schadenbeseitigung; 4.5.2.4 weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden konnten; 4.5.2.5 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten infolge eines sich aus Mängeln der hergestellten, be- oder verarbeitenden Produkte ergebenden Produktionsausfalles. 2Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
ProdHM 2008
ProdHM 2015
Produktionsausfall sind nicht versichert; 4.5.2.6 1weiterer Vermögensnachteile, weil die mittels der Maschinen des VN mangelhaft hergestellten, beoder verarbeiteten Produkte mit anderen Produkten verbunden, vermischt, verarbeitet (Ziff. 4.2) oder weiterverarbeitet oder -bearbeitet (Ziff. 4.3), eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen (Ziff. 4.4) werden. 2 Dieser Versicherungsschutz wird im Umfang der vorgenannten Ziff. 4.2 ff. gewährt.
4.5.2.6 1weiterer Vermögensnachteile, weil die mittels der Maschinen des VN mangelhaft hergestellten, beoder verarbeiteten Produkte mit anderen Produkten verbunden, vermischt, verarbeitet (Ziff. 4.2) oder weiterverarbeitet oder -bearbeitet (Ziff. 4.3), eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen (Ziff. 4.4) werden. 2 Dieser Versicherungsschutz wird im Umfang der vorgenannten Ziff. 4.2 ff. gewährt.
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Haftung für Schäden durch mangelhafte Maschi156 nen
II.
Versicherung von durch mangelhafte Maschinen 158 verursachte Schäden Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.5.1 159 ProdHM 2008) a) Mangelhafte Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung einer Maschine aa) Begriff der Maschine (1) § 2 Maschinenverordnung (9. 160 ProdSV) (2) Vorrichtungen zum Zählen, Mes164 sen oder Prüfen 167 (3) Verpackungsmaschinen bb) Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung einer Maschine 168 (1) Maschine als Ganzes 171 (2) Maschinenteile (3) Werkzeuge und Steuerele172 mente cc) Mangelhaftigkeit der Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung der 173 Maschine b) Mangelhafte Produkte infolge mangelhafter Herstellung, Lieferung, Montage oder 175 Wartung der Maschine
1.
2.
B.
aa) Verwendung der Produkte durch den Erwerber der fehlerhaften Ma176 schine bb) Weiterveräußerung der Pro178 dukte c) Abgrenzung zu Ziff. 4.2 bis 4.4 ProdHM 183 2008 Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.5.2 ProdHM 2008) 184 a) Vorbemerkungen b) Beschädigung oder Vernichtung anderer Produkte (Ziff. 4.5.2.1 ProdHM 188 2008) c) Nutzlose Herstellungskosten (Ziff. 4.5.2.2 189 ProdHM 2008) d) Kosten der Nachbearbeitung und andere Schadensbeseitigungskosten (Ziff. 4.5.2.3 190 ProdHM 2008) e) Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.5.2.4 193 ProdHM 2008) f) Produktionsausfall (Ziff. 4.5.2.5 ProdHM 194 2008) g) Mittelbare Schäden (Ziff. 4.5.2.6 ProdHM 196 2008) ProdHM 2015
198
A. ProdHM 2008 I. Haftung für Schäden durch mangelhafte Maschinen 156 Gegenstand der Deckung gem. Ziff. 4.5 ProdHM 2008 sind auf den Ersatz von Vermögensnachteilen gerichtete Schadensersatzansprüche Dritter, die darauf beruhen, dass erstens die vom VN hergestellte, gelieferte, montierte oder gewartete Maschine mangelhaft ist und zweitens durch die (mangelhafte) Maschine mangelhafte Produkte hergestellt, be- oder verarbeitet wurden. Zu den versicherten Schadenspositionen zählen Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung Koch
896
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
oder Vernichtung der mittels der mangelhaften Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte, vergeudeter Herstellungskosten, Kosten der Nachbearbeitung, entgangenen Gewinns, Produktionsausfalls sowie Haftungsschäden, die dem Abnehmer der Maschine daraus entstehen, dass er von den Abnehmern der mangelhaft hergestellten Produkte in Anspruch genommen wird (z.B. auf Schadensersatz oder Nacherfüllung, aus Rücktritt oder Minderung). All diese Schadenspositionen haben gemeinsam, dass sie nicht durch Nachbesserung der mangelhaften Maschine oder Ersatzlieferung hätten beseitigt werden können. Der Schadensersatzanspruch des Abnehmers folgt somit aus §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Soweit es um Ansprüche wegen Beschädigung oder Vernichtung der mittels der mangelhaf- 157 ten Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte geht, kommen auch deliktische Ansprüche des Abnehmers der Maschine gem. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht (z.B. wegen Eigentumsverletzung an maschinell zu bearbeitenden Ausgangsstoffen).
II. Versicherung von durch mangelhafte Maschinen verursachte Schäden Die Versicherung von Schäden durch mangelhafte Maschinen ist nur für Hersteller von Maschi- 158 nen oder – für den Fall der Vereinbarung der weiteren fakultativen Ergänzung der Steuerelemente- und Werkzeugklausel – von Maschinenteilen bedeutsam. Ziff. 4.5 ProdHM 2008 wird deshalb als fakultativ im Bedingungstext aufgeführt.1
1. Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008) Gem. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 ist Voraussetzung für die Deckung, dass der VN eine Maschine 159 mangelhaft hergestellt, geliefert, montiert oder gewartet hat und durch die (mangelhafte) Maschine mangelhafte Produkte produziert, be- oder verarbeitet wurden (Doppelkausalität).
a) Mangelhafte Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung einer Maschine aa) Begriff der Maschine (1) § 2 Maschinenverordnung (9. ProdSV). Der Begriff „Maschine“ wird im ProdHM 2008 160 nicht definiert. Eine gesetzliche Definition findet sich in § 2 der 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung), mit der die Richtlinie 2006/42/EG v. 17.5.2006 über Maschinen2 umgesetzt worden ist. Nach § 2 Nr. 1 9. ProdSV zählen zu den Maschinen i.w.S. neben den Maschinen i.e.S. auch auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile und Gurte und abnehmbare Gelenkwellen. Eine Maschine ist gem. § 2 Nr. 2 9. ProdSV „a) eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines beziehungsweise eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind, b) eine Gesamtheit im Sinne des Buchstaben a, der lediglich die Teile fehlen, die sie mit ihrem Einsatzort oder mit ihren Energie- und Antriebsquellen verbinden, c) eine einbaufertige Gesamtheit im Sinne der Buchstaben a und b, die erst nach Anbringung auf einem Beförderungsmittel oder Installation in einem Gebäude oder Bauwerk funktionsfähig ist, d) eine Gesamtheit von Maschinen im Sinne der Buchstaben a bis c oder von unvollständigen Maschinen nach Nummer 8, die, damit sie zusammenwirken, so angeordnet sind und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit von Maschinen funktionieren,
1 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 199. 2 ABl. Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 24. 897
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
e)
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
eine Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines beziehungsweise eine beweglich ist und die für Hebevorgänge zusammengefügt sind und deren einzige Antriebsquelle die unmittelbar eingesetzte menschliche Kraft ist.“ In dem Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates für eine EU-Verordnung über Maschinenprodukte vom 21.4.2021 werden die in § 2 Nr. 2 lit. a) bis e) 9. ProdSV enthaltenen Merkmale in Art. 3 VO übernommen und um eine weiteres Merkmal für eine Maschine ergänzt:3
„f)
eine Gesamtheit im Sinne der Buchstaben a, b, c, d und e, bei der lediglich das Aufspielen einer für die spezifische Anwendung der Maschine bestimmten Software fehlt.“
Die Definition der Maschine in § 2 Ziff. 2 lit. a) und e) 9. ProdSV sowie Art. 3 lit. f) des Vorschlags für eine EU-Verordnung über Maschinenprodukte dürfte maßgebend für das Verständnis des durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung sein.4 Im Hinblick auf die nach § 2 Ziff. 2 lit. a) 9. ProdSV erforderliche Zweckbestimmung („für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind“) liegt eine Maschine i.S.v. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 vor, wenn diese dazu geeignet und bestimmt ist, Produkte zu produzieren, zu be- oder zu verarbeiten.5 Darüber hinaus muss ein Antriebsquelle vorhanden sein. Auf die Größe kommt es nicht an, so dass kleinste Gerätschaften als Maschine zu subsumieren sind.6 Der Begriff „Produkt“ ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Sache i.S.v. § 90 BGB.7 Beim 162 „Produzieren“ geht es um die Herstellung einer neuen Sache, die nicht mit dem verwendeten Ausgangsstoffen identisch ist.8 „Bearbeiten“ umschreibt Tätigkeiten, mit denen auf ein Produkt mechanisch eingewirkt wird. Hierzu zählen z.B. Drehen, Fräsen, Bohren, Schleifen, Beschichten, Härten, Schneiden, Sägen, Polieren etc.9 Von „Verarbeiten“ spricht man, wenn aus einem Rohstoff ein fertiges Produkt gemacht wird.10 Nicht unter den Begriff der Maschine i.S.v. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 fallen z.B. Heizgeräte, 163 Heizöfen, Klimaanlagen oder Kühlschränke sowie Vorrichtungen, die nur dazu bestimmt sind, Menschen oder Sachen zu befördern (z.B. Aufzug, Skilift, Stapler), auf Menschen einzuwirken (z.B. medizinische Geräte), Sachen zu lagern oder Energie zu erzeugen.11 161
164 (2) Vorrichtungen zum Zählen, Messen oder Prüfen. Fraglich ist, ob mit einem Antrieb versehene Vorrichtungen zum Zählen, Messen oder Prüfen als Maschinen i.S.v. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 zu qualifizieren sind (z.B. Barcodescanner oder elektronische Waage). Im Anschluss an Hinsch12 wendet sich die ganz überwiegende Literatur gegen eine Qualifikation solcher Geräte als Maschinen i.S.v. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008. Zur Begründung wird angeführt, solche Maschinen dienten nicht der Bearbeitung von Produkten und auch die erstellten Mess- oder
3 COM(2021) 202 final. 4 Hierauf abstellend Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 58; zurückhaltender Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 13; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_5 Ziff. 4.5 Rn. 2; nach Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 201 sind Maschinen „mechanische Vorrichtungen, die elektrische oder elektronische Teile enthalten können, aber nicht müssen, und unter Energiezufuhr durch gesteuerte Bewegungen Arbeit leisten“. 5 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 212; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 55 Rn. 12. 6 Klindt ProdSG 3. Aufl. (2021) § 8 Rn. 28. 7 Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 74 Rn. 7; vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.904. 8 Schmidt-Salz/Hinsch Rn. 7.906; vgl. auch Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 74 Rn. 8; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 212; Littbarski Ziff. 4 Rn. 241. 9 Schmidt-Salz/Hinsch Rn. 7.906; Produkthaftungshandbuch3/Mühlbauer § 74 Rn. 8; MAH Versicherungsrecht/ Stempfle § 15 Rn. 218; Littbarski Ziff. 4 Rn. 242. 10 Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.906; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 219; Littbarski Ziff. 4 Rn. 243. 11 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 212; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 201; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.5 Rn. 2; Littbarski Ziff. 4 Rn. 236. 12 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.906. Koch
898
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Prüfwerte seien keine Produkte.13 Das wirtschaftlich relevante Schadensbild liege nicht im Messaufwand, sondern in den Folgeschäden durch Weiterverwendung der falschen Daten. Ziff. 4.5 ProdHM 2008 passe nicht, weil für diese Schadenbilder in Ziff. 4.5.2 ProdHM 2008 keine geeigneten Deckungspositionen zur Verfügung gestellt würden.14 Für eine Einordnung solcher Vorrichtungen als Maschinen spricht zunächst, dass auf einem 165 Datenträger gespeicherte Daten Sachen i.S.v. § 90 BGB sind, sodass sich die mithilfe eines Lesegeräts gewonnenen Daten durchaus als neu hergestellte Produkte qualifizieren lassen.15 Es trifft auch nicht zu, dass die versicherten Schadenspositionen nicht passen. Schadensersatzansprüche des Abnehmers gegen den VN, die auf Ersatz der für die Herstellung der Daten nutzlos aufgewendeten Kosten (Ziff. 4.5.2.2 ProdHM 2008) gerichtet sind, sind ebenso vorstellbar wie Schadensersatzansprüche auf Ersatz von Nachbearbeitungskosten (Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008). Der herrschenden Literaturansicht ist jedoch zuzugeben, dass man den Vorgang der Daten- 166 erfassung nicht als Produktion i.S.v. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 verstehen kann, weil nach allgemeinem Sprachgebrauch Daten nicht „produziert“ werden. Ebenso wenig lässt sich die Datenerfassung als Bearbeitung qualifizieren. Es fehlt insoweit an der mechanischen Einwirkung auf das Produkt, das Gegenstand einer Messung oder Prüfung ist. Für eine Verarbeitung fehlt es am Ausgangsstoff. Sind die mit den Vorrichtungen zum Zählen, Messen oder Prüfen gewonnen Daten für die Herstellung, Be- oder Verarbeitung eines Produktes bedeutsam, lassen sich diese Vorrichtungen jedoch ohne Weiteres als Maschine i.S.v. Ziff. 5.2.1 ProdHM 2008 qualifizieren. Beispiel: Ein elekronisches Flaschenprüfgerät erkennt infolge seiner Mangelhaftigkeit nicht Haarrisse der Mineralwasserflasche.
(3) Verpackungsmaschinen. Für Hersteller von Verpackungsmaschinen bietet Ziff. 4.5 167 ProdHM 2008 Versicherungsschutz, soweit nicht nur die Verpackung, sondern auch das verpackte Gut beschädigt wird und deshalb zusammen mit der Packung verworfen oder mit Preisnachlass verkauft werden muss (vgl. Ziff. 4.5.2.1, 4.5.2.2, 4.5.2.4 ProdHM 2008). Fehlt es an einer Beschädigung des verpackten Guts und genügt deshalb ein Umpacken, besteht für den auf Ersatz der Umverpackungskosten gerichten Schadensersatzanspruch keine Deckung. Um diese Schadensposition mitzuversichern, bedarf es der Vereinbarung der sog. Umpackkostenklausel.16 bb) Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung einer Maschine (1) Maschine als Ganzes. Die Maschine muss vom VN mangelhaft hergestellt, geliefert, mon- 168 tiert oder gewartet worden sein. „Herstellung“ ist gleichbedeutend mit der Produktion einer neuen Maschine, wobei es unerheblich ist, ob die Maschine aus neuen oder aus vorhandenen gebrauchten Komponenten erstellt wird.17 Ein „Herstellen“ kann im Einzelfall auch vorliegen, wenn eine vorhandene Maschine so grundlegend überholt und optimiert wird, dass es sich danach um eine andere Maschine handelt.18 Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung. Der Alternative „geliefert“ kommt nur Bedeutung zu, wenn der VN die Maschine nicht selbst hergestellt hat (z.B. reine Händler).
13 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 201; Thürmann/Kettler/Thürmann 184; MAH Versicherungsrecht/ Stempfle § 15 Rn. 286; Littbarski Ziff. 4 Rn. 304 ff. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 201; Thürmann/Kettler/Thürmann 184. Koch IT-Risiken Rn. 1807 f. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 203; Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.909. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 205. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 205.
14 15 16 17 18
899
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Unter dem Begriff „Montage“ sind alle Handlungen zu verstehen, die dazu dienen, die Maschine in den für die vereinbarte Verwendung geeigneten und erforderlichen Zustand zu versetzen.19 Hierzu zählen u.a. Aufbau, Installation oder Zusammensetzung einer Maschine, deren Herstellungsprozess abgeschlossen ist.20 Als „Wartung“ sind alle Maßnahmen zur vorbeugenden Erhaltung von Betriebsbereitschaft 170 und Betriebssicherheit der Maschine anzusehen.21 Es geht vornehmlich um Pflege und Reinigung. Erfasst werden aber auch die Beseitigung kleinerer Defekte sowie der Austausch von Verschleißteilen. Charakteristisch für die Wartung ist, dass sie in Intervallen vorgenommen wird, die sich z.B. nach der Dauer des Einsatzes und/oder der Laufleistung der Maschine bestimmen. Zu den typische Wartungsarbeiten zählen das Schmieren beweglicher Teile, der Ölwechsel, Ausbau und Zerlegung von Einzelteilen zur Überprüfung und ggf. Reinigung, Austausch oder Reinigung von Düsen, Austausch von Filtern bei Wasseraufbereitungsanlagen, Reinigung und Entkalkung bei maschinellen Wascheinrichtungen sowie der vorsorgliche Austausch von Kleinteilen.22 Nicht zu folgen ist die von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, wonach reine Montagen, Reparaturen oder Generalüberholungen von der Deckung grundsätzlich ausgeschlossen seien.23 Dieser Ansicht liegt ein zu enges Verständnis vom Begriff der Wartung zugrunde.
169
171 (2) Maschinenteile. Stellt der VN nicht eine (vollständige) Maschine her, sondern nur Teile, die dazu bestimmt sind, in eine andere Maschine eingebaut oder mit ihr zusammengefügt zu werden, um zusammen mit ihnen eine Maschine i.S.v. Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 zu bilden, besteht keine Deckung nach Ziff. 4.5 ProdHM 2008. Bezieht sich die Montage oder Wartung nur auf einen Teil der Maschine, kommt es darauf an, ob dieser bereits als Maschine anzusehen ist (Rn. 160 f.).24
172 (3) Werkzeuge und Steuerelemente. Durch Vereinbarung der sog. Werk-/Steuerelementeklausel besteht die Möglichkeit, Schäden zu versichern, die durch Einzelteile verursacht worden sind.25 Diese Klausel, die im ProdHM 2015 sichtbar als fakultativer Baustein in den Bedingungstext aufgenommen worden ist, kann als Deckungserweiterung zu Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008 als dritter Absatz eingefügt werden: „Als Maschinen gelten auch Werkzeuge an Maschinen und Erzeugnisse der Steuer-, Mess- und Regeltechnik sowie Formen.“26
173 cc) Mangelhaftigkeit der Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung der Maschine. Die Mangelhaftigkeit beurteilt sich nach § 434 BGB (Herstellung, Lieferung und Montageverpflichtung) oder § 633 BGB (nur Montage und Wartung). Abzulehnen ist die von Thürmann und Hinsch vertretene Ansicht, die einen Mangel in den Fällen verneinen, in denen die Maschine die vorgesehene Produktionsleistung nicht erbringt und sich mit der Maschine deshalb nicht
19 20 21 22 23
Vgl. MüKoBGB/H.P. Westermann § 434 Rn. 37. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.914. Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.914. Vgl. Aufzählung bei Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.915. Thürmann/Kettler/Thürmann 185; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 205 f.; Littbarski Ziff. 4 Rn. 306; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 140. 24 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 204. 25 Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.910. 26 S. GDV-Erläuterungen 63. Koch
900
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
die gewünschte Produktionsmenge erzielen lässt.27 Diese Ansicht läuft auf eine von §§ 434, 633 BGB abweichende deckungsrechtliche Auslegung des Mangelbegriffs hinaus. Hinsichtlich der Erweiterung der Deckung im Falle der Haftung aufgrund Vereinbarung be- 174 stimmter Eigenschaften wird auf die Ausführungen unter Rn. 22 ff. verwiesen. Für Schadensersatzansprüche, die daraus resultieren, dass die Maschine mit einem Mangelverdacht behaftet ist, s. unten Rn. 186.
b) Mangelhafte Produkte infolge mangelhafter Herstellung, Lieferung, Montage oder 175 Wartung der Maschine. Nicht zwingend aus dem Wortlaut von Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008, jedoch aus dem für den durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung erkennbaren Sinnzusammenhang folgt, dass der Mangel der Produkte auf der mangelhaften Herstellung, Lieferung, Montage oder Wartung der Maschine beruhen muss.28 Der VN wird den Begriff des Mangels grundsätzlich i.S.v. § 434 BGB/§ 633 BGB verstehen.29 Hinsichtlich der Bestimmung der Mangelhaftigkeit der Produkte ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen der Abnehmer die von den Maschinen hergestellten, be- oder vearbeiteten Produkte selbst weiterverwendet, und den Fällen, in denen er das mit der Maschine hergestellte Produkt weiterveräußert.
aa) Verwendung der Produkte durch den Erwerber der fehlerhaften Maschine. Verwen- 176 det der Erwerber die von der Maschine hergestellten, be- oder vearbeiteten Produkte selbst, kommt es für die Mangelhaftigkeit i.S.v. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 darauf an, ob die Produkte infolge eines Mangels der Maschine die im Kaufvertrag über die Maschine vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) aufweisen. Nach der nicht abschließenden Aufzählung in § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB zählen dazu Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige von den Parteien vereinbarte Merkmale. Darüber hinaus liegt ein Mangel vor, wenn die Produkte sich infolge eines Mangels der Maschine nicht zur im Kaufvertrag über die Maschine vertraglich vereinbarten Verwendung eignen (§ 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB). Beispiele: 1) VN liefert eine Zuschneidemaschine für eine Schuh-/Textilfabrik. Vereinbart ist, dass die Maschine so konstruiert sein muss, dass Zuschnitte in den Schuhgrößen 36–48 möglich sind. Wegen eines Konstruktionsfehlers der Maschine weichen die ausgeschnittenen Teile von den vorgegebenen Maßen ab; die Zuschnitte sind deshalb für die Herstellung von Schuhen unbrauchbar. Es liegt ein Mangel gem. § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BGB vor, für den Deckung nach Maßgabe der Ziff. 4.5.2 ProdHM 2008 besteht. 2) Eine Großbäckerei bestellt bei der VN Maschinen zur Herstellung von zehn verschiedenen Tortenböden. Die Maschinen sind aufgrund eines Konstruktionsmangels nur in der Lage, fünf verschiedene Tortenböden herzustellen. Es liegt kein Mangel vor, weil die einzelnen Tortenböden nicht mangelhaft sind. Die Voraussetzungen der Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 sind nicht gegeben.
Fehlt es an einer Vereinbarung über die Beschaffenheit oder Verwendung der mit der Maschine 177 produzierten Sachen, bestimmt sich die Mangelhaftigkeit i.S.v. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 nach § 434 Abs. 3 BGB. Danach müsssen sich die hergestellten Sachen für die gewöhnliche Verwendung eignen (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB) und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB). Diese Käufererwartung bestimmt sich dabei nach der Art der Sache (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 27 Thürmann/Kettler/Thürmann 186; Veith/Gräfe/Gebert/Bäcker/Ollick § 16 Rn. 160. 28 Vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_5 Ziff. 4.5 Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 63; a.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 141; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 209. 29 Vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_5 Ziff. 4.5 Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 63; a.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 141; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 209; Thürmann/Kettler/Thürmann 186. 901
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
lit. a) BGB) und den insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett vom Verkäufer abgegebenen öffentlichen Äußerungen (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b) BGB). Weiter muss die Sache der Beschaffenheit einer vom Verkäufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Probe oder eines entsprechenden Musters entsprechen (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB). Im Beispielsfall 1 sind die mit der Maschine produzierten Sachen auch ohne Vereinbarung über die Beschaffenheit oder Verwendung mangelhaft, weil sich die Zuschnitte nicht für die gewöhnliche Verwendung eignen. Im Beispielsfall 2 liegt ein Mangel gem. § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 lit. a) BGB vor, wenn der Verzehr der Tortenböden infolge eines Mangels der Maschine gesundheitsschädlich ist.
178 bb) Weiterveräußerung der Produkte. Veräußert der Abnehmer der Maschine die infolge der Mangelhaftigkeit der Maschine hergestellten, be- oder vearbeiteten Produkte, stellt sich die Frage, ob sich die Mangelhaftigkeit der Produkte i.S.v. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 nach dem Vertragsverhältnis zwischen dem VN und dem Abnehmer der Maschine oder nach dem Vertragsverhältnis zwischen dem Abnehmer und dessen Kunden bestimmt. Diese Frage ist nicht nur von theoretischer Bedeutung, sondern mit Blick auf Ziff. 4.5.2.4 ProdHM auch höchst praxisrelevant, wenn der Kunde von dem Abnehmer der Maschine Minderung oder Kaufpreisrückerstattung verlangt und letzterer den Hersteller der Maschine dafür in Regress nimmt (Rn. 181). Nach Thürmann sind 179 „für die Feststellung der Mangelhaftigkeit der Produkte die nach der Auslegung des Produktionsprozesses an sich beabsichtigte Sollbeschaffenheit und die tatsächlich produzierte Beschaffenheit beim Verwender der Maschine zu vergleichen“.30
Mangelhaftigkeit sei jedenfalls gegeben, wenn die Produkte aus der Sicht des Absatzmarktes mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB (a.F.) behaftet seien. Das Haftungsrecht könne aber nur einen Anhaltspunkt und Maßstab für die Bewertung bieten, weil die unterliegende vertragliche Beziehung fehle, die im Vertragsrecht zur Bestimmung der Mangelhaftigkeit herangezogen werde.31 Es könne damit Abweichungen von Soll- und Ist-Beschaffenheit geben, die beim Weiterverkauf der Produkte kein Mangel seien, „weil z.B. Gebinde zu viel, nicht zu wenig Inhalt enthalten, aber im Hinblick auf den Charakter der Produktion durch die Maschine zu mangelhaften Produkten führen, weil für den Maschinenbetreiber der korrekte Materialeinsatz wirtschaftlich relevant ist“.
Thürmann nennt hierfür – im Anschluss an Hinsch – als Beispiel eine Befüllungsmaschine, deren Füllstand überschritten wird, so dass der Materialverbrauch zu hoch ist, ohne dass dies die Handelstauglichkeit beeinträchtigt.32 Dieses von Thürmann gewählte Beispiel begründet keinen Mangel des mit der Maschine 180 hergestellten Produkts i.S.v. § 434 BGB. Insoweit verdient ihre Feststellung, es könne Abweichungen von Soll- und Ist-Beschaffenheit geben, die beim Weiterverkauf der Produkte kein Mangel seien, Zustimmung. Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, nach welchem Vertragsverhältnis sich die Mangelhaftigkeit der Produkte i.S.v. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 bestimmt, wenn der Abnehmer der Maschine die damit hergestellten Produkte weiterveräußert. Aus der für die Auslegung in seiner Eigenschaft als VN maßgeblichen Sicht des Herstellers 181 der Maschine kann es für die Mangelhaftigkeit i.S.d. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 nur auf das Vertragsverhältnis zu seinem Abnehmer ankommen. Denn nur wenn ein Mangel in diesem Ver30 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 209. 31 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 209. 32 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 209; vgl. auch Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.922. Koch
902
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
tragsverhältnis vorliegt, droht dem Hersteller die Inanspruchnahme (Regress) durch den Abnehmer für Vermögensnachteile gem. §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, die daraus resultieren, dass die Kunden des Abnehmers von diesem Minderung oder Kaufpreisrückerstattung verlangen. Im Übrigen dürften Mängel im Verhältnis zwischen dem Abnehmer und seinem Kunden nur in Ausnahmefällen nicht zugleich einen Mangel im Verhältnis zwischen Abnehmer und Hersteller begründen. Entsprechen die Produkte nicht den objektiven Anforderungen gemäß § 434 Abs. 3 BGB, 182 ist nicht nur im Verhältnis zwischen dem Hersteller der Maschine und dem Abnehmer, sondern auch zwischen dem Abnehmer und seinem Kunden ein Mangel gegeben. So liegt der Fall, wenn die Großbäckerei die infolge der mangelhaften Maschine zum Verzehr nicht geeigneten Tortenböden an andere Bäckereien oder den Einzelhandel ausliefert. Entsprechen die Produkte nicht den subjektiven Anforderungen gemäß § 434 Abs. 2 BGB, wird man im Verhältnis zwischen dem Hersteller der Maschine und dem Abnehmer nur dann Mangelhaftigkeit i.S.d. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 annehmen können, wenn die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung über die Beschaffenheit oder Verwendung der mit der Maschine produzierten Sachen identisch ist mit der Vereinbarung zwischen dem Abnehmer und seinem Kunden. Mangelhaftigkeit der Produkte i.S.v. Ziff. 4.5.1 Satz 1 ProdHM 2008 ist somit immer dann gegeben, wenn im Verhältnis zwischen dem Abnehmer der Maschine und seinem Kunden ein Mangel vorliegt, der zugleich einen Mangel im Verhältnis zwischen dem Hersteller der Maschine und dem Abnehmer der Maschine begründen. Beispiele: 1) VN liefert eine Zuschneidemaschine an ein Unternehmen, das für Schuh-/Textilfabriken Zuschnitte in den Schuhgrößen 36–48 herstellt. Wegen eines Konstruktionsfehlers der Maschine weichen die ausgeschnittenen Teile von den vorgegebenen Maßen ab; die Zuschnitte sind deshalb für die Herstellung von Schuhen unbrauchbar. Es liegt sowohl im Verhältnis zwischen dem Abnehmer der Maschine und dem VN als auch im Verhältnis zwischen dem Abnehmer und seinem Kunden ein Mangel gem. § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BGB vor. 2) VN liefert an einen Betrieb eine Maschine zur Herstellung von Schrauben. Infolge falscher Programmierung seitens des VN schneidet die Maschine unregelmäßig Gewinde, die die Schrauben unbrauchbar machen. Hier liegt sowohl im Verhältnis zwischen dem Abnehmer der Maschine und dem VN als auch im Verhältnis zwischen dem Abnehmer und seinem Kunden ein Mangel gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vor, da die Schrauben sich weder für die von dem VN noch von seinem Kunden vorausgesetzte Verwendung eignen.
c) Abgrenzung zu Ziff. 4.2 bis 4.4 ProdHM 2008. Eine Abgrenzung zur Deckung gem. 183 Ziff. 4.2 ProdHM 2008 kann erforderlich werden, wenn der VN nicht nur die mangelhafte Maschine, sondern auch die mangelhaften Erzeugnisse, die mit der Maschine verarbeitet wurden, geliefert hat. Dann muss ermittelt werden, ob der Mangel des Gesamtproduktes auf der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung des mangelhaften Erzeugnisses oder auf der mangelhaften Maschine beruht. War die Maschine der Auslöser, greift Ziff. 4.5 ProdHM 2008, anderenfalls Ziff. 4.2 ProdHM 2008. Ziff. 4.4 ProdHM 2008 und Ziff. 4.5 ProdHM 2008 können nur nacheinander und hinsichtlich unterschiedlicher Schadenspositionen zur Anwendung kommen, wenn die mangelhafte Maschine in andere Gegenstände eingebaut wurde, mangelhafte Sachen produziert hat (Ziff. 4.5 ProdHM 2008) und deswegen komplett ausgetauscht werden muss (Ziff. 4.4 ProdHM 2008).33
33 Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.899. 903
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
2. Versicherte Schadenspositionen (Ziff. 4.5.2 ProdHM 2008) 184 a) Vorbemerkungen. Aus dem Wortlaut von Ziff. 4.5.1 ProdHM 2008, wonach nur Schadensersatzansprüche Dritter „infolge Mangelhaftigkeit von Produkten“ gedeckt sind, folgt, dass für den eigentlichen Mangelschaden an den vom VN hergestellten, gelieferten, montierten oder gewarteten Maschinen kein Versicherungsschutz besteht, sondern nur hinsichtlich der Mangelfolgeschäden. 185 Zu beachten ist, dass im Rahmen der Ziff. 4.5.2.1 bis 4.5.2.4 und 4.5.2.6 ProdHM 2008 nicht nur Schadensersatzansprüche des Vertragspartners (Abnehmers) des VN versichert sind, sondern auch Schadensersatzansprüche Dritter für Schäden, die aus der Verwendung der Maschine resultieren und über die Regresskette Abnehmer des Produkts-Hersteller des Produkts den VN erreichen (Rn. 17).34 Nur in Ziff. 4.5.2.5 ProdHM 2008 beschränkt sich der Versicherungsschutz auf Schäden des unmittelbaren Abnehmers des VN. Für Schadensersatzansprüche, die daraus resultieren, dass das produzierte, be- oder verar186 beitete Produkt infolge der Mangelhaftigkeit der Maschine mit einem Mangelverdacht (Rn. 11 ff.) behaftet ist, besteht nur im Rahmen der Ziff. 4.5.2.2, 4.5.2.4, 4.5.2.5 und 4.5.2.6 ProdHM 2008 Deckung, da eine Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte i.S.v. Ziff. 4.5.2.1 ProdHM 2008 nur durch tatsächlich mangelhafte Erzeugnisse in Betracht kommt. Nachbearbeitungskosten i.S.v. Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008 fallen ebenfalls nur insoweit an, als die mittels der Maschine bearbeiteten Produkte tatsächlich mangelhaft sind. Gleiches gilt, wenn die Maschine mit einem Mangelverdacht behaftet ist, der sich auf die Produkte erstreckt. Schließlich ist der Hinweis geboten, dass die Ziff. 4.5.2.1 bis 4.5.2.5 ProdHM 2008 kumu187 lativ nebeneinander angewendet werden können. Je nachdem, ob das Produkt unveräußerlich ist und deshalb verworfen werden muss oder der Nachbearbeitung zugänglich ist und ggf. mit Preisnachlass verkauft werden kann, kommen Ziff. 4.5.2.1 ProdHM 2008 (Kosten der Zutaten), 4.5.2.2 ProdHM 2008 (Herstellungskosten) und 4.5.2.4 Alt. 1 ProdHM 2008 (entgangener Gewinn) oder Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 (Nachbearbeitung) und 4.5.2.4 Alt. 2 ProdHM 2008 (Preisnachlass) in Betracht. Darüber hinaus kann Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 (Produktionsausfall) eingreifen, wenn das Gesamtprodukt mehrere Verarbeitungsstufen beim ersten Abnehmer durchlaufen soll, aber bereits nach Durchlaufen der ersten Stufe verworfen werden muss oder es während der Zeit der Nachbearbeitung zu einem Produktionsausfall kommt.35
188 b) Beschädigung oder Vernichtung anderer Produkte (Ziff. 4.5.2.1 ProdHM 2008). Ziff. 4.5.2.1 ProdHM 2008 ist Ziff. 4.2.2.1 ProdHM 2008 nachgebildet. Deckung besteht für Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung oder Vernichtung der mittels der Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte. So liegt der Fall, wenn es im Rahmen der Herstellung, Be- oder Verarbeitung des neuen Produkts infolge der mangelhaft hergestellten, gelieferten, montierten oder gewarteten Maschine zu Schäden an anderen für die Herstellung des Produktes verwendeten Materialien kommt, die unversehrt im Eigentum des Produktherstellers/-be- oder -verarbeiters standen.36 Die Formulierung Produkt bezieht sich somit nicht auf das mit der Maschine hergestellte Endprodukt, sondern auf die zur Herstellung des Endprodukts eingesetzten Einstandsprodukte.37 Für die Schadensersatzansprüche des Produktherstellers wegen der Eigentumsverletzung besteht bereits Versicherungsschutz nach Ziff. 1.1 ProdHM 2008 und – soweit der VN versprochen hat, verschuldensunabhängig für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbei-
34 35 36 37
Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.928 und 7.291. Vgl. Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.694 (zu Ziff. 4.2.1–4.2.5 ProdHM 1987). Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 213; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 300. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 213; Thürmann/Kettler/Thürmann 190; Littbarski Ziff. 4 Rn. 328; a. A. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 145 (Ansprüche wegen beschädigter oder vernichteter Materialien sind ausschließlich nach Ziff. 1.1 und 4.1 ProdHM gedeckt). Koch
904
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
ten und Leistungen einzustehen – nach Ziff. 4.1 ProdHM 2008, wenn das auf der Maschine hergestellte, be- oder verarbeitete Produkt verworfen werden muss.38
c) Nutzlose Herstellungskosten (Ziff. 4.5.2.2 ProdHM 2008). Nach Ziff. 4.5.2.2 ProdHM 189 2008 besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche wegen anderer für die Herstellung, Be- oder Verarbeitung der Produkte nutzlos aufgewendeter Kosten. Diese Deckungsklausel unterscheidet sich von Ziff. 4.2.2.2 ProdHM 2008 nur durch den Zusatz „nutzlos“. Dadurch soll klargestellt werden, dass Versicherungsschutz nur für die Kosten der ursprünglich mangelhaften Produktion, Be- oder Verarbeitung besteht, nicht aber für die Kosten einer Ersatzproduktion.39 Hinsichtlich der aufgewendeten Kosten kann auf die Ausführungen zu Ziff. 4.2.2.2 verwiesen werden (Rn. 50 ff.). d) Kosten der Nachbearbeitung und andere Schadensbeseitigungskosten (Ziff. 4.5.2.3 190 ProdHM 2008). Gem. Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008 sind Schadensersatzansprüche versichert, die gerichtet sind auf den Ersatz der Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte oder für eine andere Schadensbeseitigung. Diese Formulierung entspricht inhaltlich Ziff. 4.2.2.3 Satz 1 ProdHM 2008 und Ziff. 4.3.2.2 Satz 1 ProdHM 2008, weshalb auch auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird (Rn. 54 ff.). Das Wort „Gesamtprodukte“ wurde ersetzt durch die Formulierung „mittels der Maschinen des Versicherungsnehmers hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte“. Zum Verständnis der „Nachbearbeitung“ s. Rn. 55. Keine Entsprechung hat Ziff. 4.2.2.3 Satz 2 ProdHM 2008 gefunden, derzufolge das nicht versicherte Erfüllungsinteresse mittels Quotenklausel in Abzug gebracht wird. Dies liegt daran, dass die durch die Maschine des VN hergestellten Produkte keine Erzeugnisse des VN sind und auch keine Produkte Dritter darstellen, die Erzeugnisse des VN enthalten.40 Gegenstand der Nachbearbeitung ist nicht die mangelhafte Maschine, sondern sind die 191 maschinell hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte. Keine Nachbearbeitung i.S.v. Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008 liegt daher vor, wenn die Produktion nachgeholt werden muss, weil der Produktions- oder Arbeitsprozess nicht stattfinden konnte.41 Abweichend von Ziff. 4.2.2.3 Satz 1 und Ziff. 4.3.2.2 Satz 2 ProdHM 2008 sind die Kosten für 192 eine notwendige Nachbearbeitung der mittels der Maschine des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte sowie die Kosten für eine andere Schadensbeseitigung selbst dann gedeckt, wenn die Nachbearbeitung oder sonstige Schadensbeseitigung im Rahmen einer Rückrufaktion erfolgt. Die Abweichung liegt darin begründet, dass der VN diese Schadensposition nicht über die Verbandsmodelle zur Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung für Hersteller und Händler (ProdRückRM) sowie zur Kfz-Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung (KfzRückRM) versichern kann, da er nicht Hersteller der mittels einer von ihm hergestellten Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte ist.42 Aus diesem Grunde ist Ziff. 4.5 ProdHM 2008 nicht im Rückrufkostenausschluss nach Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 aufgeführt.
38 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 217. 39 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 219; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 146; vgl. auch Schmidt-Salzer/Hinsch Rn. 7.967. 40 Vgl. GDV-Erläuterungen 71; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 153; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 220. 41 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 221; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 305; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 4_5 Ziff. 4.5 Rn. 6. 42 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 309. 905
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Beispiel:43 Der VN stellt Abfüllmaschinen für pharmazeutische Produkte her. Wegen eines Maschinendefektes werden die einzelnen Zusätze der Pharmaka nicht richtig dosiert; die Pharmaka sind gesundheitsschädlich und müssen bei den Endverbrauchern zurückgerufen werden. Durch Beigabe eines zusätzlichen Stoffes lässt sich das Gesundheitsrisiko sicher und kostengünstig beseitigen. Für die auf Ersatz der Schadensbeseitigungskosten i.S.v. Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008 gerichteten Schadensersatzansprüche des Erwerbers der Maschine besteht Deckung.
193 e) Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.5.2.4 ProdHM 2008). Nach Ziff. 4.5.2.4 ProdHM 2008 besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz weiterer Vermögensnachteile (z.B. des entgangenen Gewinnes) gerichtet sind, weil die mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden konnten. Ziff. 4.5.2.4 ProdHM 2008 entspricht Ziff. 4.2.2.4 und Ziff. 4.3.2.3 ProdHM 2008, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird (Rn. 70 ff., 99). Aus den zuvor bei Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008 genannten Gründen enthält Ziff. 4.5.2.4 ProdHM 2008 keine Quotenklausel. Da die Maschine des VN nicht Teil der maschinell erstellten Produkte wird, kann es keine proportionale Berücksichtigung des Liefergegenstandes des VN geben.44
194 f) Produktionsausfall (Ziff. 4.5.2.5 ProdHM 2008). Gem. Ziff. 4.5.2.5 ProdHM 2008 besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche wegen der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten infolge eines Produktionsausfalles, der sich aus Mängeln der hergestellten, be- oder verarbeitenden Produkte ergibt. Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert. Diese Regelung ist Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 nachgebildet. Insoweit kann auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (Rn. 80 ff.). Hervorgehoben werden sollen nur noch die spezifischen Regelungsgehalte der Ziff. 4.5.2.5 ProdHM 2008. 195 Ziff. 4.5.2.5 ProdHM 2008 zielt darauf ab, dem VN Versicherungsschutz dafür zu gewähren, dass sein Vertragspartner mit der Maschine mangelhafte Zwischenprodukte herstellt, die dieser anschließend nicht mehr weiterverarbeiten kann, und sich hieraus Stillstandskosten ergeben.45 Der Produktionsausfall muss sich aus Mängeln der Produkte ergeben. Nicht gedeckt ist der Produktionsausfall, der sich aus Mängeln der Maschine ergibt.46 Beispiele: 1) Der VN liefert eine falsch programmierte Stanzmaschine aus. Aufgrund dieses Mangels werden Bleche falsch dimensioniert gepresst und können deshalb nicht über eine Stanzstraße laufen. Eine Weiterbearbeitung der Bleche kann deshalb nicht erfolgen. Die Stanzstraße liegt still. Ersetzt werden nur die durch diesen Stillstand unmittelbar verursachten Kosten.47 2) Der VN hat eine Maschine zur Herstellung von Kunststoffflaschen geliefert. Infolge eines Fehlers bei der Einstellung der Maschine durch den VN weist eine Serie der mittels der Maschine produzierten Flaschen kleinere Mängel (Grate) auf, die durch eine Nachbearbeitung beseitigt werden können. Während dieser Zeit steht die Verpackungsabteilung still. Die Kosten sind gedeckt.48
43 Nach MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 309. 44 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 312. 45 Vgl. Schmidt-Salzer Rn. 7.951; Littbarski Ziff. 4 Rn. 362; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 160; Thürmann/Kettler/Thürmann 193.
46 Ermert/Zölch 153; Littbarski Ziff. 4 Rn. 362; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 161; Thürmann/Kettler/Thürmann 193.
47 Vgl. GDV-Erläuterungen 71. 48 Beispiel nach Ermert/Zölch 153; vgl. auch Thürmann/Kettler/Thürmann 193. Koch
906
Ziff. 4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
g) Mittelbare Schäden (Ziff. 4.5.2.6 ProdHM 2008). Ziff. 4.5.2.6 ProdHM 2008 erweitert 196 den Versicherungsschutz auf Schadensersatzansprüche wegen weiterer Vermögensnachteile, die darauf beruhen, dass die mittels der Maschinen des VN mangelhaft hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte mit anderen Produkten verbunden, vermischt, verarbeitet (Ziff. 4.2 ProdHM 2008), weiterverarbeitet oder -bearbeitet (Ziff. 4.3 ProdHM 2008), eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen (Ziff. 4.4 ProdHM 2008) werden. Versicherungsschutz wird im Umfang der vorgenannten Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 gewährt. Damit besteht die Möglichkeit für den VN, Schäden aus einer weiteren Verarbeitung der maschinell produzierten Erzeugnisse im Umfang der Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 zu versichern.49 Beispiel:50 Der VN stellt Maschinen zur Fertigung von Mikrochips her. Infolge Mangelhaftigkeit der Maschinen werden beim Abnehmer des VN mangelhafte Chips hergestellt. Die Mangelhaftigkeit der Mikrochips wird erst beim Abnehmer der Chips festgestellt, als diese bereits in die Endgeräte eingebaut sind.
Die Austauschkosten werden über Ziff. 4.5.2.6 ProdHM 2008 i.V.m. Ziff. 4.4 ProdHM 2008 ersetzt. 197 Eine direkte Anwendung der Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 scheitert daran, dass die mittels der mangelhaften Maschine des VN hergestellten Produkte keine Erzeugnisse des VN i.S.d. Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 sind.51
B. ProdHM 2015 Ziff. 4.5 ProdHM 2015 unterscheidet sich nur darin von Ziff. 4.5 ProdHM 2008, dass die Werk- 198 zeug-/Steuerelemente-Klausel sichtbar als fakultative Ergänzung in den Text von Ziff. 4.5.1 ProdHM 2015 aufgenommen worden ist.
49 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 321 ff.; Krause NVersZ 2001 103, 106; Thürmann PHi 2000 163, 173.
50 Entnommen bei Krause NVersZ 2001 103, 107. 51 Vgl. GDV-Erläuterungen 71. 907
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
ProdHM 2008
ProdHM 2015
4.6 Prüf- und Sortierkosten (fakultativ) 4.6.1 1Eingeschlossen sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 genannten Vermögensschäden infolge der Überprüfung von Produkten der Dritten auf Mängel, wenn die Mangelhaftigkeit einzelner Produkte bereits festgestellt wurde und aufgrund ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger nachweisbarer Tatsachen gleiche Mängel an gleichartigen Produkten zu befürchten sind. 2 Die Überprüfung muss der Feststellung dienen, welche der Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich mangelhaft sind und bei welchen dieser Produkte die nach den Ziff. 4.2 ff. versicherten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. 3 Produkte im Sinne dieser Regelung sind solche, die aus oder mit Erzeugnissen des VN hergestellt, be- oder verarbeitet wurden.
4.6 Prüf- und Sortierkosten; Versicherungsschutz gemäß Ziff. 4.2 bis 4.5 für Produkte mit Mangelverdacht (fakultativ) 1 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 2 Besteht Versicherungsschutz nach den vorangehenden Ziff. 4.2 ff., gilt: 4.6.1 1Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 genannten Schäden infolge der Überprüfung von Produkten der Dritten auf Mängel, wenn die Mangelhaftigkeit einzelner Produkte bereits festgestellt wurde und aufgrund ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger nachweisbarer Tatsachen gleiche Mängel an gleichartigen Produkten zu befürchten sind. 2Die Überprüfung muss der Feststellung dienen, welche der Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich mangelhaft sind und bei welchen dieser Produkte die nach den Ziff. 4.2 ff. versicherten Maßnahmen zur Mangelbe-seitigung erforderlich sind. 3Produkte im Sinne dieser Regelung sind solche, die aus oder mit Erzeugnissen des VN hergestellt, be- oder verarbeitet wurden.
4.6.2 1Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht. 2Zur Überprüfung gehört auch ein notwendiges Vorsortieren zu überprüfender und Aussortieren von überprüften Produkten sowie das infolge der Überprüfung erforderliche Umpacken der betroffenen Produkte.
4.6.2 1Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht. 2Zur Überprüfung gehört auch ein notwendiges Vorsortieren zu überprüfender und Aussortieren von überprüften Produkten sowie das infolge der Überprüfung erforderliche Umpacken der betroffenen Produkte.
4.6.3 1Ist jedoch zu erwarten, dass die Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht zzgl. der nach Ziff. 4.2 ff. gedeckten Kosten auf Basis der festgestellten oder nach objektiven Tatsachen anzunehmenden Fehlerquote höher sind, als die nach Ziff. 4.2 ff. gedeckten Kosten im Falle der tatsächlichen Mangelhaftigkeit aller Produkte mit Mangelverdacht, so beschränkt sich der Versicherungsschutz auf die Versicherungsleistungen nach Ziff. 4.2 ff. 2In diesen Fällen oder wenn eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur durch Zerstörung des Produktes möglich ist, bedarf es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. 3 Ist eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau der Erzeugnisse möglich und wäre bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Erzeugnisse die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach Ziff. 4.4, so beschränkt sich der Versicherungsschutz ebenfalls auf die Versicherungsleistungen nach Ziff. 4.4. 4Auch in diesen Fällen bedarf
4.6.3 1Ist jedoch zu erwarten, dass die Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelver-dacht zzgl. der nach Ziff. 4.2 ff. gedeckten Kosten auf Basis der festgestellten oder nach objektiven Tatsachen anzunehmenden Fehlerquote höher sind, als die nach Ziff. 4.2 ff. gedeckten Kosten im Falle der tatsächlichen Mangelhaftigkeit aller Produkte mit Mangelverdacht, so beschränkt sich der Versicherungsschutz auf die Versicherungsleistungen nach Ziff. 4.2 ff. 2In diesen Fällen oder wenn eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur durch Zerstörung des Produktes möglich ist, bedarf es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. 3 Ist eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau der Erzeugnisse möglich und wäre bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Erzeugnisse die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach Ziff. 4.4, so beschränkt sich der Versicherungsschutz ebenfalls auf die Versicherungsleistungen nach Ziff. 4.4. 4Auch in diesen Fällen bedarf
Koch
908
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
ProdHM 2008
ProdHM 2015
es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen.
es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. 5 Sofern Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 vereinbart sind, gilt: Entsprechendes gilt für den Fall, dass eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau von Einzelteilen der Erzeugnisse möglich ist und bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Einzelteile die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach Ziff. 4.4.5 wäre.
4.6.4 Ausschließlich für die in Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 genannten Kosten besteht in Erweiterung der Ziff. 4.6.1 – und insoweit abweichend von Ziff. 1.1 und 1.2 AHB – Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden.
4.6.4 Ausschließlich für die in Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 genannten Kosten besteht in Erweiterung der Ziff. 4.6.1 – und insoweit abweichend von Ziff. 1.1 und 1.2 AHB – Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden.
4.6.5 Auf Ziff. 6.2.8 wird hingewiesen.
Fehlanzeige
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Haftung für die Kosten der Überprüfung von 199 Produkten
II.
Versicherung von Schäden infolge der Überprüfung von Produkten Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.6.1 ProdHM 2008) a) Bestehen von Versicherungsschutz nach 203 Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 b) Mangelhaftigkeit einzelner Pro205 dukte c) Zu befürchtende gleiche Mängel an gleich206 artigen Produkten 207 aa) Gleiche Mängel 209 bb) Gleichartiges Produkt cc) Nachweisbare Tatsachen, insb. Stich212 probenbefund
1.
(1)
2.
3. 4.
B.
Ausreichender Stichprobenbe213 fund (2) Sonstige nachweisbare Tatsa216 chen 217 d) Überprüfungszweck Versicherte Schadenspositionen a) Prüf- und Sortierkosten (Ziff. 4.6.2 ProdHM 218 2008) b) Kostenabwägung (Ziff. 4.6.3 ProdHM 221 2008) Prüf- und Sortierkosten im Rahmen der Nacher226 füllung (Ziff. 4.6.4 ProdHM 2008) Ausgrenzung des Rückrufkostenrisikos 227 (Ziff. 4.6.5 ProdHM 2008) ProdHM 2015
229
A. ProdHM 2008 I. Haftung für die Kosten der Überprüfung von Produkten Der fakultative Baustein gem. Ziff. 4.6 ProdHM 2008 regelt den Sachverhalt, dass nur ein Teil 199 von Produkten, die aus oder mit mangelhaften Erzeugnissen des VN hergestellt, be- oder verarbeitet wurden, mangelhaft ist und die mangelfreien von den mangelhaften Produkten nicht ohne Überprüfung aussortiert werden können. Mit diesem Baustein will der Musterbedingungsgeber der besonderen Gefahr bei einer Serienproduktion Rechnung tragen, dass nur ein Teil der 909
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
in Serie hergestellten Produkte mit Mängeln behaftet ist.1 In der Praxis dürfte es selten sein, dass ein (tatsächlich) mangelhaftes Erzeugnis nur einzelne Produkte und nicht gleich die gesamte Serie infiziert. Der Baustein dürfte deshalb eher in den Fällen bedeutsam sein, in denen nicht alle Erzeugnisse des VN tatsächlich mangelhaft sind, die mangelfreien sich von den mangelhaften Erzeugnissen jedoch nicht ohne Überprüfung des Produkts (einschließlich des Erzeugnisses) aussortieren lassen. Insoweit wirkt der Mangelverdacht von Erzeugnissen bei den Produkten fort. 200 Ergibt die Überprüfung, dass das Produkt infolge des fehlerhaften Erzeugnisses mangelhaft ist, wird man den Abnehmer des Erzeugnisses unter den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB als zum Schadensersatz berechtigt ansehen können, da auch das Auffinden der Schadensursache zu den Aufwendungen zählt, die der VN nach § 439 Abs. 2 BGB schuldet (wenngleich sich die Nacherfüllungspflicht nicht auf das Produkt, sondern nur auf das Erzeugnis des VN erstreckt).2 Anderenfalls wäre §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Diese Anspruchsgrundlage ist auch in den Fällen einschlägig, in denen die Mangelhaftigkeit einzelner Produkte erst auf der zweiten oder einer späteren Absatzstufe festgestellt wird und die Kosten der Überprüfung an den Abnehmer des VN weitergereicht werden, der sie diesem gegenüber als Schadensersatzanspruch geltend macht. 201 Fraglich ist, ob § 439 Abs. 2 BGB auch den Ersatz der Kosten der Überprüfung umfasst, soweit diese ergibt, dass das Erzeugnis und damit auch das Produkt mangelfrei ist. Diese Frage ist mit Blick auf die Rechtsprechung zu bejahen, die einen Mangel bereits dann als gegeben ansieht, wenn ein hinreichend konkreter Verdacht besteht (Rn. 11 ff.).3 Nimmt der VN in einem solchen Fall die vom Dritten verlangte Überprüfung des Produkts auf die Mangelhaftigkeit des Erzeugnisses nicht vor, ohne dass die Voraussetzungen gem. §§ 439 Abs. 4, 275 BGB vorliegen, haftet er gegenüber dem Dritten, der die Überprüfung selbst vornimmt oder vornehmen lässt, aus §§ 437 Nr. 3, 281, 280 Abs. 1 und 3 BGB auf Schadensersatz. 202 Neben vertraglichen Gewährleistungsansprüchen kann einem Endabnehmer ein deliktischer Rückruf– und Austauschanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Satz 1 und/oder analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den Hersteller des Produkts oder den VN zustehen, wenn Rechtsgütern des Dritten konkrete Gefahr droht und (nur) durch eine Reparatur, die eine Überprüfung einschließt, Abhilfe geschaffen werden kann.4 Derjenige, der diese Verpflichtung anstelle des Verpflichteten oder Mitverpflichteten erfüllt, hat einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung auf Erstattung der mit dem Rückruf verbundenen Kosten gegen den wahren Verpflichteten oder Mitverpflichteten.5 Bei medizinischen Implantaten hat der Patient bei Verdacht eines Fehler i.S.v. § 3 Abs. 1 ProdHaftG, der stets auch einen Mangel i.S.v. § 434 BGB begründet,6 Anspruch auf Ersatz der Austauschkosten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG sowohl gegen den Hersteller des Implantats als auch gegen den VN in seiner Eigenschaft als Hersteller des mit dem Fehlerverdacht behafteten Bauteils.7
1 2 3 4
Vgl. GDV-Erläuterungen 71. Vgl. BGH 19.7.2017 – VIII ZR 278/16, NZV 2018 27 Rn. 31. BeckOGK-BGB/Höpfner § 439 Rn. 83; Schmolke AcP 215 (2015) 351, 379. Vgl. OLG Nürnberg 3.8.2011 – 12 U 1143/06, BeckRS 2013 06837; OLG Düsseldorf 31.5.1996 – 22 U 13/96, NJW-RR 1997 1344, 1345; OLG Karlsruhe 2.4.1993 – 15 U 293/91, NJW-RR 1995 594, 597; BeckOGK/Spindler § 823 Rn. 671; MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 1005. 5 OLG Düsseldorf 31.5.1996 – 22 U 13/96, NJW-RR 1997 1344, 1345; a.A. MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 1007. 6 Koch VersR 2015 1467, 1474; Brüggemeier MedR 2014 537, 540; Oechsler Jura 2015 964, 966 f. 7 Vgl. BGH 9.6.2015 – VI ZR 284/12, VersR 2015 1038 Rn. 16 ff.; Koch VersR 2015 1467, 1474. Koch
910
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
II. Versicherung von Schäden infolge der Überprüfung von Produkten 1. Voraussetzungen der Deckung (Ziff. 4.6.1 ProdHM 2008) a) Bestehen von Versicherungsschutz nach Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008. Nach Ziff. 4.6.1 203 Satz 2 ProdHM 2008 ist Voraussetzung für die Deckung, dass die Produkte, die aus oder mit Erzeugnissen des VN hergestellt, be- oder verarbeitet wurden, mit einem Mangelverdacht behaftet sind und die Überprüfung, deren Kosten der Dritte als Schadensersatz geltend macht, der Feststellung dient, welche der Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich mangelhaft sind und bei welchen dieser Produkte die nach den Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 versicherten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. Es ist also erforderlich, dass mindestens ein Deckungsbaustein der Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 vereinbart worden ist. Darüber hinaus muss die Überprüfung in einem Stadium erfolgen, in dem die nach Ziff. 4.2 ff. 204 ProdHM 2008 versicherten Herstellungs-, Be- oder Verarbeitungsvorgänge bereits abgeschlossen sind („Besteht Versicherungsschutz nach den vorangehenden Ziff. 4.2 ff., gilt: …“).8 Für die Kosten der Überprüfung der Mangelhaftigkeit des Erzeugnisses besteht deshalb nur im Rahmen der Überprüfung der Mangelhaftigkeit des Gesamtproduktes i.S.v. Ziff. 4.2, 4.3 und 4.4 ProdHM 2008 oder der mittels der Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte i.S.v. Ziff. 4.5 ProdHM 2008 Versicherungsschutz. Für Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz der Kosten für die Prüfung der Erzeugnisse des VN in einem früheren Stadium gerichtet sind, z.B. im Rahmen einer etwaig vom Abnehmer des VN durchgeführten Wareneingangskontrolle vor der Verarbeitung i.S.v. Ziff. 4.2.1 ProdHM 2008 oder vor dem Einbau i.S.v. Ziff. 4.4.1 ProdHM 2008, besteht keine Deckung.9
b) Mangelhaftigkeit einzelner Produkte. Gem. Ziff. 4.6.1 Satz 1 ProdHM 2008 liegt ein Man- 205 gelverdacht vor, wenn die Mangelhaftigkeit einzelner Produkte von Dritten bereits festgestellt wurde und aufgrund eines ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger nachweisbarer Tatsachen gleiche Mängel an gleichartigen Produkten zu befürchten sind.10 Allein die Feststellung, dass einzelne Erzeugnisse des VN mangelhaft sind, genügt deshalb nicht. Ebenso wenig genügt es, wenn einzelne Produkte nur mit einem Mangelverdacht behaftet sind. Insoweit weicht der Mangelhaftigkeitsbegriff des Ziff. 4.6.1 ProdHM 2008 von § 434 BGB ab (hierzu Rn. 11 ff.). c) Zu befürchtende gleiche Mängel an gleichartigen Produkten. Weiter ist Vorausset- 206 zung, dass aufgrund ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger nachweisbarer Tatsachen „gleiche Mängel an gleichartigen Produkten“ zu befürchten sind. Ob es sich bei den zu befürchtenden Mängeln um gleiche Mängel und bei den von gleichen Mängeln betroffenen Produkten um gleichartige handelt, ist nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. aa) Gleiche Mängel. Die Formulierung „gleiche Mängel“ wird in Ziff. 8.3, 2. Spiegelstrich 207 ProdHM 2008 zur Bestimmung des Serienschadens verwendet (sog. Warenklausel), bezieht sich dort allerdings auf das vom VN gelieferte Erzeugnis. Letzteres trifft auch für die AHB-Serienschadenklausel zu, die u.a. „auf die Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln“ abstellt (Ziff. 6.3, 8 Vgl. GDV-Erläuterungen 72; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 234; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 305; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.5 Rn. 6.
9 Vgl. GDV-Erläuterungen 72. 10 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 237; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.6 Rn. 2; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 165. 911
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
3. Spiegelstrich AHB 2016). Gleiche Mängel i.S.v. Ziff. 6.3, 3. Spiegelstrich AHB 2016 liegen vor, wenn sie in ihrer Wirkungsweise übereinstimmen (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 28). Diese enge Definition trägt dem Grundsatz Rechnung, dass Serienschadenklauseln zugunsten des VN eng auszulegen sind, weil sie den Versicherungsschutz begrenzen. 208 Bei Ziff. 4.6.1 ProdHM 2008 handelt es sich zwar um eine versicherungsschutzbegründende Klausel, die deshalb im Zweifel (§ 305c Abs. 2 BGB) zugunsten des VN weit auszulegen ist. Jedoch dürfte die vorstehende Definition in Ziff. 6.3, 3. Spiegelstrich AHB 2016 auch der Verkehrsanschauung und damit dem Verständnis des durchschnittlichen VN entsprechen.11 Gleiche Mängel können z.B. aus dem Einsatz defekter Maschinen oder mangelhafter Erzeugnisse im (Serien-)Fertigungsprozess resultieren. Dabei kommen nicht nur Konstruktionsfehler in Betracht, sondern auch Instruktionsfehler12 und Fabrikationsfehler.13
209 bb) Gleichartiges Produkt. Die gleichen Mängel müssen an gleichartigen Produkten zu befürchten sein. Die mangelhaften Produkte müssen somit nicht gleich, sondern (nur) gleichartig sein. 210 In Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO findet sich die Formulierung „gleichartiges Produkt“. Nach Dörner soll ein solches vorliegen, wenn es eine vergleichbare Sicherheitsausstattung wie das zum Schaden führende Produkt aufweist.14 Diese Definition ist zu eng, weil sie sich nur auf die sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Produkts konzentriert. § 10 Abs. 1 ProdHaftG stellt nicht auf „gleichartige Produkte“, sondern auf „gleiche Produkte“ ab. Wagner spricht sich mit Blick auf den Regelungszweck von § 10 ProdHaftG, die Haftung des Produkthaftpflichtigen für Personenschäden auf A 85 Mio. zu begrenzen, für eine weite Auslegung des Begriffs „gleiches Produkt“ aus.15 Es müsse sich um Produkte handeln, die „das Ergebnis einer im Wesentlichen einheitlichen Konstruktion und Fertigung darstellen“.16 Für Oechsler sind alle Produkte gleich, „die einem Bau- oder Konstruktionstyp angehören“.17 Auch diese Definitionen scheinen zu eng. 211 Die Gleichartigkeit im Sinne des Wettbewerbsrechts anhand des Verwendungszwecks und der Substituierbarkeit eines Produkts zu bestimmen, dürfte dagegen zu weit gehen.18 Näher liegt es, die Gleichartigkeit zu bejahen, wenn die Produkte einer bestimmten Gattung angehören, d.h. durch gemeinschaftliche Merkmale gekennzeichnet sind und sie sich gerade dadurch von anderen Gegenständen unterscheiden.19 Gleichartigkeit ist deshalb zu bejahen bei Kfz, die unterschiedlichen Modellserien angehören oder auch nur in der Ausstattung voneinander abweichen.
212 cc) Nachweisbare Tatsachen, insb. Stichprobenbefund. Die Befürchtung gleicher Mängel an gleichartigen Produkten muss „aufgrund ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger
11 Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 168. 12 Z.B. wenn den Produkten jeweils dieselbe, das Sicherheitsrisiko erhöhende fehlerhafte Produktbeschreibung beigefügt wird; vgl. Staudinger/Oechsler (2018) § 10 ProdHaftG Rn. 7; MüKoBGB/Wagner § 10 ProdHaftG Rn. 4.
13 Z.B. infolge falscher Einstellung einer Maschine wird eine ganze Serie von Produkten so gefertigt, dass ein einheitliches Sicherheitsrisiko entsteht; vgl. Staudinger/Oechsler (2018) § 10 ProdHaftG Rn. 8; Soergel/Krause § 10 ProdHaftG Rn. 2; MüKoBGB/Wagner § 10 ProdHaftG Rn. 4. 14 Vgl. HK-BGB/Dörner Art. 5 Rom II-VO Rn. 6 m.w.N. 15 MüKoBGB/Wagner § 10 ProdHaftG Rn. 4. 16 MüKoBGB/Wagner § 10 ProdHaftG Rn. 4. 17 Staudinger/Oechsler (2018) § 10 ProdHaftG Rn. 7; so auch BeckOGK/Spickhoff ProdHaftG § 10 Rn. 9. 18 Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Keller UWG 4. Aufl. (2016) § 2 Rn. 137. 19 Vgl. OLG Düsseldorf 25.2.2000 – 22 U 144/99, NJW-RR 2000 1654 f. (zu § 480 BGB a.F.). Koch
912
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
nachweisbarer Tatsachen bestehen“. Der Verdacht muss sich somit auf objektive und insoweit nachprüfbare Anhaltspunkte stützen.20
(1) Ausreichender Stichprobenbefund. Nach den Erläuterungen des Musterbedingungsge- 213 bers hängt die Intensität, die die Stichprobe aufweisen muss, „von der Menge der gelieferten Erzeugnisse, deren Fehlerqualität (Konstruktions-, Instruktions- oder Fabrikationsfehler) oder deren Gefahrenrelevanz ab“.21
Der Hinweis des Bedingungsgebers auf Erzeugnisse irritiert. Da sich der Mangelverdacht nach dem Wortlaut von Ziff. 4.6.1 Satz 1 ProdHM 2008 auf das Produkt des Dritten und nicht auf das Erzeugnis des VN beziehen muss, muss dies auch für die Stichprobe gelten. Freilich sind Rückschlüsse von der Mangelhaftigkeit des Erzeugnisses möglich. Steht fest, dass die Mangelhaftigkeit des Produkts auf einem Erzeugnismangel beruht, löst bereits die erstmalige Feststellung des Mangels des Erzeugnisses die Befürchtung weiterer Mängel des Produkts aus, wenn der Erzeugnismangel auf einem Konstruktions- oder Instruktionsfehler beruht. 214 Der BFH versteht unter dem Begriff der Stichprobe „eine nach physikalischen Größen bestimmbare Mengeneinheit, die Rückschlüsse auf die Existenz einer größeren Warenmenge von im Wesentlichen gleicher stofflicher Beschaffenheit zulässt“.22
Diese Definition dürfte dem Verständnis des durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung entsprechen. Der Formulierung „ausreichend“ kommt somit nur klarstellende Bedeutung zu, weil dieses Erfordernis einer Stichprobe immanent ist. Ein (hilfsweiser) Rückgriff auf § 377 Abs. 1 HGB zur Auslegung des Begriffes der Stichprobe 215 dürfte dagegen nicht in Betracht kommen, da der Umfang der Stichprobe im Rahmen des § 377 Abs. 1 HGB maßgeblich vom Gesichtspunkt der Zumutbarkeit bestimmt wird,23 der bei Ziff. 4.6.1 Satz 1 ProdHM 2008 keine Berücksichtigung findet.
(2) Sonstige nachweisbare Tatsachen. Bei sonstigen nachweisbaren Tatsachen, die gleiche 216 Mängel an gleichartigen Produkten befürchten lassen, handelt es sich um „äußere Tatsachen“. In Betracht kommen Kontruktionszeichnungen, Protokolle, Produktionsaufzeichnungen etc.24
d) Überprüfungszweck. Nach Ziff. 4.6.1 Satz 2 ProdHM 2008 muss die Überprüfung der Fest- 217 stellung dienen, welche Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich mangelhaft sind und bei welchen dieser Produkte die nach den Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 versicherten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. Soweit mit der Überprüfung auch andere Ziele verfolgt oder weiter gehende Erkenntnisse (z.B. zur zukünftigen Vermeidung, zur Tragweite und zu möglichen Folgen der Mangelhaftigkeit der verarbeiteten Produkte) gewonnen werden, ist dies für die Deckung unschädlich, weil der VN für daraus resultierende Mehrkosten nicht haftet und
20 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 239; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 167; Looschelders/Pohlmann/Lenz Anhang E Rn. 61.
21 S. GDV-Erläuterungen 72. 22 BFH 26.10.2010 – VII R 53/09, BFHE 231 450, 453 = BeckRS 2010 24004215 zu § 25 Abs. 2 EnergieStG: „Energieerzeugnisse dürfen steuerfrei verwendet werden als Probe zu Untersuchungszwecken“.
23 Oetker/Koch HGB 7. Aufl. (2021) § 377 Rn. 44. 24 Vgl. auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 239. 913
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
insoweit auch keine Deckung benötigt.25 Kommen je nach Art und Schwere des Mangels unterschiedliche Maßnahmen (z.B. Verwerfen oder Nachbearbeitung) infrage, gehören Feststellungen hierzu zur Überprüfung.26
2. Versicherte Schadenspositionen 218 a) Prüf- und Sortierkosten (Ziff. 4.6.2 ProdHM 2008). Nach Ziff. 4.6.2 Satz 1 ProdHM 2008 sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht gedeckt. Für Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz der Kosten gerichtet sind, um den Mangelverdacht zu belegen (z.B. erste Stichprobe), besteht somit selbst dann keine Deckung, wenn sich die Befürchtungen gleicher Mängel an gleichartigen Produkten zu einem Mangelverdacht erhärtet haben.27 Ziff. 4.6.2 Satz 1 ProdHM 2008 ist insgesamt verunglückt, weil der VN einerseits nur im geringen Maße Einfluss darauf nehmen kann, welche Maßnahmen der Dritte zur Erhärtung der Befürchtung trifft, und andererseits den Dritten diesbezüglich keine Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 BGB trifft. Zudem wird es dem VN sehr schwer fallen, den Zeitpunkt nachzuweisen, in dem sich die Befürchtung zu einem Mangelverdacht erhärtet hat. 219 Zu den gedeckten Positionen zählt nach Ziff. 4.6.2 Satz 2 ProdHM 2008 auch das „notwendiges Vorsortieren zu überprüfender und Aussortieren von überprüften Produkten sowie das infolge der Überprüfung erforderliche Umpacken der betroffenen Produkte“. Ein Umpacken kann erforderlich sein, wenn sich der Mangelverdacht auf bereits verpackte Produkte bezieht und diese zur Überprüfung zunächst ausgepackt und dann entsprechend wieder verpackt werden müssen.28 Ebenso wie nach den Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 ist auch bei Ziff. 4.6 ProdHM 2008 der 220 mehrstufige Warenabsatz, d.h. die Prüfung und Sortierung, die nicht beim unmittelbaren Abnehmer des VN anfällt, vom Deckungsbereich umfasst.29
221 b) Kostenabwägung (Ziff. 4.6.3 ProdHM 2008). Sind für die Überprüfung von mangelverdächtigen Produkten höhere Kosten zu erwarten als die nach den Bausteinen der Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 im Falle einer tatsächlich Mangelhaftigkeit gedeckten Kosten, beschränkt sich der Versicherungsschutz gem. Ziff. 4.6.3 Satz 1 und 2 Alt. 1 ProdHM 2008 auf die nach Ziff. 4.2. bis 4.5 ProdHM 2008 gedeckten Kosten, ohne dass es darauf ankommt, ob die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. Letzteres gilt auch dann, wenn eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur durch Zerstörung des Produktes (Ziff. 4.6.3 Satz 2 Alt. 2 ProdHM 2008) oder nur nach Ausbau der Erzeugnisse möglich ist (Ziff. 4.6.3 Satz 3 ProdHM 2008). Beispiel:30 Der VN stellt Zahnräder her. Infolge eines Fabrikationsfehlers ist eine bestimmte Charge nicht ausreichend gehärtet. Nachdem diese Zahnräder heim Abnehmer mit einer Welle verbunden wurden, werden sie in Maschinen eingebaut. Infolge der nicht ausreichenden Härtung kommt es zum Stillstand der Maschinen. Die Kosten der Überprüfung aller in Maschinen eingebauten Zahnräder auf ihre Mangelhaftigkeit wären jedoch mit A 100.000 höher als die anfallenden Aus- und Einbaukosten (ohne Nachlieferung) i.H.v. A 75.000. In diesem Falle ersetzt der VR, ohne dass die Mangelhaftigkeit im Einzelnen feststeht, die Kosten von A 75.000 für den Aus- und Einbau aller Zahnräder mit Mangelverdacht (ausreichende Stichprobe etc. vorausgesetzt).
25 A.A. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 169; wohl auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 240. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 241. S. GDV-Erläuterungen 73; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 242. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 243. GDV-Erläuterungen 73. Nach GDV-Erläuterungen 73.
26 27 28 29 30
Koch
914
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Beim Vergleich der Kosten der Überprüfung mit den nach Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 gedeck- 222 ten Kosten sind somit die versicherten Kosten der Überprüfung den Kosten gegenüberzustellen, die bei Anwendung der Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 auf alle Teile mit Mangelverdacht – unabhängig davon, ob sie tatsächlich mangelhaft sind bzw. ohne Feststellung dessen – für den VR anfallen würden. Gedeckt ist nur der geringere der bei der Abwägung festgestellten Beträge.31 Beispiel:32 Der VN stellt Federn her, die in Ventile eingebaut werden, die ihrerseits in Maschinen Verwendung finden. Bei zwei Reklamationen werden Ventile gefunden, bei denen die Feder nicht anspricht, weil sie einen zu hohen Druckwiderstand hat. Bei einer systematischen Stichprobenuntersuchung von 48 Ventilen stellt man fest, dass acht das Problem aufweisen. Die Ursache ist nicht feststellbar; man entschließt sich zur Überprüfung aller Ventile, die aus der betroffenen Feder-Charge hergestellt wurden, insgesamt 1010. Die Überprüfung mittels einer Druckprobe vor Ort, für die das Freilegen der Feder notwendig ist, kostet A 40. Weist die Feder den Fehler auf, muss das Ventil ausgebaut und die Feder getauscht werden. Aus- und Einbau kosten A 75. In dieser Konstellation ist für die Kostenabwägung davon auszugehen, dass für die Durchführung einer Überprüfung A 50.400 anfallen würden. Zu berücksichtigen sind die 1010 insgesamt gelieferten Ventile abzüglich der zwei Reklamationen und der 48 im Rahmen der Stichprobe untersuchten Ventile. Insoweit besteht keine Deckung – diese Untersuchungen dienten dem Befund, dass ein Mangelverdacht besteht, und nicht der Überprüfung i.S.d. Ziff. 4.6 ProdHM 2008. Die Überprüfung der 960 danach verbleibenden Ventile kostet bei je A 40 insgesamt A 38.400. Geht man von der in der Stichprobe gefundenen Fehlerquote (8/48 = ein Sechstel = 160 Stück) aus, kostet der Aus- und Einbau (A 75/Stück) A 12.000. Insgesamt fallen damit auf der Seite der Überprüfung A 50.400 an. Würden dagegen bei allen 960 nach den Reklamationen und der Stichprobe verbleibenden Ventilen die Federn ausgetauscht, betrügen die Kosten für den Aus- und Einbau A 72.000 (960 × A 75).
Dieses Beispiel von Thürmann macht deutlich, dass der Versicherungsschutz für Schadenser- 223 satzansprüche, die auf den Ersatz von Prüf- und Sortierkosten gerichtet sind, mit Unwägbarkeiten sowohl für den VN als auch für den VR verbunden ist. Übersteigen die Gesamtkosten für die Überprüfung in dem vorherigen Beispiel die Kosten für den Aus- und Einbau aller nach der Stichprobe verbliebenen Ventile, weil die tatsächliche Fehlerquote mehr als ein Sechstel beträgt, stellt sich zunächst die Frage, ob für die höheren Kosten Deckung besteht. Dies hängt nach Ziff. 4.6.3 Satz 1 ProdHM 2008 davon ab, ob die höheren Kosten der Überprüfung im Zeitpunkt der Erforderlichkeit von Überprüfungsmaßnahmen „zu erwarten“ waren. Nach den Erläuterungen des Musterbedingungsgebers kommt es für die Beurteilung auf das 224 Erkenntnisvermögen eines sachverständigen objektiven Dritten an.33 Ein unverschuldeter Irrtum über den jeweiligen Kostenumfang von Überprüfungsmaßnahmen bzw. Austauschkosten sei deckungsunschädlich.34 Wie bereits erwähnt (Rn. 218) hat der VN oftmals keinen Einfluss auf die Entscheidung des Dritten über die vorzunehmende Überprüfungsmaßnahme. Selbst bei einem verschuldeten Irrtum seitens des Dritten wird dessen Schadensersatzanspruch nicht zwingend gem. § 254 BGB auf den Betrag reduziert, für den Deckung besteht. Es kann also sein, dass der Versicherungsschutz hinter dem zurückbleibt, was der VN haftungsrechtlich schuldet.35 Im Falle der Vereinbarung der Deckungserweiterung der Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 ProdHM auf 225 Teileaustausch kann der Versicherungsschutz für Überprüfungskosten auf den Fall erweitert werden, dass die Überprüfung nur möglich ist, wenn ein Teil des Erzeugnisses des VN zuvor ausgebaut wird. Die empfohlene Ergänzung von Ziff. 4.6.3 ProdHM 2008, die als Satz 5 Eingang in Ziff. 4.6.3 ProdHM 2015 gefunden hat, lautet: 31 32 33 34
Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 247 f. Nach Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 248; weitere Beispiele bei Thürmann/Kettler/Kettler 204 ff. Vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 4.6 Rn. 4. GDV-Erläuterungen 73; ähnlich Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 249: „Solange es sich um eine rationale und fundierte Erwartung nach einem ausreichenden Stichprobenbefund handelte, geht es zu Lasten des VR, wenn sich real später eine andere Lage zeigt“. 35 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 249. 915
Koch
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
„Sofern Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 vereinbart sind, gilt: Entsprechendes gilt für den Fall, dass eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau von Einzelteilen der Erzeugnisse möglich ist und bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Einzelteile die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach Ziff. 4.4.5 wäre.“36
3. Prüf- und Sortierkosten im Rahmen der Nacherfüllung (Ziff. 4.6.4 ProdHM 2008) 226 Ziff. 4.6.4 ProdHM 2008 erweitert die Deckung im Umfang der Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 ProdHM 2008 auf den Fall, dass die Kosten der Überprüfung „zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden“. Eine identische Formulierung findet sich in Ziff. 4.4.3 ProdHM 2008, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Rn. 134 ff.). Zu möglichen Anspruchsgrundlagen gegen den VN s. Rn. 201.
4. Ausgrenzung des Rückrufkostenrisikos (Ziff. 4.6.5 ProdHM 2008) 227 In Ziff. 4.6.5 ProdHM 2008 heißt es: „Auf Ziff. 6.2.8 wird hingewiesen“. Nach Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 sind ausgeschlossen vom Versicherungsschutz 6.2.8 1Ansprüche wegen Kosten gemäß Ziff. 4.2.2.3, 4.3.2.2, 4.4 und – soweit vereinbart – Ziff. 4.6 sowie Ansprüche wegen Beseitigungs- bzw. Vernichtungskosten im Rahmen der Ziff. 4.2.2.4 und 4.3.2.3, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden. 2Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3Rückruf ist die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung des VN, zuständiger Behörden oder sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel prüfen, die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder andere namentlich benannten Maßnahmen durchführen zu lassen.
Nach Ansicht des Musterbedingungsgebers stellt der Hinweis auf Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 klar, „dass im Rückruffall Prüf- und Sortierkosten unter den Voraussetzungen der Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 nur im Rahmen einer separaten Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung gedeckt werden“ (vgl. Ziff. 3.4 ProdRückM und Ziff. 3.3 KfzRückRM).37 228 Aus Ziff. 6.2.8 Satz 3 ProdHM 2008 folgt, dass unter Rückruf nicht bereits die bloße Warnung, sondern nur Maßnahmen fallen, die darauf abzielen, die Rückgabe eines derartigen Produkts zu erwirken, das dem Konsumenten oder weiteren Endverbrauchern durch den Hersteller oder Händler bereits zur Verfügung gestellt wurde.38 Zu einer solche Maßnahme besteht nur dann eine gesetzliche Verpflichtung, wenn es um die Abwehr von Gefahren für die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter der Benutzer oder unbeteiligter Dritte geht und eine bloße Warnung nicht genügt.39 Bei Gefahren, die dem Eigentum drohen, besteht nur in Ausnahmefällen eine gesetzliche Pflicht zum Rückruf (zu den Einzelheiten s. Ziff. 2 ProdRückRM 36 Hierzu näher Thürmann/Kettler/Kettler 206 ff. 37 GDV-Erläuterungen 74. 38 Vgl. Ziff. 4.2 S. 2 Anhang zu den Leitlinien für die Verwaltung des Systems der Europäischen Union zum raschen Informationsaustausch „RAPEX“ gemäß Artikel 12 der Richtlinie 2001/95/EG (Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit) und für das dazugehörige Meldesystem, B (EU) 2019/417; Thürmann/Kettler/Kettler 253; weitergehend Kapoor/Fahrmeier BB 2021 1706). 39 Vgl. OLG Nürnberg 3.8.2011 – 12 U 1143/06, BeckRS 2013 6837; enger MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 1007 (Anspruch darauf, dass der Hersteller die Gefahr gerade durch Reparatur oder Austausch der fehlerhaften Sache behebt, besteht nur dann, wenn bereits die Einstellung des Gebrauchs des Produkts eine Rechtsgutsverletzung verursacht). Koch
916
Ziff. 4.6 Prüf- und Sortierkosten
Ziff. 4 ProdHM 2008/2015
Rn. 3 ff.). Da die Überprüfung der Produkte eine Maßnahme ist, die darauf abzielt, die Rückgabe der als mangelhaft identifizierten Produkte zu bewirken, führt die Ausgrenzung des Rückrufkostenrisikos dazu, den Anwendungsbereich von Ziff. 4.6 ProdHM 2008 auf solche Fälle zu beschränken, in denen durch den Mangel keine Personen- oder Sachschäden drohen oder solche Schäden zwar drohen, aber durch eine Warnung abgewendet werden können. Ist die Überprüfung der Produkte dagegen zur Abwendung von Personen- oder Sachschäden erforderlich, die nicht durch eine Warnung abgewendet werden, besteht kein Versicherungsschutz für die Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz der Prüfkosten gerichtet sind.
B. ProdHM 2015 Die Überschrift der Ziff. 4.6 ProdHM 2015 ist ergänzt worden durch den Zusatz „Versicherungs- 229 schutz gemäß Ziff. 4.2 bis 4.5 für Produkte mit Mangelverdacht“.
917
Koch
Ziff. 5 ProdHM 2008/2015
Ziff. 5 Auslandsdeckung ProdHM 2008
ProdHM 2015
5. Auslandsdeckung (Umfang nach besonderer Vereinbarung)
5. Auslandsdeckung (Umfang nach besonderer Vereinbarung)
1 Das ProdHM 2008/ProdHM 2015 enthält keine Regelung für die Auslandsdeckung. Der Musterbedingungsgeber begründet dies damit, dass die Auslandsdeckung individuell auszugestalten sei.1 Zu beachten ist, dass eine für das Betriebsstättenrisiko vereinbarte Auslandsdeckung nicht für Ansprüche wegen Produkthaftpflichtschäden gilt. Insoweit bedarf es einer besonderen Vereinbarung. In der Praxis wird regelmäßig Deckung nach Maßgabe von Ziff. 7.7 BBR BHV zugrunde gelegt. Auf die dortigen Ausführungen kann deshalb verwiesen werden.
1 GDV-Erläuterungen 74. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-207
918
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ziff. 6 Risikoabgrenzungen ProdHM 2008
ProdHM 2015
6. Risikoabgrenzungen 6.1 Nicht versichert sind 6.1.1 1Ansprüche, soweit diese nicht in Ziff. 4 ausdrücklich mitversichert sind, – auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; – wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nachbesserung durchführen zu können; – wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; – auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; – auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; – wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen. 2 Dies gilt auch dann, wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt; 6.1.2 im Rahmen der Versicherung gem. Ziff. 4.2 ff. Ansprüche wegen Folgeschäden (z.B. Betriebsunterbrechung oder Produktionsausfall), soweit diese nicht in den Ziff. 4.2 ff. ausdrücklich mitversichert sind.
6. Risikoabgrenzungen 6.1 Nicht versichert sind 6.1.1 1Ansprüche, soweit diese nicht in Ziff. 4 ausdrücklich mitversichert sind, – auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadenersatz statt der Leistung; – wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nachbesserung durchführen zu können; – wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausblei-bens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; – auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; – auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; – wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen. 2 Dies gilt auch dann, wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt. 6.1.2 im Rahmen der Versicherung gem. Ziff. 4.2 ff. Ansprüche wegen Folgeschäden (z.B. Betriebsunterbrechung oder Produktionsausfall), soweit diese nicht in den Ziff. 4.2 ff. ausdrücklich mitversichert sind.
6.2 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.1 Ansprüche aus Garantien oder aufgrund sonstiger vertraglicher Haftungserweiterungen, soweit es sich nicht um im Rahmen der Ziff. 4 versicherte Vereinbarungen bestimmter Eigenschaften von Erzeugnissen, Arbeiten und Leistungen bei Gefahrübergang handelt, für die der VN verschuldensunabhängig im gesetzlichen Umfang einzustehen hat; 6.2.2 Ansprüche, die daraus hergeleitet werden, dass gelieferte Sachen oder Arbeiten mit einem Rechtsmangel behaftet sind (z.B. Schäden aus der Verletzung von Patenten, gewerblichen Schutzrechten, Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten, Verstößen in Wettbewerb und Werbung); 6.2.3 Ansprüche wegen Schäden gemäß Ziff. 7.8 AHB; 6.2.4 Ansprüche gegen den VN oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers herbeigeführt haben; 6.2.5 1Ansprüche aus Sach- und Vermögensschäden durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise
6.2 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.1 Ansprüche aus Garantien oder aufgrund sonstiger vertraglicher Haftungserweiterungen, soweit es sich nicht um im Rahmen der Ziff. 4 versicherte Vereinbarungen bestimmter Eigenschaften von Erzeugnissen, Arbeiten und Leistungen bei Gefahrübergang handelt, für die der VN verschuldensunabhängig im gesetzlichen Umfang einzustehen hat; 6.2.2 Ansprüche, die daraus hergeleitet werden, dass gelieferte Sachen oder Arbeiten mit einem Rechtsmangel behaftet sind (z.B. Schäden aus der Verletzung von Patenten, gewerblichen Schutzrechten, Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten, Verstößen in Wett-bewerb und Werbung); 6.2.3 Ansprüche wegen Schäden gemäß Ziff. 7.8 AHB; 6.2.4 Ansprüche gegen den VN oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers herbeigeführt haben; 6.2.5 1Ansprüche aus Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden sowie Ansprüche aus Schäden gemäß Ziff. 4 durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im
919 https://doi.org/10.1515/9783110522686-208
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
ProdHM 2008
ProdHM 2015
ausreichend erprobt waren. 2 Dies gilt nicht für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen; 6.2.6 Ansprüche aus – Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen sowie von Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen, soweit diese Teile im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen sowie den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren, – Tätigkeiten, (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen sowie Luft- oder Raumfahrzeugteilen 6.2.7 Ansprüche wegen Vermögensschäden im Sinne von Ziff. 2.1 AHB, die von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen, geltend gemacht werden. 6.2.8 1Ansprüche wegen Kosten gemäß Ziff. 4.2.2.3, 4.3.2.2, 4.4 und – soweit vereinbart – Ziff. 4.6 sowie Ansprüche wegen Beseitigungs- bzw. Vernichtungskosten im Rahmen der Ziff. 4.2.2.4 und 4.3.2.3, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden. 2Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3Rückruf ist die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung des VN, zuständiger Behörden oder sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel prüfen, die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder andere namentlich benannten Maßnahmen durchführen zu lassen.
Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt waren. 2 Dies gilt nicht für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen; 6.2.6 Ansprüche aus – Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen sowie von Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen, soweit diese Teile im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen sowie den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren, – Tätigkeiten, (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen sowie Luft- oder Raumfahrzeugteilen 6.2.7 Ansprüche wegen Schäden gemäß Ziff. 4, die von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen, geltend gemacht werden. 6.2.8 1Ansprüche wegen Kosten gemäß Ziff. 4.2.2.3, 4.3.2.2, 4.4 und – soweit vereinbart – Ziffer 4.6 sowie Ansprüche wegen Beseitigungs- bzw. Vernichtungskosten im Rahmen der Ziff. 4.2.2.4 und 4.3.2.3, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden. 2Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3Rückruf ist die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung des VN, zuständiger Behörden oder sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel prüfen, die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder andere namentlich benannten Maßnahmen durchführen zu lassen.
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Vorbemerkungen
II.
Nicht versicherte Ansprüche (Ziff. 6.1 ProdHM 2008) 2 Erfüllungsansprüche
1.
Koch
2.
Folgeschäden bei Ziff. 4.2 ff. ProdHM 4 2008
III. 1.
5 Ausschlüsse (Ziff. 6.2 ProdHM 2008) Ansprüche aus Garantien oder Haftungserweite6 rungen (Ziff. 6.2.1 ProdHM 2008) Gewährleistung wegen Rechtsmängeln 7 (Ziff. 6.2.2 ProdHM 2008)
1
2.
920
Ausschlüsse
3. 4.
5.
Ansprüche wegen Schäden gem. Ziff. 7.8 AHB 10 2016 (Ziff. 6.2.3 ProdHM 2008) Pflichtwidrigkeitsklausel (Ziff. 6.2.4 ProdHM 2008) a) Verhältnis zu § 103 VVG und Ziff. 7.1, 7.2 11 AHB 2016 b) Gesetzliche oder behördliche Vorschriften – schriftliche Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers aa) Gesetzliche oder behördliche Vor15 schriften bb) Schriftliche Anweisungen oder Bedin16 gungen des Auftraggebers c) Kausalität/Zurechnungszusammenhang 17 unter Schutzzweckgesichtspunkten 18 d) Beweisfragen Erprobungsklausel (Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008) 19 a) Vorbemerkung 22 b) Zweck 23 c) Rechtsnatur d) Reichweite von Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008 aa) Neu-, Fort- und Weiterentwicklun30 gen bb) Ausschluss von Sach- und Vermögens31 schäden cc) Fehlender Funktionszusammenhang oder fehlende bestimmungsgemäße Einwirkung (Ziff. 6.2.5 Satz 2 ProdHM 32 2008)
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
e)
6. 7. 8.
B.
Voraussetzungen gem. Ziff. 6.2.5 Satz 1 37 ProdHM 2008 38 aa) Begriff der Erprobung bb) Maßstab der Erprobung 39 (1) Stand der Technik 42 (2) In sonstiger Weise 44 (3) Zeitpunkt 45 cc) Verwendungszweck dd) Kausalität/ Zurechnungszusammenhang unter 48 Schutzzweckgesichtspunkten 51 f) Beweisfragen 52 aa) Wirksame Einbeziehung 54 bb) Inhaltskontrolle 55 (1) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB 62 (2) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB cc) Transparenzkontrolle (§ 307 Abs. 1 65 Satz 2 BGB) Luftprodukthaftpflicht (Ziff 6.2.6 ProdHM 66 2008) Konzernausschluss (Ziff 6.2.7 ProdHM 68 2008) Rückrufkostenausschluss (Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008) 69 a) Inhalt und Zweck 70 b) Voraussetzungen c) Vom Rückrufausschluss erfasste Schadens73 positionen ProdHM 2015
75
A. ProdHM 2008 I. Vorbemerkungen Ziff. 6 ProdHM 2008 unterscheidet unter der Überschrift „Risikoabgrenzungen“ als Oberbegriff 1 zwischen Ansprüchen, die nicht versichert sind (Ziff. 6.1 ProdHM 2008), und Ansprüchen, die vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind (Ziff. 6.2 ProdHM 2008). Die nicht versicherten Ansprüche sind dem Bereich der primären, die von der Deckung ausgeschlossenen Ansprüche der Ebene der sekundären Risikobegrenzung zuzuordnen.
II. Nicht versicherte Ansprüche (Ziff. 6.1 ProdHM 2008) 1. Erfüllungsansprüche Ziff. 6.1.1 ProdHM 2008 hat einen mit Ziff. 1.2 AHB 2016 weitgehend identischen Wortlaut, so- 2 dass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 82 ff.). Eine für die Deckung in der Produkthaftpflichtversicherung unbeachtliche Abweichung weist Ziff. 6.1.1, 2. Spiegelstrich ProdHM 2008 auf. Dort wird abweichend von Ziff. 1.2, 2. Spiegelstrich AHB 2016 auf „Nachbesserung“ statt „Nacherfüllung“ abgestellt.
921
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
3
Ausschlüsse
Zu beachten ist, dass Ziff. 6.1.1 ProdHM 2008 unter dem Vorbehalt einer Deckung nach Ziff. 4 ProdHM 2008 steht („soweit diese nicht in Ziff. 4 ausdrücklich mitversichert sind“).1 Durch diesen Vorbehalt wird klargestellt, dass Versicherungsschutz für die in den Erfüllungsbereich hineinreichenden Ansprüche besteht, die Gegenstand der Regelungen nach Ziff. 4.4.3 und Ziff. 4.6.4 ProdHM 2008 sind. Aufgrund des Vorbehalts ist es unzulässig, Ziff. 6.1.1. ProdHM 2008 zur Auslegung der Ziff. 4 ProdHM 2008 heranzuziehen.
2. Folgeschäden bei Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 4 Bei Ziff. 6.1.2 ProdHM 2008 handelt es sich nur um eine klarstellende Regelung, da die versicherten Schadenspositionen in den jeweiligen Deckungsbausteinen abschließend aufgeführt sind (vgl. Ziff. 4.2.2.5 ProdHM 2008 und 4.5.2.5 ProdHM 2008 für Schadensersatzansprüche wegen Produktionsausfällen). Der Ausschluss findet keine Anwendung auf Betriebsunterbrechungen oder Produktionsausfälle, die aus einem nach Ziff. 1.1, 4.1 ProdHM 2008 gedeckten Sachschaden resultieren, also als Sachfolgeschaden zu qualifizieren sind.2
III. Ausschlüsse (Ziff. 6.2 ProdHM 2008) 5 Der Versicherungsschutz für Produkthaftpflichtrisiken richtet sich nach den AHB „und“ dem ProdHM 2008. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (Einleitung Rn. 1), kommt dem ProdHM 2008 Vorrang zu. Ein Rückgriff auf die AHB ist deshalb nur insoweit zulässig, als die Regelungen des ProdHM 2008 nicht abschließend sind, was vor einem Rückgriff auf die AHB aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung in jedem Einzelfall zu klären ist. Deshalb kann den Ausschlüssen nach Ziff. 7 AHB 2016 nicht pauschal eine allgemeine Auffanggeltung beigemessen werden.3 Im Übrigen gilt auch für die Ausschlusstatbestände gem. Ziff. 6.2 ProdHM 2008, dass sie nur bei adäquater Kausalität und unabhängig davon eingreifen, ob bei der Schadensentstehung auch andere Ursachen mitgewirkt haben (Grundsatz der Gesamtkausalität) (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 15 ff.).
1. Ansprüche aus Garantien oder Haftungserweiterungen (Ziff. 6.2.1 ProdHM 2008) 6 Ebenso wie nach Ziff. 1.1 Satz 1 AHB 2016 gewährt das ProdHM 2008 nur Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme des VN aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen (und nach Ziff. 4.4.3, 4.6.4 ProdHM 2008 bei gesetzlicher Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels). Dem Ausschluss von Ansprüchen aus Garantien und Haftungserweiterungen, soweit sie aufgrund Vertrages oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen, kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Insoweit kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu Ziff. 7.3 AHB 2016 verwiesen werden (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 140 ff.). In Erweiterung zu Ziff. 7.3 AHB 2016 besteht jedoch Deckung für Schadensersatzansprüche, die an die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie i.S.v. §§ 442, 444, 445 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB anknüpfen und zu einer verschuldensunabhängigen Haftung für das Bestehen einer Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs führen (Ziff. 4.1, Ziff. 4.2.1 Satz 4, 4.3.1 Satz 4, 4.4.1 Satz 4 und 4.5.1 Satz 3 ProdHM 2008).
1 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 1; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 261. 2 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 275; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 184; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 74.
3 A.A. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 280; Späte ProdHM Rn. 60. Koch
922
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
2. Gewährleistung wegen Rechtsmängeln (Ziff. 6.2.2 ProdHM 2008) Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, die daraus hergeleitet werden, dass gelieferte 7 Sachen oder Arbeiten mit einem Rechtsmangel behaftet sind. Rechtsmängel können aus privatrechtlichen Rechten Dritter oder aus öffentlich-rechtlichen Belastungen und Nutzungsbeschränkungen resultieren. Die im Klammerzusatz beispielhaft genannten Schäden aus der Verletzung von Patenten, gewerblichen Schutzrechten,4 Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten, Verstößen in Wettbewerb und Werbung betreffen den privatrechtlichen Bereich. Kennzeichnend für einen Rechtsmangel ist, dass der Gebrauch der Sache beeinträchtigt 8 wird, diese Beeinträchtigung jedoch nicht aus der Beschaffenheit der Sache, sondern aus Rechten Dritter oder öffentlich-rechtlichen Belastungen oder Benutzungsbeschränkungen resultiert.5 Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtsmängeln schwierig sein. Nach Ansicht des BGH verbieten sich schematische Lösungen und rein begriffliche Ableitungen.6 So ist der BGH in seinem Urteil vom 5.12.1990 zum Verkauf von Dieselkraftstoff, dem Heizöl beigemischt wurde und der deshalb von den Zollbehörden beschlagnahmt wurde, nicht von einem Sachmangel, sondern von einem Rechtsmangel ausgegangen und hat zur Begründung angeführt, der Mangel sei „entscheidend dadurch gekennzeichnet, daß der Verkäufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen kann“.7 Hinsichtlich der im Klammerzusatz aufgeführten Rechte besteht praktisch Einigkeit, dass 9 Ansprüche wegen Verletzung von Patenten, gewerblichen Schutzrechten, Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten Verstößen in Wettbewerb und Werbung nicht an die Beschaffenheit der Sache anknüpfen, es sich insoweit also um Rechtsmängel handelt.8
3. Ansprüche wegen Schäden gem. Ziff. 7.8 AHB 2016 (Ziff. 6.2.3 ProdHM 2008) Bezüglich dieses Ausschlusses kann auf die Ausführungen zu Ziff. 7.8 AHB 2016 verwiesen wer- 10 den (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 297 ff.).
4. Pflichtwidrigkeitsklausel (Ziff. 6.2.4 ProdHM 2008) a) Verhältnis zu § 103 VVG und Ziff. 7.1, 7.2 AHB 2016. Abweichend von § 103 VVG, 11 wonach sich der Vorsatz nicht nur auf das haftungsbegründende Verhalten, sondern auch in der Weise auf die Schadensfolgen erstrecken muss, dass der VN den schädigenden Erfolg als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat,9 greift der Risikoausschluss gem. Ziff. 6.2.4 ProdHM 2008 schon dann ein, wenn der VN/versicherte Personen den Schaden unter bewusstem Verstoß gegen gesetzlich, behördlich oder auf anderem Wege begründete Pflichten herbeigeführt, jedoch ohne Schädigungsvorsatz gehandelt hat/haben. Der VN kann
4 Vgl. OLG Düsseldorf 14.12.2012 – I-17 U 68/12, NJOZ 2013 924, 925 f. (Verdacht der Fälschung bei Medikament – Verstoß gegen AMG und MarkenG – begründet Rechtsmangel).
5 Vgl. OLG Düsseldorf 14.12.2012 – I-17 U 68/12, NJOZ 2013 924, 925 f.; Grüneberg/Sprau § 435 Rn. 6; BeckOK-BGB/ Faust § 435 Rn. 10. 6 BGH 5.12.1990 – VIII ZR 75/90, BGHZ 113 106, 112 = NJW 1991 915. 7 BGH 5.12.1990 – VIII ZR 75/90, BGHZ 113 106, 112 = NJW 1991 915. 8 BGH 31.1.1990 – VIII ZR 314/88, BGHZ 110 196, 199 f. = NJW 1990 1106; BGH 20.12.1978 – VIII ZR 114/77, NJW 1979 713; BGH 16.5.1973 – VIII ZR 42/72, NJW 1973 1545, 1546; MüKoBGB/H.P. Westermann § 435 Rn. 4; Erman/Grunewald § 435 Rn. 7; Grüneberg/Weidenkaff § 435 Rn. 8; a.A. BeckOK-BGB/Faust § 435 Rn. 11 hinsichtlich gewerblicher Schutzrechte, Urheberrechte und Persönlichkeitsrechte. 9 Bruck/Möller/Koch § 103 Rn. 32. 923
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
sich also nicht darauf berufen, er sei von der Folgenlosigkeit des Verstoßes überzeugt gewesen oder habe auf diese gehofft.10 12 Diese Abweichung stellt nach der Rechtsprechung keine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, weil „[d]as Entfallen des Tatbestandsmerkmals – Voraussehen des schädigenden Erfolges als zumindest möglich und billigende Inkaufnahme seines Eintritts – […] dadurch ausgeglichen [wird], dass der Risikoausschluss nur bei Verstößen greift, die ihrer Art nach schadensgeneigt sind, was dem VN bei zutreffender Beurteilung seiner Pflichten nicht verborgen bleibt, und dass diese Verstöße eben wissentlich begangen worden sein müssen“.11
13 Anders als in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung bleibt die Regelung des § 103 VVG in der Produkthaftpflichtversicherung in Gestalt von Ziff. 7.1 AHB 2016 neben Ziff. 6.2.3 ProdHM 2008 bestehen. Weiterhin anwendbar bleibt auch Ziff. 7.2 AHB 2016, der den Vorsatzausschluss im Bezug auf Produkte und Arbeiten/Leistungen ergänzt, indem er die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der Waren, Erzeugnisse oder Arbeiten dem Vorsatz gleichstellt.12 Gleichwohl ist eine unangemessene Benachteiligung des VN zu verneinen, weil nicht nur der VR, sondern auch die Gemeinschaft der Produkthaftpflichtversicherten13 ein berechtigtes Interesse daran hat, Schäden vom Versicherungsschutz auszunehmen, die daraus resultieren, dass einzelne VN bewusst von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers abweichen.14 Wie auch sonst bei subjektiven Risikoausschlüssen verliert nur derjenige Mitversicherte 14 den (Fremd-)Versicherungsschutz, der den Risikoausschluss verwirklicht, und muss sich der VN (im Rahmen des Eigenversicherungsschutzes) nur die Verstöße seiner Repräsentanten zurechnen lassen.15 Versicherte Personen müssen sich das vorsätzliche Verhalten anderer mitversicherter Personen nicht zurechnen lassen (Ziff. 27 AHB 2016 Rn. 21).16 Anders liegt der Fall, wenn die Voraussetzungen des Vorsatzausschlusses in der Person des VN vorliegen. Hierbei geht es um die eher seltenen Fälle, in denen der VN und die versicherten Personen gemeinsam einen Schaden herbeiführen, die Voraussetzungen von Ziff. 7.1. AHB 2016/§ 103 VVG jedoch nur in der Person des VN vorliegen. In dieser Konstellation überschreitet die vorsätzliche Schadensherbeiführung durch den VN den vertraglichen Rahmen der vom VR übernommenen Gefahr, so dass nicht nur der VN seinen (Eigen-)Versicherungsschutz verliert, sondern auch die nur fahrlässig oder ohne Verschulden handelnde versicherte Person keinen (Fremd-)Versicherungsschutz hat (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 71 ff.).
10 Vgl. BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45. 11 BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45; vgl. auch BGH 28.9.2005 – IV ZR 225/04, BeckRS 2005 13934; BGH 20.6.2001 – IV ZR 101/00, NJW-RR 2001 1311, 1312 = VersR 2001 1103; OLG Karlsruhe 24.9.2009 – 12 U 47/09, NJW-RR 2010 1043, 1044; OLG Köln 22.9.2008 – I-20 W 43/08, NJW-RR 2009 994; OLG Saarbrücken 12.12.2007 – 5 U 242/06, NJOZ 2008 2882, 2885 (alle zum Wissentlichkeitsausschluss in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung). 12 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 367; Langheid/Wandt/Thürmann Rn. 286; Späte ProdHM Rn. 9 und AHB § 4 Rn. 218; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 58 Rn. 45; Littbarski Ziff. 6 Rn. 177. 13 Zur Einbeziehung des Kollektivinteresses in die Inhaltskontrolle vgl. Präve VersR 2012 657, 661 ff. 14 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 369; Späte ProdHM Rn. 66; Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 58 Rn. 44. 15 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 372; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 7; Langheid/Wandt/ Thürmann Kap. 310 Rn. 292; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 194; vgl. auch Beckmann/MatuscheBeckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 246. 16 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 372; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 7; Langheid/Wandt/ Thürmann Kap. 310 Rn. 292; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 194; vgl. auch Beckmann/MatuscheBeckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 246. Koch
924
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
b) Gesetzliche oder behördliche Vorschriften – schriftliche Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers aa) Gesetzliche oder behördliche Vorschriften. Neben öffentlich-rechtlichen Normen 15 kommen auch technische Regelwerke (z.B. DIN-Vorschriften, Unfallverhütungsvorschriften) in Betracht.17 Auf die Wirksamkeit dieser Vorschriften kommt es nach Sinn und Zweck von Ziff. 6.2.4 ProdHM 2008 nicht an, sodass auch für Schäden infolge von Verstößen gegen kompetenzwidrig erlassene öffentlich-rechtliche Normen keine Deckung besteht. bb) Schriftliche Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers. Erforderlich sind 16 schriftliche Anweisungen oder Bedingungen (z.B. Vorgaben für Materialstärken, Dimensionierung, Anzeige- und Genehmigungsvorbehalte bei Änderung von Produkten oder Herstellungsverfahren).18 Abweichungen von mündlichen Anweisungen bleiben somit folgenlos. Bloße Merkblätter oder Herstellerempfehlungen dürften nicht ausreichen, soweit nicht ihre Einhaltung durch rechtliche Inbezugnahme verbindlich ist.19
c) Kausalität/Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten. Zwi- 17 schen dem bewussten Abweichen des VN und dem eingetretenen Schaden muss adäquate Kausalität bestehen.20 Erforderlich ist zudem, dass der Schaden gerade durch die Beachtung/Einhaltung der Vorschrift, Anweisung oder Bedingung abgewendet werden sollte (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 17).21 An diesem Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Vorschrift nicht der Feuer- und Unfallverhütung dient, sondern allein fiskalischen Zwecken dient (z.B. besondere Färbung von Heiz- und Kraftstoffen).22 Auch muß es sich um allgemeingültige Regeln handeln; Anordnungen, die sich nur auf einen Einzelfall beziehen (Verwaltungsakte), fallen nicht unter den Begriff der Vorschrift.23
d) Beweisfragen. Nach der Rechtsprechung lässt sich ein Pflichtverstoß nur dadurch geltend 18 machen, dass der VR aufzeigt, wie sich der VN bei Einhaltung der gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie der schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen hätte verhalten müssen, und darlegt, dass der VN gewusst hat, wie er sich hätte verhalten müssen.24 Zur Beweis(führungslast) s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 109, 112.
5. Erprobungsklausel (Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008) a) Vorbemerkung. Gemessen an der Zahl der Urteile und der Beiträge im Schrifttum kommt 19 der Erprobungsklausel, die zuweilen auch Experimentierklausel genannt wird, wohl die größte Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 58 Rn. 49. Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 6; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 293. Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen § 26 Rn. 242. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 273; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 7; v. Bühren/Lenz § 12 Rn. 150, vgl. auch BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45. 21 Vgl. auch Produkthaftungshandbuch2/Graf von Westphalen § 58 Rn. 44. 22 BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887; Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_4_5 Ziff. 7.4.5 Rn. 3; Späte/ Schimikowski/Schimikowski BBR BHV Rn. 102. 23 Vgl. BGH 9.5.1990 – IV ZR 51/89, VersR 1990 887. 24 BGH 17.12.1986 – IVa ZR 166/85, RuS 1987 99; vgl. auch BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 16; BGH 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991 176, 177 = RuS 1991 45.
17 18 19 20
925
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
Bedeutung unter den Ausschlusstatbeständen zu. Die Klausel hat in der Vergangenheit mehrfach Änderungen erfahren. Vor der Überarbeitung des ProdHM 2008 im Jahre 2000 galt der Maßstab der „anerkannten Regeln der Technik oder Wissenschaft“ für die Bewertung, ob die Erprobung ausreichend war. Nach der Rechtsprechung zum öffentlichen Sicherheitsrecht25 und der einschlägigen Literatur zum Produkthaftungsrecht26 kann sich der Hersteller bei dem Standard „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ darauf beschränken, die herrschende Auffassung unter den Praktikern zu ermitteln, um festzustellen, ob das jeweilige Produkt in den Verkehr gebracht werden darf oder nicht. 20 Die Überarbeitung im Jahre 2000 erhöhte diesen Standard. Maßstab für die Erprobung war danach der „Stand von Wissenschaft und Technik“. Bei diesem Standard muss der Hersteller diejenige Vorsorge gegen Fehler treffen, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird.27 In der Gesetzbegründung zu § 1 Abs. 2 Ziff. 5 ProdHaftG wird der Maßstab „Stand der Wissenschaft und Technik“ umschrieben als „Inbegriff der Sachkunde, die im wissenschaftlichen und technischen Bereich vorhanden ist, also die Summe an Wissen und Technik, die allgemein anerkannt ist und allgemein zur Verfügung steht“.28
Gemessen an diesem Maßstab kommt es bei der Prüfung der ausreichenden Erprobung darauf an, ob die nicht ausreichende Erprobung für irgendeinen Wissenschaftler oder Techniker dieser Welt erkennbar war.29 21 Den VN trifft insoweit eine umfassende Erkundigungspflicht, die sich nicht auf das Gebiet beispielsweise Deutschlands oder den deutschen Sprachraum beschränkt.30 Er muss deshalb u.a. internationale Fachzeitschriften auswerten, Fachtagungen verfolgen,31 ggf. mit wissenschaftlichen Instituten korrespondieren und auch die Eigenschaften und Neuerungen ähnlicher Konkurrenzprodukte beobachten.32 Nachdem Wirksamkeitsbedenken gegen die Heraufsetzung des Bewertungsmaßstabs geäußert wurden,33 setzte der Musterbedingungsgeber den Maßstab für die Erprobung auf den „Stand der Technik“ (hierzu sogleich Rn. 39) herunter.
22 b) Zweck. Nach den Erläuterungen des Musterbedingungsgebers besteht der Zweck der Erprobungsklausel darin, zu vermeiden, dass der VR zur Nachfinanzierung herangezogen wird, wenn ein Unternehmer aus Kosten- oder Wettbewerbsgründen, Erzeugnisse auf den Markt bringt, ohne sie vorher ausreichend erprobt zu haben.34 Es geht also auch bei diesem Ausschluss darum, der Gefahr des Moral Hazard – hier hinsichtlich der Eingehung unternehmerischer Risiken – zu begegnen. Dieser Zweck ist für den durchschnittlichen VN ohne Weiteres erkennbar und kann deshalb bei der Auslegung der Klausel Berücksichtigung finden.
25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Vgl. BVerfG 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, NJW 1979 359, 362. Vgl. Produkthaftungshandbuch2/Foerste § 24 Rn. 14 ff.; Marburger Regeln der Technik im Recht (1979) 165. Vgl. BVerfG 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, NJW 1979 359, 362. Begr. RegE BTDrucks. 11/2447 S. 15. Vgl. MüKoBGB/Wagner § 1 ProdHaftG Rn. 53. Vgl. Produkthaftungshandbuch2/Foerste § 24 Rn. 25; Kort VersR 1989 1113, 1115. BGH 17.3.1981 – VI ZR 286/78, NJW 1981 1606, 1608 – Benomyl. BGH 18.10.1960 – VI ZR 8/60, VersR 1960 1095, 1096 – Kühlanlage. Koch/Artz DB 2001 1599, 1602; vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 200. GDV-Erläuterungen 75; vgl. auch Fausten VersR 1996 411, 412; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 295; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 276; Ermert/Zölch 167; Schimikoswki VersR 2002 1313, 1313 f.; Czeremuga VersPrax 9/2017 S. 40. Koch
926
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
c) Rechtsnatur. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um eine objektive Ausschlussklau- 23 sel, nicht um eine verhüllte Obliegenheit.35 Das LG Aachen führt zur Begründung an, „daß die Experimentierklausel nach ihrer sprachlichen Fassung, ihrer Stellung im Kontext weiterer einschlägiger Bestimmungen, vor allem aber auch nach ihrem Sinn als Risikobeschränkung zu verstehen ist […]. Sie beinhaltet eine individualisierende Beschreibung eines Risikos mit objektbezogenen Voraussetzungen, für das allein die Bekl. Schutz gewähren will. Aus der Klausel ergibt sich mit hinreichender Klarheit, daß die Bekl. nur bei im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck ausreichend erprobten, mithin ausgereiften Produkten Versicherungsschutz gewähren will.“36
Die Literatur hat sich der Qualifikation als objektiver Risiskoausschluss nahezu ausnahmlos angeschlossen.37 Nach Thürmann bietet der Wortlaut der Klausel keinen Anhaltspunkt dafür, dass auf ein bestimmtes Verhalten des VN, etwa ein ausreichendes Erproben, hingewirkt werden solle. Es sei unerheblich, wer erprobt habe, der VN, sein Abnehmer oder ein Dritter, solange die Erprobung ausreichend war. Auch eine subjektive Vorwerfbarkeit hinsichtlich der unzureichenden Erprobung sei nicht erforderlich.38 Lediglich Voit/Knappmann stellen sich auf den Standpunkt, es handele sich um eine sog. 24 verhüllte Obliegenheit, da dem VN auferlegt werde, seine Erzeugnisse zu erproben, bevor er sie zur Abnahme freigebe oder ausliefere. Da er mit dem Risiko belastet werde, dass die von ihm vorgenommene Erprobung sich als objektiv nicht ausreichend erweist, bedürfe er des Schutzes, wenn er eine bestimmte Methode ohne Verschulden für ausreichend gehalten habe (etwa nach Erkundigung bei einem Fachinstitut). Aber auch dann, wenn eine geeignete Methode fehlerhaft angewendet oder das Ergebnis falsch ausgewertet worden sei, ohne dass den VN oder seinen Repräsentanten irgendein Verschulden (auch kein Organisationsverschulden) treffe, erscheine die Entziehung des Versicherungsschutzes ungerechtfertigt.39 Die Argumente von Voit/Knappmann sind nicht von der Hand zu weisen, zumal der Wort- 25 laut der Klausel nicht das maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Einordnung der Klausel als Risikoausschluss oder Obliegenheit ist. Der BGH grenzt bekanntlich danach ab, ob die Klausel die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der VR keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des VN fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert.40 Wie beliebig, ja fast willkürlich die Bewertung anmutet, zeigt die Rechtsprechung zu § 132 26 Abs. 1 VVG a.F. Nach dieser Vorschrift haftet der VR bei der Versicherung eines Schiffes nicht für einen Schaden, der daraus entsteht, dass das Schiff in einem „nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt die Reise antritt“.41 Bis zu dem Urteil des IV. Senats 35 BGH 9.1.1991 – IV ZR 264/89, VersR 1991 414, 416 (Risikoausschluss); OLG Frankfurt 6.3.1997 – 1 U 221/88, VersR 1998 176, 177; Hans. OLG Bremen 30.6.1998 – 3 U 142/97, VersR 1999 1102 f. (Revision nicht angenommen, BGH 28.4.1999 – IV ZR 176/98); LG Aachen 26.4.1994 – 41 O 257/93, VersR 1995 286; dazu Fausten VersR 1996 411; LG Karlsruhe 26.9.2008 – 15 O 100/07, unveröffentlicht, zitiert nach Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 295 Fn. 211. 36 LG Aachen 26.4.1994 – 41 O 257/93, VersR 1995 286, 287 (dazu Fausten VersR 1996 411); vgl auch LG Karlsruhe 26.9.2008 – 15 O 100/07, unveröffentlicht („einhellige Rechtsprechung“). 37 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 295; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 195 ff.; Thürmann/Kettler/Kettler 237 f.; Kettler/Waldner VersR 2004 413 ff.; Schimikowski VersR 2002 1313, 1315; Schwabe VersR 2002 785, 794; Prölss/Martin/Voit ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 9; Littbarski Ziff. 6 Rn. 79; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Schneider § 33 Rn. 82; Fausten VersR 1996 411, 412. 38 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 295. 39 Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 Ziff. 6.6 ProdHM Rn. 30. 40 St.Rspr.; vgl. nur BGH 18.5.2011 – IV ZR 165/09, RuS 2012 130, 132; BGH 18.6.2008 – IV ZR 87/07, NJW-RR 2008 1411 f. = RuS 2008 381; BGH 16.11.2005 – IV ZR 120/04, RuS 2006 166, 167 = VersR 2006 215. 41 BGH 18.5.2011 – IV ZR 165/09, RuS 2012 130, 132. 927
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
des BGH vom 18.5.2011 hatte der II. Senat des BGH und ihm folgend die Literatur § 132 Abs. 1 VVG a.F. als objektiven Risikoausschluss verstanden, weil die Klausel an den Zustand des Schiffes und nicht an ein Verhalten des VN anknüpft.42 Seine vom II. Senat abweichende Bewertung begründete der IV. Senat damit, dass „[d]erartige Mängel [.] im Verantwortungsbereich des VN [liegen] und [.] von ihm vermieden werden [können], indem er die Fahrtauglichkeit seines Schiffes sichert und es mit genügender Ausrüstung und Personal versieht“. Warum angesichts dieser Rechtsprechung hinsichtlich des Erfordernisses einer – im Verantwortungsbereich des VN liegenden – ausreichenden Erprobung andere Maßstäbe gelten sollen, ist nur schwer verständlich. 27 Ein durchschnittlicher VN kann die Formulierung „nicht … ausreichend erprobt waren“ durchaus in dem Sinne verstehen, dass ihm die Erprobung als ein bestimmtes vorbeugendes, Gefahr minderndes Verhalten auferlegt wird.43 In diesem Verständnis wird er gestärkt, wenn – wie z.B. nach Ziff. 3.4.2.6 Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung von IT-Dienstleistern44 – zur Konkretisierung des Erprobungserfordernisses auf „übliche und angemessene Programmtests“ abgestellt wird. Diese Konkretisierung wird der VN im Sinne einer Aufforderung verstehen, die Eignung seiner Erzeugnisse für den konkreten Verwendungszweck zu erproben. Insbesondere bei Konstruktions- und Instruktionsfehlern knüpft nicht nur die Haftung 28 nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB, sondern auch nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG an die nicht ausreichende Erprobung des Erzeugnisses an, weil hierin das Verschulden des VN zu sehen ist (bezogen auf §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB) und ihm eine Berufung auf § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG (bezogen auf § 1 Abs. 1 ProdHaftG) verwehrt ist. Es kann daher kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die Klausel subjektiven Momenten Rechnung tragen soll, was sie sogleich in die Nähe der Gefahrstandsobliegenheit i.S.v. § 23 Abs. 1 VVG und der subjektiven Risikoausschlüsse nach § 103 VVG, Ziff. 7.1 und Ziff. 7.2 AHB 2016 rückt.45 Erfordert Ziff. 7.2 AHB 2016 immerhin noch positive Kenntnis des VN von der Mangelhaftigkeit, führt Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008, soweit man ihn mit der herrschenden Ansicht als objektiven Risikoausschluss qualifiziert, der Sache nach dazu, dass der VN im Fall unbegründeter Inanspruchnahme wegen Sach- und Vermögensschäden nicht einmal Anspruch auf Rechtsschutz hat und seinen Anspruch auf Freistellung bereits bei einfach fahrlässigem Verhalten verliert (Rn. 37). Diese Zusammenhänge geben Anlass erstens für die Rechtsprechung und die Wissenschaft, 29 die Wirksamkeit dieser Klausel in vielerlei Hinsicht – Abweichung von wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), Gefährdung des Vertragszwecks (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und im Hinblick auf § 32 VVG – zu hinterfragen, und zweitens für die VR, die Klausel inhaltlich zu überarbeiten und neu auszurichten (Rn. 63 f.).
d) Reichweite von Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008 30 aa) Neu-, Fort- und Weiterentwicklungen. Bei einer Erprobung von Erzeugnissen geht es stets darum, eine Innovation zu testen und sie der Wirklichkeit auszusetzen. Nach Sinn und Zweck kommt die Erprobungsklausel jedoch nicht nur bei neu entwickelten Erzeugnissen
42 BGH 4.12.2000 – II ZR 293/99, VersR 2001 457, 458; BGH 11.2.1985 – II ZR 290/83, VersR 1985 629 f.; Prölss/ Martin/Voit/Knappmann27 § 132 Rn. 5; Römer/Langheid2 § 132 Rn. 1.
43 Schwabe VersR 2002 785, 794. 44 Im Internet abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6166/c737ea639ba99af02337a7867bd7ef87/05-be sondere-bedingungen-und-risikobeschreibungen-fuer-die-haftpflichtversicherung-von-it-dienstleistern-data.pdf.
45 A.A. und zirkulär Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 296: „weil es bei einem objektiven Risikoausschluss auf die subjektive Komponente überhaupt nicht ankommt“. Koch
928
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
zum Tragen, sondern auch bei weiterentwickelten oder geänderten Erzeugnissen.46 Maßgeblich ist die letzte Entwicklungsstufe des Erzeugnisses. Werden nach der ersten Erprobung im Rahmen der Entwicklung noch Änderungen vorgenommen, z.B. die Rezeptur einer Farbe noch geändert (Beimengung weiterer Stoffe oder Änderung des Mischungsverhältnisses der bisherigen), bedarf es somit erneuter Erprobung vor dem Inverkehrbringen des Erzeugnisses.47 Einer Neu-, Fort- und Weiterentwicklung stehen die Fälle gleich, in denen die Erzeugnisse ursprünglich für einen anderen Verwendungszweck hergestellt wurden.48
bb) Ausschluss von Sach- und Vermögensschäden. Der Ausschluss greift nur ein, soweit 31 der VN auf Ersatz von Sach- und Vermögensschäden wegen von ihm hergestellter Erzeugnisse oder Maschinen in Anspruch genommen wird. Auf Personenschäden, die ausschließlich oder neben Sach-/Vermögensschäden geltend gemacht werden, findet Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008 keine Anwendung. cc) Fehlender Funktionszusammenhang oder fehlende bestimmungsgemäße Einwir- 32 kung (Ziff. 6.2.5 Satz 2 ProdHM 2008). Der Ausschluss von Sachschäden gilt nach Ziff. 6.2.5 Satz 2 ProdHM 2008 nicht für Schäden an (anderen) Sachen, die mit dem gelieferten Erzeugnis weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch dessen bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen. In diesen beiden Konstellationen fehlt es am Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten, weil die Schäden nicht Folge der spezifischen Auswirkung derjenigen Gefahr sind, vor der die Erprobungsklausel den VR schützen soll (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 17). Insoweit handelt es sich bei Ziff. 6.2.5 Satz 2 ProdHM 2008 nicht um eine Rückausnahme (= Wiedereinschluss).49 Er beschreibt lediglich zwei Beispiele, bei denen es am Zurechnungszusammenhang fehlt. Ein Funktionszusammenhang setzt voraus, dass die (beschädigte) Drittsache und das 33 nicht ausreichend erprobte Erzeugnis zusammenwirken oder gemeinsam für einen bestimmten Zweck eingesetzt werden. So liegt der Fall, wenn Schäden an einer Maschine eintreten, in die das Erzeugnis als Bestandteil eingebaut wurde.50 Eine bestimmungsgemäße Einwirkung liegt vor, wenn das Erzeugnis zur Be- oder Verar- 34 beitung der (beschädigten) Drittsache oder zur sonstigen Einwirkung auf diese vorgesehen ist (Reinigungsmaschine oder Reinigungschemikalien wirken auf Fußböden ein).51 Keine Deckung besteht deshalb für Schäden an dem Material, das durch eine fehlerhafte Maschine des VN zu unbrauchbaren Produkten geformt wurde.52 Weder ein Funktionszusammenhang noch eine bestimmungsgemäße Einwirkung sind bei 35 Eintritt eines zufälligen Umgebungsschadens gegeben.53 So liegt der Fall, wenn bei einem 46 LG Aachen 26.4.1994 – 41 O 257/93, VersR 1995 286 f.; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 300; Prölss/ Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 8; Thürmann/Kettler/Kettler 243; Fausten VersR 1996 411, 412.
47 Vgl. Hans. OLG Bremen 30.6.1998 – 3 U 142/97, VersR 1999 1102, 1103 (Erprobung der Kunstharz-Vorstufe eines Werkzeuges nicht ausreichend, endgültiges Aluminiumwerkzeug hätte erprobt werden müssen); LG Aachen 26.4.1994 – 41 O 257/93, VersR 1995 286 f.; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 300; Thürmann/Kettler/Kettler 290. 48 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 8; Schwabe VersR 2002 785, 790 f.; Kettler/Waldner VersR 2004 413, 416. 49 A.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 84; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 202; Schwabe VersR 2002 785, 794 f.; Looschelders/Pohlmann/Lenz Produkthaftpflichtversicherung Rn. 70; Littbarski Ziff. 6 Rn. 224. 50 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 12; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 308. 51 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 308. 52 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 12. 53 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 308. 929
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
durch das mangelhaft erprobte Erzeugnis verursachten Brand die Produktionshalle abbrennt.54 Für die Schadensersatzansprüche des Eigentümers der Halle besteht Deckung. Fährt ein Lkw wegen defekter Bremsen gegen eine Hausmauer, besteht lediglich hinsichtlich des Schadens am Lkw ein Funktionszusammenhang. Bezüglich des Hauses besteht weder ein Funktionszusammenhang noch liegt eine bestimmungsgemäße Einwirkung vor, sodass für die Schadensersatzansprüche des Hauseigentümers Deckung besteht.55 Der Wiedereinschluss umfasst nicht nur die unmittelbar eingetretenen Sach- und Vermö36 gensschäden, sondern auch die Folgeschäden.56
37 e) Voraussetzungen gem. Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008. Nach dem Wortlaut von Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008 greift der Ausschluss bereits dann ein, wenn es an der ausreichenden Erprobung des Erzeugnisses gefehlt hat. Ein Verschulden des VN ist nicht erforderlich. Es kommt also nicht darauf an, ob der VN die Erprobung bewusst oder unbewusst unterlassen hat, ob der VN, der Abnehmer oder ein Dritter für die Durchführung der Erprobung zuständig gewesen wäre, ob der VN die Notwendigkeit von Prüfmaßnahmen verkannt hat oder keine Kenntnis von den technischen Möglichkeiten einer Prüfung hatte.57
38 aa) Begriff der Erprobung. Im Hinblick darauf, dass es bei der Erprobung darum geht, eine Innovation zu testen und sie der Wirklichkeit auszusetzen, ist der Begriff der Erprobung im weitesten Sinne zu verstehen.58 Umfasst werden alle Verfahren und Maßnahmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass das Erzeugnis für den konkreten Verwendungszweck (Rn. 45 ff.) geeignet ist. Dies schließt Verfahren und Maßnahmen ein, mit denen der gefahrlose Gebrauch des Erzeugnisses sichergestellt werden soll.59 Hierzu zählen nicht nur Anwendungstests, sondern auch Prüfungen und Messungen, soweit sie im Rahmen eines geordneten Verfahrens erfolgen. Willkürliches Herum- oder Ausprobieren ist nicht ausreichend.60
bb) Maßstab der Erprobung 39 (1) Stand der Technik. Eine Erprobung ist nach Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 nicht ausreichend, wenn sie nicht nach dem „Stand der Technik“ vorgenommen wurde. Eine Legaldefinition dieses Begriffs findet sich in § 3 Abs. 6 BImSchG: „Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.“
54 55 56 57 58
Schwabe VersR 2002 785, 789; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 12. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 12; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 308. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 392; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 309. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 301. Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 303: „Erprobung setzt voraus, dass praktische Testverfahren angewendet werden“. 59 Vgl. OLG Frankfurt 6.3.1997 – 1 U 221/88, VersR 1998 176, 177. 60 Vgl. OLG Frankfurt 6.3.1997 – 1 U 221/88, VersR 1998 176, 177; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 303. Koch
930
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ob diese seit 2002 geltende Definition, die sich u.a auch in § 3 Nr. 11 WHG wiederfindet, dem Verständnis des durchschnittlichen Produkthaftpflicht-VN entspricht, dürfte zu bezweifeln sein, da sie dem Wortlaut nach auf die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen gerichtet und kaum einer Verallgemeinerung zugänglich ist. Demgegenüber dürfte die Definition in der bis 2002 geltenden Fassung von § 3 Abs. 6 40 BImSchG, die allgemeiner gehalten ist und die der Musterbedingungsgeber aufgreifen wollte,61 eher diesem Verständnis entsprechen. Danach ist „Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes [.] der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg im Betrieb erprobt worden sind.“
Zu den Anforderungen, die der Standard „Stand der Technik“ mit sich bringt, hat das BVerfG 41 herausgearbeitet, dass die allgemeine Anerkennung und praktische Bewährung diesem Standard nicht genügt. Vielmehr müsse bei dieser Art der Verknüpfung von Recht und Technik der technischen Entwicklung Rechnung getragen und in die Meinungsstreitigkeiten der Techniker eingetreten werden, um zu ermitteln, was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist.62
(2) In sonstiger Weise. Die Erprobung hat nach dem Stand der Technik „oder“ in sonstiger 42 Weise zu erfolgen. Grundsätzlich greift der Ausschluss somit nicht ein, wenn es zwar einen Stand der Technik gibt, die Erprobung aber auf andere Weise gleichwertig vorgenommen wurde. Derartige Fälle dürften in der Praxis kaum vorkommen,63 sodass der Anwendungsbereich dieser Alternative auf die Fälle beschränkt ist, in denen sich für das betroffene Erzeugnis oder die beabsichtigte Verwendung ein Stand der Technik (noch) nicht herausgebildet hat. Dann ist dieser durch Heranziehung von Erprobungsverfahren für vergleichbare Erzeugnisse zu ermitteln, die ähnlichen Verwendungszwecken dienen.64 Nach Ansicht des OLG Frankfurt/M. ist eine „in sonstiger Weise ausreichende Erprobung“ 43 zu verneinen, wenn die Erprobung des Erzeugnisses – unter Berücksichtigung der Sicherheitserwartungen des Verkehrs – besorgen lässt, dass der Hersteller des in Verkehr gebrachten Erzeugnisses in ganz erheblichem Umfang Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Konstruktion oder Fabrikation ausgesetzt sein wird.65
(3) Zeitpunkt. Die Erprobung des Erzeugnisses muss dem Stand der Technik im Zeitpunkt des 44 Inverkehrbringens entsprechen.66
cc) Verwendungszweck. Die Erprobung hat sich an dem konkreten Verwendungszweck des 45 Erzeugnisses zu orientieren, wie er sich aus den vertraglichen Vereinbarungen und Ähnli61 62 63 64
Vgl. GDV-Erläuterungen 75. Vgl. BVerfG 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, NJW 1979 359, 362 zu § 5 Abs. 2 BImSchG. Kettler/Waldner VersR 2004 413, 420; vgl. auch Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 306. Vgl. GDV-Erläuterungen 75: „Nur ausnahmsweise mag einmal kein Stand der Technik für die Erprobung eines Erzeugnisses zu ermitteln sein; in diesem Fall ist ein Erzeugnis als ausreichend erprobt anzusehen, wenn die Erprobung in sonstiger Weise erfolgte und dabei ein dem Stand der Technik vergleichbarer Qualitätsmaßstab beachtet wurde“. 65 OLG Frankfurt 6.3.1997 – 1 U 221/88, VersR 1998 176, 177. 66 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 380. 931
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
chem (z.B. Gebrauchsanweisungen, Bedienungsanleitungen, Leistungsbeschreibungen, Prospekten oder der sonstigen Werbung) ergibt.67 Fehlt es an einem konkreten Verwendungszweck, kommt es auf die typische Zweckbestimmung des Erzeugnisses an,68 die in Anlehnung an § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 lit. a) BGB vorzunehmen ist.69 Wird eine Flüssiggasanlage für den Einbau in Verbrennungsmotoren ohne Begrenzung auf bestimmte Fahrzeugtypen verkauft, muss sie im Hinblick auf eine universelle Eignung und nicht nur auf den Einsatz in bestimmten Fahrzeugtypen erprobt werden.70 Die Erprobung nur auf dem Prüfstand und in Fahrversuchen mit einem einzigen Fahrzeugtyp ist nicht ausreichend.71 Der Verwendungszweck muss haftungsrechtlich den berechtigten Erwartungen des Abneh46 mers des Erzeugnisses Rechnung tragen. Das Erzeugnis muss bei bestimmungsgemäßer Verwendung ohne Gefahren für andere Sachen und das Vermögen des Abnehmers eingesetzt werden können. Der Verwendungszweck erfasst auch einen naheliegenden Fehlgebrauch.72 Diesem Umstand muss auf deckungsrechtlicher Ebene auch die Erprobung Rechnung tragen, weil dabei der Einsatzbereich („Verwendung“) sowie die Wirkung(sweise) des Erzeugnisses berücksichtigt werden müssen.73 Die Erprobung muss so angelegt sein, dass eine gefahrlose Verwendung sowie die Folgen aus einem naheliegenden Fehlgebrauch Berücksichtigung finden, weil der VN nur dann seiner Warnpflicht gerecht werden und seine Haftung vermeiden kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn keine Warnpflicht besteht, weil ein Fehlgebrauch nach den berechtigten Erwartungen des VN ausgeschlossen ist. 47 Ein Fehlgebrauch dürfte allerdings in den Haftungsfällen, für die Deckung in der Produkthaftpflichtversicherung besteht, regelmäßig ausgeschlossen sein, weil die Erzeugnisse des VN in die Hand von gewerblichen Abnehmern gelangen, die mit den Gefahren vertraut sind, die sich aus dem (Fehl-)Gebrauch des Erzeugnisses ergeben können.74 Der VN einer Produkthaftpflichtversicherung muss sich also im Grundsatz keine Gedanken über die tatsächliche Verwendung seiner Erzeugnisse machen. Stellt er z.B. Nieten für Regentonnen her und sind diese entsprechend erprobt, so greift der Ausschluss nicht ein, wenn der Erwerber die Nieten für Druckbehälter verwendet und es deshalb zu Schäden an dem Druckbehälter kommt.75
48 dd) Kausalität/Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten. Dem Wortlaut von Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008 ist nicht zu entnehmen, dass der Sach- oder Vermögensschaden auf der nicht ausreichenden Erprobung des Erzeugnisses beruhen muss. Nach Thürmann ergibt sich aber aus Sinn und Zweck der Erprobungsklausel, „dass die nicht ausreichende Erprobung zumindest dazu beigetragen hat, dass die Erzeugnisse zu Ansprüchen geführt haben, also eine Kausalbeziehung zwischen der nicht ausreichenden Erprobung und dem konkret geltend gemachten Schaden bestehen muss“.76
49 Kettler/Waldner leiten dieses Erfordernis aus dem AGB-rechtlichen Gebot der engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln her, weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass es „nur vordergründig um Kausalität“ gehe, wenn eine mangelnde Erprobung eines Beschaffenheitsmerkmals
67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 ProdHaftPfl Ziff. 6 Rn. 24; Schwabe VersR 2002 785, 791. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 8; Kettler/Waldner VersR 2004 413, 417. Kettler/Waldner VersR 2004 413, 417. BGH 9.1.1991 – IV ZR 264/89, VersR 1991 414, 416. OLG Frankfurt 6.3.1997 – 1 U 221/88, VersR 1998 176 f. Vgl. nur BGH 16.6.2009 – VI ZR 107/08, RuS 2009 428, 430 m.w.N. Schwabe VersR 2002 785, 791. Vgl. BGH 18.5.1999 – VI ZR 192/98, NJW 1999 2815 f. Beispiel von Kettler/Waldner VersR 2004 413, 417. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 307; vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 11.
Koch
932
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
keine Auswirkungen auf den Schaden habe, weil das Erzeugnis ausschließlich wegen eines anderen Merkmals, dessen Wirkung erprobt worden sei, einen Schaden verursacht habe.77 Diese Frage betrifft den Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten auf der Deckungsebene (Rn. 32). Dies wird an dem folgenden Beispiel von Kettler/Waldner deutlich:78 Der VN erprobt eine Sicherung für Transformatoren nach dem Stand der Technik ausreichend auf Temperaturbeständigkeit des Gehäuses. Eine Erprobung der Dauerhaftigkeit des Schmelzdrahts im Innern der Sicherung unterbleibt jedoch. Verursacht die Sicherung trotz ausreichender Erprobung des Gehäuses wegen fehlender Temperaturbeständigkeit desselben nach einiger Betriebsdauer einen Sachschaden an dem Trafo, sei zwar die Sicherung kausal für den Schaden geworden, nicht aber das nicht ausreichend erprobte Beschaffenheitsmerkmal „Dauerhaftigkeit des Schmelzdrahts“.
Abgesehen von diesem Sonderfall, in dem das nicht erprobte Beschaffenheitsmerkmal keinerlei 50 Auswirkungen auf den konkreten Schaden hatte und sich das ausgeschlossene Risiko somit nicht realisiert hat, bleibt es dabei, dass Kausalität lediglich zwischen dem nicht erprobten Erzeugnis und dem Schaden bestehen muss.79
f) Beweisfragen. Den VR trifft – wie auch sonst bei Ausschlüssen – die Darlegungs- und Be- 51 weislast dafür, dass die Voraussetzungen des Ziff. 6.2.5 Satz 1 ProdHM 2008 vorliegen.80 Er muss also den Nachweis dafür antreten, dass die vom VN hergestellten und/oder gelieferten Erzeugnisse – bezogen auf ihren konkreten Verwendungszweck – nicht nach dem Stand der Technik ausreichend geprüft worden sind. Dieser Nachweis lässt sich in der Regel nur durch einen Sachverständigen führen.81 Zur (Mitwirkung bei der) Aufklärung der Schadensursache ist der VN im Rahmen des Ziff. 25.2 AHB 2016 verpflichtet.82 Darüber hinaus trifft den VR die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Schutzzweckzusammenhangs vorliegen.83 Da Ziff. 6.2.5 Satz 2 ProdHM 2008 Beispiele behandelt, bei denen es am Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten fehlt, muss der VR darlegen und beweisen, dass ein Funktionszusammenhang besteht und die beschädigten Sachen der bestimmungsgemäßen Einwirkung des nicht ausreichend erprobten Erzeugnis unterliegen. Da es sich beim Bestehen des Funktionszusammenhangs und der bestimmungsgemäßen Einwirkung um Tatsachen handelt, die sich außerhalb des eigenen Wahrnehmungsbereichs des VR in der Sphäre des VN ereignet haben, trifft den VN eine sekundäre Darlegungslast dergestalt, dass es zunächst ihm obliegt, darzulegen, warum es an einem solchen Funktionszusammenhang fehlt oder die beschädigte Sache nicht der bestimmungsgemäßen Einwirkung unterlag, bevor dann der VR den Funktionszusammenhang oder die Einwirkung darzulegen und ggf. zu beweisen hat (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 19).g) Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 in der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle aa) Wirksame Einbeziehung. Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 schränkt den Versicherungsschutz des 52 VN bei Abschluss einer Produkthaftpflichtversicherung im Vergleich zur Betriebshaftpflichtversicherung ein, soweit es um Sachschäden infolge nicht ausreichender Erprobung geht (Ziff. 1 77 78 79 80
Kettler/Waldner VersR 2004 413, 420. Kettler/Waldner VersR 2004 413, 420. Kettler/Waldner VersR 2004 413, 421; Thürmann/Kettler/Kettler 243. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 386; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 202; Schwabe VersR 2002 785, 794 f.; Kettler/Waldner VersR 2004 413, 421 f.; Littbarski Ziff. 6 Rn. 224. 81 Schwabe VersR 2002 785, 795. 82 Vgl. auch Kettler/Waldner VersR 2004 413, 421 f.; Schimikowski RuS 2019 201, 302. 83 Vgl. BGH 24.5.2022 – VI ZR 206/21, BeckRS 2022 16857 Rn. 29. 933
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
ProdHM 2008 Rn. 6 ff.). Insbesondere VN, die bislang nur eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben und die Produkthaftpflichtversicherung abschließen, um ihren Versicherungsschutz zu erweitern, rechnen nicht mit einer solchen Beschränkung.84 Jedoch ist zu berücksichtigen, dass eine Produkthaftpflichtversicherung in der Praxis stets durch einen Makler vermittelt wird, der die Klausel kennt und dessen Wissen sich insoweit der VN nach § 166 BGB zurechnen lassen muss.85 Die Klausel ist deshalb nicht als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB einzuordnen.
54 bb) Inhaltskontrolle. Qualifiziert man mit der herrschenden Ansicht die Erprobungsklausel als objektiven Risikoausschluss, ist Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 im Rahmen der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB/§ 32 VVG weder an §§ 23 ff. VVG noch an § 103 VVG zu messen.86 Es stellt sich nur die Frage, ob eine Vertragszweckgefährdung i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB oder eine aus sonstigen Gründen unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt.
55 (1) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. In der Literatur wird das Vorliegen einer Vertragszweckgefährdung verneint. Erstens sei nur ein begrenzter Bereich von der Deckung ausgenommen, da der Ausschluss nur für Sach- und Vermögensschäden gelte und zudem bei Sachschäden auf Schäden an Sachen im Funktionszusammenhang mit dem nicht ausreichend erprobten Erzeugnis beschränkt sei.87 Zweitens hafte der VN einem geschädigten Dritten gegenüber nicht wegen unzureichender Erprobung, sondern wegen Inverkehrbringens eines nicht ausreichend sicheren Erzeugnisses.88 Das Verfehlen dieser Anforderung sei nur in einer begrenzten Anzahl von Fällen auf eine nicht dem Stand der Technik entsprechenden Erprobung zurückzuführen.89 Insbesondere lägen Instruktionsfehler in der Regel nicht an der Qualität der Erprobung des Erzeugnisses, sondern z.B. an der Qualität der Instruktion.90 Auch bei Konstruktionsfehlern gebe es einen weiten Bereich, der aus anderen Unzuläng56 lichkeiten als solchen in der Erprobung herrühre (z.B. Mess- oder Berechnungsfehler, Fehler bei der Anwendung von Berechnungsmodellen oder der Umsetzung von Erfahrungswissen) und auch mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Erprobung nicht zu erkennen sei.91 Es bestehe ein berechtigtes Interesse des VR daran, nicht im Nachhinein im Wege des Schadensersatzes Kosten zu tragen, die eigentlich im Entwicklungsprozess hätten aufgewandt werden müssen und in die Kosten des Erzeugnisses oder die Kosten des Produkts des Abnehmers des VN, für das das Erzeugnis als Komponente bestimmt war, hätten eingehen müssen.92 Das letztgenannte Argument hat selbstverständlich seine Berechtigung. Nur stellt sich die 57 Frage, ob ein Ausschluss, der sich allein an objektiven Kriterien orientiert, nicht über dieses anerkennenswerte Ziel hinausschießt. Nach der Rechtsprechung liegt eine vertragszweckgefährdende Einschränkung stets vor, wenn der Vertrag durch eine Leistungszweckbegrenzung ausge84 A.A. Schimikowski RuS 2019 201, 302. 85 Hans. OLG Bremen 18.11.2008 – 3 U 14/08, VersR 2009 776 f. 86 Zum Verhältnis zwischen diesen Vorschriften s. § 103 VVG Rn. 20 f.; a.A. bezogen auf die gleichlautende Erprobungsklausel in der Kfz-Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung Schimikowski (RuS 2019 301, 304), der in Abkehr von Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 203 in der rein objektiven Fassung der Erprobungsklausel eine Umgehung des gesetzlichen Leitbilds für Obliegenheiten und subjektive Risikoausschlüsse sieht. 87 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 297; Thürmann/Kettler/Kettler 245; Schwabe VersR 2002 785, 793. 88 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 297. 89 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 297. 90 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 298; vgl. auch Thürmann/Kettler/Kettler 245; Kettler/Waldner VersR 2004 413, 422 ff. 91 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 297; Thürmann/Kettler/Kettler 245. 92 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 297; Schimikowski RuS 2019 301, 306; vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 13. Koch
934
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
höhlt werden kann.93 Von einer solchen Aushöhlung wäre bei einer Produkthaftpflichtversicherung jedenfalls dann auszugehen, wenn und soweit bei Sach- und Vermögensschäden, die auf Konstruktions- und/oder Instruktionsfehlern beruhen, keine Deckung – auch nicht für die Anspruchsabwehr – gewährt wird. Damit stellt sich die Frage, ob bei Geltung des Erprobungsmaßstabs „Stand der Technik 58 oder in sonstiger Weise“ tatsächlich keine Deckung für Schäden wegen Konstruktions- und Instruktionsfehlern besteht, weil diese bei Beachtung dieses Erprobungsmaßstabs vermieden worden wären. Soweit diese Frage von der Literatur mit der Begründung verneint wird, Konstruktionsfehler könnten aus anderen Unzulängleichkeiten, wie z.B. Mess- oder Berechnungsfehlern, und Instruktionsfehler aus der fehlenden Qualität der Instruktion resultieren,94 überzeugt diese Begründung nicht. Die Erprobung soll ja gerade auch fehlerhafte Messungen und Berechnungen aufdecken und den Hersteller in die Lage versetzen, sachgerechte Hinweise zur Verwendung des Produkts zu geben.95 Dass Erprobung und Haftung für Konstruktions- und Instruktionsfehler in einem un- 59 trennbaren Zusammenhang stehen, machen die Ausführungen des OLG Frankfurt/M. in seinem Urteil vom 6.3.1997 deutlich. Darin stellt das Gericht – in Abwesenheit von anerkannten Regeln der Technik oder der Wissenschaft – in seinem Leitsatz fest, dass „eine ‚in sonstiger Weise ausreichende Erprobung‘ von Flüssiggasanlagen im Sinne des entsprechenden Risikoausschlusses der Produkthaftpflichtversicherungsbedingungen [.] jedenfalls dann zu verneinen [ist], wenn die Erprobung des Produkts – unter Berücksichtigung der Sicherheitserwartungen des Verkehrs – besorgen läßt, daß der Hersteller des in Verkehr gebrachten Produkts in ganz erheblichem Umfang Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Konstruktion oder Fabrikation ausgesetzt sein wird“.96
Positiv ausgedrückt liegt eine dem Stand von Technik oder in sonstiger Weise ausreichende 60 Erprobung somit nur dann vor, wenn durch die Erprobung des Erzeugnisses sichergestellt ist, dass der Hersteller nicht in ganz erheblichem Umfang Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Konstruktion oder Instruktion ausgesetzt sein wird. Solche Schadensersatzansprüche können in dem hier interessierenden Bereich nicht nur aus § 823 BGB und § 1 Abs. 1 ProdHaftG erwachsen, sondern auch aus §§ 437 Nr. 3, 440, 281, 280/§§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 BGB. Soweit das Erzeugnis aufgrund des Fehlers nicht ohne Risiko für das Eigentum oder das Vermögen des Abnehmers zu dem vertraglich vereinbarten Zweck verwendet werden kann, liegt ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB vor. Im Ergebnis lassen sich deshalb durchaus Argumente dafür finden, eine Vertragszweckge- 61 fährdung zu bejahen.97 Schließlich besteht der Zweck des Abschlusses einer Produkthaftpflichtversicherung doch gerade darin, Deckung nicht nur für die Inanspruchnahme wegen Sach-, sondern auch für die Inanspruchnahme wegen Vermögensschäden zu erhalten. Die Gefährdung wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die Sachschäden mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen in einem Funktionszusammenhang stehen oder deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen, weil diese Sachverhalte lediglich beispielhaft für einen fehlenden Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten stehen. Abgesehen davon wird ein Funktionszusammenhang oder ein bestimmungsgemäßes Einwirken in der großen Mehrzahl der Fälle gegeben sein.
93 94 95 96 97 935
Vgl. BGH 19.11.1997 – IV ZR 348/96, BGHZ 137 174, 176 = NJW 1998 1069. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 297; Thürmann/Kettler/Kettler 245. Schimikowski RuS 2019 301, 305. OLG Frankfurt 6.3.1997 – 1 U 221/88, VersR 1998 176. Vgl. auch Schimikowski RuS 2019 201, 305. Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
62 (2) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Daneben stellt sich die Frage, ob Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008 den VN nicht i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt. Dies ist dann der Fall, wenn der VR „missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“.98
Insoweit sind die Interessen des VR (und der Gemeinschaft der Produkthaftpflichtversicherten) an einer vom Verschulden des VN unabhängigen Leistungsfreiheit mit dem Interesse des VN am Erhalt von Versicherungsschutz bei nicht ausreichender Erprobung abzuwägen.99 Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die damit einhergehende Benachteiligung des VN durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des VR gerechtfertigt ist.100 63 Daran, dass ein berechtigtes Interesse des VR besteht, zumindest für grob fahrlässiges Fehlverhalten im Rahmen der Erprobung auch nicht anteilig einstehen zu müssen, bestehen – wie bereits mehrfach betont – keine Zweifel. Deshalb ist es grundsätzlich zulässig, diesen Sachverhalt als objektive Risikoabgrenzung und nicht als Obliegenheit auszugestalten. Einfach fahrlässiges Verhalten sollte jedoch im Rahmen eines angemessenen Interessenausgleichs keine Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben. Im Hinblick auf den Zweck der Erprobungsklausel, auszuschließen, dass der VN, der seine Erzeugnisse nicht ausreichend erprobt hat, den VR zur „Nachfinanzierung“ heranzieht, sind die Interessen des VR an einer vom Grad des Verschuldens des VN unabhängigen Leistungsfreiheit weder als höherrangig noch als gleichwertig mit den Interessen des VN am Versicherungsschutz zu werten, wenn dieser nicht an den Entwicklungskosten gespart hat und berechtigterweise annehmen konnte, das Erzeugnis ausreichend erprobt zu haben. 64 Eine den Interessen beider Seiten gerecht werdende Klausel könnte deshalb so aussehen, dass dem VN die Möglichkeit eingeräumt wird, nachzuweisen, dass er ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen konnte, das Erzeugnis ausreichend erprobt zu haben.101 Beispiel: „Nicht versichert sind Ansprüche wegen Sach- und Vermögensschäden durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt wurden, sofern der VN nicht nachweist, dass er ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen konnte, das Erzeugnis ausreichend erprobt zu haben.“
65 cc) Transparenzkontrolle (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Schimikowski hat Zweifel an der hinreichenden Transparenz des Zusatzes „in sonstiger Weise“ geäußert. Was damit gemeint sei, erschlöße sich dem VN aus dem Wortlaut nicht. Der VN könne seine Rechte und Belastungen nicht erfassen. Der Zusatz sei deshalb zu streichen, sodass der Ausschluss nur eingreife, wenn die Erzeugnisse nicht nach dem „Stand der Technik“ ausreichend erprobt worden seien.102 Solche Bedenken hat das OLG Frankfurt/M. in seinem Urteil vom 6.3.1997 zu Recht nicht geäußert. Die Erprobung ist kein Selbstzweck. Sie dient vor allem dazu, die Eignung des Produkts für den Verwendungszweck zu prüfen. Die Formulierung „in sonstiger Weise“ kann der kaufmännisch vorgebildete VN deshalb nur so verstehen, dass es ihm überlassen bleibt, die Eignung fest98 St. Rspr., BGH 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, NJW 2001 2331; BGH 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143 103, 113 = NJW 2000 1110, jew. m.w.N. 99 Vgl. BGH 29.10.1980 – VIII ZR 262/79, BGHZ 78 305, 309 = NJW 1981 280; BGH 3.3.1988 – X ZR 54/86, BGHZ 103 316, 327 = NJW 1988 1785. 100 Vgl. BGH 1.2.2005 – X ZR 10/04, NJW 2005 1774, 1775 m.w.N. 101 Zu abweichenden Fassungen der Erprobungsklausel Schimikowski RuS 2019 201, 306. 102 Schimikowski RuS 2019 301, 305 (zur gleichlautenden Erprobungsklausel in der Kfz-Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung). Koch
936
Ausschlüsse
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
und sicherzustellen, wenn es keinen zu beachtenden Stand der Technik gibt. Damit ist dem Transparenzgebot Rechnung getragen, weil dem VN deutlich gemacht wird, dass er das Risiko unzureichender Erprobung trägt.103
6. Luftprodukthaftpflicht (Ziff 6.2.6 ProdHM 2008) Ziff. 6.2.6 ProdHM 2008 schließt Risiken aus der Planung oder Konstruktion, Herstellung 66 oder Lieferung von Luft-/Raumfahrzeugen als Ganzes sowie aus Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft-/Raumfahrzeugen sowie Luft-/Raumfahrzeugteilen aus, die sich nach dem Inverkehrbringen des Erzeugnisses, des Abschlusses der Arbeiten oder der Ausführung der Leistungen verwirklicht haben. Soweit es nicht um die Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft-/Raumfahrzeugen als Ganzes, sondern nur von Teilen geht, kommt es für die Deckung – wie bei Ziff. 4.4.4.2 ProdHM 2008 – darauf an, ob diese Teile im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von Luft-/Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft-/ Raumfahrzeuge bestimmt waren. Hinsichtlich des Erfordernisses „ersichtlich“ kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden (Ziff. 4 ProdHM 2008/2015 Rn. 145). Zum Begriff des Luftfahrzeuges und zur Unterscheidung zum Raumfahrzeug s. Ziff. 3 BBR 67 PHV Rn. 55 und Ziff. 7.4.4 BBR BHV Rn. 27.
7. Konzernausschluss (Ziff 6.2.7 ProdHM 2008) Nach Ziff. 6.2.7 ProdHM 2008 sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Ansprüche wegen 68 Vermögensschäden, die von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen, geltend gemacht werden. Diese Klausel dient dem Zweck, Vermögensschäden vom Deckungsschutz auszunehmen, die bei einheitlicher Betrachtung des Herstellungsablaufes und ohne die rechtliche Verselbstständigung der am Herstellungsprozess Beteiligten an sich dem Bereich der internen Wertschöpfung zuzuordnen und insoweit als Eigenschäden zu qualifizieren wären.104
8. Rückrufkostenausschluss (Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008) a) Inhalt und Zweck. Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 schließt vom Versicherungsschutz die nach 69 Ziff. 4 ProdHM 2008 versicherte Schadenspositionen aus, soweit diese Positionen im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen des VN enstanden sind. Hierdurch soll ein Kumul mit einer gleichzeitig bestehenden Rückrufkostenhaftpflichtversicherung – für KfzZulieferer (KfzRückRM) oder sonstige Herstellungs- und Handelsbetriebe (ProdRückRM) – vermieden werden.105 Dabei kommt es für die Anwendung von Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 nicht darauf an, ob tatsächlich eine Rückrufpolice abgeschlossen wurde.106 Es handelt sich der Sache nach somit um eine (qualifizierte) Subsidiaritätsklausel.
103 Zum Inhalt des Transparenzgebotes s. BGH 1.10.2019 – VI ZR 156/18, NJW-RR 2020 112 Rn. 23. 104 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 399; Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 311; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 15.
105 Vgl. GDV-Erläuterungen 77; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 16; Thürmann PHi 2000 163 175. 106 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 315. 937
Koch
Ziff. 6 ProdHM 2008/2015
Ausschlüsse
70 b) Voraussetzungen. Der Rückrufkostenausschluss hat nach Ziff. 6.2.8 Satz 1 ProdHM 2008 zur Voraussetzung, dass ein Rückruf tatsächlich durchgeführt wurde.107 Der Rückruf wird in Ziff. 6.2.8 Satz 2 ProdHM 2008 definiert als „die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung des VN, zuständiger Behörden oder sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel prüfen, die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder andere namentlich benannte Maßnahmen durchführen zu lassen“.
71 Diese Definition entspricht der Rückruf-Versicherungsfalldefinition der Rückruf-Deckungsmodelle für Kfz-Zulieferer (KfzRückRM) oder sonstige Herstellungs- und Handelsbetriebe (ProdRückRM), die allerdings insoweit über die Definition nach Ziff. 6.2.8 Satz 2 ProdHM 2008 hinausgehen, als in der Rückrufkostenhaftpflichtversicherung für Hersteller- und Handelsbetriebe auch die Warnung vor nicht sicheren Erzeugnissen als Rückruf gilt (Ziff. 2 Satz 3 ProdRückRM), soweit eine solche zur Vermeidung von Personenschäden ausreichend ist (Ziff. 2 ProdRückRM Rn. 2). 72 Die gesetzliche Verpflichtung zum Rückruf kann zum einen auf einer deliktischen Verkehrspflicht des VN oder eines im Rahmen der Warenherstellung beteiligten Dritten108 beruhen, zum anderen auf einer Anordnung des Rückrufs durch die zuständigen Marktüberwachungsbehörden (zu Einzelheiten s. Ziff. 2 ProdRückRM Rn. 3 ff.).
73 c) Vom Rückrufausschluss erfasste Schadenspositionen. Die vom Rückrufausschluss erfassten Schadenspositionen betreffen – entsprechend der Zwecksetzung von Ziff. 6.2.8 ProdHM 2008 – solche Positionen, für die auch die Rückruf-Deckungsmodelle Versicherungsschutz bieten. Es geht um die Kosten für die Reparatur mangelhafter Erzeugnisse (Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 und Ziff. 4.3.2.2 ProdHM 2008), den Austausch (Ziff. 4.4.2.1 ProdHM 2008), den Transport (Ziff. 4.4.2.2 ProdHM 2008), die Beseitigung/Vernichtung (Ziff. 4.2.2.4 bzw. 4.3.2.3 ProdHM 2008) sowie Prüf- und Sortierkosten (Ziff. 4.6 ProdHM 2008), für die auch die Rückruf-Deckungsmodelle Versicherungsschutz bieten (vgl. Ziff. 3.3, 3.5 und 3.8 KfzRückRM sowie Ziff. 3.4, 3.6 und 3.9 ProdRückRM). Zur Abgrenzung zu Ziff. 4.6 ProdHM 2008 s. Ziff. 4 ProdHM 2008/2015 Rn. 228. 74 Die Erläuterungen des Musterbedingungsgebers zu Ziff. 4.2.2.3 ProdHM 2008 geben dafür als Beispiel, dass ein Maschinenöl-Entfettungsmittel gesundheitsschädlich ist, weil ein Bestandteil, eine vom VN gelieferte Chemikalie, mangelhaft ist. Das Mittel muss bei den Endverbrauchern zurückgerufen werden, kann aber durch einen Zuschlagstoff unbedenklich gemacht werden. Deckung besteht nur nach Rückrufkostenbedingungen. Im Rahmen des ProdHM 2008 greift der Ausschluss gem. Ziff. 4.2.2.3, 6.2.8 ProdHM 2008.109 Von Ziff. 6.2.8 Satz 1 ProdHM 2008 werden auch die Kosten für den Einzelteilaustausch und die Reparatur im eingebauten Zustand (Ziff. 4.4.5/4.4.6 ProdHM 2008) erfasst, für die nach den Rückruf-Deckungsmodellen ebenfalls Versicherungsschutz besteht (vgl. Ziff. 3.6/3.7 KfzRückRM und Ziff. 3.7/3.8 ProdRückRM). Lediglich für die mit Ziff. 4.5.2.3 ProdHM 2008 gedeckten Schadenspositionen kommt dieser Ausschluss nicht zum Tragen (weil hierfür keine Deckung nach den Rückruf-Deckungsmodellen besteht)(Ziff. 4 ProdHM 2008 Rn. 192).
B. ProdHM 2015 75 Ziff. 6 ProdHM 2015 ist inhaltlich identisch mit Ziff. 6 ProdHM 2008. 107 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 316. 108 Vgl. BGH 16.12.2008 – VI ZR 170/07, BGHZ 179 157, 160 f. = VersR 2009 272; BGH 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990 2560, 2566. 109 GDV-Erläuterungen 78. Koch
938
Ziff. 7 ProdHM 2008/2015
Ziff. 7 Zeitliche Begrenzung ProdHM 2008
ProdHM 2015
7. Zeitliche Begrenzung 7.1 1Der Versicherungsschutz gemäß Ziff. 4.2 ff. umfasst die Folgen aller Versicherungsfälle, die dem VR nicht später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages gemeldet werden. 2Unberührt bleiben die vertraglichen Anzeigeobliegenheiten. 7.2 Für Ansprüche nach Ziff. 4.2 ff. wegen Schäden durch Erzeugnisse des VN, die vor Inkrafttreten dieses Versicherungsvertrages ausgeliefert wurden, besteht Versicherungsschutz nur bei besonderer Vereinbarung.
7. Zeitliche Begrenzung 7.1 1Der Versicherungsschutz gemäß Ziff. 4.2 ff. umfasst die Folgen aller während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Versicherungsfälle, die dem VR nicht später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages gemeldet werden. 2Unberührt bleiben die vertraglichen Anzeigeobliegenheiten. 3Diese dreijährige Befristung des Versicherungsschutzes gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass diese Frist von ihm unverschuldet versäumt wurde. 7.2 Für Ansprüche nach Ziff. 4.2 ff. wegen Schäden durch Erzeugnisse des VN, die vor Inkrafttreten dieses Versicherungsvertrages ausgeliefert wurden, besteht Versicherungsschutz nur bei besonderer Vereinbarung.
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Inhalt und Zweck
II.
Ziff. 7.1 ProdHM 2008
1
III.
Ziff. 7.2 ProdHM 2008
B.
ProdHM 2015
4
8
2
A. ProdHM 2008 I. Inhalt und Zweck Ziff. 7 ProdHM 2008 regelt die zeitliche Begrenzung des Versicherungsschutzes nach Beendi- 1 gung des Versicherungsvertrages. Es handelt sich um eine objektive Risikobegrenzung auf der Primärebene.1
II. Ziff. 7.1 ProdHM 2008 Ziff. 7.1 Satz 1 ProdHM 2008 sieht vor, dass der Versicherungsschutz gem. Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2 2008 die Folgen aller Versicherungsfälle umfasst, die dem VR nicht später als drei Jahre nach Vertragsbeendigung gemeldet werden. Für bis dato eingetretene Versicherungsfälle – mögen diese auch bereits mehr als drei Jahre zurückliegen – besteht somit Versicherungsschutz. Gem. Ziff. 7.1 Satz 2 ProdHM 2008 bleiben die vertraglich vereinbarten Anzeigeobliegenheiten, insbe-
1 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 1; Littbarski Ziff. 7 Rn. 18; a.A. Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 ProdHaftPfl Ziff. 7 Rn. 1: Obliegenheit. Zur Qualifikation der Begrenzung der Nachhaftung als Risikobegrenzung vgl. BGH 20.7.2011 – IV ZR 180/10, RuS 2011 386 Rn. 28 (Vertrauensschadenversicherung für Notare); OLG Stuttgart 27.11.2008 – 7 U 89/08, RuS 2009 188, 189 f. (Berufshaftpflichtversicherung). 939 https://doi.org/10.1515/9783110522686-209
Koch
Ziff. 7 ProdHM 2008/2015
Zeitliche Begrenzung
sondere die Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles gem. Ziff. 25.1 AHB 2016 unberührt.2 3 Ferner ist der Hinweis geboten, dass sich Ziff. 7.1 ProdHM 2008 nicht auf Personen- und Sachschäden sowie die daraus resultierenden Folgeschäden bezieht, sondern nur auf die nach Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008 versicherten Vermögensschäden.3 Dies folgt daraus, dass Ziff. 4.1 PrdHM von der Einschränkung ausgeschlossen ist.
III. Ziff. 7.2 ProdHM 2008 4 Mit dieser als Vor- oder Altumsatzklausel bezeichneten Regelung soll dem VR die Möglichkeit gegeben werden, sich vor Zeichnung des Risikos über das Schadenspotenzial zu informieren, welches die bereits ausgelieferten Erzeugnisse des VN mit sich bringen.4 Hervorzuheben ist, dass die Klausel erstens ebenfalls nur Anwendung auf Vermögensschäden findet, die zweitens durch Erzeugnisse, nicht durch Arbeiten oder sonstige Leistungen des VN verursacht worden sind. Für Sach- und Personenschäden gilt die zeitliche Beschränkung nicht. Maßgeblich für das Eingreifen dieser Klausel ist nicht der Eintritt des Versicherungsfalles 5 oder des Schadens, sondern der Zeitpunkt der Auslieferung des Erzeugnisses, der identisch mit dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens ist (weil das Erzeugnis in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, vgl. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 11 ff.). Beispiel:5 Der VN stellt Betonrohre mit Dichtungen her. Er liefert diese an seinen Abnehmer vor „Inkrafttreten des Versicherungsvertrages“ aus. Nach der Verlegung im Erdreich stellt sich heraus, dass die Rohre wegen Mängeln der Dichtung bei der Druckprüfung nicht die zugesagte Dichtigkeit aufweisen, sondern lecken. Auf mehreren Kilometern Länge müssen die Rohre wieder ausgegraben und neue Rohre verlegt werden.
6 Für die auf Ersatz der Austauschkosten gerichteten Schadensersatzansprüche des Abnehmers besteht kein Versicherungsschutz. Zwar ist der Versicherungsfall (Zeitpunkt des Verlegens, vgl. Ziff. 8.2.4 ProdHM 2008) während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten. Da die Auslieferung jedoch vor Vertragsbeginn erfolgte, besteht keine Deckung. Für diese Schäden besteht wegen Ziff. 7.1 ProdHM 2008 auch keine Deckung unter einem früheren Vertrag (bei VRWechsel), da der Versicherungsfall erst nach Vertragsende eingetreten ist. Die Auslieferung muss vor „Inkrafttreten des Versicherungsvertrages“ erfolgt sein. Der Be7 griff „Inkrafttreten“ ist dem Vertragsrecht fremd; er bedarf deshalb der Auslegung. Fraglich ist, ob damit der materielle Versicherungsbeginn i.S.v. Ziff. 8 AHB 20166 oder der formelle Versicherungsbeginn, m.a.W. der Abschluss des Versicherungsvertrages gemeint ist. Der wohl auch für den durchschnittlichen VN einer Produkthaftpflichtversicherung erkennbare Zweck der Klausel spricht für letztere Auslegung, weil die Risikoanalyse zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen ist. Verneint man die Erkennbarkeit des Klauselzwecks, würde nach § 305c Abs. 2 BGB die jeweils für den VN günstigere Auslegung Platz greifen.
2 Vgl. Littbarski Ziff. 7 Rn. 19 ff. 3 Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 1; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 210; Langheid/ Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 323. 4 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 325; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 217, Littbarski Ziff. 7 Rn. 46 ff. 5 Vgl. Ermert/Zölch 146. 6 So Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 2. Koch
940
Zeitliche Begrenzung
Ziff. 7 ProdHM 2008/2015
B. ProdHM 2015 Im ProdHM 2015 ist Ziff. 7.1 durch den klarstellenden Zusatz in Satz 1 ergänzt worden, dass es 8 sich um die Folgen „aller während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen“ Versicherungsfälle handeln muss. Des Weiteren ist Ziff. 1 um einen Satz 3 ergänzt worden. Danach gilt die dreijährige Nach- 9 meldefrist nicht, wenn der VN nachweist, diese Frist unverschuldet versäumt zu haben. Nach Kettler wurden durch diesen Zusatz „vorsorglich Hinweise aus nicht zum ProdHM ergangener Rechtsprechung zur Auslegung und AGB-Prüfung versicherungsrechtlicher Fristen“ umgesetzt.7 Bei dieser Rechtsprechung handelt es sich um Urteile des BGH8 und des OLG Stuttgart9 zur Wirksamkeit von Ausschlussfristen in der Vertrauensschadensversicherung für Notare und in der Berufshaftpflichtversicherung für Architekten. In beiden Fällen sahen die Klauseln, die die Ausschlussfrist statuierten, nicht die Möglichkeit eines Entschuldigungsbeweises vor. Gleichwohl hielten der BGH und das OLG Stuttgart die Ausschlussfrist mit der Begründung für wirksam, die Klausel sei „unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen VN einschränkend auszulegen“.10 Der VR könne sich danach auf eine Versäumung der Frist nicht berufen, wenn den VN, was dieser zu beweisen habe, daran kein Verschulden treffe. Ob diese einschränkende Auslegung, die sich in beiden Fällen nachteilig für den VN erwie- 10 sen hat, im Einklang mit den für die Auslegung von Formularklauseln geltenden Maßstäben stehen, darf bezweifelt werden. Sie läuft im Ergebnis auf eine auch im unternehmerischen Verkehr unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus11 und lässt sich nicht mit dem Transparenzgebot in Einklang bringen.12 Der Musterbedingungsgeber hat deshalb gut daran getan, den Entlastungsbeweis in Ziff. 7.1 ProdHM 2015 aufzunehmen. An der Rechtsnatur von Ziffer 7.1 ProdHM 2015 als Risikobegrenzung ändert sich durch die an ein Verschulden anknüpfenden Möglichkeit zum Entlastungsbeweis nichts.13
7 Kettler/Thürmann 256. 8 BGH 20.7.2011 – IV ZR 180/10, RuS 2011 386 Rn. 28. 9 OLG Stuttgart 27.11.2008 – 7 U 89/08, RuS 2009 188. 10 BGH 20.7.2011 – IV ZR 180/10, RuS 2011 386 Rn. 30; vgl. auch OLG Stuttgart 27.11.2008 – 7 U 89/08, RuS 2009 188, 190. 11 Zur Geltung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion im unternehmerischen Geschäftsverkehr s. BGH 31.8.2017 – VII ZR 308/18, NJW 2017 3145 Rn. 23; BGH 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016 1230 Rn. 38; BGH 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153 311, 324 = NJW 2003 1805; BGH 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993 1786, 1787; BGH 16.10.1984 – X ZR 97/83, BGHZ 92 312, 315 = NJW 1985 319. 12 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/von Rintelen § 26 Rn. 216; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 213. 13 BGH 20.7.2011 – IV ZR 180/10, RuS 2011 386 Rn. 28; OLG Stuttgart 27.11.2008 – 7 U 89/08, RuS 2009 188, 189 f. 941
Koch
Ziff. 8 ProdHM 2008/2015
Ziff. 8 Versicherungsfall und Serienschaden ProdHM 2008
ProdHM 2015
8. Versicherungsfall und Serienschaden 8.1 1Versicherungsfall ist das während der Wirksamkeit des Vertrages eingetretene Schadensereignis gemäß Ziff. 1.1 AHB. 2Bei Ziff. 4.4.3 und 4.6.4 ist es für den Versicherungsfall – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – unerheblich, dass es sich nicht um Haftpflichtansprüche handelt. 8.2 Der Versicherungsfall tritt ein bei:8.2.1 Ziff. 4.2 im Zeitpunkt der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Erzeugnisse; 8.2.2 Ziff. 4.3 im Zeitpunkt der Weiterbearbeitung oder -verarbeitung der Erzeugnisse; 8.2.3 Ziff. 4.4 im Zeitpunkt des Einbaus, Anbringens, Verlegens oder Auftragens der Erzeugnisse; 8.2.4 Ziff. 4.5.2.1 bis 4.5.2.5 im Zeitpunkt der Produktion, Be- oder Verarbeitung der in Ziff. 4.5 genannten Sachen; 8.2.5 Ziff. 4.5.2.6 in den für Ziff. 4.2 bis 4.4 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die Regelung gemäß Ziff. 4.5.2.6 in Zusammenhang steht; 8.2.6 Ziff. 4.6 in den für Ziff. 4.2 bis 4.5 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die in Ziff. 4.6 geregelte Überprüfung in Zusammenhang steht. 8.3 1Mehrere während der Wirksamkeit des Vertrages eintretende Versicherungsfälle – aus der gleichen Ursache, z.B. aus dem gleichen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler, es sei denn, es besteht zwischen den mehreren gleichen Ursachen kein innerer Zusammenhang, oder – aus Lieferungen solcher Erzeugnisse, die mit den gleichen Mängeln behaftet sind, gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. 2 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen.
8. Versicherungsfall und Serienschaden 8.1 1Versicherungsfall ist das während der Wirksamkeit des Vertrages eingetretene Schadenereignis gemäß Ziff. 1.1 AHB. 2Bei Ziff. 4.4.3 und 4.6.4 ist es für den Versicherungsfall – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – unerheblich, dass es sich nicht um Haftpflichtansprüche handelt. 8.2 Der Versicherungsfall tritt ein bei: 8.2.1 Ziff. 4.2 im Zeitpunkt der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Erzeugnisse; 8.2.2 Ziff. 4.3 im Zeitpunkt der Weiterbearbeitung oder -verarbeitung der Erzeugnisse; 8.2.3 Ziff. 4.4 im Zeitpunkt des Einbaus, Anbringens, Verlegens oder Auftragens der Erzeugnisse; 8.2.4 Ziff. 4.5.2.1 bis 4.5.2.5 im Zeitpunkt der Produktion, Be- oder Verarbeitung der in Ziff. 4.5 genannten Sachen; 8.2.5 Ziff. 4.5.2.6 in den für Ziff. 4.2 bis 4.4 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit wel-cher dieser Ziffern die Regelung gemäß Ziff. 4.5.2.6 in Zusammenhang steht; 8.2.6 Ziff. 4.6 in den für Ziff. 4.2 bis 4.5 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die in Ziff. 4.6 geregelte Überprüfung in Zusammenhang steht. 8.3 1Mehrere während der Wirksamkeit des Vertrages eintretende Versicherungsfälle – aus der gleichen Ursache, z.B. aus dem gleichen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler, es sei denn, es besteht zwischen den mehreren gleichen Ursachen kein innerer Zusammenhang, oder – aus Lieferungen solcher Erzeugnisse, die mit den gleichen Mängeln behaftet sind, gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. 2 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen.
Übersicht 1.
A.
ProdHM 2008
I.
Inhalt und Zweck
II.
Ziff. 8.1 ProdHM 2008
2
III.
Ziff. 8.2 ProdHM 2008
4
IV.
Ziff. 8.3 ProdHM 2008
2. 3.
Voraussetzungen der Verbindung zur Se7 rie 8 a) Gleiche Ursachen 10 b) Gleiche Mängel 11 Folgen der Verbindung zur Serie 14 Beweislast
B.
ProdHM 2015
1
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-210
15
942
A. ProdHM 2008
Ziff. 8 ProdHM 2008/2015
A. ProdHM 2008 I. Inhalt und Zweck Ziff. 8.1 und Ziff. 8.2 ProdM 2008 bestimmen den Versicherungsfall im Anwendungsbereich des 1 ProdHM. Ziff. 8.3 ProdHM 2008 legt fest, unter welchen Voraussetzungen mehrere während der Wirksamkeit des Vertrages eintretende Versicherungsfälle als Serienschaden zu behandeln sind (zu Sinn und Zweck von Serienschadensklauseln s. auch Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 1).
II. Ziff. 8.1 ProdHM 2008 Nach Ziff. 8.1 S. 1 ProdHM 2008 ist Versicherungsfall „das während der Wirksamkeit des Ver- 2 trages eingetretene Schadensereignis gemäß Ziff. 1.1 AHB“. Ziff. 1.1 Satz 2 u. 3 AHB 2016 definieren als Schadensereignis „das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den Zeitpunkt der Schadensverursachung, die zum Schadensereignis geführt hat, kommt es nicht an“. Soweit es um den Ersatz von Sach- und Personenschäden geht, tritt der Versicherungsfall nach hier vertretener Ansicht zum Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein (zur Diskussion über die Auslegung von Ziff. 1.1 Satz 2 und 3 AHB 2016 s. Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 4 ff.). Daneben bestimmt Ziff. 8.1 Satz 2 ProdHM 2008, dass es bei den nach Ziff. 4.4.3 und 3 Ziff. 4.6.4 ProdHM 2008 versicherten Ansprüchen, die nicht auf Schadensersatz, sondern auf Ersatz der Nacherfüllungskosten gerichtet sind, abweichend von Ziff. 1.1 AHB 2016 unerheblich ist, dass es sich nicht um Haftpflichtansprüche handelt.
III. Ziff. 8.2 ProdHM 2008 Ziff. 8.2 ProdHM 2008 bestimmt den Zeitpunkt des Versicherungsfalles gesondert für die einzel- 4 nen Bausteine der Ziff. 4.2 ff. ProdHM 2008. Danach tritt gem. Ziff. 8.2.1 bis 8.2.6 ProdHM 2008 der Versicherungsfall (Schadensereignis) jeweils in dem Zeitpunkt ein, in dem das mangelhafte Erzeugnis des VN Eingang in den Produktionsprozess findet. Bei Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden i.S.v. Ziff. 4.2 ProdHM 2008 5 tritt der Versicherungsfall im Zeitpunkt der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Erzeugnisse ein (Ziff. 8.2.1 ProdHM 2008); bei Weiterver- oder -bearbeitungsschäden i.S.v. Ziff. 4.3 ProdHM 2008 im Zeitpunkt der Weiterbearbeitung oder -verarbeitung der Erzeugnisse (8.2.2 ProdHM 2008); bei Aus- und Einbaukosten i.S.v. Ziff. 4.4 ProdHM 2008 im Zeitpunkt des Einbaus, Anbringens, Verlegens oder Auftragens der Erzeugnisse (Ziff. 8.2.3 ProdHM 2008); bei Schäden durch mangelhafte Maschinen i.S.v. Ziff. 4.5.2.1 bis 4.5.2.5 ProdHM 2008 im Zeitpunkt der Produktion, Be- oder Verarbeitung der in Ziff. 4.5 ProdHM 2008 genannten Sachen (Ziff. 8.2.4 ProdHM 2008); bei Schäden durch mangelhafte Maschinen i.S.v. Ziff. 4.5.2.6 ProdHM 2008 und bei Prüf- und Sortierkosten i.S.v. Ziff. 4.6 ProdHM 2008 in den für Ziff. 4.2 bis 4.4 ProdHM 2008 genannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Klauseln die Regelung gem. Ziff. 4.5.2.6 und Ziff. 4.6 ProdHM 2008 in Zusammenhang steht (Ziff. 8.2.5, 8.2.6 ProdHM 2008). Auch ohne diese Regelung käme man unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ausle- 6 gung von Ziff. 1.1 AHB 2016 über die Verweisungskette der Ziff. 8.2 ProdHM 2008 (Versicherungsfall) → Ziff. 8.1 ProdHM 2008 (Schadensereignis gem. Ziff. 1.1 AHB 2016) → Ziff. 1.1 Satz 2 u. 3 AHB 2016 (Beginn des Schadenseintritts)(vgl. Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 6) zu den in Ziff. 8.2.1 bis 8.2.6 ProdHM 2008 genannten Zeitpunkten, weil der (erste) Vermögensschaden nicht bereits in dem Zeitpunkt der Herstellung des mangelhaften Erzeugnisses oder der Auslieferung durch den VN eintritt, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu welchem das fehlerhafte Erzeugnis verbunden, ver943
Koch
Ziff. 8 ProdHM 2008/2015
Versicherungsfall und Serienschaden
mischt, verarbeitet, bearbeitet, eingebaut etc. wird.1 Insoweit merkt Thürmann zu Recht an, dass Ziff. 8.2 ProdHM 2008 „Konkretisierungen [enthält], was für die verschiedenen Unterziffern der Vermögensschadensdeckungen der Ziff. 4.2 ff. als Versicherungsfall i.S.d. Folgeschadenereignisses anzusehen ist“.2 Folgt man dagegen der hier abgelehnten Rechtsprechung des BGH, derzufolge das Schadensereignis i.S.v. Ziff. 1.1 AHB 2016 zeitlich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss (hierzu ausführlich Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 4 ff.), bestimmt sich der Eintritt des Versicherungsfalls bei Sachschäden, die aus einem der in Ziff. 4.2 bis 4.5 ProdHM 2008 beschriebenen Produktionsvorgänge resultieren, somit abweichend von Ziff. 8.1 ProdHM 2008 i.V.m. Ziff. 1.1 AHB 2016.
IV. Ziff. 8.3 ProdHM 2008 1. Voraussetzungen der Verbindung zur Serie 7 Wie die Serienschadenklausel gem. Ziff. 6.3 AHB 2016 knüpft auch Ziff. 8.3 ProdHM 2008 alternativ an die Gleichheit der Ursache (1. Spiegelstrich) und die Gleichheit der Mängel (2. Spiegelstrich) an.
8 a) Gleiche Ursachen. Ziff. 8.3, 1. Spiegelstrich ProdHM 2008 fasst mehrere während der Wirksamkeit des Vertrages eintretende Versicherungsfälle aus der gleichen Ursache zu einem Versicherungsfall zusammen. Beispielhaft werden der gleiche Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler aufgeführt. Nicht erforderlich ist, dass es sich um „dieselbe“ Ursache handelt. Insoweit entspricht die Ursachenklausel des ProdHM 2008 der erweiterten Ursachenklausel i.S.v. Ziff. 6.3, 2. Spiegelstrich AHB 2016, weshalb ergänzend auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 18 ff.). Ebenso wie nach Ziff. 6.3, 2. Spiegelstrich AHB 2016 muss ein innerer Zusammenhang zwischen den gleichen Ursachen bestehen. Es fehlt jedoch der dortige Hinweis, dass es sich „insbesondere um einen sachlichen oder zeitlichen“ Zusammenhang handeln kann. Die gegen die Transparenz von Ziff. 6.3, 2. Spiegelstrich AHB 2016 vorgebrachten Bedenken (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 18 ff.) bestehen gelten hier somit umso mehr. 9 Die Literatur stellt darauf ab, ob die Gleichartigkeit auf Zufall beruht.3 An einem inneren Zusammenhang soll es danach fehlen, wenn ein Mitarbeiter des VN bei der Ausgangskontrolle eines Erzeugnisses dessen Mängel übersieht und ein anderer Mitarbeiter durch Zufall den gleichen Fehler begeht.4 Dagegen soll ein innerer Zusammenhang bestehen, wenn Planungsfehler in einem Betriebsteil sich später bei verschiedenen Produktionsvorgängen in den einzelnen Betriebsstätten auswirken.5
10 b) Gleiche Mängel. Ziff. 8.3, 2. Spiegelstrich ProdHM 2008 fasst mehrere während der Wirksamkeit des Vertrages eintretende Versicherungsfälle zusammen, die aus Lieferungen von Er1 Vgl. OLG Karlsruhe 17.7.2003 – 12 U 228/02, NJOZ 2003 2619, 2623 = VersR 2003 1436; OLG Oldenburg 27.11.1996 – 2 U 202/96, RuS 1997 57 = VersR 1997 732; LG Hannover 27.12.2002 – 6 O 144/02, NJW-RR 2003 817, 818.
2 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 331; vgl. auch Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 2 (Ziff. 8.2 ProdHM bestätigt, dass zur Bestimmung des Schadensereignisses auf das Folgeereignis, nicht auf das Kausalereignis abzustellen ist). 3 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 338; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 229; Littbarski Ziff. 8 Rn. 63. 4 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 434. 5 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 228; Littbarski Ziff. 8 Rn. 62. Koch
944
A. ProdHM 2008
Ziff. 8 ProdHM 2008/2015
zeugnissen resultieren, die mit gleichen Mängeln behaftet sind. Ebenso wie bei Ziff. 6.3, 3. Spiegelstrich AHB 2016 kommt es nur auf die Gleichheit des Mangels der gelieferten Waren/ Erzeugnisse an, während die Erzeugnisse selbst durchaus verschiedenartig sein können. Insoweit wird auf die dortige Kommentierung verwiesen (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 22 ff.).
2. Folgen der Verbindung zur Serie Im Unterschied zu Ziff. 6.3 AHB 2016 und der alternativen Serienschadenklausel (vgl. Ziff. 6 11 AHB 2016 Rn. 11) verklammert Ziff. 8.3 ProdHM 2008 die während der Wirksamkeit des Vertrages eintretenden Serienschäden nicht fiktiv zu einem Schadensereignis, sondern fingiert, dass mehrere Schadensereignisse aus bestimmten Ursachen in dem Zeitpunkt eingetreten sind, in dem das erste dieser Ereignisse eingetreten ist. Ziff. 8.3 ProdHM 2008 enthält also nur eine zeitliche Fiktion.6 Dies hat für den VN einerseits den Vorteil, dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes 12 nicht an der für ein einzelnes Schadensereignis zur Verfügung stehenden Deckungssumme nach Ziff. 9.1 ProdHM 2008 orientiert, sondern an der nach Ziff. 9.2 ProdHM 2008 festgelegten Jahreshöchstleistung (Maximierung), die sich auf ein Mehrfaches der für ein einzelnes Schadensereignis zur Verfügung stehenden Deckungssumme beläuft (zumeist doppelte Maximierung), und zwar desjenigen Jahres, in dem das erste dieser Ereignisse eingetreten ist.7 Nachteilig kann sich für den VN auswirken, dass – ebenso wie bei Ziff. 6.3 AHB 2016 – 13 Deckung nur für Versicherungsfälle besteht, die während der Wirksamkeit des Vertrages eintreten. Das bedeutet, dass sowohl der erste Versicherungsfall als auch alle weiteren zu einer Serie zählenden Versicherungsfälle während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten sein müssen.8 Es besteht somit auch bei Ziff. 8.3 ProdHM 2008 die Möglichkeit für den VR, bei einem Serienschadensrisiko nach dem ersten Versicherungsfall von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Versicherungsvertrag nach Ziff. 19 AHB 2016 zu kündigen. Hier schafft nur die Vereinbarung der alternativen Serienschadenklausel (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 11) Abhilfe (die allerdings wegen der Verklammerung zu einem Versicherungsfall dazu führt, dass nur die für ein einzelnes Schadensereignis bestehende Deckungssumme zur Verfügung steht).9
3. Beweislast Die Beweislast für das Vorliegen des Serienschadens trägt derjenige, der sich auf die Serienscha- 14 densklausel beruft.10 Werden gegen den VN Schadensersatzansprüche aus Versicherungsfällen geltend gemacht, die in verschiedenen Versicherungsjahren eingetreten sind und deren Gesamthöhe die Jahresversicherungssumme überschreitet, muss der VR darlegen und beweisen, dass die Versicherungsfälle auf gleichen Ursachen oder auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen. Aus der Formulierung „es sei denn“ folgt, dass der VN die Darlegungs- und
6 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 345; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 436; Prölss/Martin/ Voit ProdHM Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 3; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 233; Littbarski Ziff. 8 Rn. 74.
7 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 345; Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 233; Littbarski Ziff. 8 Rn. 77. 8 MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 436; Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 3; Littbarski Ziff. 8 Rn. 80 ff.; Meyer-Kahlen VersR 1976 8, 10. 9 Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 350; Thürmann/Kettler/Kettler 270 ff. 10 Vgl. Langheid/Wandt/Thürmann Kap. 310 Rn. 338; Littbarski Ziff. 8 Rn. 61; Ermert/Zölch 176. 945
Koch
Ziff. 8 ProdHM 2008/2015
Versicherungsfall und Serienschaden
Beweislast dafür trägt, dass zwischen den mehreren gleichen Ursachen kein innerer Zusammenhang besteht.11
B. ProdHM 2015 15 Ziff. 8 ProdHM 2015 ist inhaltlich identisch mit Ziff. 8 ProdHM 2008.
11 Vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 230. Koch
946
Ziff. 9 ProdHM 2008/2015
Ziff. 9 Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt ProdHM 2008
ProdHM 2015
9. Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt 9.1 Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden EUR …, für Sach- und Vermögensschäden EUR … 9.2 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres (Maximierung) ist begrenzt auf EUR … für Personenschäden und EUR … für Sachund Vermögensschäden. 9.3 1Der VN hat sich bei jedem Versicherungsfall an den versicherten Schäden in Höhe von EUR … selbst zu beteiligen. 2Im Falle eines Serienschadens i.S.v. Ziff. 8.3 beträgt der Selbstbehalt für alle Versicherungsfälle dieser Serie EUR …
9. Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt 9.1 Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden EUR …, für Sachschäden sowie für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden EUR … Variante für pauschale Versicherungssummen: Die Versicherungssumme beträgt für Personen-, Sachsowie für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden EUR … 9.2 Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres (Maximierung) ist begrenzt auf EUR … für Personenschäden, EUR … für Sachschäden und EUR … für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden. 9.3 Der VN hat sich bei jedem Versicherungsfall an den versicherten Schäden in Höhe von EUR … selbst zu beteiligen. Im Falle eines Serienschadens im Sinne von Ziff. 8.3 beträgt der Selbstbehalt für alle Versicherungsfälle dieser Serie EUR …
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Inhalt und Zweck
II.
Versicherungssumme (Ziff. 9.1 ProdHM 2 2008)
1
III.
Maximierung (Ziff. 9.2 ProdHM)
IV.
Selbstbehalt (Ziff. 9.3 ProdHM 2008)
B.
ProdHM 2015
3 4
6
A. ProdHM 2008 I. Inhalt und Zweck Ziff. 9.1 bis 9.3 ProdHM 2008 bestimmen den Umfang der Leistung des VR. Dieser ist Gegenstand 1 individueller Vereinbarung und deshalb der Inhaltskontrolle entzogen. Hinsichtlich der Höhe der Versicherungssumme und der Bemessung des Selbstbehalts lassen sich allgemeine Aussagen nur schwer treffen, da diese Größen in unmittelbarem Zusammenhang mit der individuellen Risikoanalyse und der betriebswirtschaftlichen Frage nach der Höhe tragbarer Versicherungskosten stehen.1 Benötigt der VN höhere Versicherungssummen, als sein VR bereit ist zu tragen, muss er Exzedentenversicherungsverträge mit anderen VR abschließen.
1 Vgl. Littbarski Ziff. 9 Rn. 2. 947 https://doi.org/10.1515/9783110522686-211
Koch
Ziff. 9 ProdHM 2008/2015
Versicherungssumme, Maximierung und Selbstbehalt
II. Versicherungssumme (Ziff. 9.1 ProdHM 2008) 2 Nach Ziff. 9.1 ProdHM 2008 sind die Versicherungssummen für Personenschäden einerseits und – kombiniert – Sach- und Vermögensschäden andererseits gesondert zu vereinbaren.
III. Maximierung (Ziff. 9.2 ProdHM) 3 Die gem. Ziff. 9.2 ProdHM 2008 vorgesehende Begrenzung der Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres (Maximierung) dient der Risikobeschränkung und -kalkulierung für den VR. Bei der Vereinbarung der Versicherungssumme hat der VN zu beachten, dass ihm bei einem Serienschaden die Jahreshöchstleistung des Jahres zur Verfügung steht, in dem der erste dieser Versicherungsfälle eingetreten ist (vgl. Ziff. 8.3 ProdHM 2008).
IV. Selbstbehalt (Ziff. 9.3 ProdHM 2008) 4 Nach Ziff. 9.3 Satz 1 ProdHM 2008 hat der VN sich bei jedem Versicherungsfall an den versicherten Schäden in einer bestimmten Höhe selbst zu beteiligen. Da sich der Selbstbehalt nur auf die versicherten Schäden bezieht, unterfallen Kosten des VN zur Abwehr von Haftungsansprüchen nicht der Selbstbehaltsklausel (vgl. Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 33).2 Ziff. 9.3 Satz 2 ProdHM 2008 trifft eine Sonderregelung für Serienschäden i.S.v. Ziff. 8.3 5 ProdHM 2008, die dem Umstand Rechnung trägt, dass Serienschäden als separate Versicherungsfälle behandelt werden.3 Um zu verhindern, dass der VN im Falle einer Serie den Selbstbehalt so oft tragen muss, wie einzelne Versicherungsfälle eingetreten sind, sieht Ziff. 9.3 Satz 2 ProdHM 2008 vor, den Selbstbehalt für alle Versicherungsfälle einer Serie auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen. Bei Vereinbarung der alternativen Serienschadenklausel kommt Ziff. 9.3 Satz 2 ProdHM 2008 nicht zur Anwendung.
B. ProdHM 2015 6 Ziff. 9.3 ProdHM 2015 ist inhaltlich identisch mit Ziff. 9.3 ProdHM 2008. Ziff. 9.1 ProdHM 2015 schlägt abweichend von Ziff. 9.1 ProdHM 2008 Textvarianten für den Fall vor, dass mit dem VN für Personenschäden, Sachschäden sowie für gemäß Ziff. 4 ProdHM 2015 versicherte Schäden getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart werden. Sowohl in Ziff. 9.2 als auch in Ziff. 9.3 ProdHM 2015 schlägt das veränderte Konzept (Ziff. 4 ProdHM 2008/2015 Rn. 19) in der Weise durch, dass abweichend von Ziff. 9.2 als auch in Ziff. 9.3 ProdHM 2008 ohne Differenzierung zwischen Sach- und Vermögensschäden eine gesonderte Versicherungssumme für gemäß Ziff. 4 ProdHM 2015 versicherte Schäden vereinbart wird.
2 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 9 Ziff. 9 Rn. 2. 3 Vgl. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 9 Ziff. 9 Rn. 4. Koch
948
Ziff. 10 ProdHM 2008/2015
Ziff. 10 Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken ProdHM 2008
ProdHM 2015
10. Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken 10.1 Der VN hat – wesentliche Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges Ziff. 3.1 (2) AHB, – Risiken, die nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB) zwecks Vereinbarung neuer Prämien und Überprüfung der Bedingungen – abweichend von Ziff. 13.1 und 4.1 AHB – unverzüglich anzuzeigen. 10.2 Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in Ziff. 9.3 genannten Selbstbehalte in Schadensfällen, die mit solchen Erhöhungen oder Erweiterungen oder mit neu entstandenen Risiken in Zusammenhang stehen, auf EUR … 10.3 Für die Vorsorgeversicherung Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB betragen die Versicherungssummen je Versicherungsfall EUR … für Personenschäden und EUR … für Sach- und Vermögensschäden und für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres EUR … für Personenschäden und EUR … für Sach- und Vermögensschäden.
10. Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken 10.1 Der VN hat – wesentliche Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges Ziff. 3.1 (2) AHB, – Risiken, die nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB) zwecks Vereinbarung neuer Prämien und Überprüfung der Bedingungen – abweichend von Ziff. 13.1 und 4.1 AHB – unverzüglich anzuzeigen. 10.2 Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in Ziff. 9.3 genannten Selbstbehalte in Schadenfällen, die mit solchen Erhöhungen oder Erweiterungen oder mit neu entstandenen Risiken in Zusammenhang stehen, auf EUR … 10.3 Für die Vorsorgeversicherung Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB betragen die Versicherungssummen je Versicherungsfall EUR … für Personenschäden, EUR … für Sachschäden und EUR … für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres EUR … für Personenschäden und EUR … für Sachschäden und EUR … für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden.
Übersicht A.
ProdHM 2008
I.
Inhalt und Zweck
II.
Erhöhungen- und -erweiterungen des Produkti2 ons- oder Tätigkeitsumfanges
1
III.
Vorsorgeversicherung
B.
ProdHM 2015
7
8
A. ProdHM 2008 I. Inhalt und Zweck Ziff. 10 ProdHM 2008 bestimmt den Versicherungsschutz für wesentliche Erhöhungen oder Er- 1 weiterungen des Produktions- und Tätigkeitsprogrammes und neu entstehende Risiken (zur Abgrenzung s. Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 32 ff.). Bezüglich der Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften bleibt es bei der Regelung in Ziff. 3.2 AHB 2016.
949 https://doi.org/10.1515/9783110522686-212
Koch
Ziff. 10 ProdHM 2008/2015
Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken
II. Erhöhungen- und -erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges 2 Ziff. 10.1 ProdHM 2008 modifiziert die vertragliche Nebenpflicht des VN zur Anzeige gem. Ziff. 13.1 AHB 2016 für die nach Ziff. 3.1 (2) AHB 2016 mitversicherten Erhöhungen und Erweiterungen des Produktions- und Tätigkeitsprogrammes der im Versicherungsschein angegebenen Risiken (zur Rechtsnatur der Anzeigepflicht s. Ziff. 13 AHB 2016 Rn. 2).1 Der VN ist zwecks Vereinbarung neuer Prämien und Überprüfung der Bedingungen ohne Aufforderung des VR zur unverzüglichen Anzeige verpflichtet. Bei sonstigen Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB 2016 bleibt es bei der Regelung der Ziff. 13.1 AHB 2016. Die Erhöhung/Erweiterung muss wesentlich sein. Im Hinblick darauf, dass Ziff. 10 ProdHM 3 2008 die Regelungen gem. Ziff. 3.1 (2) AHB 2016 ändert, die wiederum §§ 23 ff. VVG (zugunsten des VN) abändern (Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 14 f.), ist diese Formulierung in dem Sinne zu verstehen, dass nur Risikoerhöhungen/-erweiterungen wesentlich sind, die als Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 VVG zu qualifizieren sind. Die Schadensfälle müssen zudem mit den wesentlichen Erhöhungen oder Erweiterungen 4 des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges in Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Erhöhung/Erweiterung (mit-)ursächlich für den Schadensfall ist. Kommt der VN seiner Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in Ziff. 9.3 ProdHM 5 2008 vereinbarten Selbstbehalte in Schadensfällen, die mit solchen Erhöhungen oder Erweiterungen oder mit neu entstandenen Risiken in Zusammenhang stehen, auf die für diesen Fall vereinbarten Betrag. Diese Regelung hat ebenso wie Ziff. 13.2 und Ziff. 13.3 AHB 2016 den Charakter einer Vertragsstrafe, deren Höhe individualvertraglich vereinbart wird. Es bestehen weder gegen die Ausgestaltung der Mitteilungspflichten als echte Rechtspflicht 6 noch gegen die Rechtsfolgenregelung Wirksamkeitsbedenken. Es liegt insbesondere auch keine den VN benachteiligende Abweichung von § 32 VVG vor, da Ziff. 10 AHB 2016 bei einer Saldierung von Vor- und Nachteilen im Vergleich zu den §§ 23 ff. VVG die günstigere Regelung ist (s. Ziff. 13 AHB 2016 Rn. 23, Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 14 f.).
III. Vorsorgeversicherung 7 Zum Begriff/Vorliegen des neuen Risikos siehe die Kommentierung zu Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 12 ff. Abweichend von Ziff. 4.1 (1) AHB 2016 hat der VR neue Risiken von sich aus unverzüglich anzuzeigen. Einer Aufforderung durch den VR bedarf es nicht. Auf der anderen Seite verliert der VN nach Ziff. 10.2 ProdHM 2008 nicht den Versicherungsschutz, wenn er die rechtzeitige Mitteilung unterlässt. Stattdessen tritt die zuvor für die Risikoerhöhung/-erweiterung genannte Erhöhung des Selbstbehalts für solche neuen Risiken ein, die (mit-)ursächlich für den Schadenseintritt geworden sind. Ebenso wie Ziff. 4.2 AHB 2016 sieht Ziff. 10.3 ProdHM 2008 für neue Risiken Versicherungssummen und eigene Maximierungen vor.
B. ProdHM 2015 8 Ziff. 10 ProdHM entspricht inhaltlich Ziff. 10 ProdHM. Auch hier schlägt das veränderte Konzept (Ziff. 4 ProdHM 2008/2015 Rn. 19) in der Weise durch, dass ohne Differenzierung zwischen Sachund Vermögensschäden eine gesonderte Vorsorgeversicherungssumme für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden vereinbart wird. 1 Späte/Schimikowski/Schimikowski ProdHM Rn. 251; Littbarksi Ziff. 10 Rn. 79; a.A. Prölss/Martin/Voit ProdHM Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 1; MAH Versicherungsrecht/Stempfle § 15 Rn. 439; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider § 33 Rn. 12: Obliegenheit. Koch
950
B. A3 AVB BHV (Produkthaftpflichtrisiko) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) (AVB BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2021) Abschnitt A3 Produkthaftpflichtrisiko
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Präambel A3-1 Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko A3-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten(Versicherungsnehmer und mitversicherten Personen) A3-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall A3-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des Versicherers A3-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) A3-6 Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken, deren Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse A3-6.1 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen (Tätigkeitsschäden) A3-6.2 Vertraglich übernommene Haftpflicht A3-6.3 Schäden im Ausland A3-6.4 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden A3-6.5 Schäden durch Strahlen A3-6.6 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A3-6.7 Geothermie A3-6.8 Vermögensschäden durch Energiemehraufwand A3-7 Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen A3-7.1 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden A3-7.2 Weiterverarbeitungs- und Weiterbearbeitungsschäden A3-7.3 Aus- und Einbaukosten A3-7.4 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ) A3-7.5 Prüf- und Sortierkosten; Versicherungsschutz gemäß Ziffer A3-7.1 bis A3-7.4 für Produkte mit Mangelverdacht (fakultativ) A3-7.6 Versicherungsfall und Zeitpunkt seines Eintritts A3-7.7 Besondere Ausschlüsse für die erweiterten Produkthaftpflichtbedingungen A3-7.7.1 Folgeschäden A3-7.7.2 Verbundene Unternehmen A3-7.7.3 Rückrufkostenausschluss A3-8 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.1 Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden A3-8.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A3-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander A3-8.4 Schadensfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen
951 https://doi.org/10.1515/9783110522686-213
Koch
A3 AVB BHV
Vorbemerkung
A3-8.5
A3-9 A3-10 A3-11 A3-12
Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A3-8.6 Asbest A3-8.7 Gentechnik A3-8.8 Rechtsmängel A3-8.9 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen A3-8.10 Abwässer, Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen A3-8.11 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb A3-8.12 Übertragung von Krankheiten A3-8.13 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A3-8.14 Luft- und Raumfahrzeuge A3-8.15 Wasserfahrzeuge A3-8.16 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb A3-8.17 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt A3-8.18 Entschädigungen mit Strafcharakter („punitive damages“) A3-8.19 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen A3-8.20 Arzneimittel A3-8.21 Sprengstoffe, Feuerwerke A3-8.22 Brennbare und explosible Stoffe A3-8.23 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen A3-8.24 Ansprüche nach Umweltschadensgesetz A3-8.25 Schäden im Zusammenhang mit dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten A3-8.26 Erprobungsklausel A3-8.27 Kommissionsware A3-8.28 Umweltrisiko Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) Zeitliche Begrenzung Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung)
Vorbemerkung 1 Das ProdHM 2008 wurde mit den Änderungen im ProdHM 2015 in die AVB BHV integriert. In der neuen Struktur wird das allgemeine Produkthaftpflichtrisiko standardmäßig über die Produkthaftpflichtversicherung (A3-1 AVB BHV) gedeckt und nicht mehr – wie bei den AHBbasierenden Deckungen über das Betriebsstätten-Risiko im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung. Die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung, die Gegenstand des ProdHM 2008/ 2015 ist, kann durch einen fakultativ zu vereinbarenden Baustein vereinbart werden (A3-7 AVB BHV). Nachstehend werden A3 AVB BHV und das ProdHM 2015 synoptisch gegenübergestellt, um 2 aufzuzeigen, welche Änderungen es im Deckungsumfang seit der Strukturreform gegeben hat.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-214
952
A3 AVB BHV
Präambel Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2021) Abschnitt A3 Produkthaftpflichtrisiko
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015) und Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Musterbedingungsstruktur AT (BBR BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015) und Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016) Präambel 1 Der Versicherungsschutz für Produkthaftpflichtrisiken richtet sich nach den folgenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen. 2Soweit diese Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen keine besonderen Regelungen vorsehen, finden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) Anwendung.
Dieser Versicherungsschutz beginnt mit dem Zeitpunkt, 3Dieser Versicherungsschutz beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der VN die Erzeugnisse in den Verkehr in dem der VN die Erzeugnisse in den Verkehr gebracht, gebracht, die Arbeiten abgeschlossen oder die die Arbeiten abgeschlossen oder die Leistungen Leistungen ausgeführt hat. ausgeführt hat.
Der Einleitungssatz von A3 AVB BHV entspricht Satz 2 der Präambel des ProdHM 2015.
953 https://doi.org/10.1515/9783110522686-215
1
Koch
A3-1
A3-1 Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-1 Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko A3-1.11 Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers für Personen-, Sach- und sich daraus ergebende Vermögensschäden – nicht jedoch für in A3-7 benannte Schäden – soweit diese durch vom VN – hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, – erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden. 2 Schäden nach A3-7 können im Umfang des Versicherungsschutzes nach Abschnitt A3 (Produkthaftpflichtrisiko) gesondert versichert werden.
Ziff. 1 ProdHM Gegenstand der Versicherung, versichertes Risiko 1 Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des VN für Personen-, Sach- und sich daraus ergebende Vermögensschäden – nicht jedoch für in Ziff. 4 benannte Schäden – soweit diese durch vom VN – hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, – erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden. 2 Schäden nach Ziff. 4 können im Umfang dieser Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen gesondert versichert werden
A3-1.2 Der Versicherungsschutz bezieht sich auf den Produktions- und Tätigkeitsumfang der Betriebsbeschreibung, die sich aus dem Versicherungsschein und seinen Nachträgen ergibt. A3-1.3 1Im Rahmen dieses Risikos sind mitversichert Ansprüche wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte (Subunternehmer). 2 Nicht versichert ist die Haftpflicht der Subunternehmer selbst und deren Betriebsangehörige.
Ziff. 2 ProdHM Versichertes Risiko und mitversicherte Personen 2.1 1Der Versicherungsschutz bezieht sich auf den in der Betriebsbeschreibung genannten Produktions- und Tätigkeitsumfang. 2 Im Rahmen dieses Risikos sind mitversichert Ansprüche wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte (Subunternehmer). 3 Nicht versichert bleibt die Haftpflicht der Subunternehmer selbst und deren Betriebsangehörige
1 A3-1 AVB BHV betrifft das allgemeine Produkthaftpflichtrisiko. Das erweiterte Produkthaftpflichtrisiko bedarf gesonderter Versicherung. Inhaltlich entspricht diese Regelung Ziff. 1 und Ziff. 2.1 ProdHM 2015.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-216
954
A3-2 AVB BHV
A3-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen) A3-2.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht A3-2.1.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, für Schäden, die sie in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten für den VN verursachen. A3-2.1.2 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten für den VN verursachen. 2 Betriebsangehörige sind beispielsweise auch in den Betrieb eingegliederte Arbeitnehmer fremder Unternehmen, Praktikanten, Volontäre und Hospitanten. 3Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des Versicherungsnehmers gemäß dem SGB VII handelt. 4 Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
2.2 ProdHM 1 Mitversichert ist die persönliche gesetzliche Haftpflicht 2.2.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teils desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; 2.2.2 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt.
A3-2.1.3 des Insolvenzverwalters und Zwangsverwalters für Schäden aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit.
Fehlanzeige
A3-2.1.4 Versicherungsschutz für die in A3-2.1.1 bis A3-2.1.3 genannten Personen besteht auch, wenn sie aus ihrer früheren Tätigkeit für den versicherten Betrieb in Anspruch genommen werden.
Fehlanzeige
A3-2.2 Alle für den VN geltenden Vertragsbestimmungen sind auf die mitversicherten Personen entsprechend anzuwenden. Dies gilt nicht für die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A310), wenn das neue Risiko nur für eine mitversicherte Person entsteht. A3-2.3 Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, entfällt der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen. A3-2.4 Die Rechte aus diesem Versicherungsvertag darf nur der VN ausüben. Für die Erfüllung der Obliegenheiten sind sowohl der VN als auch die mitversicherten Personen verantwortlich.
Ziff. 27 AHB Mitversicherte Person 27.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4.) gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Mitversicherten entsteht. 27.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2 Er ist neben den Mitversicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
955 https://doi.org/10.1515/9783110522686-217
Koch
A3-2 AVB BHV
Regelungen zu mitversicherten Personen
1 A3-2.1.1 und A3-2.1.2 AVB BHV entsprechen Ziff. 2.2 ProdHM 2015 und Ziff. 7.1.2.3 und 7.1.2.4 BBR BHV, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 48 ff.). Das Erfordernis in A1-2.1.1 AVB BHV, dass Schäden der gesetzlichen Vertreter und des sonstigen Leistungspersonals „in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten“ für den VN verursacht worden sein müssen, dient ebenso wie die Formulierung „in dieser Eigenschaft“ in Ziff. 2.2.1 ProdHM 2015 und Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV der Abgrenzung zur Privathaftpflicht (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 48). Hinsichtlich des Kreises der Betriebsangehörigen führt A1-2.1.2 Satz 2 AVB BHV im Vergleich zum ProdhM 2015 und den BBR BHV zu keiner Deckungseinschränkung, da die in A1-2.1.2 Satz 2 AVB BHV genannten Personen nur beispielhaft und nicht abschließend („sind beispielsweise auch“) aufgeführt sind. 2 A3-2.1.3, A3-2.1.4, A3-2.2, A3-2.3 und A3-2.4 AVB BHV sind identisch mit A1-2.1.3, A1-2.1.4, A12.2, A1-2.3 und A1-2.4 AVB BHV, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch
956
A3-3 AVB BHV
A3-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-3 Versicherungsschutz, Versicherungsfall
Ziff. 1 AHB Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
A3-3.1 1Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadensereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2 Schadensereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3 Auf den Zeitpunkt der Schadensverursachung, die zum Schadensereignis geführt hat, kommt es nicht an.
1.1 1Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 2 Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. 3Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.
A3-3.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, soweit diese nicht in A3-6.2 oder A3-7 ausdrücklich mitversichert sind, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
1.2 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung; b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können; c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges; d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung; e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung; f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.
A3-3.3 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, soweit sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder Zusage über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
Ziff. 7 AHB Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen 7.3 Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
A. A3-3.1 AVB BHV A3-3.1 AVB BHV entspricht Ziff. 1.1 AHB 2016, wobei infolge des Hinweises in A1-1 AVB BHV auf 1 die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem im Versicherungsschein angegebenen Betrieb mit seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten oder aus der Ausübung der im Versicherungsschein beschriebenen beruflichen Tätigkeit der Passus „im Rahmen des versicherten Risikos“ entfallen ist. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 1.1 AHB 2016. 957 https://doi.org/10.1515/9783110522686-218
Koch
A3-3 AVB BHV
Versicherungsschutz, Versicherungsfall
B. A3-3.2 AVB BHV 2 A3-3.2 AVB BHV entspricht Ziff. 1.2 AHB 2016. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 1.2 AHB 2016.
C. A3-3.3 AVB BHV 3 A3-3.3 AVB BHV entspricht Ziff. 7.3 AHB 2016, der nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 7.3 AHB 2016.
Koch
958
A3-4 AVB BHV
A3-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des Versicherers A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR
Ziff. 5 AHB
A3-4.1 1Der Versicherungsschutz umfasst a) die Prüfung der Haftpflichtfrage, b) die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und c) die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleichs zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
5.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3 Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
A3-4.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR bevollmächtigt, den Prozess zu führen. 3Der VR führt dann den Rechtsstreit auf seine Kosten im Namen des VN.
5.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR zur Prozessführung bevollmächtigt. 3Er führt den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten.
A3-4.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gesetzliche Vergütung oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
5.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
A3-4.4 Erlangt der VN oder eine mitversicherte Person das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR zur Ausübung dieses Rechts bevollmächtigt.
5.4 Erlangt der VN oder ein Mitversicherter das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR zur Ausübung dieses Rechts bevollmächtig.
A3-4.1 bis A3-4.4 AVB BHV entsprechen weitgehend wörtlich Ziff. 5.1 bis 5.4 AHB 2016. Zu den 1 Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 5 AHB 2016.
959 https://doi.org/10.1515/9783110522686-219
Koch
A3-5 AVB BHV
A3-5 Begrenzung der Leistungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung)
Ziff. 6 AHB Begrenzung der Leistungen
A3-5.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden EUR …, für Sachschäden sowie für gemäß A3-7 versicherte Schäden EUR … Variante für pauschale Versicherungssummen: Die Versicherungssumme beträgt für Personen-, Sachsowie für gemäß A3-7 versicherte Schäden EUR …
6.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt.
A3-5.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Die Entschädigungsleistungen des VR sind für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
6.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Entschädigungsleistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …fache der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt.
A3-5.3 Mehrere während der Wirksamkeit des Vertrags eintretende Versicherungsfälle a) aus der gleichen Ursache, z.B. aus dem gleichen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler, es sei denn, es besteht zwischen den mehreren gleichen Ursachen kein innerer Zusammenhang, oder b) aus Lieferungen solcher Erzeugnisse, die mit den gleichen Mängeln behaftet sind, gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste dieser Versicherungsfälle eingetreten ist.
6.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang oder – auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen.
A3-5.4 1Falls vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall an der Entschädigungsleistung des VR mit einem im Versicherungsschein und seinen Nachträgen festgelegten Betrag (Selbstbeteiligung). 2 Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. A3-5.1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, bleibt der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet. Im Falle eines Serienschadens im Sinne von A3-5.3 beträgt der Selbstbehalt für alle Versicherungsfälle dieser Serie EUR …
6.4 1Falls besonders vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt). 2Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3Ziff. 6.1 bleibt unberührt. 4Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, ist der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet.
A3-5.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
6.5 Die Aufwendungen des VR für Kosten werden nicht auf die Versicherungssummen angerechnet.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-220
960
Begrenzung der Leistungen
A3-5 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-5.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
6.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
A3-5.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls. 3Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muss, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
6.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet. 2Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
A3-5.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
6.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen.
A3-5.1 bis A3-5.8 AVB BHV entsprechen weitgehend wörtlich Ziff. 6.1 bis 6.8 AHB 2016. Lediglich 1 die Lieferungen von Waren mit gleichen Mängeln begründet keinen Serienschaden mehr. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung von Ziff. 6 AHB 2016. Neu ist, dass im Anschluss an A3-5.1 AVB PHV Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, ob mit VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind.
961
Koch
A3-6 AVB BHV
A3-6 Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken, deren Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Zu A3-6 und (falls vereinbart) A3-7 gilt: 1 A3-6 und A3-7 regeln den Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken und die erweiterten Produkthaftpflichtbedingungen, deren Risikobegrenzungen und die für diese Risiken geltenden besonderen Ausschlüsse. 2Soweit A3-6 und A3-7 keine abweichenden Regelungen enthalten, finden auch auf die in A3-6 und A3-7 geregelten Risiken alle anderen Vertragsbestimmungen Anwendung (z.B. A3-4 – Leistung der Versicherung und A3-8 – Allgemeine Ausschlüsse). A3-6 Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken, deren Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse
Ziff. 3 ProdHM Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
A3-6.1 Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen (Tätigkeitsschäden) A3-6.1.1 1Tätigkeitsschäden sind Schäden an fremden Sachen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit, die dadurch entstanden sind, dass der VN oder ein Bevollmächtigter oder Beauftragter des VN a) an diesen Sachen tätig geworden ist (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung oder dergleichen), b) diese Sachen zur Durchführung seiner Tätigkeiten als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche oder dergleichen benutzt hat oder c) Sachen beschädigt hat, die sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben. Sind zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen getroffen worden, um diese Schäden zu vermeiden, liegt kein Tätigkeitsschaden vor. 2 Bei unbeweglichen Sachen liegt ein solcher Tätigkeitsschaden nur dann vor, wenn diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen gewesen, unmittelbar benutzt worden sind oder sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich befunden haben.
Ziff. 7 AHB Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen 7.7 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn (1) die Schäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN an diesen Sachen (Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung und dgl.) entstanden sind; bei unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Tätigkeit betroffen waren; (2) die Schäden dadurch entstanden sind, dass der VN diese Sachen zur Durchführung seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeiten (als Werkzeug, Hilfsmittel, Materialablagefläche und dgl.) benutzt hat; bei unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar von der Benutzung betroffen waren; (3) die Schäden durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit des VN entstanden sind und sich diese Sachen oder – sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt – deren Teile im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Tätigkeit befunden haben; dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der VN beweist, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeit offensichtlich notwendige Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Schäden getroffen hatte.
A3-6.1.2 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Tätigkeitsschäden, die nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistungen
Ziff. 3.1 ProdHM Schäden durch Bearbeitung fremder Sachen (Tätigkeitsschäden) 1 Eingeschlossen sind abweichend von Ziff. 7.7 AHB gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-221
962
Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
A3-6 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
eingetreten sind. 2Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung von a) Kraft, Schienen und Wasserfahrzeugen, Containern sowie deren Ladung; b) Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder sonstigen Zwecken befinden oder befunden haben.
an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen entstanden sind, und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dieser Versicherungsschutz besteht nur, sofern die Schäden nach Abschluss der Arbeiten oder Ausführung der sonstigen Leistungen eingetreten sind. 3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung von – Kraft-, Schienen- und Wasserfahrzeugen, Containern sowie deren Ladung; – Sachen, die sich beim VN zur Lohnbe- oder -verarbeitung, Reparatur oder sonstigen Zwecken befinden oder befunden haben.
Variante für getrennte Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 4Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 5 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 4Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 5 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN:…
Variante für getrennte Versicherungssummen: Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Tätigkeitsschäden beträgt je Versicherungsfall EUR … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt EUR … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 4
A3-6.2 Vertraglich übernommene Haftpflicht Versichert ist eine vertragliche Haftungserweiterung ausschließlich insoweit, A3-6.2.1 Vereinbarte Eigenschaften als der VN für auf Sachmängeln beruhende Schadensersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
Ziff. 3.2 ProdHM Vertraglich übernommene Haftpflicht 3.2.1 Vereinbarte Eigenschaften Eingeschlossen sind – insoweit abweichend von Ziff. 1.1, 1.2 und 7.3 AHB – auf Sachmängeln beruhende Schadensersatzansprüche Dritter im gesetzlichen Umfang wegen Personen-, Sach- und daraus entstandener weiterer Schäden, wenn der VN aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Abnehmer über bestimmte Eigenschaften seiner Erzeugnisse, Arbeiten und Leistungen dafür verschuldensunabhängig einzustehen hat, dass diese bei Gefahrübergang vorhanden sind.
A3-6.2.2 Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht 1 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: als der VN gegenüber seinen Abnehmern vertraglich auf die Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 377 HGB, Art. 38, 39 UN-Kaufrecht oder vergleichbarer anwendbarer Bestimmungen verzichtet. 2 Versicherungsschutz besteht nur, wenn der VN mit seinen Abnehmern vereinbart, dass eine
Ziff. 3.2.2 ProdHM Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 – die Haftpflicht des VN wegen Personen-, Sach- und daraus entstandener weiterer Schäden, soweit der VN gegenüber seinen Abnehmern vertraglich auf die Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 377 HGB, Art. 38, 39 UN-Kaufrecht oder vergleichbarer
963
1
Koch
A3-6 AVB BHV
Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
A3 AVB BHV Eingangskontrolle in Form einer Sichtprüfung auf offensichtliche Mängel, Transportschäden und Identität der Ware beim Abnehmer durchgeführt wird und erkannte Mängel unverzüglich beim VN gerügt werden müssen sowie unter der Voraussetzung, dass ein Qualitätssicherungsmanagement mit branchenüblichem Standard (z.B. ISO 9000 ff.) beim VN eingeführt und eine Ausgangskontrolle geregelt ist.
A3-6.3 Schäden im Ausland A3-6.3.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland eintretender Versicherungsfälle ausschließlich a) aus Arbeiten und Leistungen im Inland oder europäischen Ausland; b) durch Erzeugnisse, die ins Ausland gelangt sind, ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen; c) durch Erzeugnisse, die der VN ins europäische Ausland geliefert hat, hat liefern lassen oder die dorthin gelangt sind. Zu b) und c): Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeitpunkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung dorthin bestimmt waren. d) aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind, insoweit, als diese Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten den Bestimmungen des SGB VII unterliegen. Dies gilt ausschließlich für den VN und für die in A3-2.1.1 genannten Personen 2 Falls im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten (z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger) versichert werden sollen, bedarf es einer besonderen Vereinbarung. A3-6.3.2 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugenund Gerichtskosten, werden – abweichend von A35.5 – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. A3-6.3.3 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Koch
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016 Bestimmungen verzichtet. Versicherungsschutz besteht nur, wenn der VN mit seinen Abnehmern vereinbart, – dass eine Eingangskontrolle in Form einer Sichtprüfung auf offensichtliche Mängel, Transportschäden und Identität der Ware beim Abnehmer durchgeführt wird und – erkannte Mängel unverzüglich beim VN gerügt werden müssen – sowie unter der Voraussetzung, dass ein Qualitätssicherungsmanagement mit branchenüblichem Standard (z.B. ISO 9000 ff.) beim VN eingeführt und eine Ausgangskontrolle geregelt ist.
2
Ziff. 7.7 BBR BHV Einschluss von Auslandsschäden in die Betriebshaftpflichtversicherung Insgesamt gilt: 7.7.1 1Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland vorkommender Versicherungsfälle a. aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten; b. durch Erzeugnisse, die ins Ausland gelangt sind, ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen; c. durch Erzeugnisse, die der VN ins europäische Ausland geliefert hat, hat liefern lassen oder die dorthin gelangt sind; d. aus Bau-, Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten (auch Inspektion und Kundendienst) oder sonstigen Leistungen im Inland oder europäischen Ausland. 2 Zu Buchst. b. und c.: 3 Für Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeitpunkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung in die USA, USTerritorien oder nach Kanada bestimmt waren, besteht Versicherungsschutz nur nach besonderer Vereinbarung. (Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger u. dgl. sowie eine Erweiterung des Export-, Arbeits- oder Leistungsrisikos auf Länder außerhalb Europas) 7.7.2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB);
964
Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
A3-6 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. A3-6.3.4 Bei Versicherungsfällen in den USA/USTerritorien und Kanada oder Ansprüchen, die dort geltend gemacht werden, gilt: Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten gemäß A3-6.3.2 berücksichtigt.
7.7.3 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 7.7.4 Bei Versicherungsfällen in den USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen gilt: Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … Kosten gemäß Ziff. 7.7.3 gelten als Schadensersatzleistungen. 7.7.5 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
A3-6.4 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen, die im Ausland geltend gemacht werden, gelten A36.3.2 bis A3-6.3.4.
Ziff. 7.8 BBR BHV Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen, die im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Ziffern 7.7.3 – 7.7.5.
A3-6.5 Schäden durch Strahlen A3-6.5.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen stehen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen), ausschließlich für vom VN gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet werden, ohne dass dies für den VN ersichtlich war. A3-6.5.2 Dies gilt nicht für Schäden, a) die durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen; b) die durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind.
Ziff. 7.1.3.1 BBR BHV Strahlenschäden 7.1.3.1.1 Eingeschlossen ist abweichend von Ziff. 7.12 AHB und Ziff. 7.10 (b) AHB die gesetzliche Haftpflicht des VN aus – dem deckungsvorsorgefreien Umgang mit radioaktiven Stoffen; – Besitz und Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern. Soweit der vorstehende Einschluss auch Schäden durch Umwelteinwirkung umfasst, besteht kein Versicherungsschutz über die Umwelthaftpflicht-Basis-Versicherung. 7.1.3.1.2 Werden vom VN gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet, ohne dass dies für den VN ersichtlich war, wird sich der VR nicht auf Ziff. 7.12 AHB berufen. Dies gilt nicht für Schäden, – die durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen; – die durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind. 7.1.3.1.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – wegen Personenschäden solcher Personen, die gleichgültig für wen oder in wessen Auftrag aus beruflichem oder wissenschaftlichem Anlass im Betrieb des VN eine Tätigkeit ausüben und hierbei die von energiereichen ionisierenden Strahlen oder Laserstrahlen ausgehenden Gefahren in Kauf zu nehmen haben;
965
Koch
A3-6 AVB BHV
Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016 – gegenüber jedem VN oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen verursacht hat.
A3-6.6 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger Soweit Versicherungsschutz für nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge/KraftfahrzeugAnhänger nach A1-6.5 besteht, sind diese Risiken – insoweit abweichend von A3-8.13 – auch nach Abschnitt A3 versichert.
S. Ziff. 7.5 BBR BHV Mitversicherung des KfzHaftpflichtrisikos
A3-6.7 Geothermie 1 Eine Geothermie-Anlage ist eine Anlage, in der Erdwärme dem Untergrund entnommen wird. 2 Alle oberirdischen Anlagenteile gehören nicht zu der Geothermie-Anlage im Sinne dieser Bedingungen. Satz 1 und Satz 2 gelten gleichermaßen für Flächengeothermie und Geothermiemittels Bohrung. A3-6.7.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden ausschließlich im Zusammenhang mit a) Flächengeothermie-Anlagen (z.B. Erdkollektoren, Erdwärmekörbe), b) Herstellung und Lieferung von Teilen für Geothermie-Anlagen. 2 Falls Geothermie-Anlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden, versichert werden sollen, kann der Versicherungsschutz durch besondere Vereinbarung im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen erweitert werden. A3-6.7.2 Die folgenden Ausschlüsse finden keine Anwendung: a) A3-8.10 (Senkungen, Erdrutschung und Überschwemmungen), b) A3-8.11 (Bergschaden, Schäden beim Bergbaubetrieb).
Fehlanzeige
A3-6.8 Vermögensschäden durch Energiemehraufwand 1 Versichert ist – abweichend von A3-1.1 – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch Sachschäden entstanden sind, aus einem erhöhten Energie- oder Wasserverbrauch aufgrund vom VN mangelhaft erbrachter Installations-, Reparatur- oder Wartungsarbeiten. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche infolge der Unwirksamkeit von Energiesparmaßnahmen.
Fehlanzeige
1 Die Definition der Tätigkeitsschäden in A3-6.1.1 AVB BHV entspricht den Tätigkeitsschäden, die nach Ziff. 7.7 AHB 2016 von der Deckung ausgenommen werden. A3-6.1.2 AVB BHV entspricht Ziff. 3.1 ProdHM, A3-6.2 AVB BHV entspricht Ziff. 3.2 ProdHM, A3-6.3 AVB BHV entspricht Ziff. 7.7
Koch
966
Versicherungsschutz für besondere Produkthaftpflichtrisiken
A3-6 AVB BHV
BBR BHV, A3-6.4 AVB BHV entspricht Ziff. 7.8 BBR BHV und A3-6.5 AVB BHV entspricht Ziff. 7.1.3.1 BBR BHV. Weitergehend wird Versicherungssschutz nach A3-6.7 AVB BHV wegen Schäden ausschließ- 2 lich im Zusammenhang mit Flächengeothermie-Anlagen geboten, der A1-6.14.1 AVB BHV entspricht (A1-6 AVB BHV Rn. 21 f.). Die sublimitierte Versicherung des VN wegen Vermögensschäden aus einem erhöhten 3 Energie- oder Wasserverbrauch aufgrund vom VN mangelhaft erbrachter Installations-, Reparatur- oder Wartungsarbeiten in A3-6.8 AVB BHV entspricht A1-6.12.2 AVB BHV (A1-6 AVB BHV Rn. 18).
967
Koch
A3-7 AVB BHV
A3-7 Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-7 Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen Falls folgende zusätzliche Risiken versichert werden sollen, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
Ziff. 4 ProdHM Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen Falls folgende zusätzliche Risiken versichert werden sollen, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
Zu A3-7 gilt: 1 Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 2 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich. 3 Mangelhaftigkeit im Sinne dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. 4 A3-6.2 (vertraglich übernommene Haftpflicht) und A36.3 (Schäden im Ausland) finden Anwendung.
4.1 Begriffsbestimmungen/Anwendbarkeit von Ziff. 3.2 Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 2 Mängel bei der Beratung über die An- oder Verwendung der vom VN hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse sowie Falschlieferungen stehen Mängeln in der Herstellung oder Lieferung gleich. 3 Mangelhaftigkeit im Sinne dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. 4 Ziff. 3.2 (vertraglich übernommene Haftpflicht) findet auf Schäden gem. Ziff. 4.2 ff. Anwendung.
A3-7.1 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden A3-7.1.1 Versichert sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in A37.1.2 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch eine aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht trennbare Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen mit anderen Produkten entstanden sind.
Ziff. 4.2 Verbindungs-, Vermischungs-, Verarbeitungsschäden 4.2.1 Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.2.2 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch eine aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht trennbare Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen mit anderen Produkten entstanden sind.
A3-7.1.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen a) der Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte; b) anderer für die Herstellung der Gesamtprodukte aufgewendeter Kosten mit Ausnahme des Entgelts für die mangelhaften Erzeugnisse des VN; c) 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der Gesamtprodukte oder für eine andere Schadensbeseitigung. 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des Versicherungsnehmers zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadensbeseitigung) steht; d) 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinns), weil die Gesamtprodukte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können. 2 Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die
4.2.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.2.2.1 der Beschädigung oder Vernichtung der anderen Produkte; 4.2.2.2 anderer für die Herstellung der Gesamtprodukte aufgewendeter Kosten mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN; 4.2.2.3 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der Gesamtprodukte oder für eine andere Schadenbeseitigung. 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadenbeseitigung) steht; 4.2.2.4 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die Gesamtprodukte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können. 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-222
1
968
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3-7 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN für die Gesamtprodukte zu erzielen gewesen wäre; e) 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten durch den Produktionsausfall, der aus der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte herrührt. 2Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert.
Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN für die Gesamtprodukte zu erzielen gewesen wäre; 4.2.2.5 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten durch den Produktionsausfall, der aus der Mangelhaftigkeit der Gesamtprodukte herrührt. 2 Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert.
A3-7.2 Weiterverarbeitungs- und Weiterbearbeitungsschäden A3-7.2.1 Versichert sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in A37.2.2 genannten Schäden infolge Weiterverarbeitung oder -bearbeitung mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse, ohne dass eine Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit anderen Produkten stattfindet.
4.3 Weiterverarbeitungs- und Weiterbearbeitungsschäden 4.3.1 Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.3.2 genannten Schäden infolge Weiterverarbeitung oder -bearbeitung mangelhaft hergestellter oder gelieferter Erzeugnisse, ohne dass eine Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit anderen Produkten stattfindet.
A3-7.2.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen a) Kosten für die Weiterverarbeitung oder -bearbeitung der mangelhaften Erzeugnisse mit Ausnahme des Entgelts für die mangelhaften Erzeugnisse des VN, sofern die verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse unveräußerlich sind; b) 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse oder für eine andere Schadensbeseitigung. 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadensbeseitigung) steht; c) 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinns), weil die weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können. 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN nach Weiterverarbeitung oder -bearbeitung zu erwarten gewesen wäre.
4.3.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.3.2.1 Kosten für die Weiterverarbeitung oder -bearbeitung der mangelhaften Erzeugnisse mit Ausnahme des Entgeltes für die mangelhaften Erzeugnisse des VN, sofern die verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse unveräußerlich sind; 4.3.2.2 1Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse oder für eine andere Schadenbeseitigung. 2Der VR ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse (nach Nachbearbeitung oder anderer Schadenbeseitigung) steht; 4.3.2.3 1weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die weiterverarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können. 2Der VR ersetzt diese Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des VN nach Weiterverarbeitung oder -bearbeitung zu erwarten gewesen wäre.
A3-7.3 Aus- und Einbaukosten A3-7.3.1 Versichert sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in A37.3.2 und A3-7.3.3 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen entstanden sind.
4.4 Aus- und Einbaukosten 4.4.1 Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.4.2 und 4.4.3 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten Dritter, die durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen entstanden sind.
969
Koch
A3-7 AVB BHV
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-7.3.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen a) 1Kosten für den Austausch mangelhafter Erzeugnisse (nicht jedoch von deren Einzelteilen), d.h. Kosten für das Ausbauen, Abnehmen, Freilegen oder Entfernen mangelhafter Erzeugnisse und das Einbauen, Anbringen, Verlegen oder Auftragen mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. 2Vom Versicherungsschutz ausgenommen bleiben die Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. b) 1Kosten für den Transport mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN. 2Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN bzw. vom Dritten zum Ort des Austauschs geringer als die Kosten des Transports vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austauschs, sind nur die Kosten des Direkttransports versichert. A3-7.3.3 Ausschließlich für die in A3-7.3.2 genannten Kosten besteht in Erweiterung zu A3-7.3.1 Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden. A3-7.3.4 Kein Versicherungsschutz besteht, wenn a) der VN die mangelhaften Erzeugnisse selbst eingebaut oder montiert hat oder in seinem Auftrag, für seine Rechnung oder unter seiner Leitung hat einbauen oder montieren lassen; dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass die Mangelhaftigkeit nicht aus dem Einbau, der Montage oder Montageleitung, sondern ausschließlich aus der Herstellung oder Lieferung resultiert; b) sich die Mangelbeseitigungsmaßnahmen gemäß A3-7.3.1 bis A3-7.3.3 auf Teile, Zubehör oder Einrichtungen von Kraft-, Schienen-, oder Wasserfahrzeugen beziehen, soweit diese Erzeugnisse im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von oder den Einbau in Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeugen bestimmt waren.
4.4.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.4.2.1 1Kosten für den Austausch mangelhafter Erzeugnisse (nicht jedoch von deren Einzelteilen), d.h. Kosten für das Ausbauen, Abnehmen, Freilegen oder Entfernen mangelhafter Erzeugnisse und das Einbauen, Anbringen, Verlegen oder Auftragen mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. Vom Versicherungsschutz ausgenommen bleiben die Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter. 4.4.2.2 1Kosten für den Transport mangelfreier Erzeugnisse oder mangelfreier Produkte Dritter mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des Versicherungsnehmers. 2 Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN bzw. vom Dritten zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nur die Kosten des Direkttransportes versichert. 4.4.3 Ausschließlich für die in Ziff. 4.4.2 genannten Kosten besteht in Erweiterung der Ziff. 4.4.1 – und insoweit abweichend von Ziff. 1.1 und 1.2 AHB – Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden. 4.4.4 Kein Versicherungsschutz besteht, wenn 4.4.4.1 der VN die mangelhaften Erzeugnisse selbst eingebaut oder montiert hat oder in seinem Auftrag, für seine Rechnung oder unter seiner Leitung hat einbauen oder montieren lassen; dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass die Mangelhaftigkeit nicht aus dem Einbau, der Montage oder Montageleitung, sondern ausschließlich aus der Herstellung oder Lieferung resultiert; 4.4.4.2 sich die Mangelbeseitigungsmaßnahmen gemäß Ziff. 4.4.1 bis 4.4.3 auf Teile, Zubehör oder Einrichtungen von Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeugen beziehen, soweit diese Erzeugnisse im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von oder den Einbau in Kraft-, Schienen- oder Wasserfahrzeugen bestimmt waren.
A3-7.3.5 Aus- und Einbaukosten beim Einzelteileaustausch und Reparaturkosten (fakultativ) Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: In Erweiterung zu A3-7.3.1 bis A3-7.3.3 besteht
4.4.5 Aus- und Einbaukosten beim Einzelteileaustausch und Reparaturkosten (fakultativ) 1 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Verein-barung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
Koch
970
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3-7 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Versicherungsschutz auch für gesetzliche Ansprüche Dritter wegen a) Kosten für den Austausch mangelhafter Einzelteile von Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind (mit Ausnahme der Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Einzelteile); b) Kosten der Reparatur mangelhafter Erzeugnisse des VN im eingebauten Zustand; c) Kosten für andere Mangelbeseitigungsmaßnahmen an mangelhaften Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind. d) 1Im Falle des Austauschs mangelhafter Einzelteile im Sinne von A3-7.3.5 a) besteht Versicherungsschutz auch für die Kosten des Transports nach- oder neugelieferter Einzelteile mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN. 2Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN zum Ort des Austauschs geringer als die Kosten des Transports vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austauschs, sind nur die Kosten des Direkttransports versichert. e) Die Ausschlüsse gemäß A3-7.3.4 finden auch in Fällen gemäß A3-7.3.5 Anwendung. A3-7.3.6 1Kann der Mangel des Gesamtprodukts durch verschiedene der in A3-7.3.2, A3-7.3.3 und A3-7.3.5 genannten Maßnahmen beseitigt werden, besteht Versicherungsschutz nur in Höhe der günstigsten versicherten Kosten. 2Im Falle einer Reparatur oder anderen Mangelbeseitigungsmaßnahmen im Sinne von A3-7.3.5 b) und A3-7.3.5 c) ersetzt der VR die daraus entstandenen Kosten darüber hinaus in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Reparatur oder anderer Mangelbeseitigungsmaßnahme) steht.
2
In Erweiterung zu Ziff. 4.4.1 – 4.4.3 besteht Versicherungsschutz auch für gesetzliche Ansprüche Dritter wegen 4.4.5.1 Kosten für den Austausch mangelhafter Einzelteile von Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind (mit Ausnahme der Kosten für die Nach- und Neulieferung mangelfreier Einzelteile); 4.4.5.2 Kosten der Reparatur mangelhafter Erzeugnisse des VN im eingebauten Zustand; 4.4.5.3 Kosten für andere Mangelbeseitigungsmaßnahmen an mangelhaften Erzeugnissen des VN, die in Gesamtprodukte Dritter eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen worden sind. 4.4.5.4 1Im Falle des Austausches mangelhafter Einzelteile im Sinne der Ziff. 4.4.5.1 besteht Versicherungsschutz auch für die Kosten des Transportes nach- oder neugelieferter Einzelteile mit Ausnahme solcher an den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN. 2Sind die Kosten für den direkten Transport vom VN zum Ort des Austausches geringer als die Kosten des Transportes vom Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung des VN zum Ort des Austausches, sind nur die Kosten des Direkttransportes versichert. 4.4.5.5 Die Ausschlüsse gem. Ziff. 4.4.4 finden auch in Fällen der Ziff. 4.4.5 Anwendung. 4.4.6 1Kann der Mangel des Gesamtproduktes durch verschiedene der in den Ziff. 4.4.2, 4.4.3 und 4.4.5 genannten Maßnahmen beseitigt werden, besteht Versicherungsschutz nur in Höhe der günstigsten versicherten Kosten. 2Im Falle einer Reparatur oder anderen Mangelbeseitigungsmaßnahmen im Sinne der Ziff. 4.4.5.2 und 4.4.5.3 ersetzt der VR die daraus entstandenen Kosten darüber hinaus in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des VN zum Verkaufspreis der Gesamtprodukte (nach Reparatur oder anderer Mangelbeseitigungsmaßnahme) steht.
A3-7.4 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ) Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A3-7.4.1 1Versichert sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in A37.4.2 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Produkten, die durch vom VN mangelhaft hergestellte, gelieferte, montierte oder gewartete Maschinen produziert, be- oder verarbeitet wurden. 2 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
4.5 Schäden durch mangelhafte Maschinen (fakultativ) Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 4.5.1 1Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.5.2 genannten Schäden infolge Mangelhaftigkeit von Produkten, die durch vom VN mangelhaft hergestellte, gelieferte, montierte oder gewartete Maschinen produziert, be- oder verarbeitet wurden. 2 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
971
Koch
A3-7 AVB BHV
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
3
Als Maschinen gelten auch Werkzeuge an Maschinen und Erzeugnisse der Steuer-, Mess- und Regeltechnik sowie Formen.
3
A3-7.4.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen a) der Beschädigung oder Vernichtung der mittels der Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte; b) anderer für die Herstellung, Be- oder Verarbeitung der Produkte nutzlos aufgewendeter Kosten; c) Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der mittels der Maschinen des VN hergestellten, beoder verarbeiteten Produkte oder für eine andere Schadensbeseitigung; d) weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinns), weil die mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden konnten; e) 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten infolge eines sich aus Mängeln der hergestellten, be- oder verarbeitenden Produkte ergebenden Produktionsausfalls. 2 Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert; f) 1weiterer Vermögensnachteile, weil die mittels der Maschinen des VN mangelhaft hergestellten, beoder verarbeiteten Produkte mit anderen Produkten verbunden, vermischt, verarbeitet (A3-7.1) oder weiterverarbeitet oder -bearbeitet (A3-7.2), eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen (A3-7.3) werden. 2Dieser Versicherungsschutz wird im Umfang der vorgenannten A3-7.1 ff. gewährt.
4.5.2 Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen 4.5.2.1 der Beschädigung oder Vernichtung der mittels der Maschine hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte; 4.5.2.2 anderer für die Herstellung, Be- oder Verarbeitung der Produkte nutzlos aufgewendeter Kosten; 4.5.2.3 Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte oder für eine andere Schadenbeseitigung; 4.5.2.4 weiterer Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinnes), weil die mittels der Maschinen des VN hergestellten, be- oder verarbeiteten Produkte nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden konnten; 4.5.2.5 1der dem Abnehmer des VN unmittelbar entstandenen Kosten infolge eines sich aus Mängeln der hergestellten, be- oder verarbeitenden Produkte ergebenden Produktionsausfalles. 2Ansprüche wegen eines darüber hinausgehenden Schadens durch den Produktionsausfall sind nicht versichert; 4.5.2.6 1weiterer Vermögensnachteile, weil die mittels der Maschinen des VN mangelhaft hergestellten, beoder verarbeiteten Produkte mit anderen Produkten verbunden, vermischt, verarbeitet (Ziff. 4.2) oder weiterverarbeitet oder -bearbeitet (Ziff. 4.3), eingebaut, angebracht, verlegt oder aufgetragen (Ziff. 4.4) werden. 2 Dieser Versicherungsschutz wird im Umfang der vorgenannten Ziff. 4.2 ff. gewährt.
A3-7.5 Prüf- und Sortierkosten; Versicherungsschutz gemäß Ziffer A3-7.1 bis A3-7.4 für Produkte mit Mangelverdacht (fakultativ) Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: Besteht Versicherungsschutz nach der vorangehenden A3-7.1 ff., gilt: A3-7.5.1 1Versichert sind gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter wegen der in A37.5.2 und A3-7.5.3 genannten Schäden infolge der Überprüfung von Produkten der Dritten auf Mängel, wenn die Mangelhaftigkeit einzelner Produkte bereits festgestellt wurde und aufgrund ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger nachweisbarer Tatsachen gleiche Mängel an gleichartigen Produkten zu befürchten sind. 2Die Überprüfung muss der Feststellung dienen, welche der Produkte mit
4.6 Prüf- und Sortierkosten; Versicherungsschutz gemäß Ziff. 4.2 bis 4.5 für Produkte mit Mangelverdacht (fakultativ) 1 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: 2 Besteht Versicherungsschutz nach den vorangehenden Ziff. 4.2 ff., gilt: 4.6.1 1Versichert sind gesetzliche Schadenersatzansprüche Dritter wegen der in Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 genannten Schäden infolge der Überprüfung von Produkten der Dritten auf Mängel, wenn die Mangelhaftigkeit einzelner Produkte bereits festgestellt wurde und aufgrund ausreichenden Stichprobenbefundes oder sonstiger nachweisbarer Tatsachen gleiche Mängel an gleichartigen Produkten zu befürchten sind. 2Die Überprüfung muss der Feststellung dienen, welche der Produkte mit
Koch
Als Maschinen gelten auch Werkzeuge an Maschinen und Erzeugnisse der Steuer-, Mess- und Regeltechnik sowie Formen.
972
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3-7 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Mangelverdacht tatsächlich mangelhaft sind und bei welchen dieser Produkte die nach A3-7.1 ff. versicherten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. 3Produkte im Sinne dieser Regelung sind solche, die aus oder mit Erzeugnissen des VN hergestellt, be- oder verarbeitet wurden. A3-7.5.2 1Gedeckt sind ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht. 2Zur Überprüfung gehört auch ein notwendiges Vorsortieren zu überprüfender und Aussortieren von überprüften Produkten sowie das infolge der Überprüfung erforderliche Umpacken der betroffenen Produkte. A3-7.5.3 1Ist jedoch zu erwarten, dass die Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht zzgl. der nach A3-7.1 ff. gedeckten Kosten auf Basis der festgestellten oder nach objektiven Tatsachen anzunehmenden Fehlerquote höher sind, als die nach A3-7 ff. gedeckten Kosten im Falle der tatsächlichen Mangelhaftigkeit aller Produkte mit Mangelverdacht, so beschränkt sich der Versicherungsschutz auf die Versicherungsleistungen nach A3-7.1 ff. 2In diesen Fällen oder wenn eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur durch Zerstörung des Produkts möglich ist, bedarf es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. 3 Ist eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau der Erzeugnisse möglich und wäre bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Erzeugnisse die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach A3-7.3, so beschränkt sich der Versicherungsschutz ebenfalls auf die Versicherungsleistungen nach A3-7.3. 4Auch in diesen Fällen bedarf es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. A3-7.5.4 Ausschließlich für die in A3-7.5.2 und A37.5.3 genannten Kosten besteht in Erweiterung von A37.5.1 Versicherungsschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden.
Mangelverdacht tatsächlich mangelhaft sind und bei welchen dieser Produkte die nach den Ziff. 4.2 ff. versicherten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. 3Produkte im Sinne dieser Regelung sind solche, die aus oder mit Erzeugnissen des VN hergestellt, be- oder verarbeitet wurden. 4.6.2 1Gedeckt sind ausschließlich Schadenersatzansprüche wegen Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht. 2Zur Überprüfung gehört auch ein notwendiges Vorsortieren zu überprüfender und Aussortieren von überprüften Produkten sowie das infolge der Überprüfung erforderliche Umpacken der betroffenen Produkte. 4.6.3 1Ist jedoch zu erwarten, dass die Kosten der Überprüfung der Produkte mit Mangelverdacht zzgl. der nach Ziff. 4.2 ff. gedeckten Kosten auf Basis der festgestellten oder nach objektiven Tatsachen anzunehmenden Fehlerquote höher sind, als die nach Ziff. 4.2 ff. gedeckten Kosten im Falle der tatsächlichen Mangelhaftigkeit aller Produkte mit Mangelverdacht, so beschränkt sich der Versicherungsschutz auf die Versicherungsleistungen nach Ziff. 4.2 ff. 2In diesen Fällen oder wenn eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur durch Zerstörung des Produktes möglich ist, bedarf es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. 3 Ist eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau der Erzeugnisse möglich und wäre bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Erzeugnisse die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach Ziff. 4.4, so beschränkt sich der Versicherungsschutz ebenfalls auf die Versicherungsleistungen nach Ziff. 4.4. 4Auch in diesen Fällen bedarf es keines Nachweises, dass die Produkte mit Mangelverdacht tatsächlich Mängel aufweisen. 5 Sofern Ziff. 4.4.5 und 4.4.6 vereinbart sind, gilt: Entsprechendes gilt für den Fall, dass eine Feststellung der Mangelhaftigkeit nur nach Ausbau von Einzelteilen der Erzeugnisse möglich ist und bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Austausch dieser Einzelteile die notwendige Mangelbeseitigungsmaßnahme nach Ziff. 4.4.5 wäre. 4.6.4 Ausschließlich für die in Ziff. 4.6.2 und 4.6.3 genannten Kosten besteht in Erweiterung der Ziff. 4.6.1 – und insoweit abweichend von Ziff. 1.1 und 1.2 AHB – Versicherungschutz auch dann, wenn sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Neulieferung oder zur Beseitigung eines Mangels des Erzeugnisses des VN von diesem oder seinem Abnehmer aufgewendet werden.
A3-7.6 Versicherungsfall und Zeitpunkt seines Eintritts Versicherungsfall ist das während der Wirksamkeit des Vertrags eingetretene Schadensereignis gemäß A3-3.1. 2 Bei A3-7.3.3 und A3-7.5.4 ist es für den
Ziff. 8 Versicherungsfall und Serienschaden 8.1 1Versicherungsfall ist das während der Wirksamkeit des Vertrages eingetretene Schadenereignis gemäß Ziff. 1.1 AHB. 2Bei Ziff. 4.4.3 und 4.6.4 ist es für den
1
973
Koch
A3-7 AVB BHV
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Versicherungsfall – abweichend von A3-3.1 – unerheblich, dass es sich nicht um Haftpflichtansprüche handelt. 3 Der Versicherungsfall tritt ein bei: a) A3-7.1 im Zeitpunkt der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Erzeugnisse; b) A3-7.2 im Zeitpunkt der Weiterbearbeitung oder -verarbeitung der Erzeugnisse; c) A3-7.3 im Zeitpunkt des Einbaus, Anbringens, Verlegens oder Auftragens der Erzeugnisse; d) A3-7.4.2 a) bis A3-7.4.2 e) im Zeitpunkt der Produktion, Be- oder Verarbeitung der in A3-7.4 genannten Sachen; e) A3-7.4.2 f) in den für A3-7.1 bis A3-7.3 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die Regelung gemäß A3-7.4.2 f) in Zusammenhang steht; f) A3-7.5 in den für A3-7.1 bis A3-7.4 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die in A3-7.5 geregelte Überprüfung in Zusammenhang steht
Versicherungsfall – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – unerheblich, dass es sich nicht um Haftpflichtansprüche handelt. 8.2 Der Versicherungsfall tritt ein bei: 8.2.1 Ziff. 4.2 im Zeitpunkt der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Erzeugnisse; 8.2.2 Ziff. 4.3 im Zeitpunkt der Weiterbearbeitung oder -verarbeitung der Erzeugnisse; 8.2.3 Ziff. 4.4 im Zeitpunkt des Einbaus, Anbringens, Verlegens oder Auftragens der Erzeugnisse; 8.2.4 Ziff. 4.5.2.1 bis 4.5.2.5 im Zeitpunkt der Produktion, Be- oder Verarbeitung der in Ziff. 4.5 genannten Sachen; 8.2.5 Ziff. 4.5.2.6 in den für Ziff. 4.2 bis 4.4 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die Regelung gemäß Ziff. 4.5.2.6 in Zusammenhang steht; 8.2.6 Ziff. 4.6 in den für Ziff. 4.2 bis 4.5 vorgenannten Zeitpunkten, je nachdem, mit welcher dieser Ziffern die in Ziff. 4.6 geregelte Überprüfung in Zusammenhang steht.
A3-7.7 Besondere Ausschlüsse für die erweiterten Produkthaftpflichtbedingungen
Ziff. 6 Risikoabgrenzungen
A3-7.7.1 Folgeschäden Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Folgeschäden (z.B. Betriebsunterbrechung oder Produktionsausfall), soweit diese nicht in den A3-7.1 ff. ausdrücklich mitversichert sind.
6.1 Nicht versichert sind 6.1.2 im Rahmen der Versicherung gem. Ziff. 4.2 ff. Ansprüche wegen Folgeschäden (z.B. Betriebsunterbrechung oder Produktionsausfall), soweit diese nicht in den Ziff. 4.2 ff. ausdrücklich mitversichert sind.
A3-7.7.2 Verbundene Unternehmen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen, geltend gemacht werden
6.2 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.7 Ansprüche wegen Schäden gemäß Ziff. 4, die von Unternehmen, die mit dem Versicherungsnehmer oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind oder unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen, geltend gemacht werden.
A3-7.7.3 Rückrufkostenausschluss 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Kosten gemäß A3-7.1.2 c), A3-7.2.2 b), A3-7.3 und – soweit vereinbart – A3-7.5 sowie Ansprüche wegen Beseitigungs- bzw. Vernichtungskosten gemäß A37.1.2 d) und A3-7.2.2 c), die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden. 2 Rückruf ist die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung des VN, zuständiger Behörden oder sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel prüfen, die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder
6.2 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.8 1Ansprüche wegen Kosten gemäß Ziff. 4.2.2.3, 4.3.2.2, 4.4 und – soweit vereinbart – Ziffer 4.6 sowie Ansprüche wegen Beseitigungs- bzw. Vernichtungskosten im Rahmen der Ziff. 4.2.2.4 und 4.3.2.3, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden. 2Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung können sowohl solche des VN als auch Produkte Dritter sein, die Erzeugnisse des VN enthalten. 3Rückruf ist die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung des VN, zuständiger Behörden oder sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel
Koch
974
Erweiterte Produkthaftpflichtbedingungen
A3-7 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
andere namentlich benannten Maßnahmen durchführen zu lassen.
prüfen, die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder andere namentlich benannten Maßnahmen durchführen zu lassen.
Der fakultativ zu vereinbarende erweiterte Versicherungsschutz für Produkthaftpflichtrisiken in 1 A3-7 AVB BHV entspricht vom Umfang der Deckung dem ProdHM 2015: A3-7.1 bis A3-7.5 AVB BHV entsprechen ohne inhaltliche Änderungen Ziff. 4.2 bis 4.6 ProdHM 2015. A3-7.6 entspricht Ziff. 8 ProdHM 2015. A3-7.7.1, A3-7.7.2 und A3-7.7.3 AVB BHV entsprechen Ziff. 6.1.1, 6.2.7 und 6.2.8 ProdHM 2015.
975
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8 Allgemeine Ausschlüsse
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-8 Allgemeine Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein und seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:
1 Der den Ausschlusstatbeständen vorangestellte Eingangssatz in A1-7 AVB BHV ist inhaltlich identisch mit dem in Ziff. 7 AHB 2016 (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 20 ff.).
A3-8.1 Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-8 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse/ Ziff. 6 ProdHM Risikoabgrenzungen
A3-8.1 Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden a) vorsätzlich oder b) durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers herbeigeführt haben. 2 A3-2.3 findet keine Anwendung. 3 A3-8.1 b) findet nur dann Anwendung, wenn Versicherungsschutz nach A3-7 vereinbart ist.
7.1 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben.
6.2 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.4 Ansprüche gegen den VN oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers herbeigeführt haben;
2 A3-8.1 Satz 1 AVB BHV ist identisch mit Ziff. 7.1 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 38 ff.). Der Hinweis in A3-8.1 Satz 2 AVB BHV, dass A3-2.3 AVB BHV keine Anwendung findet, spielt für die AHB keine Rolle, da diese keine mit A12.3 AVB BHV vergleichbare Regelung enthalten. A3-8.1 Satz 1 lit. b) AVB BHV, der nach A3-8.1 S. 3 AVB BHV nur dann zur Anwendung kommt, wenn die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung vereinbart worden ist, entspricht Ziff. 6.2.4 ProdHM 2015.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-224
976
A3-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander
A3-8 AVB BHV
A3-8.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit a) Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder b) Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben. 2 A3-2.3 findet keine Anwendung.
7.2 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben.
A3-8.2 Satz 1 AVB BHV entspricht Ziff. 7.2 AHB 2016, sodass auf die Kommentierung von Ziff. 7.2 3 AHB 2016 verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 120 ff.). Der Hinweis in A3-8.1 Satz 2 AVB BHV, dass A1-2.3 AVB BHV keine Anwendung findet, ist unbeachtlich, da die AHB keine mit A32.3 AVB BHV vergleichbare Regelung enthalten.
A3-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche a) des VN selbst oder der in A3-8.4 benannten Personen gegen die mitversicherten Personen b) zwischen mehreren VN desselben Versicherungsvertrags, c) zwischen mehreren mitversicherten Personen desselben Versicherungsvertrags. 2 Diese Ausschlüsse gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der vorgenannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.4 Haftpflichtansprüche (1) des VN selbst oder der in Ziff. 7.5 benannten Personen gegen die Mitversicherten, (2) zwischen mehreren VN desselben Versicherungsvertrages, (3) zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages. zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
A3-8.3 AVB BHV ist inhaltsgleich mit Ziff. 7.4 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung 4 verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 166 ff.).
977 https://doi.org/10.1515/9783110522686-226
Koch
A3-8.4
A3-8.4 Schadensfälle von Angehörigen etc.
A3-8.4 Schadensfälle von Angehörigen des Versicherungsnehmers, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.4 Schadensfälle von Angehörigen des VN, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche gegen den VN a) aus Schadensfällen seiner Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; als Angehörige gelten – Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbare Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, – Eltern und Kinder, – Adoptiveltern und -kinder, – Schwiegereltern und -kinder, – Stiefeltern und -kinder, – Großeltern und Enkel, – Geschwister sowie – Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind). b) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; c) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; d) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der Versicherungsnehmer eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; e) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; f) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern. 2 Die Ausschlüsse unter b) bis f) gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
7.5 Haftpflichtansprüche gegen den VN (1) 1aus Schadensfällen von seinen Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; 2 Als Angehörige gelten Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarer Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind (2) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; (3) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; (4) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; (5) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; (6) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern; zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
5 A3-8.4 AVB BHV ist inhaltsgleich mit Ziff. 7.5 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 174 ff.).
Koch
978
A3-8.6 Asbest
A3-8 AVB BHV
A3-8.5 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.5 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Dies gilt auch dann, wenn die Schadensursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3 Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
7.8 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Dies gilt auch dann, wenn die Schadenursache in einem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben.
A3-8.5 AVB BHV entspricht Ziff. 7.8 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 6 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 297 ff.).
A3-8.6 Asbest A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.6 Asbest 7.11 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die auf Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind. zurückzuführen sind.
A3-8.6 AVB BHV entspricht Ziff. 7.11 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 7 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 350 ff.).
979 https://doi.org/10.1515/9783110522686-227
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8.9 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen
A3-8.7 Gentechnik
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.7 Gentechnik Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf a) gentechnische Arbeiten, b) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), c) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus GVO oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
7.13 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
8 A3-8.7 AVB BHV entspricht Ziff. 7.13 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 357 ff.).
A3-8.8 Rechtsmängel A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.8 Rechtsmängel Ausgeschlossen sind Ansprüche, die daraus hergeleitet werden, dass gelieferte Sachen oder Arbeiten mit einem Rechtsmangel behaftet sind (z.B. Schäden aus der Verletzung von Patenten, gewerblichen Schutzrechten, Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten, Namensrechten, Verstößen in Wettbewerb und Werbung).
Ziff. 6.2 ProdHM Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.2 Ansprüche, die daraus hergeleitet werden, dass gelieferte Sachen oder Arbeiten mit einem Rechtsmangel behaftet sind (z.B. Schäden aus der Verletzung von Patenten, gewerblichen Schutzrechten, Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten, Verstößen in Wettbewerb und Werbung);
9 A3-8.8 AVB BHV entspricht Ziff. 6.2.2 ProdHM 2008/2015, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 6 ProdHM 2008/2015 Rn. 7 ff.).
A3-8.9 Anfeindung, Schikane, Belästigung und sonstige Diskriminierungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.9 Anfeindung, Schikane, Belästigung und 7.17 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus sonstige Diskriminierungen Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen. Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-230
980
A3-8.11 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb
A3-8 AVB BHV
A3-8.9 AVB BHV entspricht Ziff. 7.17 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 10 werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 413 ff.).
A3-8.10 Abwässer, Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.10 Abwässer, Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, welche entstehen durch a) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt, b) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, c) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt, (2) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, (3) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
A3-8.10 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.14 AHB 2016, sodass auf die 11 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 362 ff.).
A3-8.11 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.11 Bergschäden, Schäden beim Bergbaubetrieb Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) Bergschäden im Sinne des § 114 BbergG, wenn hierdurch Grundstücke, deren Bestandteile und Zubehör beschädigt werden, b) Schäden beim Bergbaubetrieb im Sinne des § 114 BbergG durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.5 wegen Bergschäden (i.S. des § 114 BbergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör; wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S. des § 114 BbergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen.
A3-8.11 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.5 BBR BHV, sodass auf die 12 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 11 ff.).
981 https://doi.org/10.1515/9783110522686-232
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8.13 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger
A3-8.12 Übertragung von Krankheiten A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.12 Übertragung von Krankheiten Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) 1Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit einer natürlichen versicherten Person resultieren, es sei denn, diese Person beweist, dass sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. des Versicherungsnehmers resultieren, 2 A3-2.3 findet keine Anwendung. b) Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind, es sei denn, der VN beweist, dass weder er noch eine mitversicherte Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
7.18 1Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN resultieren. 2Das Gleiche gilt für Sachschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 3In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat
13 A3-8.12 AVB BHV entspricht mit A1-7.11 AVB BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (A1-7 AVB BHV Rn. 11).
A3-8.13 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.13 Kfz, Kfz-Anhänger 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers verursachen. 2Eine Tätigkeit der vorstehend genannten Personen an einem Kfz oder Kfz-Anhänger ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Ziff. 7.4.3 BBR BHV Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge 7.4.3.1 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers verursachen. 7.4.3.4 Eine Tätigkeit der in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 genannten Personen an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
14 A3-8.13 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.4 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 16 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-234
982
A3-8.14 Luft- und Raumfahrzeuge
A3-8 AVB BHV
A3-8.14 Luft- und Raumfahrzeuge
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.14 Luft- und Raumfahrzeuge Ausgeschlossen sind Ansprüche a) wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luftoder Raumfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeugs in Anspruch genommen werden. b) wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden c) wegen Schäden aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen, soweit die Teile im Zeitpunkt der Auslieferung ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeugen bestimmt waren, – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung, Be- und Entladen) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen.
Ziff. 6.2 ProdHM Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.6 Ansprüche aus – Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen sowie von Teilen von Luft- oder Raumfahrzeugen, soweit diese Teile im Zeitpunkt der Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen sowie den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren, – Tätigkeiten, (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen sowie Luft- oder Raumfahrzeugteilen.
A3-8.14 AVB BHV entspricht Ziff. 6.2.6 ProdHM 2008/2015, so dass auf die dortige Kommentie- 15 rung verwiesen werden kann (Ziff. 6 ProdHM 2008/2015 Rn. 66 f.).
983 https://doi.org/10.1515/9783110522686-235
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8.16 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb
A3-8.15 Wasserfahrzeuge A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.15 Wasserfahrzeuge 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 2Eine Tätigkeit der vorstehend genannten Personen an einem Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Wasserfahrzeugs ist und wenn das Wasserfahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Ziff. 7.4.3 BBR BHV Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeuge 7.4.3.2 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeugs verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeugs in Anspruch genommen werden. 7.4.3.4 Eine Tätigkeit der in Ziff. 7.4.3.1 und 7.4.3.2 genannten Personen an einem Kfz, Kfz-Anhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
16 A3-8.15 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.3.2 und 7.4.3.4 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 16 ff.).
A3-8.16 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.16 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbstständigen und nichtselbstständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.4 aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbständigen und nichtselbständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb;
17 A3-8.16 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.4 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 10).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-237
984
A3-8.18 Entschädigungen mit Strafcharakter
A3-8 AVB BHV
A3-8.17 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.17 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich – auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder – unmittelbar auf hoheitlichen Verfügungen oder Maßnahmen beruhen. Das Gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.1 wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben;
A3-8.17 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV, sodass auf die 18 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 2).
A3-8.18 Entschädigungen mit Strafcharakter A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.18 Entschädigungen mit Strafcharakter Ausgeschlossen sind Ansprüche auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages;
A3-8.18 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV, sodass auf die 19 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 3).
985 https://doi.org/10.1515/9783110522686-239
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8.20 Arzneimittel
A3-8.19 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.19 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Artikel 1231-1 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.3 nach den Art. 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
20 A3-8.19 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.1.3 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 4).
A3-8.20 Arzneimittel
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.20 Arzneimittel Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) an Verbraucher abgegebene Arzneimittel, für die der VN in der Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des AMG eine Deckungsvorsorge zu treffen hat.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.2 wegen Personenschäden durch im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) an Verbraucher abgegebene Arzneimittel, für die der VN in der Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer i.S. des AMG eine Deckungsvorsorge zu treffen hat;
21 A3-8.20 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.2 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 8).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-241
986
A3-8.22 Brennbare und explosible Stoffe
A3-8 AVB BHV
A3-8.21 Sprengstoffe, Feuerwerke
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.21 Sprengstoffe, Feuerwerke Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.3 aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken;
A3-8.21 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.2.3 BBR BHV, sodass auf die 22 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 9).
A3-8.22 Brennbare und explosible Stoffe A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.22 Brennbare und explosible Stoffe 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden durch bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen verursacht haben. 2 A3-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 7.4.5 BBR BHV Brand- und Explosionsschäden Nicht versichert sind Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden durch bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen verursachen.
A3-8.22 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.4.5 BBR BHV, sodass auf die 23 dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 31 ff.).
987 https://doi.org/10.1515/9783110522686-243
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8.23 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen
A3-8.23 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.23 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen bei a) Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; b) Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m.
Ziff. 7.6.2 BBR BHV Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen 1 Mitversichert sind Haftpflichtansprüche aus Anlass von Abbruch- und Einreißarbeiten an Bauwerken sowie von Sprengungen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen – bei Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; – bei Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m. 3 Ziff. 7.10 (b) AHB bleibt unberührt. 4 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
24 A3-8.23 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 7.6.2 BBR BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.6 BBR BHV Rn. 13 ff.).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-244
988
A3-8.24 Ansprüche nach Umweltschadensgesetz
A3-8 AVB BHV
A3-8.24 Ansprüche nach Umweltschadensgesetz A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.24 Ansprüche nach Umweltschadensgesetz 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche, die gegen den VN wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz oder anderen auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen geltend gemacht werden. 2Dies gilt auch dann, wenn der VN von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Anspruch genommen wird. 3 Der Versicherungsschutz bleibt aber für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten.
7.10(a) 1Ansprüche, die gegen den VN wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz oder anderen auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/ EG) basierenden nationalen Umsetzungsgesetzen geltend gemacht werden. 2Dies gilt auch dann, wenn der VN von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Anspruch genommen wird. 3 Der Versicherungsschutz bleibt aber für solche Ansprüche erhalten, die auch ohne Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 4 Dieser Ausschluss gilt nicht im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken.
A3-8.24 AVB BHV entspricht Ziff. 7.10 lit. a) Satz 1 bis 3 AHB 2016, sodass auf die dortige Kom- 25 mentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 323 ff.). Der Wiedereinschluss des Privathaftpflichtrisikos in Ziff. 7.10 lit. a) Satz 4 AHB 2016 hat verständlicherweise keinen Eingang in den Produkthaftpflichtrisiko-Teil der AVB BHV gefunden.
989 https://doi.org/10.1515/9783110522686-245
Koch
A3-8 AVB BHV
A3-8.26 Erprobungsklausel
A3-8.25 Schäden im Zusammenhang mit dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.25 Schäden im Zusammenhang mit dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, soweit es sich handelt um Schäden aus a) Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten, b) Nichterfassen oder fehlerhaftem Speichern von Daten, c) Störung des Zugangs zum elektronischen Datenaustausch, d) Übermittlung vertraulicher Daten oder Informationen.
7.15 Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, soweit es sich handelt um Schäden aus (1) Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten, (2) Nichterfassen oder fehlerhaftem Speichern von Daten, (3) Störung des Zugangs zum elektronischen Datenaustausch, (4) Übermittlung vertraulicher Daten oder Informationen.
26 A3-8.25 AVB BHV entspricht Ziff. 7.15 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 398 ff.).
A3-8.26 Erprobungsklausel A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.26 Erprobungsklausel 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden sowie Ansprüche aus Schäden gemäß A3-7 durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt waren. 2 Dies gilt nicht für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen. 3A38.26 findet nur dann Anwendung, wenn Versicherungsschutz nach A3-7 vereinbart ist.
Ziff. 6.2 ProdHM Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind 6.2.5 1Ansprüche aus Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden sowie Ansprüche aus Schäden gemäß Ziff. 4 durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt waren. 2 Dies gilt nicht für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen;
27 A3-8.26 Satz 1 und 2 AVB BHV entspricht Ziff. 6.2.5 ProdHM 2008/2015, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 6 ProdHM 2008/2015 Rn. 19 ff.). Nach A3-8.26 Satz 3 AVB BHV findet die Erprobungsklausel keine Anwendung, wenn nur dann das allgemeine Produkthaftpflichtrisiko gem. A3-1 AVB BHV versichert ist (vgl. Ziff. 1 ProdHM 2008/2015 Rn. 8).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-247
990
A3-8.28 Umweltrisiko
A3-8 AVB BHV
A3-8.27 Kommissionsware A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse A3-8.27 Kommissionsware Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an Kommissionsware und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.
Fehlanzeige
A3-8.27 AVB BHV entspricht A1-7.27 AVB BHV, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen 28 werden kann (A1-7 AVB BHV Rn. 29).
A3-8.28 Umweltrisiko A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A1-7 Allgemeine Ausschlüsse
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse
A3-8.28 Umweltrisiko Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. Siehe hierzu A2 (Umweltrisiko).
7.10 lit. b) 1Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung. 2Dieser Ausschluss gilt nicht (1) im Rahmen der Versicherung privater Haftpflichtrisiken oder (2) für Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse (auch Abfälle), durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht). 3 Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für Schäden durch Umwelteinwirkung, die aus der Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von – Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHGAnlagen); – Anlagen gem. Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG-Anlagen); – Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen; – Abwasseranlagen oder Teilen resultieren, die ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind.
A3-8.28 AVB BHV entspricht Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentie- 29 rung verwiesen werden kann (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 329 ff.). Die Wiedereinschlüsse in Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 Nr. 1 AHB 2016 (Privathaftpflichtrisiko) und Nr. 2 (Produkthaftpflichtrisiko) haben keinen Eingang in den Produkthaftpflichtrisiko-Teil der AVB BHV gefunden.
991 https://doi.org/10.1515/9783110522686-249
Koch
A3-9 AVB BHV
A3-9 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen)
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-9 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) 1 Diese Bestimmung findet nur Anwendung, wenn Versicherungsschutz nach A3-7 vereinbart ist. 2Wenn kein Versicherungsschutz nach A3-7 vereinbart ist, gilt A1-8. 3 Versichert ist auch die gesetzliche Haftpflicht des VN A3-9.1 aus Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos. Dies gilt nicht a) für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie b) für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen.
Ziff. 3 AHB Versichertes Risiko 3.1 Der Versicherungsschutz umfasst die gesetzliche Haftpflicht (2) aus Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen,
A3-9.2 aus Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. 4 In diesen Fällen ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 5Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
Ziff. 3 AHB Versichertes Risiko 3.2 Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. Der Versicherer kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 21 kündigen.
A3-9.3 1Der VN hat wesentliche Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfangs zwecks Vereinbarung neuer Prämien und Überprüfung der Bedingungen – abweichend von A(GB)-2.1 (Beitragsregulierung) – unverzüglich anzuzeigen. 2 Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in A3-5.4 genannten Selbstbehalte in Schadensfällen, die mit solchen Erhöhungen oder Erweiterungen in Zusammenhang stehen, auf EUR.
Ziff. 10 ProdHM Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken 10.1 Der VN hat – wesentliche Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges gem. Ziff. 3.1 (2) AHB, – Risiken, die nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB) zwecks Vereinbarung neuer Prämien und Überprüfung der Bedingungen – abweichend von Ziff. 13.1 und 4.1 AHB – unverzüglich anzuzeigen. 10.2 Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in Ziff. 9.3 genannten Selbstbehalte in Schadenfällen, die mit solchen Erhöhungen oder Erweiterungen oder mit neu entstandenen Risiken in Zusammenhang stehen, auf EUR …
1 A3-9 AVB BHV unterscheidet zwischen Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos (A3-9.1 AVB BHV) und Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfangs (A3-9.3 AVB BHV). Letztere hat der VN dem VR nach A3-9.3 Satz 1 AVB BHV unverzüglich anzuzeigen. Dies entspricht der Regelung in Ziff. 10.1 ProdHM 2015. Anderenfalls greifen die Rechtsfolgen von A3-9.3 Satz 2 AVB BHV ein, die denen nach Ziff. 10.2 ProdHM 2015 entsprechen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-250
992
Veränderungen des versicherten Risikos
A3-9 AVB BHV
Die Rechtsfolgen für sonstige Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos 2 i.S.v. A3-9.1 AVB BHV bestimmen sich nach A(GB)-2 AVB BHV, die mit Ziff. 13 AHB 2016 übereinstimmt. A3-9.2 AVB BHV entspricht Ziff. 3.2 AHB 2016. 3
993
Koch
A3-10 AVB BHV
A3-10 Neu hinzukommende Risiken A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-10 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) 1 Diese Bestimmung findet nur Anwendung, wenn Versicherungsschutz nach A3-7 vereinbart ist. 2Wenn kein Versicherungsschutz nach A3-7 vereinbart ist, gilt A1-9. A3-10.1 1Im Umfang des bestehenden Vertrags ist die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrags neu entstehen, sofort versichert. 2 Der VN ist verpflichtet, jedes neue Risiko unverzüglich anzuzeigen. 3Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in A3-5.4 genannten Selbstbehalte in Schadensfällen, die mit neu entstandenen Risiken in Zusammenhang stehen, auf EUR … 4 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. 5Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 6Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung.
Ziff. 10 ProdHM Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken 10.1 Der VN hat – wesentliche Erhöhungen oder Erweiterungen des Produktions- oder Tätigkeitsumfanges Ziff. 3.1 (2) AHB, – Risiken, die nach Abschluss der Versicherung neu entstehen (Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB) zwecks Vereinbarung neuer Prämien und Überprüfung der Bedingungen – abweichend von Ziff. 13.1 und 4.1 AHB – unverzüglich anzuzeigen. 10.2 Kommt der VN dieser Anzeigepflicht nicht nach, so erhöhen sich die in Ziff. 9.3 genannten Selbstbehalte in Schadenfällen, die mit solchen Erhöhungen oder Erweiterungen oder mit neu entstandenen Risiken in Zusammenhang stehen, auf EUR …
Ziff. 4 AHB Vorsorgeversicherung 4.1 Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu entstehen, sind im Rahmen des bestehenden Vertrages sofort versichert. (1) … 4 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. (2) Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. A3-10.2 Variante für getrennte Versicherungssummen: Für die Vorsorgeversicherung betragen die Versicherungssummen je Versicherungsfall EUR … für Personenschäden und EUR … für Sach- und – soweit vereinbart – Schäden gemäß A3-7 und für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres EUR …
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-251
Ziff. 10 ProdHM Erhöhungen und Erweiterungen des Risikos/neue Risiken 10.3 Für die Vorsorgeversicherung Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB betragen die Versicherungssummen je Versicherungsfall EUR … für Personenschäden, EUR … für Sachschäden und EUR … für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres EUR … für Personenschäden und 994
Neu hinzukommende Risiken
A3-10 AVB BHV
A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
für Personenschäden und EUR … für Sach- und – soweit vereinbart – Schäden gemäß A3-7. Variante für pauschale Versicherungssummen: Für die Vorsorgeversicherung beträgt die Versicherungssumme je Versicherungsfall EUR … für Personenschäden, für Sachschäden und – soweit vereinbart – Schäden gemäß A3-7 und für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres EUR …
EUR … für Sachschäden und EUR … für gemäß Ziff. 4 versicherte Schäden.
A3-10.3 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für a) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; b) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; c) Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; d) Risiken, die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind.
Ziff. 4 AHB Vorsorgeversicherung 4.3 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für Risiken (1) aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; (2) aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; (3) die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; (4) die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind
A3.10 AVB BHV regelt die Vorsorgeversicherung und entspricht Ziff. 10 ProdHM i.V.m. Ziff. 4 AHB 1 2016.
995
Koch
A3-11 AVB BHV
A3-11 Zeitliche Begrenzung A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
A3-11 Zeitliche Begrenzung A3-11.1 1Der Versicherungsschutz gemäß A3-7.1 ff. umfasst die Folgen aller während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Versicherungsfälle, die dem VR nicht später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags gemeldet werden. 2 Unberührt bleiben die vertraglichen Anzeigeobliegenheiten. 3Diese dreijährige Befristung des Versicherungsschutzes gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass diese Frist von ihm unverschuldet versäumt wurde. A3-11.2 Für Ansprüche nach A3-7.1 ff. wegen Schäden durch Erzeugnisse des VN, die vor Inkrafttreten dieses Versicherungsvertrags ausgeliefert wurden, besteht Versicherungsschutz nur bei besonderer Vereinbarung
Ziff. 7 ProdHM Zeitliche Begrenzung 7.1 1Der Versicherungsschutz gemäß Ziff. 4.2 ff. umfasst die Folgen aller während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Versicherungsfälle, die dem Versicherer nicht später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages gemeldet werden. 2 Unberührt bleiben die vertraglichen Anzeigeobliegenheiten. 3Diese dreijährige Befristung des Versicherungsschutzes gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass diese Frist von ihm unverschuldet versäumt wurde. 7.2 Für Ansprüche nach Ziff. 4.2 ff. wegen Schäden durch Erzeugnisse des VN, die vor Inkrafttreten dieses Versicherungsvertrages ausgeliefert wurden, besteht Versicherungsschutz nur bei besonderer Vereinbarung.
A3-12 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung) Versicherungsschutz kann gemäß der Regelung in A1-10 vereinbart werden.
Ziff. 7.9 BBR BHV Nachhaftungs-Versicherung für Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (für die der Versicherungsfall Schadenereignis gilt) Falls besonders vereinbart: 1 Wird der Versicherungsvertrag allein wegen des vollständigen und dauerhaften Wegfalls des versicherten Risikos wegen Berufsaufgabe, Betriebs-, Produktions- oder Liefereinstellung (nicht aus anderen Gründen, wie z.B. Änderung der Rechtsform) beendet, besteht für nach der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene Versicherungsfälle Versicherungsschutz im Umfang des Vertrags, wie folgt: 2 Der Versicherungsschutz – gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet; – besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Umfang des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsvertrages, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall jedoch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das V-Verhältnis endet. 3 Die in den vorgenannten Zeitraum fallenden Versicherungsfälle werden so behandelt, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten. 4 In den Fällen des vollständigen und dauernden Wegfalls versicherter Risiken (z.B. Betriebs- oder Praxisaufgabe; auch Tod des VN) sollte auf die Möglichkeit einer Nachhaftungs-Versicherung hingewiesen werden. 5 Die Nachhaftungs-Versicherung umfasst nach Beendigung des Vertrages eintretende
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-252
996
Zeitliche Begrenzung
A3 AVB BHV
A3-11 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016 Versicherungsfälle, die durch eine betriebliche/ berufliche Tätigkeit vor diesem Zeitpunkt herbeigeführt wurden. 6Es gelten die zum Vertrag vereinbarten Bedingungen und Versicherungssummen.
Das ProdHM 2008 wurde mit den Änderungen im ProdHM 2015 in die AVB BHV integriert. In der neuen Struktur wird das allgemeine Produkthaftpflichtrisiko über die Produkthaftpflichtversicherung (A3-1 ff. AVB BHV) gedeckt und nicht mehr – wie bei den AHB-basierenden Deckungen über das Betriebsstätten-Risiko im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung. Viele der textlichen Abweichungen in A3 AVB BHV vom ProdHM 2015 sind dem Umstand geschuldet, dass die AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen. Weitergehend schließt A3-2.1.3 AVB BHV die Haftpflicht des Insolvenzverwalters und Zwangsverwalters für Schäden aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ein. Diese Regelung entspricht A1-2.1.3 AVB BHV (A1-2 AVB BHV Rn. 2). Daneben besteht nach A3-2.1.4 AVB BHV Versicherungsschutz für die in A3.2.1.1 bis A3-2.1.3 AVB BHV genannten Personen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb des VN fort, wenn sie aus ihrer früheren Tätigkeit für den VN Betrieb in Anspruch genommen werden. Diese Regelung entspricht A1-2.1.4 AVB BHV (A1-2 AVB BHV Rn. 3 f.) Für Schäden im Ausland (A3-6.3 AVB BHV) wurde hinsichtlich des Deckungsumfangs die bisher für das allgemeine Produkthaftpflichtrisiko geltende Regelung in Ziff. 7.7 BBR BHV auch für die erweiterte Produkthaftpflicht übernommen (weder im ProdHM 2008 noch im ProdHM 2015 gibt es hierfür eine Regelung). Das Strahlenproduktrisiko wird nunmehr der neuen Systematik folgend in A3-6.5 AVB BHV geregelt. Weitergehend wird Versicherungsschutz nach A3-6.7 AVB BHV wegen Schäden ausschließlich im Zusammenhang mit Flächengeothermie-Anlagen geboten, der A1-6.14.1 AVG BHV entspricht (A1-6 AVB BHV Rn. 21 f.). A3.7 AVB BHV enthält einen fakultativ zu vereinbarenden Baustein für die erweiterte Produkthaftpflicht-Versicherung, der Ziff. 4 ProdHM 2015 entspricht. Insoweit sei auf die Kommentierung des ProdHM 2008/2015 verwiesen. Die sublimitierte Versicherung des VN wegen Vermögensschäden aus einem erhöhten Energie- oder Wasserverbrauch aufgrund vom VN mangelhaft erbrachter Installations-, Reparatur- oder Wartungsarbeiten in A3-6.8 AVB BHV ist neu. Diese Regelung entspricht A1-6.12.2 AVB BHV.
997
Koch
1
2
3
4
5
A3 AVB BHV
Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Gemeinsame Bestimmungen zu Teil A s. Kommentierung A1 AVB BHV
Fehlanzeige
Teil B Allgemeiner Teil A3 AVB BHV
ProdHM 2015/BBR BHV/AHB 2016
Teil B Allgemeiner Teil s. Kommentierung AVB PHV
Fehlanzeige
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-254
998
Teil 6 Umwelthaftpflichtversicherung A. Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Modell) (UmweltHM) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2009)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung Ziff. 2 Versicherte Risiken Ziff. 3 Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken Ziff. 4 Versicherungsfall Ziff. 5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 6 Nicht versicherte Tatbestände Ziff. 7 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt Ziff. 8 Nachhaftung Ziff. 9 Versicherungsfälle im Ausland Ziff. 10 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden
Schrifttum Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Zölch Umwelthaftpflicht – Haftung und Versicherungsschutz 3. Aufl. (2009); Gawlik/Michel Umwelthaftung und Umweltversicherung (1997); Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Erläuterungen zu den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Modell)(Stand: Februar 2012)(zit. GDV-Erläuterungen); Giesberts/Reinhardt Beck’scher Online-Kommentar Umweltrecht Stand 1.10.2012 (zit. BeckOK-UmweltR); Grell Versicherungsmäßige Deckung bei Umweltschäden, ZVersWiss 1976 73; Hinsch Das sogenannte Restrisiko in der Gewässerschadenhaftpflichtversicherung, VersR 1991 1221; HUK-Verband Erläuterungen zum UmweltHM, VW 24 (1993); R. Johannsen Haftpflichtversicherungsschutz gegen Umweltschäden durch Verunreinigung des Erdbodens und der Gewässer (1987); Klinkhammer Umweltschutz und Versicherung, ZVersWiss 1978 1; Kurth Deutschland – Umwelthaftung und Versicherung, PHI 1992 48; Küpper Hinweise zu dem neuen Umwelthaftpflicht-Modell, VP 1992 1; Kurth Umwelthaftung und Versicherung, Phi 1992 48; Lach/Morbach Versicherungsschutz für CO2 -Haftungsklagen, VersR 2011 52; Landmann/Rohmer Umweltrecht, Stand 97. EL Dezember 2021; Landsberg/Lülling Umwelthaftungsrecht (1991); Landsberg/Lülling Die Ursachenvermutung und die Auskunftsansprüche nach dem neuen Umwelthaftungsgesetz, DB 1991 479; Münter Die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (2009); Nugel Haftung für Umweltschäden im Zusammenhang mit dem Kfz-Betrieb, NJW-Spezial 2009 41; Poschen Das Deckungskonzept für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflichtmodell), VersR 1993 653; Reemts Umwelthaftpflichtversicherung und Rettungskostenersatz (1997); Röhrig Die „Umwelteinwirkung auf Boden, Luft oder Wasser“, PHI 1994 156; Rütz Aktuelle Versicherungsfragen im Umwelthaftungsrecht (2008); Salje Die Entscheidungspraxis zum UmweltHG, VersR 1998 797; Salje/Peter Umwelthaftungsgesetz 2. Aufl. (2005); Schieber Das Entwicklungsrisiko im Rahmen der Umwelthaftung und der Umwelthaftpflichtversicherung, VersR 1999 816; Schimikowski Deckungsfragen bei Schäden durch oberflächennahe Geothermiebohrungen, RuS 2017 113; ders. Umwelthaftungsrecht und Umwelthaftpflichtversicherung 6. Aufl. (2003); ders. Umwelthaftpflichtversicherung – Bestandsaufnahme, Auslegungsfragen und Transparenzgebot, PHI-Jubiläumsausgabe 2002 37; ders. Umwelthaftung, Umwelthaftpflichtversicherung und Umweltschutz, ZVersWiss 2001 583; ders. Normalbetriebs- und Entwicklungsrisiken in der Umwelthaftpflichtversicherung, ZfV 1999 416; ders. BBodSchG, Umwelthaftpflichtversicherung und Bodenkaskodeckungen, VersR 1998 1452; ders. Umwelthaftpflichtversicherung – Stand und Perspektiven, VP 1995 113; ders. Ausschluß des Umwelt-Haftpflichtrisikos aus der gewerblichen und industriellen Haftpflichtversicherung, VW 1994 748; ders. Haftung und Versicherungsschutz für Umweltschäden durch landwirtschaftliche Produktion, VersR 1992 923; Schmidt-Salzer Umwelthaftpflicht und Umwelthaftpflichtversicherung (V): Grundsatzfragen der Umwelthaftpflichtversicherung, VersR 1992 793; Schmidt-Salzer/ Schramm Umwelthaftpflichtversicherung (1993); Schröder EU-Umwelthaftungsrichtlinie, Umweltschadensgesetz und 999 https://doi.org/10.1515/9783110522686-255
Koch
UmweltHM
Vorbemerkung
Umweltschadensversicherung (2008); Szesny/Görtz Das neue Umweltstrafrecht – Kritisches zur Umsetzung der Richtlinie Umweltstrafrecht, ZUR 2012 405; Vogel/Stockmeier Umwelthaftpflichtversicherung – Umweltschadensversicherung 2. Aufl. (2009); Wagner Die gemeinschaftsrechtliche Umwelthaftung aus der Sicht des Zivilrechts, VersR 2005 177; ders. Die Zukunft der Umwelt-Haftpflichtversicherung, VersR 1992 261; Winter/Hellberg/Orth/Sons Umweltschadensgesetz und Umweltschadensversicherung (2008).
Vorbemerkung 1 Bis zum Inkrafttreten des UmweltHG am 1.1.1991, das eine Gefährdungshaftung für Schäden durch Umwelteinwirkungen (§§ 1, 3 UmweltHG) einführte, war das Umwelthaftpflichtrisiko in der Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert. Daneben gab es Deckungskonzepte, die auf die durch § 22 WHG a.F. (§ 89 WHG) statuierte Gefährdungshaftung zugeschnitten waren. Die Einführung der Haftung für den Betrieb umweltgefährdender Anlagen nahm die Versicherungswirtschaft zum Anlass, das sog. Umwelthaftpflicht-Modell (UmweltHM) einzuführen, das in Anlehnung an das Produkthaftpflicht-Modell ein Baustein-System vorsieht, mit dem sämtliche umweltbezogenen Haftpflichtrisiken (einschließlich der Gewässerschadensrisiken) versichert sind. Zeitgleich mit der Einführung des UmweltHM, das am 27.7.1992 veröffentlicht wurde, wurden Schäden durch Umwelteinwirkungen in der allgemeinen Betriebshaftpflichtversicherung durch § 4 I Ziff. 8 AHB a.F. ausgeschlossen.1 2 Das UmweltHM ist zwischenzeitlich mehrfach überarbeitet worden. Die Überarbeitungen dienten zum Teil zur Klarstellung des Versicherungsumfangs, waren überwiegend aber bedingt durch gesetzliche Änderungen, wie z.B. die Reform des VVG, Änderungen im WHG und die Novellierung des Abfallrechts. Darüber hinaus bestand ein Anpasssungsbedarf infolge der Änderungen der AHB. Die aktuelle Fassung des UmweltHM, die dieser Kommentierung zugrundeliegt, datiert aus dem Jahr 2009. 3 Grundlage für die Umwelt-Haftpflichtversicherung bildet die Ausschlussklausel Ziff. 7.10 lit. b) AHB, die Nachfolgeregelung zu dem bereits erwähnten § 4 I Ziff. 8 AHB a.F. Beruhen die Ansprüche auf Personen- oder Sachschäden infolge von Umwelteinwirkungen, besteht nach Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB im Ausgangspunkt keine Deckung. Diese sog. „Nullstellung des Umwelthaftpflichtrisikos“ betrifft nur die Betriebshaftpflichtversicherung, nicht dagegen die Privathaftpflichtversicherung. Für diese besteht gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (1) AHB Deckung. 4 Die Nullstellung in der Betriebshaftpflichtversicherung gilt für Haftpflichtansprüche wegen Schäden infolge Umwelteinwirkungen, die dem allgemeinen Umwelt-Betriebsrisiko (Betriebsstättenrisiko) zuzuordnen sind (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 342). Für Haftpflichtansprüche wegen Schäden infolge Umwelteinwirkungen, die nach Ausführung der Leistungen oder nach Abschluss der Arbeiten eingetreten und deshalb dem Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko zuzuordnen sind, besteht dagegen gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (2) AHB Deckung, soweit es um Leistungen und Arbeiten geht, die sich nicht auf umweltrelevante Anlagen – WHG-Anlagen, UmwelthaftpflichtAnlagen, Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko – beziehen (nicht-anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko, auch als Umweltregressrisko bezeichnet) (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 343). Geht es um die Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung umweltrelevanter Anlagen, besteht für das daraus resultierende anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko kein Versicherungsschutz (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 341). Hiervon wird wiederum eine Gegenausnahme gemacht, wenn sich die vorbezeichneten Tätigkeiten nur auf Teile umweltrelevanter Anlagen beziehen. In diesen Fällen besteht Deckung, sofern die Teile nicht ersichtlich (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346) für solche Anlagen bestimmt waren. 5 Um die aus der Nullstellung des Umwelthaftpflichtrisikos resultierende Deckungslücke zu schließen, ist die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung (UHV Basis) entwickelt worden, die 1 Zur Historie vgl. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Zölch 44 f.; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil A Rn. 16 ff. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-256
1000
Vorbemerkung
UmweltHM
als Annex-Deckung zur Betriebshaftpflichtversicherung vorgesehen ist (vgl. Ziff. 7.10.2.1 BBR BHV). Sie schließt das allgemeine Umwelt-Betriebsrisiko wieder ein und versichert darüber hinaus das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko. Soll auch das Risiko umweltrelevanter Anlagen versichert werden, ist der Abschluss einer Umwelthaftpflichtversicherung auf Basis des UmweltHM erforderlich (keine bloße Annexdeckung, sondern gesonderter Vertrag, vgl. Ziff. 7.10.2.1 BBR BHV). In den neustrukturierten durchgeschriebenen Haftpflichtbedingungen ist die UHV-Basis in A2 AVB BHV (Umweltrisiko) versichert. Daneben besteht auch hier die Möglichkeit das Risiko umweltrelevanter Anlagen separat zu versichern (A2-1 AVB AVB). Der GDV hat bekannt gegeben, das die UHV Basis und das UmweltHM in der Fassung 2009 6 nicht mehr weiter zu pflegen. Weiter gepflegt werden nur noch die neustrukturierten Haftpflichtbedingungen (A2-1 AVB BHV Umwelthaftpflichtversicherung, Stand Februar 2016). Da es zu diesen Bedingungen bislang keine Rechtsprechung gibt, wird dieser Kommentierung weiterhin das UmweltHM als Ausgangspunkt zu Grunde gelegt. Im Anschluss daran wird zunächst die UHV-Basis behandelt, die an die BBR BHV/AHB anknüpft. Sodann wird die Versicherung des Umwelthaftpflichtrisikos in seinen verschiedenen Ausprägungen in den AVB BHV betrachtet. Zu beachten ist, dass aufgrund der Anknüpfung im UmweltHM an die AHB der VN bei Vereinbarung der AVB BHV sein Umwelthaftpflichtrisiko nicht mehr auf der Basis des UmweltHM versichern kann, sondern nur nach Maßgabe der AVB BHV. Eine Kombination von UmweltHM und AVB BHV ist somit nicht möglich. Abweichend von sonstigen Darstellungen wird zum besseren Verständnis auf die Sätze in 7 den jeweiligen Klauseln Bezug genommen, die durchnummeriert und durch hochgestellte Ziffern und/oder als Absätze in eckigen Klammern [.] gekennzeichnet werden (vgl. Darstellung von Ziff. 2 UmweltHM).
1001
Koch
Ziff. 1 UmweltHM
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1.1 Der Versicherungsschutz richtet sich nach den AHB und den nachfolgenden Vereinbarungen. 1.2 1Versichert ist – abweichend von Ziff. 7.10 (b) AHB – die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkung für die gem. Ziff. 2 in Versicherung gegebenen Risiken. 2 Mitversichert sind gem. Ziff. 2.1 AHB Vermögensschäden aus der Verletzung von Aneignungsrechten, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wasserrechtlichen Benutzungsrechten oder -befugnissen. 3Diese werden wie Sachschäden behandelt. 1.3 1Mitversichert ist die persönliche gesetzliche Haftpflicht 1.3.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft. 1.3.2 sämtlicher übriger Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gem. dem SGB VII handelt. 3Das gleiche gilt für solche Dienstunfälle gem. den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder in Folge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden. 1.4 Falls besonders vereinbart, sind eingeschlossen im Umfang der gem. Ziff. 2 versicherten Risiken folgende Deckungserweiterungen: 1.4.1 1Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus dem Gebrauch von folgenden, nicht versicherungspflichtigen Kfz: – Kfz und Anhänger ohne Rücksicht auf eine Höchstgeschwindigkeit, die nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren; – Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit; – selbst fahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit. 2Selbstfahrende Arbeitsmaschinen sind Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind und die zu einer vom Bundesminister für Verkehr bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. Hierfür gilt: 3 Hinsichtlich Ziff. 2.7 dieser Bedingungen gelten für die vorgenannten Kfz nicht die Ausschlüsse in Ziff. 3.1 (2) und 4.3 (1) AHB. 4 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 5Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 6Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 7 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 8Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 1.4.2 1Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an gemieteten, gepachteten Gebäuden und/oder Räumlichkeiten durch Brand und Explosion und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-257
1002
Übersicht
Ziff. 1 UmweltHM
2
1.5
1.6
1.7
1.8
Ausgeschlossen bleiben die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der FeuerVR bei übergreifenden Schadensereignissen fallenden Rückgriffsansprüche. 1.4.3 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die der Deutsche Bahn AG gegenüber gem. den Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse (PAB) übernommene Haftpflicht des VN (nicht jedoch eine darüber hinaus zusätzlich vereinbarte Haftung). Für Ärzte gilt: 1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von gemieteten Praxisräumen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Ausgeschlossen sind 1.5.1 Haftpflichtansprüche wegen a) Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung, b) Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten, c) Glasschäden, soweit sich der VN hiergegen besonders versichern kann; 1.5.2 die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der FeuerVR bei übergreifenden Schadensereignissen fallenden Rückgriffsansprüche. Für Gemeinschaften von Wohnungseigentümern gilt: 1 Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.4 AHB – a) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter; b) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; c) gegenseitige Ansprüche von Wohnungseigentümern bei Betätigung im Interesse und für Zwecke der Gemeinschaft. 2 Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. Für Bahnhofsgaststätten und Bahnhofshotels gilt: 1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die von der Deutsche Bahn AG gem. den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Nebenbetriebe der DB (AVN) übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts (nicht jedoch eine darüber hinaus zusätzlich vereinbarte Haftung). 2 Ausgeschlossen bleibt die Beschädigung der gepachteten Gegenstände (Ziff. 7.6 AHB). Für Bauhandwerker gilt im Rahmen von Ziff. 2.7: 1 Falls besonders vereinbart, sind eingeschlossen – in teilweiser Abweichung von Ziff. 7.14 (1) AHB – Haftpflichtansprüche aus Schäden, die entstehen durch Abwässer. 2 Ausgeschlossen bleiben Schäden an Entwässerungsleitungen durch Verschmutzungen und Verstopfungen
Übersicht 1
1. 2.
A.
Inhalt und Zweck
B.
Gegenstand der Versicherung
I.
Vertragsgrundlagen (Ziff. 1.1 UmweltHM)
II.
Umfang des Versicherungsschutzes (Ziff. 1.2 UmweltHM)
1003
2
3 Personen- und Sachschäden 5 Vermögensschäden 6 a) Aneignungsrecht b) Recht am eingerichteten und ausgeübten 7 Gewerbebetrieb c) Wasserrechtliche Benutzungsrechte oder 10 -befugnisse
Koch
Ziff. 1 UmweltHM
3. 4.
Gegenstand der Versicherung
Mitversicherte Personen (Ziff. 1.3 Um13 weltHM) Deckungserweiterungen (Ziff. 1.4 Um14 weltHM) a) Gebrauch nicht versicherungspflichtiger 15 Kfz (Ziff. 1.4.1 UmweltHM) b) Schäden an gemieteten und gepachteten 16 Sachen (Ziff. 1.4.2 UmweltHM) c) Privatgleisanschlüsse (Ziff. 1.4.3 Um17 weltHM)
5.
Erweiterungen für einzelne Berufs- oder Personengruppen 18 a) Ärzte (Ziff. 1.5 UmweltHM) b) Wohnungseigentümergemeinschaften 19 (Ziff. 1.6 UmweltHM) c) Bahnhofsgaststätten und -hotels (Ziff. 1.7 20 UmweltHM) d) Bauhandwerker (Ziff. 1.8 Um21 weltHM)
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 1 UmweltHM bestimmt und begrenzt zugleich den Schutzbereich des UmweltHM in sachlicher und personeller Hinsicht.
B. Gegenstand der Versicherung I. Vertragsgrundlagen (Ziff. 1.1 UmweltHM) 2 Nach Ziff. 1.1 UmweltHM richtet sich der Versicherungsschutz nach den AHB „und“ den nachfolgenden Vereinbarungen. Dies bedeutet nicht, dass AHB und UmweltHM gleichrangig Anwendung finden, da nach dem Sprachgebrauch besondere Vereinbarungen den allgemeinen vorgehen. Der Versicherungsschutz richtet sich, soweit es um Umwelthaftpflichtrisiken geht, deshalb vorrangig nach dem UmweltHM.1 Die AHB kommen nur insoweit zur Anwendung, als die Regelungen des UmweltHM keine abschließende Regelung treffen.2 Dies ist aus Sicht eines durchschnittlichen VN einer Umwelthaftpflichtversicherung in jedem Einzelfall vor einem Rückgriff auf die AHB zu klären.
II. Umfang des Versicherungsschutzes (Ziff. 1.2 UmweltHM) 1. Personen- und Sachschäden 3 Ziff. 1.2 UmweltHM beschreibt die versicherten Gefahren. Nach Satz 1 ist – abweichend von Ziff. 7.10 lit. b) AHB – versichert die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkung. Für öffentlich-rechtliche Ansprüche besteht somit keine Deckung. Hinsichtlich der Begriffe „gesetzliche Haftpflicht“ und „Personen- und Sachschäden“ kann auf die Kommentierung zu Ziff. 1.1 AHB (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 11 ff., 17 ff.) und hinsichtlich der Formulierung „Schäden durch Umwelteinwirkung“ auf die zu Ziff. 7.10 (b) Satz 1 AHB (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 331 ff.) verwiesen werden. Zwar handelt es sich bei Ziff. 7.10 (b) Satz 1 AHB um einen Ausschlusstatbestand, der im Gegensatz zu Ziff. 1.2 UmweltHM eng auszulegen ist. Da der Begriff der Umwelteinwirkung in § 3 Abs. 1 UmweltHG legal definiert ist (festumrissener Begriff der Rechtssprache), die Formulierung „Schäden durch Umwelteinwirkung“ erkennbar auf § 3 Abs. 1 UmweltHG Bezug nimmt und der VN den Begriff der Umwelteinwirkung in der Betriebshaftpflichtversicherung und der Umwelthaftpflichtversicherung einheitlich versteht, gibt die Auslegung von § 3 Abs. 1 UmweltHG für beide Bedingungswerke das Maß. 1 Vgl. LG München 20.12.2012 – 14 S 9204/12, BeckRS 2013, 03140. 2 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 13. Koch
1004
B. Gegenstand der Versicherung
Ziff. 1 UmweltHM
Eine Überschneidung zwischen der Betriebshaftpflichtversicherung und der Umwelthaftpflichtversicherung ist somit ausgeschlossen. Für Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen mit 4 energiereichen ionisierenden Strahlen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen) besteht kein Versicherungsschutz. Insoweit bleibt es bei dem Ausschluss gem. Ziff. 7.12 AHB (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 353 ff.). Hierfür existieren separate Deckungskonzepte (Allgemeine Versicherungsbedingungen für Nuklear-Haftpflichtversicherung von Kernanlagen – AHBKA – und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung von genehmigter Tätigkeit mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in den Fällen des § 26 Atomgesetz – AHBStr –), die keinen Ausschluss für Schäden durch Umwelteinwirkung enthalten.3
2. Vermögensschäden In Erweiterung zu Ziff. 2.1 AHB sind nach Ziff. 1.2 Satz 2 UmweltHM mitversichert Vermögens- 5 schäden aus der Verletzung von Aneignungsrechten, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie wasserrechtlicher Benutzungsrechte oder -befugnisse. Diese werden gem. Ziff. 1.2 Satz 3 UmweltHM Sachschäden gleichgestellt, weshalb es einer gesonderten Versicherungssumme für Vermögensschäden nicht bedarf. Bei den vorbezeichneten Begriffen handelt es sich um Begriffe der Rechtssprache, die an den Haftungstatbestand anknüpfen. Im Hinblick auf die (auch) in der Umwelthaftpflichtversicherung angestrebte Kongruenz von Haftung und Deckung entspricht es dem Verständnis/der Erwartungshaltung des VN, dass die von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung dieser Begriffe grundsätzlich auch das Maß für die Auslegung von Ziff. 1.2 Satz 2 UmweltHM gibt.
a) Aneignungsrecht. Beim Aneignungsrecht i.S.d. § 958 Abs. 2 BGB handelt es sich um die 6 Befugnis, Eigentum an einer herrenlosen Sache zu begründen. Das Recht zur Aneignung genießt als sonstiges Recht deliktischen Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB.4 Aneignungsrechte können sich aus dem Wassergebrauchs- und -gewinnungsrecht z.B. eines Wasserwerks,5 dem Jagd- und Jagdausübungsrecht,6 dem Fischereirecht,7 Bergbaugerechtigkeiten, Schürf- und Förderrechten8 und aus Grunddienstbarkeiten oder Reallasten ergeben.9 Das Aneignungsrecht umfasst nicht ein Recht auf unbeeinträchtigten Zufluss.10 Beispiele für die Verletzung von Aneignungsrechten11: Schädigung des Wassergewinnungsrechts eines Wasserwerkes durch Grundwasserkontamination im Wassereinzugsgebiet; Schädigung des Fischereirechts durch Verschmutzung eines Oberflächengewässers und eines dadurch verursachten Fischsterbens; Schädigung des Jagdrechts durch Luftverschmutzung.
3 4 5 6
GDV-Erläuterungen 4 f.; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 50. MüKoBGB/Oechsler § 958 Rn. 9; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 12. Palandt/Sprau § 823 Rn. 16; vgl. auch BGH 7.10.1975 – VI ZR 43/74, NJW 1976 46 f. = VersR 1976 62 ff. Vgl. BGH 30.10.2003 – III ZR 380/02, NJW-RR 2004 100, 101; BGH 20.1.2000 – III ZR 110/99, BGHZ 143 321, 324 = NJW 2000 1729; OLG Düsseldorf 21.10.1987 – 9 U 59/87, NJW-RR 1988 526; LG Trier 21.6.2005 – 1 S 183/04, NJW-RR 2006 894, 895. 7 BGH 31.5.2007 – III ZR 258/06, NJW-RR 2007 1319, 1320; BGH 5.4.1968 – V ZR 18/67, BGHZ 50 73, 74 = NJW 1968 1284; BGH 3.1.1968 – V ZR 219/64, BGHZ 49 231, 234 f.; OLG (RhSchOG) Karlsruhe 8.11.2002 – 1 U 2/02 RhSch, NZV 2003 186, 187. 8 Staudinger/Kohler (2017) § 1 UmweltHG Rn. 25. 9 Vgl. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 11. 10 BGH 22.12.1976 – III ZR 62/74, BGHZ 69 1, 7 ff. = NJW 1977 1770. 11 GDV-Erläuterungen 7; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 57. 1005
Koch
Ziff. 1 UmweltHM
Gegenstand der Versicherung
7 b) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt den Gewerbebetrieb in seinem Bestand mit seinen Ausstrahlungen im gewerblichen Tätigkeitskreis, allerdings nur gegen betriebsbezogene Eingriffe.12 Die bloß mittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs durch ein außerhalb eingetretenes, mit seiner Wesenseigentümlichkeit nicht in Beziehung stehendes Schadensereignis reicht hierfür nicht. So liegt der Fall, wenn eine Belüftung und damit einhergehend eine Nutzung der Betriebsräume infolge von Staubentwicklung durch Bauarbeiten13 oder infolge eines Brands nicht möglich ist oder Gäste eines Ferienortes infolge Geruchsbelästigung durch eine Fabrik ausbleiben. Es geht also um solche Fälle, in denen das Unternehmen nicht anders betroffen ist als eine Vielzahl anderer Personen auch.14 Angesichts dieser Beispiele einer mittelbaren Beeinträchtigung dürften Schäden durch Umwelteinwirkungen i.S.v. § 3 Abs. 1 UmweltHG oftmals die Betriebsbezogenheit fehlen.15 Soweit diese gegeben ist, dürfte in vielen Fällen die Vorsatzausschlussklausel der Ziff. 7.1 AHB oder die Ausschlüsse der Ziff. 6.9 und 6.10 UmweltHM eingreifen.16 8 Nach den Vorstellungen des Musterbedingungsgebers umfasst der Begriff „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ i.S.v. Ziff. 1.2 UmweltHM – weitergehend als der damit korrespondierende haftungsrechtliche Begriff – auch nicht betriebsbezogene Beeinträchtigungen.17 Ihm seien auch solche Tatbestände zuzuordnen, bei denen die zugrunde liegende Haftungsnorm eine Zielgerichtetheit des Eingriffs nicht voraussetze. Dies sei insbesondere in § 89 WHG der Fall.18 Da nach Ansicht des BGH die Entstehungsgeschichte nicht zur Auslegung von AVB herangezogen werden kann, selbst wenn deren Berücksichtigung zu einem dem VN günstigeren Ergebnis führt,19 ist fraglich, ob diese Vorstellungen bei der Auslegung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Berücksichtigung finden können. Eine ausdehnende Auslegung ließe sich deshalb wohl nur mit der von beiden Seiten gewollten Kongruenz von Haftung und Deckung rechtfertigen. 9 Behauptet der Anspruchssteller einen betriebsbezogenen Eingriff, um die Haftung des VN zu begründen, ist der VR zur Anspruchsabwehr verpflichtet, wenn er nach Prüfung des Anspruchs zu dem Ergebnis gelangt, dass es an der Betriebsbezogenheit fehlt.20 Der VR ist nicht berechtigt, die Deckung unter Hinweis auf die vorgenannten Ausschlüsse zu verneinen.
10 c) Wasserrechtliche Benutzungsrechte oder -befugnisse. Wasserrechtliche Benutzungsrechte oder -befugnisse ergeben sich aus der nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) gem. §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 WHG erteilten Erlaubnis oder Bewilligung, ein Gewässer in einer nach Art und Maß bestimmten Weise i.S.v. § 9 WHG zu benutzen. Hierzu zählen insbesondere das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern und von Grundwasser sowie das Einleiten und Einbringen von Stoffen in Gewässer (zum Gewässerbegriff s. Ziff. 2 UmweltHM Rn. 45 ff.).
12 Vgl. dazu BGH 11.1.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005 673, 675; BGH 18.11.2003 – VI ZR 385/02, RuS 2004 83, 85 = VersR 2004 255; BGH 21.8.1998 – VIII ZR 3/98, RuS 1998 330 f.; BGH 8.1.1981 – III ZR 125/79, NJW 1981 2416, jew. m.w.N.; BeckOGK-BGB/Spindler § 823 Rn. 208 ff.; MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 369. 13 Hierzu AG Segeberg 20.10.2011 – 17 C 39/11, BeckRS 2011 2448. 14 Umfassend hierzu MüKoBGB/Wagner § 823 Rn. 369. 15 Vgl. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 11; Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 419; Schmidt-Leithoff VP 1992 197, 207; Schmidt-Salzer/Schramm UHV Rn. 1.40. 16 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 419. 17 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM 19, abgedruckt in Beilage zu VW Heft 24/1993 23; vgl. auch GDV-Erläuterungen 7. 18 Vgl. BGH 8.1.1981 – III ZR 125/79, NJW 1981 2416; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 13. 19 BGH 27.6.2012 – IV ZR 212/10, RuS 2012 490, 491 = VersR 2012 1253; BGH 25.9.2002 – IV ZR 248/01, RuS 2003 16; BGH 17.5.2000 – IV ZR 113/99, RuS 2000 478, 479; vgl. auch Langheid/Wandt/Schimikowksi Kap. 330 Rn. 19. 20 Vgl. Prölss/Martin/Voit UmwHaftPfl Ziff. 1 Rn. 11. Koch
1006
B. Gegenstand der Versicherung
Ziff. 1 UmweltHM
Sonstige, nicht auf wasserrechtlichen Benutzungsrechten beruhende Nutzungen des Gewässers (z.B. durch die Schifffahrt) werden nicht erfasst.21 Nach § 89 Abs. 1 WHG ist schadensersatzpflichtig, wer in ein Gewässer Stoffe einbringt 11 oder einleitet oder wer auf ein Gewässer einwirkt und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert (Handlungshaftung). Demgegenüber besteht nach § 89 Abs. 2 WHG eine Ersatzpflicht für solche nachteiligen Veränderungen, die dadurch entstehen, dass aus einer Anlage, die bestimmt ist, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, derartige Stofe in ein Gewässer gelangen, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet worden zu sein (Anlagenhaftung). Bei der Anlagenhaftung ist somit anders als bei der Handlungshaftung kein zweckgerichtetes Verhalten erforderlich. Zum Schadensersatz nach § 89 WHG berechtigt sind alle durch eine Veränderung der Was- 12 serbeschaffenheit nachteilig betroffenen Inhaber wasserrechtlicher Benutzungsrechte oder -befugnisse, z.B. Wasserwerke oder Kernkraftwerke als Gewässerbenutzer, Mineralwasserhersteller,22 Fischzuchtbetriebe, Fischereiausübungsberechtigte23 oder Gewässereigentümer.24 Beispiel:25 Der VN verletzt infolge Verschmutzung des Flusses das wasserrechtliche Benutzungsrecht des Kraftwerkes auf Entnahme von Wasser. Der Anspruch aus § 89 WHG auf Ersatz der Mehrkosten, die daraus resultieren, dass das Kraftwerk die Entnahme von Wasser zur Kühlung einstellen und sich anderweitig zu höheren Kosten eindecken muss, ist versichert.
3. Mitversicherte Personen (Ziff. 1.3 UmweltHM) Ziff. 1.3 UmweltHM entspricht Ziff. 7.1.2.3 und 7.1.2.4 BBR BHV. Insoweit kann auf die dortige 13 Kommentierung verwiesen werden (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 48 ff.). Ergänzend sei angemerkt, dass zum Kreis der Mitarbeiter mit Aufsichtsfunktionen auch der Betriebsbeauftragte für den Umweltschutz – also der Gewässerschutzbeauftragte (§ 64 WHG), der Betriebsbeauftragte für Abfall (§ 1 AbfBetrBV), der Immissionsschutzbeauftragte (§ 53 BImSchG) sowie der Strahlenschutzbeauftragte (§ 31 StrlSchV) – zählt.26
4. Deckungserweiterungen (Ziff. 1.4 UmweltHM) Ziff. 1.4 UmweltHM sieht Deckungserweiterungen vor, die besonders vereinbart werden müssen. 14
a) Gebrauch nicht versicherungspflichtiger Kfz (Ziff. 1.4.1 UmweltHM). Zu den Erweite- 15 rungen, die besonders vereinbart werden müssen, zählt die Mitversicherung der gesetzlichen Haftpflicht aus dem Gebrauch von im Einzelnen bezeichneten, nicht versicherungspflichtigen Kfz. Der Ausschluss nach Ziff. 6.15 UmweltHM (Ziff. 6 Rn. 39) ist insoweit abbedungen. Zu beachten ist, dass die Deckung auf den berechtigten Fahrer mit der erforderlichen Fahrerlaubnis beschränkt ist. Den VN trifft nach Ziff. 1.4.1 Satz 4 und 7 UmweltHM „verpflichtet“ ist, dafür Sorge zu tragen, dass nur Fahrer, die zum Gebrauch des Kfz berechtigt sind und über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügt, das Kfz benutzen. Diese Regelungen entsprechen inhaltlich den 21 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM 19, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 22 f.; Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 424. BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, NVwZ-RR 2007 754, 755 f. BGH 21.1.1988 – III ZR 180/86, NJW 1988 1593, 1594. Vgl. BeckOK-UmweltR/Hilf § 89 WHG Rn. 28; Landmann/Rohmer/Petersen Umweltrecht § 89 WHG Rn. 46. Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 427 f. Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 20.
22 23 24 25 26
1007
Koch
Ziff. 1 UmweltHM
Gegenstand der Versicherung
aus der Kfz-Versicherung bekannten Obliegenheiten (D.1.1.2 und D.1.1.3 AKB 2015), die in der Privathaftpflichtversicherung (Ziff. 3.2 BBR PHV) und der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 7.5.3 BBR BHV) übernommen worden sind. Im Unterschied zur Privathaftpflicht- und zur Betriebshaftpflichtversicherung fehlt jedoch der Rechtsfolgenverweis auf Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten). Es handelt sich um eine als primäre Risikobegrenzung formulierte, verhüllte Obliegenheit, die wegen Verletzung des Transparenzgebots i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 unwirksam ist.27
16 b) Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen (Ziff. 1.4.2 UmweltHM). Die Deckungserweiterung nach Ziff. 1.4.2 UmweltHM bezieht sich auf Brand- und Explosionsschäden an gemieteten und gepachteten Gebäuden und/oder Räumlichkeiten. Der Ausschluss nach Ziff. 7.6 AHB ist insoweit abbedungen. Diese Möglichkeit zum Einschluss trägt dem Bedürfnis des VN an Versicherungsschutz für Räumlichkeiten Rechnung, in denen brennbare oder explosive Stoffe verarbeitet oder gelagert werden.28 Zu beachten ist, dass Ziff. 1.4.2 UmweltHM Schäden an geleasten Sachen nicht einschließt. Insoweit bleibt es bei dem Ausschluss, wenn es um Schäden an Gebäuden und/oder Räumlichkeiten geht, die geleast worden sind, da der durchschnittliche VN einer Umwelthaftpflichtversicherung Leasing nicht mit Miete gleichsetzt.29 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz bleiben die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der FeuerVR bei übergreifenden Schadensereignissen fallenden Rückgriffsansprüche.
17 c) Privatgleisanschlüsse (Ziff. 1.4.3 UmweltHM). Die Deckungserweiterung nach Ziff. 1.4.3 UmweltHM bezieht sich auf die vom VN gegenüber der Deutschen Bahn AG übernommene Haftpflicht für private Gleisanschlüsse. Die Erweiterung des Versicherungsschutzes ist auf die in den Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse (PAB) übernommene Haftung beschränkt. Vom erweiterten Versicherungsschutz ausgeschlossen bleibt nach dem ausdrücklichen Klammerzusatz eine darüber hinaus zusätzlich vereinbarte Haftung.30
5. Erweiterungen für einzelne Berufs- oder Personengruppen 18 a) Ärzte (Ziff. 1.5 UmweltHM). Ziff. 1.5 UmweltHM schließt – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – für den Bereich der Arzthaftpflichtversicherung die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von gemieteten Praxisräumen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden ein. Als Beispiel wird in der Literatur der Fall aufgeführt, dass ein im Garten zur Beheizung der Praxisräume installierter Propangas-Tank des VN (Arzt) explodiert und dadurch die von ihm
27 A.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 22; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 24; zur Wirksamkeit verhüllter Obliegenheiten Langheid/Rixecker § 28 Rn. 16; Koch VersR 2014 283, 286; Piontek/Tschersich RuS 2015 363, 364; vgl. auch Langheid/Wandt/Wandt § 28 Rn. 215 (zu den Wirksamkeitsanforderungen an die Vereinbarung der Leistungsfreiheit). 28 Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 25. 29 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 22; zur Diskussion, ob sich der Ausschluss gemäß § 4 I Ziff. 6 lit. a) AHB 2002 (und ältere Fassungen) auf Leasing erstreckt, vgl. OLG Hamm 8.3.1995 – 20 U 290/94, RuS 1995 450, 451 (Ausdehnung der Klausel auf andere Fälle, insbes. auf Besitzüberlassungen im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses, ist nicht gerechtfertigt); OLG Stuttgart 30.6.1994 – 7 U 228/93. RuS 1995 176 = VersR 1996 445 (Ausdehnung des Risikoausschlusses auf ähnliche Rechtsverhältnisse scheitert schon an § 5 AGBG a.F.); OLG Koblenz 8.7.1994 – 10 U 126/94, RuS 1994 410, 411 = VersR 1995 1083 (Sachverhaltsgestaltungen, die denen der Miete bloß ähnlich sind, fallen hiernach eindeutig nicht unter den Ausschluss); Hans. OLG Hamburg 7.6.1989 – 8 U 140/87, VersR 1989 1292. 30 Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 26. Koch
1008
B. Gegenstand der Versicherung
Ziff. 1 UmweltHM
gemieteten Praxisräume beschädigt werden.31 Es gelten die aus der Privathaftpflichtversicherung bekannten Begrenzungen des Versicherungsschutzes (Verschleiß, übermäßige Beanspruchung usw.)(vgl. Ziff. 5.2 (2) BBR PHV). Vom erweiterten Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen bloßer Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung und wegen Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten.
b) Wohnungseigentümergemeinschaften (Ziff. 1.6 UmweltHM). Ziff. 1.6 UmweltHM schließt 19 – abweichend von Ziff. 7.4 AHB – für die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter und gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sowie gegenseitige Ansprüche von Wohnungseigentümern bei Betätigung im Interesse und für Zwecke der Gemeinschaft ein. Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. Betroffen ist nur die gewerbliche Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, da der Ausschluss gem. Ziff. 7.10 lit. b) AHB bei privaten Risiken nicht eingreift. Beispiel:32 Aufgrund eines Fehlers des Verwalters fängt die Heizöltankanlage eines Gebäudes Feuer, das in Wohnungseigentum aufgeteilt ist. Durch Funkenflug werden die Kfz der Wohnungseigentümer beschädigt, die auf dem Parkplatz abgestellt wurden. Für die Haftpflichtansprüche der Eigentümer gegen den Verwalter besteht Deckung.
c) Bahnhofsgaststätten und -hotels (Ziff. 1.7 UmweltHM). Ziff. 1.7 UmweltHM sieht eine 20 Deckungserweiterung für die Inhaber von Bahnhofsgaststätten und Bahnhofshotels vor und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Pachtverträge mit der Deutschen Bahn AG auf den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Nebenbetriebe der DB (AVN) eine weitgehende Haftungsübernahme vorsehen. Vom erweiterten Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Beschädigung der gepachteten Gegenstände. Beispiel:33 Aufgrund eines Fehlers des Bahnhofsgaststättenpächters fängt die Heizöltankanlage der Bahnhofsgaststätte Feuer. Die Gaststätte brennt nieder. Durch Funkenflug gerät ein angrenzendes Gebäude in Brand. Für die Haftpflichtansprüche des Eigentümers des Gaststättengebäudes gegen den Pächter besteht keine Deckung. Dagegen besteht Versicherungsschutz für die Ansprüche des Eigentümers des angrenzenden Gebäudes.
d) Bauhandwerker (Ziff. 1.8 UmweltHM). Für Bauhandwerker besteht gem. Ziff. 1.8 Um- 21 weltHM die Möglichkeit, Abwasserschäden infolge von Umwelteinwirkungen im Rahmen der Deckung des allgemeinen Umwelt-Betriebsrisikos nach Ziff. 2.7 UmweltHM in die Umwelthaftpflichtversicherung einzubeziehen. Der Ausschluss nach Ziff. 7.14 (1) AHB ist insoweit abbedungen. Ausgeschlossen bleiben in allen Fällen jedoch Schäden an Entwässerungsleitungen durch Verschmutzungen und Verstopfungen.34 Beispiel:35 Infolge der Beschädigung einer Abwasserleitung durch einen Bauhandwerker läuft das Wasser in den nahegelegenen Teich und verursacht dort ein Fischsterben. Für die Haftpflichtansprüche des Fischereiberechtigten besteht Deckung.
31 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 63; Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 517; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 1 Rn. 28. 32 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 520. 33 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 524. 34 Vgl. Rundschreiben des HUK-Verbandes H 20/94 M vom 20.6.1994 S. 12 sowie H 38/93 M vom 1.11.1993 S. 6 ff. 35 Vgl. Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 525. 1009
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Ziff. 2 Versicherte Risiken [Absatz 1] 1Die Versicherung erstreckt sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein aufgeführten Risiken und Tätigkeiten. 2Versicherungsschutz besteht für die unter Ziff. 2.1– 2.7 aufgeführten, jeweils ausdrücklich zu vereinbarenden Risikobausteine: 2.1 1Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 2Ausgenommen sind solche WHG-Anlagen, die in Anhang 1 oder 2 zum UHG aufgeführt sind, Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.2 1Anlagen des VN gem. Anhang 1 zum UHG (UHG-Anlagen). 2 Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.3 1Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHG-Anlagen handelt (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer. 2.4 1Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko). 2Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 AHB findet insoweit keine Anwendung. 2.5 Anlagen des VN gem. Anhang 2 zum UHG (UHG-Anlagen/Pflichtversicherung). 2.6 1Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. 2Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 (1) AHB findet insoweit keine Anwendung. 3Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles werden unter den in Ziff. 5 genannten Voraussetzungen durch den VR ersetzt, sofern Regressansprüche des Inhabers der Anlage gegen den VN bestehen können. 2.7 Umwelteinwirkungen, die im Zusammenhang mit dem im Versicherungsschein beschriebenen Risiko stehen, soweit diese Umwelteinwirkungen nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgehen oder ausgegangen sind, die unter den Anwendungsbereich der Risikobausteine Ziff. 2.1–2.6 fallen, unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart wurden oder nicht. [Absatz 2] Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen gem. Ziff. 2.1–2.5 und 2.7 in Boden, Luft oder Wasser (einschl. Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein. [Absatz 3] Der Versicherungsschutz gem. Ziff. 2.1–2.7 bezieht sich auch auf die Haftpflicht wegen Schäden eines Dritten, die dadurch entstehen, dass Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Durchführung der Risikodeklarierung
I.
Prinzip exakter Risikodeklarierung
3
II.
Ausnahmen und Einschränkungen
7
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-258
C.
Deckungsbausteine
I. 1.
WHG-Anlagen (Ziff. 2.1 UmweltHM) Ziff. 2.1 Satz 1 UmweltHM 11 a) Überblick 13 b) Anlage i.S.d. WHG 17 c) Inhaberschaft des VN
1010
Ziff. 2 UmweltHM
A. Inhalt und Zweck
2.
Ziff. 2.1 Satz 2 UmweltHM
II. 1. 2. 3.
UmweltHG-Anlagen (Ziff. 2.2 UmweltHM) 24 Überblick 25 Begriff der UmweltHG-Anlage Ortsveränderliche technische Einrichtungen 28 und Nebeneinrichtungen 33 Inhaberschaft des VN 34 Ziff. 2.2 Satz 2 UmweltHM
4. 5. III. 1. 2. 3. IV. 1. 2. 3.
22
Sonstige deklarierungspflichtige Anlagen (Ziff. 2.3 UmweltHM) 35 Überblick Dem Umweltschutz dienende Bestimmun36 gen 38 Begriff der Anlage Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko (Ziff. 2.4 UmweltHM) 39 Überblick 40 Abwasseranlagenrisiken 44 Einwirkungsrisiken 45 a) Gewässer 48 b) Einbringen, Einleiten, Einwirken 49 aa) Einbringen 50 bb) Einleiten 52 cc) Einwirken
V.
UmweltHG-Anlagen/Pflichtversicherung 53 (Ziff. 2.5 UmweltHM)
VI.
Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (Ziff. 2.6 UmweltHM) 54 Inhalt und Zweck Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM oder Teile, die ersichtlich für solche Anlagen be58 stimmt sind
3. 4.
VII. Allgemeines Umwelt-Betriebsrisiko (Ziff. 2.7 UmweltHM) 61 1. Sinn und Zweck 62 2. Versichertes Risiko 3. Anwendungsbereich 63 a) Anlagenrisiken 64 b) Produkt-/Dienstleistungsrisiken 65 c) Betriebsstättenrisiko D.
Verwendungsrisiko (Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM)
I.
Inhalt und Zweck
II. 1.
Einzelheiten Gelagerte Stoffe 67 a) Begriff des Stoffs 69 b) Lagerung Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anla70 gen In Boden, Luft oder Wasser (einschl. Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder einge74 leitet zu sein
2.
3.
E.
1. 2.
Personenverschiedenheit von VN und Anlagen59 inhaber Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfal60 les
66
Mittelbares Abwasserrisiko (Ziff. 2 Abs. 3 Um75 weltHM)
A. Inhalt und Zweck Ähnlich wie das ProdHM baut das UmweltHM auf dem Prinzip der Einzeldeklaration der zu 1 versichernden Risiken in Form eines Baustein-Modells auf. Die Bausteine knüpfen an haftungsrechtliche Zuordnungen (WHG-Anlagen, UmweltHG-Anlagen, Einwirkungsrisiken), an das öffentlich-rechtliche Genehmigungsrecht (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen, Abwasseranlagen) und rein versicherungstechnische Einteilungen an.1 Nach Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 u. 2 UmweltHM erstreckt sich die Umwelthaftpflichtversicherung 2 aussschließlich auf die im Versicherungsschein aufgeführten Risiken, wobei Versicherungsschutz für die einzelnen Bausteine des Modells jeweils ausdrücklich zu vereinbaren ist. Konkret bedeutet dies, dass die in dem zu versichernden Betrieb vorhandenen Anlagen und Risiken im Einzelnen erfasst und den jeweiligen Deckungsbausteinen zugeordnet werden. In dieser Systematik werden sie dann in eine Liste aufgenommen, die dem Versicherungsschein als „An-
1 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil A Rn. 53. 1011
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Versicherte Risiken
lage“ beigefügt wird und dessen Bestandteil sie ist.2 Hierdurch will der VR sicherstellen, dass er ein genaues Bild über den Risikobestand erhält. Zudem soll auch der VN genau wissen, auf welche Anlagen und Anlagenteile sich die Deckung erstreckt.
B. Durchführung der Risikodeklarierung I. Prinzip exakter Risikodeklarierung 3 Um eine exakte Risikodeklarierung sicherzustellen, ist eine genaue Beschreibung erforderlich, z.B. die Art und Anzahl von Anlagen und Stoffen einschließlich Lagermenge, Verwendungszweck, Standort, Produktionsverfahren.3 Von besonderer Bedeutung für die Risikoanalyse des VR ist verständlicherweise der Versicherungsort (Gemeinde, Grundstück, Grundstücksteil), da es einen Unterschied macht, ob sich z.B. ein Heizöltank in unmittelbarer Nähe eines Quellenschutzgebietes oder in einem Industriegebiet befindet. Die Beschreibung „1 Tank zur Lagerung von Heizöl (Fassungsvermögen 100000 Liter) in x-Stadt“ genügt daher nicht. Hinreichend präzise ist dagegen die Beschreibung: „1 Tank, Baujahr 2002, zur oberirdischen Lagerung von Heizöl (Fassungsvermögen 100000 Liter), x-Stadt, y-Straße Ziff. 1“.4 4 Die Aufnahme und Erfassung der Anlagen in vorbezeichneter Weise ist grundsätzlich Aufgabe des VN.5 Macht der VN falsche oder unzureichende Angaben über die Anlage, was zu einer falschen Zuordnung führt, hat er keinen Versicherungsschutz. §§ 19 ff. VVG sind nicht anzuwenden, weil es nicht um gefahrrelevante Umstände geht, sondern um das versicherte Risiko selbst.6 Dagegen liegt die Verantwortung für die Zuordnung der Anlagen zu den Bausteinen des UmweltHM beim VR.7 Erweist sich die vom VR vorgenommene Zuordnung als falsch, hat der VN gleichwohl Anspruch auf Versicherungsschutz. Da sich sein Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages auf die Einbeziehung der von ihm angegebenen Anlagen bezieht, stellt die fehlerhafte Zuordnung seitens des VR im Versicherungsschein eine Abweichung i.S.v. § 5 Abs. 1 VVG dar, die mangels eines Hinweises des VR gem. § 5 Abs. 3 VVG nicht Vertragsinhalt wird. Für die Aufteilung der Verantwortlichkeiten ist im Übrigen unerheblich, ob der Vertrag durch einen Makler vermittelt wird oder ein Großrisiko i.S.d. § 210 Abs. 2 VVG vorliegt. 5 In der Praxis erfolgt die Aufnahme und Erfassung der Anlagen mittels vom VR entwickelter Fragebögen. Diese müssen inhaltlich so ausgestaltet sein, dass der VN weiß, welche Angaben der VR für die Zuordnung der Anlagen zu den Bausteinen benötigt. Anderenfalls kommen Schadensersatzansprüche nach § 6 Abs. 5 VVG und – soweit es um maklervermittelte Verträge oder
2 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/WittenbergBrall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Wittenberg 210; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 67; van Bühren/Laschet § 26 Rn. 17. 3 Vgl. GDV-Erläuterungen 9. 4 Vgl. GDV-Erläuterungen 9. 5 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 537: „Das Deklarationsprinzip bürdet dem VN das Vollständigkeits-, Richtigkeits- und Aktualisierungsrisiko auf“; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 68. 6 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 1; a.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 24. 7 Vgl. MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 42; hierzu Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Wittenberg 211: „Die Betriebe selbst werden auch oftmals Schwierigkeiten haben, die am Haftungsrecht orientierte Anlagenzuordnung vorzunehmen. So erhält ein Unternehmen nicht selten für eine Betriebsstätte nur eine einzige Genehmigung, obwohl haftungsrechtlich und versicherungstechnisch von mehreren Anlagen auszugehen wäre, z.B. eine Anlage zur Herstellung, die dazugehörigen unterirdischen Tanks für die Rohstoffe und Hochregal-Läger für die Endprodukte. Soweit diese jeweils für sich die Mengenschwellen nach den Anhängen zum Umwelthaftungsgesetz überschreiten, wäre haftungsrechtlich von drei UHG-Anlagen auszugehen, welche wiederum versicherungstechnisch im Versicherungsschein auch separat deklariert werden müssen.“; a.A. Looschelders/Pohlmann/Laschet Anhang F Rn. 16. Koch
1012
B. Durchführung der Risikodeklarierung
Ziff. 2 UmweltHM
Großrisiken geht – nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB in Betracht.8 Drängt sich für den VR z.B. aufgrund der Antworten des VN auf, dass der VN Fehlvorstellungen unterliegt, ist er gem. § 6 Abs. 1 VVG – bei Großrisiken und bei maklervermittelten Verträgen aus § 241 Abs. 2 BGB9 – verpflichtet, nachzufragen und etwa gegebene Fehlvorstellungen zu korrigieren.10 Der Versicherungsschutz nach den einschlägigen Risikobausteinen bezieht sich auf „Anla- 6 gen des VN“. Im Hinblick auf die in der Umwelthaftpflichtversicherung angestrebte Kongruenz von Haftung und Deckung wird mit dieser Formulierung nicht an das Eigentum des VN an der Anlage angeknüpft, sondern an die für die Haftung nach § 89 WHG und § 1 UmweltHG relevante Inhaberschaft des VN. Der VN ist Inhaber einer Anlage, wenn er über sie die tatsächliche Verfügungsgewalt hat (s. hierzu Rn. 17 ff.). Obliegt die tatsächliche Verfügungsgewalt mehreren, kommt es zu einer mehrfachen Inhaberschaft. In diesen Fällen kann eine adäquate Deckungslösung nur anhand der konkreten, individuellen Verhältnisse zwischen dem VN und dem VR gefunden werden.11
II. Ausnahmen und Einschränkungen Ausgenommen von der Deklarationsverpflichtung ist das im Rahmen von Ziff. 2.7 UmweltHM versicherte allgemeine Umwelt-Betriebsrisiko. Hier kann der VR sein Risiko nur dadurch begrenzen, dass er die Betriebsbeschreibung des VN möglichst genau dokumentiert, indem er nicht lediglich vom „Unternehmen zur Herstellung von Glas“ spricht, sondern Angaben aufnimmt, welche Art von Glas hergestellt wird (z.B. Herstellung von Bleikristallglas, Herstellung von Hohlglas, Herstellung von Flachglas).12 Hinsichtlich des über Risikobaustein Ziff. 2.6 UmweltHM zu versichernden anlagenbezogenen Umwelt-Produktrisikos lässt sich das Prinzip einer möglichst exakten Deklarierung des zu versichernden Risikos in ähnlicher Weise durch eine möglichst genaue Beschreibung der diesem Baustein unterfallenden Produktgruppen erreichen.13 Ausnahmen vom Prinzip exakter Deklarierung finden sich aus Praktikabilitätsgründen bei WHG-Anlagen i.S.d. Risikobausteins Ziff. 2.1 UmweltHM. Da es kaum möglich ist, alle kleinen und kleinsten Behältnisse exakt zu erfassen, kommt es hier zu einer teilweisen Auflösung dieses Prinzips (z.B. Verzicht auf das Erfordernis der Einzeldeklarierung von Behältnissen bis zu einem bestimmten Fassungsvermögen von z.B. 220 l (Fassgröße), unabhängig von ihrem Inhalt bzw. dessen Wassergefährdungsklasse).14 Schließlich gilt es auch bei der Deklarierung von UmweltHG-Anlagen gemäß Risikobaustein Ziff. 2.2 und Ziff. 2.5 UmweltHM zu berücksichtigen, dass gemäß § 3 Abs. 3 UmweltHG zu den in Anhang 1 zum UmweltHG aufgeführten Anlagen unter Haftungsgesichtspunkten auch Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen und Nebeneinrichtungen gehören, die mit der Anlage in einem räumlichen oder betriebstechnischen Zusammenhang stehen und für das Entstehen von Umwelteinwirkungen von Bedeutung sein können (s. Rn. 28 ff.).15 Verzichtet der VR auf eine ins Letzte gehende Zuordnung der einzelnen Anlagen, sind alle vom VN angegebenen Anlagen versichert.16
8 Vgl. Bruck/Möller/Schwintowski § 6 Rn. 102; Langheid/Wandt/Armbrüster § 6 Rn. 352. 9 Vgl. Bruck/Möller/Schwintowski § 6 Rn. 102; Langheid/Wandt/Armbrüster § 6 Rn. 352. 10 Vgl. auch Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 26. 11 Vgl. GDV-Erläuterungen 10. 12 Vgl. GDV-Erläuterungen 10. 13 Vgl. GDV-Erläuterungen 11. 14 Vgl. GDV-Erläuterungen 10. 15 Vgl. GDV-Erläuterungen 11. 16 Zu den Ausnahmen von Deklarationsprinzip s. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 27. 1013
Koch
7
8
9
10
Ziff. 2 UmweltHM
Versicherte Risiken
C. Deckungsbausteine I. WHG-Anlagen (Ziff. 2.1 UmweltHM) 1. Ziff. 2.1 Satz 1 UmweltHM 11 a) Überblick. Ziff. 2.1 UmweltHM erfasst Haftpflichtrisiken durch Umwelteinwirkungen aus dem Betrieb von Anlagen des VN, die dazu bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). Der Wortlaut von Ziff. 2.1 Satz 1 UmweltHM orientiert sich an § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG und im Klammerzusatz ist von WHG-Anlagen die Rede. Der durchschnittliche VN der Umwelthaftpflichtversicherung wird den Begriff der Anlage i.S.d. Ziff. 2.1 UmweltHM somit ebenso verstehen wie den in § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG, der eine verschuldensunabhängige Haftung des VN begründet. Deckung besteht jedoch nicht nur für die Folgen der Gewässerbeeinträchtigung, sondern 12 auch für andere Schäden durch Umwelteinwirkung, z.B. für Schäden durch Rauchbeaufschlagung im Brandfall. Es sind deshalb auch Ansprüche gedeckt, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, z.B. § 823 BGB.17 Beispiel: Ein Tanklager brennt. Auslaufende gewässerschädliche Stoffe führen zu einem Gewässerschaden und mit Schadstoffen belastete Rauchwolken führen in der Nachbarschaft zu Personen- oder Sachschäden. Außerdem ergießt sich auslaufendes Öl auf das benachbarte Grundstück eines Dritten.
13 b) Anlage i.S.d. WHG. Das WHG definiert den Anlagenbegriff nicht. Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der Anlage i.S. d. WHG weit zu verstehen. Darunter fallen „alle ortsfesten oder ortsveränderlichen Einrichtungen, mit denen im Allgemeinen für eine gewisse Dauer die in der Vorschrift aufgeführten Zwecke mit technischen Mitteln verfolgt werden, also Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, in der dargelegten Weise wassergefährdende Stoffe herzustellen, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten“.18 [Hervorhebung durch den Verfasser]
14 Der Anlagenbegriff ist somit nicht erfüllt, wenn die Einrichtung nur kurzzeitig existiert. Darauf, dass die Anlage noch „in Betrieb“ ist, kommt es nicht an.19 Die Anlage kann also auch stillgelegt sein. Ebenso wenig braucht die Anlage baulicher oder maschineller Art zu sein. Selbst Einrichtungen ohne besondere, insbesondere äußerlich erkennbare Vorrichtungen können Anlagen i.S.v. § 89 Abs. 2 WHG sein.20 Zu den WHG-Anlagen zählen nicht nur Fabriken und Gewerbebetriebe sowie Maschinen 15 und sonstige Einrichtungen in solchen Betrieben, sondern auch Einrichtungen, die dem Haushalt dienen (z.B. Heizöltank für ein Einfamilienhaus oder ein Mietshaus oder für die einzelne Mietwohnung mit Ölofen).21 Die Anlage kann ortsfest sein – z.B. eingebauter Tankspeicher, Bodenschatz- und Abfalldeponien, Tankerlöschbrücken,22 landwirtschaftliche Einrichtungen
17 Vgl. z.B. BGH 17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW 1986 2312, 2315; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 29. 18 BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, NVwZ-RR 2007 754, 755; BGH 22.11.1971 – III ZR 112/69, BGHZ 57 257, 259 f. = NJW 1972 205; im Einzelnen s. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 Rn. 53. 19 Vgl. BGH 22.7.1999 – III ZR 198/98, NJW 1999 3633, 3634. 20 Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 Rn. 57. 21 Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 Rn. 57. 22 BGH 29.11.1979 – III ZR 101/77, NJW 1980 943, 944. Koch
1014
C. Deckungsbausteine
Ziff. 2 UmweltHM
wie etwa Güllebehälter/-tanks,23 Jauche- und Dunggruben, Misthaufen,24 Schweinesuhlen,25 Spritzbehältnisse,26 Aufbringungsgeräte für Dünger, Klärschlämme oder Pflanzenschutzmittel,27 Ölpumpen28 – oder ortsveränderlich – z.B. Container, (Dieselöl-)Fässer, Tankschiffe29 und Tankwagen,30 Tanks31 und Fässer.32 Keine Anlagen i.S.d. WHG sind Kraftstofftanks von Fahrzeugen wie Pkw, Lkw, Motorschif- 16 fe, Dieselloks,33 da sie nicht dazu bestimmt sind, wassergefährdende Stoffe herzustellen, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten. Einrichtungen, in denen Stoffe gelagert werden, die für sich allein genommen nicht wassergefährdend sind, werden nicht dadurch zu WHGAnlagen, dass sie sich infolge eines Brandes in wassergefährdende Stoffe verwandeln.34 Beispiel:35 Auf dem Betriebsgelände einer Wohnwagenproduktionsfirma wird eine Traglufthalle aufgestellt, in der Kunststoffteile für den Einbau in die Wohnwagen lagern. Die Traglufthalle brennt samt dem gelagerten Material ab. Mit dem Löschwasser gelangen sowohl unmittelbar als auch über die gemeindeeigene Kanalisation Verbrennungsrückstände des Kunststoffs in den Fluss und verursachen dort ein Fischsterben. Für die Ansprüche des Pächters auf Ersatz des ihm durch das Fischsterben entstandenen Schadens besteht Versicherungsschutz nur im Rahmen der Ziff. 2.7 UmweltHM.
c) Inhaberschaft des VN. Nach Ziff. 2.1 Satz 1 UmweltHM muss es sich um Anlagen des VN 17 handeln. Im Hinblick darauf, dass dieser Baustein auf die Haftung nach § 89 Abs. 2 WHG zugeschnitten ist, ist zur Bestimmung der Inhaberschaft auf die Rechtsprechung zu der vorgenannten Bestimmung zurückzugreifen. Danach ist als Inhaber „derjenige anzusehen, der die Anlage für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt; dies kann auf mehrere Beteiligte zugleich zutreffen“.36
Für die Inhaberschaft kommt es somit nicht auf das Rechtsverhältnis an der Anlage, insbeson- 18 dere die Eigentümerstellung des VN, an. Entscheidend ist vielmehr, dass der VN – ähnlich wie bei der Kfz-Haltereigenschaft37 – die Anlage für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die
23 24 25 26 27 28 29 30
BGH 22.11.1971 – III ZR 112/69, BGHZ 57 257, 261. BGH 17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW 1986 2312, 2313. BGH 22.11.1971 – III ZR 112/69, BGHZ 57 257, 261. BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, NVwZ-RR 2007 754, 755. Staudinger/Kohler (2017) § 89 WHG Rn. 56 m.w.N. OLG Schleswig 25.10.1978 – 9 U 153/77, VersR 1979 999, 1000. OLG Köln 28.1.1966 – 3 U 214/65, VersR 1966 485, 486 f. BGH 8.1.1981 – III ZR 157/79, BGHZ 80 1, 4 = NJW 1981 1516; BGH 23.12.1966 – V ZR 144/63, BGHZ 47 1, 10 = NJW 1967 1131. 31 BGH 22.7.1999 – III ZR 198/98, NJW 1999 3633 f.; OLG Frankfurt 22.5.1987 – 1 Ss 401/86, ZfW 1987 196, 197. 32 BGH 22.11.1971 – III ZR 112/69, BGHZ 57 257, 259; BGH 17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW 1986 2312, 2313; OLG Saarbrücken 11.1.1989 – 5 U 13/88, RuS 1990 195 f. 33 Späte/Schimikowski/Schneider Ziff. 1 UHV Rn. 7 ff.; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 29; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 70; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 580. 34 BGH 2.12.1982 – III ZR 121/81, NJW 1983 2029, 2030. 35 Nach BGH 2.12.1982 – III ZR 121/81, NJW 1983 2029, 2030. 36 BGH 8.1.1981 – III ZR 157/79, BGHZ 80 1, 4 = VersR 1981 458; vgl. auch BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, NVwZ-RR 2007 754, 755; BGH 22.7.1999 – III ZR 198/98, BGHZ 142 227, 231 und 234 = NJW 1999 3633; BGH 6.5.1999 – III ZR 89/97, NJW 1999 3203 (jew. zu § 22 Abs. 2 WHG a.F.). 37 Vgl. BGH 22.3.1983 – VI ZR 108/81, NJW 1983 1492; BGH 8.1.1981 – III ZR 157/79, NJW 1981 1516; vgl. auch OLG Schleswig 25.10.1978 – 9 U 153/77, VersR 1979 999 1001. 1015
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
UmweltHG-Anlagen
Verfügungsgewalt besitzt.38 Letzteres ist der Fall, wenn er Anlass, Zeit und Zeitpunkt des Betriebs der Anlage selbst bestimmen kann.39 19 Diese Voraussetzungen, die im Übrigen auch auf mehrere Beteiligte zugleich zutreffen können (s. aber Rn. 6), dürften in der Regel erfüllt sein, wenn der VN die Anlage in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB) z.B. als Mieter, Pächter, Leasingnehmer, Nießbraucher, Erbbauberechtigte unmittelbar i.S.v. § 854 BGB besitzt.40 Bei der Miete und der Pacht wird man darüber hinaus nur dann von einer Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt sprechen können, wenn die Anlage dem Mieter/Pächter für eine gewisse zeitliche Dauer überlassen wurde. Es muss zu einer Verfestigung der tatsächlichen Zuständigkeit für die Anlage gekommen sein.41 Daran fehlt es, wenn die Gebrauchsüberlassung von so kurzer Dauer ist, dass der Mieter oder Pächter von vornherein nur eine beschränkte Benutzungsmöglichkeit hat. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. 20 So hat der BGH den langjährigen Pächter eines Hotels als alleinigen Inhaber der Öltankanlage des Hotels angesehen.42 Allein das dem Verpächter vertraglich eingeräumte Recht, das Grundstück zu betreten und zu besichtigen, mache diesen nicht zum Mitinhaber. Anders liegt der Fall nach Ansicht des OLG Frankfurt/M., wenn der Eigentümer berechtigt ist, das Grundstück jederzeit zu betreten und Reparaturen am Öltank auszuführen, und in der Lage ist, den unsachgemäßen Umgang mit der Heizölanlage zu verhindern. Dann ist er Mitinhaber.43 Dagegen hat das LG Hamburg den Mieter eines Hausgrundstücks mit einem in das Erdreich eingelassenen Öltank nicht als (Mit-)Inhaber der Anlage angesehen.44 Der Pächter eines Bauernhofs ist dagegen alleiniger Inhaber i.S.v. § 89 Abs. 2 WHG von Misthaufen und Dieselölfässern.45 In Ausnahmefällen kann der VN, der im Auftrag Dritter die Anlage in Probebetrieb fährt, deren vorübergehender Inhaber sein (Rn. 59). 21 Handelt es sich bei dem Inhaber um eine juristische Person übt diese ihre Verfügungsgewalt durch ihre Geschäftsführungsorgane und sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertreter aus.46 Bei den Personengesellschaften (OHG, KG, EWIV, Partnerschaft und GbR) üben für die Gesellschaft die zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter die Verfügungsgewalt aus. Solche in ihrer Eigenschaft als Organ handelnde Personen eines Unternehmens sind persönlich nicht Anlageninhaber.47 Bei dieser Personengruppe fehlt es auch an der Voraussetzung des Gebrauchs der Anlage für eigene Rechnung. Letzteres trifft auch für Mitarbeiter des Unternehmens und sonstige Besitzdiener i.S.d. § 855 BGB zu.48 Dagegen können bei sonstigen Gesamthandsgemeinschaften (z.B. Miterben) ihre Mitglieder Anlageninhaber sein.
38 Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 2 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 56.
39 Vgl. BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, NVwZ-RR 2007 754, 755. 40 Vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 Rn. 68. 41 Vgl. BGH 3.12.1991 – VI ZR 140/91, RuS 1992 185 f. (zur Kfz-Haltereigenschaft); Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 591. 42 BGH 22.7.1999 – III ZR 198/98, NJW 1999 3633, 3634. 43 Vgl. BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, NVwZ-RR 2007 754, 756; OLG Frankfurt/M. 4.12.1986 – 1 U 281/85, NJW-RR 1987 668; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 582; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 Rn. 68. 44 LG Hamburg 16.6.1966 – 72 O 15/66, MDR 1967 128. 45 Vgl. BGH 17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW 1986 2312, 2313. 46 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 581. 47 Staudinger/Kohler (2017) § 1 UmweltHG Rn. 87; Salje/Peter UmweltHG §§ 1, 3 Rn. 17. 48 Staudinger/Kohler (2017) § 1 UmweltHG Rn. 87. Koch
1016
C. Deckungsbausteine
Ziff. 2 UmweltHM
2. Ziff. 2.1 Satz 2 UmweltHM Ausgenommen von dem Deckungsschutz nach Ziff. 2.1 UmweltHM sind solche WHG-Anlagen, 22 die zugleich UmweltHG-Anlagen i.S.v. Anhang 1 oder 249 zum UmweltHG sind. Derartige Anlagen sind entweder dem Baustein gem. Ziff. 2.2 UmweltHM oder dem Baustein gem. Ziff. 2.5 UmweltHM zuzuordnen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der WHG-Anlage um eine „Nebeneinrichtung“ i.S.v. § 3 Abs. 3 lit. b) UmweltHG handelt (s. Rn. 28 ff.).50 Beispiel:51 Eine WHG-Anlage zur Lagerung von Mineralölprodukten weist eine Kapazität von 10.000 t auf. Für eine solche Anlage besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn der Baustein gem. Ziff. 2.2 UmweltHM vereinbart wurde. Für die betriebseigene Betankungsanlage, die eine viel geringere Kapazität hat, reicht die Vereinbarung des Bausteins gem. Ziff. 2.1 UmweltHM aus.
Ebenfalls nicht diesem Risikobaustein zuzuordnen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf 23 Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. Diese Risiken fallen unter den Risikobaustein gem. Ziff. 2.4 UmweltHM, soweit sie nicht Teil einer deckungsvorsorgepflichtigen Anlage i.S.v. Ziff. 2.5 UmweltHM (s. Rn. 53) sind.52
II. UmweltHG-Anlagen (Ziff. 2.2 UmweltHM) 1. Überblick Ziff. 2.2 Satz 1 UmweltHM erfasst die Haftpflichtrisiken aus dem Betrieb der in Anhang 1 zum 24 UmweltHG53 genannten 96 Anlagetypen (UmweltHG-Anlagen). Es geht vor allem um die (verschuldensunabhängige) Haftung aus § 1 UmweltHG. Insoweit ist für die Auslegung dieses Bau49 Anhang 2 zu § 19 UmweltHG: 1. Anlagen, für die gemäß den §§ 1, 7 der Störfall-Verordnung eine Sicherheitsanalyse anzufertigen ist; 2. Anlagen zur Rückgewinnung von einzelnen Bestandteilen aus festen Stoffen durch Verbrennen, soweit in ihnen Stoffe nach Anhang II der Störfall-Verordnung im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein oder bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs entstehen können, ausgenommen Anlagen zur Rückgewinnung von Edelmetallen in Gekrätze-Veraschungsöfen, soweit die Menge der Ausgangsstoffe weniger als 200 kg je Tag beträgt. 3. Anlagen zur Herstellung von Zusatzstoffen zu Lacken oder Druckfarben auf der Basis von Cellulosenitrat, dessen Stickstoffgehalt bis zu 12,6 vom Hundert beträgt. 50 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 66. 51 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 28. 52 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 66. 53 Anhang 1 enthält eine abschließende Liste von Anlagen, die unter Nr. 78 bis 89 auch Anlagen erfasst, die der Lagerung, dem Be- und Entladen von Stoffen dienen: 78. Anlagen zum Lagern von brennbaren Gasen in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 3 Tonnen oder mehr 79. Anlagen zum Lagern von Mineralöl, flüssigen Mineralölerzeugnissen oder Methanol aus anderen Stoffen in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 10000 Tonnen oder mehr 80. Anlagen zum Lagern von Acrylnitril in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 350 Tonnen oder mehr 81. Anlagen zum Lagern von Chlor in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 10 Tonnen oder mehr 82. Anlagen zum Lagern von Schwefeldioxid in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 20 Tonnen oder mehr 83. Anlagen zum Lagern von flüssigem Sauerstoff in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 200 Tonnen oder mehr 84. Anlagen zum Lagern von 25 Tonnen oder mehr Ammoniumnitrat oder ammoniumnitrathaltiger Zubereitungen der Gruppe A nach Anhang IV Nr. 2 der Gefahrstoffverordnung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1470) 85. Anlagen zum Lagern von 5 Tonnen Alkalichlorat oder mehr
1017
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
UmweltHG-Anlagen
steins auf die Begrifflichkeiten des UmweltHG zurückzugreifen, die eine Haftung des VN aufgrund dieser Vorschrift begründen. Deckung besteht jedoch gem. § 18 UmweltHG auch für die weitergehende Haftung z.B. nach den § 89 Abs. 2 WHG, § 823 BGB, § 2 HPflG und ggf. § 7 StVG.
2. Begriff der UmweltHG-Anlage 25 Was unter einer UmweltHG-Anlage zu verstehen ist, folgt aus § 3 Abs. 2 UmweltHG, der auch für die Auslegung von Ziff. 2.2 Satz 1 UmweltHM das Maß gibt. Danach sind Anlagen „ortsfeste Einrichtungen wie Betriebsstätten und Lager“. Ortsfest sind Einrichtungen, wenn sie für eine gewisse Mindestdauer an demselben Ort betrieben werden und mit dem Erdboden verbunden sind.54 Nicht erforderlich ist, dass die Anlage i.S.d. §§ 93 bis 95 BGB zu einem wesentlichen Bestandteil des Grundstücks geworden ist.55 Als Anlage i.S.d. UmweltHG gelten gem. Ziff. 3 des Anhangs 1 zum UmweltHG auch mehrere Anlagen eines Betreibers, die die maßgebenden Leistungsgrenzen, Anlagengrößen oder Stoffmengen jeweils allein nicht erreichen, sofern sie in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen und zusammen die maßgebenden Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen oder Stoffmengen erreichen. 26 Zu beachten ist, dass gemäß § 2 UmweltHG zu den Anlagen gemäß Anhang 1 auch solche gehören, die noch nicht fertiggestellt wurden (§ 2 Abs. 1 UmweltHG) oder nicht mehr betrieben werden (§ 2 Abs. 2 UmweltHG), wenn die Umwelteinwirkung auf Umständen beruht, die die Gefährlichkeit der Anlage nach ihrer Fertigstellung begründen bzw. vor der Einstellung des Betriebs begründet haben. 27 Bloße Aktivitäten begründen keine Einrichtung. Erforderlich ist eine Zusammenfassung an sächlichen und persönlichen Mitteln.56 Zu den als Beispiel für solche Einrichtungen genannten Betriebsstätten und Lager zählen das Grundstück und die darauf errichteten Gebäude, in denen die Produktion erfolgt oder Stoffe gelagert werden.57 Auch Einrichtungen technischer Art (z.B. Feuerungsanlage oder Maschinenaggregate innerhalb einer Betriebsstätte) zählen hierzu.58
3. Ortsveränderliche technische Einrichtungen und Nebeneinrichtungen 28 Nach § 3 Abs. 3 UmweltHG gehören zu den Anlagen auch „a) Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen und b) Nebeneinrichtungen, die mit der Anlage oder einem Anlagenteil in einem räumlichen oder betriebstechnischen Zusammenhang stehen und für das Entstehen von Umwelteinwirkungen von Bedeutung sein können.“
86. Anlagen zum Lagern von 5 Tonnen oder mehr Pflanzenschutz- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln oder ihrer Wirkstoffe 87. Anlagen zum Lagern von Schwefeltrioxid in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 100 Tonnen und mehr 88. Anlagen zum Lagern von 100 Tonnen oder mehr ammoniumnitrathaltiger Zubereitungen der Gruppe B nach Anhang IV Nr. 2 der Gefahrstoffverordnung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1470) 89. Anlagen zum Lagern von insgesamt 20 Tonnen oder mehr von im Anhang II der Störfall-Verordnung bezeichneten Stoffen, auch als Bestandteile von Zubereitungen, soweit es sich nicht um Stoffe der Nummern … handelt. 54 Vgl. Landmann/Rohmer/Rehbinder § 3 UmweltHG Rn. 17; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 73. 55 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 591; Staudinger/Herrler (2017) § 3 UmweltHG Rn. 18; Soergel/Spickhoff/ Riedhammer § 3 UmweltHG Rn. 11.; a.A. Salje/Peter UmweltHG §§ 1, 3 Rn 32. 56 Landmann/Rohmer/Rehbinder § 3 UmweltHG Rn. 16; Landsberg/Lülling § 3 UmweltHG Rn. 12. 57 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 31; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 593. 58 Landmann/Rohmer/Rehbinder § 3 UmweltHG Rn. 18; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 593. Koch
1018
C. Deckungsbausteine
Ziff. 2 UmweltHM
Maschinen sind Vorrichtungen zur fortlaufenden Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Sachen.59 Unter den Begriff der Geräte fallen z.B. Kräne, Motorsägen, Werkzeuge, Presslufthämmer, Klischees, Gussform.60 Fahrzeuge sind z.B. Radlader, Bagger, Planierraupen, Traktoren und Walzen, ferner Waggons und Anhänger.61 Zu den sonstigen ortsveränderlichen technischen Einrichtungen zählen z.B. mobile Bewässerungsanlagen (Beregnung von Halden zur Verhinderung von Staubemissionen) sowie mobile Material- und Werkzeugschuppen.62 Der Begriff „Nebeneinrichtung“ wird im UmweltHG nicht definiert. Der Gesetzgeber hat 29 jedoch in der Begründung ausgeführt, dass der Kreis der Anlagen, die der Gefährdungshaftung nach § 1 UmweltHG unterworfen sind, sich am Anhang zur 4. BImSchV orientiert. Man wird deshalb für die Interpretation auf den Wortlaut des § 1 der 4. BImSchV – genehmigungsbedürftige Anlagen – zurückgreifen können.63 Gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 2 der 4. BImSchV sind solche Nebeneinrichtungen genehmigungsbedürftig „die mit den Anlagenteilen und Verfahrensschritten nach Nummer 1 in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehen und die für a) das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen, b) die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen oder c) das Entstehen sonstiger Gefahren, erheblicher Nachteile oder erheblicher Belästigungen von Bedeutung sein können“.
Nach dem Entwurf des Länderausschusses für Immissionsschutz von Verwaltungsvorschriften 30 zur 4. BImSchV zählen zu Nebeneinrichtungen „solche Gebäude, Maschinen, Aggregate u.a., die dem Zweck der im Anhang genannten Anlage zu dienen bestimmt sind, ohne zur Zweckeinrichtung erforderlich zu sein; Nebeneinrichtungen müssen eine dienende Funktion haben. In diesem Sinne können Rohstoffe-, Produkt- und Abfall-Lager, Gebäude zum Witterungsschutz, Aufbereitungseinrichtungen u.a. Nebeneinrichtungen sein. In jedem Fall wird jedoch ein räumlicher und betrieblicher Zusammenhang gefordert“.64
Ein räumlicher oder betriebstechnischer/betrieblicher Zusammenhang ist somit nicht nur 31 Voraussetzung für die Zusammenfassung mehrerer kleinerer Anlagen unter dem Risikobaustein gem. Ziff. 2.2 UmweltHM, sondern auch für die Zuordnung von ortsveränderlichen technischen Einrichtungen und Nebeneinrichtungen unter diesem Risikobaustein. Es reicht nicht aus, dass die Einrichtungen dem Anlagenzweck lediglich dienen. Vielmehr müssen sie zum Betrieb der Anlage gemäß Anhang 1 zum UmweltHG notwendig und für das Entstehen von Umwelteinwirkungen von Bedeutung sein.65 Zu den Anlagen gem. Anhang 1 zählen auch noch nicht fertiggestellte (§ 2 Abs. 1 Um- 32 weltHG) oder nicht mehr betriebene (§ 2 Abs. 2 UmweltHG) Anlagen, wenn die Umwelteinwirkung auf Umständen beruht, die die Gefährlichkeit der Anlage nach ihrer Fertigstellung begründen oder vor der Einstellung des Betriebs begründet haben. Bei Vereinbarung des Bausteins Ziff. 2.2 UmweltHM ist somit auch das Risiko noch nicht fertiggestellter oder nicht mehr betriebener Anlagen versichert.
59 60 61 62 63 64
Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 595 m. zahlreichen Beispielen. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 596 m. zahlreichen weiteren Beispielen. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 597 m. zahlreichen weiteren Beispielen. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 598. BTDrucks. 11/7104 S. 15. Entwurf des Länderausschusses für Immissionsschutz von Verwaltungsvorschriften zur 4. BImSchV NVwZ 1991 853. 65 Vgl. GDV-Erläuterungen 10 f. 1019
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Sonstige deklarierungspflichtige Anlagen
4. Inhaberschaft des VN 33 Der Inhaberbegriff wird weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung definiert. Es existiert auch keine Rechtsprechung zum Inhaberbegriff des UmweltHG. Die Literatur greift deshalb auf die Definition der Rechtsprechung u.a. zu § 89 Abs. 2 WHG/§ 22 Abs. 2 WHG a.F. zurück.66 Hier wie dort ist somit der Gebrauch auf eigene Rechnung und die Innehabung der tatsächlichen Verfügungsgewalt maßgeblich für die Bestimmung des Inhabers (Rn. 17 ff.).
5. Ziff. 2.2 Satz 2 UmweltHM 34 Ausgenommen sind die in Ziff. 2.2 Satz 2 UmweltHM aufgeführten Anlagen und Tätigkeiten, die dem Risikobaustein gem. Ziff. 2.4 UmweltHM (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko) zugewiesen sind. Stellt die Anlage i.S.v. Anhang 1 zum UmweltHG zugleich auch eine solche nach dem Anhang 2 dar, unterfällt sie dem Risikobaustein gem. Ziff. 2.5 UmweltHM.
III. Sonstige deklarierungspflichtige Anlagen (Ziff. 2.3 UmweltHM) 1. Überblick 35 Der Risikobaustein gem. Ziff. 2.3 UmweltHM bezieht sich auf Anlagen des VN, die weder der Lagerung, Beförderung usw. gewässerschädlicher Stoffe dienen (Ziff. 2.1 UmweltHM), noch in den Anhängen zu § 1 (Ziff. 2.1 UmweltHM) und § 19 UmweltHG (Ziff. 2.5 UmweltHM) aufgeführt sind, von denen aber gleichwohl umweltschädliche Emissionen ausgehen können und deren Betrieb deshalb aufgrund dem Umweltschutz dienender Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegt. Ausgenommen sind – wiederum – Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer, die Gegenstand des Risikobausteins gem. Ziff. 2.4 UmweltHM sind. Es handelt sich bei Ziff. 2.3 UmweltHG somit um einen Auffangtatbestand, der vor allem dann eingreift, wenn die Anlage entweder nicht in den Anhang 1 zum UmweltHG aufgenommen wurde oder die Schwellenwerte nicht erreicht, um als UmweltHG-Anlage zu gelten.67 Die Deckung umfasst die Haftung z.B. nach § 823 BGB, § 14 Satz 2 BImschG, § 2 HPflG und § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.68
2. Dem Umweltschutz dienende Bestimmungen 36 Als dem Umweltschutz dienende Bestimmungen kommen sowohl bundesrechtliche Vorschriften als auch Ländergesetze in Betracht. Ob eine Norm dem Umweltschutz dient, ist im Wege der Auslegung festzustellen. Eine Zusammenfassung umweltschützender Normen findet sich bei Vogel.69 Zu den in der Praxis bedeutsamsten Normen zählt die 4. BImSchV, die u.a. auf Grund von § 4 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 1 und 4 sowie § 19 Abs. 1 BImSchG erlassen worden ist. Dass es
66 Landmann/Rohmer/Rehbinder § 1 UmweltHG Rn. 48 f.; Staudinger/Köhler (2017) § 1 UmweltHG Rn. 83; Ossenbühl Umweltgefährdungshaftung im Konzern (1999) 35 f.; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 2 Rn. 15.
67 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 70; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 78; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 2 Rn. 17.
68 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 32. 69 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 608 ff. Koch
1020
C. Deckungsbausteine
Ziff. 2 UmweltHM
sich hierbei um eine „dem Umweltschutz dienende Bestimmung“ handelt, geht aus § 1 Abs. 1 BImschG hervor: „Zweck dieses Gesetzes ist es, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen“.
Als weiteres Beispiel sei das Kreislaufwirtschaftsgesetz genannt, dessen Zweck es gem. § 1 KrWG ist, „die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen“.
Weder die Gewerbeordnung noch öffentlich-rechtliche Bauvorschriften sind hingegen als 37 dem Umweltschutz dienende Bestimmungen i.S.v. Ziff. 2.3 UmweltHM zu qualifizieren.70 Anlagen, die vor Inkrafttreten des BImSchG nach den Vorschriften der Gewerbeordnung genehmigt wurden, werden jedoch von diesem Risikobaustein erfasst (vgl. § 67 Abs. 1 BImSchG).71
3. Begriff der Anlage Unter welchen Voraussetzungen eine Anlage i.S.v. Ziff. 2.3 UmweltHM vorliegt, beurteilt sich 38 nach den Vorschriften, die die Genehmigungs- oder Anzeigepflicht statuieren.72 Für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen richtet sich der Begriff der Anlage somit nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 5 BImSchG. Danach sind Anlagen Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen (Ziff. 1), Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie teilweise auch Fahrzeuge (Ziff. 2) sowie bestimmte Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können (Ziff. 3). Diese Definition gibt grundsätzlich auch das Maß für Abfallbeseitigungsanlagen (Anlagen zur Verwertung oder Beseitigung von Abfällen, die einer Genehmigung nach § 4 BImSchG bedürfen (vgl. § 28 Abs. 1 KrWG).
IV. Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko (Ziff. 2.4 UmweltHM) 1. Überblick Der Risikobaustein gem. Ziff. 2.4 UmweltHM erfasst – auch für den Kreis der von Ziff. 2.1 bis 39 Ziff. 2.3 UmweltHM genannten Anlagen – das Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko. Versichert sind Haftpflichtrisiken aus dem Betrieb von Abwasseranlagen, dem Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder dem Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird. Der Versicherungsschutz umfasst vor allem die Haftpflicht des VN aus § 89 Abs. 1 WHG. Daneben besteht auch Deckung z.B. für die Haftung aus § 823 BGB.73 Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 (1) AHB ist ausdrücklich abbedungen.
70 71 72 73
Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 648 f. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 644. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 79. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 33.
1021
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko
2. Abwasseranlagenrisiken 40 Zum Abwasserbegriff s. Kommentierung Ziff. 7.14 (1) AHB (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 368 ff.). Eine Definition des Abwasseranlagenbegriffs findet sich im WHG nicht. § 60 Abs. 1 WHG stellt lediglich anlagenbezogene Anforderungen an die Errichtung, den Betrieb und die Unterhaltung von Abwasseranlagen auf. Der Begriff der Anlage wird weit verstanden und umfasst jede für eine gewisse Dauer zur Abwasserbeseitigung bestimmte ortsfeste oder bewegliche Einrichtung.74 Umfasst werden insbesondere die in § 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 WHG genannten Phasen der Abwasserbeseitigung wie „das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung“.75
Darüber hinaus fallen unter den Begriff der Abwasseranlage auch Abwasserbehandlungsanlagen i.S.v. § 60 Abs. 3 WHG, da die Abwasserbeseitigung eine vorherige Abwasserbehandlung erfordert.76 41 Abwasserbehandlungsanlagen umfassen alle Einrichtungen, die dazu dienen, die Schadwirkungen des Abwassers durch eine Behandlung mit physikalischen, chemischen oder biologischen Verfahren zu vermindern oder zu beseitigen.77 Dieses Verständnis von einer Abwasseranlage dürfte der Verkehrsanschauung entsprechen und gibt deshalb das Maß für die Auslegung von Ziff. 2.4 UmweltHM.78 Zu Abwasseranlagen zählen etwa Grundstücksentwässerungsanlagen, Sammel- und Ablaufkanäle sowie Regenüberlauf-, Regenrückhalte- und Regenklärbecken.79 Hinsichtlich der Inhaberschaft von Abwasseranlagen kann auf die Ausführungen zu Ziff. 2.1 42 UmweltHM verwiesen werden (Rn. 17 ff.). Hier wie dort umfasst der Versicherungsschutz nicht nur die gesetzliche Haftpflicht aus § 89 Abs. 1 WHG, sondern auch die Inanspruchnahme des VN aus anderen Anspruchsnormen (Rn. 12, 39). Wird im Rahmen der Abwasserreinigung oder Abwasserableitung gegen die öffentlich-rech43 liche Benutzungsbefugnis mit den darin angeordneten Bedingungen oder Auflagen verstoßen oder durchlaufen die Abwässer nicht dementsprechend vorhandene Reinigungs-, Entgiftungsoder Aufbereitungsanlagen, sind die Ausschlüsse in Ziff. 6.9 und 6.10 UmweltHM zu beachten.
3. Einwirkungsrisiken 44 Hinsichtlich der Deckung von Einwirkungsrisiken orientiert sich die Formulierung in Ziff. 2.4 UmweltHM erkennbar an § 89 Abs. 1 WHG, sodass diese Norm das Maß für die Auslegung des Gewässerbegriffs und der Tatbestände Einbringen, Einleiten und Einwirken ist.80
74 BeckOK-UmweltR/Schulz § 60 WHG Rn. 1; Landmann/Rohmer/Ganske § 60 WHG Rn. 10. 75 BeckOK-UmweltR/Schulz § 60 WHG Rn. 1; vgl. § 1 Abs. 3 HbgAbwG: „Abwasseranlagen sind Anlagen zum Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie zum Behandeln und Entwässern von Klärschlamm.“. 76 Vgl. BeckOK-UmweltR/Schulz § 60 WHG Rn. 1. 77 BeckOK-UmweltR/Schulz § 60 WHG Rn. 30; Landmann/Rohmer/Ganske § 60 WHG Rn. 37. 78 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 81; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 692. 79 BeckOK-UmweltR/Schulz § 60 WHG Rn. 1; Czychowski/Reinhardt WHG § 60 Rn. 11; vgl. auch die Beispiele bei Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 693: „Ölabscheider, Benzinabscheider, Koaleszenzabscheider, Fettabscheider, Stärkeabscheider, Emulsionsspaltanlagen, Schlammfang, Pufferbecken, Neutralisation, Fällung, Flockung, Entgiftung, Ultrafiltration, Ionenaustauscher, Adsorption, Strippung, biologische Behandlungsanlagen“. 80 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 12. Koch
1022
C. Deckungsbausteine
Ziff. 2 UmweltHM
a) Gewässer. Weder § 2 Abs. 1 WHG noch § 3 WHG definieren, was unter einem „Gewässer“ 45 zu verstehen ist. § 2 Abs. 1 WHG nimmt lediglich eine Aufgliederung vor, wonach oberirdische Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser dazugehören, während § 3 WHG definiert, wann ein Gewässer als oberirdisch, Grundwasser oder Küstengewässer anzusehen ist. Somit bleibt offen, was unter einem „Gewässer“ zu verstehen ist. Guckelberger versteht darunter „alle Teile der Erdoberfläche, welche infolge ihrer natürlichen Beschaffenheit oder künstlicher Vorrichtungen nicht nur vorübergehend mit Wasser bedeckt sind, einschließlich der Teile des Erdinnern, die Wasser enthalten“.81
Nach der Rechtsprechung sind Gewässer im Übrigen dadurch gekennzeichnet, dass sie in den 46 natürlichen Wasserkreislauf eingebunden sind. Die Einbindung setzt „die Teilhabe an der Gewässerfunktion voraus; sie ist gegeben, wenn natürliche Prozesse wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser stattfinden“.82
Darüber hinaus müssen Gewässer eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen, weil nur dann eine 47 Steuerung des Wassers nach Menge und Güte mit dem im WHG vorgesehenen wasserwirtschaftlichen Instrumentarium möglich ist. Gelegentliche Ansammlungen von Wasser werden vom Begriff des Gewässers nicht erfasst.83
b) Einbringen, Einleiten, Einwirken. Einbringen, Einleiten, Einwirken stellen zielgerichtete 48 Handlungen dar.84 Einbringen, Einleiten und Einwirken können aber auch durch Unterlassung verwirklicht werden.85 Nach dem Wortlaut von Ziff. 2.4 UmweltHM müssen diese Handlungen durch den VN erfolgen („durch den VN“). Fehlt es an einem zweckgerichteten Verhalten besteht Deckung gem. Ziff. 2 Abs. 2 oder Abs. 3 UmweltHM (vgl. Rn. 66 ff- und 75 ff.).
aa) Einbringen. Einbringen bezieht sich auf feste Stoffe und umfasst z.B. das Zuführen von 49 Erdaushub, Unrat, Abfällen oder Steinen in ein Gewässer.86
bb) Einleiten. Einleiten ist das Zuführen flüssiger Stoffe in ein Gewässer.87 Zum Einleiten ge- 50 hört auch das Versickern und Verrieseln von Stoffen.88 Erfasst werden auch solche Fälle, in denen die festen oder flüssigen Stoffe nicht direkt in ein Gewässer fließen, sondern zunächst in die kommunale Kanalisation geleitet werden (sog. Indirekteinleitung), wenn die durch die Einleitung in die Kanalisation gegebene Zielrichtung auf das Gewässer so sehr durchschlägt, 81 BeckOK-UmweltR/Guckelberger § 2 WHG Rn. 2; vgl. Czychowski/Reinhardt WHG § 2 Rn. 6. 82 BVerwG 15.6.2005 – 9 C 8.04, NVwZ-RR 2005 738, 740; vgl. auch VG Dresden 18.8.2017 – 12 K 56/15 (juris); VG München 26.11.2013 – M 2 K 13.1843, BeckRS 2016 54954. 83 Vgl. BVerwG 27.1.2011 – 7 C 3.10, BeckRS 2011 48122 Rn. 17; BVerwG 15.6.2005 – 9 C 8.04, NVwZ-RR 2005 738, 740; BVerwG 16.7.2003 – 7 B 61.03, NVwZ-RR 2003 829, 830; VG Dresden 18.8.2017 –12 K 56/15 (juris). 84 BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, BGHZ 172 287, 291; BGH 20.1.1994 – III ZR 166/92, BGHZ 124 394, 396; BVerwG 16.11.1973 – IV C 44.69, NJW 1974 815, 816; vgl. auch Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 703. 85 Vgl. BGH 31.5.2007 – III ZR 3/06, BGHZ 172 287, 291; BGH 20.1.1994 – III ZR 166/92, BGHZ 124 394, 396; BVerwG 16.11.1973 – IV C 44/69, NJW 1974 815, 816. 86 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 84; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 703; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 72. 87 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 33. 88 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 72; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 84; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 702. 1023
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
UmweltHG-Anlagen/Pflichtversicherung
dass die Wertung gerechtfertigt ist, der Kanalisationsbenutzer leite Stoffe über die Kanalisation als bloßen Transportweg in das Gewässer ein.89 51 Nicht unter die Deckung gem. Ziff. 2.4 UmweltHM fallen Schäden an der Kanalisationsanlage durch aggressive Abwässer.90 Für diese Schäden besteht nur Deckung nach Maßgabe der Betriebshaftpflichtversicherung. Insoweit kommt es darauf an, ob dort der Ausschluss nach Ziff. 7.14 (1) AHB abbedungen ist.
52 cc) Einwirken. Einwirken betrifft Handlungen, die nicht Einbringen oder Einleiten sind. Erfasst werden insbesondere: Wasserentnahme oder Aufstauen eines Gewässers oberhalb einer Abwasserleitung oder einer Wasserentnahme; Nitratauswaschungen durch übermäßiges oder unsachgemäßes Düngen, plötzliches Öffnen eines Wehrs, vor dem sich Schmutzstoffe angesammelt haben, die im normalen Verlauf beseitigt worden wären;91 Erwärmung des Wassers durch die von einem Hochofen ausstrahlende Hitze; Verhindern des Wasserabflusses, wenn dadurch die unterhalb eingeleiteten Abwässer ungenügend verdünnt werden; Einbringen von (unerkannt kontaminiertem) Baumaterial in einen Fluss zum Zweck der Uferbefestigung.92
V. UmweltHG-Anlagen/Pflichtversicherung (Ziff. 2.5 UmweltHM) 53 Ziff. 2.5 UmweltHM betrifft Haftpflichtrisiken aus dem Betrieb von Anlagen des VN gem. Anhang 2 zum UmweltHG (UmweltHG-Anlagen/Pflichtversicherung), für die § 19 UmweltHG eine Deckungsvorsorgepflicht vorsieht.93 Anders als bei Ziff. 2.2 UmweltHM werden Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwasser von diesem Risikobaustein mit erfasst. Grund hierfür ist, dass Abwasseranlagen Teil einer deckungsvorsorgepflichtigen Anlage sein können und in diesem Fall der Deckungsvorsorgepflicht unterliegen.94 Die Verpflichtung zur Deckungsvorsorge wird jedoch erst mit Erlass der Rechtsverordnung nach § 20 UmweltHG begründet.95 Bisher ist eine solche Rechtsverordnung noch nicht erlassen worden.96 Gleichwohl sprechen sich einige Autoren für die Anwendung von §§ 113 ff. VVG aus, wenn der VN eine Versicherung für dieses Risiko nimmt.97 Da die gesetzliche Verpflichtung zur Deckungsvorsorge nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 UmweltHG alternativ auch durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung erbracht werden kann, liegt jedoch keine Pflichtversicherung i.S.v. § 113 VVG vor.98
89 90 91 92 93 94 95
BGH 8.1.1981 – III ZR 125/79, VersR 1981 652 f. = NJW 1981 2416. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 33; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 35. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 72. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 704. Zu Einzelheiten s. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 713 ff. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 74; Prölss/Martin/Voit UmwHaftPfl Ziff. 2 Rn. 13. Landmann/Rohmer/Hager § 20 UmweltHG Rn. 1; Staudinger/Kohler (2017) § 20 UmweltHG Rn. 1; Prölss/Martin/ Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 13; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 707; Beckmann/Matusche-Beckmann/MatuscheBeckmann § 34 Rn. 88; a.A. Feldmann PHI 1994 162. 96 BeckOGK/Nitsch UmweltHG § 20 Rn. 1; Staudinger/Kohler (2017) § 20 UmweltHG Rn. 1. 97 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 13; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 2 Rn. 25; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 707. 98 Prölss/Martin/Klimke § 113 Rn. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski § 113 Rn. 3; Langheid/Wandt/ Brand § 113 Rn. 9; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 57. Koch
1024
C. Deckungsbausteine
Ziff. 2 UmweltHM
VI. Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (Ziff. 2.6 UmweltHM) 1. Inhalt und Zweck Dieser Baustein betrifft das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko, welches gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 3 AHB vom Versicherungsschutz in der Betriebs-/Produkthaftpflichtversicherung grundsätzlich ausgenommen ist, jedoch zusammen mit dem allgemeinen Umwelt-Betriebsrisiko nach Maßgabe der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung versichert werden kann (Vor UHV Basis Rn. 3). Ziff. 2.6 Satz 1 UmweltHM bietet dem VN Versicherungsschutz, wenn er für Schäden durch Umwelteinwirkungen wegen seiner Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, vom Inhaber der Anlage oder von einem Dritten (z.B. Nachbar) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus ist der Regress des Inhabers der Anlage gegen den VN versichert, wenn der Dritte ihn wegen des ihm aus der mangelhaften Leistung unmittelbar entstandenen Schadens erfolgreich in Anspruch nimmt. Als Anspruchsgrundlagen kommen u.a. §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG, § 5 ProdHaftG, § 823 Abs. 1 BGB, §§ 840 Abs. 1 i.V.m. 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 (1) AHB findet nach Ziff. 2.6 Satz 2 UmweltHM keine Anwendung. Ziff. 2.6 Satz 3 UmweltHM stellt klar, dass die Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles im Rahmen und Umfang der Ziff. 5 UmweltHM stets vom VR ersetzt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob der Anlageninhaber oder der VN die Rettungsmaßnahmen durchgeführt hat. Seinem Wortlaut nach („Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 oder Anlageteilen“) erfasst Ziff. 2.6 UmweltHM nicht nur das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten (vgl. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (2) AHB), sondern auch das allgemeine Umwelt-Betriebsrisiko bis zum Abschluss oder der Ausführung der Arbeiten.99
54
55
56
57
2. Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM oder Teile, die ersichtlich für solche Anlagen bestimmt sind Zum Begriff der Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM kann auf die Kommentierung der vor- 58 bezeichneten Risikobausteine verwiesen werden. Zu dem Erfordernis der Ersichtlichkeit s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346. Zum Begriff des Anlagenteils s. die Kommentierung zu Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 347.
3. Personenverschiedenheit von VN und Anlageninhaber Nach Ziff. 2.6 UmweltHM darf der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen sein. Da als Inhaber i.S.v. 59 Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM auch derjenige anzusehen ist, der die Verfügungsgewalt über die Anlage besitzt, besteht bis zur Übergabe der Anlage kein Versicherungsschutz in solchen Fällen, in denen der VN eine Anlage für einen Dritten eigenverantwortlich errichtet und sich das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko gerade in diesem Zeitraum verwirklicht (z.B. beim Probebetrieb).100 Hier bleibt für den VN nur der Weg, die Deckung nach diesem Baustein 99 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 75. 100 A.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 36, der den Begriff des Inhabers offenbar auf den Besteller/ Eigentümer der Anlage beschränken will. 1025
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Umwelt-Produkthaftpflicht-/Umwelt-Betriebsrisiko
auf diesen Zeitraum auszudehnen101 oder die Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM zu vereinbaren.102 Installateure der Anlage, Reparatur- und Wartungsunternehmen dürften allerdings unabhängig davon, ob sie ihre Tätigkeit vor oder nach der Übergabe der Anlage an den Auftraggeber ausüben, nur in Ausnahmefällen als Inhaber der Anlage anzusehen sein, weil – wie zuvor bemerkt – die Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt zur Voraussetzung hat, dass der Besitz für eine gewisse zeitliche Dauer überlassen wird (Rn. 17 ff.).
4. Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 60 Gem. Ziff. 2.6 S. 3 UmweltHM werden Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles unter den in Ziff. 5 UmweltHM genannten Voraussetzungen durch den VR ersetzt, sofern Regressansprüche des Inhabers der Anlage gegen den VN bestehen können. Abweichend von Ziff. 5.1 UmweltHM besteht somit nicht nur Deckung für den Fall, dass der VN selbst die Rettungsmaßnahmen durchführt, sondern auch für den Fall, dass der VN vom Anlagenbetreiber wegen solcher Aufwendungen in Regress genommen wird.103
VII. Allgemeines Umwelt-Betriebsrisiko (Ziff. 2.7 UmweltHM) 1. Sinn und Zweck 61 Ziff. 2.7 UmweltHM bietet Schutz gegen Schadensersatzansprüche aus Umwelteinwirkungen, soweit diese nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgehen oder ausgegangen sind, die unter den Anwendungsbereich der Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.6 UmweltHM fallen, und zwar unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart worden sind oder nicht. Diesem Risikobaustein kommt somit keine Auffangfunktion für deklarierungspflichtige, aber „versehentlich“ nicht versicherte Risiken zu.104 Sind beim VN keine Risiken vorhanden, die unter den Anwendungsbereich der Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM fallen, kann die Deckung des sonstigen Umwelt-Betriebsrisikos – wie bereits erwähnt – im Rahmen der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung als Annex zur Betriebshaftpflichtversicherung erfolgen (Ziff. 2.1 UHV Basis).
2. Versichertes Risiko 62 Im Rahmen der Versicherung des sonstigen Umwelt-Betriebsrisikos kommt der Beschreibung des versicherten Risikos besondere Bedeutung zu. Die Umwelteinwirkungen müssen im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des VN stehen (siehe hierzu sogleich die Ausführungen zu Ziff. 3 UmweltHM – Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen –). Deshalb empfiehlt der Musterbedingungsgeber, die Betriebsbeschreibung der Betriebshaftpflichtversicherung im Versicherungsschein der Umwelthaftpflichtversicherung zu dokumentieren.105
101 102 103 104
Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 14; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 75 f. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 749; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 2 Rn. 28. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 76; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 750. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 755; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 37; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 17; Späte/Schimikowski/Schneider Ziff. 2 UHV Rn. 32; Poschen VersR 1993 653, 655; vgl. auch OLG Köln 20.8.2002 – 9 U 182/01, RuS 2003 60, 63 = VersR 2003 762. 105 GDV-Erläuterungen 13. Koch
1026
D. Verwendungsrisiko (Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM)
Ziff. 2 UmweltHM
3. Anwendungsbereich a) Anlagenrisiken. Zu den nicht deklarierungspflichtigen Anlagen gehören alle Anlagen mit Um- 63 weltrelevanz, die keiner Genehmigungs- oder Anzeigepflicht nach dem Umweltschutz dienender Bestimmungen unterliegen. Bei den von Ziff. 2.7 UmweltHM erfassten Anlagen handelt es sich insbesondere um solche Anlagen, die nach der 4. BImSchV erst ab einer bestimmten Leistungsgröße, einer bestimmten Lagerkapazität oder Betriebsdauer der Genehmigungspflicht unterliegen.106 Beispiele:107 1. 2.
Anlagen zum Lagern von brennbaren Gasen in Behältern mit einem Fassungsvermögen von weniger als 3 Tonnen (vgl. Ziff. 9.1.1.2 Tabelle 9 Anhang 1 zu 4. BImschV). Feuerungsanlagen für den Einsatz von Heizöl EL mit einer Feuerungswärmeleistung von weniger als 50 Megawatt (vgl. Ziff. 1.1 Tabelle 1 Anhang 1 zu 4. BImschV).
b) Produkt-/Dienstleistungsrisiken. Ferner werden die nicht anlagenbezogenen Umwelt- 64 Produkthaftpflichtsrisiken (sog. Umweltregressrisiko) erfasst, sofern der Schaden vor Ausführung der Leistung oder vor Abschluss der Arbeiten entsteht (andernfalls wäre der Schaden über die Betriebs-/Produkthaftpflichtversicherung abgedeckt)(Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 343).108 Anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtsrisiken, die sich aus der Herstellung usw. von Teilen für umweltrelevante Anlagen ergeben, fallen unter Ziff. 2.7 UmweltHM, sofern dieser Verwendungszweck für den VN nicht ersichtlich war (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 346)(andernfalls müsste der Baustein Ziff. 2.6 UmweltHM (mit-)vereinbart werden).109 c) Betriebsstättenrisiko. Schließlich erfasst Ziff. 2.7 UmweltHM Schäden durch Umweltein- 65 wirkungen, die im Rahmen aller sonstigen betrieblichen Tätigkeiten verursacht worden sind. Beispiele:110 1.
Infolge eines Brandes in einem Einzelhandelsgeschäft kommt es in der Nachbarschaft zu Schäden durch Ruß. Außerdem verursachen brandbedingt gelöste Kunststoffbeschichtungen zusammen mit dem sich entwickelnden Rauch Gesundheitsstörungen bei Menschen in der Umgebung (Schleimhautreizungen usw.).
2.
Infolge des Brandes der Lagerhalle gelangen verflüssigte Wandbeschichtungen zusammen mit dem Löschwasser in das Grundwasser. Ein Baukran stürzt um und zerschlägt einen auf dem Nachbargrundstück befindlichen Gastank; aufgrund freigesetzter Gase eintretende Personenschäden sind über die Basisdeckung versichert.
3.
D. Verwendungsrisiko (Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM) I. Inhalt und Zweck Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM erweitert den Versicherungsschutz um das Verwendungsrisiko. Da- 66 nach besteht Deckung auch dann, wenn gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumli106 107 108 109
Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 77. GDV-Erläuterungen 13; vgl. auch Beispiele bei Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 756. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 757; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 109. Nach Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 757 und Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 109 soll darüber hinaus erforderlich sein, dass der Schaden vor Ausführung der Leistung oder vor Abschluss der Arbeiten entsteht. 110 Beispiele nach Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 37. 1027
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Umwelt-Produkthaftpflicht-/Umwelt-Betriebsrisiko
chen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 und 2.7 UmweltHM in Boden, Luft oder Wasser (einschließlich Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein. Durch das Erfordernis des Zusammenhangs mit versicherten Anlagen stellt Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM die Einhaltung des Prinzips der Einzeldeklaration sicher. Zählt die Verwendung eines gelagerten Stoffes noch zum Anlagenrisiko einer Lageranlage, und ist diese im konkreten Einzelfall mangels Deklaration zu den vorbezeichneten Risikobausteinen nicht versichert worden, besteht auch kein Versicherungsschutz gemäß Ziff. 2 Abs 2 UmweltHM.111
II. Einzelheiten 1. Gelagerte Stoffe 67 a) Begriff des Stoffs. Das Verwendungsrisiko muss sich auf gelagerte Stoffe beziehen. Der Begriff „Stoff“ wird sowohl in § 3 Abs. 1 UmweltHG als auch in § 89 WHG gebraucht, aber nicht definiert. Eine Legaldefinition findet sich dagegen in § 3 Ziff. 1 ChemG. Danach ist ein Stoff ein „chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können“.
68 In der Kommentarliteratur zur § 3 UmweltHG werden in Anlehnung an diese Definition als Stoff alle chemischen Elemente und Verbindungen angesehen, seien sie fest, flüssig oder gasförmig, natürlich oder künstlich, unsichtbar oder sichtbar.112 In der Kommentarliteratur zu § 89 WHG wird der Begriff umfassend als jede Materie verstanden, die vor dem Einbringen oder Einleiten nicht in dem Gewässer vorhanden war.113 Nach Kohler werden alle Stoffe erfasst, die sich im Wasser auflösen, zerteilen, von ihm fortgeschwemmt werden oder die auf dem Gewässerbett infolge ihrer Schwere aufliegen.114 Für die Umweltpfade Boden und Luft dürfte die Auslegung des Stoffbegriffs i.S.v. § 3 UmweltHG, für den Umweltpfad Wasser die i.S.v. § 89 WHG dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen.
69 b) Lagerung. Die Stoffe sind gelagert, wenn der VN sie zum Zweck späterer Verwendung sowie zur Abgabe an andere aufbewahrt.115 Nach Schramm folgt aus der weiteren Voraussetzung der Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen, dass die Stoffe in einer versicherten Anlage gelagert sein müssen.116 Diese Folgerung ist jedoch aus den nachstehenden Gründen nicht zwingend.
111 112 113 114 115
Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 2.79. Staudinger/Kohler (2017) § 3 UmweltHG Rn. 7; Landmann/Rohmer/Rehbinder § 3 UmweltHG Rn. 5 m.w.N. Vgl. Landmann/Rohmer/Petersen § 89 WHG Rn. 16;Berendes/Frenz/Müggenborg/Reiff WHG (2011) § 89 Rn. 12. Staudinger/Kohler (2017) § 89 WHG Rn. 6 m.w.N. Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 2.81; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 18; Späte/Schimikowski/ Schneider Ziff. 2 UHV Rn. 35; Landmann/Rohmer/Petersen § 89 WHG Rn. 65. 116 Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 2.81. Koch
1028
D. Verwendungsrisiko (Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM)
Ziff. 2 UmweltHM
2. Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen Der Begriff der Verwendung führt nicht in den Bereich der Rechtssprache, weil es dort keinen, in seinen Konturen eindeutig festgelegten, Verwendungsbegriff gibt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter dem Begriff der Verwendung der zweckgerichtete Umgang mit einer Sache zu verstehen und umfasst jeden Ge- und Verbrauch sowie jede Form der Verarbeitung. Es muss also eine Einwirkung auf den gelagerten Stoff stattgefunden haben. Hierzu zählen sämtliche Vorgänge beim Befüllen, Umfüllen und Entleeren der versicherten Anlage mit dem gelagerten Stoff.117 Zumindest soweit es den Vorgang des Befüllens der Anlage mit dem Stoff betrifft, kann sich dieser Stoff nicht bereits in der Anlage befunden haben. Die Ansicht Schramms ist deshalb abzulehnen. Die weitere Voraussetzung der Verwendung des Stoffes im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit der versicherten Anlage wird der durchschnittliche VN dahin gehend verstehen, dass sich die Deckung des Verwendungsrisikos auf das Umfeld der versicherten Lageranlage beschränkt. Das bedeutet, dass die gelagerten Stoffe sich in unmittelbarer Nähe zur Lageranlage befinden und die vorgenommenen Handlungen einen Bezug zur versicherten Lageranlage aufweisen müssen.118 An letzterem Erfordernis fehlt es beim Ausbringen von Gülle, Jauche, Klärschlamm, Dünge- oder Pflanzenschutzmittel.119 Werden gelagerte Stoffe von einer Anlage in eine andere Anlage umgefüllt, liegt eine Verwendung bezogen auf beide Anlagen vor, soweit es beim Vorgang des Umfüllens auf dem Weg zur Zielanlage zu einem Verkleckern kommt und ein räumliches Näheverhältnis zu beiden Anlagen gegeben ist.120 Letzteres ist stets der Fall, wenn der Transport der Stoffe mittels einer deklarierungsfähigen Anlage erfolgt. In diesen Konstellationen besteht Versicherungsschutz für etwaige Gewässerschäden, wenn eine der beiden Anlage versichert ist. Ereignet sich der Schaden bereits in der ersten Anlage, ist dagegen nur deren Verwendungsrisiko betroffen. Kommt es zu einem Schaden in der Zielanlage, verwirklicht sich dort das Verwendungsrisiko. Deckung besteht nur insoweit, als die jeweilige Anlage, in der es zu dem Schaden kommt, deklariert ist.121
70
71
72
73
3. In Boden, Luft oder Wasser (einschl. Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein Diese Formulierung orientiert sich an § 89 Abs. 2 WHG. Dort heißt es: „Gelangen aus einer 74 Anlage … Stoffe in ein Gewässer, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet zu sein, …“. In der WHG-Kommentarliteratur wird hieraus gefolgert, dass die Stoffe nicht zweckgerichtet einem Gewässer zugeführt werden müssen. Es seien vielmehr die Fälle erfasst, dass Stoffe ungewollt oder sogar gegen den Willen des Anlageninhabers in ein Gewässer gelangen.122 In diesem Sinne – ohne die Beschränkung auf Gewässer – dürfte der durchschnittliche VN auch die Formulierung in Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM verstehen. Der negativen Voraussetzung, dass die Stoffe
117 118 119 120
Vgl. OLG Celle 21.3.1996 – 8 U 235/94, RuS 1996 173 (zur Gewässerschadenhaftpflichtversicherung). Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider Ziff. 2 UHV Rn. 35. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 762. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 78 und ihm folgend Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 18, die den Transport zwischen versicherten Anlagen offenbar stets als gedeckt ansehen. 121 Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 2.82; Hinsch VersR 1991 1221, 1227; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 78; Klinkhammer VP 1991 147, 152; ohne diese Einschränkung OLG Celle 21.3.1996 – 8 U 235/94, RuS 1996 173, 174 (zur Gewässerschadenshaftpflichtversicherung m. krit. Anmerkung von Schimikowski RuS 1996 174). 122 Vgl. Landmann/Rohmer/Petersen § 89 WHG Rn. 67; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner WHG § 89 Rn. 59; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 112. 1029
Koch
Ziff. 2 UmweltHM
Umwelt-Produkthaftpflicht-/Umwelt-Betriebsrisiko
nicht in Boden, Luft oder Wasser eingebracht oder eingeleitet sind, kommt nur klarstellende Bedeutung zu, da im Fall der Einbringung oder Einleitung in Boden, Luft oder Wasser weder ein Ge- oder Verbrauch noch eine Verarbeitung der Stoffe gegeben und somit das Verwendungsrisiko gar nicht betroffen sein dürfte.
E. Mittelbares Abwasserrisiko (Ziff. 2 Abs. 3 UmweltHM) 75 Gem. Ziff. 2 Abs. 3 UmweltHM besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn im Rahmen der Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.7 UmweltHM Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen. Durch diese Regelung wird das Abwasserrisiko, das im Rahmen der Risikobausteine Ziff. 2.4 und 2.6 UmweltHM ausdrücklich eingeschlossen ist, in alle Risikobausteine einbezogen. Da Ziff. 2.4 UmweltHM eine zweckbestimmte Zuführung schädlicher Stoffe voraussetzt (vgl. Rn. 48 ff.), die Deckung gem. Ziff. 2 Abs. 3 UmweltHM jedoch – ebenso wie Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM – ein ungewolltes Gelangen der Stoffe in Boden, Luft oder Wasser genügen lässt, geht Ziff. 2 Abs. 3 UmweltHM über den Anwendungsbereich von Ziff. 2.4 UmweltHM hinaus. Voraussetzung für die Deckung ist, dass der Drittschaden durch die aus der versicherten 76 Anlage über das Abwasser in das Gewässer gelangten Stoffe verursacht wurde. Beispiel:123 Aus einer versicherten WHG-Anlage tritt ein gewässerschädlicher Stoff aus. Dieser kontaminiert jedoch nicht unmittelbar das Gewässer. Vielmehr vermischt er sich im betrieblichen Abwassersystem mit industriellen Abwässern und gelangt damit in das Oberflächengewässer. Dafür besteht Versicherungsschutz. Der VR kann sich insoweit nicht auf den Ausschluss für Abwässer gemäß Ziff. 7.14 (1) AHB berufen.
77 Entsteht der Schaden ausschließlich oder überwiegend durch das Abwasser selbst und sind die über das Abwasser in das Gewässer gelangten Stoffe lediglich (zufällig) zeitgleich am Schadenort, greift Ziff. 2 Abs. 3 UmweltHM nicht ein. Erhöht sich hingegen die Schädlichkeit des Abwassers durch das Hinzutreten der Stoffe, besteht für den Gesamtschaden Versicherungsschutz. Dies gilt auch dann, wenn die Schadenshöhe ohne „Abwasseranteil“ niedriger ausgefallen wäre.124
123 Beispiel nach GDV-Erläuterungen 15 und Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 79. 124 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 765. Koch
1030
Ziff. 3 UmweltHM
Ziff. 3 Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken 3.1 1Die Bestimmungen der Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB (Vorsorgeversicherung) finden für die Ziff. 2.1–2.5 keine Anwendung. 2Der Versicherungsschutz für neue Risiken bedarf insoweit besonderer Vereinbarung. 3.2 1Ziff. 3.1 (2) und 3.2 AHB (Erhöhungen und Erweiterungen) finden für die Ziff. 2.1–2.5 keine Anwendung. 2Hiervon unberührt bleiben mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2 versicherten Risiken
Übersicht A.
Ausschluss der Vorsorgeversicherung (Ziff. 3.1 UmweltHM)
I.
Inhalt und Zweck
II. 1.
Versicherungsschutz für neue Risiken Neu hinzukommende Anlagen i.S.v. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM a) Außerhalb eines vereinbarten Risikobau2 steins b) Innerhalb eines vereinbarten Risikobau3 steins Veränderung versicherter Anlagen a) „Herauswachsen“ aus einem Bau5 stein b) Austausch der Anlage durch risikobaustein6 gleiche Anlage
2.
B.
7
I.
Inhalt und Zweck
II.
Anlagebezogene Risikoerhöhungen und -erwei8 terungen (Ziff. 3.2 Satz 1 UmweltHM)
III.
Mengenmäßige Veränderung von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2 UmweltHM versicherten Ri11 siken (Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM)
C.
Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer 15 Rechtsvorschriften
D.
Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko und allgemeines Umwelt-Be16 triebsrisiko
1
Versicherung von Risikoerhöhungen und -erweiterungen (Ziff. 3.2 UmweltHM)
A. Ausschluss der Vorsorgeversicherung (Ziff. 3.1 UmweltHM) I. Inhalt und Zweck Nach Ziff. 2 Satz 1 UmweltHM erstreckt sich die Versicherung „ausschließlich auf die im Versi- 1 cherungsschein aufgeführten Risiken“. Hierdurch will der VR sicherstellen, dass nur für solche Risiken Versicherungsschutz gewährt wird, bei denen der VR die Möglichkeit hatte, eine Risikoanalyse durchzuführen (vgl. Ziff. 2 UmweltHM Rn. 3 ff.). Um sicherzugehen, dass der Versicherungsschutz sich nicht ohne eine erneute Risikobeurteilung automatisch an eine Änderung des bisher versicherten Risikos anpasst, bestimmt Ziff. 3.1 UmweltHM, dass die Regeln über die Vorsorgeversicherung nach Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB für die Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM keine Anwendung finden.1
1 GDV-Erläuterungen 15 f.; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 3 Rn. 2. 1031 https://doi.org/10.1515/9783110522686-259
Koch
Ziff. 3 UmweltHM
Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen
II. Versicherungsschutz für neue Risiken 1. Neu hinzukommende Anlagen i.S.v. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM 2 a) Außerhalb eines vereinbarten Risikobausteins. Aus Ziff. 3.1 UmweltHM folgt, dass für Anlagen i.S.v. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM, die zu einem bestehenden Risikobaustein (z.B. Ziff. 2.1 UmweltHM) hinzukommen und einem anderen Risikobaustein zuzuordnen sind (z.B. Ziff. 2.2 UmweltHM) nur bei besonderer Vereinbarung Deckung besteht.2
3 b) Innerhalb eines vereinbarten Risikobausteins. Nimmt der VN eine weitere Anlage in Betrieb, die unter einen bereits für andere Anlagen geltenden Baustein fällt, kommt es nach h.M. für die Einordnung als neues Risiko darauf an, ob die bereits vorhandenen Anlagen einzeln im Versicherungsschein deklariert sind oder unter Verzicht auf Einzeldeklaration eine Gruppe gleichartiger Anlagen versichert ist.3 Beispiel:4 Der VN hat drei Öltanks à 1000 l und zwei weitere Tanks à 500 l. Im Versicherungsschein oder seiner Anlage, auf die der Versicherungsschein Bezug nimmt, sind diese Tanks einzeln und separat zum Risikobaustein Ziff. 2.1 als WHG-Anlage aufgeführt. Schafft sich nunmehr der VN einen weiteren Öltank von 500 l an, handelt es sich um ein neues Risiko.
Nach Kurth handelt es sich dagegen um eine Risikoerweiterung, sobald zu einem versicherten Tank ein zweiter hinzukommt.5 Für die herrschende Ansicht spricht, dass für die Feststellung, ob ein „neues Risiko“ vor4 liegt, zunächst der Umfang des bisher gedeckten Risikos anhand der Risikobeschreibung ermittelt werden muss. Sind die Anlagen einzeln deklariert, ist jeweils nur das Risiko versichert, dass von dem Betrieb der jeweils deklarierten Anlage ausgeht. Neu hinzukommende Anlagen dürften im Übrigen auch deshalb als neues Risiko anzusehen sein, weil sie nicht Gegenstand der für die Einzeldeklaration erforderlichen Risikoanalyse gewesen sind. Letztlich kann die Einordnung jedoch wegen Ziff. 3.2 UmweltHM dahinstehen, da die neue Anlage selbst bei Qualifikation als Risikoerweiterung nicht automatisch mitversichert wäre (hierzu sogleich Rn. 7 ff.).
2. Veränderung versicherter Anlagen 5 a) „Herauswachsen“ aus einem Baustein. Verändert der VN die versicherte Anlage dahin gehend, dass er die Lagerkapazität erhöht, und fällt die Anlage dadurch unter einen anderen Risikobaustein, ist die Anlage ein neues Risiko geworden.6 Beispiel:7 Der VN erhöht durch bauliche Maßnahmen das unter Risikobaustein Ziff. 2.1 UmweltHM versicherte Tanklager für Mineralöl von einer versicherten Kapazität von 8.000 t auf nunmehr 15.000 t. Damit handelt es
2 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 863; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 1. 3 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 877; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 3 Rn. 4; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 42; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 117; SchmidtSalzer/Schramm Rn. 3.15. 4 Nach Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 878 f. 5 Kurth PHI 1995 48, 51. 6 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 80 f.; a.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 118. 7 Ähnliche Beispiele bei Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 865 f.; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.21 f. Koch
1032
B. Risikoerhöhungen und -erweiterungen
Ziff. 3 UmweltHM
sich bei dem Tanklager um eine UmweltHG-Anlage gem. Anhang 1 Nr. 79 UmweltHG, das über den Risikobaustein Ziff. 2.2 UmweltHM zu versichern ist.
S. hierzu auch die Ausführungen in Rn. 12 f.
b) Austausch der Anlage durch risikobausteingleiche Anlage. Ersetzt der VN eine Anlage 6 durch eine technisch gleich- oder höherwertige Anlage, die unter denselben Risikobaustein fällt, liegt weder ein neues Risiko noch eine Risikoerhöhung/-erweiterung vor.8
B. Versicherung von Risikoerhöhungen und -erweiterungen (Ziff. 3.2 UmweltHM) I. Inhalt und Zweck Ziff. 3.2 Satz 1 UmweltHM stellt klar, dass die AHB-Regelungen zur Risikoerhöhung/-erweite- 7 rung für die Anlage-Risiken in Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM keine Anwendung finden. Bei Risikoerhöhungen/-erweiterungen nach Abschluss des Versicherungsvertrages, die diese Anlagen betreffen, finden vielmehr die §§ 23 ff. VVG Anwendung.9 Nach Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM bleiben von der Beschränkung des S. 1 jedoch unberührt „mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2 versicherten Risiken“. In einem solchen Fall bleibt es bei der Anwendung der Ziff. 3.1 (2), 3.2 und 13 AHB und die §§ 23 ff. VVG sind zugunsten des VN abgeändert (vgl. auch Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 14 ff.).10
II. Anlagebezogene Risikoerhöhungen und -erweiterungen (Ziff. 3.2 Satz 1 UmweltHM) Zu den Voraussetzungen einer Risikoerhöhung und -erweiterung sowie zu den Unterschieden 8 zwischen Risikoerhöhung und -erweiterung s. die Kommentierung zu Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 18 ff. Als Beispiele für eine Risikoerhöhung werden in der Literatur genannt:11 – Erhöhung des Säuregrades eines Stoffes, der in einem Tank für die Produktion bereitgehalten wird, im Laufe der Versicherungsperiode; – Nicht unverzügliche Wiederinstandsetzung der Auffangwanne eines beschädigten oberirdischen Öltanks; – Export von zunächst nur für das Inland produzierten Filteranlagen. 9 Als Beispiele für eine Risikoerweiterung nach dem UmweltHM werden angeführt12: – Erweiterung des Gesamtfassungsvermögens eines versicherten Tanks durch technische Veränderungen; – Steigerung des Mengendurchsatzes einer Anlage.
8 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.22; Kurth PHI 1992 48, 51. 9 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 888; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 3 Rn. 6; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 43; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 111 f. 10 Beckmann/ Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 118. 11 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.26; Küpper VP 1992 1, 4; Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 887. 12 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.27; Kurth PHI 1995 48, 51; Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 884. 1033
Koch
Ziff. 3 UmweltHM
Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen
10 Die Rechtsfolgen bestimmen sich in all diesen Fällen nach §§ 24 ff. VVG.13 Macht der VR nicht von seinem Kündigungsrecht gemäß § 24 Abs. 1 und 2 VVG innerhalb eines Monats nach Erlangung der Kenntnis über die Gefahrenerhöhung Gebrauch, hat er das erhöhte Risiko zu tragen.
III. Mengenmäßige Veränderung von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2 UmweltHM versicherten Risiken (Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM) 11 Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM bezieht sich auf Stoffe (zum Stoffbegriff s. Ziff. 2 UmweltHM Rn. 67 f.), nicht auf Anlagen, so dass die zahlenmäßige Erhöhung von gleichartigen Anlagen nicht unter Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM fällt. Es kann sich allenfalls um ein neues Risiko i.S.v. Ziff. 3.1 UmweltHM handeln (Rn. 3 f.).14 Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM ist so zu verstehen, dass nur mengenmäßige Veränderungen in12 nerhalb des konkret vereinbarten Risikobausteins automatisch versichert sind.15 So liegt der Fall, wenn der VN in der versicherten 20.000 t fassenden Anlage statt wie bisher 14.000 t nunmehr 19.000 t Mineralöl lagert.16 Führt die mengenmäßige Veränderung von Stoffen einer Anlage dagegen dazu, dass die Anlage einem anderen Risikobaustein zuzuordnen ist, beispielsweise weil durch die größere Stoffmenge eine Anlage nach Risikobaustein Ziff. 2.3 nunmehr als UmweltHG-Anlage nach Risikobaustein Ziff. 2.2 einzustufen ist, handelt es sich um ein neues Risiko i.S.v. Ziff. 3.1 UmweltHM (Ziff. 3 UmweltHM Rn. 5). Nach Kurth handelt es sich dagegen auch beim „Herauswachsen“ aus einem Risikobaustein 13 um eine mengenmäßige Veränderung von Stoffen, die gem. Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM in Verbindung mit Ziff. 3.1 (2) AHB automatisch mitversichert ist. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Zu folgen ist der herrschenden Meinung. Der Formulierung „innerhalb der unter Ziff. 2 versicherten Risiken“ lässt sich zwar nicht zwingend entnehmen, dass nur mengenmäßige Veränderungen innerhalb des konkret vereinbarten Risikobausteins Ziff. 2.1 bis 2.6 UmweltHM automatisch versichert sind. Jedoch bezieht sich Ziff. 3.2 Satz 2 UmweltHM auf Risikoerhöhungen/erweiterungen und ist deshalb von neuen Risiken i.S.v. Ziff. 3.1 UmweltHM abzugrenzen. Soweit ein neues Risiko vorliegt, findet Ziff. 3.2 UmweltHM keine Anwendung. Hiervon ausgehend ist das „Herauswachsen“ aus einem Risikobaustein nicht anders zu bewerten als der Fall, dass zu einem bestehenden Baustein eine Anlage hinzukommt, die einem neuen Risikobaustein zuzuordnen ist. Hier wie dort fällt die Anlage unter eine andere Tarifposition des Prämientarifes und muss ausdrücklich versichert werden.17 Die VR bieten in der Praxis abweichende Klauseln an, die eine Einbeziehung neuer Risiken unter Vereinbarung einer Anzeigepflicht vorsehen.18 Die Rechtsfolgen einer mengenmäßigen Veränderung von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2 14 UmweltHM versicherten Anlage-Risiken bestimmen sich nicht nach §§ 24 ff. VVG, sondern nach Ziff. 13 AHB.19 Die §§ 24 ff. VVG sind insoweit zugunsten des VN abbedungen (vgl. Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 14).
13 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 888; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 3 Rn. 6; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 43; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 119 f.
14 Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.20. 15 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 870; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.20; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 107; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 82 f.; HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW Heft 24/1993 24 f. 16 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 44; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 115. 17 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 118; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 3.20. 18 Vgl. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 80. 19 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 888; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 3 Rn. 6; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 43; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 119 f. Koch
1034
D. Umwelt-Produkthaftpflicht-/Umwelt-Betriebsrisiko
Ziff. 3 UmweltHM
C. Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften Nach Ziff. 3.2 Satz 1 UmweltHM findet auch Ziff. 3.2 AHB keine Anwendung für die Bausteine 15 gem. Ziff. 2.1 bis 2.6 UmweltHM. Kommt es zu einer Umstufung der versicherten Anlagen des VN durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften, bestimmt sich der Versicherungsschutz somit ebenfalls nach Maßgabe der §§ 23 ff. VVG.20 Beispiele:21 1. 2.
3.
Infolge Veränderung der Schwellenwerte oder Leistungsgrößen wird eine bisherige WHG-Anlage (Risikobaustein Ziff. 2.1 UmweltHM) zur UmweltHG-Anlage (Risikobaustein Ziff. 2.2 UmweltHM). Durch Veränderung der Schwellenwerte oder Leistungsgrößen wird eine bisherige sonstige deklarierungspflichtige Anlage (Risikobaustein Ziff. 2.3 UmweltHM) zur UmweltHG-Anlage (Risikobaustein Ziff. 2.2 UmweltHM). Eine bisherige UmweltHG-Anlage (Risikobaustein Ziff. 2.2 UmweltHM) wird in Anhang 2 zum UmweltHG einbezogen und stellt damit ein deckungsvorsorgepflichtiges Risiko (Risikobaustein Ziff. 2.5 UmweltHM) dar.
D. Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko und allgemeines Umwelt-Betriebsrisiko Für die Deckung des allgemeinen Umwelt-Betriebsrisikos (Ziff. 2.7 UmweltHM) und des anlagenbe- 16 zogenen Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos (Ziff. 2.6 UmweltHM) bleibt es bei der Anwendung der AHB-Regelungen zur Vorsorgeversicherung (Ziff. 3.1 (3) i.V.m. Ziff. 4 AHB) und über Erhöhungen und Erweiterungen (Ziff. 3.1 (2) AHB). Da diese AHB-Regelungen für die Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM keine Anwendung finden, besteht jedoch kein Versicherungsschutz, wenn sich der VN eine unter Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM fallende Anlage neu anschafft oder die Kapazitäten einer bestehenden Anlage so erweitert, dass sie unter unter Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM fällt. Beispiel: Der VN hat einen Gastank unter 3 t Lagerkapazität. Er erwirbt einen neuen Gastank mit 6 t Lagerkapazität. Der neue Gastank ist nicht in Risikobaustein Ziff. 2.7 UmweltHM mitversichert, sondern muss in einem der Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM gesondert deklariert werden.
Im Übrigen gibt im Anwendungbereich von Ziff. 2.6 und 2.7 UmweltHM die Betriebsbeschreibung 17 das Maß für die Abgrenzung zwischen Risikoerhöhungen/-erweiterungen und neuen Risiken. Lautet etwa die Betriebsbeschreibung „Unternehmen zur Herstellung von Hohlglas“, so handelt es sich bei der Erweiterung der Betriebstätigkeit auf die „Herstellung von Getränkeabfüllmaschinen“ um ein neues Risiko i.S.v. Ziff. 3.1 (3) AHB, für das automatisch Deckung im Rahmen von Vorsorgedeckung mit entsprechenden (reduzierten) Versicherungssummen besteht.22 War das Umwelt-Betriebsrisiko nicht im Ausgangsvertrag versichert, greift die Vorsorgeversicherung jedoch wegen des Ausschlusses nach Ziff. 7.10 lit. b) Satz 1 AHB entgegen Stockmeier23 nicht ein (vgl. Ziff. 4 AHB 2016 Rn. 3). Gleiches gilt wegen Ziff. 7.10 lit. b) Satz 3 AHB, wenn das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko nicht versichert ist und der VN, der bisher mit der Montage und Wartung von Tankanlagen gemäß Risikobaustein Ziff. 2.1 UmweltHM befasst ist, seine Betriebstätigeit wechselt, indem er nunmehr Tankanlagen plant und herstellt. 20 21 22 23
Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 4. Nach HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 25. GDV-Erläuterungen 16. Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 853.
1035
Koch
Ziff. 4 UmweltHM
Ziff. 4 Versicherungsfall 1 Versicherungsfall ist – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – die nachprüfbare erste Feststellung des Personenschadens (Tod, Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen), Sachschadens (Beschädigung oder Vernichtung von Sachen) oder eines gemäß Ziff. 1.2 mitversicherten Vermögensschadens durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den VN. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Eintritt des Versicherungsfalles
I.
Nachprüfbare erste Feststellung
II.
Während der Wirksamkeit der Versiche5 rung
2
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 4 UmweltHM definiert den Versicherungsfall und legt positiv die Voraussetzungen fest, unter denen der VN Anspruch auf die Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz hat. Insoweit füllt Ziff. 4 UmweltHM den Rahmen aus, den der Gesetzgeber den VR durch die offen gehaltene Fassung des § 100 VVG gegeben hat.1 Die Leistungspflichten des VR sind in Ziff. 5.1 Satz 1 AHB festgelegt.
B. Eintritt des Versicherungsfalles I. Nachprüfbare erste Feststellung 2 In der Umwelthaftpflichtversicherung markiert nicht das Schadensereignis i.S.v. Ziff. 1.1 Satz 2 AHB, sondern nach Ziff. 4 Satz 1 UmweltHM die erste nachprüfbare Feststellung des Schadens den Versicherungsfall. Mit dieser Definition des Versicherungsfalles will der Bedingungsgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass bei Schäden durch Daueremissionen im Rahmen des bestimmungsgemäßen Betriebs und insbesondere bei solchen, die über den Luftpfad verursacht werden, eine zeitliche Fixierung des Schadensereignisses kaum möglich ist. Weiterhin ist bei Umweltschäden häufig die nachträgliche Aufklärung der tatsächlichen Geschehensabläufe und ihre zeitliche Fixierung nicht mehr ausreichend präzise möglich.2 Das Abstellen auf die nachprüfbare erste Feststellung des Personen- oder Sachschadens 3 (hierzu Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 11 ff. und 17 ff.) oder des nach Ziff. 1.2 UmweltHM mitversicherten Vermögensschadens (hierzu Ziff. 1 UmweltHM Rn. 5 ff.) knüpft an einen tatsächlichen und verifizierbaren Vorgang an. Der Schaden muss festgestellt worden sein. Die Feststellung muss darüber hinaus objektiv nachprüfbar, also einem geeigneten objektiven Beweis zugänglich
1 Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 7 ff. 2 GDV-Erläuterungen 17; HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 25 f. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-260
1036
B. Eintritt des Versicherungsfalles
Ziff. 4 UmweltHM
sein.3 In Betracht kommen im Wesentlichen alle Handlungen, die im Zivilprozess als Beweismittel dienen können (Zeugen-, Urkunden oder Sachverständigenbeweis). Ziff. 4 UmweltHM verlangt keine zeitlich unbefristete Nachprüfbarkeit im Sinne einer Dokumentation oder Archivierung von Beweismitteln. Vielmehr reicht die Überprüfbarkeit eines gegebenen Zustands zu einem bestimmten Zeitpunkt aus.4 Nachprüfbarkeit ist gegeben, wenn der Schaden einer feststellungsbereiten Person mitge- 4 teilt oder von dieser zur Kenntnis genommen worden ist.5 Zum Kreis feststellungsbereiter Personen zählen Mitarbeiter bei der Polizei oder einer Behörde (z.B. Ordnungsamt, Gesundheitsamt, Wasserbehörde, Abfallbehörde, Gewerbeaufsicht), Ärzte und Sachverständige. Privatpersonen dürften dagegen nur in Ausnahmefällen feststellungsbereit sein.6 Nachprüfbarkeit ist darüber hinaus gegeben, wenn der Schaden z.B. in einem Brief oder anderen Schriftstück erwähnt wird oder wenn Fotos mit Datumsanzeige vorliegen.7
II. Während der Wirksamkeit der Versicherung Ziff. 4 Satz 2 UmweltHM bestimmt, dass der Versicherungsfall während der Wirksamkeit der Ver- 5 sicherung eingetreten sein muss. Die Deckung setzt somit voraus, dass die nachprüfbare erste Feststellung des Schadens während der Laufzeit des Vertrages erfolgt. Hierzu stellt Ziff. 4 Satz 3 UmweltHM klar, dass es nicht darauf ankommt, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war. Es ist insoweit unerheblich, ob der Schaden kausal auf eine während der Laufzeit des Vertrages vorgenommene Umwelteinwirkung zurückzuführen ist. Durch die Versicherungsfalldefinition werden vielmehr auch solche Schadensfeststellungen erfasst, die auf lang zurückliegenden Umwelteinwirkungen beruhen. Beispiel:8 Im Januar 2010 suchen Anwohner eines Unternehmens der chemischen Industrie einen Arzt auf, der eine Verätzung der Luftröhre diagnostizierte. Erst im Laufe des Jahres 2010 steht fest, dass dies auf das unerkannte Austreten von Chlorgas in dem chemischen Betrieb im Dezember 2009 zurückzuführen ist. Der Versicherungsfall ist im Januar 2010 eingetreten. Durch den Arztbesuch wurde der eingetretene Personenschaden erstmals nachprüfbar festgestellt.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass dem VR auch unter den Gegebenheiten des Schadensfest- 6 stellungsprinzips ein Spätschadensrisiko trifft, das sich vornehmlich – aber nicht nur – im Personenschaden-Bereich verwirklichen kann. Eine Begrenzung der Eintrittspflicht für Altlasten ergibt sich jedoch aus den Ausschlüssen gem. Ziff. 6.3., 6.4 und 6.5 UmweltHM (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 16 ff.). 3 Vgl. LG Dortmund 1.4.2010 – 2 O 355/09, RuS 2010 237, 239: „die objektive Befunderhebung zum Sachschaden“; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 126; zur Umweltschadensversicherung LG Düsseldorf 18.12.2018 – 9 S 1/18, RuS 2019 91, 92: „Die Wendung ‚nachprüfbare erste Feststellung‘ ist nach den maßgeblichen Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen VN dahin zu verstehen, dass auf der Grundlage von Tatsachen die Verursachung eines Schadens durch den VN feststellbar ist.“. 4 LG Düsseldorf 18.12.2018 – 9 S 1/18, RuS 2019 91, 92. 5 Vgl. auch Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 3: „Erforderlich ist aber, dass es sich um eine ernsthafte Mitteilung gegenüber einem Beteiligten oder einer offiziellen Stelle (Polizei, Behörde, Versicherungsagent) handelt, so dass damit zu rechnen ist, dass der Erklärungsempfänger die Feststellung nachprüfbar niederlegt oder seinerseits weiterleitet“; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 4 Rn. 3. 6 Weiter gehend Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 954: Schulklasse, Wandergruppe, Verein, Familienangehörige, Freunde, Passanten; ebenso Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 118. 7 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 954. 8 Beispiel nach GDV-Erläuterungen 17, vgl. auch Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 86; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 5. 1037
Koch
Ziff. 5 UmweltHM
Ziff. 5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 5.1 1Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, – nach einer Störung des Betriebes oder – aufgrund behördlicher Anordnung Aufwendungen des VN für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.2 mitversicherten Vermögensschadens. 2Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. 5.2 Aufwendungen aufgrund behördlicher Anordnungen im Sinne der Ziff. 5.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. 5.3 Der VN ist verpflichtet, 5.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadeneintritt zu verhindern oder den Schadenumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder 5.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. 5.4 1Verletzt der VN eine der in Ziff. 5.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gem. Ziff. 5 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2Verletzt der VN eine der in Ziff. 5.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3Abweichend von Abs. 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist. 5.5 1Aufwendungen werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von E …… je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung, pro Versicherungsjahr jedoch nur bis E ……, ersetzt. 2Der VN hat von den Aufwendungen … % selbst zu tragen. 3Kommt es trotz Durchführung der Maßnahmen zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 4Im Falle einer solchen Anrechnung hat der VN von den Selbstbehalten gem. Ziff. 5.5 Abs. 2 und Ziff. 7.3 den höheren zu tragen. 5.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Falle Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne der Ziff. 5.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Personen-, Sach- oder gemäß Ziff. 1.2 mitversicherten Vermögensschadens, falls Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-261
1038
A. Inhalt und Zweck
Ziff. 5 UmweltHM
Sachen des VN, die von einer Umwelteinwirkung nicht betroffen sind, beeinträchtigt werden müssen. 3Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
Übersicht 1
21
II.
Ziff. 5.3.2 UmweltHM
Voraussetzungen für Aufwendungsersatz 3 (Ziff. 5.1 UmweltHM)
E.
Verletzung von Aufwendungsminderungsob22 liegenheiten (Ziff. 5.4 UmweltHM)
4
F.
Begrenzung der Ersatzleistung (Ziff. 5.5 Um26 weltHM)
G.
Eigenschäden (Ziff. 5.6 UmweltHM)
I. 1. 2.
Ausschluss von Sanierungsmaßnahmen 30 Inhalt und Zweck Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und 32 dgl.) des VN Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüs34 tung, Sicherung oder Sanierung
A.
Inhalt und Zweck
B.
I.
Aufwendungen
II.
Störung des Betriebs
III.
Behördliche Anordnung
IV.
Unvermeidbar drohender Schaden
V.
Zeitpunkt
C.
Selbst- oder Ersatzvornahme (Ziff. 5.2 Um15 weltHM)
3.
D.
Aufwendungsminderungsobliegenheiten 17 (Ziff. 5.3 UmweltHM)
II.
Ausnahme Aufopferungsschäden
H. I. 1. 2. 3.
Ziff. 5.3.1 UmweltHM 18 Anzeigeobliegenheit Mitwirkungsobliegenheit Widerspruchsobliegenheit
Geltung der Auschlusstatbestände auf Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfal39 les
5 8 10
14
36
19 20
A. Inhalt und Zweck Ziff. 5.1 und 5.2 UmweltHM regeln die Ersatzpflicht des VR für Aufwendungen vor Eintritt des 1 Versicherungsfalles dem Grunde nach, Ziff. 5.3 UmweltHM statuiert Anzeige- und Rettungsobliegenheiten des VN und Ziff. 5.4 bis 5.6 UmweltHM beinhalten Regelungen über die vom VR zu ersetzenden Aufwendungen der Höhe nach. Die Regelung über Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles ist für die Umwelthaftpflichtversicherung besonders bedeutsam, weil Rettungskosten nach § 83 VVG nur nach Eintritt des Versicherungsfalles entstehen und damit nur noch solche zur Minderung des (Folge-)Schadens, nicht aber zur Abwendung des (Anfangs-)Schadens sein können.1 Diese Beschränkung folgt daraus, dass die Rettungsobliegenheit gem. Ziff. 25.2 AHB i.V.m. § 82 Abs. 1 VVG erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles einsetzt.2 § 90 VVG findet keine Anwendung in der Haftpflichtversicherung.3 Die Erweiterung des Rettungskostenersatzes gegenüber der gesetzlichen Regelung soll dem VN einen wirtschaftlichen Anreiz geben, den Eintritt des Versicherungsfalles zu verhindern.4 Die Erweiterung liegt
Bruck/Möller/Koch9 § 83 VVG Rn. 4. Bruck/Möller/Koch9 § 82 VVG Rn. 101 u. 103. Bruck/Möller/Koch9 § 90 VVG Rn. 6. Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 51; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 5 Rn. 2; Wagner VersR 1992 261, 269.
1 2 3 4
1039
Koch
Ziff. 5 UmweltHM
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
auch im Interesse des VR, da sie dem Ziel dient, den Eintritt von versicherten Schäden möglichst zu verhindern. 2 Ziff. 5 UmweltHM findet keine Anwendung auf den Ersatz von Aufwendungen für Rettungsmaßnahmen nach Eintritt des Versicherungsfalles. Da das UmweltHM (ebenso wie die AHB) keine besonderen Regelungen hierzu enthält, gilt § 83 VVG.5
B. Voraussetzungen für Aufwendungsersatz (Ziff. 5.1 UmweltHM) 3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles sind nach Ziff. 5.1. Satz 1 UmweltHM nur dann gedeckt, wenn sie aus Anlass einer Störung des Betriebs oder aufgrund einer behördlichen Anordnung vorgenommen werden und sie notwendig sind, um einen sonst unvermeidbaren Schaden abzuwehren oder zu mindern.
I. Aufwendungen 4 Der VN wird unter diesem Begriff alle – auch unfreiwillige – Vermögensminderungen verstehen, die er als adäquate Folge einer Rettungsmaßnahme erleidet. Dieses Verständnis entspricht der Auslegung des Aufwendungsbegriffs des § 83 Abs. 1 VVG, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.6 Gedeckt sind nur diejenigen Aufwendungen, die daraus resultieren, dass zur Abwendung oder Minderung eines versicherten Personen- oder Sachschadens oder der Beeinträchtigung der ausdrücklich mitversicherten Vermögensschadenstatbestände Maßnahmen ergriffen werden. Maßnahmen, die nur der Rückgängigmachung von Umweltschäden i.S.v. § 2 USchadG dienen, unterliegen deshalb nicht der Ersatzpflicht.7
II. Störung des Betriebs 5 Erforderlich ist eine Störung des Betriebes eines versicherten Risikos. Was hierunter zu verstehen ist, wird nicht weiter erläutert (anders Ziff. 3.1 USV). Die identische Formulierung findet sich in § 6 Abs. 2 UmweltHG. Eine Störung des Betriebs wird in der Kommentarliteratur zum UmweltHG in Anlehnung an § 2 Abs. 1 der StörfallVO und § 3 UmweltHG angenommen, wenn aufgrund eines Ereignisses Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen freigesetzt werden, die bei ordnungsgemäßem Betrieb nicht emittiert werden.8 Beispiele:9 Versickern von Giftstoffen aus einem durch Unachtsamkeit eines Betriebsangehörigen umgeworfenen Behälters; Austreten von Schadstoffen nach Durchrosten einer Leitung oder nach Bruch eines Filters.
6 Nach anderer Ansicht ist die Betriebsstörung nicht wirkungsbezogen, sondern betriebsbezogen zu verstehen.10 In Anlehnung an die Ziff. 2.2, 2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung soll eine Betriebsstörung nur bei Abweichungen von dem Betrieb anzunehmen sein, für den eine Anlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet 5 6 7 8
Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 133. Bruck/Möller/Koch9 § 83 VVG Rn. 13. GDV-Erläuterungen 20. Salje/Peter § 6 Rn. 35; Landsberg/Lülling § 6 UmweltHG Rn. 73; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/ Brall 88. 9 GDV-Erläuterungen 19. 10 Landmann/Rohmer/Hager/Rehbinder § 6 UmweltHG Rn. 42; Feldhaus UPR 1992 161, 164. Koch
1040
B. Voraussetzungen für Aufwendungsersatz
Ziff. 5 UmweltHM
ist, und der dem entspricht, was in der Genehmigung oder nachträglichen Anordnung festgelegt ist.11 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dürfte der durchschnittliche VN die Betriebsstö- 7 rung eher wirkungsbezogen i.d.S. verstehen, dass das ordnungsgemäße Funktionieren – hier des Betriebes – beeinträchtigt sein muss.12 Er wird den Begriff „Betrieb“ im Sinne des „Betreibens“ bzw. „Arbeitens“ als ein dynamisches Geschehen verstehen und eine „Störung“ als nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit bzw. der ordnungsgemäßen Fortführung des Betriebs ansehen.13 Von einer Störung des Betriebes wird man ferner nur dann sprechen können, wenn ein zeitpunktartig fassbarer Vorgang gegeben ist und die Störung unerwartet ist. Insoweit ist den Vorstellungen des Musterbedingungsgebers und Teilen der Literatur zuzustimmen, wonach eine Störung nur dann vorliegt, wenn aufgrund eines plötzlichen, unfallartigen Vorgangs von einer Anlage Emissionen freigesetzt werden, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb nicht erzeugt oder emittiert worden wären.14 Das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung allein genügt nicht.
III. Behördliche Anordnung Die Ersatzpflicht für Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles aufgrund behördlicher 8 Anordnung setzt als auslösendes Moment keine Betriebsstörung voraus. Es geht hier also um Umwelteinwirkungen, die im Rahmen des Normalbetriebs einer Anlage verursacht werden.15 Nach allgemeinem Sprachgebrauch und -verständnis setzt der Begriff der Anordnung eine einseitige Maßnahme voraus.16 So verstanden deckt sich dieser Begriff regelmäßig mit dem der Regelung i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und verweist damit auf die Handlungsform des Verwaltungsakts.17 Unter dem Begriff behördliche Anordnung sind deshalb nur Verwaltungsakte als die zentrale Handlungsform der Verwaltung zu verstehen, nicht dagegen allgemeine Schreiben der Behörden mit Empfehlungen oder Hinweisen zu zukünftigen Aktivitäten oder auf genehmigungsrechtlichen (Umweltschutz-)Bestimmungen beruhende Verfügungen wegen des Betriebs oder Weiterbetriebs von Anlagen.18 Dass es um Verwaltungsakte geht, zeigt auch Ziff. 5.3.1 UmweltHM. Danach hat der VN auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen. Ein Widerspruch richtet sich nur gegen Verwaltungsakte (vgl. § 68 VwGO). Der Verwaltungsakt muss zum Zweck der Gefahrenabwehr an den VN erlassen werden.19 9 Als Rechtsgrundlagen kommen vor allem Sicherheits- und Ordnungsgesetze der Länder, Landesabfall- und Altlastengesetze sowie das Bundesbodenschutzgesetz in Betracht.20 Auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts kommt es nicht an, wie Ziff. 5.3.1 UmweltHM zeigt.21
11 Feldhaus UPR 1992 161, 164; Paschke § 6 Rn. 45. 12 Prölss/Martin/Voit UmwHaftPfl Ziff. 5 Rn. 5. 13 Vgl. BAG 8.7. 2009 – 10 AZR 671/08, BeckRS 2009 69144 (zum Begriff der Betriebsstörung im Erschwerniszulagenkatalog der DB AG). 14 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW Heft 24/1993 26; so auch Schmidt-Salzer/ Schramm Rn. 5.37; a.A. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 5; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 5 Rn. 5; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 64; Reemts 194; offengelassen Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1043; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 135. 15 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 54. 16 Vgl. OLG Köln 28.11. 2011 – 17 U 141/10, BeckRS 2012 25029; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 7. 17 Vgl. BVerwG 12.1. 2012 – 7 C 5.11, NVwZ 2012 1184, 1186; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 7. 18 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1045; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.39. 19 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 136. 20 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1045. 21 Vgl. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 7; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1048; Reemts 195. 1041
Koch
Ziff. 5 UmweltHM
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
IV. Unvermeidbar drohender Schaden 10 Nach den Vorstellungen des Musterbedingungsgebers verlangt Unvermeidbarkeit „sowohl eine sachliche als auch eine zeitliche Komponente. Die sachliche Komponente setzt voraus, daß ohne die durchgeführten Maßnahmen die Verletzung des Privatrechtsguts zwangsläufig, also objektiv gesehen, eingetreten wäre. Zur Unvermeidbarkeit gehört aber auch eine gewisse zeitliche Nähe des Schadenseintritts. Ist nämlich der Schadenseintritt erst in entfernter Zukunft zu besorgen, kann von einer Unvermeidbarkeit jedenfalls dann nicht mehr gesprochen werden, wenn in diesem Zeitraum die Möglichkeit besteht, daß entweder aufgrund natürlicher Vorgänge ein Abbau der Schadstoffkonzentration erfolgen oder aber durch Schadstoffverhütungsmaßnahmen eine Rechtsgutverletzung ausgeschlossen werden kann“.22 [Hervorhebung durch den Verfasser]
In der Kommentarliteratur werden diese Überlegungen ganz überwiegend geteilt.23 Damit trifft den VN das Kostenrisiko einer irrtümlichen Beurteilung beim Ergreifen der Maßnahme, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sie nicht erforderlich war.24 Gegen eine rein objektive, auf eine ex-post Betrachtung angelegte Auslegung des Begriffs 11 der Unvermeidbarkeit hat sich Voit ausgesprochen. Er will zur Beurteilung der Unvermeidbarkeit auf den regelmäßigen Verlauf der Dinge abstellen. Maßgebend sei nicht, ob der Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne die Rettungsmaßnahme eingetreten und nicht mehr auf anderem Wege vermeidbar gewesen wäre, sondern entscheidend sei, ob er nach technischer Sicht und nach technischer Erfahrung regelmäßig zu der beschriebenen Situation führe.25 Beispiel:26 Beim Befüllen eines Heizöltanks versagt der Grenzwertgeber, sodass über das Lüftungsrohr Heizöl austritt und im Erdreich versickert. Eine Tonschicht verhindert aber das Eindringen des Heizöls in das Grundwasser, sodass ein Personen-, Sach- oder mitversicherter Vermögensschaden nicht eintreten konnte. Dies stellt sich erst heraus, nachdem bereits Maßnahmen zur – vermeintlichen – Verhinderung eines Schadens ergriffen wurden. Bei Anlegung eines rein objektiven Maßstabs besteht kein Anspruch auf Aufwendungsersatz.
12 Wie schon zuvor erwähnt geht es dem VR bei Ziff. 5 UmweltHM einerseits darum, dem VN einen wirtschaftlichen Anreiz zu geben, den Eintritt des Versicherungsfalles zu verhindern. Andererseits will der VR nicht die Kosten von Schadensverhütungsmaßnahmen27 tragen, die der VN nicht aus konkretem Anlass trifft, sondern allgemein, um dem Eintritt des Versicherungsfalles vorzubeugen. Diese Zielsetzungen sind für den VN unschwer zu erkennen. Ziff. 5 UmweltHM weist insoweit Parallelen zu § 90 VVG auf, mit dem zum Teil die von der Rechtsprechung entwickelte Vorerstreckungstheorie für die Sachversicherung kodifiziert wurde. Zwar knüpft Ziff. 5 UmweltHM nicht an den unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall an, sondern an den Eintritt eines Schadens, der dem Versicherungsfall vorgelagert ist. Da in der Sachversicherung der Eintritt des Schadens den Versicherungsfall markiert, liegt es jedoch nahe, die Vorstellung des Gesetzgebers zur Anwendung von § 90 VVG sowie die von der Rechtsprechung und der Literatur hinsichtlich des Erfordernisses der Unmittelbarkeit entwickelten Voraussetzungen zur Auslegung des Begriffs der Unvermeidbarkeit in den Blick zu nehmen. 22 GDV-Erläuterungen 20. 23 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 55; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 129.
24 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 8; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 55; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 129; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.52; Wagner VersR 1992 261, 269.
25 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 8; ihm folgend Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 5 Rn. 8. 26 Nach Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 89. 27 Hierzu Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1010. Koch
1042
C. Selbst- oder Ersatzvornahme (Ziff. 5.2 UmweltHM)
Ziff. 5 UmweltHM
Nach der Gesetzesbegründung ist § 90 VVG nur anzuwenden, wenn objektiv ein Versiche- 13 rungsfall (= Schadenseintritt) unmittelbar bevorstand.28 Insoweit wird eine ex-post Betrachtung angestellt. Mit dem Kriterium der Unmittelbarkeit sei, so der BGH, gemeint, dass der Versicherungsfall in kurzer Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne die Rettungsmaßnahme eintreten werde.29 Knappmann hat den Begriff der Unmittelbarkeit dahingehend umschrieben, „dass sich die Gefahrenlage so weit verdichtet hat, dass ein konkreter Versicherungsfall, also ein nach Art, Beteiligungen und Auswirkungen schon näher zu beschreibender Schadensfall, in kürzester Zeit und ohne die Rettungsmaßnahme unabwendbar eintreten wird“.30 [Hervorhebung durch den Verfasser]
In diesem Sinne dürfte ein durchschnittlicher VN der Umwelthaftpflichtversicherung die Formulierung „unvermeidbar drohender Schaden“ i.S.v. Ziff. 5.1 Satz 1 UmweltHM verstehen.
V. Zeitpunkt Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen nach 14 Ziff. 5.1 Satz 2 UmweltHM während der Wirksamkeit der Versicherung erfolgen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist.31 Das Erfordernis der „Wirksamkeit der Versicherung“ bezieht sich auf den materiellen Versicherungsschutz.32 Keine Deckung aus Ziff. 5 UmweltHM besteht deshalb, wenn die Feststellung der Betriebsstörung/behördlichen Anordnung vor materiellem Vertragsbeginn oder nach Ende des Vertrages liegt.33 Die Feststellung der Betriebsstörung/behördlichen Anordnung innerhalb der dreijährigen Nachhaftungszeit (vgl. Ziff. 8.1 UmweltHM) genügt somit nicht.34 Maßgeblich ist im Übrigen der Zeitpunkt der Feststellung der Betriebsstörung und nicht der Eintritt der Betriebsstörung. Bei der behördlichen Anordnung kommt es auf den Zugang des Verwaltungsaktes an.35 Die Tatbestandsvoraussetzung „wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist“ wird insbesondere dann relevant, wenn nur eine der beiden Tatsachen in die Vertragslaufzeit fällt.36
C. Selbst- oder Ersatzvornahme (Ziff. 5.2 UmweltHM) Ziff. 5.2 UmweltHM stellt klar, dass Aufwendungen bei behördlicher Anordnung unabhängig 15 davon ersetzt werden, ob die Maßnahmen durch den VN selbst oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. Im letztgenannten Fall handelt es sich beim Anspruch der Behörde auf Ersatz der Aufwendungen gegenüber dem VN nicht um einen privatrechtlichen Anspruch, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der regelmäßig seine Rechtsgrundlage in den Polizeigesetzen der Bundesländer findet. Voraussetzung für die Eintrittsverpflichtung des VR ist auch hier, dass die Maßnahmen der Behörden 28 BTDrucks. 16/3945 S. 83; vgl. auch OLG Saarbrücken 26.1. 2011 – 5 U 356/10 – 57, RuS 2011 380, 381; Bruck/ Möller/Koch9 § 90 VVG Rn. 12). Vgl. BGH 13.7.1994 – IV ZR 250/93, NJW-RR 1994 1366, 1367 m.w.N. Knappmann VersR 2002 129, 131 [Hervorhebung durch den Verfasser]. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 138. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1053. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1053; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 138; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 14; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 5 Rn. 10. 34 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.48; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 56; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1053; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 14. 35 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 27; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 14; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1052. 36 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1054; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.49.
29 30 31 32 33
1043
Koch
Ziff. 5 UmweltHM
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
der Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.2 UmweltHM mitversicherten Vermögensschadens dienten. 16 Diente die behördliche Ersatzvornahme nur anteilig der Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Drittschadens und sind die Aufwendungen nach ihrer Zweckrichtung und Höhe teilbar, hat der VR nur die hierauf entfallenden Aufwendungen zu ersetzen. Ist eine Aufteilung der Aufwendungen hingegen nicht möglich, weil es sich um eine einheitliche Maßnahme handelt, müssen abgewendete versicherte und nicht versicherte Schäden gegenübergestellt werden. Der VR ersetzt in diesem Fall nur den Anteil, der dem Verhältnis des abgewendeten versicherten Schadens zu dem abgewendeten nicht versicherten Schaden entspricht.37
D. Aufwendungsminderungsobliegenheiten (Ziff. 5.3 UmweltHM) 17 Den VN treffen nach Ziff. 5.3 UmweltHM Aufwendungsminderungsobliegenheiten.
I. Ziff. 5.3.1 UmweltHM 1. Anzeigeobliegenheit 18 Der VN hat dem VR die Feststellung einer Störung des Betriebs oder den Zugang einer behördlichen Anordnung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 BGB), anzuzeigen. Für die Frage der Unverzüglichkeit ist nicht ausschlaggebend, ob ein VN ohne Verschulden annehmen konnte, dass Aufwendungen zur Abwendung des Versicherungsfalles nicht anfallen würden. Für die Abgabe der Anzeige ist allein die Feststellung einer Betriebsstörung oder der Zugang einer behördlichen Anordnung maßgeblich. Insoweit kann vom VN die Absendung der entsprechenden Anzeige im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsganges erwartet werden.38
2. Mitwirkungsobliegenheit 19 Zusätzlich zur Anzeige muss der VN alles tun, was erforderlich ist, um die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadenseintritt zu verhindern oder den Schaden zu mindern.
3. Widerspruchsobliegenheit 20 Des Weiteren ist der VN gehalten, auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen. Dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt für sofort vollziehbar erklärt wurde. Zwar entfaltet der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung. Im Hinblick auf seine bestandskrafthemmende Wirkung können im Falle eines späteren Obsiegens des VN getätigte Aufwendungen regressiert oder die Zahlung an die Behörde verweigert werden.39
37 S. auch Bruck/Möller/Koch9 § 83 VVG Rn. 38; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1065; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 56; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 132.
38 GDV-Erläuterungen 21. 39 GDV-Erläuterungen 21. Koch
1044
E. Verletzung von Aufwendungsminderungsobliegenheiten
Ziff. 5 UmweltHM
II. Ziff. 5.3.2 UmweltHM Anstelle die vorstehend genannten Maßnahmen zu ergreifen, kann der VN sich zunächst mit 21 dem VR über die durchzuführenden Maßnahmen abstimmen. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Maßnahmen im konkreten Umfang notwendig und objektiv geeignet waren, den Eintritt des Schadens zu verhindern oder den Schaden zu mindern. Ist eine Maßnahme mit dem VR abgestimmt, trägt dieser das Prognoserisiko, d.h. der VN erhält dann auch Ersatz für solche Aufwendungen, die sich rückblickend als objektiv nicht erforderlich erweisen.40
E. Verletzung von Aufwendungsminderungsobliegenheiten (Ziff. 5.4 UmweltHM) Verletzt der VN vorstehend aufgeführte Aufwendungsminderungsobliegenheiten vorsätzlich, 22 so werden ihm gem. Ziff. 5.4 Satz 1 UmweltHM im Rahmen des für Aufwendungen vereinbarten Sublimits (vgl. Ziff. 5.5 UmweltHM) nur die – ex-post betrachtet – notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. Diese Rechtsfolge entspricht § 28 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VVG. Bei grob fahrlässiger Verletzung ist der VR nach Ziff. 5.4 Satz 2 UmweltHM berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wobei die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit der VN trägt. Diese Regelung entspricht § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG. Da diese Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten sind, greift Ziff. 25.2 AHB i.V.m. § 82 VVG nicht ein (weshalb § 82 VVG auch kein Prüfungsmaßstab im Rahmen von § 87 VVG für die Wirksamkeit dieser Klausel ist).41 Bei leicht fahrlässiger Verletzung der Aufwendungsminderungsobliegenheit bleibt der VR 23 voll leistungspflichtig. Nach Ziff. 5.4 Satz 3 UmweltHM bleibt der VR ferner „[a]bweichend von [S. 1] und [S. 2] […] zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist“.
Abweichend von § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG tritt keine vollständige Befreiung von der Aufwendungsersatzpflicht ein, wenn der VN seine Aufwendungsminderungsobliegenheit arglistig verletzt. Für eine entsprechende Regelung hat der Musterbedingungsgeber offenbar kein Bedürfnis gesehen. Im Unterschied zur fehlenden Unvermeidbarkeit eines Personen-, Sach- oder Vermögens- 24 schadens, die das Ob des Aufwendungsersatzes berührt, bleibt eine zum Zeitpunkt ihrer Vornahme (ex ante) getroffene Fehleinschätzung über die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Verhinderung eines Schadenseintritts oder zur Verminderung des Schadensumfangs für den Umfang des Ersatzanspruchs somit u.U. folgenlos. Gleiches gilt, wenn aus Zeitgründen eine Abstimmung mit dem VR nicht erfolgen konnte und der VN die Maßnahmen zum Zeitpunkt ihrer Vornahme ohne auf grober Fahrlässigkeit beruhendem Irrtum für geboten halten durfte. So liegt der Fall, wenn wegen der Schwere der Betriebsstörung und der dadurch freigesetzten Emissionen sofortige Maßnahmen notwendig sind, aber wegen der Tageszeit (z.B. nachts) oder
40 GDV-Erläuterungen 21; Späte/Schimikowski/Schneider Ziff. 5 UHV Rn. 18; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 57.
41 A.A. offenbar Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 18 und 27, der Ziff. 5 UmweltHM am Leitbild der §§ 82 f. VVG messen will. 1045
Koch
Ziff. 5 UmweltHM
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
des Wochentages (z.B. Samstag/Sonntag/Feiertag) beim VR ein entscheidungsbefugter Gesprächspartner nicht erreichbar ist.42 25 Abzulehnen ist die von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, die ohne Unterscheidung zwischen Grund und Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs auch in den Fällen, in denen objektiv kein unvermeidbarer Schaden droht, dem insoweit irrenden VN, der die in Ziff. 5.3 UmweltHM angeführten Obliegenheiten erfüllt, Ersatz der entstandenen Kosten zuspricht.43
F. Begrenzung der Ersatzleistung (Ziff. 5.5 UmweltHM) 26 Ziff. 5.5 Satz 1 UmweltHM bestimmt, dass Aufwendungen im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem vereinbarten Betrag (Sublimit) je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung und pro Versicherungsjahr ersetzt werden. Ziff. 5.5 Satz 2 UmweltHM sieht einen Selbstbehalt für Aufwendungen vor dem Versicherungsfall vor. Kommt es trotz Durchführung der Maßnahmen zu einem Schaden, so werden die vom VR 27 ersetzten (fehlgeschlagenen) Aufwendungen gem. Ziff. 5.5 Satz 3, Halbs. 1 UmweltHM auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet. Die Anrechnung unterbleibt jedoch nach Ziff. 5.5 Satz 3, Halbs. 2 UmweltHM, wenn der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. Dadurch soll eine Doppelanrechnung vermieden werden, wenn Störfall und der Schaden aus dem Störfall (Eintritt des Versicherungsfalles) in verschiedenen Versicherungsjahren eintreten. Die kompliziert erscheinende Anrechnungsklausel sei anhand folgender Beispiele näher er28 läutert,44 bei denen durchgehend davon ausgegangen wird, dass die Versicherungssumme E 1 Mio. beträgt, davon A 100.000 für Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles (AvE). Beispiel 1: 2021 Störfall/AvE A 100.000 2021 Schaden aus Störfall A 1,75 Mio. Ersatz durch den VR daraus noch A 900.000
In diesem Fall werden die fehlgeschlagenen Aufwendungen des VR über A 100.000 auf die Versicherungssumme von A 1 Mio. angerechnet, sodass die Leistung für den Versicherungsfall auf A 900.000 begrenzt ist. Beispiel 2: 2021 Störfall/AvE (1. Fall) A 50.000 2021 Schaden aus einem anderen Fall A 1 Mio. (2. Fall) Ersatz durch den VR davon noch A 950.000 2022 Schaden aus Störfall 2021 (1. Fall) A 1 Mio. Ersatz durch den VR daraus A 1 Mio.
42 GDV-Erläuterungen 21. 43 So z.B. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 57; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.52; vgl. auch Küpper VP 1993 17, 20, der im Fall von Ziff. 5.3.2 UmweltHM einen Übergang des Kostenrisikos annimmt; wie hier Beckmann/ Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 141; Reemts 204 f.; vgl. auch Wagner VersR 1992 261, 269. 44 Nach Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 193; vgl. auch Beispiel bei Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.70. Koch
1046
G. Eigenschäden (Ziff. 5.6 UmweltHM)
Ziff. 5 UmweltHM
Hier wird der sich aus dem ersten Störfall 2021 im Jahre 2021 entwickelnde Schaden über A 1 Mio. voll ersetzt, weil dem VN für den zweiten Fall des Jahres 2021 bereits die Zahlung um A 50.000 gekürzt wurde. Im Falle einer solchen Anrechnung trifft den VN kein doppelter Selbstbehalt (Aufwen- 29 dungsersatzselbstbehalt gem. Ziff. 5.5 Satz 2 UmweltHM und Selbstbehalt bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Ziff. 7.3 UmweltHM). Er hat nach Ziff. 5.5 Satz 4 UmweltHM nur den höheren der beiden Selbstbehalte zu tragen.
G. Eigenschäden (Ziff. 5.6 UmweltHM) I. Ausschluss von Sanierungsmaßnahmen 1. Inhalt und Zweck Nach Ziff. 5.6 Satz 1 Halbs. 1 UmweltHM sind Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwen- 30 dungen im Sinne der Ziff. 5.1 UmweltHM decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN nicht ersatzfähig. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Ersatz von Eigenschäden in der Haftpflichtversicherung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die vorstehende Beschränkung gilt gem. Ziff. 5.6 Satz 1 Halbs. 2 UmweltHM auch dann, 31 wenn die Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen früher im Eigentum oder Besitz des VN standen. Damit soll verhindert werden, dass ein Eigenschaden durch Veräußerung zu einem Fremdschaden wird. Der VN soll sich nicht durch Grundstücksveräußerung z.B. an ein Tochterunternehmen Versicherungsschutz verschaffen können.45 Im Hinblick auf den erkennbaren Sinn und Zweck der Klausel, Eigenschäden von der Deckung auszunehmen, gilt der Ausschluss nur dann, wenn die Umwelteinwirkungen, aufgrund derer Aufwendungen erforderlich werden, während der Dauer des Eigentums oder Besitzes des VN erfolgt sind.46 Beispiel:47 Durch einen Brand auf dem Betriebsgrundstück des VN entsteht eine giftige Gaswolke, die über einem früher im Besitz des VN befindlichen Grundstück abzuregnen droht. Der VN schützt das fremde Grundstück durch Verlegen von Planen. Die Aufwendungen sind versichert, weil der Eintritt eines Drittschadens droht und die Umwelteinwirkung erst erfolgte, als das Grundstück nicht mehr im Eigentum des VN stand.
Im Hinblick auf die Beschränkung hält dieser Ausschluss einer Inhaltskontrolle stand.48
2. Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN Zu den Betriebseinrichtungen, Grundstücken und Sachen des VN gehören solche in seinem Ei- 32 gentum, aber auch solche in seinem Besitz. Wie die im Klammerzusatz beispielhaft aufgeführten Rechtsverhältnisse deutlich machen, muss der VN Besitzmittler sein. Im Hinblick darauf, dass
45 46 47 48
Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 59; Küpper VP 1993 17, 20; dazu Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.77. GDV-Erläuterungen 23; Späte/Schimikowski/Schneider Ziff. 5 UHV Rn. 30. Nach GDV-Erläuterungen 23. Zweifelnd Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 30.
1047
Koch
Ziff. 5 UmweltHM
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
Ausschlüsse eng auszulegen sind, genügt Eigenbesitz nicht.49 Kein Besitzmittlungsverhältnis (§ 868 BGB) besteht an dem unter der Erdoberfläche befindlichen Erdreich.50 33 Unter dem Begriff der „Betriebseinrichtung“ fallen alle dem Betrieb dienenden Einrichtungen, die sich auf dem Betriebsgrundstück des VN befinden (z.B. Antriebseinrichtungen, Apparaturen, Baugerüste, Bedienungsbühnen, Behälter, Beleuchtungsanlagen, Büchereien, Fahrzeuge soweit nicht zulassungspflichtig, Gleisanlangen, Maschinen, Motore und Werkzeuge).51 Bei dem unter dem Grundstück fließenden Grundwasser handelt es sich um keine Sache (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 19).
3. Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung 34 Vogel beschreibt diese Begriffe wie folgt: „Erhaltung bedeutet Bewahrung, Konservierung, Rettung; Reparatur umfasst das Ausbessern, Beheben, Erneuern, Instandsetzen, in einen intakten, gebrauchsfertigen Zustand Bringen, Überholen; die Erneuerung umfaßt Renovierung, Ersetzung verbrauchter Dinge durch frische, Auffrischung, Modernisierung, Renovierung, Restaurierung, Sanierung, Wiederherstellung; Nachrüstung bedeutet Ergänzung, Vergrößerung, Wiedergewinnung; Sicherung bezieht sich auf Schutzvorrichtung, Sicherstellung (eines gewissen Zustandes); Sanierung schließlich kann als Schaffung gesunder Lebensverhältnisse, Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes (z.B. Boden, Gewässer) oder als Anpassung an neue Anforderungen/Bedürfnisse umschrieben werden“.52 [Hervorhebung durch den Verfasser]
35 Diese Umschreibungen sind der Auslegung von Ziff. 5.6 Satz 1 UmweltHM zugrunde zu legen, da sie Bedeutungswörterbüchern entnommen worden sind und somit dem allgemeinen Sprachverständnis entsprechen.
II. Ausnahme Aufopferungsschäden 36 Deckung – unter Abzug von Wertverbesserungen („neu für alt“) – besteht gem. Ziff. 5.6 Satz 2 UmweltHM, falls Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN, die von einer Umwelteinwirkung nicht betroffen sind, zur Erreichung des Zwecks einer Verhinderung versicherter Schäden aufgeopfert werden müssen (sog. Aufopferungsschäden). Maßgebend ist der nach den Wiederherstellungskosten zu bestimmende Zeitwert.53 Beispiel:54 Die unterirdisch verlegte Ringleitung zur Versorgung von Metallbearbeitungsmaschinen mit Schneidöl ist durch eine Störung des Betriebes undicht geworden, so dass Schneidöl in großen Mengen in das Erdreich gedrungen ist, wodurch ein Drittschaden unvermeidbar einzutreten droht. Zur Abwendung dieses sonst unvermeidbar eintretenden Drittschadens ist es erforderlich, Betriebsanlagen zu demontieren und den nicht kontaminierten Betonboden mit eingebauter Schutzwanne zu zerstören, um an das darunter liegende kontaminierte Erdreich zu gelangen. Zu ersetzen sind in diesem Fall sowohl die Demontagekosten als auch der Wert des zerstörten Betonbodens mit eingebauter Wanne. Nicht ersetzt werden hingegen die Kosten für das Ausheben, Abfahren und Beseitigen des kontaminierten Erdreichs.
49 Prölss/Martin/Voit/Knappmann27 Ziff. 5 UmweltHM Rn. 37; a.A. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 30. 50 OLG Hamm 5.10.2012 – 20 U 55/10, RuS 2013 68, 69; vgl. auch OLG Düsseldorf 26.6.2007 – 4 U 64/06, BeckRS 2010 2790. 51 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1112. 52 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1118. 53 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1123; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 31. 54 Beispiel nach Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 95. Koch
1048
H. Geltung der Auschlusstatbestände
Ziff. 5 UmweltHM
Ziff. 5.6 Satz 2 UmweltHM entspricht sachlich § 90 VVG, der jedoch in der Haftpflichtversiche- 37 rung keine Anwendung findet.55 Zwar knüpft diese Norm nicht an die Unvermeidbarkeit des Eintritt des Schadens an, sondern an den unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall. Der Begriff der Unmittelbarkeit ist jedoch im Sinne von Unvermeidbarkeit zu verstehen (Rn. 12 f.).56 Nicht anwendbar ist § 83 VVG, da diese Vorschrift akzessorisch an die Rettungsobliegenhei- 38 ten gem. Ziff. 25.2 AHB i.V.m. § 82 VVG anknüpft, die jedoch erst mit Eintritt des Versicherungsfalles vom VN zu beachten sind. Ist der Versicherungsfall hingegen bereits eingetreten und opfert der VN eigene Sachen zur Minderung von nach Ziff. 1.2 UmweltHM ersatzfähigen Drittschäden auf, sind die Schäden an den eigenen Sachen zum Zeitwert unter den Voraussetzungen der §§ 82, 83 VVG ersatzfähig.57
H. Geltung der Auschlusstatbestände auf Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles Fraglich ist, ob der Katalog der Ausschlusstatbestände in Ziff. 6 UmweltHM für Aufwendungser- 39 satzansprüche gilt. Ausdrücklich findet sich hierzu weder in Ziff. 5 UmweltHM noch in Ziff. 6 UmweltHM ein entsprechender Hinweis. Zu Recht wird in der Literatur jedoch darauf hingewiesen, dass Ziff. 5.1 UmweltHM den Ersatz von Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines versicherten Schadens abhängig macht.58 Zudem enthält Ziff. 5.5 Satz 3 UmweltHM eine Anrechnungsregel von fehlgeschlagenen Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme. Aufgrund dieser Regelungen wird für den VN deutlich, dass nicht nur die z.B. durch die Verkleckerungen i.S.v. Ziff. 6.1 UmweltHM eingetretenen Versicherungsfälle, sondern auch die zuvor ergriffenen Maßnahmen zur Abwendung eines Verkleckerungsschadens vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind.
55 56 57 58
Bruck/Möller/Koch9 § 90 VVG Rn. 6. Bruck/Möller/Koch9 § 83 VVG Rn. 11. Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 5.96; Bruck/Möller/Koch9 § 83 Rn. 18. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.13; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1134.
1049
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Ziff. 6 Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 6.1 1Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden oder ein Gewässer gelangen. 2Das gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Störung des Betriebes beruhen. 6.2 1Ansprüche wegen Schäden, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen. 2Das gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste 6.3 Ansprüche wegen Schäden, die vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten sind. 6.4 Ansprüche wegen Schäden, für die nach Maßgabe früherer Versicherungsverträge Versicherungsschutz besteht oder hätte beantragt werden können. 6.5 Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits von einer Umwelteinwirkung betroffen waren. 6.6 Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen 6.7 1Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht). 2Ist Versicherungsschutz nach Risikobaustein Ziff. 2.6 vereinbart, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht. 6.8 Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Abfälle nach Auslieferung entstehen. 6.9 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen. 6.10 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen. 6.11 Ansprüche wegen genetischer Schäden. 6.12 Ansprüche – wegen Bergschäden (i.S.d. § 114 BBergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör; – wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S.d. § 114 BBergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen 6.13 Ansprüche wegen Schäden infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens 6.14 Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben. 6.15 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-262
1050
Ziff. 6 UmweltHM
Übersicht
Kraftfahrzeug-Anhängers verursachen. 2Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 4Eine Tätigkeit der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Personen an einem Kraftfahrzeug, Kraftfahrzeug-Anhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch i.S. dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. 5Falls im Rahmen und Umfang dieses Vertrages eine abweichende Regelung getroffen wurde, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht. 6.16 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 2Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 3Nicht versichert ist die Haftpflicht aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen für Luft- oder Raumfahrzeuge, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luftoder Raumfahrzeuge bestimmt waren; – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen, und zwar wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge.
Übersicht 1
A.
Allgemeines
B.
Kleckerschäden (Ziff. 6.1 UmweltHM)
I.
Inhalt und Zweck
II. 1. 2. 3.
Einzelheiten Schäden durch Verschütten und derglei4 chen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen 8 Keine Störung des Betriebs
C.
Normalbetriebsschäden (Ziff. 6.2 UmweltHM)
I.
Inhalt und Zweck
II. 1.
10 Voraussetzungen Betriebsbedingt unvermeidbare Umwelteinwir11 kungen 12 Notwendige Umwelteinwirkungen In Kauf genommene Umwelteinwirkun13 gen
2. 3.
III. 1051
Ausnahme
D.
Schäden vor Vertragsbeginn (Ziff. 6.3 UmweltHM)
I.
Inhalt und Zweck
II.
Weitergehende Vorschadens- und Vorbelas17 tungsausschlüsse
E.
Frühere Versicherungsverträge (Ziff. 6.4 Um18 weltHM)
F.
Erwerb kontaminierter Grundstücke (Ziff. 6.5 20 UmweltHM)
G.
Deponieausschluss (Ziff. 6.6 Um21 weltHM)
H.
Nicht-anlagebezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos (sog. Umweltregressrisiko) 23 (Ziff. 6.7. UmweltHM)
I.
Ausschluss des Abfallrisikos (Ziff. 6.8 Um24 weltHM)
16
2
9
6
14 Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Nicht versicherte Tatbestände
J.
Bewusstes Abweichen von rechtlichen Vor25 schriften (Ziff. 6.9 UmweltHM)
K.
Bewusstes Unterlassen (Ziff. 6.10 Um27 weltHM)
L.
Genetische Schäden (Ziff. 6.11 Um28 weltHM)
M.
Bergschäden (Ziff. 6.12 UmweltHM)
I.
Bergschaden
34
II.
Schäden beim Bergbaubetrieb
N.
Veränderungen der Lagerstätte des Grund35 wassers (Ziff. 6.13 UmweltHM)
O.
Gemeingefahren (Ziff. 6.14 Um38 weltHM)
P.
Benzinklausel (Ziff. 6.15 UmweltHM)
Q.
Luft- und Raumfahrzeugklausel (Ziff. 6.16 40 UmweltHM)
39
30
31
A. Allgemeines 1 Ziff. 6 UmweltHM enthält unter der Überschrift „Nicht versicherte Tatbestände“ zahlreiche Ausschlüsse, die auf die Gefährdungslage in der Umwelthaftpflichtversicherung zugeschnitten sind. Angesprochen sind besonders gefahrträchtige Sachverhalte, die nicht für versicherbar gehalten werden oder erst nach eingehender Prüfung (wie z.B. Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen – siehe Ziff. 6.6 UmweltHM). Nach Ziff. 1.1 UmweltHM richtet sich der Versicherungsschutz nach den AHB und dem UmweltHM. Ebenso wie in Bezug auf das Verhältnis zwischen ProdHM und AHB (Ziff. 6 ProdHM Rn. 5) kommt dem UmweltHM Vorrang vor den AHB zu. Ein Rückgriff auf die Ausschlusstatbestände der Ziff. 7 AHB deshalb nur insoweit zulässig, als die Regelungen des UmweltHM nicht abschließend sind, was aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen VN einer Umwelthaftpflichtversicherung in jedem Einzelfall vor einem Rückgriff auf die AHB zu klären ist.1 Erweiterungen in den AHB, die nicht für die Umwelthaftpflichtversicherung gelten sollen, müssen ausdrücklich ausgeschlossen werden müssen, ansonsten finden sie Anwendung. Im Übrigen gilt auch für die Ausschlusstatbestände gem. Ziff. 6 UmweltHM, dass sie nur bei adäquater Kausalität, bei Bestehen eines Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Ausschluss unter Schutzzweckgesichtspunkten und unabhängig davon eingreifen, ob auch andere Ursachen bei der Schadensentstehung mitgewirkt haben (Grundsatz der Gesamtkausalität)(vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 15 ff.).2
B. Kleckerschäden (Ziff. 6.1 UmweltHM) I. Inhalt und Zweck 2 Ziff. 6.1 Satz 1 UmweltHM schließt Ansprüche wegen Schäden aus, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden oder ein Gewässer gelangen (sog. Kleckerschäden). Abgesehen vom Verschütten ist kennzeichnend für diese Vorgänge, dass es sich um dauernde Umwelteinwirkungen han-
1 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1129; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 1; Späte/Schimikowski/ Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 1; Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 86; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 164. 2 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 161. Koch
1052
B. Kleckerschäden (Ziff. 6.1 UmweltHM)
Ziff. 6 UmweltHM
delt und der Schaden nicht unfallartig eintritt, sondern erst allmählich (s. sogleich auch Rn. 4).3 Beispiel:4 In einem metallverarbeitenden Betrieb werden Metallteile regelmäßig in einem CKW-Bad entfettet und anschließend zum weiteren Bearbeitungsvorgang abtransportiert. Über Jahre hinweg tropften die entfetteten Metallteile auf dem Transportweg ab, so dass sich größere Mengen des abgetropften chlorierten Kohlenwasserstoffes über den Boden im Grundwasser ausbreiteten.
Eine zeitliche Zuordnung kann sich hier als schwierig erweisen, was insbesondere dann zu Problemen führt, wenn während der Umwelteinwirkung mehrere VR – womöglich noch mit unterschiedlich hohen Versicherungssummen – Deckung geboten haben. Darüber hinaus geht es bei diesem Ausschluss darum, die unvorsichtige Handhabung von wassergefährdenden Stoffen aus der Deckung herauszunehmen.5 Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Vorgang auf einer Störung des Betriebs 3 beruht. Betriebsstörungen werden dokumentiert, so dass die Verantwortlichkeit des Geschehens selbst bei länger andauernden Vorgängen möglich ist. Deshalb greift der Ausschluss gem. Ziff. 6.1 Satz 2 UmweltHM in solchen Fällen nicht ein. Eine solche Störung liegt vor, wenn der bestimmungsgemäße Betrieb aufgrund eines unerwarteten, unfallartigen Ereignisses beeinträchtigt wird (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 7). Beispiel:6 Bei einer Flanschverbindung innerhalb einer Rohrleitungsanlage werden bei einer Montage auf fremdem Grundstück Schrauben aus ungeeignetem Werkstoff eingesetzt. Zwei von fünf Schraubenköpfen reißen ab (Betriebsstörung). Die Flanschverbindung wird dadurch undicht und wassergefährdende Flüssigkeit tropft ins Erdreich.
Zu einer Betriebsstörung können auch einmalige Vorgänge führen, wie etwa das Umkippen eines mit wassergefährdenden Stoffen gefüllten Behälters.7
II. Einzelheiten 1. Schäden durch Verschütten und dergleichen Die Begriffe Verschütten, Abtropfen, Ablaufen, Verdampfen, Verdunsten entstammen der All- 4 tags-/Umgangssprache.8 Mit Ausnahme des Verschüttens, das auch feste Stoffe wie z.B. Sand und Erde miteinschließt, beziehen sich alle anderen Begriffe nur auf Flüssigkeiten und deren Aggregatzustände. Soweit Ziff. 6.1 Satz 1 UmweltHM von ähnlichen Vorgängen spricht, sind mit Blick auf den erkennbaren Zweck der Klausel solche Vorgänge gemeint, die durch einen kontinuierlichen, gewissermaßen schleichenden Prozess gekennzeichnet sind, dessen Beginn und Ende zeitlich nicht eindeutig fixierbar sind. Vogel führt hierfür als Beispiel gekörnte Düngemittel auf, welche auf nacktem Erdreich gelagert werden und durch Umsetzungsvorgänge, Feuchtigkeit oder Wassereinfluss über Monate und Jahre hinweg nach und nach ins Grundwas-
3 Vgl. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 97; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 3. 4 Nach Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 97. 5 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1138; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 166; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.26; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 64.
6 Nach GDV-Erläuterungen 25. 7 Vgl. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 110; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.28. 8 Zu diesen Begriff vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 169 ff. 1053
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Nicht versicherte Tatbestände
ser gelangen.9 Für Schimikowski ist die Formulierung „ähnliche Vorgänge“ dagegen intransparent.10 5 Nach dem Wortlaut greift der Ausschluss nur dann ein, wenn die Stoffe in den Boden oder ein Gewässer gelangen. Er findet deshalb keine Anwendung, wenn sich die Ausbreitung auf dem Luftpfad beschränkt. Soweit Stoffe verdampfen oder verdunsten, ist somit erforderlich, dass die Stoffe niederschlagen und so in den Boden oder ein Gewässer gelangen.11
2. Umgang mit wassergefährdenden Stoffen 6 Der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen schließt die Verwendung dieser Stoffe begrifflich mit ein. Der Ausschluss gilt somit auch, soweit die Schäden im Zusammenhang mit der Verwendung wassergefährdender Stoffe eintreten. Ein räumlicher und gegenständlicher Zusammenhang mit einer versicherten Anlage ist nicht erforderlich.12 Nach zweifelhafter Ansicht des OLG Düsseldorf soll die Lagerung wassergefährdender Stoffe nicht zum Umgang zählen.13 Gem. § 62 Abs. 3 WHG sind wassergefährdend i.S.d. WHG „feste, flüssige und gasförmige 7 Stoffe, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen“. Welche Stoffe gegenwärtig als wassergefährdend einzustufen sind, erfolgt nach dem Bewertungsschema der Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe.14,15
3. Keine Störung des Betriebs 8 Da es sich um einen Wiedereinschluss handelt, trifft den VN die Beweislast für das Vorliegen einer Betriebsstörung (zu diesem Begriff s. Ziff. 5 UmweltHM 5 ff.).16
C. Normalbetriebsschäden (Ziff. 6.2 UmweltHM) I. Inhalt und Zweck 9 Bei diesem Ausschluss geht es um das Risiko der Haftung des Anlagenbetreibers aus dem sog. bestimmungsgemäßen Betrieb der versicherten Anlage („Normalbetrieb“). Selbst wenn beim Betrieb einer Anlage die einschlägigen umweltrechtlichen Vorgaben beachtet werden, lassen sich Schadstoffemissionen bei vielen Produktionsvorgängen und Tätigkeiten nur reduzie9 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1148. 10 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 63. 11 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 63; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1145; Schmidt-Salzer/ Schramm Rn. 6.27. 12 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 30. 13 OLG Düsseldorf 26.6.2007 BeckRS 2010 02790; das Urteil ablehnend Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 64. 14 S. Bekanntmachung der bereits durch die oder auf Grund der Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe eingestuften Stoffe, Stoffgruppen und Gemische gemäß § 66 Satz 1 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) i.d.F. 1.8.2017 (BAnz AT vom 10.8.2017 B5): https://www.umwelt-online.de/ recht/wasser/whg/wgk_vwv/wgkk_ges.htm. 15 Weitergehend Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1142: alle Stoffe, welche aufgrund ihrer Eigenschaften in der Lage sind, Boden oder Gewässer in ihrer physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit so zu verändern, dass daraus ein Haftpflichtrisiko und damit ein Kostenrisiko für den VR entstehen kann; dagegen Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 64. 16 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 65. Koch
1054
C. Normalbetriebsschäden (Ziff. 6.2 UmweltHM)
Ziff. 6 UmweltHM
ren, nicht aber völlig vermeiden. Deshalb kann nach Einschätzung des Musterbedingungsgebers Ansprüchen wegen Schäden, „die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen, mit dem klassischen Instrumentarium der Haftpflichtversicherung nicht begegnet werden“.17 Dies gilt nicht nur für den Betrieb von Anlagen, sondern auch im Zusammenhang mit Handlungen i.S.v. Ziff. 2.6 und 2.7 UmweltHM.18
II. Voraussetzungen Der Ausschluss nach Ziff. 6.2 Satz 1 UmweltHM knüpft alternativ an Ansprüche wegen Schäden 10 an, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen.
1. Betriebsbedingt unvermeidbare Umwelteinwirkungen Der Begriff „betriebsbedingt“ stellt auf den Zustand und den Betrieb der konkreten als schaden- 11 ursächlich in Betracht kommenden Anlage im Zeitpunkt der Emission ab. Umwelteinwirkungen sind betriebsbedingt unvermeidbar, wenn diese bei der konkreten Anlage „aufgrund ihres individuellen Betriebszustandes nicht vermieden werden können“.19 Es kommt also nicht darauf an, ob die Anlage im Neuzustand nur unvermeidbare Emissionen verursacht hat. Schlechter Zustand, nachlässige Wartung oder ungenügende Umweltschutzvorkehrungen einer Anlage werden bei der Feststellung, ob die Umwelteinwirkung betriebsbedingt vermeidbar war, voll berücksichtigt.20
2. Notwendige Umwelteinwirkungen Der Begriff „notwendig“ bezieht sich auf Emissionen, die beim Betrieb eines Anlagentyps zwin- 12 gend – weil z.B. konstruktionsbedingt – auftreten.21 In der Regel wird es sich um betriebsbedingte Umwelteinwirkungen handeln. Nach dem Wortlaut des Ausschlusses kommt es darauf jedoch nicht an, weil sich die Betriebsbedingtheit nur auf das nachfolgende Wort „unvermeidbar“ bezieht.22 Vogel nennt als Beispiele für notwendige Umwelteinwirkungen Abluft-, Abgasund Abwasserbehandlungsanlagen.23
3. In Kauf genommene Umwelteinwirkungen In Kauf genommen ist die Umwelteinwirkung, wenn der VN die potentielle Schädlichkeit der 13 emittierten Stoffe kennt, jedoch keine Maßnahmen zur Verhinderung oder Verringerung der
17 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 31; vgl. auch GDV-Erläuterungen 25; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.31; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 66; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 3. 18 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 97 f. 19 Kurth PHI 1992 48, 54. 20 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 98; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 4; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 177, a.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 68 (keine Anwendung auf schlechten Wartungszustand). 21 Vgl. Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.41; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 178. 22 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 67; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1209. 23 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1215. 1055
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Nicht versicherte Tatbestände
Emission ergreift.24 Umstritten ist, ob bedingter Vorsatz, also die billigende Inkaufnahme der Umwelteinwirkung, erforderlich ist25 oder grobe Fahrlässigkeit ausreicht.26 Im Hinblick auf die Grundsätze zur Auslegung von Risikoausschlussklauseln wäre letzterer Ansicht zu folgen, wenn Ziff. 6.2 UmweltHM nach seinem erkennbaren Sinn und Zweck eine Erstreckung auf grobe Fahrlässigkeit erfordert. Daran fehlt es, sodass es bei der engen, bedingten Vorsatz verlangenden Auslegung bleibt.27
III. Ausnahme 14 Gem. Ziff. 6.2 Satz 2 UmweltHM findet Ziff. 6.2 S. 1 UmweltHM keine Anwendung, „wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadensursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste“.
Es handelt sich um einen Wiedereinschluss, sodass der VN die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen dieser sog. Öffnungsklausel trägt. Der VN muss also nachweisen, dass er im Zeitpunkt der Umwelteinwirkungen die später eingetretenen Schäden nicht (ohne grobe Fahrlässigkeit, vgl. § 122 Abs. 2 BGB) kannte.28 Dabei dient der Stand der Technik als Maßstab dafür, ob der VN die eingetretenen Schäden hätte erkennen können.29 Nicht gefordert wird, dass der VN in seinem Betrieb tatsächlich sichergestellt hat, dass seine Anlagen stets dem Stand der Technik entsprechen. Hinsichtlich des Merkmals Stand der Technik kann auf die Ausführungen zur Erprobungsklausel gem. Ziff. 6.2.5 ProdHM verwiesen werden (Ziff. 6 ProdHM Rn. 39 ff.). Für Schäden aus Entwicklungs- und Verborgenheitsrisiken besteht somit Deckung.30 15 Schieber will nicht auf die (Un-)Vorhersehbarkeit im Zeitpunkt der Umwelteinwirkung abstellen, sondern auf den Zeitpunkt der Emission.31 Dies begründet er damit, dass ein emittierter Stoff lange Zeit in einem Umweltmedium verweilen könne, bevor es zu einer Umwelteinwirkung (= Immission) komme. Nach dem Wortlaut von Ziff. 6.2 Satz 2 UmweltHM müsste der VN folglich am Ort der Immission den Stand der Technik beachten, was nicht logisch erscheine, da der Stand der Technik eine Maßnahme zur Begrenzung der Emission beinhalte.32 Ziff. 6.2 Satz 2 UmweltHM sei deshalb so zu verstehen, dass Ort und Zeitpunkt der Emmission für den Stand der Technik maßgebend seien. Diese Argumentation überzeugt. Diese Auslegung lässt sich zwar mit dem Wortlaut von Ziff. 6.2 Satz 2 UmweltHM nur schwerlich in Einklang bringen, entspricht aber dem für den VN erkennbaren Sinn und Zweck der Klausel.33
24 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 99; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1216; Prölss/Martin/ Voit UmwHaftPfl Ziff. 6 Rn. 4. 25 Prölss/Martin/Voit UmwHaftPfl Ziff. 6 Rn. 5. 26 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 179; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1216; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.42. 27 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 5. 28 Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 5. 29 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 99. 30 Vgl. auch Poschen VersR 1993 653, 656 f.; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 6. 31 Schieber VersR 1999 816, 818; ihm folgend Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 7. 32 Schieber VersR 1999 816, 818 (unter Bezugnahme auf Schmidt-Salzer VersR 1992 793, 796 f.). 33 A.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 69 (unter Hinweis auf den Wortlaut). Koch
1056
D. Schäden vor Vertragsbeginn (Ziff. 6.3 UmweltHM)
Ziff. 6 UmweltHM
D. Schäden vor Vertragsbeginn (Ziff. 6.3 UmweltHM) I. Inhalt und Zweck Ziff. 6.3 UmweltHM schließt Ansprüche wegen bei Vertragsbeginn bereits eingetretener Schäden 16 aus und dient der Vermeidung einer zeitlich unbegrenzten Rückwärtsdeckung.34 Keine Deckung besteht deshalb für Schäden, die zwar bereits eingetreten, aber zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns noch nicht festgestellt waren.
Nicht vom Anwendungsbereich des Ausschlusses erfasst sind hingegen bei Vertragsbeginn bereits vorhandene Umwelteinwirkungen, aus denen sich später (während der Wirksamkeit der Versicherung) Schäden entwickeln und festgestellt werden.35
Beispiel:36 Der Anspruchsteller ist längere Zeit schädlichen Perchloräthylendämpfen eines benachbarten Reinigungsbetriebes ausgesetzt gewesen. Er nimmt den Inhaber des Reinigungsbetriebes auf Ersatz aller sich in Zukunft daraus ergebenden Schäden, dass sich Perchloräthylen in seinem Körper eingelagert hat, in Anspruch. Die nachprüfbare erste Feststellung des Personenschadens – hier: der haftungsrechtlich erheblichen Einlagerung von Perchloräthylen im Körper des Anspruchstellers – wurde anlässlich einer ärztlichen Untersuchung während der Vertragslaufzeit der Umwelthaftpflichtversicherung des VN getroffen. Damit besteht gemäß Ziff. 4 UmweltHM grundsätzlich Versicherungsschutz. Der Anspruch ist jedoch von der Versicherung ausgeschlossen, wenn der VR – z.B. durch ein ärztliches Gutachten – darlegen und beweisen kann, dass bereits vor Vertragsbeginn Perchloräthylen im Körper des Anspruchstellers in einem Umfang eingelagert worden war, der eine Rechtsgutsverletzung begründet.
34 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 70. 35 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 102; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 11; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 186; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.73; Poschen VersR 1993 653, 657. 36 Nach Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.72. 1057
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Nicht versicherte Tatbestände
II. Weitergehende Vorschadens- und Vorbelastungsausschlüsse 17 Der Vorschadensausschluss ist wirksam.37 Er verstößt insbesondere nicht gegen §§ 19, 32 VVG bzw. § 307 BGB.38 Zwar knüpft der Ausschluss an das Vorliegen eines Gefahrumstandes (Schadenseintritt) bei Vertragsschluss an. Jedoch könnte der VR durch entsprechende Risikofragen nicht sicherstellen, für bereits eingetretene, jedoch noch nicht festgestellte Schäden nicht eintreten zu müssen. Deshalb hat der VR ein auch für den VN nachvollziehbares Interesse daran, für solche Schäden nicht einzustehen, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten sind.39 Klauselgestaltungen, die abweichend von Ziff. 6.3 UmweltHM auch Ansprüche wegen Schäden durch sich aufbauende Bodenkontaminationen von der Deckung ausnehmen, sind ohne entsprechende deutliche Hinweise und Hervorhebungen im Text als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB zu qualifizieren40 und können u.U. eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen.
E. Frühere Versicherungsverträge (Ziff. 6.4 UmweltHM) 18 Ziff. 6.4 UmweltHM schließt Schäden aus, für die Versicherungsschutz nach Maßgabe früherer Versicherungsverträge besteht, denen eine von Ziff. 4 UmweltHM abweichende Versicherungsfalldefinition zugrunde liegt. Treffend bescheibt Schimikowski die Klausel als Übergangsregelung vom Schadensereignis- zum Feststellungsprinzip.41 Der Ausschluss dient insoweit der Vermeidung von Mehrfachversicherungen.42 Da bei Abschluss neuer Verträge seit etwa 1992 bei Umweltdeckungen in Deutschland nicht mehr das Schadensereignis-, sondern das Feststellungsprinzip gilt, kommt Ziff. 6.4 UmweltHM nur noch geringe praktische Bedeutung zu.43 Indem Ziff. 6.4 UmweltHM auch Schäden ausschließt, für die nach Maßgabe früherer Versi19 cherungsverträge Versicherungsschutz hätte beantragt werden können, soll verhindert werden, dass der VN, der sich in der Vergangenheit nicht um adäquaten Versicherungsschutz bemüht hat, gleich oder gar besser gestellt wird, als der VN, der dies getan hat. Ein VN soll sich also nicht nachträglich durch Abschluss einer auf dem neuen Versicherungsfallbegriff „Schadensfeststellung“ beruhenden Versicherung für zurückliegende Schadensereignisse Versicherungsschutz beschaffen können.44 Nach Ansicht von Schimikowski ist Ziff. 6.4 UmweltHM so auszulegen, dass nur dann der Versicherungsschutz entfällt, wenn es objektiv möglich gewesen wäre, Deckung zu erhalten.45 Das lediglich subjektive Unvermögen des VN beseitigt die Wirkung der Ausschlussbestimmung hingegen nicht.46
37 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 71; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 10; vgl. auch OLG Hamm 5.10.2012 – 20 U 55/10, RuS 2013 68, 69 mit Anm. Schimikowski RuS 2013 70 (zu einer weitergehenden Klausel); Zweifel an der Wirksamkeit: Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1243. 38 Vgl. BGH 26.9.2007 – IV ZR 252/06, NJW-RR 2008 189 Rn. 26 ff, BGH 7.2.1996 – IV ZR 155/95, VersR 1996 486. 39 OLG Hamm 5.10.2012 – 20 U 55/10, RuS 2013 68, 69. 40 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 74. 41 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 72. 42 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 72. 43 Zu einem Altfall in der Gewässerschadenhaftpflichtversicherung s. OLG Celle 21.3.1996 – 8 U 235/94, RuS 1996 173, 174. 44 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 105; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.79; GDV-Erläuterungen 27. 45 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 72; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1243; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 12. 46 HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 32. Koch
1058
G. Deponieausschluss (Ziff. 6.6 UmweltHM)
Ziff. 6 UmweltHM
Beispiel:47 Wegen des schlechten Zustandes der vom VN betriebenen Anlage hat dieser bei keiner der angesprochenen VR Versicherungsschutz erhalten.
F. Erwerb kontaminierter Grundstücke (Ziff. 6.5 UmweltHM) Ausgeschlossen sind gem. Ziff. 6.5 UmweltHM Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus erge- 20 ben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses, d.h. während der Wirksamkeit der Versicherung, Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits von einer Umwelteinwirkung betroffen waren. Da das UmweltHM einerseits dem Prinzip der Einzeldeklaration folgt und anderseits im Rahmen der Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM gem. Ziff. 3 UmweltHM weder die Regeln der Vorsorgeversicherung noch der Risikoerhöhung/-erweiterung zur Anwendung kommen, ist dieser Ausschluss nur für den Bereich des sonstigen Umwelt-Betriebsrisikos gem. Ziff. 2.7 UmweltHM bedeutsam. Wird der VN als Erwerber eines bereits kontaminierten Grundstücks für Schäden, die sich daraus entwickeln, von Dritten oder von der Behörde als Zustandsstörer in Anspruch genommen, besteht wegen Ziff. 6.5 UmweltHM kein Versicherungsschutz.48
G. Deponieausschluss (Ziff. 6.6 UmweltHM) Ziff. 6.6. UmweltHM stellt klar, dass für Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder 21 Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen standardmäßig kein Versicherungsschutz besteht. Hierfür bedarf es besonderer Vereinbarung. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen dürfte, fallen unter den Abfallbegriff „alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.“
Betroffen sind die Betreiber von Deponien, die in § 3 Ziff. 27 KrWG legal definiert werden als „Beseitigungsanlagen zur Ablagerung von Abfällen oberhalb der Erdoberfläche (oberirdische Deponien) oder unterhalb der Erdoberfläche (Untertagedeponien). Zu den Deponien zählen auch betriebsinterne Abfallbeseitigungsanlagen für die Ablagerung von Abfällen, in denen ein Erzeuger von Abfällen die Abfallbeseitigung am Erzeugungsort vornimmt“.
Keine Anwendung findet Ziff. 6.6 UmweltHM auf Müllverbrennungsanlagen, da die Verbrennung von Abfällen der Verwertung dient, z.B. um Energie zu erzeugen.49 Ziff. 6.6 UmweltHM findet keine Anwendung, wenn der VN sich der Abfälle nicht endgültig 22 entledigen, sondern sie nur vorübergehend aufbewahren will, m.a.W. es um die Zwischenlagerung von Abfällen z.B. auf dem Betriebsgrundstück mit dem Ziel späterer Verwertung geht.50 Nach Matusche-Beckmann ist zur Abgrenzung zwischen der Endablagerung und der Zwischenlagerung neben den Besonderheiten der konkreten Lagerfläche, den baulichen und technischen
47 Nach HUK-Erläuterungen zum UmweltHM, abgedruckt in Beilage zu VW 24 (1993) 32. 48 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 106; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.83; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 13; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 18.
49 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 75; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 127. 50 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 14; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 18; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 75; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 125. 1059
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Nicht versicherte Tatbestände
Einrichtungen sowie etwaigen Genehmigungen vor allem der Wille des VN heranzuziehen.51 Dieser Ansatz verdient grundsätzlich Zustimmung. Wie auch sonst bei inneren Tatsachen, finden die Grundsätze der sekundären Darlegungslast Anwendung, wenn die äußeren Umstände hinreichende Anhaltspunkte dafür geben, dass die Ablagerung für mehr als einen nur kurzfristigen Zeitraum beabsichtigt war.52
H. Nicht-anlagebezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos (sog. Umweltregressrisiko) (Ziff. 6.7. UmweltHM) 23 Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten herbeigeführt werden, sind nach Ziff. 6.7 Satz 1 UmweltHM ausgeschlossen. Hierdurch wird der Versicherungsschutz für das nicht anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko nicht nachteilig berührt, da für diese Ansprüche Deckung durch die Betriebshaftpflichtversicherung besteht, wie sich aus Ziff. 7.10 lit. b) AHB ergibt (vgl. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 343) und diese Erweiterung auch für die Umwelthaftpflichtversicherung gilt (vgl. Rn. 1). Ist das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (Regressrisiko) nach Maßgabe des Risikobausteins Ziff. 2.6 UmweltHM betroffen, besteht Versicherungsschutz ausschließlich durch diesen Baustein. Klarstellend weist Ziff. 6.7 Satz 2 UmweltHM darauf hin, dass der Ausschluss nach Ziff. 6.7 Satz 1 UmweltHM in diesem Fall nicht gilt.
I. Ausschluss des Abfallrisikos (Ziff. 6.8 UmweltHM) 24 Ziff. 6.8 UmweltHM schließt Ansprüche wegen Schäden aus, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Abfälle nach Auslieferung entstehen. Für diese Ansprüche besteht Deckung im Rahmen einer Betriebshaftpflichtversicherung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 343), wie sich aus Ziff. 7.10 lit. b) AHB ergibt. Insoweit gilt das zuvor Gesagte. Hinsichtlich der Bestimmung des Begriffs Abfall ist wiederum an § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG anzuknüpfen.53
J. Bewusstes Abweichen von rechtlichen Vorschriften (Ziff. 6.9 UmweltHM) 25 Ziff. 6.9 UmweltHM schließt Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten) aus, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst abweichen von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen. Eine beispielhafte Übersicht der i.S.d. Ziff. 6.9 UmweltHM relevanten Verordnungen gibt Vogel.54 Abgesehen davon, dass es sich um Verstöße gegen umweltschutzbezogene Regelungen handeln muss (s. hierzu Ziff. 2 UmweltHM Rn. 36 ff.), ist der Ausschluss sachlich identisch mit Ziff. 6.2.4 ProdHM, weshalb grundsätzlich auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 6 ProdHM 2008/2015 Rn. 11 ff.). 26 Zu beachten ist, dass der VR darlegungs- und beweispflichtig für die subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist.55 Steht eine bewusste (wissentliche) Pflichtverlet51 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 191; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.73; Poschen VersR 1993 653, 657. Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 20; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 75. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 16. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1301. BGH 17.12.2014 – IV ZR 19/13, RuS 2015 133 Rn. 16 m.w.N.
52 53 54 55
Koch
1060
L. Genetische Schäden (Ziff. 6.11 UmweltHM)
Ziff. 6 UmweltHM
zung im Raum, hat der VR Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine bewusste Pflichtverletzung betrachtet werden können. Sache des VN ist es dann, im Rahmen der sekundären Darlegungslast Umstände vorzutragen, die für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sprechen bzw. Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine bewusst begangene Pflichtverletzung nicht zulassen.56 Der Vortrag zusätzlicher Indizien ist nur dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann.57 Die Kenntnis der Vorschriften der GefStoffV zählt nicht zu den elementaren beruflichen Pflichten eines Hausmeisters – außer im Ausnahmefall, wie z.B. bei der beruflichen Betreuung von Chemie- oder Raffinerieanwesen.58
K. Bewusstes Unterlassen (Ziff. 6.10 UmweltHM) Ziff. 6.10 UmweltHM erweitert den subjektiven Risikoausschluss nach Ziff. 6.9 UmweltHM auf 27 die Fälle, in denen der VN oder mitversicherte Personen es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen, oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen. Voraussetzung für diesen Ausschluss ist somit, dass der VN oder die mitversicherte Person positive Kenntnis von den Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen, die vom Hersteller gegeben oder nach dem Stand der Technik einzuhalten sind, und der Notwendigkeit der Reparatur hat.59 Den Eintritt des Schadens selbst braucht sich der Handelnde hingegen nicht vorgestellt zu haben. Nach dem Wortlaut der Klausel müssen die vom Hersteller gegebenen Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen nicht in schriftlicher Form fixiert sein.60
L. Genetische Schäden (Ziff. 6.11 UmweltHM) Nach Ziff. 6.11 UmweltHM sind Ansprüche wegen genetischer Schäden ausgeschlossen. Was da- 28 runter zu verstehen ist, ist weder im UmweltHM noch im Gesetz definiert. In § 3 Ziff. 14 GefStoffV wird die Formulierung als Beispiel für „erbgutverändernd (mutagen)“ gebraucht. In diesem Sinne, der auch dem allgemeinen Sprachgebrauch und -verständnis entsprechen dürfte, versteht Schramm genetische Schäden als solche, „die in einer pathologischen Veränderung des Erbgutes bestehen oder auf einer solchen beruhen“.61 Zu beachten ist, dass der Schaden durch Umwelteinwirkung entstanden sein muss, was bei gezieltem Eingriff in das Erbgut oder unmittelbarer Einwirkung genetisch veränderter Organismen (z.B. Schädigung der Erbsubstanz eines Menschen nach Genuss gentechnisch veränderter Tomaten) zu verneinen sein dürfte.62
56 Vgl. nur BGH 17.12.2014 – IV ZR 90/13, VersR 2015 181 Rn. 21; OLG Köln 16.11.2021 – 9 U 253/20, NZI 2022 498, 500, jew. m.w.N. 57 BGH 17.12.2014 – IV ZR 19/13, RuS 2015 133 Rn. 21 m.w.N. 58 OLG Karlsruhe 11.10.2019 – 12 W 10/19, RuS 2019 701, 704 mit Anm. Schimikowski. 59 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 197. 60 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.109; a.A. Küpper VP 1993 17, 21; offengelassen Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1313; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 197. 61 Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 6.112, vgl. auch Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1321; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 83; nach Ansicht von Looschelders/Pohlmann/Laschet Anhang F Rn. 70 wirft die Formulierung AGB-rechtliche Bedenken auf, weil es an einer gesetzlichen Definition fehle. 62 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1324; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 83. 1061
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
29
Nicht versicherte Tatbestände
Im Übrigen ist der Ausschluss nicht auf Menschen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Sachen (Tiere und Pflanzen).63 Erfasst werden nicht nur Schäden durch eine gentechnische Anlage, sondern auch entsprechende Schäden durch Handlungen.64
M. Bergschäden (Ziff. 6.12 UmweltHM) 30 Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche wegen Bergschäden (i.S.d. § 114 BBergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör, und wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S.d. § 114 BBergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen. Im Hinblick auf die ausdrückliche Bezugnahme auf § 114 BBergG gibt für die Auslegung der Begriffe „Bergschaden“ und „Bergbaubetrieb“ nicht das Verständnis des durchschnittlichen VN einer Umwelthaftpflichtversicherung das Maß, sondern die für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.65 Im gewerblichen und industriellen Bereich hat die Bergschadenklausel bislang wenig Relevanz, weil davon fast ausschließlich Bergbaubetriebe betroffen sind. Der Kreis der betroffenen Unternehmen wird sich jedoch erweitern, da die Bergschadenshaftung auch für die unkonventionelle Gasgewinnung („Fracking“, vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 WHG) gilt.66
I. Bergschaden 31 Ein Bergschaden i.S.d. § 114 BBergG liegt vor, sofern ein Personen- oder Sachschaden eintritt infolge des Aufsuchens, Gewinnens und Aufbereitens von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen einschl. des Verladens, Beförderns, Abladens, Lagerns und Ablagerns von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG) sowie der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche während und nach der Aufsuchung (§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 BBergG) oder durch Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen, die überwiegend einer der o.g. Tätigkeiten dienen oder zu dienen bestimmt sind (Bergbaubetrieb)(§ 2 Abs. 1 Ziff. 3 BBergG).67 Keine Anwendung findet die Bergschadenshaftung auf geothermische Bohrungen zum 32 Zwecke der Nutzung der Erdwärme für die Beheizung von Gebäuden. Erdwärme ist zwar Bodenschatz i.S.d. BBergG (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b) BBergG). Gleichwohl gilt die Bergschadenshaftung nicht für Erdwärme zum Heizen von Gebäuden, weil es sich dabei nicht um einen Gewinnungsvorgang im Sinne des Gesetzes handelt – das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen in einem Grundstück aus Anlaß oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung ist keine Gewinnung (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG) – und weil die Nutzung von Erdwärme auch von der Legaldefinition der Aufbereitung ausgenommen ist (§ 4 Abs. 3 63 Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 29; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 19; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 83.
64 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 114. 65 Vgl. BGH 10.3.2003 – VIII ZR 135/02, NJW 2003 2607, 2608; s.a. BGH 23.11.2006 – X ZR 16/05, NJW-RR 2007 1124, 1125; BGH 2.11.2011 – X ZR 43/11, NJW 2012 997, 999; Schimikowski RuS 2017 113 115; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 6 Rn. 30. 66 BeckOGK/Neupert BBergG § 114 Rn. 14.1; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 143. Fracking wird in BeckOK-UmweltR/Giesberts/Kastelec § 13a WHG Rn. 2 wie folgt beschrieben: „Beim ‚Fracking‘ werden Gesteinsschichten unter hohem hydraulischen Druck aufgebrochen, zumeist um Erdgas oder Erdöl zu fördern. Bei dem Verfahren wird eine sog. ‚Fracking-Flüssigkeit‘ (auch ‚Frac-Fluid‘ genannt), bestehend aus etwa 94,5 % Wasser, 5 % Sand und 0,5 % Chemikalien, unter hohem Druck durch mitunter mehrere tausend Meter tiefe Bohrlöcher (‚Bohrungen‘) in den Boden gepresst. Durch den Druck entstehen in den tiefliegenden Gesteinsschichten Risse; das Gestein wird sozusagen ‚aufgebrochen‘. Durch die Risse werden die im Gestein gebundenen fossilen Rohstoffe freigesetzt, die sodann zu der Bohrung fließen, wo sie gefördert werden können.“. 67 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1331. Koch
1062
N. Veränderungen der Grundwasserlagerstätte
Ziff. 6 UmweltHM
Satz 2 BBerGG).68 Ist die Versorgung auf Gebäude eines Grundstücks beschränkt, findet Bergschadenshaftung somit keine Anwendung.69 Der Ausschluss ist gem. Ziff. 6.12, 1. Spiegelstrich UmweltHM beschränkt auf die Beschädi- 33 gung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör. Personenschäden und sonstige Sachschäden fallen nicht unter den Ausschluss. Der Ausschluss ist somit nicht kongruent mit der Haftung für Bergschäden gemäß §§ 114 ff. BBergG.70 Schäden an Wegen werden von der Ausschlussregelung erfasst, da sie realer Flächenteil eines Grundstücks sind. Demgegenüber sind z.B. Stromkabel weder Grundstück noch Bestandteil eines solchen. Es handelt sich vielmehr um sogenannte „Scheinbestandteile“ i.S.v. § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB.71 Ein Kabel ist auch kein Zubehör des Grundstücks, da es weder dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks zu dienen bestimmt ist, noch vom Verkehr als Zubehör angesehen wird.72
II. Schäden beim Bergbaubetrieb Ziff. 6.12, 2. Spiegelstrich UmweltHM beschränkt den Ausschluss für Schäden beim Bergbaube- 34 trieb auf bestimmte Schadensursachen, nämlich schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen. Unter dem Begriff „schlagende Wetter“ beim Bergbaubetrieb sind nicht Niederschläge zu verstehen. Mit diesem Begriff wird vielmehr im Kohlebergbau wie auch im Salz- und Erzbergbau unter Tage austretendes Grubengas (Methangas) bezeichnet, welches, mit Luft gemischt, explosiv reagiert (Schlagwetterexplosion).73
N. Veränderungen der Lagerstätte des Grundwassers (Ziff. 6.13 UmweltHM) Des Weiteren sind ausgeschlossen Ansprüche wegen Schäden infolge der Veränderung der La- 35 gerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens. Grundwasser ist nach der Definition von § 3 Ziff. 3 WHG „das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht“.74 Dabei kommt es auf die Tiefe und Herkunft des unterirdischen Wassers ebenso wenig an wie darauf, ob das Vorkommen fließt, in Hohlräumen gestaut oder kapilar gebunden ist.75 In der Sättigungszone sind alle Hohlräume in Poren-, Kluft- und Karstgrundwasser zu 100 % mit Wasser ausgefüllt.76 Von dem Ausschluss betroffen ist insbesondere der Risikobaustein gem. Ziff. 2.7 UmweltHM 36 (ggf. auch Ziff. 2.4 UmweltHM). Er erlangt vor allem im Zusammenhang mit Baumaßnahmen Bedeutung, so z.B. wenn es zu Rissbildungen in Gebäuden infolge der Abwendung oder Umleitung von Grundwasser kommt.77 Des Weiteren ist der Ausschluss von Bedeutung bei Geothermiebohrungen und beim „Fracking“. Infolge von Bohrungen kann es zu Senkungen des Erdreichs durch abfließendes Grundwasser, was zu Kraterbildung führen kann, sowie Hebungen des Erdreichs durch Eindringen von Grundwasser in Erdschichten, die aufquellen (sog. Gipskeu-
68 BeckOGK/Neupert BBergG § 114 Rn. 14.2; Schimikowski RuS 2017 113 116. 69 Schimikowski RuS 2017 113 116; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 138, vgl. auch Boldt/Weller/Kühne/v. Mäßenhausen/v. Hammerstein BBergG 2. Aufl. (2015) § 3 Rn. 51 f. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 114. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 150 = VersR 2009 350. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 150 = VersR 2009 350. OLG Köln 24.6.2008 – 9 U 112/07, RuS 2009 149, 150 = VersR 2009 350. Vgl. auch OVG Münster 27.7.2010 – 9 A 2967/08, NJOZ 2010 2723, 2724. Landmann/Rohmer/Faßbender § 3 WHG Rn. 45; BeckOK/Guckelberger § 3 WHG Rn. 11. Landmann/Rohmer/Faßbender § 3 WHG Rn. 47. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 114M Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 85.
70 71 72 73 74 75 76 77
1063
Koch
Ziff. 6 UmweltHM
Nicht versicherte Tatbestände
perquellen), kommen, die zu beträchtlichen Schäden an Häusern führen können.78 Eine Veränderung des Fließverhaltens liegt somit vor. 37 Nicht unter den Ausschluss fällt die Verunreinigung des Grundwassers.79 Da es sich bei dem unter dem Grundstück fließenden Grundwasser um keine Sache handelt (Ziff. 1 AHB 2016 Rn. 19), ist eine Verunreinigung nur unter den Voraussetzungen des Ziff. 1.2 Satz 1 UmweltHM versichert.
O. Gemeingefahren (Ziff. 6.14 UmweltHM) 38 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen (vgl. A1-17 AVB Cyber Rn. 5 ff.); das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben. Die Formulierung dieses Ausschlusses stimmt wortgenau mit Ziff. 7.4.1.1 BBR BHV überein, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 2). Hier wie dort kommt dem Ausschluss in erster Linie Bedeutung für die Anspruchsabwehr zu, die der VR nicht zu erbringen hat. Zwar ist die Haftung wegen Schäden infolge Umwelteinwirkungen überwiegend verschuldensunabhängig ausgestaltet. Keine Haftung besteht jedoch für den Fall, dass Stoffe aus der Anlage durch höhere Gewalt in das Gewässer gelangt sind und der Schaden somit auf höhere Gewalt zurückzuführen ist (vgl. § 89 Abs. 2 Satz 3 WHG, § 4 UmweltHG, § 1 Abs. 2 HPflG).
P. Benzinklausel (Ziff. 6.15 UmweltHM) 39 Die Benzinklausel ist der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 7.4.3 BBR BHV) entnommen und bezweckt vor allem die Abgrenzung zur Kfz-Haftpflichtversicherung. Auf die dortige Kommentierung (auch zum Ausschluss von Schäden durch den Gebrauch, das Halten oder Besitzen eines Wasserfahrzeugs) wird verwiesen (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 16 ff.). Die Klausel erfasst somit auch Ansprüche wegen Schäden durch den Gebrauch von nicht zulassungs- und nicht versicherungspflichtigen Kfz aller Art einschließlich selbstfahrender Arbeitsmaschinen und AnhängerArbeitsmaschinen. Nach Ziff. 6.15 Satz 5 UmweltHM gilt dieser Ausschluss nicht, wenn abweichende Regelung getroffen wurde. So liegt der Fall, wenn der Gebrauch nicht versicherungspflichtiger Kfz gem. Ziff. 1.4 UmweltHM versichert sein soll.
Q. Luft- und Raumfahrzeugklausel (Ziff. 6.16 UmweltHM) 40 Die Luft- und Raumfahrzeugklausel ist ebenfalls der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 7.4.4 BBR BHV) entnommen. Auf die dortige Kommentierung (auch zum Ausschluss von Schäden durch den Gebrauch, das Halten oder Besitzen eines Wasserfahrzeugs) wird verwiesen (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 26 ff.)
78 Schimikowski RuS 2017 113 (unter Hinweis auf Badische Zeitung v. 10.5.2016 „Hebungen und Risse im Elsass – Folgen von Geothermieprojekten“ und v. 14.11.2016 – „Bei Geothermie-Schäden fehlen die Zuständigkeiten“ sowie Stuttgarter Zeitung v. 16.11.2016 – „Bohrungsopfer fühlen sich im Stich gelassen“). 79 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 114. Koch
1064
Ziff. 7 UmweltHM
Ziff. 7 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/ Selbstbehalt 1 Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall pauschal für Personen-, Sach- sowie gem. Ziff. 1.2 mitversicherte Vermögensschäden E …… (bei Personenschäden für die einzelne Person jedoch nicht mehr als E ……). 2Diese Versicherungssumme bildet auch die Höchstersatzleistung des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres. 7.2 1Für den Umfang der Leistung des VR bildet die angegebene Versicherungssumme die Höchstgrenze bei jedem Versicherungsfall. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. 3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Umwelteinwirkung – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Umwelteinwirkungen – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhende Umwelteinwirkungen, wenn zwischen gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher, Zusammenhang besteht gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt. 4 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen. 7.3 Der VN hat bei jedem Versicherungsfall von der Schadensersatzleistung E …… selbst zu tragen.
7.1
Übersicht A.
Versicherungssumme/Maximierung (Ziff. 7.1, 1 7.2 S. 1 u. 2 UmweltHM)
III.
Auf den gleichen Ursachen beruhende Umwelt5 einwirkungen
B.
Serienschadenklausel (Ziff. 7.2 Satz 3 Um2 weltHM)
IV.
Kontraktionswirkung
C.
Selbstbehalt (Ziff. 7.3 UmweltHM)
I.
Dieselbe Umwelteinwirkung
D.
Darlegungs- und Beweispflicht
II.
Mehrere unmittelbar auf derselben Ursache be4 ruhende Umwelteinwirkungen
7 10
3 11
A. Versicherungssumme/Maximierung (Ziff. 7.1, 7.2 S. 1 u. 2 UmweltHM) Ziff. 7.1, 7.2 Satz 1 und 2 UmweltHM regeln den Umfang der Leistung des VR. Nach Ziff. 7.1 Satz 1 1 UmweltHM ist eine pauschale Versicherungssumme für Personen- und Sachschäden sowie mitversicherte Vermögensschäden vorgesehen. Bei Personenschäden erfolgt eine Begrenzung der für die einzelne Person zur Verfügung stehenden Versicherungssumme. Die je Versicherungsfall vereinbarte Versicherungssumme ist zugleich die Höchstersatzleistung je Versicherungsfall und für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres, d.h. sie ist standardmäßig einfach p.a. maximiert. Dies gilt nach Ziff. 7.2 Satz 2 UmweltHM auch dann, wenn sich der Vertrag auf mehrere VN/Mitversicherte bezieht. Diese Klausel entspricht Ziff. 6.1 Satz 2 AHB. Eine Anrechnung der Kosten auf die Versicherungssumme ist nicht vorgesehen (vgl. Ziff. 6.5 AHB).1 1 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 90; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1383. 1065 https://doi.org/10.1515/9783110522686-263
Koch
Ziff. 7 UmweltHM
Versicherungssumme/Serienschaden/Selbstbehalt
B. Serienschadenklausel (Ziff. 7.2 Satz 3 UmweltHM) 2 Ziff. 7.2 Satz 3 UmweltHM enthält eine auf die von Ziff. 1.1 AHB abweichende Versicherungsfalldefinition in Ziff. 4 UmweltHM zugeschnittene Serienschadensregelung, die anknüpft an dieselbe Umwelteinwirkung, unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Umwelteinwirkungen und auf Umwelteinwirkungen, die unmittelbar auf gleichen Ursachen beruhen. Ziff. 6.3 AHB ist deshalb ausdrücklich abbedungen (Ziff. 7.2 Satz 4 UmweltHM).
I. Dieselbe Umwelteinwirkung 3 Der Begriff „dieselbe Umwelteinwirkung“ in der ersten Alternative lehnt sich an § 15 UmweltHG an, der die Haftungshöchstgrenzen für eine „einheitliche Umwelteinwirkung“ bestimmt.2 Nach der Kommentarliteratur zu § 15 UmweltHG muss es sich um eine „zeitlich und räumlich eingegrenzte Ausbreitung bestimmter Stoffe oder ähnlicher Erscheinungen im Boden, im Wasser oder in der Luft handeln“.3 Beispiel:4 In einem Betrieb kommt es zur Explosion eines Zellulosetanks. Die durch die Explosion ausgelöste Druckwelle beschädigt in einem Umkreis von mehreren hundert Metern Fensterscheiben, andere Gebäudeteile und Fahrzeuge. Außerdem erleiden Passanten und Bewohner der umliegenden Häuser Personenschäden. Durch freigesetzte schädliche Substanzen werden in den Folgejahren verstärkt vorher nicht beobachtete Krankheitsbilder deutlich. Alle Schäden beruhen auf ein und demselben Umweltmedium (Luft).
II. Mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Umwelteinwirkungen 4 Im Falle der Einwirkung auf unterschiedliche Medien liegt ein Serienschaden i.S.d. zweiten Alternative vor, wenn die Umwelteinwirkungen unmittelbar auf derselben Ursache beruhen. Es darf keine andere Ursache an dem Vorgang beteiligt gewesen sein.5 In den ersten beiden Serienschadenalternativen ist die Ursache deshalb stets identisch.6 Dabei bezieht sich die Unmittelbarkeit nur auf die Umwelteinwirkungen. Die Schäden müssen nicht unmittelbar aufgrund der Umwelteinwirkung eingetreten sein.7 Beispiel:8 Beim Brand eines Tanklagers laufen gewässerschädliche Stoffe aus, die zu einer Umwelteinwirkung über das Medium Wasser führen, und es kommt zu Schäden durch Rußeinwirkung an Nachbargebäuden über das Medium Luft.
III. Auf den gleichen Ursachen beruhende Umwelteinwirkungen 5 Die dritte Alternative ist einschlägig, wenn die Versicherungsfälle durch mehrere Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhen. Bei die2 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 212. 3 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 120; Landmann/Rohmer/Rehbinder § 15 UmweltHG Rn. 4; Landsberg/Lülling § 15 UmweltHG Rn. 7; Staudinger/Kohler (2017) § 15 UmweltHG Rn. 6.
4 Nach Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 119. 5 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 213; Küpper VP 1992 1, 8; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 7.14.
6 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 90; Küpper VP 1992 1, 8. 7 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 213. 8 Nach Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 120. Koch
1066
C. Selbstbehalt (Ziff. 7.3 UmweltHM)
Ziff. 7 UmweltHM
ser Variante bedarf es keiner Ursachenidentität, sondern nur einer Gleichartigkeit der Ursachen.9 Wie bei der erweiterten Ursachenklausel nach Ziff. 6.3, 2. Spiegelstrich AHB ist zusätzliche 6 Voraussetzung für eine Kontraktion dieser mehreren Versicherungsfälle zu einem einzigen Versicherungsfall, dass zwischen den gleichen Ursachen ein innerer – insbesondere sachlicher und zeitlicher – Zusammenhang besteht.10 Insoweit kann auf die dortige Kommentierung und die gegen die Transparenz dieses Erfordernisses geäußerten Bedenken verwiesen werden (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 18 ff.). Beispiel:11 Ein vom VN hergestelltes Filtersystem für Heizkraftwerke fällt infolge eines Herstellungsfehlers bei mehreren Abnehmern aus und verursacht dadurch jeweils Umwelteinwirkungen, die zu Schäden führen.
IV. Kontraktionswirkung Serienschäden der vorbeschriebenen Art gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als 7 ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt, sofern der erste und alle folgenden Teilschäden während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind. Diese Fiktion des Zeitpunkts entspricht Ziff. 8.3 ProdHM. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich für den vollständigen Versicherungsumfang, insbesondere hinsichtlich Versicherungssumme, Selbstbehalt, Deckungserweiterungen und Ausschlüssen.12 Für Schäden, die erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses festgestellt werden, be- 8 steht somit kein Versicherungsschutz, auch wenn sie Teil einer auf derselben Umwelteinwirkung beruhenden Serie von Schäden sind. Insoweit kann es sich auch hier für den VN als problematisch erweisen, wenn der VR nach der Regulierung des ersten Teilschadens nach Ziff. 19 AHB kündigt. Abgemildert werden die nachteiligen Folgen einer Schadensfallkündigung durch die Nachhaftungsregelung gem. Ziff. 8 UmweltHM (s. hierzu sogleich die Kommentierung zu Ziff. 8 UmweltHM). Die Versicherungswirtschaft bietet darüber hinaus auch hier die für die Betriebshaftpflichtversicherung (Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 11) konzipierte Alternativklausel an, nach der die in die Nachhaftungszeit fallenden Versicherungsfälle dem Versicherungsjahr zugeordnet werden, dem auch die in der Vertragslaufzeit eingetretenen Schäden der Serie zugeordnet werden (Zeitpunkt des ersten Schadens der Serie).13 Des Weiteren ist zu beachten, dass die Serienschadenklausel den Eintritt eines Versiche- 9 rungsfalles zur Voraussetzung hat. Für Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles (Ziff. 5 UmweltHM) gilt sie deshalb nicht.14
C. Selbstbehalt (Ziff. 7.3 UmweltHM) Ziff. 7.3 UmweltHM sieht einen Selbstbehalt (Abzugsfranchise) vor, dessen Höhe zu vereinbaren 10 ist. Für Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles bestimmt sich der Selbstbehalt nach Ziff. 5.5 UmweltHM. Soweit Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet werden, hat der VN nach Ziff. 5.5 Satz 4 UmweltHM nur den höheren zu tragen (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 29).
9 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 120. 10 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 92. 11 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 121. 12 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 121. 13 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/WittenbergBrall/Breitkopf-Knickmeyer/Zölch/Wittenberg/Brall 135. 14 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1392. 1067
Koch
Ziff. 7 UmweltHM
Versicherungssumme/Serienschaden/Selbstbehalt
D. Darlegungs- und Beweispflicht 11 Die Beweislast für das Vorliegen des Serienschadens trägt derjenige, der sich auf die Serienschadenklausel beruft. Werden gegen den VN Schadensersatzansprüche aus Versicherungsfällen geltend gemacht, die in verschiedenen Versicherungsjahren eingetreten sind und deren Gesamthöhe die Jahresversicherungssumme überschreitet, trägt der VR die Darlegungs- und Beweislast für einen Serienschaden.15 Dagegen ist der VN darlegungs- und beweispflichtig für einen Serienschaden, wenn der Selbstbehalt nur einmal abgezogen werden soll.
15 Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 7 Ziff. 7 Rn. 6; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 7 Rn. 7; Brall/BreitkopfKnickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 121; Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1401. Koch
1068
Ziff. 8 UmweltHM
Ziff. 8 Nachhaftung 8.1 Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.2 mitversicherte Vermögensschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: – Der Versicherungsschutz gilt für die Dauer von 3 Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – Der Versicherungsschutz besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Rahmen des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfanges, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 8.2 Die Regelung der Ziff. 8.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Beendigung des Versicherungsverhältnisses (Ziff. 8.1 UmweltHM)
I.
Feststellung eines während der Wirksamkeit des 3 Vertrages eingetretenen Schadens
II.
Gründe für die Vertragsbeendigung
III.
Begrenzung der Nachhaftungsdeckung
9
IV.
Serienschäden
V.
Versichererwechsel
C.
Teilweiser Wegfall eines versicherten Risikos 12 (Ziff. 8.2 UmweltHM)
D.
Darlegungs- und Beweislast
E.
Herbeiführung des Versicherungsfalles 14 durch den VN
11
13
4 7
A. Inhalt und Zweck Nach Ziff. 4 UmweltHM muss der Versicherungsfall, die nachprüfbare erste Feststellung des 1 Schadens, während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. Diese Definition des Versicherungsfalles hat zur Folge, dass für während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene, aber noch nicht festgestellte Schäden, kein Versicherungsschutz besteht. Um die daraus resultierende Deckungslücke zu schließen (zwischen dem Eintritt und der Feststellung des Schadens kann oftmals einige Zeit vergehen), sieht Ziff. 8 UmweltHM eine dreijährige Nachhaftung für während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene Schäden vor, die innerhalb dieser Frist festgestellt werden. Diese Nachhaftung gilt unabhängig davon, wie lange der Vertrag bestanden hat. In der zeitlichen Beschränkung liegt keine unangemessene Benachteiligung des VN i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB,1 insbesondere auch keine Vertragszweckgefährdung, soweit sich der durchschnittliche Zeitraum zwischen Schaden und Feststellung innerhalb der dreijährigen Nachhaftung bewegt.
1 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 95. 1069 https://doi.org/10.1515/9783110522686-264
Koch
Ziff. 8 UmweltHM
2
Nachhaftung
Die Nachhaftungsdeckung unterscheidet zwischen einer Beendigung des Versicherungsverhältnisses (Ziff. 8.1 UmweltHM) und dem Wegfall eines (einzelnen) Risikos (Ziff. 8.2 UmweltHM).
B. Beendigung des Versicherungsverhältnisses (Ziff. 8.1 UmweltHM) I. Feststellung eines während der Wirksamkeit des Vertrages eingetretenen Schadens 3 Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Nachhaftungsversicherung sind, dass der Schaden während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten ist und innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses nachprüfbar erstmals festgestellt wird. Erst während der Nachhaftungszeit eingetretene Schäden sind vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Entgegen Schimikowski handelt es sich bei dieser Beschränkung nicht um eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB,2 da der VN angesichts der Versicherungsfalldefinition davon ausgehen muss, unabhängig vom Schadenseintritt überhaupt keinen Versicherungsschutz für nach Vertragsende festgestellte Schäden zu erhalten.
II. Gründe für die Vertragsbeendigung 4 Die Beendigung des Versicherungsverhältnisses meint die Beendigung des Versicherungsvertrages. Als Gründe für die Beendigung des Vertrages werden der vollständige oder dauernde Wegfall des versicherten Risikos und die (außer-)ordentliche Kündigung seitens des VR oder des VN genannt (z.B. Ziff. 10.4, 16.2, 18, 19, 26.1 AHB). Keine Nachhaftung besteht somit, wenn der VR den Vertrag durch Rücktritt (Ziff. 23.2 AHB) oder Anfechtung (§ 22 VVG i.V.m. § 123 BGB) beendet hat3 oder sich der VN durch Widerruf (§ 8 VVG) vom Vertrag löst. Letzteres gilt auch dann, wenn der Widerruf erst nach längerer Zeit erfolgt, weil der der VR seine Informationspflichten (§§ 7, 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VVG) nicht erfüllt hat. Allein der Umstand, dass bei einer solchen Konstellation der Anlass für die Vertragsbeendigung aus der Sphäre des VR kommt und deshalb die Rechtsfolgen des Widerrufs durch § 9 VVG an diejenigen einer Kündigung angenähert sind, rechtfertigt entgegen Schimikowski4 angesichts des Wortlauts von Ziff. 8.1 UmweltHM keine andere Bewertung und benachteiligt den VN nicht unangemessen i.S.v § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. 5 Von einem vollständigen Risikowegfall wird in der Literatur gesprochen, wenn das Risiko überhaupt nicht mehr vorhanden ist (z.B. Demontage einer Tankanlage, Abbau einer Produktionsanlage, Betriebsaufgabe, Veräußerung des Betriebes) oder der verbleibende Rest allein nicht mehr versichert werden kann (z.B. Demontage einer Tankanlage insoweit, als dass nur noch der bloße, von Chemikalien gereinigte Tankkörper als leere Metallhülle zurückbleibt).5 Ein dauerhafter Wegfall soll anzunehmen sein, wenn eine Tätigkeit oder Eigenschaft des VN, an welche das Risiko geknüpft war, endgültig aufgegeben wird, insbesondere auch bei einer Betriebsaufgabe oder -veräußerung.6 Unerheblich ist, aus welchem Grund das Risiko wegfällt.7
2 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 96. 3 Vgl. Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 4; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 8 Rn. 3; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 218; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 8.3. 4 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 97. 5 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1419. 6 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1419; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 219; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 8.4; kritisch Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 97 (sich für eine sprachliche Angleichung an Ziff. 17 S. 1 AHB aussprechend, wo vom vollständigen und dauerhaften Wegfall die Rede ist). 7 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1419. Koch
1070
B. Beendigung des Versicherungsverhältnisses
Ziff. 8 UmweltHM
Zu beachten ist, dass für stillgelegte Anlagen die Haftung fortbestehen kann (vgl. § 2 Abs. 2 6 UmweltHG), sodass das versicherte Risiko insoweit nicht wegfällt. Es bedarf daher der Verlängerung des Versicherungsvertrages zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes.8
III. Begrenzung der Nachhaftungsdeckung Die Nachhaftung ist wie zuvor bereits erwähnt gem. Ziff. 8.1 Satz 2 UmweltHM auf drei Jahre 7 nach Vertragsbeendigung beschränkt. Sie besteht unabhängig davon, ob der innerhalb der Nachhaftungsfrist festgestellte Schaden dem VR innerhalb der Frist gemeldet wurde9 oder gegen den VN Ansprüche Dritter innerhalb dieser Frist erhoben wurden.10 Materiell bestimmt sich der Versicherungsschutz für die Nachhaftungszeit nach dem bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfang und in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des letzten Versicherungsjahres.
Materiell bestimmt sich der Versicherungsschutz für die Nachhaftungszeit nach dem bei Beendi- 8 gung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfang und in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des letzten Versicherungsjahres. Die Beschränkung des Nachhaftungsversicherungsschutzes auf den unverbrauchten Teil der Deckungssumme begründet ebenfalls keine unangemessene Benachteiligung des VN,11 da der VR ein berechtigtes Interesse an dieser Begrenzung hat, erhält er doch nach Beendigung des Vertrages keine Prämien mehr vom VN.12
IV. Serienschäden Die Serienschadenklausel gem. Ziff. 7.2 Satz 3 UmweltHM findet auf die während der Nachhaf- 9 tungszeit festgestellten Schäden (= eingetretene Versicherungsfälle) keine Anwendung, da nur während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretene Versicherungsfälle zu einer Serie zusammengefasst werden. Die Nachhaftungszeit wird nicht miteingerechnet.13 Ziff. 8.1 Um8 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 124. 9 Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 221; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 8.10. 10 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1431. 11 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 98; krit. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1424; Wagner VersR 1992 261, 268; Schmidt-Leithoff VP 1992 197, 204; Feldmann PHI 1994 162, 163.
12 Vgl. Prölss/Martin/Voit UmwHaftPfl Ziff. 8 Rn. 1; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 98. 13 GDV-Erläuterungen 32; Schmidt-Salzer/Schramm Ziff. 8.7. 1071
Koch
Ziff. 8 UmweltHM
Nachhaftung
weltHM findet jedoch Anwendung, wenn die Serienschäden vor Vertragsbeendigung eingetreten sind, jedoch erst innerhalb der Nachhaftungszeit festgestellt werden. Für diese Schäden besteht Deckung in Höhe der unverbrauchten Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 10 Bei Versicherungsfällen einer in tatsächlicher Hinsicht einheitlichen Schadenserie, die einerseits während der Laufzeit des Versicherungsvertrages und andererseits in die Nachhaftungszeit fallen, muss der VR im Ergebnis die Versicherungssumme zweimal zur Verfügung stellen: Zum einen hinsichtlich der während der Nachhaftungszeit festgestellten Schäden in Höhe des unverbrauchten Teils der Deckungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis geendet hat, zum anderen hinsichtlich der während der Wirksamkeit der Versicherung festgestellten Schäden in Höhe der Versicherungssumme eines früheren Versicherungsjahres, auf das hin diese Versicherungsfälle nach Ziff. 7.2 Satz 3 UmweltHM kontrahiert werden.14 Beispiel:15 Manifestation in 2011, 2012 und 2013. Nachhaftungszeit beginnt am 1.1.2013. Für die Versicherungsfälle in 2011 und 2012 steht die Summe in 2011 zur Verfügung und für 2013 die unverbrauchte Versicherungssumme aus 2012.
V. Versichererwechsel 11 Wechselt der VN zu einem anderen VR und wird der Vertrag mit dem neuen VR auf Basis des UmweltHM geschlossen, kann eine Deckungslücke für Schäden auftreten, die noch während der Wirksamkeit des alten Vertrages eingetreten sind, jedoch erst während der Wirksamkeit des neuen Vertrages festgestellt werden. Für diese Versicherungsfälle haftet der neue VR wegen Ziff. 6.3 UmweltHM nicht. Die Haftung des Alt-VR ist beschränkt auf den dreijährigen Nachhaftungszeitraum und den unverbrauchten Teil der Deckungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis geendet hat. Wird der Schaden erst später festgestellt oder ist 14 Nach GDV-Erläuterungen 32; Prölss/Martin/Voit UHV Abs. 8 Ziff. 8 Rn. 8; Schmidt-Salzer/Schramm 8.13-8.15; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 8 Rn. 6.
15 GDV-Erläuterungen 32; Schmidt-Salzer/Schramm Ziff. 8.7. Koch
1072
E. Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den VN
Ziff. 8 UmweltHM
die Versicherungssumme aufgebraucht, besteht somit kein Versicherungsschutz. Diese Deckungslücke lässt sich nur durch Einzelvereinbarung mit einem der VR schließen.16
C. Teilweiser Wegfall eines versicherten Risikos (Ziff. 8.2 UmweltHM) Ziff. 8.2 UmweltHM ergänzt die in Ziff. 8.1 UmweltHM getroffene Nachhaftungsregelung. Hier 12 geht es darum, dass ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, das Versicherungsverhältnis im Übrigen aber fortgesetzt wird. Betroffen sind die Fälle, in denen einzelne Anlagen, z.B. aufgrund Inhaberwechsels, aus dem Versicherungsschutz ausscheiden, das Versicherungsverhältnis im Übrigen aber bestehen bleibt.17 Als Beispiel sei genannt der Abbau und die Verschrottung einer WHG-Anlage, während die übrigen Anlagen des VN weiter vorhanden sind, der Versicherungsvertrag also fortgesetzt wird.18 Hier beginnt die Nachhaftung mit dem Zeitpunkt des Abbaus und der Verschrottung der WHG-Anlage.
D. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Nachhaftung (Ein- 13 tritt des Schadens während der Wirksamkeit der Versicherung, Zeitpunkt der nachprüfbaren ersten Schadensfeststellung in der Nachhaftungszeit) trägt der VN, weil es sich um eine ihn begünstigende Klausel handelt.19
E. Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den VN Vogel hat die interessante Frage aufgeworfen, ob ein VN, der wegen der kurzen Dauer der Nach- 14 haftung versucht, auf die Feststellung von vermuteten Drittschäden aktiv Einfluss zu nehmen, z.B. durch Befragung von Ärzten, Kontaktaufnahme mit Behörden, seinen Versicherungsschutz verliert.20 Er hat diese Frage verneint, solange der VN nicht so weit geht, „aktiv jeden nur denkbaren Dritten zu ermuntern und aufzufordern, über eine mögliche Schädigung nachzudenken und dadurch (unbegründete) Ansprüche geradezu herbeizureden“.21
Im Ergebnis ist Vogel beizupflichten. Durch den Versuch, auf die Feststellung von Drittschäden Einfluss zu nehmen, verwirklicht 15 der VN nicht § 103 VVG, da es dort auf den Willen des VN ankommt, den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeizuführen. Es liegt auch kein Verstoß gegen Ziff. 6.9 und 6.10 UmweltHM vor. Eine Verletzung der Rettungsobliegenheiten gem. Ziff. 25.2 AHB scheitert daran, dass es zu diesem Zeitpunkt am Eintritt des Versicherungsfalles fehlt. Es liegt auch keine Verletzung der Obliegenheit gem. Ziff. 24 AHB vor, besonders gefahrdrohende Umstände auf Verlangen des VR innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. Sieht man den Eintritt des Schadens als besonders gefahrdrohenden Umstand an, so lässt sich dieser nicht wieder beseitigen.
16 17 18 19
Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1433. GDV-Erläuterungen 32. Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 124. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1425; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 217; Schmidt-Salzer/Schramm Rn. 8.16. 20 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1426. 21 Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil C Rn. 1426. 1073
Koch
Ziff. 8 UmweltHM
16
Nachhaftung
Eine Verletzung der Gefahrstandsobliegenheit gem. § 23 Abs. 1 VVG ist ebenfalls abzulehnen. Nach der Rechtsprechung des BGH soll durch die Bestimmungen der §§ 23 ff. VVG a.F. das bei Abschluss des Versicherungsvertrages zugrunde gelegte Gleichgewicht zwischen Prämienaufkommen und Versicherungsleistung erhalten bleiben. Der VR soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, obwohl sich die Risikolage so geändert hat, dass das Verhältnis zwischen Risiko und Prämie nicht mehr der Risikolage entspricht, die er bei Abschluss des Versicherungsvertrages voraussetzen durfte. Es darf nicht nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten sein, „bei der der VR den in Rede stehenden Versicherungsvertrag nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte“.22
Die Annahme einer Gefahrerhöhung setzt weiter voraus, dass der neue Zustand erhöhter Gefahr mindestens von einer solchen Dauer sein muss, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und so den Eintritt des Versicherungsfalles zu fördern geeignet ist.23 Legt man diese Maßstäbe an, lässt sich der Versuch, auf die Feststellung von Drittschäden 17 Einfluss zu nehmen, nicht ernsthaft als Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 1 VVG qualifizieren. Die Gefahrenlage ist nämlich durch den Eintritt des Schadens geschaffen worden, der wiederum als notwendige Zwischenstation der Verwirklichung einer der in der Risikobeschreibung angeführten versicherten Gefahren mitversichert ist.24 Diese Gefahrenlage wird durch den Versuch der Einflussnahme, selbst wenn sie im Ergebnis zu einer Herbeiführung des Versicherungsfalles führt, nicht dauerhaft weiter erhöht.
22 Vgl. nur BGH 16.6.2010 – IV ZR 229/09, RuS 2010 331, 332. 23 BGH 16.6.2010 – IV ZR 229/09, RuS 2010 331, 332; BGH 27.1.1999 – IV ZR 315/97, RuS 1999 207, 208 = VersR 1999 484.
24 Vgl. Prölss/Martin/Armbrüster § 23 Rn. 17. Koch
1074
Ziff. 9 UmweltHM
Ziff. 9 Versicherungsfälle im Ausland 9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
1
Eingeschlossen sind im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, – die auf den Betrieb einer im Inland belegenen Anlage oder eine Tätigkeit im Inland im Sinne der Ziff. 2.1–2.7 zurückzuführen sind. 2Dies gilt für Tätigkeiten im Sinne der Ziff. 2.6 nur, wenn die Anlagen oder Teile nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; – aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen und Messen, wenn Versicherungsschutz gem. Ziff. 2.7 vereinbart wurde. Nur aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung sind eingeschlossen im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, 9.2.1 die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.6 zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; 9.2.2 die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.6 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen; 9.2.3 die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstige Tätigkeiten gem. Ziff. 2.7 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. zu Ziff. 9.2: 1 Der Versicherungsschutz besteht nur für solche Personen- und Sachschäden, die Folgen einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes sind. 2Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gem. Ziff. 5 werden nicht ersetzt. zu Ziff. 9.2.2 und 9.2.3: Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl. Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche 9.3.1 1aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. 2Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des SGB VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB). 9.3.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages 9.3.3 nach den Artikeln 1792 ff. und 2270 und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartigen Bestimmungen anderer Länder. 1 Aufwendungen des VR für Kosten werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 2 Kosten sind: Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung des Schadens bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalles sowie Schadensermittlungskosten, auch Reisekosten, die dem VR nicht selbst entstehen. 3Das gilt auch dann, wenn die Kosten auf Weisung des VR entstanden sind. Bei Versicherungsfällen in USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen, gilt: Selbstbeteiligung des VN an
1075 https://doi.org/10.1515/9783110522686-265
Koch
Ziff. 9 UmweltHM
Versicherungsfälle im Ausland
jedem Schaden: … %, mindestens E ……, höchstens E …… Kosten gelten als Schadensersatzleistungen. 9.6 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Standardmäßige Deckung für im Ausland eingetretene Versicherungsfälle (Ziff. 9.1 Um2 weltHM)
I.
Ausstrahlungsrisiko
II.
Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtri4 siko
III.
Geschäftsreisen, Ausstellungen und Mes6 sen
C.
Weitergehender – fakultativ zu vereinbarender – Versicherungsschutz (Ziff. 9.2 UmweltHM)
3
7
I.
Einschlussmöglichkeiten
II.
Einschränkungen bei fakultativ vereinbartem Versicherungsschutz (Zusätze zu Ziff. 9.2 und 8 Ziff. 9.2.2 u. 9.2.3 UmweltHM)
D.
Ausschlüsse (Ziff. 9.3 UmweltHM)
E.
Kostenklausel (Ziff. 9.4 UmweltHM)
F.
USA-/Kanada-Risiken (Ziff. 9.5 Um12 weltHM)
G.
Währungsklausel (Ziff. 9.6 Um13 weltHM)
10 11
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 9 UmweltHM bestimmt den Umfang des Versicherungsschutzes für Versicherungsfälle, die im Ausland eingetreten sind.
B. Standardmäßige Deckung für im Ausland eingetretene Versicherungsfälle (Ziff. 9.1 UmweltHM) 2 Ebenso wie in der Betriebshaftpflichtversicherung (Ziff. 7.7 BBR BHV) wird der Versicherungsschutz in Ziff. 9.1 UmweltHM standardmäßig auf im Ausland eintretende Versicherungsfälle ausgedehnt. Mit der Formulierung „abweichend von Ziff. 7.9 AHB“ will der Musterbedingungsgeber zum Ausdruck bringen, dass das UmweltHM insoweit von den AHB abweicht. Dabei hat er übersehen, dass Ziff. 7.9 AHB – der Versicherungsfalldefinition gem. Ziff. 1.1 AHB folgend – darauf abstellt, ob der Schaden im Ausland eingetreten ist, während es für die Anwendung von Ziff. 9 UmweltHM darauf ankommt, dass die nachprüfbare erste Feststellung des Schadens im Ausland erfolgt ist.1
1 Vgl. auch Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 101 Fn. 294. Koch
1076
B. Im Ausland eingetretene Versicherungsfälle
Ziff. 9 UmweltHM
I. Ausstrahlungsrisiko Versicherungsschutz besteht gem. Ziff. 9.1 Satz 1, 1. Spiegelstrich UmweltHM für im Ausland ein- 3 tretende Versicherungsfälle, die auf eine im Inland belegene Anlage oder eine Tätigkeit im Inland i.S.d. Ziff. 2.1 bis 2.7 UmweltHM zurückzuführen sind. Dieser Einschluss bezieht sich auf das indirekte, nicht vom VN beeinflussbare Auslandsrisiko (Ausstrahlungsrisiko), das sich aus dem Betrieb einer im Inland gelegenen Anlage oder einer Tätigkeit im Inland ergibt, und zwar aus allen vereinbarten Bausteinen des UmweltHM.2 Beispiele:3 1. Der VN ist Inhaber einer Anlage im Inland, aus der nach einer Betriebsstörung ein giftiges Gas entweicht. Dieses gelangt durch die Luft auf das Gebiet eines Nachbarstaates. Dort werden mehrere Personenschäden festgestellt. 2. Aufgrund fehlerhafter Wartungsarbeiten des VN an einer im Inland belegenen Anlage gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM gelangt eine giftige Flüssigkeit in das Grundwasser. Eine auf der anderen Seite der Staatsgrenze gelegene Brauerei stellt fest, dass sie wegen der Verunreinigung des Grundwassers ihren Brunnen nicht mehr nutzen kann. 3. Ein Mitarbeiter des VN verschuldet auf einem Dienstgang im Inland einen Verkehrsunfall, als er die Straße überqueren will. Aus einem an dem Unfall beteiligten LKW entweicht ein geruchloses giftiges Gas, welches von einigen Personen einer Reisegruppe aus den USA eingeatmet wird. Nach der Rückkehr in die USA wird der Personenschaden festgestellt.
II. Anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko Geht es um im Ausland eintretende Versicherungsfälle, die auf Tätigkeiten gem. Ziff. 2.6 Um- 4 weltHM im Inland zurückzuführen sind, besteht nach Ziff. 9.1, Satz 2, 1. Spiegelstrich Satz 2 UmweltHM keine Deckung, wenn für den VN ersichtlich (zum Erfordernis der Ersichtlichkeit s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 343) war, dass die Anlagen oder Teile oder das Ergebnis seiner planenden Tätigkeit für das Ausland bestimmt waren (sog. indirektes Exportrisiko). Beispiele:4 1. Der VN stellt im Inland Filterelemente für Heizkraftwerke gemäß Ziff. 2.2 UmweltHM her, die für ihn nicht ersichtlich von einem Abnehmer ins Ausland exportiert wurden. Nachdem ein damit ausgerüstetes Heizkraftwerk im Ausland in Betrieb genommen wird, verursacht ein fehlerhaftes Filterelement eine Umwelteinwirkung, die zu Personenschäden führt. Da das Filterelement nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt war, besteht Versicherungsschutz. 2. Der VN plant im Inland eine Anlage gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM. Sein Plan wird von ihm an eine Firma im Ausland verkauft, die die Anlage nach dem Plan des VN erstellt. Nach der Inbetriebnahme der Anlage entweicht infolge einer Betriebsstörung eine giftige Gaswolke, die bei in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu Gesundheitsschäden führt. Hier besteht kein Versicherungsschutz gem. Ziff. 9.1 UmweltHM, da diese Bedingung auch zur Anwendung kommt, wenn das Ergebnis der planenden Tätigkeit des VN ersichtlich für das Ausland bestimmt ist.
War es für den VN dagegen nicht ersichtlich, dass die Anlagen oder Teile oder das Ergebnis der 5 planenden Tätigkeit des VN für das Ausland bestimmt waren, besteht Versicherungsschutz, falls die Anlagen oder Teile im Ausland Versicherungsfälle verursachen.
2 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 125. 3 Nach GDV-Erläuterungen 34. 4 Nach GDV-Erläuterungen 35. 1077
Koch
Ziff. 9 UmweltHM
Versicherungsfälle im Ausland
Beispiel:5 Der VN erstellt für eine Firma im Inland eine Anlage gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM. Nach einiger Zeit wird die Firma von einem europäischen Konzern übernommen, der die Anlage abbaut und in einem anderen Land wieder in Betrieb nimmt. Dort führt der Betrieb der Anlage durch eine Umwelteinwirkung zu Personenschäden, für die der VN aufgrund der Gesetze des Landes in Anspruch genommen wird.
III. Geschäftsreisen, Ausstellungen und Messen 6 Verursacht der VN auf einer Geschäftsreise oder anlässlich der Teilnahme an einer Ausstellung bzw. Messe einen Umweltschaden, so besteht gem. Ziff. 9.1, 2. Spiegelstrich UmweltHM Versicherungsschutz für im Ausland eintretende Versicherungsfälle, falls Baustein Ziff. 2.7 UmweltHM vereinbart wurde. Beispiel:6 Der VN befindet sich im Ausland auf dem Weg zur Ausstellung und muss dazu die Straße überqueren. Dort zwingt er einen mit Öl beladenen Tanklastzug zum Ausweichen. Der Tanklastzug verunfallt und verschmutzt das Grundstück eines Anwohners.
C. Weitergehender – fakultativ zu vereinbarender – Versicherungsschutz (Ziff. 9.2 UmweltHM) I. Einschlussmöglichkeiten 7 Nur aufgrund besonderer Vereinbarung besteht Versicherungsschutz für – das Planen, Herstellen und Liefern von Anlagen oder Teilen für Anlagen gem. Ziff. 2.6 UmweltHM, die für den Export ins Ausland bestimmt sind; (direktes Exportrisiko) (Ziff. 9.2.1 UmweltHM), – für das Risiko aus Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen gem. Ziff. 2.6 UmweltHM (Ziff. 9.2.2 UmweltHM) sowie – für das sonstige Tätigkeitsrisiko gem. Ziff. 2.7 UmweltHM im Ausland (Ziff. 9.2.3 UmweltHM).
II. Einschränkungen bei fakultativ vereinbartem Versicherungsschutz (Zusätze zu Ziff. 9.2 und Ziff. 9.2.2 u. 9.2.3 UmweltHM) 8 Die Erweiterung der Deckung für Auslandsfälle unterliegt standardmäßig einer Reihe von Einschränkungen. So besteht Versicherungsschutz nur für solche Personen- und Sachschäden, die Folge einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes sind (zum Begriff der Betriebsstörung s. Ziff. 5 UmweltHM Rn. 5 ff.). Für die nach dem UmweltHM versicherten Vermögensschäden greift die Beschränkung dagegen nicht ein.7 Zudem werden Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gem. Ziff. 5 UmweltHM nicht ersetzt. 9 Die Erweiterung des Versicherungsschutzes für das Risiko aus Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen gem. Ziff. 2.6 UmweltHM sowie für das sonstige Tätigkeitsrisiko gem. Ziff. 2.7 UmweltHM im Ausland gilt nicht für im Ausland belege-
5 Nach GDV-Erläuterungen 35. 6 Nach Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 1517. 7 Auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 227; a.A. offenbar Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 103 („Redaktionsversehen“). Koch
1078
G. Währungsklausel (Ziff. 9.6 UmweltHM)
Ziff. 9 UmweltHM
nen Anlagen oder Betriebsstätten (z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger). Um diese in die Deckung einzuschließen, bedarf es besonderer Vereinbarung.8
D. Ausschlüsse (Ziff. 9.3 UmweltHM) Die Ausschlüsse für Arbeitsunfälle (Ziff. 9.3.1 UmweltHM), Entschädigung mit Strafcharakter 10 (Ziff. 9.3.2 UmweltHM) sowie Ansprüche nach Art. 1792 ff. und 2270 des franz. Code Civil (CC) und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 (CC), der seit dem 1.10.2016 Eingang in Art. 1231-1 CC gefunden hat, entsprechen Ziff. 7.4.1.2 und 7.4.1.3 sowie 7.7.2 BBR BHV. Es wird deshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen (Ziff. 7.4 BBR BHV Rn. 4).
E. Kostenklausel (Ziff. 9.4 UmweltHM) Die Kostenklausel entspricht mit Ausnahme von Satz 3 Ziff. 7.7.3 BBR BHV. Es wird auf die dorti- 11 ge Kommentierung verwiesen (Ziff. 7.7 BBR BHV Rn. 26 ff.). Ziff. 9.4 Satz 3 UmweltHM ist nach § 87 VVG und bei Versicherung von Großrisiken gem. §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie sich auch auf Aufwendungen des VN zur Minderung oder Abwendung des Schadens i.S.v. § 82 Abs. 1 VVG erstreckt.9 Insoweit steht sie in Widerspruch zu § 83 Abs. 3 VVG, demzufolge der VR dem VN Aufwendungen, die dieser gemäß seinen Weisungen macht, auch dann zu erstatten hat, wenn sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen.10
F. USA-/Kanada-Risiken (Ziff. 9.5 UmweltHM) Die besondere Selbstbehaltsregelung für USA/Kanada entspricht Ziff. 7.7.4 BBR BHV (Ziff. 7.7 12 BBR BHV Rn. 29 f.).
G. Währungsklausel (Ziff. 9.6 UmweltHM) Ziff. 9.6 UmweltHM entspricht Ziff. 7.7.5 BBR BHV und Ziff. 5.1 Satz 3 und 4 BBR PHV (Ziff. 5 BBR 13 PHV Rn. 6 f.).
8 Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 10 Rn. 7; Beckmann/Matusche-Beckmann/Matusche-Beckmann § 34 Rn. 228.
9 Vgl. auch Prölss/Martin/Lücke MB AT Abs. 7_7 Ziff. 7.7 Rn. 3. 10 So auch Bruck/Möller/Baumann9 Ziff. 4 AVB-AVG Rn. 32 (zu Ziff. 4.4 AVB-AVG). 1079
Koch
Ziff. 10 UmweltHM
Ziff. 10 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche, die im Ausland geltend gemacht werden, gilt: 10.1 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche 10.1.1 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages; 10.1.2 nach den Artikeln 1792 ff. und 2270 und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder. 10.2 1Aufwendungen des VR für Kosten – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – werden als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 2 Kosten sind: Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung des Schadens bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalles sowie Schadensermittlungskosten, auch Reisekosten, die dem VR nicht selbst entstehen. 3Das gilt auch dann, wenn die Kosten auf Weisung des VR entstanden sind. 10.3 Bei Versicherungsfällen, die in USA/US-Territorien und Kanada geltend gemacht werden, gilt: Selbstbeteiligung des VN an jedem Schaden: … %, mindestens E ……, höchstens E …… Kosten gelten als Schadensersatzleistungen. 10.4 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. 1 Bei Schäden durch Umwelteinwirkungen, die im Inland zu einem Versicherungsfall geführt haben, aber im Ausland geltend gemacht werden, greifen nach Ziff. 10.1 UmweltHM die für die Schäden durch Umwelteinwirkungen im Ausland geltenden Ausschlüsse gem. Ziff. 9.3.2 und Ziff. 9.3.3 UmweltHM ein. Des Weiteren ist auch hier eine Kostenanrechnungsklausel (Ziff. 10.2 UmweltHM), ein gesonderter Selbstbehalt für Versicherungsfälle in den USA/Kanada (Ziff. 10.3 UmweltHM) sowie eine Währungsklausel (Ziff. 10.4. UmweltHM) vorgesehen. Ziff. 10.2 Satz 3 UmweltHM ist unwirksam (Ziff. 9 UmweltHM Rn. 11).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-266
1080
B. UHV-Basis Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung im Rahmen der Betriebs- und Berufs-Haftpflichtversicherung (Umwelthaftpflicht-Basisversicherung)(UHV Basis) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung Ziff. 2 Versicherte Risiken Ziff. 3 Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken Ziff. 4 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Risiken Ziff. 5 Versicherungsfall Ziff. 6 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 7 Nicht versicherte Tatbestände Ziff. 8 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt Ziff. 9 Nachhaftung Ziff. 10 Versicherungsfälle im Ausland Ziff. 11 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden
Schrifttum S. die Literaturangaben vor UmweltHM.
Vorbemerkung Während die Umwelthaftpflichtversicherung nach dem UmweltHM als eigenständiger Versi- 1 cherungsvertrag angeboten wird, mit dem sich der VN gegen Risiken aus bestimmten umweltrelevanten Anlagen oder Tätigkeiten absichert, handelt es sich bei der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung (UHV Basis) um eine Annexdeckung im Rahmen einer bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Ziff. 7.10.2.1 BBR BHV). Abweichungen/Besonderheiten zum UmweltHM ergeben sich aus Ziff. 1, 2 und 4 UHV 2 Basis. Ziff. 1.1 UHV Basis stellt durch die Formulierung „im Rahmen und Umfang des Vertrages“ klar, dass Erweiterungen oder Begrenzungen der Betriebshaftpflichtversicherung grundsätzlich auch für die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung gelten sollen, soweit sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Ausgeschlossen sind z.B. die AHB-Regelungen über die Vorsorgeversicherung und Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken. Insoweit übernimmt Ziff. 3 UHV Basis das Regelungsmodell von Ziff. 3 UmweltHM. Dagegen wird die aus Ziff. 7.10 lit. b) AHB folgende Versicherung des nicht anlagenbezogenen Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos und des Abfallrisikos durch Ziff. 7.7 und 7.8 UHV Basis nicht berührt. Die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf das allgemeine Umwelt-Betriebsrisiko 3 und das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (Regressrisiko) folgt aus Ziff. 2.1 und 2.2 UHV Basis und den unter Ziff. 4.1 bis 4.5 UHV Basis formulierten Ausschlüssen, die spiegelbildlich zu den nach Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM versicherten Bausteinen sind. Das Lagerrisiko sowie das Abwasseranlagen- (Ziff. 2.3 UHV Basis) und Einwirkungsrisiko (Ziff. 2.4 UHV
1081 https://doi.org/10.1515/9783110522686-268
Koch
UHV Basis
Vorbemerkung
Basis) können gesondert vereinbart werden. Dies betrifft die Lagerung gewässerschädlicher Stoffe sowie Benzin und Ölabscheider. 4 Ziff. 4 bis 10 UHV Basis sind nahezu wortgleich mit den entsprechenden Ziffern des UmweltHM, sodass die Ausführungen zum UmweltHM insoweit gleichermaßen für die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung gelten. Dies bedeutet u.a., dass für die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung für industrielle Risiken eine separate Versicherungssumme zur Verfügung steht (Ziff. 8 Abs. 1 UHV Basis), deren Höhe individuell zu vereinbaren ist, und die in Ziff. 9 UmweltHM beschriebene Serienschadenklausel zur Anwendung kommt (Ziff. 8 Abs. 2 UHV Basis). Für VN mit geringem Umwelthaftpflicht-Risiko, wie z.B. im gewerblichen Bereich, sind einheitliche Versicherungssummen für das Betriebs- und Umwelthaftpflichtrisiko i.d.R. ausreichend.1 5 Für das Umwelthaftpflichtrisiko land- und forstwirtschaftlicher Betriebe werden gesonderte Bedingungen zur Verfügung gestellt.2 Im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und beratenden Ingenieuren3 ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung gedeckt (Teil C BBR Arch./Ing.). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass für diese Berufsgruppe aufgrund ihrer planerischen Tätigkeit die besondere Gefahr besteht, wegen daraus entstehender Umwelteinwirkungsschäden in Anspruch genommen zu werden.4
1 Brall/Breitkopf-Knickmeyer/Sons/Wittenberg/Brall 136; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/MatuscheBeckmann § 34 Rn. 8; Langheid/Wandt/Schimikowski Umwelthaftpflichtversicherung und Umweltschadensversicherung Rn. 9. 2 Zu Details s. Vogel/Stockmeier/Vogel 2. Teil E Rn. 1 ff. 3 Die BBR Arch./Ing. sind abgedruckt bei Prölss/Martin/Lücke BBR Arch. 4 Vgl. Beispiele zu Umwelthaftpflichtrisiken bei Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil F Rn. 2 f.: Architekt plant ein Haus. Dieses stürzt aufgrund eines Planungsfehlers ein. Die beim Einsturz entstehende Staubwolke verursacht Sachschäden. Architekt plant eine UmweltHG-Anlage. Durch einen Planungsfehler kommt diese zum Einsturz. Es entweichen schädliche Stoffe, die Personenschäden in der Umgebung verursachen. Koch
1082
Ziff. 1 UHV Basis
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1.1
1
Versichert ist – abweichend von Ziff. 7.10 (b) AHB – im Rahmen und Umfang des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkung, wenn diese Umwelteinwirkung nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgeht oder ausgegangen ist, die unter Ziff. 4 fallen. 2 Mitversichert sind gem. Ziff. 2.1 AHB Vermögensschäden aus der Verletzung von Aneignungsrechten, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wasserrechtlichen Benutzungsrechten oder -befugnissen. 3Diese werden wie Sachschäden behandelt. 1.2 Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen in Boden, Luft oder Wasser (einschl. Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein. 1.3 Der Versicherungsschutz bezieht sich auch auf die Haftpflicht wegen Schäden eines Dritten, die dadurch entstehen, dass Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen. Ziff. 1.1 Satz 1 UHV Basis grenzt durch die Verweisung auf Ziff. 4 UHV Basis den Versicherungs- 1 schutz der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung gegenüber dem UmweltHM ab. Im Übrigen entspricht Ziff. 1.1 UHV Basis der Regelung in Ziff. 1.2 UmweltHM (Ziff. 1 UmweltHM Rn. 3 ff.). 2 Ziff. 1.2 UHV Basis deckt sich mit Ziff. 2 Abs. 2 UmweltHM (Ziff. 2 UmweltHM Rn. 66 ff.). 3 Ziff. 1.3 UHV-Basis entspricht Ziff. 2 Abs. 3 UmweltHM (Ziff. 2 UmweltHM Rn. 75 ff.).
1083 https://doi.org/10.1515/9783110522686-269
Koch
Ziff. 2 UHV Basis
Ziff. 2 Versicherte Risiken 2.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus Anlagen, Betriebseinrichtungen, Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die Ziff. 4 fallen. 2.2 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß Ziff. 4 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist (Umweltregressrisiko). 2 Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 (1) AHB findet insoweit keine Anwendung. 3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls werden unter den in Ziff. 6 genannten Voraussetzungen durch den VR ersetzt, sofern Regressansprüche des Inhabers der Anlage gegen den VN bestehen können. 2.3 Falls besonders vereinbart, gilt: Versichert ist – abweichend von Ziff. 4.1 (WHG-Anlagen) – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden (Fässer, Kanister, Dosen, Flaschen, etc.) mit einem Fassungsvermögen bis … Liter je Einzelgebinde und einer Gesamtlagermenge bis … Liter. 2.4 Falls besonders vereinbart, gilt: Versichert ist – abweichend von Ziff. 4.4 (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko) – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem Betrieb von … (Anzahl) – Fettabscheidern, – Benzin- und Ölabscheidern einschließlich Schäden durch Abwässer aus diesen Anlagen. 1 Ziff. 2 UHV Basis beschreibt die versicherten Risiken. Versichert ist das allgemeine Umwelt-Betriebsrisiko (Ziff. 2.1 UHV Basis) und das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (Regressrisiko) (Ziff. 2.2 UHV Basis), die Ziff. 2.7 und Ziff. 2.6 UmweltHM entsprechen. Insoweit sei auf die dortige Kommentierung verwiesen (Ziff. 2 UmweltHM Rn. 54 ff.). 2 Nur bei besonderer Vereinbarung sind die unter Ziff. 2.3. und Ziff. 2.4 UHV Basis genannten Risiken (Lagerrisiko, Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko) versichert. Diese Erweiterung betrifft die Lagerung gewässerschädlicher Stoffe sowie Benzin- und Ölabscheider. Zu den gewässerschädlichen Stoffen i.S.v. Ziff. 2.3. und Ziff. 2.4 UHV Basis zählen z.B. Öl, Reinigungsmittel, Gülle. Lagerung umfasst das Vorhalten zur späteren Verwendung.1 Keine Lagerung liegt vor, wenn die Stoffe abgelagert werden i.S.e. dauerhaften Entsorgung. Das Umfüllen eines Stoffes (etwa vom Kanister in den Tank) geht über das Lagern hinaus.2
1 Prölss/Martin/Voit UHV Basis Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 2a. 2 Prölss/Martin/Voit UHV Basis Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 2a. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-270
1084
Ziff. 5 UHV Basis
Ziff. 3 Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken 3.1 1Die Bestimmungen der Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB (Vorsorgeversicherung) finden für die Ziff. 2.3 – 2.4 keine Anwendung. 2Der Versicherungsschutz für neue Risiken bedarf insoweit besonderer Vereinbarung. 3.2 Ziff. 3.1 (2) und 3.2 AHB (Erhöhungen und Erweiterungen) finden für die Ziff. 2.3 – 2.4 keine Anwendung. Der Ausschluss der Vorsorgeversicherung in Ziff. 3.1 UHV Basis hat zur Folge, dass für die in 1 Ziff. 2.3 und 2.4 UHV Basis genannten Risiken nur Versicherungsschutz bei besonderer Vereinbarung besteht. Ergänzend bestimmt Ziff. 3.2 UHV Basis, dass auch die AHB-Regelungen zur Risikoerhö- 2 hung/-erweiterung keine Anwendung auf die in Ziff. 2.3 und 2.4 UHV Basis genannten Risiken finden. Erhöht sich die Menge an gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden oder die Zahl von Fett-, Benzin- und Ölabscheiden über den vertraglich vereinbarten Rahmen, greifen die §§ 23 ff. VVG ein.
Ziff. 4 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Risiken Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Umwelteinwirkungen aus 4.1 Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 4.2 Anlagen des VN gem. Anhang 1 zum Umwelthaftungsgesetz (UHG-Anlagen). 4.3 Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen). 4.4 Abwasseranlagen des VN oder dem Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko). 4.5 Anlagen des VN gem. Anhang 2 zum Umwelthaftungsgesetz (UHG-Anlagen/Pflichtversicherung).
Ziff. 4.1 bis 4.5 UHV Basis dienen zusammen mit Ziff. 2.1 und 2.2 UHV Basis der Beschreibung 1 der versicherten Risiken. Ziff. 4.1 bis 4.5 UHV Basis entsprechen Ziff. 2.1 bis 2.5 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 2 UmweltHM Rn. 11 ff.).
Ziff. 5 Versicherungsfall 1
Versicherungsfall ist – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – die nachprüfbare erste Feststellung des Personenschadens, Sachschadens oder eines gemäß Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschadens durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den VN. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3 Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war. Diese Regelung entspricht Ziff. 4 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen 1 wird. 1085 https://doi.org/10.1515/9783110522686-273
Koch
Ziff. 6 UHV Basis
Ziff. 6 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 6.1 1Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, – nach einer Störung des Betriebes oder – aufgrund behördlicher Anordnung Aufwendungen des VN für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gemäß Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschadens. 2Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. 6.2 Aufwendungen aufgrund behördlicher Anordnungen im Sinne der Ziff. 6.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. 6.3 Der VN ist verpflichtet, 6.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadeneintritt zu verhindern oder den Schadenumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder 6.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. 6.4 1Verletzt der VN eine der in Ziff. 6.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gemäß Ziff. 6 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2Verletzt der VN eine der in Ziff. 6.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3Abweichend von Abs. 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist. 6.5 1Aufwendungen werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von E … je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung, pro Versicherungsjahr jedoch nur bis E …, ersetzt. 2 Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen … % selbst zu tragen. 3Kommt es trotz Durchführung der Maßnahmen zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 4Im Falle einer solchen Anrechnung hat der VN von den Selbstbehalten gemäß Ziff. 6.5 Abs. 2 und Ziff. 8.3 den höheren zu tragen. 6.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Falle Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne der Ziff. 6.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen. 2Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Personen-, Sach- oder gemäß Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschadens, falls Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN, die von ei-
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-274
1086
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
Ziff. 6 UHV Basis
ner Umwelteinwirkung nicht betroffen sind, beeinträchtigt werden müssen. 3 Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen. Ziff. 6 UHV Basis entspricht Ziff. 5 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwie- 1 sen wird.
1087
Koch
Ziff. 7 UHV Basis
Ziff. 7 Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.1 1Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden oder ein Gewässer gelangen. 2Das gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Störung des Betriebes beruhen. 7.2 1Ansprüche wegen Schäden, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen. 2 Das gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste. 7.3 Ansprüche wegen Schäden, die vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten sind. 7.4 Ansprüche wegen Schäden, für die nach Maßgabe früherer Versicherungsverträge Versicherungsschutz besteht oder hätte beantragt werden können. 7.5 Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits von einer Umwelteinwirkung betroffen waren. 7.6 Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen. 7.7 1Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht). 2 Dieser Ausschluss gilt nicht für das Umwelt-Regressrisiko gem. Ziff. 2.2. 7.8 Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN erzeugte oder gelieferte Abfälle nach Auslieferung entstehen. 7.9 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen. 7.10 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen. 7.11 Ansprüche – wegen Bergschäden (i.S.d. § 114 BBergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör; – wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S.d. § 114 BBergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen. 7.12 Ansprüche wegen Schäden infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens. 7.13 Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben. 7.14 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-275
1088
Nicht versicherte Tatbestände
Ziff. 7 UHV Basis
Kraftfahrzeug-Anhängers verursachen. 2Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 4Eine Tätigkeit der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Personen an einem Kraftfahrzeug, Kraftfahrzeug-Anhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch i.S. dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer dieses Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. 5Falls im Rahmen und Umfang des Vertrages eine abweichende Regelung getroffen wurde, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht. 7.15 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 2 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 3 Nicht versichert ist die Haftpflicht aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen für Luft- oder Raumfahrzeuge, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren, – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen, und zwar wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge. Die Regelung entspricht Ziff. 6 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen 1 wird. Der in Ziff. 6.11 UmweltHM vorgesehene Ausschluss genetischer Schäden ist nicht in die UHV-Basis aufgenommen worden, weil der Ausschluss in 7.13 AHB eingreift. Hinsichtlich der Ausschlüsse in Ziff. 7.7 UHV Basis (nicht anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko) und 7.8 UHV Basis (Abfallrisiko) ist der Hinweis geboten, dass Erweiterungen aus vorausgehenden Vertragsteilen, die nicht für die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung gelten sollen, ausdrücklich ausgeschlossen werden müssen, ansonsten finden sie Anwendung (UHV Basis Rn. 2). Die bedeutet, dass die aus Ziff. 7.10 lit. b) AHB folgende Versicherung des nicht anlagenbezogenen Umwelt-Produkthaftpflichtrisikos und des Abfallrisikos durch Ziff. 7.7 und 7.8. UHV Basis nicht berührt werden.
1089
Koch
Ziff. 8 UHV Basis
Ziff. 8 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/ Selbstbehalt Variante für getrennte Versicherungssummen: 8.1 1Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden E …, für Sachschäden und für die gem. Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschäden E … Variante für pauschale Versicherungssummen: 8.1 1Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall pauschal für Personen-, Sachsowie gem. Ziff. 1.1 mitversicherte Vermögensschäden E … (bei Personenschäden für die einzelne Person jedoch nicht mehr als E …). 2 Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: Die Entschädigungsleistungen des VR sind für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt. 8.2 1Für den Umfang der Leistung des VR bildet die angegebene Versicherungssumme die Höchstgrenze bei jedem Versicherungsfall. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. 3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Umwelteinwirkung – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhenden Umwelteinwirkungen – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhenden Umwelteinwirkungen, wenn zwischen gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher, Zusammenhang besteht gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt. 4 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen. 8.3 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 1 Abweichend von Ziff. 7 UmweltHM werden Textvarianten für den Fall vorgeschlagen, dass für Sach- und Personenschäden und mitversicherte Vermögensschäden getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart werden. Ansonsten entspricht Ziff. 8 UVH Basis der Regelung in Ziff. 7 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-276
1090
Ziff. 10 UHV Basis
Ziff. 9 Nachhaftung 9.1 Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.1 mitversicherte Vermögensschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: – Der Versicherungsschutz gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – Der Versicherungsschutz besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Rahmen des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfanges, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 9.2 Die Regelung der Ziff. 9.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist. Die Regelung entspricht Ziff. 8 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen 1 wird.
Ziff. 10 Versicherungsfälle im Ausland 10.1 Eingeschlossen sind im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, – die auf eine Umwelteinwirkung im Inland oder eine Tätigkeit im Sinne der Ziff. 2.2 im Inland zurückzuführen sind. Dies gilt für Tätigkeiten im Sinne der Ziff. 2.2 nur, wenn die Anlagen oder Teile nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; – aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen und Messen. 10.2 Nur aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung sind eingeschlossen im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, 10.2.1 die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.2 zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; 10.2.2 die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.2 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen; 10.2.3 die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstigen Tätigkeiten zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. zu Ziff. 10.2: Der Versicherungsschutz besteht nur für solche Personen- und Sachschäden, die Folgen einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes sind. Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß Ziff. 6 werden nicht ersetzt. zu Ziff. 10.2.2 und 10.2.3: Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl.
1091 https://doi.org/10.1515/9783110522686-278
Koch
Ziff. 11 UHV Basis
Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden
10.3 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche 10.3.1 1aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. 2 Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 Muster-Bedingungsstruktur AT genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB); 10.3.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages; 10.3.3 nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Artikel 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder. 10.4 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 10.5 Bei Versicherungsfällen in USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen gilt: Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten gem. Ziff. 10.4 berücksichtigt. 10.6 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. 1 Die Regelung entspricht mit einigen Anpassungen an das versicherte Risiko Ziff. 9 UmweltHM.
Ziff. 11 Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche, die im Ausland geltend gemacht werden, gilt: 11.1 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche 11.1.1 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages. 11.1.2 nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder. 11.2 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 11.3 1Bei Versicherungsfällen, die in USA/US-Territorien und Kanada geltend gemacht werden, gilt: 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 3 Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten gem. Ziff. 10.4 berücksichtigt. 11.4 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. 1 Die Regelung entspricht Ziff. 10 UmweltHM. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-279
1092
C. A2-1 AVB BHV Umwelthaftpflichtversicherung (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung A2-1.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-1.2 Versicherungsfall A2-1.3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles A2-1.4 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) A2-1.5 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) A2-1.6 Ausschlüsse für Schäden durch Umwelteinwirkung A2-1.7 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) A2-1.8 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A2-1.9 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung)
Schrifttum S. die Literaturangaben vor UmweltHM.
Vorbemerkung Versicherungsschutz für das allgemeine Umwelthaftpflicht-Betriebsrisiko, das anlagenbezogene 1 und das nicht anlagenbezogenes Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko hat in den neu strukturierten AVB BHV Eingang in Abschnitt A2 „Umweltrisiko“ gefunden. Dort ist auch der Versicherungsschutz für das allgemeine Umweltschadens-Betriebsrisiko, das anlagenbezogene und das nicht anlagenbezogene Umweltschadens-Produktrisiko geregelt. Die Deckung der Umwelthaftpflichtrisiken in Abschnitt 2 AVB BHV „Umweltrisiko“ entspricht im Wesentlichen der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung (UHV Basis). A2-1 AVB BHV „Umwelthaftpflichtversicherung“ umfasst – wie das UmweltHM – weiterge- 2 hend auch die anlagenbezogenen Umwelthaftpflichtrisiken und bedarf weiterhin gesonderter Vereinbarung. Im Unterschied zum UmweltHM ist die Versicherung der anlagenbezogenen Umwelthaftpflichtrisiken in A2-2 AVB BHV nicht als „Stand Alone“-Deckung – neben der Betriebsund Produkthaftpflichtversicherung – konzipiert, sondern wird in Abschnitt A2 AVB BHV integriert und ersetzt dort die Umwelthaftpflicht-Basisdeckung.
1093 https://doi.org/10.1515/9783110522686-281
Koch
A2-1.1 AVB BHV
A2-1.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (UmweltHM)
(unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
(unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2009) und Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
A2-1.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-1.1.1 1Versichert ist im Umfang von Abschnitt A1 – abweichend von A1-7.25(1) – und den nachfolgenden Bestimmungen (A2-1) die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Schäden durch Umwelteinwirkung für die gemäß A2-1.1.3 versicherten Risiken. 2 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für (1) Personen-, Sach- oder sich daraus ergebende Vermögensschäden; (2) Vermögensschäden, die weder durch Personennoch durch Sachschäden entstanden sind, soweit es sich handelt um Schäden aus der Verletzung – von Aneignungsrechten, – des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, – von wasserrechtlichen Benutzungsrechten oder -befugnissen. 3 Diese Vermögensschäden werden wie Sachschäden behandelt. 4 Die Regelung zu Vermögensschäden in A1-6.12 findet keine Anwendung.
Ziff. 1 UmweltHM Gegenstand der Versicherung 1.1 Der Versicherungsschutz richtet sich nach den AHB und den nachfolgenden Vereinbarungen. 1.2 1Versichert ist – abweichend von Ziff. 7.10 (b) AHB – die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkung für die gem. Ziff. 2 in Versicherung gegebenen Risiken. 2 Mitversichert sind gem. Ziff. 2.1 AHB Vermögensschäden aus der Verletzung von Aneignungsrechten, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wasserrechtlichen Benutzungsrechten oder -befugnissen. 3Diese werden wie Sachschäden behandelt. 1.3 1Mitversichert ist die persönliche gesetzliche Haftpflicht 1.3.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft. 1.3.2 sämtlicher übriger Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gem. dem SGB VII handelt. 3Das gleiche gilt für solche Dienstunfälle gem. den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder in Folge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden. 1.4 Falls besonders vereinbart, sind eingeschlossen im Umfang der gem. Ziff. 2 versicherten Risiken folgende Deckungserweiterungen: 1.4.1 1Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus dem Gebrauch von folgenden, nicht versicherungspflichtigen Kfz: – Kfz und Anhänger ohne Rücksicht auf eine Höchstgeschwindigkeit, die nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren;
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-282
1094
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
A2-1.1 AVB BHV
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (UmweltHM) – Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit; – selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit. 2 Selbstfahrende Arbeitsmaschinen sind Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind und die zu einer vom Bundesminister für Verkehr bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. 3 Hierfür gilt: Hinsichtlich Ziff. 2.7 dieser Bedingungen gelten für die vorgenannten Kfz nicht die Ausschlüsse in Ziff. 3.1 (2) und 4.3 (1) AHB. 4 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 5Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 6Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 7Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 8Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 1.4.2 1Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an gemieteten, gepachteten Gebäuden und/oder Räumlichkeiten durch Brand und Explosion und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2 Ausgeschlossen bleiben die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der FeuerVR bei übergreifenden Schadensereignissen fallenden Rückgriffsansprüche. 1.4.3 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die der Deutsche Bahn AG gegenüber gem. den Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse (PAB) übernommene Haftpflicht des VN (nicht jedoch eine darüber hinaus zusätzlich vereinbarte Haftung). 1.5 Für Ärzte gilt: 1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von gemieteten Praxisräumen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 2Ausgeschlossen sind 1.5.1 Haftpflichtansprüche wegen a) Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung,
1095
Koch
A2-1.1 AVB BHV
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (UmweltHM) b) Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kesselund Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten, c) Glasschäden, soweit sich der VN hiergegen besonders versichern kann; 1.5.2 die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der FeuerVR bei übergreifenden Schadensereignissen fallenden Rückgriffsansprüche. 1.6 Für Gemeinschaften von Wohnungseigentümern gilt: 1 Eingeschlossen sind – abweichend von Ziff. 7.4 AHB – a) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter; b) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; c) gegenseitige Ansprüche von Wohnungseigentümern bei Betätigung im Interesse und für Zwecke der Gemeinschaft. 2 Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 1.7 Für Bahnhofsgaststätten und Bahnhofshotels gilt: 1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die von der Deutsche Bahn AG gem. den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Nebenbetriebe der DB (AVN) übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts (nicht jedoch eine darüber hinaus zusätzlich vereinbarte Haftung). 2Ausgeschlossen bleibt die Beschädigung der gepachteten Gegenstände (Ziff. 7.6 AHB). 1.8 Für Bauhandwerker gilt im Rahmen von Ziff. 2.7: 1 Falls besonders vereinbart, sind eingeschlossen – in teilweiser Abweichung von Ziff. 7.14 (1) AHB – Haftpflichtansprüche aus Schäden, die entstehen durch Abwässer. 2Ausgeschlossen bleiben Schäden an Entwässerungsleitungen durch Verschmutzungen und Verstopfungen.
A2-1.1.2 1Abweichend von A1-7.25(2) sind Ansprüche Fehlanzeige nach dem Umweltschadensgesetz versichert, soweit sie auch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 2Dies gilt auch für Ansprüche nach anderen nationalen Umsetzungsgesetzen, die auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basieren. A2-1.1.3 1Versichert sind ausschließlich die im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen aufgeführten Risiken und Tätigkeiten. 2 Versicherungsschutz besteht für die unter A2-1.1.3 (1) bis A2-1.1.3 (7) aufgeführten, jeweils ausdrücklich zu vereinbarenden Risikobausteine:
Koch
Ziff. 2 UmweltHM Versicherte Risiken [Absatz 1] 1Die Versicherung erstreckt sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein aufgeführten Risiken und Tätigkeiten. 2 Versicherungsschutz besteht für die unter Ziff. 2.1–2.7
1096
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2-1.1 AVB BHV
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (UmweltHM)
(1) Anlagen im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) 1 Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 2 Ausgenommen sind solche WHG-Anlagen, die in Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz aufgeführt sind, Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. (2) Anlagen im Sinne des Umwelthaftungsgesetzes (UHG) 1 Anlagen des VN gem. Anhang 1 zum UHG (UHGAnlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. (3) Sonstige deklarierungspflichtige Anlagen 1 Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHG-Anlagen handelt. 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer. (4) Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko 1 Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN. Versicherungsschutz besteht für Schäden durch Abwässer auch dann, wenn es sich nicht um häusliche Abwässer handelt. (5) UHG-Anlagen/Pflichtversicherung Anlagen des VN gemäß Anhang 2 zum UHG. (6) Umwelt-Regressrisiko 1 Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß A21.1.3(1) bis A2-1.1.3(5) oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. 2Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls werden unter den in A21.3 genannten Voraussetzungen durch den VR ersetzt, sofern Regressansprüche des Inhabers der Anlage gegen den VN bestehen können. 3Versicherungsschutz besteht für Schäden durch Abwässer auch dann, wenn es sich nicht um häusliche Abwässer handelt. A1-7.26 findet insoweit keine Anwendung. (7) Allgemeines Umweltrisiko Umwelteinwirkungen, die im Zusammenhang mit dem im Versicherungsschein beschriebenen Risiko stehen, soweit diese Umwelteinwirkungen nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgehen oder ausgegangen sind, die
aufgeführten, jeweils ausdrücklich zu vereinbarenden Risikobausteine: 2.1 1Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 2Ausgenommen sind solche WHGAnlagen, die in Anhang 1 oder 2 zum UHG aufgeführt sind, Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.2 1Anlagen des VN gem. Anhang 1 zum UHG (UHGAnlagen). 2 Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.3 1Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHG-Anlagen handelt (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer. 2.4 1Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko). 2Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 AHB findet insoweit keine Anwendung. 2.5 Anlagen des VN gem. Anhang 2 zum UHG (UHGAnlagen/Pflichtversicherung). 2.6 1Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gem. Ziff. 2.1 bis 2.5 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. 2Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 (1) AHB findet insoweit keine Anwendung. 3Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles werden unter den in Ziff. 5 genannten Voraussetzungen durch den VR ersetzt, sofern Regressansprüche des Inhabers der Anlage gegen den VN bestehen können. 2.7 Umwelteinwirkungen, die im Zusammenhang mit dem im Versicherungsschein beschriebenen Risiko stehen, soweit diese Umwelteinwirkungen nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgehen oder ausgegangen sind, die unter den Anwendungsbereich der Risikobausteine Ziff. 2.1–2.6 fallen, unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart wurden oder nicht.
1097
Koch
A2-1.1 AVB BHV
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (UmweltHM)
unter den Anwendungsbereich der Risikobausteine A21.1.3(1) bis A2-1.1.3(6) fallen, unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart wurden oder nicht. A2-1.1.4 Versicherungsschutz gemäß A2-1.1.3 besteht auch, wenn – gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen gemäß A2-1.1.3(1) bis A21.1.3(5) und A2-1.1.3(7) in Boden, Luft oder Wasser (einschließlich Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein; – Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen.
Ziff. 2 UmweltHM Versicherte Risiken [Absatz 2] Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen gem. Ziff. 2.1–2.5 und 2.7 in Boden, Luft oder Wasser (einschl. Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein. [Absatz 3] Der Versicherungsschutz gem. Ziff. 2.1–2.7 bezieht sich auch auf die Haftpflicht wegen Schäden eines Dritten, die dadurch entstehen, dass Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen.
1 A2-1.1.1 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 1.2 UmweltHM. Die textlichen Abweichungen sind dem Umstand geschuldet, dass die AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen. Keine Anwendung findet die Regelung zu Vermögensschäden in A1-6.12 AVB BHV, was insbesondere bedeutsam wegen des umfangreichen Ausschlusskatalogs in A1-6.12.2 AVB BHV ist. Ziff. 1.3 bis 1.8 UmweltHM haben keinen Eingang in A2-1 AVB BHV gefunden. 2 Im Vergleich zum UmweltHM sind nach A2-1.1.2 AVB BHV weitergehend auch Ansprüche nach dem Umweltschadensgesetz versichert, soweit sie auch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. Diese Erweiterung betrifft Regressansprüche, die gegen den VN wegen eines Umweltschadens geltend gemacht werden. Hierzu folgendes Beispiel:1 Der VN verursacht fahrlässig einen Brand auf seinem Betriebsgrundstück, der auf das Nachbargrundstück und eine dort betriebene, der Gefährdungshaftung unterliegende Anlage übergreift. Die Anlage explodiert und kontaminiert den Boden des Nachbargrundstücks. Gleichzeitig wird dort eine geschützte Hamsterpopulation vernichtet. Die zuständige Behörde zieht den Nachbarn als Anlagenbetreiber und Verantwortlichen i.S.d. § 2 Nr. 3 USchadG zur Sanierung heran. Der Nachbar nimmt schließlich Regress beim VN.
3 Der VN haftet für die Schäden an der Anlage des Nachbarn, die durch den Brand verursacht worden sind, sowie für alle Folgeschäden nach § 823 Abs. 1 BGB. Zu den Folgeschäden zählen u.a. auch die Kosten der Sanierungsmaßnahmen für den Umweltschaden i.S.v. § 2 Nr. 1 lit. a) USchadG, für den der Nachbar nach § 9 USchadG haftet. Die Kosten der Sanierungsmaßnahmen hat der Nachbar als Verantwortlicher i.S.v. § 2 Nr. 3 USchadG nach § 9 USchadG zu tragen. Für den Brandschaden an der Anlage des Nachbarn besteht Deckung nach A1-1 AVB BHV. Bei der Kontamination des Bodens infolge der Explosion handelt es sich um einen Sachschaden durch Umwelteinwirkung, für den Deckung nach A2-1.1.1 AVB BHV besteht. Für den auf Ersatz der Kosten für die Sanierungsmaßnahmen gerichteten Schadensersatzanspruch des Nachbarn besteht Deckung nach A2-1.1.2 AVB BHV. 4 A2-1.1.3 und A2-1.1.4 AVB BHV entsprechen Ziff. 2 UmweltHM.
1 Beispiel nach Erläuterungen zu den unverbindlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung (Muster-USV, Stand November 2007), abgedruckt bei Winter/Hellberg/Orth/Sons 356. Koch
1098
A2-1.2 AVB BHV
A2-1.2 Versicherungsfall A2-1 AVB BHV
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.2 Versicherungsfall 1 Versicherungsfall ist – abweichend von A1-3.1 – die nachprüfbare erste Feststellung des Personenschadens, Sachschadens oder eines gemäß A2-1.1.1(2) mitversicherten Vermögensschadens durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den VN. 2 Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war.
Ziff. 4 UmweltHM Versicherungsfall Versicherungsfall ist – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – die nachprüfbare erste Feststellung des Personenschadens (Tod, Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen), Sachschadens (Beschädigung oder Vernichtung von Sachen) oder eines gemäß Ziff. 1.2 mitversicherten Vermögensschadens durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den VN. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war. 1
A2-1.2 AVB BHV entspricht Ziff. 4 UmweltHM. Die textliche Abweichung in A2-1.2 AVB BHV resul- 1 tiert daraus, dass die AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen.
1099 https://doi.org/10.1515/9783110522686-283
Koch
A2-1.3 AVB BHV
A2-1.3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls A2-1 AVB BHV
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls A2-1.3.1 1Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, – nach einer Störung des Betriebes oder – aufgrund behördlicher Anordnung Aufwendungen des VN für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gemäß A2-1.1.1(2) mitversicherten Vermögensschadens. 2Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist.
Ziff. 5 UmweltHM Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 5.1 1Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, – nach einer Störung des Betriebes oder – aufgrund behördlicher Anordnung Aufwendungen des VN für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.2 mitversicherten Vermögensschadens. 2Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist.
A2-1.3.2 Aufwendungen aufgrund behördlicher Anordnungen im Sinne von A2-1.3.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden.
5.2 Aufwendungen aufgrund behördlicher Anordnungen im Sinne der Ziff. 5.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden.
A2-1.3.3 Der VN ist verpflichtet, – dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadeneintritt zu verhindern oder den Schadenumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder – sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen.
5.3 Der VN ist verpflichtet, 5.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadeneintritt zu verhindern oder den Schadenumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder 5.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen.
A2-1.3.4 1Verletzt der VN eine der in A2-1.3.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gemäß A2-1.3 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2Verletzt der VN eine der in A2-1.3.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3 Abweichend von Absatz 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist.
5.4 1Verletzt der VN eine der in Ziff. 5.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gem. Ziff. 5 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2Verletzt der VN eine der in Ziff. 5.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3Abweichend von Abs. 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-284
1100
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls
A2-1.3 AVB BHV
A2-1 AVB BHV
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.3.5 1Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls werden bis €… je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung ersetzt. 2Die Höchstersatzleistung beträgt je Versicherungsjahr € … Variante für getrennte Versicherungssummen: 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die in A-2.1.4.1 vereinbarte Sachschaden-Versicherungssumme und auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die in A-2.1.4.1 vereinbarte Pauschal-Versicherungssumme und auf die Jahreshöchstersatzleistung. 4 Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen … % bzw. € … selbst zu tragen. 5 Kommt es trotz Durchführung der Maßnahmen zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 6 Im Falle einer solchen Anrechnung hat der VN von den Selbstbehalten gemäß A2-1.3.5 Absatz 2 und A2-1.4.3 den höheren zu tragen.
5.5 1Aufwendungen werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von € …… je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung, pro Versicherungsjahr jedoch nur bis € ……, ersetzt. 2Der VN hat von den Aufwendungen … % selbst zu tragen. 3Kommt es trotz Durchführung der Maßnahmen zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 4Im Falle einer solchen Anrechnung hat der VN von den Selbstbehalten gem. Ziff. 5.5 Abs. 2 und Ziff. 7.3 den höheren zu tragen.
A2-1.3.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Falle Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne von A2-1.3.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Personen-, Sach- oder gemäß A2-1.1.1(2) mitversicherten Vermögensschadens, falls Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN, die von einer Umwelteinwirkung nicht betroffen sind, beeinträchtigt werden müssen. 3Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
5.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Falle Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne der Ziff. 5.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Personen-, Sach- oder gemäß Ziff. 1.2 mitversicherten Vermögensschadens, falls Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN, die von einer Umwelteinwirkung nicht betroffen sind, beeinträchtigt werden müssen. 3Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
A2-1.3 AVB BHV entspricht weitgehend wörtlich Ziff. 5 UmweltHM. Neu ist, dass im Anschluss 1 an A2-1.3.5 Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, dass mit dem VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind.
1101
Koch
A2-1.4 AVB BHV
A2-1.4 Begrenzung der Leistungen
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
UmweltHM, AHB 2016
A2-1.4 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung)
Ziff. 7 UmweltHM Versicherungssummen/Maximierung/ Serienschadenklausel/Selbstbehalt
A2-1.4.1 Versicherungssumme und Jahreshöchstersatzleistung 1 Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarte Versicherungssumme begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. Variante für getrennte Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden € …, für Sachschäden und für die gemäß A2-1.1.2 mitversicherten Vermögensschäden €… Variante für pauschale Versicherungssummen: 3 Die Versicherungssumme beträgt für Personen-, Sachsowie die gemäß A2-1.2 mitversicherten Vermögensschäden € … 4 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, gilt: 5 Die Entschädigungsleistungen des VR sind für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
7.1 1Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall pauschal für Personen-, Sach- sowie gem. Ziff. 1.2 mitversicherte Vermögensschäden € …… (bei Personenschäden für die einzelne Person jedoch nicht mehr als € ……). 2Diese Versicherungssumme bildet auch die Höchstersatzleistung des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.
A2-1.4.2 Serienschaden Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Umwelteinwirkung – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Umwelteinwirkungen – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhende Umwelteinwirkungen, wenn zwischen gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher, Zusammenhang besteht gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt.
7.2 1Für den Umfang der Leistung des VR bildet die angegebene Versicherungssumme die Höchstgrenze bei jedem Versicherungsfall. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. 3Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Umwelteinwirkung – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Umwelteinwirkungen – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhende Umwelteinwirkungen, wenn zwischen gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher, Zusammenhang besteht gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt. 4 Ziff. 6.3 AHB wird gestrichen.
A2-1.4.3 Selbstbeteiligung Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
7.3 Der VN hat bei jedem Versicherungsfall von der Schadensersatzleistung € …… selbst zu tragen.
1 A2-1.4 AVB BHV entspricht Ziff. 7 UmweltHM. Die textlichen Abweichungen sind dem Umstand geschuldet, dass die AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen. Neu ist, dass im Anschluss an A21.4.1 AVB BHV Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, dass mit dem VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-285
1102
A2-1.5 AVB BHV
A2-1.5 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.5 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) 1 A2-1.5 regelt den Versicherungsschutz für einzelne betriebliche und berufliche Risiken, deren Risikobegrenzungen und die für diese Risiken geltenden besonderen Ausschlüsse. Versicherungsschutz für diese Risiken besteht ausschließlich im Umfang der gemäß A2-1.1.3 versicherten Risiken. 2 Soweit A2-1.5 keine abweichenden Regelungen enthält, finden auch auf die in A2-1.5 geregelten Risiken alle anderen Vertragsbestimmungen Anwendung (z.B. A1-5 – Leistungen der Versicherung, A1-7 – Allgemeine Ausschlüsse oder A2-1.6 – Ausschlüsse für Schäden durch Umwelteinwirkung). A2-1.5.1 Schäden an gepachteten Sachen Falls Versicherungsschutz nach A1-6.6.1 (2) für Mietsachschäden vereinbart ist, gilt zusätzlich: Abweichend von A1-7.5 sind im Umfang von A1-6.6.1 (2) auch Schäden an zu betrieblichen oder beruflichen Zwecken gepachteten fremden Gebäuden und/oder Räumen (nicht jedoch an Einrichtungen, Produktionsanlagen und dergleichen) durch Brand, Explosion, Leitungswasser und Abwässer versichert.
Fehlanzeige
A2-1.5.2 Schäden im Ausland 1 Versichert ist – ergänzend zu A1-6.8 – die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen im Ausland eintretender Versicherungsfälle, (1) die auf den Betrieb einer im Inland belegenen Anlage oder eine Tätigkeit im Inland zurückzuführen sind; (2) die auf Tätigkeiten im Sinne des Umweltregressrisikos gemäß A2-1.1.3(6) zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren. 2 Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: (3) die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen im Sinne von A2-1.1.3(6) zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; (4) die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen im Sinne von A2-1.1.3(6) zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen;
Ziff. 9 UmweltHM Versicherungsfälle im Ausland 9.1 1Eingeschlossen sind im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, – die auf den Betrieb einer im Inland belegenen Anlage oder eine Tätigkeit im Inland im Sinne der Ziff. 2.1–2.7 zurückzuführen sind. 2Dies gilt für Tätigkeiten im Sinne der Ziff. 2.6 nur, wenn die Anlagen oder Teile nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; – aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen und Messen, wenn Versicherungsschutz gem. Ziff. 2.7 vereinbart wurde. 9.2 Nur aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung sind eingeschlossen im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, 9.2.1 die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.6 zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; 9.2.2 die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen im Sinne
1103 https://doi.org/10.1515/9783110522686-286
Koch
A2-1.5 AVB BHV
Besondere Regelungen für einzelne Umwelthaftpflichtrisiken
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
UmweltHM/AHB 2016
(5) die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstigen Tätigkeiten gemäß A2-1.1.3(7) zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. 3 Für (3) bis (5) gilt: 4 Der Versicherungsschutz nach (3) bis (5) besteht nur für solche Personen- und Sachschäden, die Folgen einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes sind. 5 Hinweis zu (4) und (5) 6 Falls im Ausland belegene Anlagen versichert werden sollen, kann der Versicherungsschutz durch besondere Vereinbarung im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen erweitert werden.
von Ziff. 2.6 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen; 9.2.3 die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstige Tätigkeiten gem. Ziff. 2.7 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. zu Ziff. 9.2: 1 Der Versicherungsschutz besteht nur für solche Personen- und Sachschäden, die Folgen einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes sind. 2Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gem. Ziff. 5 werden nicht ersetzt. zu Ziff. 9.2.2 und 9.2.3: Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl. 9.3 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche 9.3.1 1aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. 2Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des SGB VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB). 9.3.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages 9.3.3 nach den Artikeln 1792 ff. und 2270 und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartigen Bestimmungen anderer Länder. 9.4 1Aufwendungen des VR für Kosten werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 2 Kosten sind: Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugenund Gerichtskosten, Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung des Schadens bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalles sowie Schadensermittlungskosten, auch Reisekosten, die dem VR nicht selbst entstehen. 3Das gilt auch dann, wenn die Kosten auf Weisung des VR entstanden sind. 9.5 Bei Versicherungsfällen in USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen, gilt: Selbstbeteiligung des VN an jedem Schaden: … %, mindestens € ……, höchstens € …… Kosten gelten als Schadensersatzleistungen. 9.6 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als
Koch
1104
Besondere Regelungen für einzelne Umwelthaftpflichtrisiken
A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
A2-1.5 AVB BHV
UmweltHM/AHB 2016 erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
A2-1.5.3 Schäden durch Abwässer 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden durch Abwässer. Für Sachschäden gilt das nur, soweit es sich um häusliche Abwässer handelt. 2 Für Schäden an gemieteten oder gepachteten Sachen siehe A2-1.5.1. 3 Darüber hinausgehender Versicherungsschutz kann nach A2-1.1.3 (4) und (6) vereinbart werden.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt,
1 A2-1.5.1 AVB BHV hat keine Entsprechung im UmweltHM. A2-1.5.2 AVB BHV entspricht mit redaktionellen Änderungen Ziff. 9.1 und Ziff. 9.2 Um- 2 weltHM. Anstelle der Ziff. 9.3 bis 9.6 UmweltHM gelten die mit den vorgenannten Ziffern inhaltsgleichen Regelungen in A1-7.18, A1-7.19 und A1-6.9 AVB BHV. A2-1 AVB BHV enthält abweichend von Ziff. 10 UmweltHM keine Regelungen für Ansprüche, die im Ausland geltend gemacht werden. 3 A2-1.5.3 Satz 1 AVB BHV entspricht dem Wiedereinschluss in Ziff. 7.14 (1) AHB.
1105
Koch
A2-1.6 AVB BHV
A2-1.6 Ausschlüsse für Schäden durch Umwelteinwirkung A2-1 AVB BHV
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.6 Ausschlüsse für Schäden durch Umwelteinwirkung Falls im Versicherungsschein und seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind – zusätzlich zu A1-7 – vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:
Ziff. 6 UmweltHM Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind
A2-1.6.1 Kleckerschäden Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden oder ein Gewässer gelangen. Das gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Störung des Betriebes beruhen.
6.1 1Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden oder ein Gewässer gelangen. 2Das gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Störung des Betriebes beruhen.
A2-1.6.2 Normalbetrieb Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen. Das gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalls die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste.
6.2 1Ansprüche wegen Schäden, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen. 2Das gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste.
A2-1.6.3 Schäden vor Vertragsbeginn Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die vor Beginn des Versicherungsvertrags eingetreten sind.
6.3 Ansprüche wegen Schäden, die vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten sind.
A2-1.6.4 Frühere Versicherungsverträge Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, für die nach Maßgabe früherer Versicherungsverträge Versicherungsschutz besteht oder hätte beantragt werden können.
6.4 Ansprüche wegen Schäden, für die nach Maßgabe früherer Versicherungsverträge Versicherungsschutz besteht oder hätte beantragt werden können.
A2-1.6.5 Erwerb belasteter Grundstücke Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits von einer Umwelteinwirkung betroffen waren.
6.5 Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits von einer Umwelteinwirkung betroffen waren.
A2-1.6.6 Abfalldeponien Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen.
6.6 Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen.
A2-1.6.7 Produkthaftpflichtrisiko Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach
6.7 1Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflicht). 2Ist Versicherungsschutz nach
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-287
1106
Ausschlüsse für Schäden durch Umwelteinwirkung
A2-1.6 AVB BHV
A2-1 AVB BHV
UmweltHM/AHB 2016
Abschluss der Arbeiten entstehen (Produkthaftpflichtrisiko). Dieser Ausschluss gilt nicht für das Umwelt-Regressrisiko gemäß A2-1.1.3 (6).
Risikobaustein Ziff. 2.6 vereinbart, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht.
A2-1.6.8 Abfall-Produkthaftpflichtrisiko Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN erzeugte oder gelieferte Abfälle nach Auslieferung entstehen.
6.8 Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Abfälle nach Auslieferung entstehen.
A2-1.6.9 Bewusstes Abweichen von rechtlichen Vorschriften 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung.
6.9 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen.
A2-1.6.10 Bewusstes Nichtbefolgen technischer Regeln Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen. A1-2.3 findet keine Anwendung.
6.10 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen.
A2-1.6.11 Lagerstätte und Fließverhalten des 6.13 Ansprüche wegen Schäden infolge der Grundwassers Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden infolge seines Fließverhaltens. der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens. A2-1.6.12 Schäden durch Strahlen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen stehen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen). 2Zum Versicherungsschutz für Schäden durch Strahlen siehe A1-6.11 und Abschnitt A3-6.5.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.12 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen mit energiereichen ionisierenden Strahlen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen).
A2-1.6.13 Genetische Schäden Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen genetischer Schäden.
Ziff. 6 UmweltHM Nicht versicherte Tatbestände Ziff. 6.11 UmweltHM Ansprüche wegen genetischer Schäden.
A2-1.6 AVB BHV enthält 13 Ausschlusstatbestände, die durch A1-7 AVB BHV ergänzt werden. Der 1 um A1-7 AVB BHV ergänzte Ausschlusskatalog ist mit Ausnahme der Schäden durch Strahlen (A2-1.6.12 AVB BHV) identisch mit dem Katalog in Ziff. 6.1.-6.16 UmweltHM. Da der Aussschlusskatalog in Ziff. 6 UmweltHM durch die die AHB ergänzt wird und Ziff. 7.12 AHB Strahlenschäden ausschließt, ergeben sich hinsichtlich des Umfangs der Deckung keine Unterschiede.
1107
Koch
A2-1.8 AVB BHV
A2-1.7 Veränderungen des versicherten Risikos A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.7 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) 1 Abweichend von A1-8 besteht kein Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht des VN aus Erhöhungen und Erweiterungen der in A2-1.1.3 (1) bis A2-1.1.3 (5) genannten Risiken. 2Hiervon unberührt bleiben mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter A2-1.1.3 versicherten Risiken.3Der Versicherungsschutz für erhöhte oder erweiterte Risiken bedarf insoweit besonderer Vereinbarung. 4Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt.
Ziff. 3 UmweltHM Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken 3.2 1Ziff. 3.1 (2) und 3.2 AHB (Erhöhungen und Erweiterungen) finden für die Ziff. 2.1–2.5 keine Anwendung. 2Hiervon unberührt bleiben mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2 versicherten Risiken.
1 A2-1.7 AVB BHV übernimmt die Regelungen zur Risikoerhöhung-/erweiterung in Ziff. 3.2 UmweltHM. Als problematisch erweisen sich die Hinweise in A2-1.7 Satz 3 und 4 AVB BHV. Bei A21.7 Satz 3 AVB BHV wird nicht hinreichend deutlich, dass er sich nur auf A2-1.7 Satz 1 AVB BHV bezieht. Dies gilt auch für den Hinweis auf die Regelungen der Gefahrerhöhung in A2-1.7 Satz 4 AVB BHV. Hier kommt hinzu, dass die Vertragsstrafenregelung in A(GB)-2.1 AVB BHV nur dann wirksam ist, wenn der VR auf die gesetzlichen Vorschriften bei Gefahrerhöhung verzichtet.1 Die Vertragsstrafenregelung ist deshalb bei Vorliegen einer nur mengenmäßigen Veränderung von Stoffen innerhalb der versicherten Bausteine nach § 32 Satz 1 VVG und § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. 2 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Eintritt des Schadens für sich allein genommen keine Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 1 VVG begründet. Vielmehr gilt die daraus resultierende Gefahr gem. § 27 Alt. 2 VVG nach den Umständen als mitversichert. Diese Auslegung ergibt aus dem Sinn und Zweck der Umwelthaftpflichtversicherung. Dem VN darf wegen Eintritts eines Schadens der noch nicht festgestellt worden ist, die Deckung nicht entzogen werden (auch wenn der VR, falls der Schaden schon vor Vertragsabschluss eingetreten wäre, die Versicherung nicht oder jedenfalls nur zu anderen Bedingungen übernommen hätte).
A2-1.8 Neu hinzukommende Risiken A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.8 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) 1 Abweichend von A1-9 besteht kein Versicherungsschutz für Risiken gemäß A2-1.1.3(1) bis A2-1.1.3(5), die nach Abschluss des Versicherungsvertrags neu entstehen. 2Der Versicherungsschutz für neue Risiken bedarf insoweit besonderer Vereinbarung.
Ziff. 3 UmweltHM Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken 3.1 1Die Bestimmungen der Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB (Vorsorgeversicherung) finden für die Ziff. 2.1–2.5 keine Anwendung. 2Der Versicherungsschutz für neue Risiken bedarf insoweit besonderer Vereinbarung.
1 A2-1.8 AVB BHV entspricht abgesehen von der Bezugnahme auf die AHB Ziff. 3 UmweltHM. 1 OLG Stuttgart 25.7.2013 – 7 U 33/13, RuS 2014 61, 63; Langheid/Wandt/Wandt § 32 Rn. 33. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-289
1108
A2-1.9 AVB BHV
A2-1.9 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe A2-1 Umwelthaftpflichtversicherung
UmweltHM/AHB 2016
A2-1.9 Versicherungsschutz nach Betriebseinstellung oder Berufsaufgabe (Nachhaftung) A2-1.9.1 1Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des Versicherungsnehmers, so besteht der Versicherungsschutz für solche Personen-, Sach- oder gemäß A2-1.1.1(2) mitversicherte Vermögensschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: 2 Der Versicherungsschutz – gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet; – besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Umfang des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsvertrags, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall jedoch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. A2-1.9.2 A2-1.9.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist. Ergänzung, falls Nachhaftung in A1-10 vereinbart ist: A2-1.9.3 A1-10 findet keine Anwendung.
Ziff. 8 UmweltHM Nachhaftung 8.1 Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.2 mitversicherte Vermögensschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: – Der Versicherungsschutz gilt für die Dauer von 3 Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – Der Versicherungsschutz besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Rahmen des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfanges, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 8.2 Die Regelung der Ziff. 8.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist.
A2-1.9 AVB BHV enthält im Vergleich zu Ziff. 8 UmweltHM nur redaktionelle Änderungen und 1 den klarstellenden Hinweis darauf, dass die im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung nach A1-10 AVB BHV vereinbarte Nachhaftung keine Anwendung findet.
1109 https://doi.org/10.1515/9783110522686-290
Koch
D. A2 AVB BHV (Umweltrisikoversicherung) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2021)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Begriffsbestimmungen A2-1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen) A2-3 Versicherungsfall A2-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR A2-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) A2-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) A2-6.1 Haus- und Grundbesitz A2-6.2 Vertraglich übernommene Haftpflicht A2-6.3 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A2-6.4 Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen (Miet-/Pachtsachschäden) A2-6.5 Schäden im Ausland A2-6.6 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden A2-6.7 Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften A2-6.8 Schäden durch Strahlen A2-6.9 Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht A2-6.10 Geothermie A2-7 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls A2-8 Allgemeine Ausschlüsse A2-8.1 Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden A2-8.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A2-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander A2-8.4 Schadensfälle von Angehörigen des VN, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen A2-8.5 Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag A2-8.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen A2-8.7 Asbest A2-8.8 Genrisiken A2-8.9 Übertragung von Krankheiten A2-8.10 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen A2-8.11 Bergschäden, Bergbaubetrieb A2-8.12 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger A2-8.13 Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze A2-8.14 Wasserfahrzeuge A2-8.15 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb A2-8.16 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt A2-8.17 Entschädigungen mit Strafcharakter Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-291
1110
Vorbemerkung
A2-9 A2-10 A2-11 A2-12 A2-13 A2-14
AVB BHV
A2-8.18 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen A2-8.19 Sprengstoffe, Feuerwerke A2-8.20 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen A2-8.21 Kleckerschäden A2-8.22 Normalbetrieb A2-8.23 Schäden vor Vertragsbeginn A2-8.24 Grundstücke des VN A2-8.25 Abfälle A2-8.26 Grundwasser A2-8.27 Pflanzenschutz-, Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Klärschlamm A2-8.28 Entwicklungsrisiko A2-8.29 Kommissionsware Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) Nachhaftung Obliegenheiten des VN bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen Zusatzbaustein 1 zum Umweltschadens-Risiko Zusatzbaustein 2 zum Umweltschadens-Risiko
Vorbemerkung Die Umwelthaftpflicht-Basisversicherung und die Umweltschadens-Basisversicherung sind zu- 1 sammenfassend unter der Bezeichnung Umweltrisikoversicherung in A2 AVB BHV geregelt. Im Zeitpunkt der Einführung der A2 AVB BHV entsprach der Versicherungsschutz für Um- 2 welthaftpflichtrisiken dem der Umwelt-Haftpflichtbasisversicherung (UHV Basis). Die Abweichungen waren redaktioneller Art und im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass die A2 AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen. Seither haben Deckungsanpassungen (zumeist Erweiterungen) Eingang in A2 AVB BHV, nicht jedoch in die UHV Basis gefunden, da die UHV Basis vom GDV nicht weitergepflegt werden. Die daraus resultierenden Abweichungen werden nachstehend aufgezeigt.
1111 https://doi.org/10.1515/9783110522686-292
Koch
AVB BHV
Begriffsbestimmungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2021) A2 AVB BHV (Umweltrisiko)
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung im Rahmen der Betriebs- und Berufs-Haftpflichtversicherung (Umwelthaftpflicht-Basisversicherung)(UHV Basis) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015), Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Musterbedingungsstruktur AT (BBR BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015), und Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (inkl. Alternativen für die echte unterjährige Beitragszahlung) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Der Versicherungsschutz umfasst Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Risiko) sowie Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz (Umweltschadens-Risiko). Begriffsbestimmungen Schaden durch Umwelteinwirkung Ein Schaden durch Umwelteinwirkung entsteht, wenn er durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht wird, die sich in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben. Umweltschaden Ein Umweltschaden ist eine – Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer, – Schädigung des Bodens gemäß Umweltschadensgesetz (USchadG). Betriebsstörung Eine Betriebsstörung ist eine plötzliche und unfallartige, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrags eingetretene Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN oder des Dritten. Umwelt-Produktrisiko Das Umwelt-Produktrisiko umfasst Schäden durch Umwelteinwirkung sowie Umweltschäden, soweit diese durch vom VN – hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse (Abfälle sind Erzeugnissen gleichgestellt), – erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen verursacht wurden und der VN die Erzeugnisse in den Verkehr gebracht, die Arbeiten abgeschlossen oder die Leistungen ausgeführt hat.
Ziff. 7.10 BBR BHV Gewässerschaden- und Umweltrisiko 7.10.2 In sonstigen Fällen gilt: 7.10.2.1 Es besteht Versicherungsschutz im Umfang der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung im Rahmen der Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (Umwelthaftpflicht-Basisversicherung).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-293
1112
Begriffsbestimmungen
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2021) A2 AVB BHV (Umweltrisiko)
AVB BHV
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung im Rahmen der Betriebs- und Berufs-Haftpflichtversicherung (Umwelthaftpflicht-Basisversicherung)(UHV Basis) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015), Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Musterbedingungsstruktur AT (BBR BHV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2015), und Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (inkl. Alternativen für die echte unterjährige Beitragszahlung) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Gesetzliche Ansprüche/Pflichten 1 Ist im Folgenden von gesetzlichen Ansprüchen die Rede, beziehen sich diese sowohl auf die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts als auch auf öffentlich-rechtliche Pflichten und Ansprüche nach dem USchadG. 2 Ist im Folgenden von gesetzlichen Pflichten die Rede, beziehen sich diese sowohl auf gesetzliche Schadensersatzverpflichtungen privatrechtlichen Inhalts als auch auf Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen nach dem USchadG.
In den A2 AVB BHV werden (vor die Klammer gezogen) für den Versicherungsschutz bedeutsa- 1 me Begriffe definiert (Umwelteinwirkung, Betriebsstörung, Umwelt-Produktrisiko, Gesetzliche Ansprüche/Pflichten).
1113
Koch
A2-1 AVB BHV
A2-1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-1.1 Umwelthaftpflicht-Risiko A2-1.1.1 1Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Schäden durch Umwelteinwirkung für die gemäß A2-1.4 versicherten Risiken. 2 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für a) Personen-, Sach- oder sich daraus ergebende Vermögensschäden; b) Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch durch Sachschäden entstanden sind, soweit es sich handelt um Schäden aus der Verletzung – von Aneignungsrechten, – des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, – von wasserrechtlichen Benutzungsrechten oder -befugnissen. 3 Diese Vermögensschäden werden wie Sachschäden behandelt.
Ziff. 1 UHV Basis Gegenstand der Versicherung 1.1 1Versichert ist – abweichend von Ziff. 7.10 (b) AHB – im Rahmen und Umfang des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des VN wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkung, wenn diese Umwelteinwirkung nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgeht oder ausgegangen ist, die unter Ziff. 4 fallen. 2 Mitversichert sind gem. Ziff. 2.1 AHB Vermögensschäden aus der Verletzung von Aneignungsrechten, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wasserrechtlichen Benutzungsrechten oder -befugnissen. 3Diese werden wie Sachschäden behandelt.
A2-1.1.2 Versichert sind auch Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten.
Ziff. 5 AHB Leistungen der Versicherung 5.1 Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen.
A2-1.2 Umweltschadens-Risiko A2-1.2.1 Versichert ist die gesetzliche Pflicht öffentlichrechtlichen Inhalts des VN gemäß Umweltschadensgesetz zur Sanierung von Umweltschäden für die gemäß A2-1.4 versicherten Risiken. A2-1.2.2 Versichert sind im Umfang von A2-5.1 folgende Kosten einschließlich notwendiger Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts-, Zeugen-, Verwaltungsverfahrens- und Gerichtskosten A2-1.2.2.1 für die Sanierung von Schäden an geschützten Arten, natürlichen Lebensräumen oder Gewässern: a) die Kosten für die „primäre Sanierung“, das heißt für Sanierungsmaßnahmen, die die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder beeinträchtigten Funktionen ganz oder annähernd in den Ausgangszustand zurückversetzen; b) die Kosten für die „ergänzende Sanierung“, das heißt für Sanierungsmaßnahmen in Bezug auf die natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen, mit denen der Umstand ausgeglichen werden soll, dass die primäre Sanierung nicht zu einer vollständigen Wiederherstellung der geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen führt;
Fehlanzeige
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-294
1114
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2 AVB BHV c)
A2-1 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
1
die Kosten für die „Ausgleichssanierung“, das heißt für die Tätigkeiten zum Ausgleich zwischenzeitlicher Verluste natürlicher Ressourcen und/oder Funktionen, die vom Zeitpunkt des Eintretens des Schadens bis zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die primäre Sanierung ihre Wirkung vollständig entfaltet hat. 2„Zwischenzeitliche Verluste“ sind Verluste, die darauf zurückzuführen sind, dass die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen ihre ökologischen Aufgaben oder ihre Funktionen für andere natürliche Ressourcen nicht erfüllen können, solange die Maßnahmen der primären bzw. der ergänzenden Sanierung ihre Wirkung nicht entfaltet haben. 3 Die Kosten für die Ausgleichssanierung werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von … % der vereinbarten Versicherungssumme ersetzt. A2-1.2.2.2 für die Sanierung von Schädigungen des Bodens: die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen, die zumindest sicherstellen, dass die betreffenden Schadstoffe beseitigt, kontrolliert, eingedämmt oder vermindert werden, so dass der geschädigte Boden unter Berücksichtigung seiner zum Zeitpunkt der Schädigung gegebenen gegenwärtigen oder zugelassenen zukünftigen Nutzung kein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit mehr darstellt.
A2-1.2.3 1Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn der VN von einer Behörde oder einem sonstigen Dritten auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/ Pflichten der oben genannten Art in Anspruch genommen wird. 2Dabei kommt es nicht darauf an, ob der VN auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage in Anspruch genommen wird.
Fehlanzeige
A2-1.3 Zuweisung Fehlanzeige 1 Ansprüche nach dem Umweltschadensgesetz sind im Umfang des Umwelthaftpflicht-Risikos versichert, soweit sie auch ohne das Bestehen des Umweltschadensgesetzes aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 2 Beruhen diese Ansprüche nicht auf einer Umwelteinwirkung, besteht Versicherungsschutz ausschließlich im Umfang von A1. 3 Dies gilt auch für Ansprüche nach anderen nationalen Umsetzungsgesetzen, die auf der EUUmwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basieren.
1115
Koch
A2-1 AVB BHV
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-1.4 Versicherte Risiken 1 Versichert sind die im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen aufgeführten Risiken und Tätigkeiten.
Ziff. 2 UHV Basis Versicherte Risiken 2.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus Anlagen, Betriebseinrichtungen, Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die Ziff. 4 fallen.
2
Versicherungsschutz besteht ausschließlich für folgende Risiken: a) Kleingebinde 1 Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden (Fässer, Kanister, Dosen, Flaschen etc.) mit einem Fassungsvermögen bis … Liter je Einzelgebinde und einer Gesamtlagermenge bis … Liter. 2 Wird die Gesamtlagermenge der Kleingebinde von … Litern überschritten, entfällt der Versicherungsschutz ab diesem Zeitpunkt insgesamt und es bedarf einer besonderen Vereinbarung (siehe A2-1.4 f). b) Fettabscheider c) Umwelt-Produktrisiko d) Probebetrieb Probebetrieb oder Inbetriebnahme von im Auftrag Dritter zu errichtender Anlagen, deren vorübergehender Inhaber der VN ist. e) Allgemeines Umweltrisiko Sonstige Anlagen, Betriebseinrichtungen und Tätigkeiten des VN mit Ausnahme von – Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, – Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, – dem Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird. Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: f) Andere umweltrelevante Risiken Andere im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen aufgeführte umweltrelevante Risiken, die nicht bereits nach a) bis e) versichert sind.
2.2 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß Ziff. 4 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist (Umweltregressrisiko). 2 Der Ausschluss von Schäden durch Abwässer gem. Ziff. 7.14 (1) AHB findet insoweit keine Anwendung. 3 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls werden unter den in Ziff. 6 genannten Voraussetzungen durch den VR ersetzt, sofern Regressansprüche des Inhabers der Anlage gegen den VN bestehen können. 2.3 Falls besonders vereinbart, gilt: Versichert ist – abweichend von Ziff. 4.1 (WHGAnlagen) – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden (Fässer, Kanister, Dosen, Flaschen etc.) mit einem Fassungsvermögen bis … Liter je Einzelgebinde und einer Gesamtlagermenge bis … Liter. 2.4 Falls besonders vereinbart, gilt: Versichert ist – abweichend von Ziff. 4.4 (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko) – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem Betrieb von … (Anzahl) – Fettabscheidern, – Benzin- und Ölabscheidern einschließlich Schäden durch Abwässer aus diesen Anlagen.
A2-1.5 Versicherungsschutz gemäß A2-1.4 besteht auch, wenn – gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen in Boden, Luft oder Wasser
Ziff. 1.2 UHV Basis Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn gelagerte Stoffe bei ihrer Verwendung im räumlichen und gegenständlichen Zusammenhang mit versicherten Anlagen in Boden, Luft oder Wasser (einschl. Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein.
Koch
1116
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2-1 AVB BHV
A2 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
(einschließlich Gewässer) gelangen, ohne in diese eingebracht oder eingeleitet zu sein; – Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen.
Ziff. 1.3 UHV Basis Der Versicherungsschutz bezieht sich auch auf die Haftpflicht wegen Schäden eines Dritten, die dadurch entstehen, dass Stoffe in Abwässer und mit diesen in Gewässer gelangen.
A2-1.6 1Im Rahmen des versicherten Risikos sind mitversichert Ansprüche wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Dritte (Subunternehmer). 2 Nicht versichert sind gesetzliche Pflichten der Subunternehmer selbst und deren Betriebsangehörigen.
Fehlanzeige
A2-1.7 Kein Versicherungsschutz besteht für Pflichten oder Ansprüche, soweit sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder Zusage über die gesetzliche Verpflichtung des VN hinausgehen.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.3 Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des VN hinausgehen.
A2-1.1 AVB BHV legt den Gegenstand der Versicherung fest. A2-1.1.1 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 1.1 UHV Basis. Im Vergleich zur UHV-Basis sind gem. A2-1.3 AVB BHV weitergehend auch Ansprüche nach dem Umweltschadensgesetz versichert, soweit sie auch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. Diese Erweiterung, die auch in A2-1.1.2 AVB BHV enthalten ist, betrifft Regressansprüche, die gegen den VN wegen eines Umweltschadens geltend gemacht werden (vgl. A2-1.1 AVB BHV Rn. 2). Die versicherten Risiken und Tätigkeiten werden in A2-1.4 AVB BHV positiv beschrieben. Abweichend von Ziff. 2 UHV Basis ist die Lagerung von gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden und der Betrieb von Fettabscheidern gem. A2-1.4 lit. a) und b) AVB BHV standardmäßig mitversichert. Da das anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko (= Umweltregressrisiko) unter den Begriff des Umwelt-Produktrisikos fällt, ist es abweichend von Ziff. 2.2 UHV Basis in A2 AVB BHV nicht mehr gesondert aufgeführt. Versicherungsschutz sowohl für das anlagenbezogene als auch das für das nicht anlagenbezogene Umwelt-Produkthaftpflichtrisiko besteht nach A21.4 lit. c) AVB BHV. Darüber hinaus werden nach A2-1.4 lit. d) AVB BHV auch Schäden durch Umwelteinwirkung ersetzt, die aus dem Probebetrieb oder der Inbetriebnahme von im Auftrag Dritter zu errichtender Anlagen, deren vorübergehender Inhaber der VN ist. Der Versicherungsschutz für das allgemeine Umwelt-Betriebsrisiko in A2-1.4 lit. e) AVB BHV entspricht Ziff. 2.1 UHV Basis. A2-1.5 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 1.2 und 1.3 UHV Basis. Die Abweichungen sind redaktioneller Art und zum Teil dem Umstand geschuldet, dass die AVB BHV nicht auf den AHB aufbauen A2-1.6 AVB BHV, demzufolge auch Ansprüche gegen den VN wegen Schäden aus der Vergabe von Leistungen an Subunternehmer versichert sind, ist nur deklaratorischer Natur.
1117
Koch
1 2 3
4
5
6
7 8
9
A2-2 AVB BHV
A2-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen) A2-2.1 Versichert sind gesetzliche Ansprüche gegen A2-2.1.1 die gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, für Schäden, die sie in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten für den VN verursachen; A2-2.1.2 1sämtliche übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung betrieblicher oder beruflicher Tätigkeiten für den VN verursachen. 2 Betriebsangehörige sind beispielsweise auch in den Betrieb eingegliederte Arbeitnehmer fremder Unternehmen, Praktikanten, Volontäre und Hospitanten. 3 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 4Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
Ziff. 7.1.2 BBR BHV Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.1.2.3 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; 7.1.2.4 1sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
A2-2.1.3 den Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter für Schäden aus der Ausübung der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit.
Fehlanzeige
A2-2.1.4 Versicherungsschutz für die in A2-2.1.1 bis A22.1.3 genannten Personen besteht auch, wenn sie aus ihrer früheren Tätigkeit für den versicherten Betrieb in Anspruch genommen werden.
Fehlanzeige
A2-2.2 1Alle für den VN geltenden Vertragsbestimmungen sind auf die mitversicherten Personen entsprechend anzuwenden. 2Dies gilt nicht für die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A210), wenn das neue Risiko nur für eine mitversicherte Person entsteht. A2-2.3 Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, entfällt der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen. A2-2.4 1Die Rechte aus diesem Versicherungsvertrag darf nur der VN ausüben. 2Für die Erfüllung der Obliegenheiten sind sowohl der VN als auch die mitversicherten Personen verantwortlich.
Ziff. 27 AHB 27.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden. 2 Die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4.) gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Mitversicherten entsteht. 27.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2 Er ist neben den Mitversicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-295
1118
Versicherungsfall
A2-3 AVB BHV
A2-2.1.1 und A2-2.1.2 AVB BHV sind wortgleich mit Ziff. 7.1.2.3 und 7.1.2.4 BBR BHV, weshalb 1 auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 7.1 BBR BHV Rn. 48 ff.). A2-2.1.3 und A2-2.1.4 AVB BHV sind identisch mit A1-2.1.3 und A1-2.1.4 AVB BHV, weshalb 2 auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (A1-2 AVB BHV Rn. 2 ff.). A2-2.2 bis A2-2.4 AVB BHV sind identisch mit Ziff. 27 AHB, weshalb auf die dortige Kom- 3 mentierung verwiesen wird.
A2-3 Versicherungsfall AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-3 Versicherungsfall 1 Versicherungsfall ist die nachprüfbare erste Feststellung des – Personen-, Sach-, oder gemäß A2-1.1.1 b) mitversicherten Vermögensschadens (Umwelthaftpflicht-Risiko), – Umweltschadens (Umweltschadens-Risiko) durch den VN, den Geschädigten, die zuständige Behörde oder einen sonstigen Dritten. 2 Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von gesetzlichen Ansprüchen erkennbar war.
Ziff. 5 UHV Basis Versicherungsfall Versicherungsfall ist – abweichend von Ziff. 1.1 AHB – die nachprüfbare erste Feststellung des Personenschadens, Sachschadens oder eines gemäß Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschadens durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den VN. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3 Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war. 1
A2-3 AVB BHV entspricht Ziff. 5 UHV Basis. Dass in A2-3 AVB BHV auch die zuständige Behörde 1 neben einem sonstigen Dritte als feststellungsberechtigt benannt ist, bringt im Vergleich zu Ziff. 5 UHV Basis keine Änderung mit sich, da unter den Begriff des sonstigen Dritten auch Behörden fallen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese zuständig (wofür?) sind. Die Neuformulierung ist geeignet, zu Deckungsstreitigkeiten zu führen.
1119 https://doi.org/10.1515/9783110522686-296
Koch
A2-4 AVB BHV
A2-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-4 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR
Ziff. 5 AHB Leistungen der Versicherung
A2-4.1 Der Versicherungsschutz umfasst a) die Prüfung der gesetzlichen Pflichten und Ansprüche, b) die Abwehr unberechtigter gesetzlicher Ansprüche und c) 1die Freistellung des VN von berechtigten – Schadensersatzverpflichtungen (Umwelthaftpflicht-Risiko), – Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen (Umweltschadens-Risiko). 2 Berechtigt sind Verpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleichs zur Entschädigung, Sanierungs- und Kostentragung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse oder Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4Ist die Verpflichtung mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
5.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 2 Berechtigt sind Schadensersatzverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Entschädigung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Schadensersatzverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen.
A2-4.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder der Abwehr unberechtigter gesetzlicher Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit oder Verwaltungsverfahren gegen den VN über Schadensersatzansprüche, Sanierungs- oder Kostentragungsverpflichtungen, ist der VR bevollmächtigt, das Verfahren und den Prozess zu führen. 3 Er führt den Rechtsstreit oder das Verwaltungsverfahren im Namen des VN.
5.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den VN, ist der VR zur Prozessführung bevollmächtigt. 3Er führt den Rechtsstreit im Namen des VN auf seine Kosten.
A2-4.3 Wird in einem Strafverfahren wegen a) eines Schadenereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann (Umwelthaftpflicht-Risiko), b) eines Umweltschadens/Umweltdeliktes, der/das eine unter den Versicherungsschutz fallende Sanierungsund Kostentragungsverpflichtung zur Folge haben kann (Umweltschadens-Risiko), die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gesetzliche Vergütung oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
5.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-297
1120
Leistungen der Versicherung und Vollmacht des VR
A2-4 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-4.4 Erlangt der VN oder eine mitversicherte Person das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR bevollmächtigt, dieses Recht auszuüben.
5.4 Erlangt der VN oder ein Mitversicherter das Recht, die Aufhebung oder Minderung einer zu zahlenden Rente zu fordern, so ist der VR zur Ausübung dieses Rechts bevollmächtig.
A2-4 AVB BHV entspricht – soweit es um das Umwelthaftpflichtrisiko geht – Ziff. 5 AHB.
1121
1
Koch
A2-5 AVB BHV
A2-5 Begrenzung der Leistungen AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-5 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung)
Ziff. 6 AHB Begrenzung der Leistungen
A2-5.1 Versicherungssumme und Jahreshöchstersatzleistung A2-5.1.1 Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: 1 Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarte Versicherungssumme begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt. 3 Die Aufwendungen des VR für Kosten gemäß A2-1.1.2 werden nicht auf die Versicherungssumme angerechnet. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssummen betragen für Personenschäden € …, für Sachschäden und für die gemäß A2-1.1.1 b) mitversicherten Vermögensschäden €… Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme beträgt für Personen-, Sachsowie die gemäß A2-1.2 mitversicherten Vermögensschäden € … 5 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Entschädigungsleistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
6.1 1Die Entschädigungsleistung des VR ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt
A2-5.1.2 Für das Umweltschadens-Risiko gilt: 1 Die Leistung des VR gemäß A2-1.2.2 ist bei jedem Versicherungsfall auf die vereinbarte Versicherungssumme begrenzt. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere sanierungs- oder kostentragungspflichtige Personen erstreckt. 3 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, werden als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 4 Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall €… 5 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Leistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.
Fehlanzeige
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-298
6.2 Sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, sind die Entschädigungsleistungen des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres auf das …-fache der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt.
1122
Begrenzung der Leistungen
A2-5 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-5.2 Serienschaden Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Umwelteinwirkung, – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Umwelteinwirkungen, – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhende Umwelteinwirkungen, wenn zwischen den gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, oder – die Lieferung von Erzeugnissen mit gleichen Mängeln, gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall (Serienschaden), der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt.
6.3 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle gelten als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese – auf derselben Ursache, – auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem und zeitlichem, Zusammenhang oder – auf der Lieferung von Waren mit gleichen Mängeln beruhen.
A2-5.3 Selbstbeteiligung 1 Falls vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall – für das Umwelthaftpflicht-Risiko an der Entschädigungsleistung des VR – für das Umweltschadensrisiko an den gemäß A21.2.2 versicherten Kosten mit einem im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen festgelegten Betrag (Selbstbeteiligung). 2 Auch wenn die begründeten Ansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Ansprüche abgezogen. 3A2-5.1 bleibt unberührt. 4 Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, bleibt der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme verpflichtet.
6.4 1Falls besonders vereinbart, beteiligt sich der VN bei jedem Versicherungsfall mit einem im Versicherungsschein festgelegten Betrag an der Schadensersatzleistung (Selbstbehalt). 2 Auch wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen, wird die Selbstbeteiligung vom Betrag der begründeten Haftpflichtansprüche abgezogen. 3 Ziff. 6.1 bleibt unberührt. 4 Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde, ist der VR auch bei Schäden, deren Höhe die Selbstbeteiligung nicht übersteigt, zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche verpflichtet.
A2-5.4 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Anspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Kosten gemäß A2-1.1.2 sowie A2-1.2.2 und Zinsen nicht aufzukommen.
6.8 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Haftpflichtanspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Entschädigungsleistung, Zinsen und Kosten nicht aufzukommen
A2-5.5 Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: Übersteigen die begründeten Ansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
6.6 Übersteigen die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme, trägt der VR die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe dieser Ansprüche.
A2-5.6 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet.
6.7 1Hat der VN an den Geschädigten Rentenzahlungen zu leisten und übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder den nach Abzug etwaiger sonstiger Leistungen aus dem Versicherungsfall noch verbleibenden Restbetrag der Versicherungssumme, so wird die zu leistende Rente nur im Verhältnis der Versicherungssumme bzw. ihres Restbetrages zum Kapitalwert der Rente vom VR erstattet.
1123
Koch
A2-5 AVB BHV
Begrenzung der Leistungen
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
2
2
Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls. 3 Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muss, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
Für die Berechnung des Rentenwertes gilt die entsprechende Vorschrift der Verordnung über den Versicherungsschutz in der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. 3 Bei der Berechnung des Betrages, mit dem sich der VN an laufenden Rentenzahlungen beteiligen muß, wenn der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme oder die nach Abzug sonstiger Leistungen verbleibende Restversicherungssumme übersteigt, werden die sonstigen Leistungen mit ihrem vollen Betrag von der Versicherungssumme abgesetzt.
1 A2-5 AVB BHV entspricht – soweit es um das Umwelthaftpflichtrisiko geht – Ziff. 6 AHB. Neu ist, dass Textvarianten für den Fall vorgeschlagen werden, ob mit dem VN getrennte oder pauschale Versicherungssummen vereinbart worden sind.
Koch
1124
A2-6 AVB BHV
A2-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-6 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) 1 A2-6 regelt den Versicherungsschutz für einzelne betriebliche und berufliche Risiken, deren Risikobegrenzungen und die für diese Risiken geltenden besonderen Ausschlüsse. 2Versicherungsschutz für diese Risiken besteht ausschließlich im Umfang der gemäß A2-1.4 versicherten Risiken. 3 Soweit A2-6 keine abweichenden Regelungen enthält, finden auch auf die in A2-6 geregelten Risiken alle anderen Vertragsbestimmungen Anwendung (z.B. A2-4 – Leistungen der Versicherung oder A2-8 – Allgemeine Ausschlüsse). A2-6.1 Haus- und Grundbesitz A2-6.1.1 Versichert sind gesetzliche Pflichten des VN a) 1als Besitzer (z.B. Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nießbraucher) von Grundstücken, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden. 2Versichert sind hierbei Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen). b) aus der Vermietung oder Verpachtung betrieblicher Grundstücke, Gebäude oder Räumlichkeiten oder Teilen davon an Betriebsfremde.
Ziff. 7.1.2 BBR BHV Mitversicherte Personen Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.1.2.1 des VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Grundstücken, nicht jedoch von Luftlandeplätzen, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des VN und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden (Umfang des Versicherungsschutzes siehe Ziff. 7.3)
A2-6.1.2 Versichert sind für die in A2-6.1.1 genannten Risiken auch gesetzliche Pflichten a) 1des VN als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Erdarbeiten) bis zu einer veranschlagten Bausumme von € … je Bauvorhaben. 2Wenn der Betrag überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz.
Ziff. 7.3.2 BBR BHV Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht 7.3.2.1 1des VN als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Erdarbeiten) bis zu einer Bausumme von € … je Bauvorhaben.
1125 https://doi.org/10.1515/9783110522686-299
Ziff. 7.3 BBR BHV Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung Wenn der VN auf dem Grundstück einen Betrieb unterhält oder einen Beruf ausübt, wird Versicherungsschutz für das Haftpflichtrisiko aus dem Haus- und Grundbesitz nur durch eine besondere Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung gewährt. (Bei Vermietung von Teilen des Grundstücks an Betriebsfremde siehe Tarif IZ Ziff. 3.) Ziff. 7.3.1 BBR BHV 1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN als Haus- und/oder Grundstücksbesitzer, z.B. als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer oder Nutznießer. 2Versichert sind hierbei Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten, die dem VN in den oben genannten Eigenschaften obliegen (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen).
Koch
A2-6 AVB BHV
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
b) des VN als früherer Besitzer aus § 836 Absatz 2 BGB, wenn die Versicherung bis zum Besitzwechsel bestand. c) 1der vom VN durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung der Grundstücke beauftragten Personen für Ansprüche, die gegen sie aus Anlass der Ausführung dieser Verrichtung erhoben werden. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das Gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden.
2
Für die private Haus- und GrundstücksbesitzerHaftpflicht-Versicherung nach Ziff. 2.1.1 MusterTarifstruktur-Teil VIII gilt zusätzlich: 3 Wenn der Betrag überschritten wird, entfällt dieser Versicherungsschutz. 4Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (Ziff. 4 AHB). 7.3.2.2 des VN als früherer Besitzer aus § 836 Abs. 2 BGB, wenn die V bis zum Besitzwechsel bestand; 7.3.2.3 1der durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung der Grundstücke beauftragten Personen für Ansprüche, die gegen sie aus Anlass der Ausführung dieser Verrichtung erhoben werden. 2 Ausgeschlossen sind Ansprüche aus Personenschäden, bei denen es sich um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Betrieb des VN gemäß dem SGB VII handelt. 3Das gleiche gilt für solche Dienstunfälle gemäß den beamtenrechtlichen Vorschriften, die in Ausübung oder infolge des Dienstes Angehörigen derselben Dienststelle zugefügt werden;
A2-6.2 Vertraglich übernommene Haftpflicht Versichert ist die vom VN als Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Leasinggeber, Verpächter, Verleiher) in dieser Eigenschaft.
Ziff. 7.1.3.3 BBR BHV Vertraglich übernommene Haftpflicht Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.3 AHB – die vom VN als Mieter, Entleiher, Pächter oder Leasingnehmer durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des jeweiligen Vertragspartners (Vermieter, Verleiher, Verpächter, Leasinggeber) in dieser Eigenschaft.
A2-6.3 Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden: A2-6.3.1 Versichert ist – abweichend von A2-8.12 – die gesetzliche Pflicht des VN wegen Schäden durch den Gebrauch ausschließlich von folgenden nicht versicherungspflichtigen Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeug-Anhängern: a) nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrende Kraftfahrzeuge ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit; b) Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; c) Stapler mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; d) selbst fahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauart-bedingter Höchstgeschwindigkeit; e) Kraftfahrzeug-Anhänger, die nicht zulassungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. A2-6.3.2 1Die in A2-6.3.1 genannten Fahrzeuge dürfen nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden.
Ziff. 7.5 BBR BHV Mitversicherung des KfzHaftpflichtrisikos 7.5.1 Durch die Allgemeine Haftpflichtversicherung können folgende, nicht versicherungspflichtige Kfz versichert werden: 7.5.1.1 Alle nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrenden Kfz ohne Rücksicht auf eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit*; 7.5.1.2 alle Kfz mit nicht mehr als 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit; 7.5.1.3 alle Stapler mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit**; 7.5.1.4 alle selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit***; 7.5.1.5 Kfz-Anhänger, die nicht zulassungspflichtig sind oder nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren. 7.5.2 Für diese Kfz gilt der Ausschluss in Ziff. 4.3 (1) AHB nicht. 7.5.3 Hierfür gilt: 1 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 2Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 3Der VN ist
Koch
1126
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
A2-6 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
2
Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 3 Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Fahrzeuge nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht werden. 4 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 5Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nur von einem Fahrer benutzt wird, der die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 6 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt B3-3.3 (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 4 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 5Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. 6 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt Ziff. 26 AHB (Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten).
A2-6.4 Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen (Miet-/Pachtsachschäden) Miet-/Pachtsachschäden sind Schäden an fremden, vom VN oder von seinen Bevollmächtigten oder Beauftragten gemieteten oder gepachteten Sachen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. A2-6.4.1 1Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Miet-/Pachtsachschäden ausschließlich an a) anlässlich von Dienst- und Geschäftsreisen gemieteten Räumen in Gebäuden. b) zu betrieblichen oder beruflichen Zwecken gemieteten oder gepachteten Gebäuden und/oder Räumen (nicht jedoch an Grundstücken, Einrichtungen, Produktionsanlagen und dergleichen. 2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche wegen – Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden; – Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 3Der Ausschluss gilt nicht, sofern diese Schäden durch Brand, Explosion, Leitungswasser oder Abwasser entstanden sind. Variante für getrennte Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Miet-/Pachtsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall € … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt €… 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 4 Die Versicherungssumme für Miet-/Pachtsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall € … 5Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt €…
Ziff. 7.1.3.4 BBR BHV Mietsachschäden 7.1.3.4.1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden, die anlässlich von Dienst- und Geschäftsreisen an gemieteten Räumen in Gebäuden entstehen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. 7.1.3.4.2 Falls besonders vereinbart, gilt: 1 Eingeschlossen ist – abweichend von Ziff. 7.6 AHB – die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden an zu betrieblichen Zwecken gemieteten (nicht geleasten) Gebäuden und/oder Räumen (nicht jedoch an Einrichtung, Produktionsanlagen und dgl.) und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden durch Brand, Explosion, Leitungswasser und – insoweit abweichend von Ziff. 7.14 (1) AHB – durch Abwässer. Variante für getrennte Versicherungssummen: 2 Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall € … 3Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt € … 4 Es erfolgt eine Anrechnung auf die SachschadenVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 2 Die Versicherungssumme für Mietsachschäden an Gebäuden und/oder Räumen beträgt je Versicherungsfall € … 3Die Höchstersatzleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt € … 6 Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. 7.1.3.4.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – von Gesellschaftern des VN; – von gesetzlichen Vertretern des VN und solchen Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat;
1127
Koch
A2-6 AVB BHV
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
6
Es erfolgt eine Anrechnung auf die PauschalVersicherungssumme je Versicherungsfall sowie auf die Jahreshöchstersatzleistung. A2-6.4.2 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind – in Ergänzung von A2-8.4 – auch Ansprüche von a) Gesellschaftern des VN; b) gesetzlichen Vertretern des VN und solchen Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat und deren Angehörigen gemäß A2-8.4 a) Absatz 2, wenn sie mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben; c) Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbunden sind und unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen.
– von Angehörigen (s. Ziff. 7.5 (1) Abs. 2 AHB) der vorgenannten Personen, wenn sie mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben; – von Unternehmen, die mit dem VN oder seinen Gesellschaftern durch Kapital mehrheitlich verbundene sind und unter einer einheitlichen unternehmerischen Leitung stehen.
A2-6.5 Schäden im Ausland A2-6.5.1 Versichert sind gesetzliche Pflichten oder Ansprüche wegen im Ausland eintretender Versicherungsfälle ausschließlich, wenn diese a) 1auf den Betrieb einer im Inland belegenen Anlage oder eine Tätigkeit im Inland zurückzuführen sind. 2 Dies gilt nicht für die Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen, die ins Ausland gelangen. Versicherungsschutz dafür besteht ausschließlich nach d) und e); b) aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen, Kongressen, Messen und Märkten gemäß A2-1.4 e) entstehen; c) aus Arbeiten oder Leistungen im europäischen Ausland entstehen; d) durch Erzeugnisse entstehen, die ins Ausland gelangt sind, ohne dass der VN dorthin geliefert hat oder hat liefern lassen (indirekter Export); e) durch Erzeugnisse entstehen, die der VN ins europäische Ausland geliefert hat oder hat liefern lassen (direkter Export). Zu d) und e): Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Versicherungsfälle in den USA, US-Territorien oder Kanada durch Erzeugnisse, die im Zeitpunkt ihrer Auslieferung durch den VN oder von ihm beauftragte Dritte ersichtlich für eine Lieferung dorthin bestimmt waren. f) auf sonstige Tätigkeiten gemäß A2-1.4 e) zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im europäischen Ausland erfolgen, g) 1aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind, soweit diese Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten den Bestimmungen des SGB VII unterliegen. 2Dies gilt ausschließlich für den VN und für die in A2-2.1.1 genannten Personen.
Ziff. 10 UHV Basis Versicherungsfälle im Ausland 10.1 Eingeschlossen sind im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, – 1die auf eine Umwelteinwirkung im Inland oder eine Tätigkeit im Sinne der Ziff. 2.2 im Inland zurückzuführen sind. 2Dies gilt für Tätigkeiten im Sinne der Ziff. 2.2 nur, wenn die Anlagen oder Teile nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; – aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen und Messen.
Koch
10.2 Nur aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung sind eingeschlossen im Umfang von Ziff. 1 dieser Bedingungen – abweichend von Ziff. 7.9 AHB – auch im Ausland eintretende Versicherungsfälle, 10.2.1 die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.2 zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; 10.2.2 die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen im Sinne von Ziff. 2.2 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen; 10.2.3 die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstigen Tätigkeiten zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. zu Ziff. 10.2: Der Versicherungsschutz besteht nur für solche Personen- und Sachschäden, die Folgen einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes sind. Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß Ziff. 6 werden nicht ersetzt. zu Ziff. 10.2.2 und 10.2.3: Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht für im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl.
1128
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
A2-6 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
2
Für Anlagen oder Betriebsstätten (z.B. Produktionsoder Vertriebsniederlassungen, Läger) besteht Versicherungsschutz ausschließlich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. 3 Falls im Ausland belegene Anlagen oder Betriebsstätten (z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger) versichert werden sollen, bedarf es einer besonderen Vereinbarung.
10.3 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche 10.3.1 1aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Personen, die vom VN im Ausland eingestellt oder dort mit der Durchführung von Arbeiten betraut worden sind. 2 Eingeschlossen bleiben jedoch Haftpflichtansprüche gegen den VN und die unter Ziff. 7.1.2.3 BBR BHV genannten Personen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die den Bestimmungen des SGB VII unterliegen (siehe Ziff. 7.9 AHB); 10.3.2 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages; 10.3.3 nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Artikel 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
A2-6.5.2 Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: a) Aufwendungen des VR für Kosten nach A2-1.1.2 werden – abweichend von A2-5.1.1 Absatz 2 – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. b) 1Bei Versicherungsfällen in den USA/US-Territorien und Kanada oder Ansprüchen, die dort geltend gemacht werden, gilt: 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 3 Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten nach A2-1.1.2 berücksichtigt.
10.4 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugenund Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 10.5 1Bei Versicherungsfällen in USA/US-Territorien und Kanada oder in den USA/US-Territorien und Kanada geltend gemachten Ansprüchen, gilt: 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 3 Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten gem. Ziff. 10.4 berücksichtigt.
A2-6.5.3 Für das Umweltschadens-Risiko gilt: 1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/ 35/EG). 2 Versichert sind jedoch, insoweit abweichend von A21.2.1 auch Pflichten oder Ansprüche gemäß nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EU-Mitgliedstaaten, sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der oben genannten EU-Richtlinie nicht überschreiten.
Fehlanzeige
A2-6.5.4 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2 Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
10.6 Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
A2-6.6 Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden Für gesetzliche Pflichten und Ansprüche aus inländischen Versicherungsfällen, die im Ausland geltend gemacht werden, gelten A2-6.5.2 bis A2-6.5.4
Ziff. 11 UHV Basis Inländische Versicherungsfälle, die im Ausland geltend gemacht werden Für Ansprüche, die im Ausland geltend gemacht werden, gilt: 11.1 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche 11.1.1 auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages.
1129
Koch
A2-6 AVB BHV
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016 11.1.2 nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder. 11.2 Aufwendungen des VR für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugenund Gerichtskosten, werden – abweichend von Ziff. 6.5 AHB – als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. 11.3 1Bei Versicherungsfällen, die in USA/USTerritorien und Kanada geltend gemacht werden, gilt: 2 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: … 3 Bei der Selbstbeteiligung werden auch die Kosten gem. Ziff. 10.4 berücksichtigt. 11.4 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
A2-6.7 Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften Versichert sind gesetzliche Ansprüche gegen den VN aus der Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften. Dies gilt auch, wenn sich diese Ansprüche gegen die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst richten.
Ziff. 7.6.1 BBR BHV Arbeits- und Liefergemeinschaften Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus der Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften auch dann, wenn sich der Haftpflichtanspruch gegen die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst richtet. 2 Für die Teilnahme an Arbeits- oder Liefergemeinschaften gelten unbeschadet der sonstigen Vertragsbedingungen (insbesondere der Versicherungssummen) folgende Bestimmungen: 1
A2-6.7.1 Sind die Aufgaben nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Bauabschnitten aufgeteilt, besteht ausschließlich Versicherungsschutz für Schäden, die der VN im Rahmen der von ihm übernommenen Aufgabe verursacht hat.
Fehlanzeige
A2-6.7.2 Sind die Aufgaben nicht im Sinne von A2-6.7.1 aufgeteilt oder ist der schadenverursachende Partner nicht zu ermitteln, gilt: a) 1Die Ersatzpflicht des VR ist auf die Quote beschränkt, welche der prozentualen Beteiligung des VN an der Arbeits- oder Liefergemeinschaft entspricht. 2Dabei ist es unerheblich, welcher Partnerfirma die schadenverursachenden Personen oder Sachen (Arbeitsmaschinen, Baugeräte, Baumaterialien usw.) angehören. b) 1Die Ersatzpflicht des VR erweitert sich innerhalb der vereinbarten Versicherungssummen über A2-6.7.2 a) hinaus für den Fall, dass über das Vermögen eines Partners das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist und für diesen Partner wegen Nichtzahlung seines
Ziff. 7.6.1.1 BBR BHV Die Ersatzpflicht des VR bleibt auf die Quote beschränkt, welche der prozentualen Beteiligung des VN an der Arbeits- oder Liefergemeinschaft entspricht. 2 Dabei ist es unerheblich, welcher Partnerfirma die schadenverursachenden Personen oder Sachen (Arbeitsmaschinen, Baugeräte, Baumaterialien usw.) angehören. Ziff. 7.6.1.4 BBR BHV 1 Die Ersatzpflicht des VR erweitert sich innerhalb der vereinbarten Versicherungssummen über Ziff. 7.6.1.1 hinaus für den Fall, dass über das Vermögen eines Partners das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist und für diesen Partner wegen Nichtzahlung seines Beitrages kein Versicherungsschutz besteht. 2Ersetzt
Koch
1
1130
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
AVB BHV Beitrags kein Versicherungsschutz besteht. 2Ersetzt wird der dem VN zugewachsene Anteil, soweit für ihn nach dem Ausscheiden des Partners und der dadurch erforderlichen Auseinandersetzung ein Fehlbetrag verbleibt.
A2-6 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016 wird der dem VN zugewachsene Anteil, soweit für ihn nach dem Ausscheiden des Partners und der dadurch erforderlichen Auseinandersetzung ein Fehlbetrag verbleibt.
A2-6.7.3 Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Ansprüche a) wegen Schäden an den von den einzelnen Partnern in die Arbeitsgemeinschaft eingebrachten oder von der Arbeitsgemeinschaft beschafften Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, gleichgültig, von wem die Schäden verursacht wurden. b) der Partner der Arbeits- oder Liefergemeinschaft untereinander sowie der Arbeits- oder Liefergemeinschaft gegen die Partner und umgekehrt.
Ziff. 7.6.1.2 BBR BHV Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Ansprüche wegen Schäden an den von den einzelnen Partnern in die Arbeitsgemeinschaft eingebrachten oder von der Arbeitsgemeinschaft beschafften Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, gleichgültig, von wem die Schäden verursacht wurden. Ziff. 7.6.1.3 BBR BHV Ebenso bleiben ausgeschlossen Ansprüche der Partner der Arbeits- oder Liefergemeinschaft untereinander sowie Ansprüche der Arbeits- oder Liefergemeinschaft gegen die Partner und umgekehrt.
A2-6.7.4 Versicherungsschutz im Umfang von A2-6.7.1 bis A2-6.7.3 besteht auch für die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst.
Ziff. 7.6.1.5 BBR BHV Versicherungsschutz im Rahmen der Ziff. 7.6.1.1 bis 7.6.1.3 besteht auch für die Arbeits- oder Liefergemeinschaft selbst.
A2-6.8 Schäden durch Strahlen A2-6.8.1 1Versichert ist die gesetzliche Pflicht des VN wegen Schäden, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen stehen (z.B. Strahlen von radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen). 2 Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt dies ausschließlich für a) den deckungsvorsorgefreien Umgang mit radioaktiven Stoffen; b) den Besitz und die Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern; c) vom VN gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet werden, ohne dass dies für den VN ersichtlich war. 4 Dies gilt nicht für Schäden, – die durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen; – die durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind. A2-6.8.2 1Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen abweichen. 2 A2-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 7.1.3.1 BBR BHV Strahlenschäden 7.1.3.1.1 1Eingeschlossen ist abweichend von Ziff. 7.12 AHB und Ziff. 7.10 (b) AHB die gesetzliche Haftpflicht des VN aus – dem deckungsvorsorgefreien Umgang mit radioaktiven Stoffen; – Besitz und Verwendung von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern. 2 Soweit der vorstehende Einschluss auch Schäden durch Umwelteinwirkung umfasst, besteht kein Versicherungsschutz über die Umwelthaftpflicht-BasisVersicherung. 7.1.3.1.2 1Werden vom VN gelieferte Erzeugnisse, Arbeiten oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen verwendet, ohne dass dies für den VN ersichtlich war, wird sich der VR nicht auf Ziff. 7.12 AHB berufen. 2 Dies gilt nicht für Schäden, – die durch den Betrieb einer Kernanlage bedingt sind oder von einer solchen Anlage ausgehen; – die durch die Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung bedingt sind. 7.1.3.1.3 Ausgeschlossen bleiben Ansprüche – wegen Personenschäden solcher Personen, die gleichgültig für wen oder in wessen Auftrag aus beruflichem oder wissenschaftlichem Anlass im Betrieb des VN eine Tätigkeit ausüben und hierbei die von energiereichen ionisierenden Strahlen oder Laserstrahlen ausgehenden Gefahren in Kauf zu nehmen haben;
1131
Koch
A2-6 AVB BHV
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016 – gegenüber jedem VN oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von dem Strahlenschutz dienenden Gesetzen, Verordnungen, behördlichen Verfügungen oder Anordnungen verursacht hat.
A2-6.9 Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht Fehlanzeige 1 Versichert ist eine vertragliche Haftungserweiterung ausschließlich insoweit, als der VN gegenüber seinen Abnehmern vertraglich auf die Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 377 HGB, Art. 38, 39 UN-Kaufrecht oder vergleichbarer anwendbarer Bestimmungen verzichtet. 2 Versicherungsschutz besteht nur, wenn der VN mit seinen Abnehmern vereinbart, dass eine Eingangskontrolle in Form einer Sichtprüfung auf offensichtliche Mängel, Transportschäden und Identität der Ware beim Abnehmer durchgeführt wird und erkannte Mängel unverzüglich beim VN gerügt werden müssen sowie unter der Voraussetzung, dass ein Qualitätssicherungsmanagement mit branchenüblichem Standard (z.B. ISO 9000 ff.) beim VN eingeführt und eine Ausgangskontrolle geregelt ist. A2-6.10 Geothermie 1 Eine Geothermie-Anlage ist eine Anlage, in der Erdwärme dem Untergrund entnommen wird. 2Alle oberirdischen Anlagenteile gehören nicht zu der Geothermie-Anlage im Sinne dieser Bedingungen. 3 Satz 1 und Satz 2 gelten gleichermaßen für Flächengeothermie und Geothermie mittels Bohrung. A2-6.10.1 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des VN wegen Schäden ausschließlich im Zusammenhang mit a) 1Flächengeothermie-Anlagen (z.B. Erdkollektoren, Erdwärmekörbe). 2 Diese Anlagen fallen unter das Allgemeine Umweltrisiko gemäß A2-1.4 e). b) 1Herstellung und Lieferung von Teilen für Geothermie-Anlagen. 2 Diese Risiken fallen unter das Umwelt-Produktrisiko gemäß A2-1.4 c). A2-6.10.2 Die folgenden Ausschlüsse finden keine Anwendung: a) A2-8.10 (Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen), b) A2-8.11 (Bergschäden, Bergbaubetrieb), c) A2-8.26 (Grundwasser).
Fehlanzeige
1 A2-6.1 AVB BHV (Haus- und Grundbesitz) entspricht Ziff. 7.1.2 i.V.m. Ziff. 7.3 BBR BHV. 2 A2-6.2 AVB BHV (Vertraglich übernommene Haftpflicht) entspricht Ziff. 7.1.3.3 BBR BHV. 3 A2-6.3 AVB BHV (Nicht versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänge) entspricht Ziff. 7.5 BBR BHV.
Koch
1132
Besondere Regelungen für betriebliche und berufliche Risiken
A2-6 AVB BHV
A2-6.4 AVB BHV (Schäden an gemieteten und gepachteten Sachen (Miet-/Pachtsachschäden)) schließt weitergehend als Ziff. 7.1.3.4 BBR BHV auch Pachtsachschäden in den Versicherungsschutz ein. A2-6.5 AVB BHV (Schäden im Ausland) entspricht Ziff. 10 UHV Basis. A2-6.6 AVB BHV (Schäden im Inland, die im Ausland geltend gemacht werden) entspricht Ziff. 11 UHV Basis. A2-6.7 AVB BHV (Teilnahme an Arbeits- und Liefergemeinschaften) enthält im Vergleich zu Ziff. 7.6.1 BBR BHV eine bedeutsame Einschränkung des Versicherungsschutzes, weil bei einer Aufgabenteilung nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Bauabschnitten ausschließlich Versicherungsschutz für Schäden besteht, die der VN im Rahmen der von ihm übernommenen Aufgabe verursacht hat. Wird der VN als Gesamtschuldner vom Geschädigten in Anspruch genommen, besteht im Fall der Insolvenz der anderen Partner eine Deckungslücke, da er den Schaden am Ende selbst tragen muss. A2-6.8 AVB BHV (Schäden durch Strahlen) entspricht Ziff. 7.1.3.1 BBR BHV. A2-6.9 AVB BHV (Kaufmännische Prüf- und Rügepflicht), die keine Entsprechung in der UHV Basis hat, beinhaltet bezüglich des Umwelt-Produktrisikos eine Deckungserweiterung. Keine Entsprechung in der UHV Basis hat A2-6.10 AVB BHV (Geothermie).
1133
Koch
4
5 6 7
8 9 10
A2-7 AVB BHV
A2-7 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-7 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls
6. Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
A2-7.1 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls sind Aufwendungen des VN für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten – Personen-, Sach-, oder gemäß A2-1.1.1 b) mitversicherten Vermögensschadens (Umwelthaftpflicht-Risiko), – Umweltschadens (Umweltschadens-Risiko).
6.1 1Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, – nach einer Störung des Betriebes oder – aufgrund behördlicher Anordnung Aufwendungen des VN für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gemäß Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschadens. 2Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist.
A2-7.2 1Der VR ersetzt Aufwendungen nach A2-7.1 a) nach einer Betriebsstörung; b) auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung aufgrund behördlicher Anordnung. 2 Die Feststellung der Betriebsstörung oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. A2-7.3 Versicherungsschutz besteht auch, wenn die Aufwendungen gemäß A2-7.1 und A2-7.2 von einem Dritten oder von einer Behörde im Wege der Ersatzvornahme geleistet werden.
6.2 Aufwendungen aufgrund behördlicher Anordnungen im Sinne der Ziff. 6.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden.
A2-7.4 Der VN ist verpflichtet, 6.3 Der VN ist verpflichtet, a) dem VR die Feststellung einer Betriebsstörung oder 6.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen Störung des Betriebes oder eine behördliche und alles zu tun, was erforderlich ist, die Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen notwendig und objektiv geeignet ist, den auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig Schadenseintritt zu verhindern oder den und objektiv geeignet ist, den Schadenseintritt Schadensumfang zu mindern und auf Verlangen des zu verhindern oder den Schadensumfang zu VR fristgemäß Widerspruch oder die sonst mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß erforderlichen Rechtsbehelfe gegen behördliche Widerspruch gegen behördliche Anordnungen Anordnungen einzulegen oder einzulegen oder b) sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. 6.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. A2-7.5 1Verletzt der VN eine der in A2-7.4 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gemäß A2-7 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2 Verletzt der VN eine der in A2-7.4 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-300
6.4 1Verletzt der VN eine der in Ziff. 6.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gemäß Ziff. 6 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2 Verletzt der VN eine der in Ziff. 6.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende
1134
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls
A2-7 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3 Abweichend von Absatz 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist.
Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3 Abweichend von Abs. 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist.
A2-7.6 Versicherungssummen, Selbstbeteiligung 1 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls werden bis € … je Betriebsstörung oder behördlicher Anordnung ersetzt. 2Die Höchstersatzleistung beträgt je Versicherungsjahr € … Variante für getrennte Versicherungssummen in der UHV: 3 Es erfolgt eine Anrechnung – für das Umwelthaftpflicht-Risiko auf die in A2-5.1 vereinbarte Sachschaden-Versicherungssumme – für das Umweltschadens-Risiko auf die in A2-5.1 vereinbarte Versicherungssumme und auf die Jahreshöchstersatzleistung. Variante für pauschale Versicherungssummen: 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die in A2-5.1 vereinbarte Pauschal-Versicherungssumme und auf die Jahreshöchstersatzleistung. 4 Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen … % bzw. € … selbst zu tragen.
6.5 1Aufwendungen werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von € … je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung, pro Versicherungsjahr jedoch nur bis € …, ersetzt. 2Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen … % selbst zu tragen. 3Kommt es trotz Durchführung der Maßnahmen zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 4Im Falle einer solchen Anrechnung hat der VN von den Selbstbehalten gemäß Ziff. 6.5 Abs. 2 und Ziff. 8.3 den höheren zu tragen.
A2-7.7 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Fall Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne von A2-7.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dergleichen) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen; auch für solche, die der VN hergestellt oder geliefert hat. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwehr oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Schadens, falls nicht betroffene Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN beeinträchtigt werden müssen. 3 Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
6.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Falle Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne der Ziff. 6.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Erneuerung, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Personen-, Sach- oder gemäß Ziff. 1.1 mitversicherten Vermögensschadens, falls Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN, die von einer Umwelteinwirkung nicht betroffen sind, beeinträchtigt werden müssen. 3 Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
A2-7.8 1Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Fehlanzeige Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne von A2-7.1 decken –, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden.
1135
Koch
A2-7 AVB BHV
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
2
Rückruf ist die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Aufforderung – des VN, – zuständiger Behörden oder – sonstiger Dritter an Endverbraucher, Endverbraucher beliefernde Händler, Vertrags- oder sonstige Werkstätten, die Erzeugnisse von autorisierter Stelle auf die angegebenen Mängel prüfen und die gegebenenfalls festgestellten Mängel beheben oder andere namentlich benannte Maßnahmen durchführen zu lassen.
1 A2-7.1 bis A2-7.7 AVB BHV (Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls) entspricht Ziff. 6 UHV Basis. Neu hinzugekommen ist der Ausschluss von Aufwendungen in A2-7.8 AVB BHV, die im Zusammenhang mit einem Rückruf von Erzeugnissen geltend gemacht werden. Dieser Ausschluss kann im Rahmen der Versicherung des Umweltprodukthaftpflichtrisikos bedeutsam werden.
Koch
1136
A2-8 AVB BHV
A2-8 Allgemeine Ausschlüsse AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-8 Allgemeine Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:
A2-8.1 Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden a) vorsätzlich oder b) durch bewusstes Abweichen von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, oder c) durch bewusstes – Nichtbefolgen der vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik ein zuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen oder – Unterlassen notwendiger Reparaturen herbeigeführt haben. 2 A2-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 7.1 AHB Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.9 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen7.10 Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen.
A2-8.2 Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben. 2 A2-2.3 findet keine Anwendung.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.2 Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben.
A2-8.3 Ansprüche der Versicherten untereinander 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche a) des VN selbst oder der in A2-8.4 benannten Personen gegen die mitversicherten Personen, b) zwischen mehreren VNn desselben Versicherungsvertrags, c) zwischen mehreren mitversicherten Personen desselben Versicherungsvertrags. 2 Diese Ausschlüsse gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der vorgenannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.4 Haftpflichtansprüche (1) des VN selbst oder der in Ziff. 7.5 benannten Personen gegen die Mitversicherten, (2) zwischen mehreren VN desselben Versicherungsvertrages, (3) zwischen mehreren Mitversicherten desselben Versicherungsvertrages. zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
1137 https://doi.org/10.1515/9783110522686-301
Koch
A2-8 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-8.4 Schadensfälle von Angehörigen des VN, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche gegen den VN a) aus Schadensfällen seiner Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; als Angehörige gelten – Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbare Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, – Eltern und Kinder, – Adoptiveltern und -kinder, – Schwiegereltern und -kinder, – Stiefeltern und -kinder, – Großeltern und Enkel, – Geschwister sowie – Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind). b) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; c) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; d) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; e) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; f) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern. 2 Die Ausschlüsse unter b) bis f) gelten auch für Ansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.5 Haftpflichtansprüche gegen den VN (1) 1aus Schadensfällen von seinen Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören; 2 Als Angehörige gelten Ehegatten, Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder vergleichbarer Partnerschaften nach dem Recht anderer Staaten, Eltern und Kinder, Adoptiveltern und -kinder, Schwiegereltern und -kinder, Stiefeltern und -kinder, Großeltern und Enkel, Geschwister sowie Pflegeeltern und -kinder (Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Verhältnis wie Eltern und Kinder miteinander verbunden sind (2) von seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern, wenn der VN eine geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige oder betreute Person ist; (3) von seinen gesetzlichen Vertretern, wenn der VN eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts oder ein nicht rechtsfähiger Verein ist; (4) von seinen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist; (5) von seinen Partnern, wenn der VN eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist; (6) von seinen Liquidatoren, Zwangs- und Insolvenzverwaltern; zu Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5: Die Ausschlüsse unter Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 (2) bis (6) erstrecken sich auch auf Haftpflichtansprüche von Angehörigen der dort genannten Personen, die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben.
A2-8.5 Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN oder ein Bevollmächtigter oder Beauftragter des VN diese Sachen geleast, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrags sind.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.6 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN diese Sachen gemietet, geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages.
A2-8.6 Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und sonstigen Leistungen 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an vom VN hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen infolge einer in der
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.7 1Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung
Koch
1138
Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
A2-8 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
Herstellung, Lieferung oder Leistung liegenden Ursache der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden. entstehen (Produkthaftpflicht). 2 2 Dies gilt auch dann, wenn die Schadensursache in Dieser Ausschluss gilt nicht für das Umwelteinem mangelhaften Einzelteil der Sache oder in einer Regressrisiko gem. Ziff. 2.2. mangelhaften Teilleistung liegt und zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache oder Leistung führt. 3Dieser Ausschluss findet auch dann Anwendung, wenn Dritte im Auftrag oder für Rechnung des VN die Herstellung oder Lieferung der Sachen oder die Arbeiten oder sonstigen Leistungen übernommen haben. A2-8.7 Asbest Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.11 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind.
A2-8.8 Genrisiken A2-8.8.1 Gentechnik Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf a) gentechnische Arbeiten, b) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), c) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus GVO oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden. A2-8.8.2 Genetische Schäden Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen genetischer Schäden.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.13 Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden.
A2-8.9 Übertragung von Krankheiten Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen a) 1Personenschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit einer natürlichen versicherten Person resultieren, es sei denn, diese Person beweist, dass sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. 2 A1-2.3 findet keine Anwendung. b) Schäden, nicht jedoch Personenschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind, es sei denn, der VN beweist, dass weder er noch eine mitversicherte Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.18 1Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN resultieren. 2Das Gleiche gilt für Sachschäden, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 3 In beiden Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.
A2-8.10 Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, welche entstehen durch a) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, b) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
Ziff. 7 AHB Ausschlüsse 7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch (2) Senkungen von Grundstücken oder Erdrutschungen, (3) Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer.
1139
Koch
A2-8 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-8.11 Bergschäden, Bergbaubetrieb Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: 1 Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen a) Bergschäden im Sinne des § 114 des Bundesberggesetzes (BBergG), wenn hierdurch Grundstücke, deren Bestandteile und Zubehör beschädigt werden; b) Schäden beim Bergbaubetrieb im Sinne des § 114 BBergG durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen. 2 Für das Umweltschadens-Risiko gilt: Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden durch Bergbaubetrieb im Sinne des BBergG.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.11 Ansprüche – wegen Bergschäden (i.S.d. § 114 BBergG), soweit es sich handelt um die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör; – wegen Schäden beim Bergbaubetrieb (i.S.d. § 114 BBergG) durch schlagende Wetter, Wasser- und Kohlensäureeinbrüche sowie Kohlenstaubexplosionen.
A2-8.12 Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger 1 Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder KraftfahrzeugAnhängers verursachen. 2 Eine Tätigkeit der vorstehend genannten Personen an einem Kraftfahrzeug oder Kraftfahrzeug-Anhänger ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.14 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Kraftfahrzeug-Anhängers verursachen. 2 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 4 Eine Tätigkeit der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Personen an einem Kraftfahrzeug, KraftfahrzeugAnhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch i.S. dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer dieses Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. 5 Falls im Rahmen und Umfang des Vertrages eine abweichende Regelung getroffen wurde, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht.
A2-8.13 Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche a) wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luftoder Raumfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeuges in Anspruch genommen werden. b) wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.15 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luftoder Raumfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 2 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein
Koch
1140
Allgemeine Ausschlüsse
A2-8 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen für Luft- oder Raumfahrzeuge, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren; – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung, Be- und Entladen) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen. c) gegen den VN als Eigentümer, Mieter, Pächter, Leasingnehmer und Nutznießer von Luftlandeplätzen.
Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 3 Nicht versichert ist die Haftpflicht aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen für Luft- oder Raumfahrzeuge, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren, – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen, und zwar wegen Schäden an Luft- oder Raumfahrzeugen, der mit diesen beförderten Sachen, der Insassen sowie wegen sonstiger Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge.
A2-8.14 Wasserfahrzeuge 1 Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die der VN, eine mitversicherte Person oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 2 Eine Tätigkeit der vorstehend genannten Personen an einem Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Wasserfahrzeuges ist und wenn das Wasserfahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.14 1Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Kraftfahrzeug-Anhängers verursachen. 2 Nicht versichert ist die Haftpflicht wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 3 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 4 Eine Tätigkeit der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Personen an einem Kraftfahrzeug, KraftfahrzeugAnhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch i.S. dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer dieses Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. 5 Falls im Rahmen und Umfang des Vertrages eine abweichende Regelung getroffen wurde, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht.
A2-8.15 Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbstständigen und nichtselbstständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.4 aus Besitz oder Betrieb von Bahnen zur Beförderung von Personen oder Sachen sowie aus der selbständigen und nichtselbständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb.
1141
Koch
A2-8 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-8.16 Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich – auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder – 1unmittelbar auf hoheitlichen Verfügungen oder Maßnahmen beruhen. 2Das Gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.13 Ansprüche wegen Schäden, die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben.
A2-8.17 Entschädigungen mit Strafcharakter Ausgeschlossen sind Ansprüche auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.2 BBR auf Entschädigung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary damages;
A2-8.18 Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen Ausgeschlossen sind Ansprüche nach den Artikeln 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Artikel 1231-1 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
Ziff. 7.4.1 BBR BHV Ausgeschlossen sind Ansprüche 7.4.1.3 nach den Art. 1792 ff. und den damit im Zusammenhang stehenden Regressansprüchen nach Art. 1147 des französischen Code Civil oder gleichartiger Bestimmungen anderer Länder.
A2-8.19 Sprengstoffe, Feuerwerke Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken.
Ziff. 7.4.2 BBR BHV Ausgenommen von der Versicherung und besonders zu versichern ist, was nicht nach dem Antrag ausdrücklich in Versicherung gegeben oder nach Besonderen Bedingungen oder Risikobeschreibungen ohne besonderen Beitrag mitversichert ist, insbesondere die Haftpflicht 7.4.2.3 aus Herstellung, Verarbeitung oder Beförderung von Sprengstoffen oder ihrer Lagerung zu Großhandelszwecken sowie aus Veranstaltung oder Abbrennen von Feuerwerken;
A2-8.20 Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen bei a) Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; b) Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m.
Ziff. 7.6.2 BBR BHV Abbruch- und Einreißarbeiten sowie Sprengungen 1 Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, die entstehen – bei Abbruch- und Einreißarbeiten: in einem Umkreis, dessen Radius der Höhe des einzureißenden Bauwerks entspricht; – bei Sprengungen: an Immobilien in einem Umkreis mit einem Radius von weniger als 150 m. 2 Ziff. 7.10 (b) AHB bleibt unberührt. 3 Falls vereinbart: Selbstbeteiligung des VN: …
A2-8.21 Kleckerschäden Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit Stoffen, diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden, in ein Gewässer oder in die Luft gelangen. 2Dies gilt nicht,
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände Nicht versichert sind 7.1 1Ansprüche wegen Schäden, die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den
1
Koch
1142
Allgemeine Ausschlüsse
A2-8 AVB BHV
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
soweit solche Vorgänge auf einer Betriebsstörung beruhen. 3 Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt dies nur für wassergefährdende Stoffe, die in den Boden oder ein Gewässer gelangen.
Boden oder ein Gewässer gelangen. 2Das gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Störung des Betriebes beruhen.
A2-8.22 Normalbetrieb 1 Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen. Variante 1 (Öffnungsklausel für das Umwelthaftpflichtund das Umweltschadens-Risiko): 2 Dies gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalls die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste. Variante 2 (Öffnungsklausel nur für das Umwelthaftpflicht-Risiko): Für das Umwelthaftpflicht-Risiko gilt: 2 Dies gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelt-einwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalls die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände 7.2 1Ansprüche wegen Schäden, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen entstehen. 2 Das gilt nicht, wenn der VN den Nachweis erbringt, dass er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeiten derartiger Schäden nicht erkennen musste.
A2-8.23 Schäden vor Vertragsbeginn BBR BHV Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die vor Beginn des Versicherungsvertrags eingetreten sind.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände 7.3 Ansprüche wegen Schäden, die vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten sind.
A2-8.24 Grundstücke des VN Grundstücke des VN sind solche, die – in seinem Eigentum stehen oder standen, – von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder – durch verbotene Eigenmacht erlangt wurden. A2-8.24.1 Erwerb belasteter Grundstücke Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits kontaminiert waren.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände 7.5 Ansprüche wegen Schäden, die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits von einer Umwelteinwirkung betroffen waren.
A2-8.24.2 Schäden an Böden oder Gewässern 1 Für das Umweltschadens-Risiko gilt: Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden an Böden oder an Gewässern, die auf Grundstücken des VN eintreten. 2 Dies gilt auch, soweit es sich um dort befindliche geschützte Arten oder natürliche Lebensräume handelt.
Fehlanzeige
1143
Koch
A2-8 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-8.25 Abfälle A2-8.25.1 Fehlerhafte Deklaration von Abfällen Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden infolge Zwischen-, Endablagerung oder anderweitiger Entsorgung von Abfällen ohne die dafür erforderliche behördliche Genehmigung, unter fehlerhafter oder unzureichender Deklaration oder an einem Ort, der nicht im erforderlichen Umfang dafür behördlich genehmigt ist.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände 7.8 Ansprüche wegen Schäden, die durch vom VN erzeugte oder gelieferte Abfälle nach Auslieferung entstehen.
A2-8.25.2 Abfalldeponien Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände 7.6 Ansprüche wegen Schäden aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen.
A2-8.26 Grundwasser A2-8.26.1 Lagerstätte und Fließverhalten des Grundwassers Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens.
Ziff. 7 UHV Basis Nicht versicherte Tatbestände 7.12 Ansprüche wegen Schäden infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens.
A2-8.26.2 Schäden am Grundwasser Für das Umweltschadens-Risiko gilt: Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden am Grundwasser.
Fehlanzeige
A2-8.27 Pflanzenschutz-, Dünge- und Fehlanzeige Schädlingsbekämpfungsmittel, Klärschlamm Für das Umweltschadens-Risiko gilt: 1 Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden durch die Herstellung, Lieferung, Verwendung oder Freisetzung von Klärschlamm, Jauche, Gülle, festem Stalldung, Pflanzenschutz-, Dünge- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln. 2 Dies gilt nicht, wenn diese Stoffe – durch plötzliche und unfallartige Ereignisse bestimmungswidrig und unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen, – durch Niederschläge plötzlich abgeschwemmt werden oder – in andere Grundstücke abdriften, die nicht im Besitz des VN stehen. A2-8.28 Entwicklungsrisiko Für das Umweltschadens-Risiko gilt: Ausgeschlossen sind Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte fehlerhafte Erzeugnisse, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können.
Fehlanzeige
A2-8.29 Kommissionsware Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden an Kommissionsware und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.
Fehlanzeige
Koch
1144
Allgemeine Ausschlüsse
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
Zu A2-8 Für das Umweltschadens-Risiko gilt: Die Ausschlüsse in A2-8 gelten unabhängig davon, ob bereits erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Erhaltungszustand von Arten und natürlichen Lebensräumen oder Gewässer eingetreten sind oder bereits eine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht.
Fehlanzeige
A2-8 AVB BHV
A2-8.1 AVB BHV (Vorsätzlich oder durch bewusstes Abweichen herbeigeführte Schäden) entspricht Ziff. 7.1 AHB und Ziff. 7.9. und 7.10 UHV Basis. A2-8.2 AVB BHV (Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten und sonstigen Leistungen) entspricht Ziff. 7.2 AHB. A2-8.3 AVB BHV (Ansprüche der Versicherten untereinander) entspricht Ziff. 7.4 AHB. A2-8.4 AVB BHV (Schadensfälle von Angehörigen des VN, gesetzlichen Vertretern, Gesellschaftern und anderen Personen) entspricht Ziff. 7.5 AHB. Der Ausschluss in A2-8.5 AVB BHV (Leasing, Leihe, verbotene Eigenmacht, besonderer Verwahrungsvertrag) umfasst abweichend von Ziff. 7.6 AHB nicht Pachtsachschäden. A2-8.6 AVB BHV (Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen, Arbeiten und onstigen Leistungen) entspricht Ziff. 7.7. UHV Basis. A2-8.7 AVB BHV (Asbest) entspricht Ziff. 7.11 AHB. A2-8.8.1 AVB BHV (Genrisiken) entspricht Ziff. 7.13 AHB. Weitergehend enthält A2-8.8.2 AVB BHV auch den aus der Umwelthaftpflichtversicherung bekannten Ausschluss „genetischer Schäden“ (vgl. Ziff. 6 UmweltHM Rn. 28 f.). A2-8.9 AVB BHV (Übertragung von Krankheiten) entspricht Ziff. 7.18 AHB. A2-8.10 AVB BHV (Senkungen, Erdrutschungen, Überschwemmungen) entspricht Ziff. 7.14 AHB. A2-8.11 AVB BHV (Bergschäden, Bergbaubetrieb) entspricht Ziff. 7.11 UHV Basis. A2-8.12 AVB BHV (Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeug-Anhänger) entspricht Ziff. 7.14 UHV Basis. A2-8.13 AVB BHV (Luft- und Raumfahrzeuge, Luftlandeplätze) entspricht Ziff. 7.15 UHV Basis. A2-8.14 AVB BHV (Wasserfahrzeuge) entspricht Ziff. 7.14 UHV Basis. A2-8.15 AVB BHV (Bahnen, Teilnahme am Eisenbahnbetrieb) entspricht Ziff. 7.4.2.4 BBR BHV. A2-8.16 AVB BHV (Kriegsereignisse, Unruhen, hoheitliche Verfügungen, höhere Gewalt) entspricht Ziff. 7.13 UHV Basis. A2-8.17 AVB BHV (Entschädigungen mit Strafcharakter) entspricht Ziff. 7.4.1.2 BBR BHV und geht insoweit über Ziff. 10.3.2 und Ziff. 11.1 UHV Basis hinaus, als es nicht darauf ankommt, ob der Versicherungsfall im Ausland eingetreten ist oder im Ausland geltend gemacht wird. A2-8.18 AVB BHV (Französische „Garantie Décennale“ und gleichartige Bestimmungen) entspricht Ziff. 7.4.1.3 BBR BHV und geht insoweit über Ziff. 10.3.2 und Ziff. 11.2 UHV Basis hinaus, als es nicht darauf ankommt, ob der Versicherungsfall im Ausland eingetreten ist oder im Ausland geltend gemacht wird. A2-8.19 AVB BHV (Sprengstoffe, Feuerwerke) entspricht Ziff. 7.4.2.3 BBR BHV. A2-8.20 AVB BHV (Abbruch- und Einreißarbeiten, Sprengungen) entspricht Ziff. 7.6.2 BBR BHV. A2-8.21 AVB BHV (Kleckerschäden) entspricht Ziff. 7.1 UHV Basis. A2-8.22 AVB BHV (Normalbetrieb) entspricht Ziff. 7.2 UHV Basis. A2-8.23 AVB BHV (Schäden vor Vertragsbeginn) entspricht Ziff. 7.3 UHV Basis. A2-8.24 AVB BHV (Grundstücke des VN) entspricht Ziff. 7.5 UHV Basis. A2-8.25 AVB BHV (Abfälle) entspricht Ziff. 7.8 UHV Basis. A2-8.26 AVB BHV (Grundwasser) entspricht Ziff. 7.12 UHV Basis. 1145
Koch
1 2 3 4 5 6 7 8
9 10 11 12 13 14 15 16 17
18
19 20 21 22 23 24 25 26
A2-8 AVB BHV
Allgemeine Ausschlüsse
Die Ausschlüsse in A2-8.27 AVB BHV (Pflanzenschutz-, Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Klärschlamm) und A2-8.28 AVB BHV (Entwicklungsrisiko) sind nur für Umweltentschäden bedeutsam. 28 Ziff. A2-8.29 AVB BHV (Kommissionsware) enthält einen im Vergleich zur UHV Basis weitergehenden Ausschluss, da Ziff. 7.6 AHB keine Anwendung auf den Kommissionsvertrag findet (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 222) 27
Koch
1146
A2-9 AVB BHV
A2-9 Veränderungen des versicherten Risikos
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-9 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) A2-9.1 1Versichert sind Pflichten und Ansprüche aus Erhöhungen und Erweiterungen des versicherten Risikos. 2 Für Risiken gemäß A2-1.4 a) gilt dies ausschließlich für mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der versicherten Risiken.
Ziff. 3 UHV Basis Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken 3.2 Ziff. 3.1 (2) und 3.2 AHB (Erhöhungen und Erweiterungen) finden für die Ziff. 2.3–2.4 keine Anwendung.
A2-9.2 Kein Versicherungsschutz besteht a) für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie b) für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen. c) für Risiken im Zusammenhang mit GeothermieAnlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden.
Ziff. 3.1 AHB Der Versicherungsschutz umfasst die gesetzliche Haftpflicht (2) aus Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen,
A2-9.3 1Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften, soweit diese nicht Vorschriften zur Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht zum Gegenstand haben. 2Für das Umweltschadens-Risiko gilt dies nur, soweit es sich hierbei um Rechtsvorschriften auf der Grundlage der EU – Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) handelt. 3 In diesen Fällen ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 4Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
Ziff. 3.2 AHB Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften. Der Versicherer kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 21 kündigen.
A2-9.4 Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt.
Fehlanzeige
A2-9.1 AVB BHV weicht insoweit von Ziff. 3.2 UHV Basis i.V.m. Ziff. 3.1 (2) Satz 1 und Ziff. 3.2 1 AHB ab, als eine Erhöhung der Menge an gewässerschädlichen Stoffen in Kleingebinden oder der Zahl von Fett-, Benzin- und Ölabscheiden innerhalb der versicherten Risiken oder eine Erhöhung des aus der Lagerung von gewasserschädlichen Stoffen resultierenden Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften deckungsunschädlich ist. A2-9.2 lit. a) und b) AVB BHV entsprechen inhaltlich Ziff. 3.2 UHV Basis i.V.m. Ziff. 3.1 (2) 2 Satz 2 AHB. Keine Entsprechung in der UHV Basis hat A2-9.2 lit. c) AVB BHV (Nichtversicherung von Risiken im Zusammenhang mit Geothermie-Anlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden). A2-9.3 Satz 1, 3 und 4 AVB BHV entsprechen Ziff. 21 AHB. 3
1147 https://doi.org/10.1515/9783110522686-302
Koch
A2-9 AVB BHV
4
Veränderungen des versicherten Risikos
A2-9.4 AVB BHV hat keine Entsprechung in den AHB. Zu beachten ist, dass die Vertragsstrafenregelung in A(GB)-2.1 AVB BHV ohne Abbedingung der Regeln zur Gefahrerhöhung einer Inhaltskontrolle nicht standhält (A2-1.7 AVB BHV Rn. 1).
Koch
1148
A2-10 AVB BHV
A2-10 Neu hinzukommende Risiken AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-10 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A2.10.1 1Im Umfang des bestehenden Vertrags sind Pflichten und Ansprüche aus Risiken, die nach Abschluss des Versicherungsvertrags neu entstehen, sofort versichert. 2Dies gilt nicht für Risiken gemäß A21.4 f). 3 Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 4Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 5Unterlässt der VN die rechtzeitige Anzeige, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 6 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. 7 Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 8 Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. A2-10.2 Variante für getrennte Versicherungssummen: Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von A2-10.3 a) für das Umwelthaftpflicht-Risiko auf den Betrag von € … für Personenschäden und € … für Sach- und gemäß A2-1.1.1 b) mitversicherte Vermögensschäden, b) für das Umweltschadens-Risiko auf den Betrag von € …, begrenzt. Variante für pauschale Versicherungssummen: Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung im Sinne von A2-10.3 a) für das Umwelthaftpflicht-Risiko auf den Betrag von € … für Personen-, Sach- und gemäß A2-1.1.1 b) mitversicherte Vermögensschäden, b) für das Umweltschadens-Risiko auf den Betrag von € …, begrenzt. A2-10.3 Die Regelung der Vorsorgeversicherung gilt nicht für a) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; b) Risiken aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen;
Ziff. 3 UHV Basis Vorsorgeversicherung/Erhöhungen und Erweiterungen der versicherten Risiken 3.1 1Die Bestimmungen der Ziff. 3.1 (3) und 4 AHB (Vorsorgeversicherung) finden für die Ziff. 2.3–2.4 keine Anwendung. 2Der Versicherungsschutz für neue Risiken bedarf insoweit besonderer Vereinbarung.
1149 https://doi.org/10.1515/9783110522686-303
Koch
A2-10 AVB BHV
Neu hinzukommende Risiken
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
c) Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; d) Risiken, die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind; e) für Risiken im Zusammenhang mit GeothermieAnlagen, die mittels Bohrung errichtet werden oder wurden.
1 A2-10.1 AVB BHV weicht insoweit von Ziff. 3.2 UHV Basis i.V.m. Ziff. 3.1 (3) und Ziff. 4 AHB ab, als das aus der Lagerung von gewasserschädlichen Stoffen resultierenden Risiko nicht über die Vorsorgeversicherung versichert ist. Im Übrigen enthält A2-10 AVB BHV die Regelungen, die in Ziff. 4 AHB vorgesehen sind.
Koch
1150
A2-11 AVB BHV
A2-11 Nachhaftung
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-11 Nachhaftung A2-11.1 1Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Schäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: 2 Der Versicherungsschutz – gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Umfang des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsvertrags, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Jahreshöchstersatzleistung des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, für den einzelnen Versicherungsfall jedoch maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 3 Die in den vorgenannten Zeitraum fallenden Versicherungsfälle werden so behandelt, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten.
Ziff. 9 UHV Basis Nachhaftung 9.1 Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Personen-, Sach- oder gem. Ziff. 1.1 mitversicherte Vermögensschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: – Der Versicherungsschutz gilt für die Dauer von … Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – Der Versicherungsschutz besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Rahmen des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfanges, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet.
A2-11.2 A2-11.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist.
9.2 Die Regelung der Ziff. 9.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist.
A2-11 AVB BHV entspricht im Grundsatz Ziff. 9 UHV Basis. Abweichend von Ziff. 9.1 UHV Basis 1 sieht A2-11.1 S. 3 AVB BHV klarstellend vor, dass für den einzelnen Versicherungsfall Deckung maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet, besteht und die in den Nachhaftungszeitraum fallenden Versicherungsfälle so behandelt werden, als wären sie am letzten Tag vor Vertragsbeendigung eingetreten.
1151 https://doi.org/10.1515/9783110522686-304
Koch
A2-12 AVB BHV
A2-12 Obliegenheiten des VN bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-12 Obliegenheiten des VN bei unmittelbarer Gefahr Fehlanzeige eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen Für das Umweltschadens-Risiko gilt statt B3-3.2: A2-12.1 Jeder Versicherungsfall ist dem VR unverzüglich nach Kenntnis durch den VN anzuzeigen, auch wenn noch keine Sanierungs- oder Kostentragungsansprüche erhoben wurden. A2-12.2 Dem VN obliegt es ferner, den VR jeweils unverzüglich und umfassend zu informieren über: a) seine ihm gemäß § 4 Umweltschadensgesetz obliegende Information an die zuständige Behörde, b) behördliches Tätigwerden wegen der Vermeidung oder Sanierung eines Umweltschadens gegenüber dem VN, c) die Erhebung von Ansprüchen auf Ersatz der einem Dritten entstandenen Aufwendungen zur Vermeidung, Begrenzung oder Sanierung eines Umweltschadens, d) den Erlass eines Mahnbescheids, e) eine gerichtliche Streitverkündung, f) die Einleitung eines staatsanwaltlichen, behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens. A2-12.3 1Der VN muss nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. 2 Weisungen des VR sind zu befolgen, soweit es für den VN zumutbar ist. 3Er hat dem VR ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen. 4 Alle Umstände, die nach Ansicht des VR für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden. A2-12.4 Maßnahmen und Pflichten im Zusammenhang mit Umweltschäden sind unverzüglich mit dem VR abzustimmen. A2-12.5 1Gegen einen Mahnbescheid oder einen Verwaltungsakt im Zusammenhang mit Umweltschäden muss der VN fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen. 2Einer Weisung des VR bedarf es nicht. A2-12.6 1Im Widerspruchsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren wegen eines Umweltschadens hat der VN dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen. 2 Im Falle des gerichtlichen Verfahrens beauftragt der VR einen Rechtsanwalt im Namen des VN. 3Der VN muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-305
1152
Obliegenheit des VN bei Eintritt eines Umweltschadens
AVB BHV
A2-12 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-12.7 Wenn der VN eine dieser Obliegenheiten verletzt, gilt B3-3.3 (Rechtsfolge bei Verletzung von Obliegenheiten).
A2-12 AVB BHV betrifft nur Umweltschäden.
1153
1
Koch
A2-13 AVB BHV
A2-13 Zusatzbaustein 1 zum Umweltschadens-Risiko AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-13 Zusatzbaustein 1 zum Umweltschadens-Risiko Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
Fehlanzeige
A2-13.1 Umweltschäden auf eigenen Grundstücken und am Grundwasser 1 Abweichend von A2-8.24.2 und A2-8.26.2 besteht im Rahmen und Umfang dieses Vertrages Versicherungsschutz auch für Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden – an geschützten Arten oder natürlichen Lebensräumen, die sich auf Grundstücken einschließlich Gewässern befinden, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren. – an Boden, der im Eigentum des VN steht, stand oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen ist oder war, soweit von diesem Boden Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. 2 Für darüber hinausgehende Pflichten oder Ansprüche für Schäden an diesen Böden kann Versicherungsschutz nach A2-14 (Zusatzbaustein 2) vereinbart werden – an Gewässern (nicht jedoch Grundwasser), die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren. – am Grundwasser. 2 Soweit es sich hierbei um Grundstücke, Böden oder Gewässer handelt, die vom VN gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren, findet A2-1.3 dann keine Anwendung, wenn der VN von einer Behörde in Anspruch genommen wird. 3Das gleiche gilt, wenn er von einem sonstigen Dritten auf Erstattung der diesem auf der Grundlage des Umweltschadensgesetzes entstandenen Kosten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts in Anspruch genommen wird. 4 Der Versicherungsschutz bezieht sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein deklarierten Grundstücke. 5 Für Grundstücke, die der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses erwirbt oder in Besitz nimmt, besteht abweichend von A2-9 kein Versicherungsschutz. 6 Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt.
Fehlanzeige
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-306
1154
Zusatzbaustein 1 zum Umweltschadens-Risiko
AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-13.2 Betriebsstörungserfordernis 1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für Umweltschäden, die unmittelbare Folge einer Betriebsstörung sind. 2A2-7.2 b) (Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls ohne Vorliegen einer Betriebsstörung) und A2-8.22 Abs. 2 (Normalbetrieb) finden keine Anwendung.
Fehlanzeige
A2-13 AVB BHV
A2-13.3 Ausschlüsse Fehlanzeige 1 Die in A2-1 bis A2-12 enthaltenen Ausschlüsse gelten auch für diesen Zusatzbaustein. 2Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gilt zusätzlich: a) Dekontaminationskosten 1 Ausgeschlossen sind Kosten aus der Dekontamination von Erdreich infolge eines auf Grundstücken, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren, eingetretenen Brandes, Blitzschlages, einer Explosion, eines Anpralls oder Absturzes eines Flugkörpers, seiner Teile oder seiner Ladung. 2Dies umfasst auch die Untersuchung oder den Austausch von Erdreich, ebenso den Transport von Erdreich in eine Deponie und die Ablagerung oder Vernichtung von Erdreich. 3 Versicherungsschutz für derartige Kosten kann ausschließlich über eine entsprechende Sach-/ Feuerversicherung vereinbart werden. b) Unterirdische Abwasseranlagen Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die von unterirdischen Abwasseranlagen ausgehen. Dies gilt nicht für versicherte Abscheider. c) Ansprüche aus anderen Versicherungsverträgen Ausgeschlossen sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, für die der VN aus einem anderen Versicherungsvertrag Ersatz beanspruchen kann. A2-13.4 Versicherungssummen/ Fehlanzeige Maximierung/Selbstbeteiligung 1 Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der gemäß A2-5 vereinbarten Versicherungssumme € … 2 Der VN hat bei jedem Versicherungsfall von den gemäß A2-1.2.2 versicherten Kosten € … selbst zu tragen. 3Der VR ist auch in diesen Fällen zur Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung und zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme verpflichtet.
A2-13 AVB BHV betrifft nur Umweltschäden.
1155
1
Koch
A2-14 AVB BHV
A2-14 Zusatzbaustein 2 zum Umweltschadens-Risiko A2 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-14 Zusatzbaustein 2 zum Umweltschadens-Risiko Falls folgendes zusätzliche Risiko versichert werden soll, kann durch besondere Vereinbarung der Versicherungsschutz im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen wie folgt erweitert werden:
Fehlanzeige
A2-14.1 Schädliche Bodenveränderungen gemäß Fehlanzeige Bundesbodenschutzgesetz 1 Abweichend von A2-8.24.2 und über den Umfang von A2-13 (Zusatzbaustein 1) hinaus besteht im Rahmen und Umfang dieses Vertrages Versicherungsschutz für weitergehende Pflichten der Ansprüche zur Sanierung des Bodens wegen schädlicher Bodenveränderungen gemäß Bundesbodenschutzgesetz, wenn der VN Eigentümer, Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher des Bodens und Verursacher des Schadens ist oder war. 2 Soweit der VN Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher des Bodens ist oder war, findet A2-1.3 keine Anwendung. 3 Der Versicherungsschutz bezieht sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein deklarierten Grundstücke. 4 Für Grundstücke, die der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses erwirbt oder in Besitz nimmt, besteht abweichend von A2-9 kein Versicherungsschutz. 5 Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt. A2-14.2 Betriebsstörungserfordernis Fehlanzeige 1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für die Sanierung des Bodens wegen schädlicher Bodenveränderungen, die unmittelbare Folge einer Betriebsstörung sind. 2 A2-7.2 b) (Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls ohne Vorliegen einer Betriebsstörung) und A2-8.22 Abs. 2 (Normalbetrieb) finden keine Anwendung. A2-14.3 Versicherte Kosten 1 In Ergänzung zu A2-1.2.2.2 sind die dort genannten Kosten für die Sanierung von Schädigungen des Bodens auch dann mitversichert, soweit von diesem Boden keine Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. 2 Versichert sind diese Kosten jedoch nur, sofern sie der VN nach einer Betriebsstörung – aufgrund behördlicher Anordnung aufwenden musste oder – diese Kosten nach Abstimmung mit dem VR aufgewendet wurden.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-307
Fehlanzeige
1156
Zusatzbaustein 2 zum Umweltschadens-Risiko
A2 AVB BHV
UHV Basis/BBR BHV/AHB 2016
A2-14.4 Ausschlüsse 1 Ausgeschlossen sind Kosten im Sinne von A2-14.3, soweit die Schädigung des Bodens des VN Folge einer Betriebsstörung beim Dritten ist. 2 Die in A2-1 bis A2-13 enthaltenen Ausschlüsse gelten auch für diesen Zusatzbaustein.
Fehlanzeige
A2-14 AVB BHV
A2-14.5 Versicherungssummen/Maximierung/ Fehlanzeige Selbstbeteiligung Versicherungsschutz besteht im Rahmen der unter A2-13 (Zusatzbaustein 1) vereinbarten Versicherungssumme und der dort vereinbarten Selbstbeteiligung.
A2-14 AVB BHV betrifft nur Umweltschäden.
1157
1
Koch
Teil 7 Umweltschadensversicherung A. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung (USV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Oktober 2016)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Hinweise zur Struktur der USV I. USV-Grunddeckung Umfang des Versicherungsschutzes (Ziff. 1.–Ziff. 13) Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung Ziff. 2 Umfang der Versicherung/Versicherte Risiken Ziff. 3 Betriebsstörung Ziff. 4 Leistungen der Versicherung Ziff. 5 Versicherte Kosten Ziff. 6 Erhöhungen und Erweiterungen Ziff. 7 Neue Risiken Ziff. 8 Versicherungsfall Ziff. 9 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 10 Nicht versicherte Tatbestände Ziff. 11 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt Ziff. 12 Nachhaftung Ziff. 13 Versicherungsfälle im Ausland Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung (Ziff. 14–Ziff. 20) Ziff. 14 Beginn des Versicherungsschutzes Ziff. 15 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag Ziff. 16 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag Ziff. 17 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat Ziff. 18 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung Ziff. 19 Beitragsregulierung Ziff. 20 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Dauer und Ende des Vertrages/Kündigung (Ziff. 21–Ziff. 26) Ziff. 21 Dauer und Ende des Vertrages Ziff. 22 Wegfall des versicherten Risikos Ziff. 23 Kündigung nach Versicherungsfall Ziff. 24 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen Ziff. 25 Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften Ziff. 26 Mehrfachversicherung Obliegenheiten des Versicherungsnehmers (Ziff. 27–Ziff. 30) Ziff. 27 Vorvertragliche Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers Ziff. 28 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 29 Obliegenheiten bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen Ziff. 30 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten Weitere Bestimmungen (Ziff. 31–Ziff. 36) Ziff. 31 Mitversicherte Personen Ziff. 32 Abtretungsverbot 1159 https://doi.org/10.1515/9783110522686-308
Koch
USV
Vorbemerkung
Ziff. 33 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung Ziff. 34 Verjährung Ziff. 35 Zuständiges Gericht Ziff. 36 Anzuwendendes Recht II. USV-Zusatzbaustein 1 III. USV-Zusatzbaustein 2
Schrifttum Armbrüster/Schreier Aktuelle Rechtsfragen der Umweltschadensversicherung, ZVersWiss 2016 3; Becker Das neue Umweltschadensgesetz (2007); Beermann Das Umweltschadensgesetz – Haftung und Versicherung (2008); Beuck Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach dem Umweltschadensgesetz, VersR 2012 1215; Diederichsen Grundfragen zum neuen Umweltschadensgesetz, NJW 2007 3377; Gawlik/Michel Umwelthaftung und Umweltversicherung (1997); Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Erläuterungen zu den unverbindlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung, abgedruckt in Hellberg/Orth/ Sons/Winter 347 ff. (zit. GDV-Erläuterungen); Giesberts/Reinhardt Beck’scher Online-Kommentar Umweltrecht (Stand 1.10.2012) (zit. BeckOK-UmweltR); Grunden/Kerst Deckungsumfang der Umweltschadensversicherung – Ausgewählte Fragen der USV-Grunddeckung, ZfV 2012 250; Keich Organmitglieder von Kapitalgesellschaften im System des Umweltschadensgesetzes (2012); Klinkhammer Die Umweltschadensversicherung des GDV im Licht des USchadG, VP 2007 181 ff. (Teil 1), 201 ff. (Teil 2); ders. Umweltschadensversicherung, VP 2010 85; Knopp/Wiegleb Der Biodiversitätsschaden des Umweltschadensgesetzes (2009); Lach/Morbach Versicherungsschutz für CO2 -Haftungsklagen, VersR 2011 52; Lattwein/Biorac Haftung nach dem Umweltschadensgesetz und Möglichkeiten des Versicherungsschutzes, EurUP 2009 75; Lennartz Binnenausgleich zwischen Störern: Gesamtschuld von Verfassungs wegen? NVwZ 2018 1429; Münter Die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (2009); Neubaur/Lattwein Erste Erfahrungen mit der Umweltschadensversicherung in Deutschland, PHi 2008 152; Ruffert Verantwortung und Haftung für Umweltschäden, NVwZ 2010 1177; Schimikowski Umweltschadensversicherung – Anmerkungen zur Grunddeckung, VP 2009 193; Sons Das Umweltschadensgesetz und die Umweltschadensversicherung, PHi 2007 86; Vogel/ Stockmeier Umwelthaftpflichtversicherung – Umweltschadensversicherung 2. Aufl. (2009); Wagner Das neue Umweltschadensgesetz, VersR 2008 565; Winter/Hellberg/Orth/Sons Umweltschadensgesetz und Umweltschadensversicherung (2008); Zavelberg Das Umweltschadensgesetz, Festschrift Wälder (2009) 259.
Vorbemerkung 1 Für Ansprüche wegen Umweltschäden, die gegen den VN ausschließlich aufgrund des Umweltschadensgesetzes (USchadG) und anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG)1 basierender nationaler Umsetzungsgesetze geltend gemacht werden, besteht keine Deckung auf Basis der AHB, weil diese Ansprüche nicht an einen Personen- oder Sachschaden, sondern an die Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen (sog. Biodiversitätsschäden) sowie die Schädigung von Gewässern und des Bodens anknüpfen und öffentlich-rechtlicher Natur sind. Aufgrund des Erfordernisses eines Personen- oder Sachschadens besteht auf Basis der AHB auch keine Deckung, wenn der VN von einem Dritten auf Erstattung der durch solche Umweltschäden entstandenen Kosten in Regress genommen wird (vgl. Ziff. 7.10 lit. a) S. 2 AHB). 2 Um diese Deckungslücke zu schließen, hat der GDV entsprechend dem Muster bei der Versicherung von Umwelthaftpflichtschäden die Umweltschaden-Basisversicherung (USV Basis), die als Annex-Deckung zur Betriebshaftpflichtversicherung vorgesehen ist (vgl. Ziff. 7.10.2.3 BBR BHV), und die Umweltschadensversicherung (USV) entwickelt, die neben die Betriebs- und Umwelthaftpflichtversicherung treten und in zwei wesentlichen Punkten von der UHV Basis und dem UmweltHM abweichen. Die USV Basis und die USV knüpfen an die öffentlich-rechtliche Haftung des VN nach dem USchadG an. Damit geht einher, dass es keine Differenzierung zwischen Personen-, Sach- und Vermögensschäden gibt. An deren Stelle tritt der Begriff des 1 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004, S. 56; s.a. Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3 ff. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-309
1160
Vorbemerkung
USV
Umweltschadens, der nicht nur Schäden durch Umwelteinwirkung erfasst, sondern auch die „mechanische“ Schädigung geschützter Tiere und Pflanzen.2 Analog zur UHV-Basis bietet die Umweltschadens-Basisversicherung Versicherungsschutz für das allgemeine Umweltschadens-Betriebsrisiko sowie das nicht-anlagenbezogene und das anlagenbezogene Umweltschaden so gesagt jetzt Tor-Produktrisiko. Die Umweltschadensversicherung (USV) ist ein separater Vertrag, der über die Umweltschadens-Basisversicherung hinausgehend das Risiko umweltgefährdenden Anlagen versichert (vgl. Ziff. 7.10.2.4 BBR BHV). In den durchgeschrieben Bedingungswerken ist das Umweltschadens-Basisversicherung in A2 AVB BHV (Umweltrisiko) integriert. Daneben besteht die Möglichkeit das Anlagenrisiko separat zu versichern (A2-2 AVB AVB). Die USV Basis und die USV basieren nicht auf den AHB, da letztere – wie gerade erwähnt – auf die privatrechtliche Haftung für Sach- und Personenschäden zugeschnitten sind. Viele AHBRegelungen haben jedoch, zum Teil wortgleich, zum Teil sachlich identisch und lediglich sprachlich an die Besonderheiten der USV Basis/USV angepasst, Eingang in die USV/USV Basis gefunden. Bislang ist – soweit ersichtlich – nur eine gerichtliche Entscheidung zur USV veröffentlicht worden, die eine Frage zum Deckungsumfang betrifft.3 Der GDV hat bekannt gegeben, die USV Basis in der Fassung September 2016 und die USV in der Fassung Oktober 2016 nicht mehr weiter zu pflegen. Weiter gepflegt werden nur noch die neustrukturierten Haftpflichtbedingungen (A2-2 AVB BHV Umweltschadensversicherung, Stand Februar 2016). Da es zu diesen Bedingungen bislang keine Rechtsprechung gibt, werden dieser Kommentierung weiterhin die USV als Ausgangspunkt zu Grunde gelegt. Im Anschluss daran wird zunächst die USV Basis behandelt, die an die BBR BHV/AHB anknüpft. Sodann wird die Versicherung des Umweltschadensrisikos in seinen verschiedenen Ausprägungen in den AVB BHV betrachtet. Abweichend von sonstigen Darstellungen wird zum besseren Verständnis auf die Sätze in den jeweiligen Klauseln Bezug genommen, die durchnummeriert und durch hochgestellte Ziffern gekennzeichnet werden (vgl. Ziff. 1 USV).
2 Vgl. GDV-Erläuterungen 353; zur Entstehung und Konzeption der USV s.a. Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 9 ff.
3 Vgl. LG Düsseldorf 18.12.2018 – 9 S 1/18, RuS 2019 91 ff. (m. Anm. Schimikowski). 1161
Koch
3
4
5
6
USV
Hinweise zur Struktur der USV
Hinweise zur Struktur der USV 1 Die USV setzt sich aus drei Teilen zusammen: der USV-Grunddeckung, dem USV-Zusatzbaustein 1 und dem USV-Zusatzbaustein 2. Die Grunddeckung regelt den Versicherungsschutz für Umweltschäden außerhalb der eigenen, gemieteten, geleasten, gepachteten oder geliehenen Grundstücke. Grundsätzlich versichert sind über die Grunddeckung Umweltschäden an geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, Gewässern – mit Ausnahme von Grundwasser – sowie Schäden an fremden Böden, sofern von diesen Böden eine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeht. Die in der Grunddeckung aufgeführten nicht versicherten Tatbestände gelten auch für die Zusatzbausteine. Gleiches gilt für die allgemeinen versicherungsrechtlichen Regelungen, die an die AHB angelehnt sind. 2 USV-Zusatzbaustein 1 erweitert den Versicherungsschutz optional auf Umweltschäden, die auf den eigenen oder den vom VN gemieteten, geleasten, gepachteten oder geliehenen Grundstücken und Gewässern eintreten, einschließlich der Biodiversität auf diesen Grundstücken oder in diesen Gewässern. Schäden am Grundwasser können fakultativ in die Deckung eingeschlossen werden. Der Versicherungsschutz beschränkt sich – wie bei der Grunddeckung – auf die Haftung nach dem USchadG. USV-Zusatzbaustein 1 setzt den gleichzeitigen Abschluss der Grunddeckung voraus. 3 USV-Zusatzbaustein 2 bietet optionalen Versicherungsschutz für die über das USchadG hinausgehende Haftung des VN als Verursacher einer Kontamination des Bodens seines Grundstücks nach dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG). USV-Zusatzbaustein 2 erfordert die Vereinbarung der Grunddeckung und des Zusatzbausteins 1.1
1 Winter/Hellberg/Orth/Sons 125. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-311
1162
Ziff. 1 USV
I. Grunddeckung Umfang des Versicherungsschutzes
Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1.1
1
Versichert ist die gesetzliche Pflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN gemäß Umweltschadensgesetz zur Sanierung von Umweltschäden. 2Umweltschaden ist eine – Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer, – Schädigung des Bodens. 3 Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn der VN von einer Behörde oder einem sonstigen Dritten auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/Pflichten der oben genannten Art in Anspruch genommen wird. 4Dabei kommt es nicht darauf an, ob der VN auf öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage in Anspruch genommen wird. 5 Ausgenommen vom Versicherungsschutz bleiben jedoch solche gegen den VN gerichteten Ansprüche, die auch ohne das Bestehen des USchadG oder anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 6Versicherungsschutz für derartige Ansprüche kann ausschließlich über eine Betriebs- oder Berufs-Haftpflichtversicherung oder eine Umwelt-Haftpflichtversicherung vereinbart werden. 1.2 Mitversichert ist die gleichartige gesetzliche Pflicht 1.2.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft. 1.2.2 sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. Falls besonders vereinbart, gilt: 1.3 1Mitversichert ist die gesetzliche Pflicht aus dem Gebrauch von folgenden nicht versicherungspflichtigen Kfz: – Kfz und Anhänger ohne Rücksicht auf eine Höchstgeschwindigkeit, die nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren; – Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit; – selbst fahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit. 2Selbst fahrende Arbeitsmaschinen sind Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind und die zu einer vom Bundesminister für Verkehr bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. 3 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 4Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 5Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 6 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 7Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat.
1163 https://doi.org/10.1515/9783110522686-313
Koch
Ziff. 1 USV
Gegenstand der Versicherung
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
B.
Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV)
4.
I. 1.
Ziff. 1.1 USV Gesetzliche Sanierungs- und Kostentragungspflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN ge2 mäß USchadG 4 Verantwortlichkeit nach USchadG 7 Begriff des Umweltschadens a) Schädigung von Arten und natürlichen Le8 bensräumen
5.
10 b) Schädigung eines Gewässers 11 c) Schädliche Bodenveränderungen Inanspruchnahme von einer Behörde oder ei12 nem Dritten 14 Risikoabgrenzung
II.
Mitversicherte Personen (Ziff. 1.2 USV)
16
III.
Deckungserweiterungen (Ziff. 1.3 USV)
17
2. 3.
1
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 1 USV bestimmt und begrenzt zugleich den Schutzbereich der USV in sachlicher und personeller Hinsicht.
B. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV) I. Ziff. 1.1 USV 1. Gesetzliche Sanierungs- und Kostentragungspflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN gemäß USchadG 2 Gegenstand der USV ist gem. Ziff. 1.1 Abs. 1 Satz 1 USV die gesetzliche Sanierungs- und Kostentragungspflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN gemäß USchadG für den Fall, dass er zur Sanierung eines Umweltschadens verpflichtet ist. Abweichend von den Deckungskonzepten der Privat-, Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung knüpft die Deckung somit nicht an die Art des Schadens und/oder der Schadensverursachung an, sondern an die Haftungsgrundlage. Der Musterbedingungsgeber begründet dies damit, dass eine Differenzierung zwischen Personen-, Sach- und Vermögensschäden bei Schäden nach dem USchadG nicht möglich sei.1 Zu beachten ist, dass das USchadG nach § 1 Satz 1 USchadG nur Anwendung findet, soweit 3 die einschlägigen Fachgesetze von Bund und Ländern die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden nicht näher bestimmen oder in ihren Anforderungen hinter dem USchadG zurückbleiben. Diese Subsidiarität des USchadG führt nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der USV nicht dazu, dass im Fall des Eingreifens anderer Bundes- oder Ländervorschriften die USV keine Deckung bietet.2 Vielmehr besteht immer dann Deckung, wenn der VN – das Eingreifen der Fachgesetze von Bund und Ländern hinweggedacht – zur Sanierung verpflichtet wäre.
2. Verantwortlichkeit nach USchadG 4 Nach § 6 Nr. 2 USchadG ist derjenige, der für einen Umweltschaden verantwortlich ist, zur Sanierung des eingetretenen Schadens verpflichtet. Er muss nach § 8 Abs. 1 USchadG die ge1 GDV-Erläuterungen 355. 2 Vgl. LG Düsseldorf 18.12.2018 – 9 S 1/18, RuS 2019 91, 92 f. (Art. 55 BayWG) m. Anm. Schimikowski; Prölss/Martin/ Voit AVBUSV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 1; Winter/Hellberg/Orth/Sons 131; Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 6. Koch
1164
B. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV)
Ziff. 1 USV
mäß den fachrechtlichen Vorschriften erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ermitteln und der zuständigen Behörde zur Zustimmung vorlegen, soweit die zuständige Behörde nicht selbst bereits die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ergriffen hat. Daneben bestimmt § 9 Abs. 1 USchadG, dass der Verantwortliche die Kosten der Sanierung zu tragen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er die Sanierungsmaßnahmen selbst durchgeführt hat oder diese durch die Behörde oder im Auftrag der Behörde im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung durchgeführt worden sind.3 Kein Versicherungsschutz besteht somit für eine Inanspruchnahme auf Grundlage des 5 allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechtes, z.B. als Zustandsstörer, oder auf Basis des Bundesbodenschutzgesetzes.4 Wie sonst in der Haftpflichtversicherung5 gilt jedoch auch hier, dass im Falle einer Anspruchskongruenz zwischen USchadG und z.B. BBodSchG, Versicherungsschutz auch dann besteht, wenn die Inanspruchnahme auf der Grundlage des BBodSchG erfolgt. Jedoch ist die Deckung begrenzt auf den Umfang, in dem der VN nach dem USchadG haftet.6 Soweit Stimmen in der Kommentarliteratur die Ansicht vertreten, dass es sich bei der USV 6 nicht um eine Haftpflichtversicherung i.S.v. §§ 100 ff. VVG handelt, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Zwar ist in Ziff. 1.1 Satz 1 USV – wie sonst auch – nicht von der Haftpflicht, sondern von der „gesetzlichen Pflicht“ des VN die Rede. Dessen ungeachtet weist die USV-Deckung alle Wesensmerkmale einer Haftpflichtversicherung auf.7 Sie bietet erstens Schutz bei Fremdschäden. Insoweit kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei Umweltschäden nicht um Eigenschäden handelt. Zweitens ist Schutzobjekt das jeweilige Vermögen des VN (oder Versicherten). Drittens statuiert Ziff. 4 USV exakt die gleichen Pflichten des VR wie § 100 VVG. Der VR muss die gesetzliche Verpflichtung des VN prüfen und hat dem VN Abwehr bei unberechtigter Inanspruchnahme sowie Freistellung von berechtigten Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen gegenüber der Behörde oder einem sonstigen Dritten zu gewähren.8
3. Begriff des Umweltschadens Ziff. 1.1 Abs. 1 Satz 2 USV definiert den Begriff des Umweltschadens. Danach liegt ein Umwelt- 7 schaden vor, wenn Arten und natürliche Lebensräume, Gewässer oder der Boden geschädigt werden. Diese Definition nimmt erkennbar auf die Definition nach § 2 USchadG und die dort genannten weiteren Rechtsgrundlagen (§ 19 BNatSchG, § 90 WHG, § 2 Abs. 3 BBodSchG) Bezug,9 weshalb – auch ohne ausdrückliche Bezugnahme – auf die dortige Begriffsbestimmung zur Konkretisierung des Umweltschadensbegriffs abgestellt werden kann.10 Gleiches gilt für den Begriff der Sanierungsmaßnahme, der nach § 2 Ziff. 8 USchadG definiert wird als „jede Maßnahme, um einen Umweltschaden nach Maßgabe der fachrechtlichen Vorschriften zu sanieren“.
3 Landmann/Rohmer/Beckmann/Wittmann § 9 USchadG Rn. 4. 4 Winter/Hellberg/Orth/Sons 131; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 1; Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 7; Looschelders/Pohlmann/Laschet Anhang G Rn. 9; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 1 Rn. 2; Sons PHi 2007 86, 91; Grunden/Kerst ZfV 2012 250, 251; kritisch Klinkhammer VP 2007 201, 204; Zavelberg FS Wälder 259, 282. 5 Vgl. Bruck/Möller/Koch § 100 VVG Rn. 86. 6 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 8. 7 Vgl. Bruck/Möller/Koch Vorbem. §§ 100–112 VVG Rn. 3. 8 Vgl. Winter/Hellberg/Orth/Sons 166; Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3, 12 f. 9 Vgl. GDV-Erläuterungen 355. 10 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 10; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 1 Rn. 3; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 7; Beermann 45; Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3, 27; a.A. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 110. 1165
Koch
Ziff. 1 USV
Gegenstand der Versicherung
8 a) Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen. Eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen ist nach § 19 Abs. 1 BNatSchG jeder Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume i.S.v. § 19 Abs. 3 BNatSchG oder Arten i.S.v. § 19 Abs. 2 BNatSchG hat. Zur Bestimmung der Erheblichkeit der Auswirkungen kann auf § 19 Abs. 5 BNatSchG zurückgegriffen werden. Nach § 19 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG ist die Erheblichkeit mit Bezug auf den Ausgangszustand unter Berücksichtigung der Kriterien des Anhangs I der Richtlinie 2004/35/EG zu ermitteln.11 Ob eine Schädigung, die nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands von Lebensräumen und Arten hat, erheblich ist, ist somit festzustellen anhand – des zum Zeitpunkt der Schädigung gegebenen Erhaltungszustands, – der Funktionen, die von den Annehmlichkeiten, die diese Arten und Lebensräume bieten, erfüllt werden, sowie – ihrer natürlichen Regenerationsfähigkeit. Eine Schädigung, die sich nachweislich auf die menschliche Gesundheit auswirkt, ist als erhebliche Schädigung einzustufen. 9 Eine erhebliche Schädigung liegt nach § 19 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG in der Regel nicht vor bei – nachteiligen Abweichungen, die geringer sind als die natürlichen Fluktuationen, die für den betreffenden Lebensraum oder die betreffende Art als normal gelten (Nr. 1), – nachteiligen Abweichungen, die auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind oder aber auf eine äußere Einwirkung im Zusammenhang mit der normalen Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht (Nr. 2), – einer Schädigung von Arten oder Lebensräumen, die sich nachweislich ohne äußere Einwirkung in kurzer Zeit so weit regenerieren werden, dass entweder der Ausgangszustand erreicht wird oder aber allein auf Grund der Dynamik der betreffenden Art oder des Lebensraums ein Zustand erreicht wird, der im Vergleich zum Ausgangszustand als gleichwertig oder besser zu bewerten ist (Nr. 3).
10 b) Schädigung eines Gewässers. Die Schädigung eines Gewässers liegt nach § 90 Abs. 1 WHG vor bei Schäden mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf – den ökologischen oder chemischen Zustand eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers (Nr. 1), – das ökologische Potenzial oder den chemischen Zustand eines künstlichen oder erheblich veränderten oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers (Nr. 2), – den chemischen oder mengenmäßigen Zustand des Grundwassers (Nr. 3) oder – den Zustand eines Meeresgewässers (Nr. 4). Mit der Erheblichkeitsschwelle wird zum Ausdruck gebracht, dass geringfügige Verschlechterungen und Bagatellfälle keinen Schaden i.S.d. § 90 Abs. 1 WHG begründen. Nach h.M. genügt es im Übrigen nicht, eine nicht nur geringfügige nachteilige Auswirkung festzustellen,12 vielmehr bedarf es der Feststellung weiterer qualifizierender Merkmale, die die Erheblichkeit be-
11 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004.
12 Landmann/Rohmer/Petersen Umweltrecht, 96. EL September 2021 § 90 WHG Rn. 43; BeckOK-UmweltR/Reinhardt § 90 WHG Rn. 3; Czychowski/Reinhardt WHG 12. Aufl. (2019) § 90 Rn. 7; BeckOGK/Gude WHG § 90 Rn. 22; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schwendner/Rossi § 90 WHG Rn. 17. Koch
1166
B. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV)
Ziff. 1 USV
gründen. Daher sind eine Ermittlung konkreter Zustandsmerkmale und eine Spezifizierung im Einzelfall erforderlich.13
c) Schädliche Bodenveränderungen. Schädliche Bodenveränderungen sind nach § 2 Abs. 3 11 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Erheblich sind solche Nachteile oder Belästigungen, wenn die daraus resultierende Beeinträchtigung für den Betroffenen oder die Allgemeinheit unzumutbar ist.14 Dabei kommt es auf Art, Umfang und Dauer der Beeinträchtigung sowie die Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Schutzgutes an.15 Boden und Bodenfunktion werden in § 2 Abs. 2 BBodSchG definiert. 4. Inanspruchnahme von einer Behörde oder einem Dritten Während Ziff. 1.1 Satz 1 USV an die Sanierungsverpflichtung des VN selbst anknüpft, die mit 12 dem Eintritt des Umweltschadens entsteht,16 betrifft Ziff. 1.1 Satz 3 USV den (Regel-)Fall, dass die Behörde eine Sanierungsanordnung gem. § 7 Abs. 2 USchadG trifft und Erstattung der Kosten vom VN verlangt.17 Deckung gem. Ziff. 1.1 Satz 3 USV besteht jedoch nicht nur für den Anspruch der Behörde, sondern auch für den (Regress-)Anspruch auf Ersatz der Sanierungskosten privater Dritter für vom VN verursachte Umweltschäden. Ergänzend stellt Ziff. 1.1 Satz 4 USV klar, dass es nicht darauf ankommt, ob der Ausgleichsanspruch öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich begründet ist. In Betracht kommen vertragliche Rückgriffsansprüche, wenn der VN von seinem Abnehmer 13 wegen der Lieferung einer fehlerhaften Sache, die zu einem Umweltschaden geführt hat, auf Ersatz der Sanierungskosten nach §§ 437 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 BGB in Anspruch genommen wird,18 sowie Ansprüche nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB).19 Führt die Verletzung fremden Eigentums zu einem Umweltschaden, besteht für die Ansprüche des Eigentümers auf Ersatz der Sanierungskosten gem. § 823 Abs. 1 BGB Deckung.20 Eine weitere Möglichkeit zur Regressnahme eröffnet § 9 Abs. 2 USchadG, der in Anlehnung an § 426 BGB einen Ausgleichsanspruch zwischen mehreren Verantwortlichen eines Umweltschadens begründet.21 Zu den Verantwortlichen zählen nach § 2 Nr. 3 USchadG jede natürliche oder juristische Person, die eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt, einschließlich des Inhabers einer Zulassung oder Genehmigung für eine solche Tätigkeit oder der Person, die eine solche Tätigkeit anmeldet oder notifiziert, und dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat.
13 Vgl. Müggenborg NVwZ 2009 12, 13; Landmann/Rohmer/Petersen Umweltrecht, 96. EL September 2021 § 90 WHG Rn. 43.
14 Vgl. BeckOK-UmweltR/Erbguth/Schubert § 2 BBodSchG Rn. 19; Landmann/Rohmer/Nies Umweltrecht § 2 BBodSchG Rn. 25. 15 Landmann/Rohmer/Nies Umweltrecht § 2 BBodSchG Rn. 27. 16 Landmann/Rohmer/Beckmann/Wittmann § 6 USchadG Rn. 7. 17 Winter/Hellberg/Orth/Sons 132. 18 Winter/Hellberg/Orth/Sons 133; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 111. 19 Lennartz NVwZ 2018 1429, 1431. 20 Winter/Hellberg/Orth/Sons 132 f.; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 22; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 110. 21 Wagner VersR 2008 565, 575 f.; vgl. auch Lennartz NVwZ 2018 1429, 1430 f. 1167
Koch
Ziff. 1 USV
Gegenstand der Versicherung
5. Risikoabgrenzung 14 Ziff. 1.1 Satz 5 und 6 USV dienen – ebenso wie Ziff. 7.10 lit. a) AHB – der Risikoabgrenzung. Haftpflichtansprüche, die allein auf Grundlage des USchadG bestehen – einschließlich der privatrechtlichen Regressansprüche, die ihren Ursprung in der neuen öffentlich-rechtlichen Umwelthaftung haben – sollen nicht über die Betriebs- oder Umwelthaftpflichtversicherung, sondern ausschließlich über die USV versichert werden.22 Haftpflichtschäden, für die Deckung über die Betriebs- oder Umwelthaftpflichtversicherung besteht, sind dagegen von der USV ausgenommen. Vogel hat das Zusammenspiel zwischen dem UmweltHM und der Betriebshaftpflichtversicherung mit der USV wie folgt treffend beschrieben: „[B]esteht ein zivilrechtlicher Anspruch nur deshalb, weil der Regressnehmende selbst nach USchadG haftet (und er ohne Existenz des USchadG nicht gehaftet hätte), wird der Schaden deckungsrechtlich der BHV/UHV entzogen und der USV zugewiesen“.23 Beispiel:24 Der VN verursacht einen Brand auf seinem Betriebsgrundstück, der auf das Nachbargrundstück und eine dort betriebene, der Gefährdungshaftung unterliegende Anlage übergreift. Die Anlage explodiert und kontaminiert den Boden des Nachbargrundstückes. Gleichzeitig wird eine geschützte Feldhamsterpopulation vernichtet. Die Behörde zieht den Nachbarn als Anlagenbetreiber zur Sanierung heran. Der Nachbar nimmt Regress beim VN.
15 Für die Ansprüche des Nachbarn auf Ersatz der Kosten für die Dekontamination seines Bodens nach § 823 Abs. 1 BGB und § 1 UmweltHG besteht Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang des UmweltHM. Soweit es um die Wiederansiedlung der vernichteten Hamsterpopulation geht, hat der Nachbar keinen originären privatrechtlichen Anspruch, weil es an einer Rechtsgutsverletzung fehlt. Der Nachbar hat aber insoweit einen Schaden, als er die Hamster wieder ansiedeln muss. Diesen Schaden kann er gegen den VN regressieren. Der VN hat Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der USV, da der Regressanspruch seinen Ursprung im USchadG hat.25 In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der USV im Fall der Schädigung fremder Böden und fremder stehender Gewässer nur eingeschränkte Bedeutung zukommt.26
II. Mitversicherte Personen (Ziff. 1.2 USV) 16 Ziff. 1.2 USV betrifft den personellen Schutzbereich der USV. Die Klausel entspricht Ziff. 1.3 UmweltHM (Ziff. 1 UmweltHM Rn. 13). Es fehlt lediglich die dort enthaltene Arbeitsunfallklausel. Diese ist in der USV entbehrlich, weil Personenschäden nicht versichert sind. Zu beachten ist, dass kein Versicherungsschutz für die nach § 2 Ziff. 3 USchadG Verantwortlichen – beruflich Tätige und Personen in leitender Stellung27 – besteht, wenn der Versicherungsfall erst nach deren Ausscheiden eingetreten ist.28 Soweit diesem Personenkreis ein Freistellungsanspruch gegen den VN nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zusteht, besteht für diesen Anspruch jedoch gem. Ziff. 1.1 Satz 3 USV Deckung.
22 GDV-Erläuterungen 356; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 23; Looschelders/Pohlmann/Laschet Anhang G Rn. 10; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 1 Rn. 11 ff. Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 14. Nach GDV-Erläuterungen 356. Vgl. auch Beispiel bei Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4. Winter/Hellberg/Orth/Sons 135; Wagner VersR 2008 565, 578; Münter 135. Vgl. Diederichsen NJW 2007 3377, 3379 f.; Cosack/Enders DVBl 2008 405 ff.; zur Verantwortlichkeit der Organe vgl. Schmidt NZG 2007 650 ff. 28 Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 6; für eine vertragliche Erweiterung des Schutzes Zavelberg 259, 286.
23 24 25 26 27
Koch
1168
B. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV)
Ziff. 1 USV
III. Deckungserweiterungen (Ziff. 1.3 USV) Die Klausel hinsichtlich des Gebrauchs nicht versicherungspflichtiger Kfz entspricht 17 Ziff. 1.4.1 UmweltHM. Insoweit kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden (Ziff. 1 UmweltHM Rn. 15). Im Falle der Versicherung dieses Risikos ist der Ausschluss nach Ziff. 10.14 USV insoweit abbedungen.
1169
Koch
Ziff. 2 USV
Ziff. 2 Umfang der Versicherung/Versicherte Risiken 1
Die Versicherung erstreckt sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein aufgeführten Risiken und Tätigkeiten. 2Versicherungsschutz besteht für die unter Ziff. 2.1 bis 2.8 aufgeführten, jeweils ausdrücklich zu vereinbarenden Risikobausteine: 2.1 1Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 2Ausgenommen sind solche WHG-Anlagen, die in Anhang 1 oder 2 zum UHG aufgeführt sind, Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.2 1Anlagen des VN gemäß Anhang 1 zum UHG (UHG-Anlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.3 1Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHG-Anlagen handelt (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer. 2.4 1Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko). 2.5 1Anlagen des VN gemäß Anhang 2 zum UHG (UHG-Anlagen). 2.6 1Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß Ziff. 2.1 bis 2.5 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. 2.7 Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen, die nicht von Ziff. 2.6 umfasst sind, nach Inverkehrbringen. 2.8 Sonstige Anlagen, Betriebseinrichtungen, Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die Ziff. 2.1 bis 2.7 fallen, unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart wurden oder nicht.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Anlagenrisiken (Ziff. 2.1 bis 2.5 USV)
C.
Anlagenbezogenes Umweltschaden-Produkt3 risiko (Ziff. 2.6 USV)
D.
Nicht anlagenbezogenes UmweltschadenProduktrisiko (Ziff. 2.7 USV) 4
E.
Allgemeines Umweltschaden-Betriebsrisiko 7 (Ziff. 2.8 USV)
2
A. Inhalt und Zweck 1 Die USV baut in Anlehnung an das UmweltHM auf dem Prinzip der Einzeldeklaration der zu versichernden Risiken auf und verwendet die aus dem UmweltHM bekannten Risikobausteine, um eine systematische Deklaration der vorhandenen Anlagen-, Tätigkeits- und Produktrisiken sicherzustellen.
B. Anlagenrisiken (Ziff. 2.1 bis 2.5 USV) 2 Die Risikobausteine Ziff. 2.1 bis 2.5 USV entsprechen denen des UmweltHM (mit Ausnahme der in Ziff. 2.4 UmweltHM vorgesehenen Abbedingung des Ausschlusses für Schäden durch AbwäsKoch https://doi.org/10.1515/9783110522686-314
1170
D. Nicht anlagenbezogenes Umweltschaden-Produktrisiko (Ziff. 2.7 USV)
Ziff. 2 USV
ser gem. Ziff. 7.14 AHB)1 und dienen der Deklaration der umweltrelevanten Anlagenrisiken. Es kann daher auf die Erläuterungen zum UmweltHM (Ziff. 2) verwiesen werden. Soweit Bezug genommen wird auf Anlagen des VN, kommt es zur Bestimmung der Inhaberschaft wie beim UmweltHM nicht auf die Eigentümerstellung, sondern vielmehr darauf an, ob der die Anlage für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt (Ziff. 2 UmweltHM Rn. 18).2
C. Anlagenbezogenes Umweltschaden-Produktrisiko (Ziff. 2.6 USV) Gegenstand des Risikobausteins Ziff. 2.6 USV ist wie nach Ziff. 2.6 UmweltHM das anlagenbezo- 3 gene Umweltschaden-Produktrisiko für Betriebe, die umweltgefährdende Anlagen oder Teile davon planen, herstellen, montieren, warten oder reparieren (z.B. Filteranlagenhersteller, Öltankwartungsfirmen). Beispiel:3 Der Hersteller von Filtern für Abluftanlagen liefert einen fehlerhaft beschichteten Filter aus. Dieser wird im Abluftreinigungsprozess zu heiß und führt zu einem Brand der Ablufthaube. Die austretenden hochgradig giftigen Abgase gelangen in ein nahegelegenes Schutzgebiet und schädigen die dort lebende geschützte Vogelpopulation erheblich.
Für die Ansprüche der Behörde oder nach vorangegangener behördlicher Inanspruchnahme des Anlagenbetreibers im Regresswege besteht Versicherungsschutz.
D. Nicht anlagenbezogenes Umweltschaden-Produktrisiko (Ziff. 2.7 USV) Ziff. 2.7 USV erfasst das nicht anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko nach dem 4 Inverkehrbringen von Erzeugnissen. Das UmweltHM weist einen solchen Deckungsbaustein nicht auf, da dieses Risiko gem. Ziff. 7.10 lit. b) Satz 2 (2) AHB von der Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt wird.4 Es geht vornehmlich um die Risiken aus der Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen, die von ihrer Art her für Anlagen i.S.d. Ziff. 2.3 USV bestimmt sind, die wegen Nichterreichens bestimmter Leistungsgrenzen ohne Genehmigung und ohne Anzeige betrieben werden dürfen.5 Beispiel:6 Der VN vertreibt Verbrennungsmotoranlagen zur Erzeugung von Strom mit einer Feuerungswärmeleistung von 0,9 Megawatt. Der Betrieb dieser Anlagen unterliegt nicht der Genehmigungspflicht gem. Ziff. 1.4 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BlmSchV, da die Leistungsgrenze von einem Megawatt nicht erreicht wird.
Daneben werden die Risiken aus der Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen erfasst, die 5 im Rahmen ihrer Verwendung direkt mit der Natur in Kontakt geraten. Hierzu zählen nicht nur Produkte, die zielgerichtet in die Umwelt ausgebracht werden (z.B. Biozide, Bodenhilfsstoffe, Pflanzenstärkungsmittel, Humus, Kalk oder Straßen- und Wegebaumaterialien), sondern auch Produkte, die nur umweltnah eingesetzt werden (z.B. Holzschutzmittel oder Schutzanstriche für
1 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 115. 2 Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider USV § 2 Rn. 2; Winter/Hellberg/Orth/Sons 141; Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 28.
3 Nach GDV-Erläuterungen 358. 4 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 115; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 2 Ziff. 2 Rn. 1; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 2 Rn. 4; Winter/Hellberg/Orth/Sons 144; Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 58 ff.
5 Winter/Hellberg/Orth/Sons 144; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 116. 6 Nach Winter/Hellberg/Orth/Sons 144. 1171
Koch
Ziff. 2 USV
Umfang der Versicherung/Versicherte Risiken
Mauerwerk).7 Eine fehlerhafte Mischung der Inhaltsstoffe solcher Produkte kann im Zuge ihrer Verwendung zeitnah zu einem Umweltschaden führen.8 Beispiel:9 Der Hersteller von Anti-Fouling-Farben dosiert einen Zuschlagsstoff zur Imprägnierung von Holzbooten in zu hoher Konzentration. Das so als Kontaktgift wirkende Mittel schädigt bei seinem landesweiten Einsatz durch verschiedene Verwender geschützte Libellenarten, die sich auf den Booten niederlassen, in erheblichem Umfang.
6 Aufgrund des Ausschlusses nach Ziff. 10.9 USV (Ziff. 10 USV Rn. 13 ff.) besteht nur eingeschränkt Versicherungsschutz für die Risiken aus der Herstellung und Lieferung von Klärschlamm, Jauche, Gülle, Stalldung, Pflanzenschutz-, Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Des Weiteren gilt es den Normalbetriebsrisikenausschluss gem. Ziff. 10.8 USV (Ziff. 10 USV Rn. 11 f.) im Blick zu behalten.10
E. Allgemeines Umweltschaden-Betriebsrisiko (Ziff. 2.8 USV) 7 Ziff. 2.8 USV ist angelehnt an Ziff. 2.7 UmweltHM und betrifft das verbleibende allgemeine Umweltschaden-Betriebsrisiko für die im Zusammenhang mit dem im Versicherungsschein beschriebenen Risiko stehenden sonstigen Anlagen, Betriebseinrichtungen und Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die Ziff. 2.1 bis 2.7 USV fallen.11 8 Es handelt sich – wie bei Ziff. 2.7 UmweltHM – nicht um einen Auffang-, sondern um einen Ergänzungstatbestand,12 der auch Anlagen umfasst, die keiner Genehmigungs- oder Anzeigepflicht nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen unterliegen (z.B. Anlagen, die gemäß der 4. BlmSchV erst ab einer bestimmten Leistungsgröße oder einer bestimmten Lagerkapazität der Genehmigungspflicht unterliegen).13 Zur Betriebseinrichtung zählen die dem Betrieb dienenden Einrichtungen, die sich auf dem Betriebsgrundstück befinden, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Einrichtung in Gebäuden oder im Freien, oberhalb oder unterhalb des Erdniveaus befindet.14 Beispiel:15 Ein vom VN auf seinem Betriebsgrundstück unzureichend befestigter Kran (Betriebseinrichtung) stürzt um und beschädigt einen Öltank auf dem Nachbargrundstück. Austretendes Öl läuft über befestigten Grund in die Betriebskanalisation für Oberflächenabwässer und gelangt direkt in einen Bachlauf mit geschützten Fischen.
9
Zu Beispielen für Betriebseinrichtungsgegenstände s. Ziff. 5 UmweltHM Rn. 33. Die größte praktische Bedeutung dürfte Ziff. 2.8 USV bei Umweltschäden infolge von Gebäudebränden zukommen.16
7 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 116. 8 Winter/Hellberg/Orth/Sons 145. 9 Nach Winter/Hellberg/Orth/Sons 145. 10 Winter/Hellberg/Orth/Sons 145; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 116. 11 GDV-Erläuterungen 358; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 29. 12 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 65; Prölss/Martin/Voit § 2 USV Rn. 6; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 2 Rn. 5. 13 Winter/Hellberg/Orth/Sons 146. 14 Sowie GDV-Erläuterungen 358. 15 GDV-Erläuterungen 358. 16 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 117. Koch
1172
E. Allgemeines Umweltschaden-Betriebsrisiko (Ziff. 2.8 USV)
Ziff. 2 USV
Beispiel:17 Ein Elektroinstallateur verursacht aus Unachtsamkeit einen Kurzschluss, der bei seinem Auftraggeber zu einem Brand in einer Fabrik zur Herstellung von Autoreifen führt. Die extreme Rauchentwicklung führt zu einem Artensterben im angrenzenden Fauna-Flora-Habitat.
Außerdem kann Ziff. 2.8 USV für Betriebe bedeutsam sein, die umweltbezogenen Tätigkeiten nachgehen (z.B. Landschaftsgärtner, Landwirte, Förster).18
17 Nach GDV-Erläuterungen 359. 18 Winter/Hellberg/Orth/Sons 147 f.; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 117. 1173
Koch
Ziff. 3 USV
Ziff. 3 Betriebsstörung 3.1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für Umweltschäden, die unmittelbare Folge einer plötzlichen und unfallartigen, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages eingetretenen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN oder des Dritten sind (Betriebsstörung). 3.2 1Auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung besteht im Rahmen der Ziff. 2.7 Versicherungsschutz für Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse. 2 Das Gleiche gilt im Rahmen der Ziff. 2.8 für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter i.S.v. Ziff. 2.7. 3 Versicherungsschutz besteht in den Fällen der Sätze 1 und 2 ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 4Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko).
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Anlagen- und Tätigkeitsrisiko (Ziff. 3.1 USV)
I.
Erfordernis der Betriebsstörung
II.
Unmittelbare Kausalität zwischen Betriebsstö7 rung und Umweltschaden
III.
Betriebsstörung während der Vertragslauf9 zeit
IV.
Darlegungs- und Beweislast
C.
Nicht anlagenbezogenes UmweltschadenProduktrisiko und Verwendungsrisiko 13 (Ziff. 3.2 USV)
12
2
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 3 USV stellt klar, dass im Rahmen der anlagenbezogenen Haftung der Ziff. 2.1 bis 2.6 USV (sonstige Anlagen sowie reine Tätigkeiten) ausschließlich Versicherungsschutz für Umweltschäden infolge einer Betriebsstörung besteht. Eine Ausnahme gilt für die Fälle der Ziff. 2.7 (nicht anlagenbezogenes Produkthaftpflichtrisiko) und Ziff. 2.8 USV (soweit es um die Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter i.S.v. Ziff. 2.7 USV geht). Das aus dem UmweltHM bekannte Erfordernis einer Betriebsstörung (Ziff. 5.2 UmweltHM) begründet der Musterbedingungsgeber damit, dass es „den Vorteil eines zeitlich und räumlich klar abgrenzbaren und feststellbaren Ereignisses“ habe und Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltschäden bei Normalbetriebsschäden in einem frühen Stadium kaum möglich seien. In diesen Fällen sei die verlässliche Feststellung des Ausgangszustandes sowie die Abgrenzung zu parallel wirkenden Ursachen kaum möglich und nicht kalkulierbar.1
1 GDV-Erläuterungen 359 f.; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 3; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 36; krit. Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 71; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 118; Armbrüster/ Schreier ZVersWiss 2016 13 ff. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-315
1174
B. Anlagen- und Tätigkeitsrisiko (Ziff. 3.1 USV)
Ziff. 3 USV
B. Anlagen- und Tätigkeitsrisiko (Ziff. 3.1 USV) I. Erfordernis der Betriebsstörung Anders als im UmweltHM wird der Begriff der Betriebsstörung in der USV definiert. Es handelt 2 sich nach Ziff. 3.1 USV um eine plötzliche und unfallartig eingetretene Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN oder des Dritten. Nach den Vorstellungen des Musterbedingungsgebers2 und herrschender Ansicht in der Literatur3 kann die Störung auch das Ergebnis eines allmählich eintretenden Vorgangs sein. Als Beispiel führt der Musterbedingungsgeber eine durchrostende Leitung an, die porös wird. In dem Augenblick, in dem die Leitung durchrostet und Schadstoffe austreten, soll eine Betriebsstörung vorliegen.4 Ob eine solche, den VN begünstigende Sichtweise seinem Sprachverständnis entspricht, scheint zwar fraglich. Gleichwohl ist das Auslegungsergebnis der herrschenden Ansicht als eine vertretbare Auslegungsalternative anzusehen5 und nach § 305c Abs. 2 BGB der Regulierungspraxis zugrunde zu legen. Eine Betriebsstörung kann ferner vorliegen, wenn der VN Maßnahmen zur Verhütung eines 3 Umweltschadens ergreift, diese aber ausnahmsweise versagen.6 Beispiel:7 Objektiv geeignete, aber mangelhaft durchgeführte Staubschutzmaßnahmen bei Arbeiten in einem Dachstuhl führen zur Ausbreitung des Staubs mit der Folge, dass durch die undichte Staubwand Staub in den Nistbereich der geschützten Fledermäuse dringt, die sich in einem Teilbereich des Dachstuhls befinden.
Dagegen fehlt es an einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Be- 4 triebes, wenn anlässlich der Errichtung eines Mehrfamilienhauses ein Bauunternehmen in großem Umfang Erde aushebt und infolge der üblichen Verdichtung des angrenzenden Erdreichs durch die eingesetzten Baumaschinen der Lebensraum einer geschützten Feldhamsterpopulation zerstört wird. Der eingetretene Umweltschaden ist nicht die Folge einer Betriebsstörung, sondern als Folge eines Normalbetriebs nicht versichert.8 Ebenso fehlt es an einer plötzlichen und unfallartigen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes, wenn ein Dachdecker, der den Dachstuhl eines historischen Gebäudes restauriert, dabei die dort lebende Fledermauspopulation vertreibt, oder ein Wasserbaubetrieb, der auftragsgemäß einen Fluss ausbaggert (vertieft), es unterlässt, die zwangsläufig mit ausgebaggerten Flussmuscheln (geschützte Art) wieder ins Wasser zu werfen.9 Im Übrigen kommt es für das Vorliegen einer Betriebsstörung nicht darauf an, auf wen und 5 worauf diese zurückzuführen ist.10 In Betracht kommen sorgfaltswidriges Verhalten des VN oder seiner Mitarbeiter, sorgfaltswidriges Verhalten Dritter (z.B. Verursachung eines übergreifenden Brandes durch den Eigentümer eines Nachbargrundstückes) oder technisches Versagen (z.B. Materialbruch).11 2 GDV-Erläuterungen 359. 3 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 79; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 5; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 118; Winter/Hellberg/Orth/Sons 153; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 1; a.A. Diederichsen NJW 2007 3377, 3381. 4 GDV-Erläuterungen 359. 5 Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 118 (Merkmale der Plötzlichkeit und Unfallartigkeit beziehen sich auf die Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs, nicht auf den Eintritt des Umweltschadens); s.a. MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 210, der die sprachliche Ungenauigkeit bemängelt: Entgegen dem Bedingungstext könne es nicht um die „Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs des Versicherungsnehmers“ gehen. 6 Winter/Hellberg/Orth/Sons 154. 7 GDV-Erläuterungen 361. 8 GDV-Erläuterungen 361. 9 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 81. 10 Winter/Hellberg/Orth/Sons 153; GDV-Erläuterungen 359. 11 Prölss/Martin/Voit § 3 USV Rn. 1; Winter/Hellberg/Orth/Sons 154. 1175
Koch
Ziff. 3 USV
6
Betriebsstörung
Die Ausnahme vom Betriebsstörungserfordernis gem. Ziff. 3.2 USV gilt nur für Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse und durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter i.S.v. Ziff. 2.7 USV (Rn. 13 ff.). Für andere Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Instandhaltung, Demontage) ist eine Betriebsstörung erforderlich. Eine solche liegt z.B. vor, wenn der VN infolge von Unachtsamkeit einen Behälter umstößt, sodass Giftstoffe in den Boden indringen können, oder er durch sorgfaltswidriges Verhalten einen Brand verursacht.12
II. Unmittelbare Kausalität zwischen Betriebsstörung und Umweltschaden 7 Der Umweltschaden muss unmittelbare Folge einer Betriebsstörung beim VN oder Dritten sein. Der durchschnittliche VN dürfte das Erfordernis der Unmittelbarkeit als ein über die Kausalität i.S.e. adäquaten Ursachenzusammenhangs hinausgehendes Einschränkungsmerkmal verstehen. Aus seiner Sicht dürfte Unmittelbarkeit nur dann vorliegen, wenn die Betriebsstörung den Umweltschaden selbst bewirkt, ohne dass zwischen die Betriebsstörung und den Schadenserfolg eine weitere (Zwischen-)Ursache tritt.13 Unmittelbarkeit ist danach stets dann gegeben, wenn die Betriebsstörung die zeitlich letzte Ursache des Umweltschadens ist. Nicht erforderlich ist, dass die Betriebsstörung alleinige oder jedenfalls die wesentliche Ursache des Umweltschadens ist.14 8 Unmittelbarkeit liegt vor, wenn der Betrieb des VN brennt und Schadgase in das benachbarte Vogelschutzgebiet abdriften und dort Boden, Pflanzen und Tiere beeinträchtigen15 oder durch einen Filterausfall schwermetallhaltige Stäube emittiert werden und diese in ein Schutzgebiet gelangen.16 Unmittelbarkeit wird auch dann zu bejahen sein, wenn die Stäube nur infolge eines ungewöhnlichen Winds in ein besonders geschütztes Gebiet gelangen17 oder kontaminiertes Löschwasser in ein Gewässer gelangt.18 Abzulehnen ist deshalb auch die Auffassung, die Unmittelbarkeit verneint, wenn ein pflichtwidriges Unterlassen des VN hinzutritt.19 Beispiel:20 Beim Beladen einer Palette stürzt ein Fass zu Boden. Obwohl der VN bemerkt, dass eine größere Ölmenge ausgelaufen ist, unternimmt er nichts zur Sicherstellung des umweltgefährlichen Stoffs. Wochen später gelangen Spuren des Öls durch niederschlagsbedingte Auswaschungen in ein angrenzendes Schutzgebiet.
Ein pflichtwidriges Verhalten des VN findet erst auf der Ebene der sekundären Risikoabgrenzung Berücksichtigung (vgl. Ziff. 10.16 USV).21
12 GDV-Erläuterungen 360. 13 Vgl. auch Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 119; Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 78 ff.: „zwischen der schadenstiftenden Handlung (oder pflichtwidrigen Unterlassung) aus der beruflichen Tätigkeit des VN und dem Eintritt des Ökoschadens darf kein vielstufiger Kausalverlauf liegen“. 14 Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 6 (maßgebliche Mitursächlichkeit genügt). 15 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 95. 16 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 97. 17 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 97; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 1. 18 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 96; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 1. 19 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 119; Winter/Hellberg/Orth/Sons 156 f.; wie hier Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 1 (solche Auslegung dürfte sich dem VN nicht erschließen und dürfte den Versicherungsschutz erheblich entwerten). 20 Winter/Hellberg/Orth/Sons 156. 21 Vgl. auch Prölss/Martin/Voit § 3 USV Rn. 1. Koch
1176
B. Anlagen- und Tätigkeitsrisiko (Ziff. 3.1 USV)
Ziff. 3 USV
III. Betriebsstörung während der Vertragslaufzeit Die schadensverursachende Betriebsstörung muss gem. Ziff. 3.1 USV während der Wirksam- 9 keit des Versicherungsvertrages eingetreten sein. Dadurch soll verhindert werden, dass sich ein VN, der sich zunächst aus Kostengründen gegen den Abschluss eines Versicherungsvertrages entschieden hat, noch versichern kann, nachdem er von einer Betriebsstörung Kenntnis erlangt hat.22 Mit Blick auf die Definition des Versicherungsfalles nach Ziff. 8 USV, nach der die nachprüfbare erste Feststellung des Umweltschadens ebenfalls in die Wirksamkeit der Versicherung fallen muss, müssen somit sowohl die Betriebsstörung als auch die Umwelteinwirkung, die Schädigung i.S.d. USchadG und die Feststellung dieses Schadens in den Versicherungszeitraum fallen.23 Dies sei anhand des nachstehenden Zeitstrahls verdeutlicht:
Damit können Deckungslücken beim VR-Wechsel auftreten, wenn sich während der Laufzeit 10 des mit VR A geschlossenen Vertrags zwar eine schadensverursachende Betriebsstörung ereignet, der Versicherungsfall jedoch in die Laufzeit des Versicherungsvertrages mit VR B fällt. Beispiel:24 Am 30.12.2021 wird infolge eines Unwetters die Rohrleitung einer Anlage des VN beschädigt, der bis zum 31.12.2012 bei VR A versichert ist. Dabei entweicht eine umweltgefährliche Flüssigkeit, ohne dass gleichzeitig schon ein Umweltschaden eintritt. Dieser Vorgang bleibt zunächst unbemerkt. Ab dem 1.1.2022 besteht Versicherungsschutz bei VR B. Am 3.1.2022 gelangt die Flüssigkeit in einen unmittelbar an das Betriebsgrundstück angrenzenden geschützten Lebensraum und verursacht dort einen Umweltschaden, der am Tag danach von Naturschützern festgestellt wird.
22 Winter/Hellberg/Orth/Sons 156. 23 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 87. 24 Nach Winter/Hellberg/Orth/Sons 157. 1177
Koch
Ziff. 3 USV
11
Betriebsstörung
In dieser Konstellation besteht im Rahmen beider Versicherungsverträge kein Versicherungsschutz. Auch die Nachhaftungsregelung gem. Ziff. 12.1 USV führt zu keinem günstigeren Ergebnis, da der Umweltschaden erst nach Ablauf des Vertrags eingetreten ist. VR A muss nicht leisten, weil es an einem während der Wirksamkeit seines Vertrages eingetretenen Versicherungsfall fehlt, und VR B muss nicht leisten, weil es an einer während der Wirksamkeit seines Vertrages eingetretenen Betriebsstörung mangelt.25 Um diese Deckungslücke zu vermeiden, bedarf es individueller Absprachen zwischen VN und VR.
IV. Darlegungs- und Beweislast 12 Der VN trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Betriebsstörung.26
C. Nicht anlagenbezogenes Umweltschaden-Produktrisiko und Verwendungsrisiko (Ziff. 3.2 USV) 13 Auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung besteht nach Ziff. 3.2 Satz 1 USV im Rahmen der Ziff. 2.7 USV Versicherungsschutz für Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse. Das Gleiche gilt gem. Ziff. 3.2 Satz 2 USV im Rahmen der Ziff. 2.8 USV für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter i.S.v. Ziff. 2.7 USV. In beiden Fällen ist Voraussetzung für die Deckung, dass erstens der Umweltschaden auf 14 einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler der Erzeugnisse zurückzuführen ist (Ziff. 3.2 Satz 3 USV) und zweitens der Fehler nach Stand von Wissenschaft und Technik (zu diesem Standard vgl. Ziff. 6 ProdHM Rn. 20) zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht hätte erkannt werden können (Ziff. 3.2 Satz 4 USV). Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das betreffende Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt.27 Produktionsfehler beruhen auf der fehlerhaften Herstellung des Produktes und Instruktionsfehler liegen vor, wenn der Nutzer des Produkts nicht oder nur unzureichend über die Art und Weise der Verwendung des Produkts und die damit verbundenen Gefahren aufgeklärt wird.28 Diese von der Rechtsprechung entwickelten Unterscheidungsmerkmale von Konstruktions-, Produktions- und Instruktionsfehlern entsprechen dem Verständnis des VN und sind deshalb der Auslegung von Ziff. 3.2 USV zugrundezulegen.29 Das Erfordernis einer Betriebsstörung bleibt somit Voraussetzung für die Gewährung von 15 Versicherungsschutz in Fällen, in denen ein Entwicklungsfehler vorliegt.30 Gleiches gilt, wenn die Betriebsstörung auf einem Produktbeobachtungsfehler beruht.31 Diese Einschränkung begründet der Musterbedingungsgeber damit, dass es bei Fällen, in denen die USV auf das Betriebsstörungserfordernis verzichte, eines Regulativs für das nicht abschätzbare Entwicklungsrisiko, insbesondere im Zusammenhang mit Biodiversitätsschäden (Vor USV Rn. 1), bedürfe.32
25 26 27 28 29 30
Vgl. Winter/Hellberg/Orth/Sons 157. Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 119; Winter/Hellberg/Orth/Sons 157. BGH 16.6.2009 – VI ZR 107/08 BGHZ 181 253 = VersR 2009 1125 Rn. 23 m.w.N. Vgl. BGH 16.6.2009 – VI ZR 107/08 BGHZ 181 253 = VersR 2009 1125 Rn. 23 m.w.N. Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 9. Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 10; zum Begriff des Entwicklungsfehlers s. BGH 16.6.2009 – VI ZR 107/08 BGHZ 181 253=VersR 2009 1125 Rn. 27; BeckOGK-BGB/Spindler § 823 Rn. 637 m.w.N. 31 Vgl. Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 10; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 2; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 121. 32 GDV-Erläuterungen 361 f.; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 40. Koch
1178
B. Einzelheiten
Ziff. 4 USV
Ziff. 4 Leistungen der Versicherung 4.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung, die Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme und die Freistellung des VN von berechtigten Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen gegenüber der Behörde oder einem sonstigen Dritten. 2 Berechtigt sind Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Sanierung- und Kostentragung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse oder Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen. 4.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder der Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme durch die Behörde oder einen sonstigen Dritten zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Verwaltungsverfahren oder Rechtsstreit über Sanierungs- oder Kostentragungsverpflichtungen gegen den VN, ist der VR zur Verfahrensund Prozessführung bevollmächtigt. 3Er führt das Verwaltungsverfahren oder den Rechtsstreit im Namen des VN. 4.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Umweltschadens/Umweltdeliktes, der/das eine unter den Versicherungsschutz fallende Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtung zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
A. Inhalt und Zweck Ziff. 4 USV beschreibt den Umfang des Versicherungsschutzes und regelt die Fälligkeit des An- 1 spruchs des VN auf Freistellung in den Fällen, in denen sich der VR in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens für die erfolglose Anspruchsabwehr entschieden hat. Aus dem Leistungsversprechen des VR ergibt sich, dass es sich bei der Umweltschadensversicherung um eine Haftpflichtversicherung i.S.d. §§ 100 ff. VVG handelt (s. auch Ziff. 1 USV Rn. 6).
B. Einzelheiten Die Formulierung der Ziff. 4.1 bis 4.3 USV ist an Ziff. 5.1 bis 5.3 AHB 2016 angelehnt. Ziff. 4.1 2 USV entspricht sachlich Ziff. 5.1 AHB 2016. Dem von den AHB 2016 abweichenden versicherten Risiko trägt Ziff. 4.1 USV dadurch Rechnung, dass der Versicherungsschutz nicht die Prüfung der Haftpflichtfrage, sondern die Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung umfasst, und der VR nicht die Freistellung von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen, sondern von berechtigten Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen schuldet.1 Haftpflichtversicherungstypisch hat der VR Abwehrdeckung auch dann zu gewähren, wenn über das Vorliegen eines behaupteten Umweltschadens Streit besteht.2 Ziff. 4.2 USV entspricht sachlich Ziff. 5.2 AHB 2016. Weitergehend sieht Ziff. 4.2 Satz 2 USV vor, dass der VR zur Vertretung des VN im 1 Vgl. Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 122. 2 Vgl. Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 4 Ziff. 4 Rn. 1; Grunden/Kerst ZfV 2012 250, 251. 1179 https://doi.org/10.1515/9783110522686-316
Koch
Ziff. 4 USV
Leistungen der Versicherung
Verwaltungsverfahren bevollmächtigt ist. Ziff. 4.3 USV entspricht sachlich Ziff. 5.3 AHB 2016. Insoweit kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden.
Koch
1180
Ziff. 5 USV
Ziff. 5 Versicherte Kosten Versichert sind im Rahmen des in Ziff. 4.1 geregelten Leistungsumfangs nachfolgende Kosten einschließlich notwendiger Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts-, Zeugen-, Verwaltungsverfahrens- und Gerichtskosten 5.1 für die Sanierung von Schäden an geschützten Arten, natürlichen Lebensräumen oder Gewässern 5.1.1 die Kosten für die „primäre Sanierung“, d.h. für Sanierungsmaßnahmen, die die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder beeinträchtigten Funktionen ganz oder annähernd in den Ausgangszustand zurückversetzen; 5.1.2 die Kosten für die „ergänzende Sanierung“, d.h. für Sanierungsmaßnahmen in Bezug auf die natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen, mit denen der Umstand ausgeglichen werden soll, dass die primäre Sanierung nicht zu einer vollständigen Wiederherstellung der geschädigten natürlichen Ressourcen und/ oder Funktionen führt; 5.1.3 1die Kosten für die „Ausgleichssanierung“, d.h. für die Tätigkeiten zum Ausgleich zwischenzeitlicher Verluste natürlicher Ressourcen und/oder Funktionen, die vom Zeitpunkt des Eintretens des Schadens bis zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die primäre Sanierung ihre Wirkung vollständig entfaltet hat. 2 „Zwischenzeitliche Verluste“ sind Verluste, die darauf zurückzuführen sind, dass die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen ihre ökologischen Aufgaben oder ihre Funktionen für andere natürliche Ressourcen nicht erfüllen können, solange die Maßnahmen der primären bzw. der ergänzenden Sanierung ihre Wirkung nicht entfaltet haben. 3 Die Kosten für die Ausgleichssanierung werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von … % der vereinbarten Versicherungssumme ersetzt. 5.2 für die Sanierung von Schädigungen des Bodens: die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen, die zumindest sicherstellen, dass die betreffenden Schadstoffe beseitigt, kontrolliert, eingedämmt oder vermindert werden, so dass der geschädigte Boden unter Berücksichtigung seiner zum Zeitpunkt der Schädigung gegebenen gegenwärtigen oder zugelassenen zukünftigen Nutzung kein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit mehr darstellt. 5.3 Die unter Ziff. 5.1 und Ziff. 5.2 genannten Kosten für Umweltschäden, die auf Grundstücken des VN gemäß Ziff. 10.1 oder am Grundwasser gemäß Ziff. 10.2 eintreten, sind nur nach besonderer Vereinbarung versichert.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Kosten für die Sanierung von Biodiversitäts2 und Gewässerschäden (Ziff. 5.1 USV)
C.
Kosten für die Sanierung von Bodenschäden 5 (Ziff. 5.2 USV)
D.
Umwelteigen- und Grundwasserschäden (Ziff. 5.3 USV) 7
A. Inhalt und Zweck Ziff. 5 USV knüpft an die Verpflichtung des VR zur Freistellung des VN gem. Ziff. 4.1 USV an und 1 legt abschließend fest, von welchen Kosten für Umweltschäden der VR den VN freistellen muss. 1181 https://doi.org/10.1515/9783110522686-317
Koch
Ziff. 5 USV
Versicherte Kosten
Hierunter fallen – einschließlich notwendiger Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts-, Zeugen-, Verwaltungsverfahrens- und Gerichtskosten – die Kosten für die Sanierung von Biodiversitätsund Gewässerschäden sowie für die Schädigungen des Bodens. Das bedeutet, dass der VR die von der Behörde geltend gemachten Kosten im Rahmen der vereinbarten Deckung erstattet. Gelangt der VR nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Schluss, dass die gesetzliche Verpflichtung nicht besteht oder der VN nicht haftet, muss der VR Abwehrschutz leisten.1 Nimmt z.B. die Behörde den VN nach §§ 6 Nr. 2, 8 USchadG auf die Sanierung eines Umweltschadens in Anspruch, ist der VR zum Rechtsschutz verpflichtet, wenn der VN das Vorliegen eines Umweltschadens mit der Begründung bestreitet, dass die Schwelle einer erheblichen nachteiligen Auswirkung auf die Erreichung oder Beibehaltung der betroffenen Lebensräume oder Arten i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG nicht überschritten sei.2 Die für die Anspruchsabwehr aufzuwendenen Kosten werden gem. Ziff. 11.2 Satz 3 USV abweichend von § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG auf die Versicherungssumme angerechnet (hierzu Ziff. 11 USV Rn. 2).
B. Kosten für die Sanierung von Biodiversitäts- und Gewässerschäden (Ziff. 5.1 USV) 2 Bei Biodiversitätsschäden (Vor USV Rn. 1) sowie Gewässerschäden werden die Kosten der primären Sanierung, ergänzenden Sanierung und Ausgleichssanierung (vgl. §§ 8 USchadG, 90 WHG, 19 BNatSchG i.V.m. Anhang II Nr. 1 EU-Umwelthaftungsrichtlinie3) gem. Ziff. 5.1.1 bis 5.1.3 USV ersetzt. Ziff. 5.1.1 bis 5.1.3 USV orientieren sich hinsichtlich der Umschreibung der vorbezeichneten Sanierungsarten eng an Anhang II Ziff. 1 EU-Umwelthaftungsrichtlinie, der insoweit auch das Maß für die Auslegung bildet. Dort werden die Sanierungsarten wie folgt definiert: „Eine Sanierung von Umweltschäden im Bereich der Gewässer oder geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume wird dadurch erreicht, dass die Umwelt durch primäre Sanierung, ergänzende Sanierung oder Ausgleichssanierung in ihren Ausgangszustand zurückversetzt wird, wobei a) „primäre Sanierung“ jede Sanierungsmaßnahme ist, die die geschädigten natürlichen Ressourcen und/ oder beeinträchtigten Funktionen ganz oder annähernd in den Ausgangszustand zurückversetzt; b) „ergänzende Sanierung“ jede Sanierungsmaßnahme in Bezug auf die natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen ist, mit der der Umstand ausgeglichen werden soll, dass die primäre Sanierung nicht zu einer vollständigen Wiederherstellung der geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen führt; c) „Ausgleichssanierung“ jede Tätigkeit zum Ausgleich zwischenzeitlicher Verluste natürlicher Ressourcen und/oder Funktionen ist, die vom Zeitpunkt des Eintretens des Schadens bis zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die primäre Sanierung ihre Wirkung vollständig entfaltet hat; d) „zwischenzeitliche Verluste“ Verluste sind, die darauf zurückzuführen sind, dass die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen ihre ökologischen Aufgaben nicht erfüllen oder ihre Funktionen für andere natürliche Ressourcen oder für die Öffentlichkeit nicht erfüllen können, solange die Maßnahmen der primären bzw. der ergänzenden Sanierung ihre Wirkung nicht entfaltet haben. Ein finanzieller Ausgleich für Teile der Öffentlichkeit fällt nicht darunter.“
3 Während der Zweck der primären Sanierung darin besteht, die geschädigte Ressource und/ oder deren Funktionen ganz oder annährend in den Ausgangszustand zurückzuversetzen,4 zielt die ergänzende Sanierung darauf ab, gegebenenfalls an einem anderen Ort einen Zustand der 1 Vgl. auch Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3 27. 2 Vgl. auch Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3 27; Sons Phi 2007 86, 88; Grunden/Kerst ZfV 2012 250, 251. 3 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004, S. 56.
4 Vgl. Anhang II Nr. 1.1.1 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004. Koch
1182
D. Umwelteigen- und Grundwasserschäden (Ziff. 5.3 USV)
Ziff. 5 USV
natürlichen Ressourcen und/oder von deren Funktionen herzustellen, der einer Rückführung des geschädigten Ortes in seinen Ausgleichszustand gleichkommt. Soweit dies möglich und sinnvoll ist, sollte dieser andere Ort mit dem geschädigten Ort geographisch im Zusammenhang stehen, wobei die Interessen der Bevölkerung zu berücksichtigen sind.5 Die Ausgleichssanierung erfolgt zum Ausgleich der zwischenzeitlichen Verluste von natürlichen Ressourcen und von deren Funktionen, die bis zur Wiederherstellung entstehen. Der Ausgleich besteht aus zusätzlichen Verbesserungen der geschützten natürlichen Lebensräume und Arten oder der Gewässer entweder an dem geschädigten oder an einem anderen Ort. Sie beinhaltet keine Entschädigung für Teile der Öffentlichkeit.6 Nach Einschätzung des Musterbedingungsgebers sind mit dem Begriff der Ausgleichssa- 4 nierung erhebliche Rechtsunsicherheiten verknüpft. Deshalb sieht Ziff. 5.1.3 Satz 3 USV die Vereinbarung eines Sublimits vor.7 Für die Kosten von Vermeidungsmaßnahmen oder Schadensbegrenzungsmaßnahmen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2 USchadG besteht Deckung nur unter den Voraussetzungen von Ziff. 9 USV (Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles). Sind diese Maßnahmen nach Eintritt des Versicherungsfalles ergriffen worden, kommt ein Anspruch auf Rettungskosten unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 VVG in Betracht.8
C. Kosten für die Sanierung von Bodenschäden (Ziff. 5.2 USV) Für Bodenschäden finden die vorbeschriebenen Sanierungsarten keine Anwendung. Es gilt § 8 5 USchadG i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG. Danach sind der Verusacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, „den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, daß dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen“.
Die Kosten für Bodensanierungen werden nach Ziff. 5.2 USV in dem Umfang erstattet, wie die 6 Sanierung zur Beseitigung von Gefahren für die menschliche Gesundheit notwendig ist. Für Gefahren, die der Allgemeinheit drohen und für die durch § 4 Abs. 3 BBodSchG eine Sanierungspflicht begründet wird, besteht dagegen kein Versicherungsschutz.
D. Umwelteigen- und Grundwasserschäden (Ziff. 5.3 USV) Ziff. 5.3 USV enthält den Hinweis, dass die unter Ziff. 5.1 und Ziff. 5.2 USV genannten Kosten für 7 Umweltschäden, die auf Grundstücken des VN gem. Ziff. 10.1 USV oder am Grundwasser gem. Ziff. 10.2 USV eintreten, nur nach besonderer Vereinbarung versichert sind. Dieser Versicherungsschutz kann fakultativ über die Zusatzbausteine 1 und 2 vereinbart werden. Auf die dortige Kommentierung wird verwiesen.
5 Vgl. Anhang II Nr. 1.1.2 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004.
6 Vgl. Anhang II Nr. 1.1.3 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004.
7 GDV-Erläuterungen 363; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 45. 8 Vgl. auch Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3, 27 ff.; Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 2. 1183
Koch
Ziff. 6 USV
Ziff. 6 Erhöhungen und Erweiterungen 6.1 1Für Risiken der Ziff. 2.1 bis 2.5 besteht kein Versicherungsschutz für Erhöhungen und Erweiterungen. 2Der Versicherungsschutz umfasst aber mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2.1 bis 2.5 versicherten Risiken. 3 Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt. 6.2 1Für Risiken gemäß Ziff. 2.6 bis 2.8 umfasst der Versicherungsschutz Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. 2Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen. 6.3 1Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften, soweit es sich hierbei um Rechtsvorschriften auf der Grundlage der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) handelt und diese nicht Vorschriften zur Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht zum Gegenstand haben. 2Der VR kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 25 kündigen.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einzelheiten
I.
Erhöhungen und -erweiterungen der nach Ziff. 2.1 bis 2.5 USV versicherten Risiken 2 (Ziff. 6.1 USV)
II.
Risikoerhöhungen und -erweiterungen aus den Risikobausteinen 2.6 bis 2.8 (Ziff. 6.2 5 USV)
III.
Risikoerhöhungen aufgrund EU-Rechts (Ziff. 6.3 7 USV)
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 6 USV legt fest, ob und inwieweit für Erhöhungen und Erweiterungen der in der USV versicherten Risiken Versicherungsschutz besteht. Zu den Voraussetzungen einer Risikoerhöhung und -erweiterung sowie zu den Unterschieden zwischen Risikoerhöhung und -erweiterung s. die Kommentierung zu Ziff. 3 UmweltHM Rn. 8 f. und Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 18 ff.
B. Einzelheiten I. Erhöhungen und -erweiterungen der nach Ziff. 2.1 bis 2.5 USV versicherten Risiken (Ziff. 6.1 USV) 2 Ziff. 6.1 Satz 1 USV bestimmt abweichend von Ziff. 3.1 UmweltHM, dass kein Versicherungsschutz für Erhöhungen und -erweiterungen der nach Ziff. 2.1 bis 2.5 USV versicherten Risiken besteht. Nach Ziff. 6.1 Satz 2 USV bleiben von der Beschränkung des Satzes 1 jedoch unberührt „mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 2.1 bis Ziff. 2.5 versicherten Risiken“. Aus diesem Zusammenhang wird dem VN deutlich, dass kein Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass er durch bauliche Maßnahmen das unter Ziff. 2.1 USV versicherte Tanklager von einer Kapazität von 8.000 t auf 15.000 t erhöht, da es sich bei dem Tanklager nunmehr um eine UmweltHG-Anlage gem. Anhang 1 Nr. 79 UmweltHG handelt, die über den Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-318
1184
B. Einzelheiten
Ziff. 6 USV
Risikobaustein Ziff. 2.2 USV zu versichern ist. Versicherungsschutz besteht dagegen für den Fall, dass der VN das über Ziff. 2.2 USV versicherte Tanklager von einer Kapazität von 10.000 t auf 20.000 t erhöht, da sich hierdurch die Zuordnung zu Ziff. 2.2 USV nicht ändert. Nach Ziff. 6.1 Satz 3 USV, der im Zuge der letzten Überarbeitung der USV Eingang in 3 Ziff. 6.1 USV gefunden hat, bleiben die Regelungen zur Gefahrerhöhung unberührt. Insoweit wird die Regelung in Ziff. 6.1 Satz 1 USV relativiert, die für sich allein genommen – nicht nur bei Massenrisiken (§ 32 VVG), sondern auch bei Großrisiken (§ 307 BGB) – unwirksam wäre,1 da sie jede noch so geringfügige Änderung des Risikos, die nicht in einer mengenmäßige Veränderung von Stoffen besteht, von der Deckung ausnimmt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine unerhebliche Gefahrerhöhung i.S.v. § 27 VVG handelt oder um eine gewollte oder ungewollte Risiskoerhöhung/-erweiterung, ob Kausalität im Schadensfall vorliegt und welcher Verschuldensgrad auf Seiten des VN erfüllt ist. Die (Fort-)Geltung der §§ 23 ff. VVG hat Auswirkungen auf die Vertragsstrafenregelung in 4 Ziff. 19.1 USV. Diese ist nur dann wirksam, wenn der VR auf die gesetzlichen Vorschriften bei Gefahrerhöhung verzichtet.2 Die Vertragsstrafenregelung ist deshalb bei Vorliegen einer i.S.v. Ziff. 6.1 USV nur mengenmäßigen Veränderung von Stoffen innerhalb der versicherten Bausteine gemäß Ziff. 2.1 bis 2.5 USV nach § 32 Satz 1 VVG und (auch bei Großrisiken) nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
II. Risikoerhöhungen und -erweiterungen aus den Risikobausteinen 2.6 bis 2.8 (Ziff. 6.2 USV) Für das Umweltschaden-Betriebsrisiko (Ziff. 2.8 USV) sowie für die Umweltschaden-Pro- 5 dukthaftpflichtrisiken (Ziff. 2.6 und 2.7 USV) besteht für Erhöhungen und Erweiterungen grundsätzlich Versicherungsschutz. Ausgenommen sind die Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen. Insoweit folgt die USV der Regelung gem. Ziff. 3.1 (2) Satz 2 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 30 f.). Die Rechtsfolgen einer Erhöhung oder Erweiterung der nach Ziff. 2.8 USV versicherten Risi- 6 ken bestimmen sich nach Ziff. 19 USV,3 die Ziff. 13 AHB 2016 entspricht und die Regeln über Gefahrerhöhung zugunsten des VN abbedingt.4
III. Risikoerhöhungen aufgrund EU-Rechts (Ziff. 6.3 USV) Nach Ziff. 6.3 Satz 1, 1. Halbs. USV erstreckt sich der Versicherungsschutz – abweichend von 7 Ziff. 3.2 UmweltHM – auch auf Risikoerhöhungen und/oder -erweiterungen, die aus der Änderung bestehender oder dem Erlass neuer nationaler Rechtsvorschriften resultieren, soweit diese Veränderungen auf der Grundlage der EU-Umwelthaftungsrichtlinie vorgenommen werden und nicht Vorschriften zur Deckungsvorsorge- oder Versicherungspflicht betreffen. Ändert sich hier1 Vgl. Armbrüster/Schreier ZVersWiss 2016 3, 19 f., die im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Risiken auch einen Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) bejahen; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 127, der Großrisiken jedoch ausnehmen will; offen Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 6 Ziff. 6 Rn. 1. Nach Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 53 handelt es sich bei Ziff. 6.1 Satz 3 USV nur um eine deklaratorische Regelung. 2 OLG Stuttgart 25.7.2013 – 7 U 33/13, RuS 2014 61, 63; Langheid/Wandt/Wandt § 32 Rn. 33. 3 Vogel/Stockmeier/Stockmeier 2. Teil C Rn. 888; Späte/Schimikowski/Schneider UmwHPflM § 3 Rn. 6; Langheid/ Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 43. 4 Späte/Schimikowski/Schneider USV § 3 Rn. 2. 1185
Koch
Ziff. 6 USV
Risikoerhöhungen und -erweiterungen
durch die Risikobaustein-Zuordnung von versicherten Anlagen, bleibt die Deckung für die konkrete Anlage somit bestehen, selbst wenn der nun auf diese Anlage zutreffende Risikobaustein nicht vereinbart wurde. Im Schadensfall muss der VN allerdings nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Anlage zutreffend deklariert war.5 8 Im Falle einer Risikoerhöhung durch neue Rechtsvorschriften kann der VR den Vertrag unter den Voraussetzungen von Ziff. 25 USV kündigen. Ziff. 25 USV ist identisch mit Ziff. 21 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Eine nachteilige Abweichung von § 32 VVG liegt nicht vor (Ziff. 21 AHB 2016 Rn. 2).
5 Winter/Hellberg/Orth/Sons 174. Koch
1186
Ziff. 7 USV
Ziff. 7 Neue Risiken 7.1 Für Risiken gemäß Ziff. 2.1 bis 2.5, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages neu entstehen, bedarf der Versicherungsschutz besonderer Vereinbarung. 7.2 Für Risiken gemäß Ziff. 2.6 bis 2.8, die nach Abschluss des Vertrages neu entstehen, besteht Versicherungsschutz im Rahmen des Vertrages sofort bis zur Höhe gemäß Ziff. 7.2.3. 7.2.1 1Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. 2Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. 3 Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. 7.2.2 1Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. 2Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 7.2.3 Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung i.S. von Ziff. 7.2.2 auf den Betrag von EUR … begrenzt, sofern nicht im Versicherungsschein geringere Versicherungssummen festgesetzt sind. 7.2.4 Die Regelung der Versicherung neuer Risiken gemäß Ziff. 7.2 gilt nicht für Risiken (1) aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; (2) aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; (3) die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; (4) die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind.
A. Ausschluss der Vorsorgeversicherung für Risiken nach Ziff. 2.1 bis 2.5 USV Hinsichtlich der Einbeziehung neuer Risiken im Wege der Vorsorgeversicherung trifft Ziff. 7 USV 1 eine differenzierte Regelung. Für neue Risiken nach Ziff. 2.1 bis 2.5 USV besteht gem. Ziff. 7.1 USV kein Vorsorgeversicherungsschutz. Dies entspricht Ziff. 3.1 UmweltHM. Für solche neuen Risiken besteht nur nach besonderer Vereinbarung Versicherungsschutz.
B. Vorsorgeversicherung für Risiken nach Ziff. 2.6 bis 2.8 USV Für neue Risiken nach Ziff. 2.6 bis 2.8 USV besteht gem. Ziff. 7.2 USV sofort Vorsorgeversiche- 2 rungsschutz. Ziff. 7.2.1 USV entspricht Ziff. 4.1 (1) Satz 1, 2 und 4 AHB 2016. Keine Entsprechung hat 3 Ziff. 4.1 (1) Satz 3 AHB 2016 gefunden, demzufolge der Versicherungsschutz entfällt, wenn der VN die rechtzeitige Anzeige unterlässt. Hierbei dürfte es sich um ein Redaktionsversehen des Musterbedingungsgebers handeln, da Ziff. 7.2.1 Satz 3 USV und Ziff. 7.2.2 USV, die Ziff. 4.1 (1) Satz 4 und Ziff. 4.1 (2) AHB 2016 entsprechen, ansonsten keinen rechten Sinn machten. Die Lücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung i.S.d. von Ziff. 4.1 (1) Satz 3 AHB 2016 zu schließen.
1187 https://doi.org/10.1515/9783110522686-319
Koch
Ziff. 8 USV
4
Versicherungsfall
Ziff. 7.2.3 USV entspricht sachlich Ziff. 4.2 AHB 2016 und Ziff. 7.2.4 USV entspricht sachlich Ziff. 4.3 AHB 2016, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Für die Abgrenzung zwischen Risikoerhöhungen/-erweiterungen und neuen Risiken s. Ziff. 3 AHB 2016 Rn. 32 ff. Nach h.M. stellt die Ausweisung neuer Schutzgebiete oder das Auftreten neuer schützenswerter Arten kein neues Risiko i.S.d. Ziff. 7.1 USV dar.1
Ziff. 8 Versicherungsfall 1
Versicherungsfall ist die nachprüfbare erste Feststellung des Umweltschadens durch den VN, die zuständige Behörde oder einen sonstigen Dritten. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder eine Pflicht zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen erkennbar war.
1 Ziff. 8 USV definiert den Versicherungsfall in Anlehnung an Ziff. 4 UmweltHM. Insoweit wird auf die dortige Kommentierung verwiesen. Im Hinblick auf das versicherte Risiko wird nicht auf die erste Feststellung des Personen-, Sach- oder Vermögensschadens während der Wirksamkeit der Versicherung abgestellt, sondern auf die erste Feststellung des Umweltschadens. Als „sonstige Dritte“ kommen u.a. Vereine und Vereinigungen nach § 11 Abs. 2 USchadG in Betracht.1
1 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 130; MAH Versicherungsrecht/Fränzer § 16 Rn. 225. 1 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 131; Beermann 46. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-320
1188
Ziff. 9 USV
Ziff. 9 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
1
Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, (1) für die Versicherung nach den Risikobausteinen 2.1 bis 2.5 nach einer Betriebsstörung; (2) für die Versicherung nach Risikobaustein 2.6 nach einer Betriebsstörung bei Dritten; (3) für die Versicherung nach Risikobaustein 2.7 nach einer Betriebsstörung bei Dritten – in den Fällen der Ziff. 3.2 auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung nach behördlicher Anordnung; (4) für die Versicherung nach Risikobaustein 2.8 nach einer Betriebsstörung beim VN oder Dritten – in den Fällen der Ziff. 3.2 auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung nach behördlicher Anordnung; Aufwendungen des VN – oder soweit versichert des Dritten gemäß (2) bis (4) – für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Umweltschadens. 2Die Feststellung der Betriebsstörung oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. Aufwendungen aufgrund von Betriebsstörungen oder behördlichen Anordnungen i.S.d. Ziff. 9.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. Der VN ist verpflichtet, 9.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und – alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadenseintritt zu verhindern oder den Schadenumfang zu mindern und – auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen – oder 9.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. 1 Verletzt der VN eine der in Ziff. 9.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gem. Ziff. 9 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2 Verletzt der VN eine der in Ziff. 9.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3 Abweichend von Abs. 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist. 1 Aufwendungen werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von EUR… je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung, pro Versicherungsjahr jedoch nur bis EUR…, ersetzt. 2 Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen …% selbst zu tragen. 3 Kommt es trotz Durchführung der Maßnahme zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebenden Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im
1189 https://doi.org/10.1515/9783110522686-321
Koch
Ziff. 9 USV
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 9.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Fall Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen i.S.v. Ziff. 9.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen, auch für solche, die der VN hergestellt oder geliefert hat. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwehr oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Umweltschadens, falls nicht betroffene Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN beeinträchtigt werden müssen. 3Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Voraussetzungen für den Aufwendungser3 satz (Ziff. 9.1 USV)
C.
Selbst- oder Ersatzvornahme (Ziff. 9.2 4 USV)
D.
Aufwendungsminderungsobliegenheiten 5 (Ziff. 9.3 USV)
E.
Verletzung von Aufwendungsminderungsob6 liegenheiten (Ziff. 9.4 USV)
F.
Begrenzung der Ersatzleistung (Ziff. 9.5 7 USV)
G.
Eigenschäden (Ziff. 9.6 USV)
I.
Eigenschadenausschluss
II.
Aufopferungsschäden
H.
Geltung der Auschlusstatbestände auf Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfal10 les
8 9
A. Inhalt und Zweck 1 Ziff. 9 USV betrifft den Ersatz von Kosten für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Umweltschadens. Mit dieser Klausel will der Musterbedingungsgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass gem. § 5 USchadG der Verantwortliche bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens unverzüglich die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen und die dafür anfallenden Kosten gem. § 9 Abs. 1 USchadG zu tragen hat.1 Sowohl von ihrer Struktur als auch vom Inhalt her lehnt sich Ziff. 9 USV eng an Ziff. 5 UmweltHM an, weshalb ergänzend auf die dortige Kommentierung verwiesen wird. Ziff. 9.1 USV definiert, unter welchen Voraussetzungen Versicherungsschutz gegeben ist. 2 Ziff. 9.2 USV stellt klar, dass auch im Wege der behördlichen Ersatzvornahme anfallende Aufwendungen versichert sind. Ziff. 9.3 USV beschreibt die Aufwendungsminderungsobliegenheiten des VN und Ziff. 9.4 USV die Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Ziff. 9.5 USV beschreibt die Begrenzungen der Ersatzleistung und Ziff. 9.6 USV schließt Eigenschäden – ausgenommen Aufopferungsschäden – des VN von der Deckung aus. Beispiel:2 Der VN betreibt eine Anlage zur Herstellung von Kunststoffen. Durch einen Brand in dieser Anlage entsteht eine Giftwolke. Diese zieht in Richtung eines FFH3-Gebietes und gefährdet dadurch eine dort brütende geschützte Vogelart. Personen- und Sachschäden drohen nicht, da die nächste Wohnbebauung mehrere Kilo-
1 GDV-Erläuterungen 364. 2 Nach GDV-Erläuterungen 365. 3 FFH ist die Abkürzung für Fauna-Flora-Habitat. Koch
1190
E. Verletzung von Aufwendungsminderungsobliegenheiten
Ziff. 9 USV
meter in anderer Richtung entfernt ist. Die Feuerwehr wird zum Einsatz gerufen, um die Giftwolke vor Erreichen des FFH-Gebietes durch Wasserschleier zum Niederschlag zu bringen. Dadurch wird das Sterben dieser brütenden Vogelart verhindert. Die Kosten des Feuerwehreinsatzes sind als Aufwendungen im Rahmen der USV versichert. Über die Umwelthaftpflichtversicherung würde der Feuerwehreinsatz als Aufwendung nur dann ersetzt, wenn privatrechtliche Drittschäden drohten.
B. Voraussetzungen für den Aufwendungsersatz (Ziff. 9.1 USV) Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles sind in den Fällen der Ziff. 2.1 bis 2.6 USV 3 gem. Ziff. 9.1 Satz 1 (1)–(4) USV nur dann ersatzfähig, wenn eine Störung des Betriebs i.S.v. Ziff. 3.1 USV vorausgegangen ist.4 In den Fällen der Ziff. 2.7 und Ziff. 2.8 USV (vgl. Ziff. 3.2 USV) ist neben der Betriebsstörung gem. Ziff. 9.1 Satz 1 (3) und (4) USV auch eine behördliche Anordnung ausreichend (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 8 f.). Parallel zu Ziff. 5.1 Satz 1 UmweltHM ist Deckungsvoraussetzung, dass es sich um Maßnahmen des VN oder des Dritten zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Umweltschadens handelt (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 10 ff.). Es muss somit objektiv feststehen, dass ohne die ergriffene Maßnahme der Umweltschaden eingetreten wäre. Dagegen besteht die Verpflichtung des VN zu Vermeidungsmaßnahmen gem. § 5 USchadG aufgrund der Definition der unmittelbaren Gefahr in 2 Nr. 5 USchadG bereits dann, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass ein Umweltschaden in naher Zukunft eintreten wird. Haftung und Deckung können insoweit auseinanderfallen, wenn der Eintritt des Umweltschadens zwar hinreichend wahrscheinlich war, im Nachhinein jedoch festgestellt wird, dass er auch ohne die vom VN ergriffenen Vermeidungsmaßnahmen nicht eingetreten wäre.5
C. Selbst- oder Ersatzvornahme (Ziff. 9.2 USV) Ziff. 9.2 USV entspricht der Regelung in Ziff. 5.2 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentie- 4 rung (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 15 f.) verwiesen wird.
D. Aufwendungsminderungsobliegenheiten (Ziff. 9.3 USV) Ziff. 9.3 USV entspricht der Regelung in Ziff. 5.3 UmweltHM. Auf die dortige Kommentierung 5 (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 17 ff.) wird verwiesen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der VN nach § 4 USchadG verpflichtet ist, die zuständige Behörde unverzüglich zu unterrichten, wenn die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens besteht oder ein Umweltschaden eingetreten ist.6 Zudem trifft ihn nach Ziff. 29.2 USV die Obliegenheit, den VR unverzüglich und umfassend zu informieren über seine Information an die Behörde.
E. Verletzung von Aufwendungsminderungsobliegenheiten (Ziff. 9.4 USV) Ziff. 9.4 USV entspricht der Regelung in Ziff. 5.4 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommen- 6 tierung (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 22 ff.) verwiesen wird.
4 Krit. dazu Klinkhammer VP 2008 201, 202. 5 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 300 Rn. 133; Beermann 53. 6 Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 59. 1191
Koch
Ziff. 9 USV
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
F. Begrenzung der Ersatzleistung (Ziff. 9.5 USV) 7 Ziff. 9.5 USV entspricht der Regelung in Ziff. 5.5 UmweltHM und sieht ein Sublimit sowie einen Selbstbehalt vor. Auf die dortige Kommentierung (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 26 ff.) wird verwiesen.
G. Eigenschäden (Ziff. 9.6 USV) I. Eigenschadenausschluss 8 Ziff. 9.6 Satz 1 USV entspricht – abgesehen von Aufwendungen zur Erneuerung, für die kein Versicherungsschutz in der USV gewährt wird – sachlich der Regelung in Ziff. 5.6 Satz 1 UmweltHM (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 30 ff.). Im Hinblick darauf, dass auch das nicht anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko in Ziff. 2.7 USV mitversichert ist, nimmt Ziff. 9.6 Satz 1 letzter Halbs. USV – insofern weitergehend als Ziff. 5.6 Satz 1 UmweltHM – Aufwendungen zur Reparatur oder Nachrüstung von Sachen, die der VN hergestellt oder geliefert hat, von der Deckung aus. Dieser Ausschluss ist nach Ansicht des Musterbedingungsgebers mangels Geltung von Ziff. 1.2 und Ziff. 7.8 AHB 2016 erforderlich.7 Beispiel:8 Der VN hat mangelhafte Filter geliefert. Der Abnehmer stellt im laufenden Betrieb die mangelhafte Filterwirkung fest und verlangt vom VN (Nach-)Lieferung mangelfreier Filter zur Vermeidung von Umweltschäden. Der VN verlangt Kostenersatz für die Nachlieferung als Aufwendungen vom VR. Bei diesen Kosten handelt es sich um Erfüllungs-/Gewährleistungsansprüche, für die keine Deckung nach Maßgabe der USV besteht.
II. Aufopferungsschäden 9 Ziff. 9.6 Satz 2 USV entspricht Ziff. 5.6 Satz 2 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 36 ff.) verwiesen wird.
H. Geltung der Auschlusstatbestände auf Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 10 Der Katalog der Ausschlusstatbestände in Ziff. 10 USV gilt auch für Aufwendungsersatzansprüche. Insoweit kommen hier die gleichen Argumente zum Tragen wie bei der Deckung von Aufwendungsersatzansprüchen gem. Ziff. 5 UmweltHM (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 39). In der USV folgt dies auch aus dem Einleitungssatz von Ziff. 10 USV (hierzu Ziff. 10 USV Rn. 2).
7 GDV-Erläuterungen 366; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 61. 8 Nach GDV-Erläuterungen 366. Koch
1192
Ziff. 10 USV
Ziff. 10 Nicht versicherte Tatbestände Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gilt: 1 Nicht versichert sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, unabhängig davon, ob diese bereits erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Erhaltungszustand von Arten und natürlichen Lebensräumen oder Gewässer haben oder eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, 10.1 die auf Grundstücken (an Böden oder an Gewässern) des VN eintreten, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet, geliehen sind oder durch verbotene Eigenmacht erlangt wurden. 2Dies gilt auch, soweit es sich um dort befindliche geschützte Arten oder natürliche Lebensräume handelt. 10.2 am Grundwasser. 10.3 infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens. 10.4 die vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten sind. 10.5 die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits kontaminiert waren. 10.6 die im Ausland eintreten. 10.7 die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden, in ein Gewässer oder in die Luft gelangen. 2Dies gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Betriebsstörung beruhen. 10.8 die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt entstehen. 10.9 durch die Herstellung, Lieferung, Verwendung oder Freisetzung von Klärschlamm, Jauche, Gülle, festem Stalldung, Pflanzenschutz-, Dünge- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln, es sei denn, dass diese Stoffe durch plötzliche und unfallartige Ereignisse bestimmungswidrig und unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen, diese Stoffe durch Niederschläge plötzlich abgeschwemmt werden oder in andere Grundstücke abdriften, die nicht im Besitz des VN stehen. 10.10 die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind. 10.11 die zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden. 10.12 infolge Zwischen-, Endablagerung oder anderweitiger Entsorgung von Abfällen ohne die dafür erforderliche behördliche Genehmigung, unter fehlerhafter oder unzureichender Deklaration oder an einem Ort, der nicht im erforderlichen Umfang dafür behördlich genehmigt ist. 10.13 aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen. 10.14 die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Kraftfahrzeuganhängers verursachen. 2 Nicht versichert sind Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 1193 https://doi.org/10.1515/9783110522686-322
Koch
Ziff. 10 USV
Nicht versicherte Tatbestände
3
10.15
10.16
10.17
10.18 10.19
10.20 10.21
10.22 10.23
10.24
Koch
Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 4 Eine Tätigkeit der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Personen an einem Kraftfahrzeug, Kraftfahrzeuganhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch i.S. dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. 5 Falls im Rahmen und Umfang dieses Vertrages eine abweichende Regelung getroffen wurde, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht. die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 2Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 3 Nicht versichert sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen für Luft- oder Raumfahrzeuge, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren; – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten) richten, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten) richten, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen. durch Bergbaubetrieb i.S.d. BBergG. die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das Gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen richten, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen richten, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben. soweit diese Pflichten oder Ansprüche auf Grund vertraglicher Vereinbarung oder Zusage über die gesetzliche Verpflichtung des VN hinausgehen. die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 2Es besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. durch den Betrieb von Kernenergieanlagen.
1194
Ziff. 10 USV
B. Einleitungssatz vor Ziff. 10 USV
Übersicht 1
XII. Abfälle (Ziff. 10.12 USV)
19
A.
Inhalt und Zweck
B.
Einleitungssatz vor Ziff. 10 USV
C.
Ausschlüsse
XIV. Benzinklausel (Ziff. 10.14 USV)
I.
Schäden am Grundstück des VN (Ziff. 10.1 3 USV)
XV. Luftfahrzeugklausel (Ziff. 10.15 USV)
II.
Schäden am Grundwasser (Ziff. 10.2 USV)
III.
Veränderung der Grundwasserverhältnisse 6 (Ziff. 10.3 USV)
IV.
Schäden vor Vertragsbeginn (Ziff. 10.4 7 USV)
V.
Schäden vor Grundstückserwerb (Ziff. 10.5 8 USV)
2
XIII. Deponien (Ziff. 10.13 USV)
5
21 22
XVI. Bewusstes Abweichen von Umweltschutzbestim24 mungen (Ziff. 10.16 USV)
XVIII. Bergbaubetriebsschäden (Ziff. 10.18 26 USV)
Auslandsumweltschäden (Ziff. 10.6 USV)
27
XX. Vorsätzliche Schadensherbeiführung (Ziff. 10.20 28 USV) 9 XXI. Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten oder sonstigen 29 Leistungen (Ziff. 10.21 AHB)
10
VII. Kleckerschäden (Ziff. 10.7 USV)
25
XVII. Bewusstes Unterlassen (Ziff. 10.17 USV)
XIX. Gemeingefahren (Ziff. 10.19 USV)
VI.
23
11
VIII. Normalbetrieb (Ziff. 10.8 USV) IX.
Herstellungs- und Verwendungsausschluss 13 (Ziff. 10.9 USV)
X.
Asbestausschluss (Ziff. 10.10 USV)
XI.
Gentechnik (Ziff. 10.11 USV)
17
18
XXII. Über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehende vertragliche Ansprüche (Ziff. 10.22 30 USV) XXIII. Tierkrankheiten (Ziff. 10.23 USV) XXIV. Kernenergieanlagen (Ziff. 10.24 USV)
31 32
A. Inhalt und Zweck Ziff. 10 USV enthält einen Katalog von insgesamt 24 stoff- und verhaltensbezogenen Aus- 1 schlüssen sowie Ausschlüssen bestimmter Schadensarten, die überwiegend Ziff. 6 UmweltHM, zum Teil auch den AHB 2016 entnommen worden sind. Daneben gibt es speziell für die USV geschaffene Ausschlüsse. Die Ausschlüsse gelten nicht nur für die Grunddeckung, sondern auch für die USV-Zusatzbausteine 1 und 2. Für Schäden am eigenen Grundstück (Ziff. 10.1 USV) sowie am Grundwasser (Ziff. 10.2 USV) ist ein Wiedereinschluss über die Zusatzbausteine möglich.
B. Einleitungssatz vor Ziff. 10 USV Mit dem Einleitungssatz („unabhängig davon, ob diese bereits erhebliche nachteilige Auswir- 2 kungen… darstellen“) will der Musterbedingungsgeber klarstellen, dass die in den „[Ausschlusstatbeständen] genannten Schäden auch unterhalb der Relevanzschwelle eines Umweltschadens
1195
Koch
Ziff. 10 USV
Nicht versicherte Tatbestände
i.S.d. USchadG ausgeschlossen [sind]. In diesen Fällen wird dann auch kein Abwehrschutz geschuldet“.1 Soweit sich der Ausschluss auf Pflichten des VN bezieht, sind damit die Pflichten zur Vermeidung und Schadensbegrenzung gem. § 5 USchadG gemeint, sodass sämtliche Ausschlusstatbestände auch gelten, soweit es um Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gem. Ziff. 9 USV geht.
C. Ausschlüsse I. Schäden am Grundstück des VN (Ziff. 10.1 USV) 3 Ziff. 10.1 Satz 1 USV schließt Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden aus, die auf Grundstücken (an Böden oder an Gewässern) des VN eintreten, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet, geliehen sind oder durch verbotene Eigenmacht erlangt wurden. Die Formulierung entspricht Ziff. 7.6 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 199 ff.). Die Begriffe „Böden“ und „Gewässer“ sind i.S.v. § 2 Ziff. 1 b) und c) USchadG zu verstehen (Ziff. 1 USV Rn. 7). Biodiversitätsschäden (Vor USV Rn. 1), welche der Haftung nach USchadG unterfallen und 4 sich ganz oder teilweise auf dem Grundstück des VN befinden, sind gem. Ziff. 10.1 Satz 2 USV ebenfalls ausgeschlossen.2 Ein fakultativer Einschluss ist über die USV-Zusatzbausteine 1 und 2 möglich.
II. Schäden am Grundwasser (Ziff. 10.2 USV) 5 Ziff. 10.2 USV schließt Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden am Grundwasser aus. Diese können durch fakultativen Einschluss im Rahmen von USV-Zusatzbaustein 1 mitversichert werden.
III. Veränderung der Grundwasserverhältnisse (Ziff. 10.3 USV) 6 Der Ausschluss nach Ziff. 10.3 USV, der Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens betrifft (z.B. Austrocknen eines Biotops3), entspricht Ziff. 6.13 UmweltHM. Insoweit kann auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 35 ff.) verwiesen werden.
IV. Schäden vor Vertragsbeginn (Ziff. 10.4 USV) 7 Ziff. 10.4 USV schließt Ansprüche wegen vor Vertragsbeginn bereits eingetretener Schäden aus und entspricht Ziff. 6.3 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 16 ff.) verwiesen wird.
1 GDV-Erläuterungen 366; Winter/Hellberg/Orth/Sons 190; Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 274; krit. Prölss/ Martin/Voit AVBUSV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 1; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 10 Rn. 1. 2 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 278. 3 Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 10 Ziff. 10 Rn. 1; Münter 145. Koch
1196
C. Ausschlüsse
Ziff. 10 USV
V. Schäden vor Grundstückserwerb (Ziff. 10.5 USV) Ziff. 10.5 USV schließt Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden aus, die sich daraus ergeben, 8 dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits kontaminiert waren. Diese Formulierung entspricht Ziff. 6.5 UmweltHM. Auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 20) wird verwiesen.
VI. Auslandsumweltschäden (Ziff. 10.6 USV) Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden im Ausland sind nach Ziff. 10.6 USV nicht versichert. 9 Hiervon abweichend (Wiedereinschluss) bestimmt Ziff. 13.1 Satz 1 USV, dass Versicherungsschutz für bestimmte, im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie eintretende Versicherungsfälle besteht. Weitergehende Vereinbarungen sind möglich (vgl. Ziff. 13.2 USV).
VII. Kleckerschäden (Ziff. 10.7 USV) Ziff. 10.7 USV lehnt sich an Ziff. 6.1 UmweltHM („Kleckerschäden“) an. Ziff. 10.7 Satz 1 USV ist 10 jedoch nicht auf den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen beschränkt und erfasst auch Schäden, die über den Luftpfad entstehen. Es erfolgt auch keine Beschränkung auf Boden oder Gewässer. Beispiel:4 Beim häufigen Umfüllen von Flüssigkeiten mit niedrigem Siedepunkt auf freiem Betriebsgelände verdunsten jeweils große Mengen einer umweltschädlichen Flüssigkeit und werden mit der Hauptwindrichtung in ein benachbartes Schutzgebiet geweht. Durch die häufigen Emissionen dieser Gaswolken werden die anfänglich dort brütenden Vögel einer geschützten Art dauerhaft vertrieben.
Gem. Ziff. 10.7 Satz 2 USV gilt der Ausschluss nicht, wenn die Kleckervorgänge auf eine Störung des Betriebes zurückzuführen sind. Zu den Gründen s. Ziff. 6 UmweltHM Rn. 3. Beispiel:5 Ein auf dem Betriebsgrundstück gelagerter geschlossener Behälter mit Lösungsmittel wird versehentlich bei innerbetrieblichem Transport umgestoßen und läuft aus. Hierbei handelt es sich um eine versicherte Betriebsstörung.
VIII. Normalbetrieb (Ziff. 10.8 USV) Ziff. 10.8 USV lehnt sich an Ziff. 6.2 Satz 1 UmweltHM an (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 10 ff.) und 11 schließt Pflichten und Ansprüche wegen Schäden aus, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt entstehen (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 9 ff.). Der in Ziff. 6.2 UmweltHM verwendete Begriff der Umwelteinwirkungen wird in Ziff. 10.8 USV durch „Einwirkungen auf die Umwelt“ (selbst) ersetzt, um klarzustellen, dass im Rahmen des Normalbetriebes auch mechanische Schädigungen vom Ausschluss erfasst werden.6 Ziff. 10.8 USV enthält keinen der Regelung in Ziff. 6.2 Satz 2 UmweltHM entsprechenden 12 Wiedereinschluss. Der VN hat somit nicht die Möglichkeit, die Nichtvorhersehbarkeit eines Umweltschadens zum Zeitpunkt seiner Einwirkung auf die Umwelt darzulegen und somit doch Ver4 Nach Winter/Hellberg/Orth/Sons 197. 5 Nach Winter/Hellberg/Orth/Sons 197. 6 GDV-Erläuterungen 368. 1197
Koch
Ziff. 10 USV
Nicht versicherte Tatbestände
sicherungsschutz zu erlangen. Der Musterbedingungsgeber begründet diese Schlechterstellung gegenüber dem UmweltHM mit der weitgehend unbekannten Risikosituation (insbesondere bezüglich möglicher Biodiversitätsschäden).7
IX. Herstellungs- und Verwendungsausschluss (Ziff. 10.9 USV) 13 Der Ausschluss nach Ziff. 10.9 USV schließt Pflichten und Ansprüche wegen Schäden durch die Herstellung, Lieferung, Verwendung oder Freisetzung von Klärschlamm, Jauche, Gülle, festem Stalldung, Pflanzenschutz-, Dünge- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln zunächst aus. Unter dem Begriff der Herstellung dürfte der durchschnittliche VN nicht nur Schäden verstehen, die während des Herstellungsprozesses entstehen, sondern auch solche, die durch das in Verkehr gebrachte Produkt verursacht werden. Ziff. 10.9 USV schließt somit das komplette Produkthaftpflichtrisiko aus.8 Der Ausschluss wird jedoch dadurch abgemildert, dass Versicherungsschutz besteht, wenn 14 diese Stoffe (Klärschlamm, Jauche, Gülle, fester Stalldung, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel und Schädlingsbekämpfungsmittel) durch plötzliche und unfallartige Ereignisse bestimmungswidrig und unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen (Alternative 1), durch Niederschläge plötzlich abgeschwemmt (Alternative 2) oder in andere Grundstücke abgedriftet sind, die nicht im Besitz des VN stehen (Alternative 3). Hinsichtlich des Erfordernisses „plötzliches und unfallartiges Ereignis“ kann auf die Kommentierung zu Ziff. 3 USV (Ziff. 3 USV Rn. 2) verwiesen werden. Als Beispiele für die erste Alternative lassen sich anführen: Brand, Sabotage, Behälter15 bruch, Fehlmontage, Korrosion, mechanische Beschädigungen der Läger oder Rohrleitungen, Überfüllung und Starkregen.9 Bestimmungswidriges und unbeabsichtigtes Gelangen in die Umwelt ist z.B. zu bejahen beim Verwehen von gekörntem Dünger durch starke Winde oder bei Überflutung der Nachbarschaft nach Bruch eines Güllebehälters.10 Als Beispiel für die zweite Alternative lässt sich das Abschwemmen von Gülle oder Pflan16 zenschutzmitteln durch starke Niederschläge nennen.11 Die dritte Alternative betrifft die Fälle, in denen es z.B. durch starken Wind zu einer Abdrift von eingesetzten Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln kommt.12
X. Asbestausschluss (Ziff. 10.10 USV) 17 Der Ausschluss entspricht Ziff. 7.11 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 350 ff.) verwiesen wird.
XI. Gentechnik (Ziff. 10.11 USV) 18 Der Ausschluss entspricht Ziff. 7.13 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 357 ff.) verwiesen wird.
7 GDV-Erläuterungen 368; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 61. 8 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 327; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 140; Winter/Hellberg/Orth/ Sons 201; Späte/Schimikowski/Schneider USV § 10 Rn. 15. 9 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 329. 10 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 329. 11 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 331. 12 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 332. Koch
1198
C. Ausschlüsse
Ziff. 10 USV
XII. Abfälle (Ziff. 10.12 USV) Der Ausschluss nach Ziff. 10.12 USV schließt Pflichten und Ansprüche wegen Schäden aus, die 19 resultieren aus der Zwischen-, Endablagerung oder anderweitigen Entsorgung von Abfällen (zum Abfallbegriff s. Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 343) – ohne die dafür erforderliche behördliche Genehmigung, – unter fehlerhafter oder unzureichender Deklaration oder – an einem Ort, der nicht im erforderlichen Umfang dafür behördlich genehmigt ist. Eine Zwischenlagerung ist eine vorübergehende Lagerung auf dem Grundstück von Abholern, 20 Einsammlern, Entsorgern.13 Eine Endlagerung ist gleichzusetzen mit der Deponierung.14 Die „anderweitige Entsorgung“ umfasst u.a. die Behandlung im Boden (z.B. biologischer Abbau von flüssigen oder schlammigen Abfällen im Erdreich), die Verpressung (z.B. Verpressung pumpfähiger Abfälle in Bohrlöcher), die Oberflächenaufbringung (z.B. Ableitung flüssiger oder schlammiger Abfälle in Gruben) sowie die Einleitung in Binnengewässer oder Meere/Ozeane.15
XIII. Deponien (Ziff. 10.13 USV) Ziff. 10.13 USV entspricht Ziff. 6.6 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 21 UmweltHM Rn. 21 f.) verwiesen wird.
XIV. Benzinklausel (Ziff. 10.14 USV) Ziff. 10.14 USV entspricht Ziff. 6.15 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 22 UmweltHM Rn. 39 ff.) verwiesen wird. Der Kfz-Ausschluss gilt nicht für Ziff. 1.3 USV.
XV. Luftfahrzeugklausel (Ziff. 10.15 USV) Ziff. 10.15 USV entspricht Ziff. 6.16 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 23 UmweltHM Rn. 40) verwiesen wird.
XVI. Bewusstes Abweichen von Umweltschutzbestimmungen (Ziff. 10.16 USV) Ziff. 10.16 USV entspricht Ziff. 6.9 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 24 UmweltHM Rn. 25 f.) verwiesen wird.
XVII. Bewusstes Unterlassen (Ziff. 10.17 USV) Ziff. 10.17 USV entspricht Ziff. 6.10 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 25 UmweltHM Rn. 27) verwiesen wird.
13 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 346. 14 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 347. 15 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 347. 1199
Koch
Ziff. 10 USV
Nicht versicherte Tatbestände
XVIII. Bergbaubetriebsschäden (Ziff. 10.18 USV) 26 Ziff. 10.18 USV schließt Pflichten und Ansprüche wegen Schäden durch Bergbaubetrieb i.S.d. BBergG aus. Über den Regelungsinhalt von Ziff. 6.12 UmweltHM hinaus werden nicht nur Bergschäden i.S.v. § 114 BBergG erfasst (hierzu Ziff. 6 UmweltHM Rn. 31), sondern jeglicher aus dem Bergbaubetrieb resultierender Schaden und ohne Beschränkung auf bestimmte Schadensursachen (hierzu Ziff. 6 UmweltHM Rn. 34). Es besteht deshalb auch dann keine Deckung, wenn nach dem Einsturz eines bereits stillgelegten Bergbaustollens mehrere geschützte Feuchtbiotope austrocknen.16
XIX. Gemeingefahren (Ziff. 10.19 USV) 27 Ziff. 10.19 USV entspricht Ziff. 6.14 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung (Ziff. 6 UmweltHM Rn. 38) verwiesen wird.
XX. Vorsätzliche Schadensherbeiführung (Ziff. 10.20 USV) 28 Der Ausschluss entspricht Ziff. 7.1 AHB 2016. Auf die dortige Kommentierung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 38 ff.) wird verwiesen.
XXI. Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von Erzeugnissen, Arbeiten oder sonstigen Leistungen (Ziff. 10.21 AHB) 29 Der Ausschluss entspricht Ziff. 7.2 AHB 2016. Auf die dortige Kommentierung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 120 ff.) wird verwiesen.
XXII. Über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehende vertragliche Ansprüche (Ziff. 10.22 USV) 30 Der Ausschluss entspricht Ziff. 7.3 AHB 2016. Auf die dortige Kommentierung (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 140 ff.) wird verwiesen.
XXIII. Tierkrankheiten (Ziff. 10.23 USV) 31 Ziff. 10.23 USV schließt Pflichten und Ansprüche wegen Schäden aus, die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. Es besteht jedoch Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Dieser Ausschluss entspricht Ziff. 7.18 Satz 2 und Satz 3 AHB 2016 (Ziff. 7 AHB 2016 Rn. 423 ff.). Keine Deckung besteht z.B. im Falle der Übertragung der Vogelgrippe von Tieren des VN auf geschützte Vogelarten. Abweichend von Ziff. 7.18 Satz 1 AHB 2016 erstreckt sich der Ausschluss nicht auch auf Schäden aus der Übertragung einer Krankheit des VN.
16 Winter/Hellberg/Orth/Sons 214. Koch
1200
C. Ausschlüsse
Ziff. 10 USV
XXIV. Kernenergieanlagen (Ziff. 10.24 USV) Ziff. 10.24 USV schließt Pflichten und Ansprüche wegen Schäden durch den Betrieb von Kern- 32 energieanlagen aus. Da für derartige Schäden nach § 3 Abs. 3 Ziff. 5 USchadG i.V.m. Anlage 3 keine Haftung besteht, ist der Ausschluss nur für den Anspruch des VN auf Anspruchsabwehr von Bedeutung.
1201
Koch
Ziff. 11 USV
Ziff. 11 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/ Selbstbehalt 11.1 1Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall EUR… 2 Diese Versicherungssumme bildet auch die Höchstersatzleistung des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres. 11.2 2Für den Umfang der Leistung des VR bildet die angegebene Versicherungssumme die Höchstgrenze bei jedem Versicherungsfall. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungs- oder ersatzpflichtige Personen erstreckt. 3Sämtliche Kosten gemäß Ziff. 5 werden auf die Versicherungssumme angerechnet. 4 Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Einwirkung auf die Umwelt, – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Einwirkungen auf die Umwelt, – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhende Einwirkungen auf die Umwelt, wenn zwischen den gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, oder – die Lieferung von Erzeugnissen mit gleichen Mängeln gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt. 11.3 1Der VN hat bei jedem Versicherungsfall von den gemäß Ziff. 5 versicherten Kosten EUR … selbst zu tragen. 2Der VR ist auch in diesen Fällen zur Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung und zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme verpflichtet. 11.4 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Anspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Kosten gemäß Ziff. 5 und Zinsen nicht aufzukommen.
Übersicht A.
Versicherungssumme und Jahreshöchstersatzleistung (Ziff. 11.1, Ziff. 11.2 Satz 1 und 2 1 USV)
B.
Kostenanrechnung (Ziff. 11.2 Satz 3 2 USV)
C.
Serienschadensklausel (Ziff. 11.2 Satz 4 3 USV)
D.
Selbstbehalt (Ziff. 11.3 USV)
E.
Widerstand des VN (Ziff. 11.4 USV)
6 7
A. Versicherungssumme und Jahreshöchstersatzleistung (Ziff. 11.1, Ziff. 11.2 Satz 1 und 2 USV) 1 Nach Ziff. 11.1 und 11.2 Satz 1 USV stellt die für den Versicherungsfall vereinbarte Versicherungssumme zugleich die Höchstersatzleistung je Versicherungsfall und für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres dar (einfache Maximierung). Dies gilt nach Ziff. 11.2 Satz 2 USV auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungs- oder ersatzpflichtige Personen erstreckt.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-323
1202
D. Selbstbehalt (Ziff. 11.3 USV)
Ziff. 11 USV
B. Kostenanrechnung (Ziff. 11.2 Satz 3 USV) Abweichend von Ziff. 7.2 UmweltHM sieht Ziff. 11.2 Satz 3 USV vor, dass sämtliche Kosten gem. 2 Ziff. 5 USV und damit auch notwendige Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts-, Zeugen-, Verwaltungsverfahrens- und Gerichtskosten auf die Versicherungssumme angerechnet werden. Nach Ansicht von Schimikowski handelt es sich um eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB, weil der VN Ziff. 5 USV entnehmen könne, dass Abwehrkosten stets versichert seien.1 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, da Ziff. 5 USV nur die versicherten Kosten als solche festlegt und keine darüber hinausgehende Aussage trifft. Zur Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln s. Kommentierung zu § 101 VVG.2
C. Serienschadensklausel (Ziff. 11.2 Satz 4 USV) Ziff. 11.2 Satz 4 USV enthält eine an Ziff. 7.2 Satz 3 UmweltHM angelehnte Serienschadensklau- 3 sel, die um Serienschäden aus der Lieferung von Erzeugnissen mit gleichen Mängeln (vgl. Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 22 ff.) erweitert ist, da das allgemeine, nicht anlagenbezogene UmweltschadenProduktrisiko – anders als im UmweltHM – von der USV erfasst wird. Anstelle einer „Umwelteinwirkung“, die abweichend vom UmweltHG keine Haftungsvoraussetzung nach dem USchadG ist, wird auf Versicherungsfälle durch dieselbe „Einwirkung auf die Umwelt“ oder mehrere unmittelbar auf derselben oder den gleichen Ursachen beruhende „Einwirkungen auf die Umwelt“ sowie auf die Lieferung von Erzeugnissen mit gleichen Mängeln abgestellt. 4 Beispiele3 für: – dieselbe Ursache: Infolge einer Explosion in einer Produktionsanlage für Pflanzenschutzmittel werden über die Luft Schadstoffe freigesetzt und dadurch mehrere geschützte Tierund Pflanzenarten geschädigt; – auf derselben Ursache beruhende Einwirkungen auf die Umwelt: Ein Brand in einer Produktionsanlage für Biozide führt sowohl zu einer Schädigung des Gewässers als auch zur Schädigung der an und in dem Gewässer lebenden besonders geschützten Amphibien; – auf gleichen Ursachen beruhende Einwirkungen auf die Umwelt: Der Filter einer umweltrelevanten Anlage muss in Intervallen einer Wartung unterzogen werden. Dies wird wiederholt versehentlich nicht fristgemäß durchgeführt, was ab den fälligen Wartungsterminen zu einem erhöhten Schadstoffausstoß in die Luft und zu einer Schädigung der in einem nahen Brachland lebenden besonders geschützten Libellen, Käfern und Farnen führt. Ebenso wie nach dem UmweltHM gilt die Serienschadensklausel nicht für Aufwendungen i.S.v. 5 Ziff. 9 USV. Weiterhin ist zu beachten, dass die Serienschadensklausel nur „während der Wirksamkeit der Versicherung“ eintretende Versicherungsfälle umfasst. Umweltschäden, die erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eintreten und festgestellt werden, fallen somit nicht mehr unter den Versicherungsschutz, auch wenn sie Teil einer auf derselben Ursache beruhenden Serie von Schäden sind (Ziff. 7 UmweltHM Rn. 7 ff.).
D. Selbstbehalt (Ziff. 11.3 USV) Ziff. 11.3 Satz 1 USV sieht einen Selbstbehalt vor, dessen Höhe individual-vertraglich vereinbart 6 wird. Ziff. 11.3 Satz 2 USV stellt klar, dass der VR auch in Versicherungsfällen, in denen die
1 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 148; ihm folgend Prölss/Martin/Voit AVBUSV Abs. 11 Ziff. 11 Rn. 1. 2 Bruck/Möller/Koch § 101 VVG Rn. 77 ff. 3 Nach GDV-Erläuterungen 371. 1203
Koch
Ziff. 12 USV
Nachhaftung
versicherten Kosten den Selbstbehalt nicht überschreiten, zur Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung und zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahmen verpflichtet ist.
E. Widerstand des VN (Ziff. 11.4 USV) 7 Nach Ziff. 11.4 USV ist entsprechend Ziff. 6.8 AHB keine Beteiligung des VR am Mehraufwand von Kosten und Zinsen vorgesehen, wenn die vom VR verlangte Erledigung eines Anspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert. Die Klausel ist als für den VN nachteilige Abweichung von § 28 VVG gem. § 32 und bei Vorliegen eines Großrisikos gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (zu Einzelheiten s. Ziff. 6 AHB 2016 Rn. 66 ff.).
Ziff. 12 Nachhaftung 12.1 Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Umweltschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: – Der Versicherungsschutz gilt für die Dauer von 3 Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – Der Versicherungsschutz besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Rahmen des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfanges, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 12.2 Die Regelung der Ziff. 12.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist. 1 Ziff. 12 USV entspricht Ziff. 8 UmweltHM, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-324
1204
Ziff. 13 USV
Ziff. 13 Versicherungsfälle im Ausland 13.1 1Versichert sind abweichend von Ziff. 10.6 im Umfang dieses Versicherungsvertrages im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) eintretende Versicherungsfälle, – die auf den Betrieb einer im Inland belegenen Anlage oder eine Tätigkeit im Inland i.S.d. Ziff. 2.1 bis 2.8 zurückzuführen sind. 2Dies gilt für Tätigkeiten i.S.d. Ziff. 2.6 und 2.7 nur, wenn die Anlagen oder Teile oder Erzeugnisse nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; – aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen und Messen, wenn Versicherungsschutz gem. Ziff. 2.8 vereinbart wurde. 2 Versicherungsschutz besteht insoweit abweichend von Ziff. 1.1 auch für Pflichten oder Ansprüche gemäß nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EU-Mitgliedstaaten, sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der o.g. EU-Richtlinie nicht überschreiten. 13.2 Nur aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung sind versichert im Umfang dieses Versicherungsvertrages im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/ EG) eintretende Versicherungsfälle, 13.2.1 die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen i.S.v. Ziff. 2.6 oder Erzeugnisse i.S.v. Ziff. 2.7 zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile oder Erzeugnisse ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; 13.2.2 die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen i.S.v. Ziff. 2.6 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen; 13.2.3 die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstige Tätigkeiten gemäß Ziff. 2.8 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. 13.3 Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung für im Ausland belegener Anlagen oder Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl. 13.4 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist. Abweichend von Ziff. 10.6 USV schließt Ziff. 13.1 Satz 1 USV den Versicherungsschutz für be- 1 stimmte, im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie eintretende Versicherungsfälle wieder ein, die auf eine im Inland gelegene Anlage oder eine Tätigkeit im Inland im Sinne der Ziff. 2.1 bis 2.8 USV zurückzuführen sind (grenzüberschreitende Schäden). Ziff. 13.2 und 13.3 USV entsprechen Ziff. 9.2 UmweltHM und Ziff. 13.4. USV entspricht Ziff. 9.6 UmweltHM. Auf die dortigen Erläuterungen wird verwiesen. Keine Entsprechung im UmweltHM hat Ziff. 13.1 Satz 2 USV, die den Versicherungsschutz auch auf Pflichten oder Ansprüche gemäß nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EU-Mitgliedstaaten ausdehnt, sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der EU-Umwelthaftungsrichtlinie nicht überschreiten. Fraglich ist, ob die EU-Umwelthaftungsrichtlinie auch auf Offshore-Windkraftanlagen 2 Anwendung findet, die in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) betrieben werden.1 Der deutsche Gesetzgeber geht hiervon offenbar aus, indem er in § 3 Abs. 2 USchadG den Anwendungsbereich des USchadG „im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGBl. 1994 II S. 1799)“ auch auf den Bereich der AWZ und den Festlandssockel ausdehnt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 20.10.2005 festgestellt, dass die 1 Vgl. hierzu Hille/Schröder/Dettmer/Visser VersR 2010 585, 598. 1205 https://doi.org/10.1515/9783110522686-325
Koch
Ziff. 13 USV
Versicherungsfälle im Ausland
Richtlinie 92/43/EWG vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) in der ausschließlichen Wirtschaftszone vom Mitgliedstaat umzusetzen ist.2 Bereits in seinem Urteil vom 16.2.1978 hatte der EuGH festgestellt, dass jede Ausdehnung der der mitgliedstaatlichen Hoheitsgewalt unterliegenden Meeresgebiete eine entsprechende Ausdehnung des Geltungsbereichs des Gemeinschaftsrechts zur Folge habe.3 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung besteht Versicherungsschutz für Schäden, die durch den Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen in der AWZ verusacht werden.4
2 EuGH 20.10.2005 – C-6/04, NuR 2006 494, 498 Rn. 117; für die Anwendung der FFH-Richtlinie 92/43/EWG in der AWZ: VG Hamburg 1.12.2003 – 19 K 2474/2003 (juris).
3 EuGH 16.2.1978 – Rs. 61/77, Kommission/Irland, Slg. 1978 417, Rn. 45/51. 4 Hille/Schröder/Dettmer/Visser VersR 2010 585, 598. Koch
1206
Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag
Ziff. 15 USV
Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung Ziff. 14 Beginn des Versicherungsschutzes 1
Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig i.S.v. Ziff. 15.1 zahlt. 2 Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungssteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat. Ziff. 14 USV ist identisch mit Ziff. 8 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwie- 1 sen wird.
Ziff. 15 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag 15.1 1Der erste oder einmalige Beitrag wird unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. 2Ist die Zahlung des Jahresbeitrages in Raten vereinbart, gilt als erster Beitrag nur die erste Rate des ersten Jahresbeitrags. 15.2 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, beginnt der Versicherungsschutz erst ab diesem Zeitpunkt. 2Das gilt nicht, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. 3 Für Versicherungsfälle, die bis zur Zahlung des Beitrags eintreten, ist der VR nur dann nicht zur Leistung verpflichtet, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung des Beitrags aufmerksam gemacht hat. 15.3 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, kann der VR vom Vertrag zurücktreten, solange der Beitrag nicht gezahlt ist. 2Der VR kann nicht zurücktreten, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. Ziff. 15 USV ist identisch mit Ziff. 9 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwie- 1 sen wird.
1207 https://doi.org/10.1515/9783110522686-327
Koch
Ziff. 17 USV
Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat
Ziff. 16 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag 16.1 1Die Folgebeiträge sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, am Monatsersten des vereinbarten Beitragszeitraums fällig. 2 Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie zu dem im Versicherungsschein oder in der Beitragsrechnung angegebenen Zeitpunkt erfolgt. 16.2 1Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, gerät der VN ohne Mahnung in Verzug, es sei denn, dass er die verspätete Zahlung nicht zu vertreten hat. 2 Der VR ist berechtigt, Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens zu verlangen. 3Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, kann der VR dem VN auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. 4Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge des Beitrags, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Ziff. 16.3 und 16.4 mit dem Fristablauf verbunden sind. 16.3 Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, besteht ab diesem Zeitpunkt bis zur Zahlung kein Versicherungsschutz, wenn er mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 16.2 Abs. 3 darauf hingewiesen wurde. 16.4 1Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, kann der VR den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn er den VN mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 16.2 Abs. 3 darauf hingewiesen hat. 2 Hat der VR gekündigt, und zahlt der VN danach innerhalb eines Monats den angemahnten Betrag, besteht der Vertrag fort. 3Für Versicherungsfälle, die zwischen dem Zugang der Kündigung und der Zahlung eingetreten sind, besteht jedoch kein Versicherungsschutz. 1 Ziff. 16 USV ist identisch mit Ziff. 10 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Ziff. 17 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat 1
Ist die Einziehung des Beitrags von einem Konto vereinbart, gilt die Zahlung als rechtzeitig, wenn der Beitrag zum Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN einer berechtigten Einziehung nicht widerspricht. 2 Konnte der fällige Beitrag ohne Verschulden des VN vom VR nicht eingezogen werden, ist die Zahlung auch dann noch rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach einer in Textform abgegebenen Zahlungsaufforderung des VR erfolgt. 3 Kann der fällige Beitrag nicht eingezogen werden, weil der VN das SEPA-Lastschriftmandat widerrufen hat, oder hat der VN aus anderen Gründen zu vertreten, dass der Beitrag nicht eingezogen werden kann, ist der VR berechtigt, künftig Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens zu verlangen. 4Der VN ist zur Übermittlung des Beitrags erst verpflichtet, wenn er vom VR hierzu in Textform aufgefordert worden ist. 1 Ziff. 17 USV ist identisch mit Ziff. 11 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-329
1208
Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
Ziff. 20 USV
Ziff. 18 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung 1
Ist die Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, sind die noch ausstehenden Raten sofort fällig, wenn der VN mit der Zahlung einer Rate im Verzug ist. 2 Ferner kann der VR für die Zukunft jährliche Beitragszahlung verlangen. Ziff. 18 USV ist identisch mit Ziff. 12 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwie- 1 sen wird.
Ziff. 19 Beitragsregulierung 19.1 1Der VN hat nach Aufforderung mitzuteilen, ob und welche Änderungen des versicherten Risikos gegenüber den früheren Angaben eingetreten sind. 2Diese Aufforderung kann auch durch einen Hinweis auf der Beitragsrechnung erfolgen. 3Die Angaben sind innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung zu machen und auf Wunsch des VR nachzuweisen. 4Bei unrichtigen Angaben zum Nachteil des VR kann dieser vom VN eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschiedes verlangen. 5Dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass ihn an der Unrichtigkeit der Angaben kein Verschulden trifft. 19.2 1Aufgrund der Änderungsmitteilung des VN oder sonstiger Feststellungen wird der Beitrag ab dem Zeitpunkt der Veränderung berichtigt (Beitragsregulierung), beim Wegfall versicherter Risiken jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung beim VR. 2Der vertraglich vereinbarte Mindestbeitrag darf dadurch nicht unterschritten werden. 19.3 1Unterlässt der VN die rechtzeitige Mitteilung, kann der VR für den Zeitraum, für den die Angaben zu machen waren, eine Nachzahlung in Höhe des für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Beitrages verlangen. 2Werden die Angaben nachträglich gemacht, findet eine Beitragsregulierung statt. 3Ein vom VN zu viel gezahlter Beitrag wird nur zurückerstattet, wenn die Angaben innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung des erhöhten Beitrages erfolgten. 19.4 Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwendung auf Versicherungen mit Beitragsvorauszahlung für mehrere Jahre. Ziff. 19.1, 19.3 und 19.4 USV sind identisch mit Ziff. 13.1, 13.3 bis 13.4 AHB 2016, weshalb auf die 1 dortige Kommentierung verwiesen wird. Ziff. 19.2 USV ist inhaltsgleich mit Ziff. 13.2 Satz 1 u. 2 AHB 2016. Keinen Eingang in die USV hat Ziff. 13.2 Satz 3 AHB 2016 gefunden („Alle entsprechend Ziff. 15.1 nach dem Versicherungsabschluss eingetretenen Erhöhungen und Ermäßigungen des Mindestbeitrags werden berücksichtigt“).
Ziff. 20 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages hat der VR, soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, nur Anspruch auf den Teil des Beitrages, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat. Ziff. 20 USV ist identisch mit Ziff. 14 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwie- 1 sen wird.
1209 https://doi.org/10.1515/9783110522686-332
Koch
Ziff. 23 USV
Kündigung nach Versicherungsfall
Dauer und Ende des Vertrages/Kündigung Ziff. 21 Dauer und Ende des Vertrages 21.1 Der Vertrag ist für die im Versicherungsschein angegebene Zeit abgeschlossen. 21.2 Bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr, wenn nicht dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres eine Kündigung zugegangen ist. 21.3 Bei einer Vertragsdauer von weniger als einem Jahr endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zum vorgesehenen Zeitpunkt. 21.4 Bei einer Vertragsdauer von mehr als drei Jahren kann der Vertrag schon zum Ablauf des dritten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres gekündigt werden; die Kündigung muss dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres zugegangen sein. 1 Ziff. 21 USV ist identisch mit Ziff. 16 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Ziff. 22 Wegfall des versicherten Risikos 1
Wenn versicherte Risiken vollständig und dauerhaft wegfallen, so erlischt die Versicherung bezüglich dieser Risiken. 2Dem VR steht der Beitrag zu, den er hätte erheben können, wenn die Versicherung dieser Risiken nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem er vom Wegfall Kenntnis erlangt. 1 Ziff. 22 USV ist identisch mit Ziff. 17 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Ziff. 23 Kündigung nach Versicherungsfall 23.1 1Das Versicherungsverhältnis kann gekündigt werden, wenn – vom VR eine Zahlung von Sanierungskosten geleistet wurde, – der VR den Anspruch des VN auf Freistellung zu Unrecht abgelehnt hat oder – dem VN eine Klage über einen unter den Versicherungsschutz fallenden Anspruch auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/Pflichten gerichtlich zugestellt wird. 2 Die Kündigung muss dem Vertragspartner in Textform spätestens einen Monat nach der Zahlung von Sanierungskosten, der Ablehnung oder der Zustellung der Klage zugegangen sein. 23.2 1Kündigt der VN, wird seine Kündigung sofort nach ihrem Zugang beim VR wirksam.2Der VN kann jedoch bestimmen, dass die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende der laufenden Versicherungsperiode, wirksam wird. 3 Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam. 1 Ziff. 23 USV ist identisch mit Ziff. 19 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-336
1210
Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen
Ziff. 24 USV
Ziff. 24 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen 24.1 1Wird ein Unternehmen, für das eine Umweltschadensversicherung besteht, an einen Dritten veräußert, tritt dieser an Stelle des VN in die während der Dauer seines Eigentums sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. 2 Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen wird. 24.2 Das Versicherungsverhältnis kann in diesem Falle – durch den VR dem Dritten gegenüber mit einer Frist von einem Monat, – durch den Dritten dem VR gegenüber mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode in Schriftform Textform gekündigt werden. 24.3 Das Kündigungsrecht erlischt, wenn – der VR es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausübt, in welchem er vom Übergang auf den Dritten Kenntnis erlangt; – der Dritte es nicht innerhalb eines Monats nach dem Übergang ausübt, wobei das Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monats von dem Zeitpunkt an bestehen bleibt, in dem der Dritte von der Versicherung Kenntnis erlangt. 24.4 Erfolgt der Übergang auf den Dritten während einer laufenden Versicherungsperiode und wird das Versicherungsverhältnis nicht gekündigt, haften der bisherige VN und der Dritte für den Versicherungsbeitrag dieser Periode als Gesamtschuldner. 24.5 1Der Übergang eines Unternehmens ist dem VR durch den bisherigen VN oder den Dritten unverzüglich anzuzeigen. 2 Bei einer schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen, und der VR den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. 3 Der Versicherungsschutz lebt wieder auf und besteht für alle Versicherungsfälle, die frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt eintreten, in dem der VR von der Veräußerung Kenntnis erlangt. 4Dies gilt nur, wenn der VR in diesem Monat von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. 5 Der Versicherungsschutz fällt trotz Verletzung der Anzeigepflicht nicht weg, wenn dem VR die Veräußerung in dem Zeitpunkt bekannt war, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. Ziff. 24 USV ist identisch mit Ziff. 20 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwie- 1 sen wird.
1211 https://doi.org/10.1515/9783110522686-337
Koch
Ziff. 26 USV
Mehrfachversicherung
Ziff. 25 Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften 1
Bei Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften (s. Ziff. 6.3) ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 2Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
1 Ziff. 25 USV ist identisch mit Ziff. 21 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Ziff. 26 Mehrfachversicherung 26.1 Eine Mehrfachversicherung liegt vor, wenn das Risiko in mehreren Versicherungsverträgen versichert ist. 26.2 Wenn die Mehrfachversicherung zustande gekommen ist, ohne dass der VN dies wusste, kann er die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen. 26.3 1Das Recht auf Aufhebung erlischt, wenn der VN es nicht innerhalb eines Monats geltend macht, nachdem er von der Mehrfachversicherung Kenntnis erlangt hat. 2 Die Aufhebung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die Erklärung, mit der sie verlangt wird, dem VR zugeht. 1 Ziff. 26 USV ist identisch mit Ziff. 22 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-339
1212
Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
Ziff. 27 USV
Obliegenheiten des VN Ziff. 27 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN 27.1 Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände 1 Der VN hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung dem VR alle ihm bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, nach denen der VR in Textform gefragt hat und die für den Entschluss des VR erheblich sind, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen. 2Der VN ist auch insoweit zur Anzeige verpflichtet, als nach seiner Vertragserklärung, aber vor Vertragsannahme der VR in Textform Fragen i.S.d. Satzes 1 stellt. 3Gefahrerheblich sind die Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des VR Einfluss auszuüben, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. 4 Wird der Vertrag von einem Vertreter des VN geschlossen und kennt dieser den gefahrerheblichen Umstand, muss sich der VN so behandeln lassen, als habe er selbst davon Kenntnis gehabt oder dies arglistig verschwiegen. 27.2 Rücktritt (1) Unvollständige und unrichtige Angaben zu den gefahrerheblichen Umständen berechtigen den VR, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten. (2) 1Der VR hat kein Rücktrittsrecht, wenn der VN nachweist, dass er oder sein Vertreter die unrichtigen oder unvollständigen Angaben weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gemacht hat. 2 Das Rücktrittsrecht des VR wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht besteht nicht, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. (3) 1Im Fall des Rücktritts besteht kein Versicherungsschutz. 2Tritt der VR nach Eintritt des Versicherungsfalles zurück, darf er den Versicherungsschutz nicht versagen, wenn der VN nachweist, dass der unvollständig oder unrichtig angezeigte Umstand weder für den Eintritt des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung ursächlich war. 3Auch in diesem Fall besteht aber kein Versicherungsschutz, wenn der VN die Anzeigepflicht arglistig verletzt hat. 4 Dem VR steht der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht. 27.3 Beitragsänderung oder Kündigungsrecht 1 Ist das Rücktrittsrecht des VR ausgeschlossen, weil die Verletzung einer Anzeigepflicht weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte, kann der VR den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat in Schriftform kündigen. 2 Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. 3 Kann der VR nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, aber zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR rückwirkend Vertragsbestandteil. 4Hat der VN die Pflichtverletzung nicht zu vertreten, werden die anderen Bedingungen ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. 5 Erhöht sich durch die Vertragsanpassung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließt der VR die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der VN den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR fristlos kündigen. 6 Der VR muss die ihm nach Ziff. 27.2 und 27.3 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. 7Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem 1213 https://doi.org/10.1515/9783110522686-340
Koch
Ziff. 28 USV
Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
er von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. 8Er hat die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung abgeben, wenn für diese die Monatsfrist nicht verstrichen ist. 9 Dem VR stehen die Rechte nach den Ziff. 27.2 und 27.3 nur zu, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. 10 Der VR kann sich auf die in den Ziff. 27.2 und 27.3 genannten Rechte nicht berufen, wenn er den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. 27.4 Anfechtung 1 Das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt. 2Im Fall der Anfechtung steht dem VR der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht. 1 Ziff. 27 USV ist identisch mit Ziff. 23 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Ziff. 28 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles 1
Besonders gefahrdrohende Umstände hat der VN auf Verlangen des VR innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. 2Dies gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. 3Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne weiteres als besonders gefahrdrohend. 1 Ziff. 28 USV ist identisch mit Ziff. 24 AHB 2016, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-341
1214
Obliegenheiten bei Eintritt eines Umweltschadens
Ziff. 29 USV
Ziff. 29 Obliegenheiten bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen 29.1 Jeder Versicherungsfall ist dem VR unverzüglich nach Kenntnis durch den VN anzuzeigen, auch wenn noch keine Sanierungs- oder Kostentragungsansprüche erhoben wurden. 29.2 Dem VN obliegt es ferner, den VR jeweils unverzüglich und umfassend zu informieren über: – seine ihm gemäß § 4 Umweltschadensgesetz obliegende Information an die zuständige Behörde, – behördliches Tätigwerden wegen der Vermeidung oder Sanierung eines Umweltschadens gegenüber dem VN, – die Erhebung von Ansprüchen auf Ersatz der einem Dritten entstandenen Aufwendungen zur Vermeidung, Begrenzung oder Sanierung eines Umweltschadens, – den Erlass eines Mahnbescheids, – eine gerichtliche Streitverkündung, – die Einleitung eines staatsanwaltlichen, behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens. 29.3 1Der VN muss nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. Weisungen des VR sind zu befolgen, soweit es für den VN zumutbar ist. 2Er hat dem VR ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen. 3Alle Umstände, die nach Ansicht des VR für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden. 29.4 Maßnahmen und Pflichten im Zusammenhang mit Umweltschäden sind unverzüglich mit dem VR abzustimmen. 29.5 1Gegen einen Mahnbescheid oder einen Verwaltungsakt im Zusammenhang mit Umweltschäden muss der VN fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen. 2Einer Weisung des VR bedarf es nicht. 1 29.6 Im Widerspruchsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren wegen eines Umweltschadens hat der VN dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen. 2Im Falle des gerichtlichen Verfahrens beauftragt der VR einen Rechtsanwalt im Namen des VN. 3Der VN muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen. Ziff. 29.1 USV entspricht sachlich Ziff. 25.1 Satz 1 AHB 2016. Ziff. 29.2, 1. und 2. Spiegelstrich 1 USV enthalten USV-spezifische Besonderheiten. So trifft den VN die Obliegenheit, den VR über die gem. § 4 USchadG bestehende und erfolgte Information an die zuständige Behörde bei drohendem oder eingetretenem Umweltschaden zu unterrichten. Ziff. 29.2, 3. bis 6. Spiegelstrich USV entsprechen Ziff. 25.3 AHB 2016. Ziff. 29.3 USV ist identisch mit Ziff. 25.2 AHB 2016. Nach Ziff. 29.4 USV hat der VN Maßnahmen und Pflichten im Zusammenhang mit Umweltschäden unverzüglich mit dem VR abzustimmen. Diese Regelung ergänzt Ziff. 29.2, 1. und 2. Spiegelstrich USV. Ziff. 29.5 USV entspricht Ziff. 25.4 AHB und Ziff. 29.6 USV entspricht Ziff. 25.5 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird.
1215 https://doi.org/10.1515/9783110522686-342
Koch
Ziff. 30 USV
Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten
Ziff. 30 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 30.1 1Verletzt der VN eine Obliegenheit aus diesem Vertrag, die er vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat, kann der VR den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung fristlos kündigen. 2Der VR hat kein Kündigungsrecht, wenn der VN nachweist, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte. 30.2 1Wird eine Obliegenheit aus diesem Vertrag vorsätzlich verletzt, verliert der VN seinen Versicherungsschutz. 2Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der VR berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen. 3 Der vollständige oder teilweise Wegfall des Versicherungsschutzes hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. 4 Weist der VN nach, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat, bleibt der Versicherungsschutz bestehen. 5 Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn der VN nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung ursächlich war. 6Das gilt nicht, wenn der VN die Obliegenheit arglistig verletzt hat. 7 Die vorstehenden Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob der VR ein ihm nach Ziff. 30.1 zustehendes Kündigungsrecht ausübt. 1 Ziff. 30 USV ist identisch mit Ziff. 26 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-343
1216
Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung
Ziff. 33 USV
Weitere Bestimmungen Ziff. 31 Mitversicherte Personen 31.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Ansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Versicherten entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen der Ziff. 7 gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Versicherten entsteht. 31.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2Er ist neben den Versicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich. Ziff. 31 USV ist identisch mit Ziff. 27 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen ver- 1 wiesen wird.
Ziff. 32 Abtretungsverbot 1
Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des VR weder abgetreten noch verpfändet werden. 2Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig. Ziff. 32 USV ist identisch mit Ziff. 28 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen 1 verwiesen wird.
Ziff. 33 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung 33.1 Alle für den VR bestimmten Anzeigen und Erklärungen sollen an die Hauptverwaltung des VR oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden. 33.2 1Hat der VN eine Änderung seiner Anschrift dem VR nicht mitgeteilt, genügt für eine Willenserklärung, die dem VN gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem VR bekannte Anschrift. 2Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Briefes als zugegangen. 3Dies gilt entsprechend für den Fall einer Namensänderung des VN. 33.3 Hat der VN die Versicherung für seinen Gewerbebetrieb abgeschlossen, finden bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung die Bestimmungen der Ziff. 33.2 entsprechende Anwendung. Ziff. 33 USV ist identisch mit Ziff. 29 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen 1 verwiesen wird.
1217 https://doi.org/10.1515/9783110522686-346
Koch
Ziff. 36 USV
Anzuwendendes Recht
Ziff. 34 Verjährung 34.1 1Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren. 2Die Fristberechnung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. 34.2 Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag bei dem VR angemeldet worden, ist die Verjährung von der Anmeldung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des VR dem Anspruchsteller in Textform zugeht. 1 Ziff. 34 USV ist identisch mit Ziff. 30 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird.
Ziff. 35 Zuständiges Gericht 35.1 1Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VR bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 2Ist der VN eine natürliche Person, ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 35.2 1Ist der VN eine natürliche Person, müssen Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen ihn bei dem Gericht erhoben werden, das für seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts zuständig ist. 2Ist der VN eine juristische Person, bestimmt sich das zuständige Gericht auch nach dem Sitz oder der Niederlassung des VN. 3Das gleiche gilt, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft ist. 35.3 Sind der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VN nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 1 Ziff. 35 USV ist identisch mit Ziff. 31 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird.
Ziff. 36 Anzuwendendes Recht Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht. 1 Ziff. 36 USV ist identisch mit Ziff. 32 AHB 2016, weshalb auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-349
1218
USV Zusatz 1
II. USV-Zusatzbaustein 1 Falls besonders vereinbart, gilt: 1. 1Abweichend von Ziff. I 10.1 besteht im Rahmen und Umfang dieses Vertrages Versicherungsschutz auch für Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz – an geschützten Arten oder natürlichen Lebensräumen, die sich auf Grundstücken einschließlich Gewässern befinden, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren. – an Boden, der im Eigentum des VN steht, stand oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen ist oder war, soweit von diesem Boden Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. 2Für darüber hinausgehende Pflichten oder Ansprüche für Schäden an diesen Böden kann Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang dieses Vertrages und der Ziff. III (Zusatzbaustein 2) vereinbart werden. – an Gewässern (nicht jedoch Grundwasser), die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren. 2 Soweit es sich hierbei um Grundstücke, Böden oder Gewässer handelt, die vom VN gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren, findet Ziff. I 1.1 letzter Absatz dann keine Anwendung, wenn der VN von einer Behörde in Anspruch genommen wird. 3Das gleiche gilt, wenn er von einem sonstigen Dritten auf Erstattung der diesem auf der Grundlage des Umweltschadensgesetzes entstandenen Kosten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts in Anspruch genommen wird. 4 Der Versicherungsschutz bezieht sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein deklarierten Grundstücke. 5 Für Grundstücke, die der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses erwirbt oder in Besitz nimmt, besteht abweichend von Ziff. I 6 und Ziff. I 7 kein Versicherungsschutz. 6 Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt. 2. Falls besonders vereinbart, besteht abweichend von Ziff. I 10.2 Versicherungsschutz auch für Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden gemäß Umweltschadensgesetz am Grundwasser. 3. Nicht versicherte Tatbestände 1 Die in Ziff. I genannten Ausschlüsse finden auch für diesen Zusatzbaustein Anwendung. 2Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gilt: 3 Nicht versichert sind: 3.1 1Kosten aus der Dekontamination von Erdreich infolge eines auf Grundstücken, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren, eingetretenen Brandes, Blitzschlages, einer Explosion, eines Anpralls oder Absturzes eines Flugkörpers, seiner Teile oder seiner Ladung. 2Dies umfasst auch die Untersuchung oder den Austausch von Erdreich, ebenso den Transport von Erdreich in eine Deponie und die Ablagerung oder Vernichtung von Erdreich. 3 Versicherungsschutz für derartige Kosten kann ausschließlich über eine entsprechende Sach-/Feuerversicherung vereinbart werden. 3.2 Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die von unterirdischen Abwasseranlagen ausgehen. 3.3 Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, für die der VN aus einem anderen Versicherungsvertrag Ersatz beanspruchen kann. 1219 https://doi.org/10.1515/9783110522686-350
Koch
USV Zusatz 1
4.
USV-Zusatzbaustein 1
Versicherungssummen/Maximierung/ Selbstbehalt Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstersatzleistung betragen im Rahmen der gemäß Ziff. I 11 vereinbarten Versicherungssumme EUR… 2 Der VN hat bei jedem Versicherungsfall von den gemäß Ziff. I 5 versicherten Kosten EUR… selbst zu tragen. 3Der VR ist auch in diesen Fällen zur Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung und zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme verpflichtet. 1
Übersicht A.
Inhalt und Zweck
B.
I.
II.
1
D.
Nicht versicherte Tatbestände (Ziff. 3 USV-Zu7 satzbaustein 1)
Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV-Zusatzbaustein 1)
I.
Dekontaminationskosten (Ziff. 3.1 USV-Zusatz8 baustein 1)
Schutz des VN in seiner Eigenschaft als Eigentü2 mer
II.
Unterirdische Abwasseranlagen (Ziff. 3.2 USV-Zu9 satzbaustein 1)
Schutz des VN in seiner Eigenschaft als Besit4 zer
III.
Subsidiaritätsklausel (Ziff. 3.3 USV-Zusatzbau10 stein 1)
E.
Versicherungssummen/Maximierung/ Selbstbehalt (Ziff. 4 USV-Zusatzbaustein 11 1)
5
III.
Deklarationspflicht
C.
Grundwasserschäden (Ziff. 2 USV-Zusatzbau6 stein 1)
A. Inhalt und Zweck 1 Durch Vereinbarung des Zusatzbausteins 1, der den gleichzeitigen Abschluss der Grunddeckung (deren Regelungen in den Musterbedingungen durch Voranstellung der römischen Ziffer I gekennzeichnet werden) voraussetzt, werden die nach Ziff. 10.1 USV ausgeschlossenen Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden nach dem USchadG, die auf Grundstücken des VN eintreten, teilweise wieder eingeschlossen. Damit trägt der Musterbedingungsgeber dem Umstand Rechnung, dass der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt (Mieter, Pächter, Leasingnehmer, Entleiher) über eine Sache selbst dann nicht von der Haftung nach dem USchadG ausgenommen ist, wenn sich der Schaden auf sein Grundstück oder seine Herrschaftssphäre beschränkt. Versicherungsschutz besteht wiederum nur für die Haftung nach USchadG.
B. Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 USV-Zusatzbaustein 1) I. Schutz des VN in seiner Eigenschaft als Eigentümer 2 Über Ziff. 1 Satz 1 USV-Zusatzbaustein 1 sind Umweltschäden gemäß USchadG an der Biodiversität auf eigenem Grundstück (1. Spiegelstrich), an eigenen Böden bei Gefahr für menschliche Gesundheit (2. Spiegelstrich) sowie an eigenen Gewässern (nicht jedoch am Grundwasser) versichert (Teiche, Tümpel, Seen)(3. Spiegelstrich). Damit sind z.B. Teiche, in denen der VN Fischzucht betreibt und an denen Schäden i.S.d. § 90 WHG auftreten, vom Versicherungsschutz erfasst.1 1 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 157. Koch
1220
D. Nicht versicherte Tatbestände (Ziff. 3 USV-Zusatzbaustein 1)
USV Zusatz 1
Mit der Beschränkung bei Schäden an eigenen Böden trägt der Musterbedingungsgeber dem 3 Umstand Rechnung, dass nach dem USchadG bei Bodenschäden eine Haftung erst dann einsetzt, wenn von dem Boden eine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeht (§ 2 Ziff. 1 lit. c) USchadG). Will der VN seine – in Bezug auf Bodenschäden – weitergehenden Pflichten nach dem BBodSchG versichern, die auch dann ausgelöst werden können, wenn (noch) keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, muss er den USV-Zusatzbaustein 2 mitvereinbaren.2 Verpflichtet die zuständige Behörde den VN zu Maßnahmen, ohne dass eine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, ist der VR zur Abwehr der unberechtigten Inanspruchnahme des VN verpflichtet (vgl. auch Ziff. 4 Satz 3 USV-Zusatzbaustein 1).3
II. Schutz des VN in seiner Eigenschaft als Besitzer Ziff. 1 Satz 2 und 3 USV-Zusatzbaustein 1 erweitern den Versicherungsschutz für VN, die 4 Grundstücke, Böden oder Gewässer besitzen, ohne Eigentümer zu sein, wenn sie von der Behörde direkt oder vom Eigentümer (privatrechtlich) auf dem Regressweg wegen Kosten in Anspruch genommen werden, die diesem auf Grundlage des USchadG entstanden sind.4 Ziff. 1.1 Satz 5 und 6 USV (umschrieben als letzter Absatz) wird insoweit abbedungen.
III. Deklarationspflicht Nach Ziff. 1 Satz 4 USV-Zusatzbaustein 1 ist weitere Voraussetzung für den Versicherungs- 5 schutz für selbstgenutzte Grundstücke, dass diese im Versicherungsschein deklariert werden. Für Grundstücke, die der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses erwirbt oder in Besitz nimmt, besteht gem. Ziff. 1 Satz 5 USV-Zusatzbaustein 1 kein Versicherungsschutz im Rahmen der Vorsorgeversicherung gem. Ziff. 7 USV oder als nach Ziff. 6 USV mitversicherte Risikoerhöhung oder -erweiterung.
C. Grundwasserschäden (Ziff. 2 USV-Zusatzbaustein 1) Die nach Ziff. 10.2 USV ausgeschlossenen Pflichten und Ansprüche wegen Schäden am Grund- 6 wasser sind gem. Ziff. 2 USV-Zusatzbaustein 1 nur nach besonderer Vereinbarung mitversichert.
D. Nicht versicherte Tatbestände (Ziff. 3 USV-Zusatzbaustein 1) Der Einleitungssatz von Ziff. 3 USV-Zusatzbaustein 1 enthält den Hinweis, dass die in der Grund- 7 deckung (Ziff. I) genannten Ausschlüsse auch im Rahmen des Zusatzbausteins 1 Anwendung finden. Zu Recht weist Schimikowski darauf hin, dass diese Formulierung so nicht zutrifft, da Ziff. 10.1 USV und ggf. Ziff. 10.2 USV bei Vereinbarung des USV-Zusatzbausteins abbedungen sind/nicht gelten.5 Ziff. 3 USV-Zusatzbaustein 1 nennt darüber hinaus drei weitere Ausschlusstatbestände.
2 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 156. 3 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 156; Späte/Schimikowski/Schneider USV-Zusatzbaustein 1 Rn. 5; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 84. 4 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 158. 5 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 161. 1221
Koch
USV Zusatz 1
USV-Zusatzbaustein 1
I. Dekontaminationskosten (Ziff. 3.1 USV-Zusatzbaustein 1) 8 So besteht keine Deckung der Kosten für die Dekontamination von Erdreich infolge eines auf Grundstücken, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet oder geliehen sind oder waren, eingetretenen Brandes, Blitzschlages, einer Explosion, eines Anpralls oder Absturzes eines Flugkörpers, seiner Teile oder seiner Ladung. Dies umfasst auch die Untersuchung oder den Austausch von Erdreich, ebenso den Transport von Erdreich in eine Deponie und die Ablagerung oder Vernichtung von Erdreich. Um diese Kosten zu versichern, bedarf es des Abschlusses einer Sach-/Feuerversicherung, worauf Ziff. 3.1 Satz 3 USV-Zusatzbaustein 1 ausdrücklich hinweist.6 Nach Ansicht des Musterbedingungsgebers wird hierdurch das Interesse des SachVR an der Federführung bei entsprechenden Dekontaminationsmaßnahmen gesichert.7
II. Unterirdische Abwasseranlagen (Ziff. 3.2 USV-Zusatzbaustein 1) 9 Nach Ziff. 3.2 USV-Zusatzbaustein 1 sind nicht versichert Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die von unterirdischen Abwasseranlagen ausgehen. Diesen Ausschluss begründet der Musterbedingungsgeber damit, dass unterirdische Abwasseranlagen häufig in schlechtem Zustand und regelmäßig nicht leckageüberwacht seien. Bei einer eventuellen Abbedingung dieses Ausschlusses empfiehlt er, eine spezifische Risikoprüfung vornehmen zu lassen.8
III. Subsidiaritätsklausel (Ziff. 3.3 USV-Zusatzbaustein 1) 10 Nach Ziff. 3.3 USV-Zusatzbaustein 1 sind nicht versichert Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, für die der VN aus einem anderen Versicherungsvertrag Ersatz beanspruchen kann. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine sog. einfache Subsidiaritätsklausel, weil sie nur eingreift, soweit der VN tatsächlich aus einem anderen Versicherungsvertrag Deckung für den eingetretenen Schaden erhält.9 Die Regelung zielt im Wesentlichen auf die Abgrenzung des Versicherungsschutzes der USV zu den Bodenkaskodeckungen sowie den Umwelthaftpflichtkonzepten ab. Nach Ziff. 5.1 UmweltHM besteht nämlich Versicherungsschutz für die Kosten der Beseitigung einer durch den VN verursachten Grundwasserkontamination, soweit infolge der Kontamination unmittelbar versicherte Personen-, Sach- oder mitversicherte Vermögensschäden drohen. Ggf. kann auch nach Ziff. 5.6 Satz 2 UmweltHM (Ziff. 5 UmweltHM Rn. 31 ff.) Deckung bestehen. Reicht die Versicherungssumme der Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles aus der UmweltHM zur vollständigen Schadenbeseitigung nicht aus, besteht für den verbleibenden Teil der Schadensaufwendungen Versicherungsschutz nach Maßgabe der USV i.V.m. Zusatzbaustein 1.10
6 Vgl. GDV-Erläuterungen 374; die GDV-Musterklausel „Kosten für die Dekontamination von Erdreich“ (SK 3301) ist abgedruckt bei Winter/Hellberg/Orth/Sons 383.
7 Vgl. GDV-Erläuterungen 374. 8 Vgl. auch GDV-Erläuterungen 374; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 161. 9 Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 161; Späte/Schimikowski/Schneider USV-Zusatzbaustein 1 Rn. 11; Rn. 5; Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Rn. 87.
10 Winter/Hellberg/Orth/Sons 258. Koch
1222
E. Versicherungssummen/Maximierung/Selbstbehalt
USV Zusatz 1
E. Versicherungssummen/Maximierung/Selbstbehalt (Ziff. 4 USV-Zusatzbaustein 1) Gem. Ziff. 4 Satz 1 USV-Zusatzbaustein 1 wird für die Versicherung der Risiken gemäß USV-Zu- 11 satzbaustein eine eigene Versicherungssumme „im Rahmen der gemäß Ziff. 11 USV vereinbarten Versicherungssumme“ vereinbart. Die Versicherungssumme für die Risiken des USV-Zusatzbausteins 1 steht also nicht zusätzlich zur Versicherungssumme der Grunddeckung zur Verfügung. Nach Ziff. 4 Satz 2 USV-Zusatzbaustein 1 ist ein Selbstbehalt vorgesehen, der in der Praxis 12 regelmäßig über dem der Grunddeckung liegen dürfte.11 Dieser Selbstbehalt tritt neben den Selbstbehalt, der nach Ziff. 11 USV vorgesehen ist, sodass zwei Selbstbehalte zum Tragen kommen.12 Im Übrigen ist der VR nach Ziff. 4 Satz 3 USV-Zusatzbaustein 1 grundsätzlich zur Prüfung 13 der gesetzlichen Verpflichtung sowie zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme verpflichtet. Der VR kann somit Deckung nicht mit der Begründung verweigern, die Inanspruchnahme falle der Höhe nach unter den Selbstbehalt.
11 Vogel/Stockmeier/Vogel 3. Teil B Rn. 483. 12 Winter/Hellberg/Orth/Sons 259; Langheid/Wandt/Schimikowski Kap. 330 Rn. 162. 1223
Koch
USV Zusatz 2
III. USV-Zusatzbaustein 2 Falls besonders vereinbart, gilt: 1. 1Abweichend von Ziff. I 10.1 und über den Umfang des Zusatzbausteins 1 der Ziff. II hinaus besteht im Rahmen und Umfang dieses Vertrages Versicherungsschutz für weitergehende Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung des Bodens wegen schädlicher Bodenveränderungen gemäß Bundesbodenschutzgesetz, wenn der VN Eigentümer, Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher des Bodens und Verursacher des Schadens ist oder war. 2 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für solche schädlichen Bodenveränderungen, die unmittelbare Folge einer plötzlichen und unfallartigen, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages eingetretenen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN sind. 3Ziff. I 3.2 findet keine Anwendung. 4 Soweit der VN Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher des Bodens ist oder war, findet Ziff. I 1.1 letzter Absatz keine Anwendung. 5 Der Versicherungsschutz bezieht sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein deklarierten Grundstücke. 6 Für Grundstücke, die der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses erwirbt oder in Besitz nimmt, besteht abweichend von Ziff. I 6 und Ziff. I 7 kein Versicherungsschutz. 7 Die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zur Gefahrerhöhung bleiben unberührt. 2. Versicherte Kosten 1 In Ergänzung zu Ziff. I 5.2 sind die dort genannten Kosten für die Sanierung von Schädigungen des Bodens auch dann mitversichert, soweit von diesem Boden keine Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. 2 Versichert sind diese Kosten jedoch nur, sofern sie der VN nach einer Betriebsstörung – aufgrund behördlicher Anordnung aufwenden musste oder – diese Kosten nach Abstimmung mit dem VR aufgewendet wurden. 3. Nicht versicherte Tatbestände 3.1 Nicht versichert sind Kosten i.S.v. Ziff. 2, soweit die Schädigung des Bodens des VN Folge einer Betriebsstörung beim Dritten ist. 3.2 Die in Ziff. I und II genannten Ausschlüsse finden auch für diesen Zusatzbaustein Anwendung. 4. Versicherungssummen/Maximierung/Selbstbehalt Versicherungsschutz besteht im Rahmen der unter Ziff. II (Zusatzbaustein 1) vereinbarten Versicherungssumme und der dort vereinbarten Selbstbeteiligung.
Übersicht 1
A.
Inhalt und Zweck
B.
Schädliche Bodenveränderungen (Ziff. 1 USV2 Zusatzbaustein 2)
C.
Versicherte Kosten (Ziff. 2 USV-Zusatzbau4 stein 2)
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-351
D.
Nicht versicherte Tatbestände (Ziff. 3 USV-Zu5 satzbaustein 2)
E.
Versicherungssummen/Maximierung/ Selbstbehalt (Ziff. 4 USV-Zusatzbaustein 6 2)
1224
C. Versicherte Kosten (Ziff. 2 USV-Zusatzbaustein 2)
USV Zusatz 2
A. Inhalt und Zweck USV-Zusatzbaustein 2, der die Vereinbarung sowohl der Grunddeckung (in den Musterbedin- 1 gungen durch die Voranstellung der römischen Ziffer I gekennzeichnet) als auch des Zusatzbausteins 1 (dessen Regelungen in den Musterbedingungen durch Voranstellung der römischen Ziffer II gekennzeichnet werden) voraussetzt, bietet Deckung für die über die Haftung nach USchadG hinausgehenden Pflichten und Ansprüche zur Sanierung des eigenen Bodens (bei Gefahr für Gewässer inkl. Grundwasser oder Pflanzen) wegen schädlicher Bodenveränderungen gemäß BBodSchG. Nach dem BBodSchG liegt die Schwelle der Sanierungspflicht insoweit niedriger als nach dem USchadG, als für die bodenschutzbezogenen Verhaltenspflichten nach § 4 Abs. 1 und 3 BBodSchG eine Gefahr für die menschliche Gesundheit nicht erforderlich ist. Vielmehr genügen bereits Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen.1
B. Schädliche Bodenveränderungen (Ziff. 1 USV-Zusatzbaustein 2) Die Deckung nach Ziff. 1 Satz 1 USV-Zusatzbaustein 2 umfasst Pflichten oder Ansprüche zur 2 Sanierung des Bodens wegen schädlicher Bodenveränderungen gem. BBodSchG, wenn der VN Eigentümer, Mieter, Leasingnehmer, Pächter oder Entleiher des Bodens und Verursacher des Schadens ist oder war. Der Versicherungsschutz setzt somit voraus, dass der VN Verursacher des Schadens i.S.e. Handlungsstörers ist.2 Der Zusatzbaustein 2 berücksichtigt somit nicht die Zustandshaftung, die diesen Personenkreis nach § 4 Abs. 2 BBodSchG treffen kann. Nicht versichert sind somit die Kosten zur Beseitigung eines allein durch einen Dritten verursachten Bodenschadens. Beispiel:3 Unbekannte verstecken vom VN unbemerkt unerlaubt Chemieabfälle auf dem Grundstück des VN. Die Chemikalien dringen in den Boden ein. Wird der VN als Eigentümer des Grundstückes gemäß BBodSchG von der Behörde zur Sanierung des Bodens verpflichtet, besteht kein Versicherungsschutz, da der VN nicht Verursacher des Schadens, sondern allenfalls Zustandsstörer ist.
Ebenso wie nach Ziff. 3.1 USV ist nach Ziff. 1 Satz 2 USV-Zusatzbaustein 2 Voraussetzung, dass 3 die schädliche Bodenveränderung unmittelbare Folge einer plötzlichen und unfallartig eingetretenen Störung des Betriebs des VN (zum Begriff der Betriebsstörung s. Ziff. 3 USV Rn. 2 ff.) ist. Abweichend von Ziff. 3.1 USV reicht eine Betriebsstörung bei einem Dritten jedoch nicht aus. Die weiteren Einschränkungen nach Ziff. 1 Satz 4 und 5 USV-Zusatzbaustein 2 entsprechen den Regelungen bei Zusatzbaustein 1 (Ziff. 1 Zusatzbaustein 1 Rn. 5).
C. Versicherte Kosten (Ziff. 2 USV-Zusatzbaustein 2) Nach Ziff. 2 USV-Zusatzbaustein 2 sind in Ergänzung zu Ziff. 5.2 USV die Kosten für die Sanie- 4 rung von Schädigungen des Bodens auch dann mitversichert, soweit von diesem Boden keine Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Kosten entweder aufgrund einer behördlichen Anordnung anfallen oder nach Abstimmung mit dem VR aufgewendet werden. Abstimmung ist nicht gleichbedeutend mit Zustimmung.4 Ande1 2 3 4
Vgl. § 2 Nr. 3 BBodSchG. GDV-Erläuterungen 375. Vgl. Langheid/Wandt/Schimikowksi Kap. 330 Rn. 163; Späte/Schimikowski/Schneider USV-Zusatzbaustein 2 Rn. 2. A.A. Langheid/Wandt/Schimikowksi Kap. 330 Rn. 164.
1225
Koch
USV Zusatz 2
USV-Zusatzbaustein 2
rerseits erschöpft sich eine Abstimmung nicht in einer bloßen Anhörung oder Information, die lediglich erfordert, dass der VR Gelegenheit erhält, zu der beabsichtigten Sanierungsmaßnahme Stellung zu nehmen. Eher dürfte der durchschnittliche VN das Erfordernis der Abstimmung im Sinne der Benehmensherstellung verstehen. Benehmen setzt eine Fühlungsaufnahme voraus, die vom Willen getragen ist, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen. Es muss zumindest der Versuch einer Einigung erfolgen.5 Erhebliche Einwände oder Bedenken des VR dürfen nicht einfach unbeachtet bleiben, sondern es ist darauf hinzuwirken, aufgetretene Differenzen nach Möglichkeit auszugleichen.
D. Nicht versicherte Tatbestände (Ziff. 3 USV-Zusatzbaustein 2) 5 Ziff. 3.1 USV-Zusatzbaustein 2 stellt klar, dass Kosten i.S.v. Ziff. 2 USV-Zusatzbaustein 2 nicht versichert sind, soweit die Schädigung des Bodens des VN Folge einer Betriebsstörung beim Dritten ist. Darüber hinaus enthält Ziff. 3.2 USV-Zusatzbaustein 2 den klarstellenden Hinweis darauf, dass die in Ziff. 10 USV und Ziff. 3 USV-Zusatzbaustein 1 genannten Ausschlüsse auch für USV-Zusatzbaustein 2 Anwendung finden.
E. Versicherungssummen/Maximierung/Selbstbehalt (Ziff. 4 USV-Zusatzbaustein 2) 6 Gem. Ziff. 4 USV-Zusatzbaustein 2 besteht Deckung im Rahmen der unter dem Zusatzbaustein 1 vereinbarten Versicherungssumme und der dort vereinbarten Selbstbeteiligung. Es steht somit für die Zusatzbausteine 1 und 2 nur ein gemeinsames Sublimit zur Verfügung und es gilt die in Zusatzbaustein 1 vereinbarte Selbstbeteiligung.
5 Vgl. BAG 25.6.1987 – 6 AZR 506/84, BeckRS 9998 180240; BSG 21.1.1969 – 6 RKa 27/67, BSGE 29 111, 113. Koch
1226
B. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die UmweltschadensBasisversicherung (USV Basis) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: September 2016)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Umfang des Versicherungsschutzes Ziff. 1. Gegenstand der Versicherung Ziff. 2. Risikobegrenzung Ziff. 3. Betriebsstörung Ziff. 4. Leistungen der Versicherung Ziff. 5. Versicherte Kosten Ziff. 6. Erhöhungen und Erweiterungen Ziff. 7. Neue Risiken Ziff. 8. Versicherungsfall Ziff. 9. Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 10. Nicht versicherte Tatbestände Ziff. 11. Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/Selbstbehalt Ziff. 12. Nachhaftung Ziff. 13. Versicherungsfälle im Ausland Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung Ziff. 14. Beginn des Versicherungsschutzes Ziff. 15. Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag Ziff. 16. Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag Ziff. 17. Rechtzeitigkeit der Zahlung bei SEPA-Lastschriftmandat Ziff. 18. Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung Ziff. 19. Beitragsregulierung Ziff. 20. Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Dauer und Ende des Vertrages/Kündigung Ziff. 21. Dauer und Ende des Vertrages Ziff. 22. Wegfall des versicherten Risikos Ziff. 23. Kündigung nach Versicherungsfall Ziff. 24. Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen Ziff. 25. Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften Ziff. 26. Mehrfachversicherung Obliegenheiten des VN Ziff. 27. Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN Ziff. 27.1 Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände Ziff. 27.2. Rücktritt Ziff. 27.3 Beitragsänderung oder Kündigungsrecht Ziff. 27.4 Anfechtung Ziff. 28. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles Ziff. 29. Obliegenheiten bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen Ziff. 30. Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten Weitere Bestimmungen Ziff. 31. Mitversicherte Personen Ziff. 32. Abtretungsverbot 1227 https://doi.org/10.1515/9783110522686-352
Koch
USV Basis
Vorbemerkung
Ziff. 33. Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung Ziff. 34. Verjährung Ziff. 35. Zuständiges Gericht Ziff. 36. Anzuwendendes Recht Hinweise
Schrifttum S. die Literaturangaben vor USV.
Vorbemerkung 1 Die Umweltschadens-Basisversicherung (USV Basis) folgt hinsichtlich Konzeption und Struktur der Umwelthaftpflicht-Basisversicherung (UHV Basis). Versicherungsschutz wird gewährt für das allgemeine Umweltschaden-Betriebsrisiko sowie das nicht-anlagenbezogene und das anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko. Im Gegensatz zur Umwelthaftpflicht-Basisversicherung, die nur in Ergänzung zu einer bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung genommen werden kann, ist die Umweltschadens-Basisversicherung als eigenständiges Bedingungswerk „AHB-frei“ ausgestaltet worden. 2 Inhaltliche Abweichungen zur USV finden sich insbesondere in den Ziff. 1 und 2 USV Basis, die das versicherte Risiko sowohl positiv als auch negativ abgrenzend beschreiben. Die ab Ziff. 3 USV Basis vorgesehenen Regelungen entsprechen dagegen inhaltlich im Wesentlichen denen der USV-Musterbedingungen. Der Kommentierung der USV Basis liegen die unverbindlichen Musterbedingungen des GDV 3 in ihrer Fassung vom September 2016 zu Grunde.1
1 Abgedruckt bei Staudinger/Halm/Wendt/Hellberg USV Basis. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-353
1228
Ziff. 1 USV Basis
Umfang des Versicherungsschutzes Ziff. 1 Gegenstand der Versicherung 1.1
1
Versichert ist die gesetzliche Pflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN gemäß Umweltschadensgesetz zur Sanierung von Umweltschäden. 2Umweltschaden ist eine – Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer, – Schädigung des Bodens. 3 Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn der VN von einer Behörde oder einem sonstigen Dritten auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/Pflichten der oben genannten Art in Anspruch genommen wird. 4Dabei kommt es nicht darauf an, ob der VN auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage in Anspruch genommen wird. 5 Ausgenommen vom Versicherungsschutz bleiben jedoch solche gegen den VN gerichteten Ansprüche, die auch ohne das Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 6Versicherungsschutz für derartige Ansprüche kann ausschließlich über eine Betriebs-, Berufs- oder Umwelt-Haftpflichtversicherung vereinbart werden. 7 Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf folgende Risiken und Tätigkeiten: 1.1.1 Anlagen, Betriebseinrichtungen, Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die Ziff. 2.1 bis 2.5 fallen, 1.1.2 Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen, die nicht von Ziff. 1.1.3 umfasst sind, nach Inverkehrbringen, 1.1.3 Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß Ziff. 2.1 bis 2.5 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. Falls besonders vereinbart, gilt: 1.1.4 Versichert ist – abweichend von Ziffer 2.1 (WHG-Anlagen) – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus der Lagerung von wasserschädlichen Stoffen in Kleingemeinden (Fässer, Kanister, Dosen, Flaschen, etc.) mit einem Fassungsvermögen bis … Liter je Einzelgebinde und einer Gesamtlagermenge bis … Liter. 1.1.5 Versichert ist – abweichend von Ziff. 2.4 (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko) – die gesetzliche Haftpflicht des VN aus dem Betrieb von … (Anzahl) – Fettabscheidern – Benzin und Ölabscheidern einschließlich Schäden durch Abwässer aus diesen Anlagen. 1.2 Mitversichert ist die gleichartige gesetzliche Pflicht 1.2.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft. 1.2.2 sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen. Falls besonders vereinbart, gilt: 1.3 1Mitversichert ist die gesetzliche Pflicht aus dem Gebrauch von folgenden nicht versicherungspflichtigen Kfz: – Kfz und Anhänger ohne Rücksicht auf eine Höchstgeschwindigkeit, die nur auf nicht öffentlichen Wegen und Plätzen verkehren; – Kfz mit nicht mehr als 6 km/h Höchstgeschwindigkeit; 1229 https://doi.org/10.1515/9783110522686-355
Koch
Ziff. 3 USV Basis
Betriebsstörung
–
selbst fahrende Arbeitsmaschinen mit nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit. Selbst fahrende Arbeitsmaschinen sind Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind und die zu einer vom Bundesminister für Verkehr bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. 2 Das Fahrzeug darf nur von einem berechtigten Fahrer gebraucht werden. 3Berechtigter Fahrer ist, wer das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten gebrauchen darf. 4Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem unberechtigten Fahrer gebraucht wird. 5 Der Fahrer des Fahrzeugs darf das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen. 6Der VN ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat.
Ziff. 2 Risikobegrenzung Nicht versichert sind Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden aus 2.1 Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 2.2 Anlagen des VN gemäß Anhang 1 zum UHG (UHG-Anlagen). 2.3 Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHGAnlagen handelt (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen). 2.4 Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko). 2.5 Anlagen des VN gemäß Anhang 2 zum UHG (UHG-Anlagen).
Ziff. 3 Betriebsstörung 3.1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für Umweltschäden, die unmittelbare Folge einer plötzlichen und unfallartigen, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages eingetretenen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN oder des Dritten sind (Betriebsstörung). 3.2 1Auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung besteht im Rahmen der Ziff. 1.1.2 Versicherungsschutz für Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse. 2 Das Gleiche gilt im Rahmen der Ziff. 1.1.1 für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter i.S.v. Ziff. 1.1.2. 3 Versicherungsschutz besteht in den Fällen der Sätze 1 und 2 ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 4Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko).
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-357
1230
Leistungen der Versicherung
Ziff. 4 USV Basis
Ziff. 4 Leistungen der Versicherung 4.1 1Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung, die Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme und die Freistellung des VN von berechtigten Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen gegenüber der Behörde oder einem sonstigen Dritten. 2 Berechtigt sind Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen dann, wenn der VN aufgrund Gesetzes, rechtskräftigen Urteils, Anerkenntnisses oder Vergleiches zur Sanierung- und Kostentragung verpflichtet ist und der VR hierdurch gebunden ist. 3Anerkenntnisse oder Vergleiche, die vom VN ohne Zustimmung des VR abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den VR nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. 4 Ist die Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtung des VN mit bindender Wirkung für den VR festgestellt, hat der VR den VN binnen zwei Wochen vom Anspruch des Dritten freizustellen. 4.2 1Der VR ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder der Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme durch die Behörde oder einen sonstigen Dritten zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des VN abzugeben. 2 Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Verwaltungsverfahren oder Rechtsstreit über Sanierungs- oder Kostentragungsverpflichtungen gegen den VN, ist der VR zur Verfahrens- und Prozessführung bevollmächtigt. 3Er führt das Verwaltungsverfahren oder den Rechtsstreit im Namen des VN. 4.3 Wird in einem Strafverfahren wegen eines Umweltschadens/Umweltdeliktes, der/das eine unter den Versicherungsschutz fallende Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtung zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den VN von dem VR gewünscht oder genehmigt, so trägt der VR die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.
1231 https://doi.org/10.1515/9783110522686-358
Koch
Ziff. 5 USV Basis
Versicherte Kosten
Ziff. 5 Versicherte Kosten Versichert sind im Rahmen des in Ziff. 4.1 geregelten Leistungsumfangs nachfolgende Kosten einschließlich notwendiger Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts-, Zeugen-, Verwaltungsverfahrens- und Gerichtskosten 5.1 für die Sanierung von Schäden an geschützten Arten, natürlichen Lebensräumen oder Gewässern: 5.1.1 die Kosten für die „primäre Sanierung“, d.h. für Sanierungsmaßnahmen, die die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder beeinträchtigten Funktionen ganz oder annähernd in den Ausgangszustand zurückversetzen; 5.1.2 die Kosten für die „ergänzende Sanierung“, d.h. für Sanierungsmaßnahmen in Bezug auf die natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen, mit denen der Umstand ausgeglichen werden soll, dass die primäre Sanierung nicht zu einer vollständigen Wiederherstellung der geschädigten natürlichen Ressourcen und/ oder Funktionen führt; 5.1.3 1die Kosten für die „Ausgleichssanierung“, dh. für die Tätigkeiten zum Ausgleich zwischenzeitlicher Verluste natürlicher Ressourcen und/oder Funktionen, die vom Zeitpunkt des Eintretens des Schadens bis zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die primäre Sanierung ihre Wirkung vollständig entfaltet hat. 2 „Zwischenzeitliche Verluste“ sind Verluste, die darauf zurückzuführen sind, dass die geschädigten natürlichen Ressourcen und/oder Funktionen ihre ökologischen Aufgaben oder ihre Funktionen für andere natürliche Ressourcen nicht erfüllen können, solange die Maßnahmen der primären bzw. der ergänzenden Sanierung ihre Wirkung nicht entfaltet haben. 3 Die Kosten für die Ausgleichssanierung werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von … % der vereinbarten Versicherungssumme ersetzt. 5.2 für die Sanierung von Schädigungen des Bodens: die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen, die zumindest sicherstellen, dass die betreffenden Schadstoffe beseitigt, kontrolliert, eingedämmt oder vermindert werden, so dass der geschädigte Boden unter Berücksichtigung seiner zum Zeitpunkt der Schädigung gegebenen gegenwärtigen oder zugelassenen zukünftigen Nutzung kein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit mehr darstellt. 5.3 Die unter Ziff. 5.1 und Ziff. 5.2 genannten Kosten für Umweltschäden, die auf Grundstücken des VN gemäß Ziff. 10.1 oder am Grundwasser gemäß Ziff. 10.2 eintreten, sind nur nach besonderer Vereinbarung versichert.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-359
1232
Neue Risiken
Ziff. 7 USV Basis
Ziff. 6 Erhöhungen und Erweiterungen 6.1 1Für Risiken der Ziff. 1.1.4 besteht kein Versicherungsschutz für Erhöhungen und Erweiterungen. 2Der Versicherungsschutz umfasst aber mengenmäßige Veränderungen von Stoffen innerhalb der unter Ziff. 1.1.4 versicherten Risiken. 6.2 1Für Risiken gemäß Ziff. 1.1.1 bis 1.1.3 umfasst der Versicherungsschutz Erhöhungen oder Erweiterungen der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken. 2Dies gilt nicht für Risiken aus dem Halten oder Gebrauch von versicherungspflichtigen Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen sowie für sonstige Risiken, die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen. 6.3 1Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften, soweit es sich hierbei um Rechtsvorschriften auf der Grundlage der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) handelt und diese nicht Vorschriften zur Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht zum Gegenstand haben. 2Der VR kann den Vertrag jedoch unter den Voraussetzungen von Ziff. 25 kündigen.
Ziff. 7 Neue Risiken 7.1 Für Risiken gemäß Ziff. 1.1.1 bis 1.1.3, die nach Abschluss des Vertrages neu entstehen, besteht Versicherungsschutz im Rahmen des Vertrages sofort bis zur Höhe gemäß Ziff. 7.4. 7.2 Der VN ist verpflichtet, nach Aufforderung des VR jedes neue Risiko innerhalb eines Monats anzuzeigen. Die Aufforderung kann auch mit der Beitragsrechnung erfolgen. Tritt der Versicherungsfall ein, bevor das neue Risiko angezeigt wurde, so hat der VN zu beweisen, dass das neue Risiko erst nach Abschluss der Versicherung und zu einem Zeitpunkt hinzugekommen ist, zu dem die Anzeigefrist noch nicht verstrichen war. 7.3 Der VR ist berechtigt, für das neue Risiko einen angemessenen Beitrag zu verlangen. Kommt eine Einigung über die Höhe des Beitrags innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eingang der Anzeige nicht zustande, entfällt der Versicherungsschutz für das neue Risiko rückwirkend ab dessen Entstehung. 7.4 Der Versicherungsschutz für neue Risiken ist von ihrer Entstehung bis zur Einigung i.S.v. Ziff. 7.3 auf den Betrag von EUR … begrenzt, sofern nicht im Versicherungsschein geringere Versicherungssummen festgesetzt sind. 7.5 Die Regelung der Versicherung neuer Risiken gemäß Ziff. 7.1 gilt nicht für Risiken (1) aus dem Eigentum, Besitz, Halten oder Führen eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs, soweit diese Fahrzeuge der Zulassungs-, Führerschein- oder Versicherungspflicht unterliegen; (2) aus dem Eigentum, Besitz, Betrieb oder Führen von Bahnen; (3) die der Versicherungs- oder Deckungsvorsorgepflicht unterliegen; (4) die kürzer als ein Jahr bestehen werden und deshalb im Rahmen von kurzfristigen Versicherungsverträgen zu versichern sind.
1233 https://doi.org/10.1515/9783110522686-361
Koch
Ziff. 9 USV Basis
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
Ziff. 8 Versicherungsfall 1
Versicherungsfall ist die nachprüfbare erste Feststellung des Umweltschadens durch den VN, die zuständige Behörde oder einen sonstigen Dritten. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder eine Pflicht zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen erkennbar war.
Ziff. 9 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 9.1
1
Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, (1) für die Versicherung nach Ziff. 1.1.1 nach einer Betriebsstörung beim VN oder Dritten – in den Fällen der Ziff. 3.2 auch nach behördlicher Anordnung ohne Vorliegen einer Betriebsstörung; (2) für die Versicherung nach Ziff. 1.1.2 nach einer Betriebsstörung bei Dritten – in den Fällen der Ziff. 3.2 auch nach behördlicher Anordnung ohne Vorliegen einer Betriebsstörung; (3) für die Versicherung nach Ziff. 1.1.3 nach einer Betriebsstörung bei Dritten; (4) für die Versicherung nach Ziff. 1.1.4 und 1.1.5 (sofern vereinbart) nach einer Betriebsstörung beim VN; Aufwendungen des VN – oder soweit versichert des Dritten gemäß (1) bis (3) – für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Umweltschadens. 2 Die Feststellung der Betriebsstörung oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. 9.2 Aufwendungen aufgrund von Betriebsstörungen oder behördlichen Anordnungen i.S.d. Ziff. 9.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. 9.3 Der VN ist verpflichtet, 9.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadeneintritt zu verhindern oder den Schadenumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder 9.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. 9.4 1Verletzt der VN eine der in Ziff. 9.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gem. Ziff. 9 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2 Verletzt der VN eine der in Ziff. 9.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3 Abweichend von Abs. 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-363
1234
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles
Ziff. 9 USV Basis
9.5 1Aufwendungen werden im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme und der Jahreshöchstersatzleistung bis zu einem Gesamtbetrag von EUR … je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung, pro Versicherungsjahr jedoch nur bis EUR …, ersetzt. 2 Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen … % selbst zu tragen. 3 Kommt es trotz Durchführung der Maßnahme zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. 9.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Fall Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen i.S.v. Ziff. 9.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dgl.) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen; auch für solche, die der VN hergestellt oder geliefert hat. 2 Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwehr oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Umweltschadens, falls nicht betroffene Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN beeinträchtigt werden müssen. Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
1235
Koch
Ziff. 10 USV Basis
Nicht versicherte Tatbestände
Ziff. 10 Nicht versicherte Tatbestände Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gilt: Nicht versichert sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, unabhängig davon, ob diese bereits erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Erhaltungszustand von Arten und natürlichen Lebensräumen oder Gewässer haben oder eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, 10.1 1die auf Grundstücken (an Böden oder an Gewässern) des VN eintreten, die im Eigentum des VN stehen, standen oder von ihm gemietet, geleast, gepachtet, geliehen sind oder durch verbotene Eigenmacht erlangt wurden. 2Dies gilt auch, soweit es sich um dort befindliche geschützte Arten oder natürliche Lebensräume handelt. 10.2 am Grundwasser. 10.3 infolge der Veränderung der Lagerstätte des Grundwassers oder seines Fließverhaltens. 10.4 die vor Beginn des Versicherungsvertrages eingetreten sind. 10.5 die sich daraus ergeben, dass der VN nach Beginn des Versicherungsverhältnisses Grundstücke erwirbt oder in Besitz nimmt, die zu diesem Zeitpunkt bereits kontaminiert waren. 10.6 die im Ausland eintreten. 10.7 1die dadurch entstehen oder entstanden sind, dass beim Umgang mit Stoffen diese Stoffe verschüttet werden, abtropfen, ablaufen, verdampfen, verdunsten oder durch ähnliche Vorgänge in den Boden, in ein Gewässer oder in die Luft gelangen. 2 Dies gilt nicht, soweit solche Vorgänge auf einer Betriebsstörung beruhen. 10.8 die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genommene Einwirkungen auf die Umwelt entstehen. 10.9 durch die Herstellung, Lieferung, Verwendung oder Freisetzung von Klärschlamm, Jauche, Gülle, festem Stalldung, Pflanzenschutz-, Dünge- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln, es sei denn, dass diese Stoffe durch plötzliche und unfallartige Ereignisse bestimmungswidrig und unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen, diese Stoffe durch Niederschläge plötzlich abgeschwemmt werden oder in andere Grundstücke abdriften, die nicht im Besitz des VN stehen. 10.10 die auf Asbest, asbesthaltige Substanzen oder Erzeugnisse zurückzuführen sind. 10.11 die zurückzuführen sind auf (1) gentechnische Arbeiten, (2) gentechnisch veränderte Organismen (GVO), (3) Erzeugnisse, die – Bestandteile aus GVO enthalten, – aus oder mit Hilfe von GVO hergestellt wurden. 10.12 infolge Zwischen-, Endablagerung oder anderweitiger Entsorgung von Abfällen ohne die dafür erforderliche behördliche Genehmigung, unter fehlerhafter oder unzureichender Deklaration oder an einem Ort, der nicht im erforderlichen Umfang dafür behördlich genehmigt ist. 10.13 aus Eigentum, Besitz oder Betrieb von Anlagen oder Einrichtungen zur Endablagerung von Abfällen. 10.14 1die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Kraftfahrzeuganhängers verursachen. 2 Nicht versichert sind Ansprüche wegen Schäden, die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Wasserfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Wasserfahrzeuges in Anspruch genommen werden. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-364
1236
Nicht versicherte Tatbestände
Ziff. 10 USV Basis
3
10.15
10.16
10.17
10.18 10.19
10.20 10.21
10.22 10.23
10.24
1237
Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 4 Eine Tätigkeit der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Personen an einem Kraftfahrzeug, Kraftfahrzeuganhänger und Wasserfahrzeug ist kein Gebrauch i.S. dieser Bestimmung, wenn keine dieser Personen Halter oder Besitzer des Fahrzeuges ist und wenn das Fahrzeug hierbei nicht in Betrieb gesetzt wird. 5 Falls im Rahmen und Umfang dieses Vertrages eine abweichende Regelung getroffen wurde, gilt dieser Ausschluss insoweit nicht. 1 die der VN, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Luft- oder Raumfahrzeuges verursachen oder für die sie als Halter oder Besitzer eines Luft- oder Raumfahrzeuges in Anspruch genommen werden. 2 Besteht nach diesen Bestimmungen für einen Versicherten (VN oder Mitversicherten) kein 3Versicherungsschutz, so gilt das auch für alle anderen Versicherten. 3 Nicht versichert sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden durch Luft- oder Raumfahrzeuge aus – der Planung oder Konstruktion, Herstellung oder Lieferung von Luft- oder Raumfahrzeugen oder Teilen für Luft- oder Raumfahrzeuge, soweit die Teile ersichtlich für den Bau von Luft- oder Raumfahrzeugen oder den Einbau in Luft- oder Raumfahrzeuge bestimmt waren; – Tätigkeiten (z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Überholung, Reparatur, Beförderung) an Luft- oder Raumfahrzeugen oder deren Teilen. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten) richten, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den VN gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen (VN oder jeden Mitversicherten) richten, die den Schaden dadurch verursachen, dass sie es bewusst unterlassen, die vom Hersteller gegebenen oder nach dem Stand der Technik einzuhaltenden Richtlinien oder Gebrauchsanweisungen für Anwendung, regelmäßige Kontrollen, Inspektionen oder Wartungen zu befolgen oder notwendige Reparaturen bewusst nicht ausführen. durch Bergbaubetrieb i.S.d. Bundesberggesetz. die nachweislich auf Kriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Generalstreik, illegalem Streik oder unmittelbar auf Verfügungen oder Maßnahmen von hoher Hand beruhen; das Gleiche gilt für Schäden durch höhere Gewalt, soweit sich elementare Naturkräfte ausgewirkt haben. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen richten, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. soweit sich diese Pflichten oder Ansprüche gegen die Personen richten, die den Schaden dadurch verursacht haben, dass sie in Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit – Erzeugnisse in den Verkehr gebracht oder – Arbeiten oder sonstige Leistungen erbracht haben. soweit diese Pflichten oder Ansprüche auf Grund vertraglicher Vereinbarung oder Zusage über die gesetzliche Verpflichtung des VN hinausgehen. 1 die durch Krankheit der dem VN gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind. 2Es besteht Versicherungsschutz, wenn der VN beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. durch den Betrieb von Kernenergieanlagen.
Koch
Ziff. 12 USV Basis
Nachhaftung
Ziff. 11 Versicherungssummen/Maximierung/Serienschadenklausel/ Selbstbehalt 11.1 1Die Versicherungssumme beträgt je Versicherungsfall EUR … 2 Diese Versicherungssumme bildet auch die Höchstersatzleistung des VR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres. 11.2 1Für den Umfang der Leistung des VR bildet die angegebene Versicherungssumme die Höchstgrenze bei jedem Versicherungsfall. 2Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungs- oder ersatzpflichtige Personen erstreckt. 3Sämtliche Kosten gemäß Ziff. 5 werden auf die Versicherungssumme angerechnet. 4Mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle durch – dieselbe Einwirkung auf die Umwelt, – mehrere unmittelbar auf derselben Ursache beruhende Einwirkungen auf die Umwelt, – mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhende Einwirkungen auf die Umwelt, wenn zwischen den gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, oder – die Lieferung von Erzeugnissen mit gleichen Mängeln gelten unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle als eingetreten gilt. 11.3 1Falls vereinbart, hat der VN bei jedem Versicherungsfall von den gemäß Ziff. 5 versicherten Kosten EUR … selbst zu tragen. 2Der VR ist auch in diesen Fällen zur Prüfung der gesetzlichen Verpflichtung und zur Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme verpflichtet. 11.4 Falls die von dem VR verlangte Erledigung eines Anspruchs durch Anerkenntnis, Befriedigung oder Vergleich am Verhalten des VN scheitert, hat der VR für den von der Weigerung an entstehenden Mehraufwand an Kosten gemäß Ziff. 5 und Zinsen nicht aufzukommen.
Ziff. 12 Nachhaftung 12.1 Endet das Versicherungsverhältnis wegen des vollständigen oder dauernden Wegfalls des versicherten Risikos oder durch Kündigung des VR oder des VN, so besteht der Versicherungsschutz für solche Umweltschäden weiter, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind, aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch nicht festgestellt waren, mit folgender Maßgabe: – Der Versicherungsschutz gilt für die Dauer von 3 Jahren vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses an gerechnet. – Der Versicherungsschutz besteht für die gesamte Nachhaftungszeit im Rahmen des bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltenden Versicherungsumfanges, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Versicherungssumme des Versicherungsjahres, in dem das Versicherungsverhältnis endet. 12.2 Die Regelung der Ziff. 12.1 gilt für den Fall entsprechend, dass während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ein versichertes Risiko teilweise wegfällt, mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt des Wegfalls des versicherten Risikos abzustellen ist.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-366
1238
Versicherungsfälle im Ausland
Ziff. 13 USV Basis
Ziff. 13 Versicherungsfälle im Ausland 13.1 1Versichert sind abweichend von Ziff. 10.6 im Umfang dieses Versicherungsvertrages im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) eintretende Versicherungsfälle, – die auf den Betrieb einer im Inland belegenden Anlage oder eine Tätigkeit im Inland i.S.d. Ziff. 1.1.1 bis 1.1.4 zurückzuführen sind. Dies gilt für Tätigkeiten i.S.d. Ziff. 1.1.2 und 1.1.3 nur, wenn die Anlagen oder Teile oder Erzeugnisse nicht ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; – aus Anlass von Geschäftsreisen oder aus der Teilnahme an Ausstellungen und Messen gem. Ziff. 1.1.1. 2 Versicherungsschutz besteht insoweit abweichend von Ziff. 1.1 auch für Pflichten oder Ansprüche gemäß nationalen Umsetzungsgesetzen anderer EU-Mitgliedstaaten, sofern diese Pflichten oder Ansprüche den Umfang der o.g. EU Richtlinie nicht überschreiten. 13.2 Nur aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung sind versichert im Umfang dieses Versicherungsvertrages im Geltungsbereich der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/ EG) eintretende Versicherungsfälle, 13.2.1 die auf die Planung, Herstellung oder Lieferung von Anlagen oder Teilen i.S.v. Ziff. 1.1.3 oder Erzeugnisse i.S.v. Ziff. 1.1.2 zurückzuführen sind, wenn die Anlagen oder Teile oder Erzeugnisse ersichtlich für das Ausland bestimmt waren; 13.2.2 die auf die Montage, Demontage, Instandhaltung oder Wartung von Anlagen oder Teilen i.S.v. Ziff. 1.1.3 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen; 13.2.3 die auf die sonstige Montage, Demontage, Instandhaltung, Wartung oder sonstige Tätigkeiten gemäß Ziff. 1.1.1 zurückzuführen sind, wenn diese Tätigkeiten im Ausland erfolgen. 13.3 Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung für im Ausland belegener Anlagen oder Betriebsstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl. 13.4 1Die Leistungen des VR erfolgen in Euro. 2Soweit der Zahlungsort außerhalb der Staaten, die der Europäischen Währungsunion angehören, liegt, gelten die Verpflichtungen des VR mit dem Zeitpunkt als erfüllt, in dem der Euro-Betrag bei einem in der Europäischen Währungsunion gelegenen Geldinstitut angewiesen ist.
1239 https://doi.org/10.1515/9783110522686-367
Koch
Ziff. 15 USV Basis
Fälligkeit des Erst-/Einmalbetrages
Beginn des Versicherungsschutzes/Beitragszahlung Ziff. 14 Beginn des Versicherungsschutzes 1
Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, wenn der VN den ersten oder einmaligen Beitrag rechtzeitig i.S.v. Ziff. 15.1 zahlt. 2 Der in Rechnung gestellte Beitrag enthält die Versicherungsteuer, die der VN in der jeweils vom Gesetz bestimmten Höhe zu entrichten hat.
Ziff. 15 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/erster oder einmaliger Beitrag 15.1 1Der erste oder einmalige Beitrag wird unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. 2 Ist die Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, gilt als erster Beitrag nur die erste Rate des ersten Jahresbeitrags. 15.2 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, beginnt der Versicherungsschutz erst ab diesem Zeitpunkt. 2Das gilt nicht, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. 3 Für Versicherungsfälle, die bis zur Zahlung des Beitrags eintreten, ist der VR nur dann nicht zur Leistung verpflichtet, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung des Beitrags aufmerksam gemacht hat. 15.3 1Zahlt der VN den ersten oder einmaligen Beitrag nicht rechtzeitig, kann der VR vom Vertrag zurücktreten, solange der Beitrag nicht gezahlt ist. 2Der VR kann nicht zurücktreten, wenn der VN nachweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-369
1240
Teilzahlung
Ziff. 18 USV Basis
Ziff. 16 Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung/Folgebeitrag 16.1 1Die Folgebeiträge sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, am Monatsersten des vereinbarten Beitragszeitraums fällig. 2 Die Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie zu dem im Versicherungsschein oder in der Beitragsrechnung angegebenen Zeitpunkt erfolgt. 16.2 1Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, gerät der VN ohne Mahnung in Verzug, es sei denn, dass er die verspätete Zahlung nicht zu vertreten hat. 2 Der VR ist berechtigt, Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens zu verlangen. 3 Wird ein Folgebeitrag nicht rechtzeitig gezahlt, kann der VR dem VN auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. 4Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge des Beitrags, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Ziff. 16.3 und 16.4 mit dem Fristablauf verbunden sind. 16.3 Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, besteht ab diesem Zeitpunkt bis zur Zahlung kein Versicherungsschutz, wenn er mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 16.2 Abs. 3 darauf hingewiesen wurde. 16.4 1Ist der VN nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch mit der Zahlung in Verzug, kann der VR den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn er den VN mit der Zahlungsaufforderung nach Ziff. 16.2 Abs. 3 darauf hingewiesen hat. 2 Hat der VR gekündigt, und zahlt der VN danach innerhalb eines Monats den angemahnten Betrag, besteht der Vertrag fort. 3Für Versicherungsfälle, die zwischen dem Zugang der Kündigung und der Zahlung eingetreten sind, besteht jedoch kein Versicherungsschutz. Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach Ziff. 16.3 bleibt unberührt.
Ziff. 17 Rechtzeitigkeit der Zahlung bei Lastschriftermächtigung 1
Ist die Einziehung des Beitrags von einem Konto vereinbart, gilt die Zahlung als rechtzeitig, wenn der Beitrag zum Fälligkeitstag eingezogen werden kann und der VN einer berechtigten Einziehung nicht widerspricht. 2 Konnte der fällige Beitrag ohne Verschulden des VN vom VR nicht eingezogen werden, ist die Zahlung auch dann noch rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach einer in Textform abgegebenen Zahlungsaufforderung des VR erfolgt. 3 Kann der fällige Beitrag nicht eingezogen werden, weil der VN das SEPA-Lastschriftmandat widerrufen hat, oder hat der VN aus anderen Gründen zu vertreten, dass der Beitrag nicht eingezogen werden kann, ist der VR berechtigt, künftig Zahlung außerhalb des Lastschriftverfahrens zu verlangen. 4Der VN ist zur Übermittlung des Beitrags erst verpflichtet, wenn er vom VR hierzu in Textform aufgefordert worden ist.
Ziff. 18 Teilzahlung und Folgen bei verspäteter Zahlung 1
Ist die Zahlung des Jahresbeitrags in Raten vereinbart, sind die noch ausstehenden Raten sofort fällig, wenn der VN mit der Zahlung einer Rate im Verzug ist. 2 Ferner kann der VR für die Zukunft jährliche Beitragszahlung verlangen.
1241 https://doi.org/10.1515/9783110522686-372
Koch
Ziff. 20 USV Basis
Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
Ziff. 19 Beitragsregulierung 19.1 1Der VN hat nach Aufforderung mitzuteilen, ob und welche Änderungen des versicherten Risikos gegenüber den früheren Angaben eingetreten sind. 2Diese Aufforderung kann auch durch einen Hinweis auf der Beitragsrechnung erfolgen. 3Die Angaben sind innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung zu machen und auf Wunsch des VR nachzuweisen. 4Bei unrichtigen Angaben zum Nachteil des VR kann dieser vom VN eine Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschiedes verlangen. 5Dies gilt nicht, wenn der VN beweist, dass ihn an der Unrichtigkeit der Angaben kein Verschulden trifft. 19.2 1Aufgrund der Änderungsmitteilung des VN oder sonstiger Feststellungen wird der Beitrag ab dem Zeitpunkt der Veränderung berichtigt (Beitragsregulierung), beim Wegfall versicherter Risiken jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung beim VR. 2Der vertraglich vereinbarte Mindestbeitrag darf dadurch nicht unterschritten werden. 19.3 1Unterlässt der VN die rechtzeitige Mitteilung, kann der VR für den Zeitraum, für den die Angaben zu machen waren, eine Nachzahlung in Höhe des für diesen Zeitraum bereits in Rechnung gestellten Beitrages verlangen. 2Werden die Angaben nachträglich gemacht, findet eine Beitragsregulierung statt. 3Ein vom VN zuviel gezahlter Beitrag wird nur zurückerstattet, wenn die Angaben innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung des erhöhten Beitrages erfolgten. 19.4 Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwendung auf Versicherungen mit Beitragsvorauszahlung für mehrere Jahre.
Ziff. 20 Beitrag bei vorzeitiger Vertragsbeendigung Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages hat der VR, soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, nur Anspruch auf den Teil des Beitrages, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-374
1242
Kündigung nach Versicherungsfall
Ziff. 23 USV Basis
Dauer und Ende des Vertrages/Kündigung Ziff. 21 Dauer und Ende des Vertrages 21.1 Der Vertrag ist für die im Versicherungsschein angegebene Zeit abgeschlossen. 21.2 Bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr, wenn nicht dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres eine Kündigung zugegangen ist. 21.3 Bei einer Vertragsdauer von weniger als einem Jahr endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zum vorgesehenen Zeitpunkt. 21.4 Bei einer Vertragsdauer von mehr als drei Jahren kann der Vertrag schon zum Ablauf des dritten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres gekündigt werden; die Kündigung muss dem Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres zugegangen sein.
Ziff. 22 Wegfall des versicherten Risikos 1
Wenn versicherte Risiken vollständig und dauerhaft wegfallen, so erlischt die Versicherung bezüglich dieser Risiken. 2Dem VR steht der Beitrag zu, den er hätte erheben können, wenn die Versicherung dieser Risiken nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem er vom Wegfall Kenntnis erlangt.
Ziff. 23 Kündigung nach Versicherungsfall 23.1 1Das Versicherungsverhältnis kann gekündigt werden, wenn – vom VR eine Zahlung von Sanierungskosten geleistet wurde oder – dem VN eine Klage über einen unter den Versicherungsschutz fallenden Anspruch auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/Pflichten gerichtlich zugestellt wird. 2 Die Kündigung muss dem Vertragspartner in Textform spätestens einen Monat nach der Zahlung von Sanierungskosten oder der Zustellung der Klage zugegangen sein. 23.2 1Kündigt der VN, wird seine Kündigung sofort nach ihrem Zugang beim VR wirksam. 2 Der VN kann jedoch bestimmen, dass die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Ende der laufenden Versicherungsperiode, wirksam wird. 3 Eine Kündigung des VR wird einen Monat nach ihrem Zugang beim VN wirksam.
1243 https://doi.org/10.1515/9783110522686-378
Koch
Ziff. 25 USV Basis
Kündigung nach Risikoerhöhung
Ziff. 24 Kündigung nach Veräußerung versicherter Unternehmen 24.1 1Wird ein Unternehmen, für das eine Umweltschadens-Basisversicherung besteht, an einen Dritten veräußert, tritt dieser an Stelle des VN in die während der Dauer seines Eigentums sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. 2 Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen wird. 24.2 Das Versicherungsverhältnis kann in diesem Falle – durch den VR dem Dritten gegenüber mit einer Frist von einem Monat, – durch den Dritten dem VR gegenüber mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode in Textform gekündigt werden. 24.3 Das Kündigungsrecht erlischt, wenn – der VR es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausübt, in welchem er vom Übergang auf den Dritten Kenntnis erlangt; – der Dritte es nicht innerhalb eines Monats nach dem Übergang ausübt, wobei das Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monats von dem Zeitpunkt an bestehen bleibt, in dem der Dritte von der Versicherung Kenntnis erlangt. 24.4 Erfolgt der Übergang auf den Dritten während einer laufenden Versicherungsperiode und wird das Versicherungsverhältnis nicht gekündigt, haften der bisherige VN und der Dritte für den Versicherungsbeitrag dieser Periode als Gesamtschuldner. 24.5 1Der Übergang eines Unternehmens ist dem VR durch den bisherigen VN oder den Dritten unverzüglich anzuzeigen. 2 Bei einer schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen, und der VR den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. 3 Der Versicherungsschutz lebt wieder auf und besteht für alle Versicherungsfälle, die frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt eintreten, in dem der VR von der Veräußerung Kenntnis erlangt. 4Dies gilt nur, wenn der VR in diesem Monat von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. 5 Der Versicherungsschutz fällt trotz Verletzung der Anzeigepflicht nicht weg, wenn dem VR die Veräußerung in dem Zeitpunkt bekannt war, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen.
Ziff. 25 Kündigung nach Risikoerhöhung aufgrund Änderung oder Erlass von Rechtsvorschriften 1
Bei Erhöhungen des versicherten Risikos durch Änderung bestehender oder Erlass neuer Rechtsvorschriften (s. Ziff. 6.3) ist der VR berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. 2Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Erhöhung Kenntnis erlangt hat.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-380
1244
Mehrfachversicherung
Ziff. 26 USV Basis
Ziff. 26 Mehrfachversicherung 26.1 Eine Mehrfachversicherung liegt vor, wenn das Risiko in mehreren Versicherungsverträgen versichert ist. 26.2 Wenn die Mehrfachversicherung zustande gekommen ist, ohne dass der VN dies wusste, kann er die Aufhebung des später geschlossenen Vertrages verlangen. 26.3 1Das Recht auf Aufhebung erlischt, wenn der VN es nicht innerhalb eines Monats geltend macht, nachdem er von der Mehrfachversicherung Kenntnis erlangt hat. 2 Die Aufhebung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die Erklärung, mit der sie verlangt wird, dem VR zugeht.
1245 https://doi.org/10.1515/9783110522686-381
Koch
Ziff. 27 USV Basis
Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
Obliegenheiten des VN Ziff. 27 Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN 27.1 Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben über gefahrerhebliche Umstände 1 Der VN hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung dem VR alle ihm bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, nach denen der VR in Textform gefragt hat und die für den Entschluss des VR erheblich sind, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen. 2Der VN ist auch insoweit zur Anzeige verpflichtet, als nach seiner Vertragserklärung, aber vor Vertragsannahme der VR in Textform Fragen i.S.d. Satzes 1 stellt. 3 Gefahrerheblich sind die Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des VR Einfluss auszuüben, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. 4 Wird der Vertrag von einem Vertreter des VN geschlossen und kennt dieser den gefahrerheblichen Umstand, muss sich der VN so behandeln lassen, als habe er selbst davon Kenntnis gehabt oder dies arglistig verschwiegen. 27.2 Rücktritt (1) Unvollständige und unrichtige Angaben zu den gefahrerheblichen Umständen berechtigen den VR, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten. (2) 1Der VR hat kein Rücktrittsrecht, wenn der VN nachweist, dass er oder sein Vertreter die unrichtigen oder unvollständigen Angaben weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gemacht hat. 2 Das Rücktrittsrecht des VR wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht besteht nicht, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. (3) 1Im Fall des Rücktritts besteht kein Versicherungsschutz. 2 Tritt der VR nach Eintritt des Versicherungsfalles zurück, darf er den Versicherungsschutz nicht versagen, wenn der VN nachweist, dass der unvollständig oder unrichtig angezeigte Umstand weder für den Eintritt des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung ursächlich war. 3 Auch in diesem Fall besteht aber kein Versicherungsschutz, wenn der VN die Anzeigepflicht arglistig verletzt hat. 4 Dem VR steht der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht. 27.3 Beitragsänderung oder Kündigungsrecht 1 Ist das Rücktrittsrecht des VR ausgeschlossen, weil die Verletzung einer Anzeigepflicht weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte, kann der VR den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat in Schriftform kündigen. 2 Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der VN nachweist, dass der VR den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. 3 Kann der VR nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, aber zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR rückwirkend Vertragsbestandteil. 4Hat der VN die Pflichtverletzung nicht zu vertreten, werden die anderen Bedingungen ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. 5 Erhöht sich durch die Vertragsanpassung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließt der VR die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der VN den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR fristlos kündigen. Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-382
1246
Vorvertragliche Anzeigepflichten des VN
Ziff. 27 USV Basis
6
Der VR muss die ihm nach Ziff. 27.2 und 27.3 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. 7Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem er von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. 8Er hat die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung abgeben, wenn für diese die Monatsfrist nicht verstrichen ist. 9 Dem VR stehen die Rechte nach den Ziff. 27.2 und 27.3 nur zu, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. 10 Der VR kann sich auf die in den Ziff. 27.2 und 27.3 genannten Rechte nicht berufen, wenn er den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. 27.4 Anfechtung 1 Das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt. 2Im Fall der Anfechtung steht dem VR der Teil des Beitrages zu, der der bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung abgelaufenen Vertragszeit entspricht.
1247
Koch
Ziff. 29 USV Basis
Obliegenheiten bei Eintritt eines Umweltschadens
Ziff. 28 Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles 1
Besonders gefahrdrohende Umstände hat der VN auf Verlangen des VR innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. 2Dies gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. 3Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne weiteres als besonders gefahrdrohend.
Ziff. 29 Obliegenheiten bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen 29.1 Jeder Versicherungsfall ist dem VR unverzüglich nach Kenntnis durch den VN anzuzeigen, auch wenn noch keine Sanierungs- oder Kostentragungsansprüche erhoben wurden. 29.2 Dem VN obliegt es ferner, den VR jeweils unverzüglich und umfassend zu informieren über: – seine ihm gemäß § 4 Umweltschadensgesetz obliegende Information an die zuständige Behörde, – behördliches Tätigwerden wegen der Vermeidung oder Sanierung eines Umweltschadens gegenüber dem VN, – die Erhebung von Ansprüchen auf Ersatz der einem Dritten entstandenen Aufwendungen zur Vermeidung, Begrenzung oder Sanierung eines Umweltschadens, – den Erlass eines Mahnbescheids, – eine gerichtliche Streitverkündung, – die Einleitung eines staatsanwaltlichen, behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens. 29.3 1Der VN muss nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. Weisungen des VR sind zu befolgen, soweit es für den VN zumutbar ist. 2Er hat dem VR ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen. 3Alle Umstände, die nach Ansicht des VR für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden. 29.4 Maßnahmen und Pflichten im Zusammenhang mit Umweltschäden sind unverzüglich mit dem VR abzustimmen. 29.5 1Gegen einen Mahnbescheid oder einen Verwaltungsakt im Zusammenhang mit Umweltschäden muss der VN fristgemäß Widerspruch oder die sonst erforderlichen Rechtsbehelfe einlegen. 2Einer Weisung des VR bedarf es nicht. 1 29.6 Im Widerspruchsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren wegen eines Umweltschadens hat der VN dem VR die Führung des Verfahrens zu überlassen. 2Im Falle des gerichtlichen Verfahrens beauftragt der VR einen Rechtsanwalt im Namen des VN. 3Der VN muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-384
1248
Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten
Ziff. 30 USV Basis
Ziff. 30 Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten 30.1 1Verletzt der VN eine Obliegenheit aus diesem Vertrag, die er vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat, kann der VR den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung fristlos kündigen. 2Der VR hat kein Kündigungsrecht, wenn der VN nachweist, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte. 30.2 1Wird eine Obliegenheit aus diesem Vertrag vorsätzlich verletzt, verliert der VN seinen Versicherungsschutz. 2Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der VR berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen. 3 Der vollständige oder teilweise Wegfall des Versicherungsschutzes hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. 4 Weist der VN nach, dass er die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt hat, bleibt der Versicherungsschutz bestehen. 5 Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn der VN nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der dem VR obliegenden Leistung ursächlich war. 6Das gilt nicht, wenn der VN die Obliegenheit arglistig verletzt hat. 8 Die vorstehenden Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob der VR ein ihm nach Ziff. 30.1 zustehendes Kündigungsrecht ausübt.
1249 https://doi.org/10.1515/9783110522686-385
Koch
Ziff. 34 USV Basis
Verjährung
Weitere Bestimmungen Ziff. 31 Mitversicherte Personen 31.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Ansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Versicherten entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen der Ziff. 7 gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Versicherten entsteht. 31.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2Er ist neben den Versicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
Ziff. 32 Abtretungsverbot 1
Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des VR weder abgetreten noch verpfändet werden. 2Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig.
Ziff. 33 Anzeigen, Willenserklärungen, Anschriftenänderung 33.1 Alle für den VR bestimmten Anzeigen und Erklärungen sollen an die Hauptverwaltung des VR oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden. 33.2 1Hat der VN eine Änderung seiner Anschrift dem VR nicht mitgeteilt, genügt für eine Willenserklärung, die dem VN gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem VR bekannte Anschrift. 2Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Briefes als zugegangen. 3Dies gilt entsprechend für den Fall einer Namensänderung des VN. 33.3 Hat der VN die Versicherung für seinen Gewerbebetrieb abgeschlossen, finden bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung die Bestimmungen der Ziff. 33.2 entsprechende Anwendung.
Ziff. 34 Verjährung 34.1 1Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren. 2Die Fristberechnung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. 34.2 Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag bei dem VR angemeldet worden, ist die Verjährung von der Anmeldung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des VR dem Anspruchsteller in Textform zugeht.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-389
1250
Hinweise zu USV Basis
Ziff. 35 Zuständiges Gericht 35.1 1Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VR bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung. 2Ist der VN eine natürliche Person, ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 35.2 1Ist der VN eine natürliche Person, müssen Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen ihn bei dem Gericht erhoben werden, das für seinen Wohnsitz oder, in Ermangelung eines solchen, den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts zuständig ist. Ist der VN eine juristische Person, bestimmt sich das zuständige Gericht auch nach dem Sitz oder der Niederlassung des VN. 2Das gleiche gilt, wenn der VN eine Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine eingetragene Partnergesellschaft ist. 35.3 Sind der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem Versicherungsvertrag gegen den VN nach dem Sitz des VR oder seiner für den Versicherungsvertrag zuständigen Niederlassung.
Ziff. 36 Anzuwendendes Recht Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.
Hinweise zu UHV Basis Ziff. 1 USV Basis umschreibt die versicherten Risiken (Ziff. 1.1.1 bis 1.1.3 und Ziff. 1.3 USV Basis) und den Kreis der versicherten Personen (Ziff. 1.2 USV Basis). Ziff. 1.2 USV Basis ist identisch mit Ziff. 1.2 USV und Ziff. 1.3 USV Basis ist identisch mit Ziff. 1.3 USV. Ziff. 1.1.1 USV Basis deckt das allgemeine Umweltschaden-Betriebsrisiko ab und entspricht Ziff. 2.8 USV. Ziff. 1.1.2 USV Basis versichert das nicht-anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko und entspricht Ziff. 2.7 USV. Ziff. 1.1.3 USV Basis deckt das anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko ab und entspricht Ziff. 2.6 USV. Auf die dortigen Kommentierungen sei verwiesen. Daneben besteht nach Ziff. 1.1.4 USV Basis die Möglichkeit, geringfügige Anlagerisiken, z.B. Kleingebinde, auch hinsichtlich des Umfangs der zu versichernden Anzahl und/ oder Mengen an Stoff- und Anlagerisiken gesondert zu versichern.1 Ziff. 2 USV Basis stellt klar, dass Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden aus besonderen Anlagenrisiken nicht versichert sind. Ziff. 3 bis 36 USV BasisV sind nahezu identisch mit Ziff. 3 bis 38 USV. Insoweit kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden. Abweichungen ergeben sich vornehmlich daraus, dass im Rahmen der USV Basis besondere Anlagerisiken nicht versichert sind.
1 Winter/Hellberg/Orth/Sons 270. 1251 https://doi.org/10.1515/9783110522686-392
Koch
1
2
3 4
C. A2-2 AVB BHV Umweltschadensversicherung (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung A2-2.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-2.2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (Versicherungsnehmer und mitversicherten Personen) A2-2.3 Betriebsstörung A2-2.4 Versicherungsfall A2-2.5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles A2.2.6 Leistungen der Versicherung und Vollmacht des Versicherers A2-2.7 Versicherte Kosten A2-2.8 Begrenzung der Leistungen (Versicherungssumme, Jahreshöchstersatzleistung, Serienschaden, Selbstbeteiligung) A2-2.9 Besondere Regelungen für einzelne betriebliche und berufliche Risiken (Versicherungsschutz, Risikobegrenzungen und besondere Ausschlüsse) A2-2.10 Ausschlüsse für Umweltschäden A2-2.11 Veränderungen des versicherten Risikos (Erhöhungen und Erweiterungen) A2-2.12 Neu hinzukommende Risiken (Vorsorgeversicherung) A2-2.13 Nachhaftung A2-2.14 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens und nach Eintritt eines solchen A2-2.15 USV-Zusatzbaustein 1 A2-2.16 USV-Zusatzbaustein 2
Schrifttum S. die Literaturangaben vor USV.
Vorbemerkung 1 Versicherungsschutz für das allgemeine Umweltschaden-Betriebsrisiko, das anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko und das nicht-anlagenbezogene Umweltschaden-Produktrisiko hat in den neu strukturierten AVB BHV Eingang in Abschnitt A2 „Umweltrisiko“ gefunden. Die Deckung in Abschnitt 2 „Umweltrisiko“ entspricht im Wesentlichen der der UmweltschadensBasisversicherung (USV Basis). A2-2 AVB BHV „Umweltschadensversicherung“ umfasst – wie das USV – weitergehend auch 2 die anlagenbezogenen Umweltschadensrisiken und bedarf gesonderter Vereinbarung. Im Unterschied zur USV ist die Versicherung der anlagenbezogenen Umweltschadensrisiken in A2-2 AVB BHV nicht als „Stand Alone“-Deckung – neben der Betriebs, Produkthaft- und Umwelthaftpflichtversicherung – konzipiert, sondern wird in Abschnitt A2 AVB BHV integriert und ersetzt dort die Umweltschadens-Basisdeckung. Der Kommentierung der USV liegen die unverbindlichen Musterbedingungen des GDV in 3 ihrer Fassung vom Februar 2016 zu Grunde.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-394
1252
A2-2.1 AVB BHV
A2-2.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz A2-2 AVB BHV Umweltschadensversicherung (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung (USV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Oktober 2016) I. USV-Grunddeckung II. USV-Zusatzbaustein 1 III. USV-Zusatzbaustein 2 Umfang des Versicherungsschutzes
A2-2.1 Versichertes Risiko, Versicherungsschutz 5A2-2.1.1 Versichert ist die gesetzliche Pflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts des VN gemäß Umweltschadensgesetz zur Sanierung von Umweltschäden für die gemäß A2-2.1.3 versicherten Risiken. A2-2.1.2 1Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn der VN von einer Behörde oder einem sonstigen Dritten auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/Pflichten der oben genannten Art in Anspruch genommen wird. 2Dabei kommt es nicht darauf an, ob der VN auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage in Anspruch genommen wird. 3 Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für solche gegen den VN gerichteten Ansprüche, die auch ohne das Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/ EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 4Versicherungsschutz für derartige Ansprüche besteht ausschließlich im Umfang der Abschnitte A1 und A2-1.
1. Gegenstand der Versicherung 1.1 1Versichert ist die gesetzliche Pflicht öffentlichrechtlichen Inhalts des VN gemäß Umweltschadensgesetz zur Sanierung von Umweltschäden. 2 Umweltschaden ist eine – Schädigung von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, – Schädigung der Gewässer, – Schädigung des Bodens. 3 Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn der VN von einer Behörde oder einem sonstigen Dritten auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/ Pflichten der oben genannten Art in Anspruch genommen wird. 4Dabei kommt es nicht darauf an, ob der VN auf öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage in Anspruch genommen wird. 5 Ausgenommen vom Versicherungsschutz bleiben jedoch solche gegen den VN gerichteten Ansprüche, die auch ohne das Bestehen des Umweltschadensgesetzes oder anderer auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) basierender nationaler Umsetzungsgesetze bereits aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den VN geltend gemacht werden könnten. 6 Versicherungsschutz für derartige Ansprüche kann ausschließlich über eine Betriebs- oder BerufsHaftpflichtversicherung oder eine UmweltHaftpflichtversicherung vereinbart werden.
A2-2.1.3 Versichert sind ausschließlich die im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen aufgeführten Risiken und Tätigkeiten. Versicherungsschutz besteht für die unter A2-2.1.3(1) bis A2-2.1.3(8) aufgeführten, jeweils ausdrücklich zu vereinbarenden Risikobausteine: (1) Anlagen im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) 1 Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten. 2 Ausgenommen sind solche WHG-Anlagen, die in Anhang 1 oder 2 zum Umwelthaftungsgesetz aufgeführt sind, Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer.
2. Umfang der Versicherung/Versicherte Risiken Die Versicherung erstreckt sich ausschließlich auf die im Versicherungsschein aufgeführten Risiken und Tätigkeiten. 2 Versicherungsschutz besteht für die unter Ziff. 2.1 bis 2.8 aufgeführten, jeweils ausdrücklich zu vereinbarenden Risikobausteine: 2.1 Anlagen des VN, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (WHG-Anlagen). 2Ausgenommen sind solche WHGAnlagen, die in Anhang 1 oder 2 zum UHG aufgeführt sind, Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer.
1253 https://doi.org/10.1515/9783110522686-395
1
Koch
A2-2.1 AVB BHV
Versichertes Risiko, Versicherungsschutz
A2-2 AVB BHV Umweltschadensversicherung (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Februar 2016)
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung (USV) (unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Oktober 2016)
(2) Anlagen im Sinne des Umwelthaftungsgesetzes (UHG) 1 Anlagen des VN gemäß Anhang 1 zum UHG (UHGAnlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. (3) Sonstige deklarierungspflichtige Anlagen 1 Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHGAnlagen handelt. 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer. (4) Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN. (5) UHG-Anlagen/Pflichtversicherung Anlagen des VN gemäß Anhang 2 zum Umwelthaftungsgesetz. (6) Umwelt-Regressrisiko Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß A2-2.1.3 (1) bis A2-2.1.3 (5) oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. (7) Umwelt-Produktrisiko Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen, die nicht von A2-2.1.3(6) umfasst sind, nach Inverkehrbringen. (8) Allgemeines Umweltrisiko Sonstige Anlagen, Betriebseinrichtungen, Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die A2-2.1.3(1) bis A2-2.1.3(7) fallen, unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart wurden oder nicht.
2.2 Anlagen des VN gemäß Anhang 1 zum UHG (UHGAnlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer sowie Schäden durch Abwässer. 2.3 Anlagen des VN, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen, soweit es sich nicht um WHG- oder UHG-Anlagen handelt (sonstige deklarierungspflichtige Anlagen). 2Ausgenommen sind Abwasseranlagen, Einwirkungen auf Gewässer und Schäden durch Abwässer. 2.4 Abwasseranlagen des VN oder Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer oder Einwirken auf ein Gewässer derart, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, durch den VN (Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiko). 2.5 Anlagen des VN gemäß Anhang 2 zum UHG (UHG-Anlagen). 2.6 Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen gemäß Ziff. 2.1 bis 2.5 oder Teilen, die ersichtlich für derartige Anlagen bestimmt sind, wenn der VN nicht selbst Inhaber der Anlagen ist. 2.7 Herstellung oder Lieferung von Erzeugnissen, die nicht von Ziff. 2.6 umfasst sind, nach Inverkehrbringen. 2.8 sonstige Anlagen, Betriebseinrichtungen, Tätigkeiten auf eigenen oder fremden Grundstücken, sofern sie nicht unter die Ziff. 2.1 bis 2.7 fallen, unabhängig davon, ob diese Risikobausteine vereinbart wurden oder nicht.
A2-2.1.4 Kein Versicherungsschutz besteht für Pflichten oder Ansprüche wegen Umweltschäden, soweit diese Pflichten oder Ansprüche aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder Zusage über die gesetzliche Verpflichtung des VN hinausgehen.
10. Nicht versichert sind Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, unabhängig davon, ob diese bereits erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Erhaltungszustand von Arten und natürlichen Lebensräumen oder Gewässer haben oder eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, 10.22 soweit diese Pflichten oder Ansprüche auf Grund vertraglicher Vereinbarung oder Zusage über die gesetzliche Verpflichtung des VN hinausgehen.
1 Die Regelung zum versicherten Risiko und zum Versicherungssschutz in A2-2.1 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 1.1 USV. Allerdings fehlt die Definition des Umweltschadens. A2-2.1.3 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 2 USV. 2 A2-2.1.4 AVB BHV entspricht dem Ausschluss in Ziff. 10.22 USV. 3 Koch
1254
A2-2.2 AVB BHV
A2-2.2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten A2-2 AVB BHV
USV
A2-2.2 Regelungen zu mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwischen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen) A2-2.2.1 Versichert ist die gesetzliche Pflicht im Sinne von A2-2.1.1 (1) der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft; (2) sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen.
1.2 Mitversichert ist die gleichartige gesetzliche Pflicht 1.2.1 der gesetzlichen Vertreter des VN und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat, in dieser Eigenschaft. 1.2.2 sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen für den VN verursachen.
A2-2.2.2 1Alle für den VN geltenden Vertragsbestimmungen sind auf die mitversicherten Personen entsprechend anzuwenden. 2Dies gilt nicht für die Bestimmungen über die Vorsorgeversicherung (A2-2.12), wenn das neue Risiko nur für eine mitversicherte Person entsteht.
31. Mitversicherte Personen 31.1 1Erstreckt sich die Versicherung auch auf Ansprüche gegen andere Personen als den VN selbst, sind alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Versicherten entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen der Ziff. 7 gelten nicht, wenn das neue Risiko nur in der Person eines Versicherten entsteht.
A2-2.2.3 Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, entfällt der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen.
Fehlanzeige
A2-2.2.4 1Die Rechte aus diesem Versicherungsvertrag darf nur der VN ausüben. 2 Für die Erfüllung der Obliegenheiten sind sowohl der VN als auch die mitversicherten Personen verantwortlich.
31.2 1Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem VN zu. 2 Er ist neben den Versicherten für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.
Die Regelungen zu mitversicherten Personen in A2-2.2.1 AVB BHV entsprechen Ziff. 1.2 USV. 1 Die Regelungen zur Rechtsstellung der mitversicherten Personen und zum Verhältnis zwi- 2 schen den Versicherten (VN und mitversicherten Personen) in A2-2.2.2 und A2-2.2.4 AVB BHV entsprechen Ziff. 31 USV. Neu ist die Regelung in A2-2.2.3 AVB BHV, derzufolge unabhängig davon, ob die Vorausset- 3 zungen für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse in der Person des VN oder einer mitversicherten Person vorliegen, der Versicherungsschutz sowohl für den VN als auch für die mitversicherten Personen entfällt. Sie ist wortgleich mit A1-2.3 AVB PHV, weshalb auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.
1255 https://doi.org/10.1515/9783110522686-396
Koch
A2-2.4 AVB BHV
A2-2.3 Betriebsstörung A2-2 AVB BHV
USV
A2-2.3 Betriebsstörung A2-2.3.1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für Umweltschäden, die unmittelbare Folge einer plötzlichen und unfallartigen, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrags eingetretenen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN oder des Dritten sind (Betriebsstörung). A2-2.3.2 1Auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung besteht im Rahmen von A2-2.1.3(7) Versicherungsschutz für Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse. 2Das Gleiche gilt im Rahmen von A2-2.1.3(8) für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter im Sinne von A22.1.3(7). 3Versicherungsschutz besteht in den Fällen der Sätze 1 und 2 ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktionsoder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 4Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko).
3. Betriebsstörung 3.1 Versicherungsschutz besteht ausschließlich für Umweltschäden, die unmittelbare Folge einer plötzlichen und unfallartigen, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages eingetretenen Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes des VN oder des Dritten sind (Betriebsstörung). 3.2. 1Auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung besteht im Rahmen der Ziff. 2.7 Versicherungsschutz für Umweltschäden durch hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse. 2Das Gleiche gilt im Rahmen der Ziff. 2.8 für Umweltschäden durch Lagerung, Verwendung oder anderen Umgang von oder mit Erzeugnissen Dritter i.S.v. Ziff. 2.7. 3Versicherungsschutz besteht in den Fällen der Sätze 1 und 2 ausschließlich dann, wenn der Umweltschaden auf einen Konstruktions-, Produktionsoder Instruktionsfehler dieser Erzeugnisse zurückzuführen ist. 4Jedoch besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Erzeugnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht hätte erkannt werden können (Entwicklungsrisiko).
1 A2-2.3 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 3 USV.
A2-2.4 Versicherungsfall A2-2 AVB BHV
USV
A2-2.4 Versicherungsfall 1 Versicherungsfall ist die nachprüfbare erste Feststellung des Umweltschadens durch den VN, die zuständige Behörde oder einen sonstigen Dritten. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder eine Pflicht zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen erkennbar war.
8. Versicherungsfall Versicherungsfall ist die nachprüfbare erste Feststellung des Umweltschadens durch den VN, die zuständige Behörde oder einen sonstigen Dritten. 2Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. 3Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder eine Pflicht zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen erkennbar war. 1
1 A2-2.4 AVB BHV entspricht inhaltlich Ziff. 8 USV.
Koch https://doi.org/10.1515/9783110522686-398
1256
A2-2.5 AVB BHV
A2-2.5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls A2-2 AVB BHV
USV
A2-2.5 Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls A2-2.5.1 Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, (1) für die Versicherung nach A2-2.1.3(1) bis A22.1.3(5) nach einer Betriebsstörung; (2) für die Versicherung nach A2-2.1.3(6) nach einer Betriebsstörung bei Dritten; (3) für die Versicherung nach A2-2.1.3(7) nach einer Betriebsstörung bei Dritten – in den Fällen von A22.3.2 auch nach behördlicher Anordnung ohne Vorliegen einer Betriebsstörung; (4) 1für die Versicherung nach A2-2.1.3 (8) nach einer Betriebsstörung beim VN oder Dritten – in den Fällen von A2-2.3.2 auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung nach behördlicher Anordnung; Aufwendungen des VN – oder soweit versichert des Dritten gemäß (2) bis (4) – für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Umweltschadens. 2Die Feststellung der Betriebsstörung oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. A2-2.5.2 Aufwendungen aufgrund von Betriebsstörungen oder behördlichen Anordnungen im Sinne von A2-2.5.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. A2-2.5.3 Der VN ist verpflichtet, (1) dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadenseintritt zu verhindern oder den Schadensumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder (2) sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. A2-2.5.4 1Verletzt der VN eine der in A2-2.5.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gemäß A2-2.5 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2 Verletzt der VN eine der in A2-2.5.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende
9. Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles 9.1 Der VR ersetzt, auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, (1) für die Versicherung nach den Risikobausteinen 2.1 bis 2.5 nach einer Betriebsstörung; (2) für die Versicherung nach Risikobaustein 2.6 nach einer Betriebsstörung bei Dritten; (3) für die Versicherung nach Risikobaustein 2.7 nach einer Betriebsstörung bei Dritten – in den Fällen der Ziff. 3.2 auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung nach behördlicher Anordnung; (4) 1für die Versicherung nach Risikobaustein 2.8 nach einer Betriebsstörung beim VN oder Dritten – in den Fällen der Ziff. 3.2 auch ohne Vorliegen einer Betriebsstörung nach behördlicher Anordnung; Aufwendungen des VN – oder soweit versichert des Dritten gemäß (2) bis (4) – für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Umweltschadens. 2Die Feststellung der Betriebsstörung oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei maßgeblich der frühere Zeitpunkt ist. 9.2 Aufwendungen aufgrund von Betriebsstörungen oder behördlichen Anordnungen i.S.d. Ziff. 9.1 werden unter den dort genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahmen durch den VN oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt werden. 9.3 Der VN ist verpflichtet, 9.3.1 dem VR die Feststellung einer derartigen Störung des Betriebes oder eine behördliche Anordnung unverzüglich anzuzeigen und alles zu tun, was erforderlich ist, die Aufwendungen auf den Umfang zu begrenzen, der notwendig und objektiv geeignet ist, den Schadenseintritt zu verhindern oder den Schadensumfang zu mindern und auf Verlangen des VR fristgemäß Widerspruch gegen behördliche Anordnungen einzulegen oder 9.3.2 sich mit dem VR über die Maßnahmen abzustimmen. 9.4 1Verletzt der VN eine der in Ziff. 9.3 genannten Obliegenheiten vorsätzlich, so werden ihm im Rahmen des für Aufwendungen gem. Ziff. 9 vereinbarten Gesamtbetrages nur die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen ersetzt. 2 Verletzt der VN eine der in Ziff. 9.3 genannten Obliegenheiten grob fahrlässig, so ist der VR berechtigt, etwaige über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehende Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens
1257 https://doi.org/10.1515/9783110522686-399
Koch
A2-2.5 AVB BHV
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls
A2-2 AVB BHV
USV
Aufwendungen in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der VN. 3 Abweichend von Absatz 1 und 2 bleibt der VR zum Ersatz etwaiger über die notwendigen und objektiv geeigneten Aufwendungen hinausgehender Aufwendungen verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit nicht für den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist. A2-2.5.5 1Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls werden bis EUR… je Störung des Betriebes oder behördlicher Anordnung ersetzt. 2Die Höchstersatzleistung beträgt je Versicherungsjahr EUR … 3 Es erfolgt eine Anrechnung auf die in A2-2.8.1 vereinbarte Versicherungssumme und auf die Jahreshöchstersatzleistung. Falls vereinbart: Der VN hat von den Aufwendungen … % bzw. EUR … selbst zu tragen. 4 Kommt es trotz Durchführung der Maßnahme zu einem Schaden, so werden die vom VR ersetzten Aufwendungen auf die für den Versicherungsfall maßgebende Versicherungssumme angerechnet, es sei denn, dass der Ersatz dieser Aufwendungen im Rahmen der Jahreshöchstersatzleistung eines früheren Versicherungsjahres die Ersatzleistung für Versicherungsfälle tatsächlich gemindert hat. A2-2.5.6 1Nicht ersatzfähig sind in jedem Fall Aufwendungen – auch soweit sie sich mit Aufwendungen im Sinne von A2-2.5.1 decken – zur Erhaltung, Reparatur, Nachrüstung, Sicherung oder Sanierung von Betriebseinrichtungen, Grundstücken oder Sachen (auch gemietete, gepachtete, geleaste und dergleichen) des VN; auch für solche, die früher im Eigentum oder Besitz des VN standen; auch für solche, die der VN hergestellt oder geliefert hat. 2Ersetzt werden jedoch solche Aufwendungen zur Abwehr oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden versicherten Umweltschadens, falls nicht betroffene Betriebseinrichtungen, Grundstücke oder Sachen des VN beeinträchtigt werden müssen. 3Eintretende Wertverbesserungen sind abzuziehen.
des VN entsprechend