119 26 4MB
German Pages 896 Year 2013
Härting Internetrecht
Internetrecht von
Prof. Niko Härting Rechtsanwalt in Berlin
5. Auflage
2014
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-56095-9
©2.014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen nnd die Einspeicherung nnd Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig nnd umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck nnd Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Gerrnany
Vorwort Eine vollständige Überarbeitung und Erweiterung des „Internetrechts“ war fällig, da seit der Vorauflage drei Jahre vergangen sind – eine kleine Ewigkeit in einem nach wie vor sehr dynamischen Rechtsgebiet. Zwar ist der Gesetzgeber in jüngere Zeit nicht allzu aktiv gewesen. Eine Vielzahl von neuen Sachverhalten und gerichtlichen Entscheidungen haben das Internetrecht dennoch in Bewegung gehalten. Als neues Gesetz war das „Buttongesetz“ in die Neuauflage einzuarbeiten. Dasselbe gilt für das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, das Mitte 2014 in Kraft tritt. Insgesamt lässt sich beobachten, dass Entscheidungen des EuGH zunehmend das Internetrecht (mit) prägen. Dies gilt in besonderem Maße für das Urheber-, Wettbewerbs- und Haftungsrecht. Dort waren eine Reihe neuerer EuGH-Urteile einzuarbeiten, deren Folgen auf die Rechtsentwicklung zum Teil schwer absehbar sind. Dies gilt in besonderem Maße für die Entscheidung zu Ebay ./. L’Oreal, die zusammen mit einigen neueren BGH-Entscheidungen Bewegung in die Themenfelder des Haftungsrechts gebracht hat, die gewöhnlich unter dem Topos „Störerhaftung“ diskutiert werden. Trotz des evidenten Bedarfs nach grundlegenden Reformen sind aus Berlin und Brüssel weder im Datenschutzrecht noch im Urheberrecht legislatorische Erfolge zu verzeichnen. Ob das EU-Datenschutzpaket im Laufe der nächsten Jahre zum Abschluss gebracht wird, bleibt abzuwarten. Einige Grundzüge des Kommissionsentwurfs werden in dem Kapitel zum Datenschutzrecht behandelt. Dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist ein eigenes, neues Kapitel gewidmet mit dem Versuch einer Systematisierung der Grundsätze und Kriterien, auf die es nach den maßgebenden Entscheidungen des BVerfG und des BGH sowie des EGMR ankommt, wenn zwischen Kommunikationsfreiheit und Persönlichkeitsrechten abgewogen wird. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Kapitel zu Internet-Dienstleistungen und zum Wettbewerbsrecht um einige neue Themen ergänzt worden sind. So findet sich beispielsweise im Wettbewerbsrecht ein neuer Abschnitt zu Online-Games, und bei den Internet-Dienstleistungen gibt es das Cloud Computing, den Newsletter-Versand und die Suchmaschinenoptimierung als gesonderte Themenfelder. Das „Internetrecht“ richtet den Blick auf das geltende Recht. Es ist und bleibt ein Buch, das sich an den Praktiker richtet und sich zugleich als Lehrbuch eignet für einen gründlichen Einstieg in die Themengebiete, die das Buch behandelt. In dieser Auflage findet sich darüber hinaus ein kleines „Extra“: Das Buch endet mit einem Kapitel zur Zukunft des Datenschutzrechts.
V
Vorwort
Dass die 5. Auflage Wirklichkeit geworden ist, verdanke ich der tatkräftigen Unterstützung eines studentischen Teams, das mir sichtend, ordnend und korrigierend mit einem vorbildlichen Engagement zur Seite gestanden hat. Daher tausend Dank an Andrzej Bielajew, Jörn Lübben, Philipp Prause, Tomasz Herman und Lasse Junghänel und einen besonderen Dank an den „Chefstudenten“ Lars Thiess, der mit unendlich guter Laune und viel Geduld die Fäden zusammengehalten hat. Berlin, im September 2013
VI
Niko Härting
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Rz. Seite
A. Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
I. Kommunikationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2
II. Besonderheiten der Online-Publikation . . . . . . . . . . . . . . . .
15
5
III. Sphärentheorie; Tatsachen; Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . .
30
10
IV. Briefe und E-Mails . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
23
V. Bewertungsportale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
29
VI. Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
33
VII. „Recht am Bild der eigenen Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
40
B. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
43
I. Informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
44
II. Telekommunikationsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282
75
III. Der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung . . . . . .
362
95
C. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384 101
I. Elektronische Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385 102
II. Zustandekommen von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . .
435 113
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
460 119
IV. Zustandekommen von Verträgen bei DownloadPlattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
480 123
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
484 124
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
588 148
D. Verträge über Internet-Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . .
635 159
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
635 159
II. Webdesignverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
637 160
III. Providerverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683 172
IV. Domainverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
728 184
V. ASP-Verträge und Cloud Computing . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
750 189 VII
Inhaltsbersicht Rz. Seite
VI. Werbeverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
757 191
VII. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . .
769 193
E. Fernabsatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
785 197
I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
787 198
II. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
852 213
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312d BGB) . . . . . . . . . . . .
979 241
F. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1124 271 I. Schutzgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1132 273 II. Rechte des Urhebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1190 289 III. Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1315 319 IV. Durchsetzung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1361 330 G. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1398 341 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1398 342 II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1410 345 III. § 3 UWG – Auffangtatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1645 401 IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen . . . . . . . . . 1665 405 V. E-Mail-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1704 415 VI. Online-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1775 432 VII. Besondere Vertriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1786 434 H. Domainrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1795 439 I. Domainnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1797 440 II. Domainvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1805 441 III. Rechtsnatur der Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1817 444 IV. Domainstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1825 446 V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2019 497 VI. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2056 507 J. Haftung im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2065 511 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2068 512 II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2072 514 III. Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2131 529 VIII
Inhaltsbersicht Rz. Seite
K. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2264 569 I. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2271 571 II. Außervertragliches Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2316 581 III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte . . . . . . . 2361 593
Annex Datenschutz im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 617
I. Kein Eigentum an Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 619
II. Kein Schutz von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 621
III. Kein „Recht auf Vergessen(werden)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 621
IV. „Big Data“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 625
V. Profiling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 627
VI. Das Ende der Datensparsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 629
VII. Schutz vor Missbrauch und Diskriminierung . . . . . . . . . .
49 631
VIII. „IT-Grundrecht“ – der schlummernde Riese . . . . . . . . . . .
74 637
Anhang Rechtsprechungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875
IX
Abkürzungsverzeichnis ABl. AcP Admin-C a.E. a.F. AfP AG AGB Alt. Anh. Anm. AnwBl.
Amtsblatt Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) administrativer Kontakt am Ende alte Fassung Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative Anhang Anmerkung Anwaltsblatt (Zeitschrift)
BAG BAnwBl. BB BGB BGH BGH-R BGHZ BORA BRAK-Mitt.
Bundesarbeitsgericht Berliner Anwaltsblatt (Zeitschrift) Betriebsberater (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof BGH-Report (Zeitschrift) Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen Berufsordnung für Rechtsanwälte Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer (Zeitschrift) Bundesrechtsanwaltsordnung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht
BRAO BT-Drucks. BVerfG BVerwG CISG CML Rev. CR CRi
United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Common Market Law Review (Zeitschrift) Computer und Recht (Zeitschrift) Computer Law Review International (Zeitschrift)
DB DNotZ DNS DPMA DRM Drucks. DStR DuD
Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsche Notar-Zeitschrift Domainname-System Deutsches Patent- und Markenamt Digital Rights Management Drucksache Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift)
ECRL e.G.
E-Commerce-Richtlinie eingetragene Genossenschaft XI
Abkrzungsverzeichnis
EGBGB Einl. EIPR EuGH EuGVVO
EUREDIA EuZW EWiR EWR EWS FAQ FARL FARLFDL FernAbsG Fn. FS GewArch GewO GRUR GRUR Int. GRUR-Prax gTLD GVBl
Einführungsgesetz zum BGB Einleitung European Intellectual Property Review (Zeitschrift) Europäischer Gerichtshof Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Banking & Financial Law Journal Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Frequently Asked Questions Fernabsatzrichtlinie Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher Fernabsatzgesetz Fußnote Festschrift Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterial- und Wettbewerbsrecht (Zeitschrift) generic-Top-Level-Domain Gesetzes- und Verordnungsblatt
Hrsg. HTML HWiG
Herausgeber Hypertext Markup Language Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften
ICANN IDN IP-Adresse IPR IPRax
Internet Corporation for Assigned Names and Numbers Internationalized Domain Names Internet Protocol Adresse Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) IP-Rechtsberater (Zeitschrift) IT-Rechtsberater (Zeitschrift) Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz in Verbindung mit
IPRB ITRB IuKDG i.V.m. XII
Abkrzungsverzeichnis
JCP Jura JurPC JuS JZ
Journal of Consumer Policy Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Internetzeitschrift für Rechtsinformatik, abrufbar unter www.jurpc.de Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung
K&R KG krit.
Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kammergericht kritisch
LAG Ls.
Landesarbeitsgericht Leitsatz
MDR MDStV MMR m.w.N.
Monatsschrift für Deutsches Recht Mediendienstestaatsvertrag Multimedia und Recht (Zeitschrift) mit weiteren Nachweisen
n.F. NIC NJ NJW NJW-CoR NJW-RR NZM
neue Fassung Network Information Center Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Computerreport Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Zivilrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht
ÖJZ OLGR OVG
Österreichische Juristenzeitung OLG-Report Oberverwaltungsgericht
PAngV
Preisangabenverordnung
RabattG RBÜ RegE RIW RUDRP
Rabattgesetz Revidierte Berner Übereinkunft Regierungsentwurf Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy
SigG SigV Slg. StGB str. StuB
Signaturgesetz Signaturverordnung Sammlung Strafgesetzbuch streitig Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) XIII
Abkrzungsverzeichnis
TDG tech-c TKG TLD TMG TRIPS
Teledienstegesetz technischer Kontakt Telekommunikationsgesetz Top-Level-Domain Telemediengesetz trade-related aspects of intellectual property rights
UBE UCE UDRP UFITA UKlaG UrhG URL UStG UWG
Unsolicited Bulk E-Mail Unsolicited Commercial E-Mail Uniform Dispute Resolution Policy Archiv für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift, ehemals Archiv für Urheber-, Film, Funk und Theaterrecht) Unterlassungsklagengesetz Urheberrechtsgesetz Uniform Resource Locator Umsatzsteuergesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VerbrKrG VersR VerwArch VGH VuR VVG
Verbraucherkreditgesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Versicherungsvertragsgesetz
WCT WiB WIPO WM WRP WUA
WIPO-Urheberrechtsvertrag Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) World Intellectual Property Organisation Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Welturheberrechtsabkommen
z.B. ZEuP ZIP ZPO ZRP ZUM ZVglRWiss
zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
XIV
A. Persönlichkeitsrechte
I. Kommunikationsfreiheit . . . . II. Besonderheiten der OnlinePublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weltweite Verbreitung. . . . . . . 2. Anonymität . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Prangerwirkung“. . . . . . . . . . . 4. Perpetuierung . . . . . . . . . . . . . . . III. Sphärentheorie; Tatsachen; Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sphären der Persönlichkeit. . . a) Intimsphäre . . . . . . . . . . . . . . b) Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialsphäre . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsachen und Werturteile . . . a) Tatsachenbehauptungen . . aa) Abgrenzung zum Werturteil . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wahre Tatsachen. . . . . . cc) Falsche Behauptungen. dd) Wahrheitsbeweis. . . . . . ee) Sorgfaltspflichten . . . . .
Rz. 6 15 16 17 20 23 30 32 34 40 47 53 54 56 60 64 65 67
Rz.
IV. 1. 2. 3.
ff) Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Werturteile . . . . . . . . . . . . . . .
71 75
Briefe und E-Mails. . . . . . . . . . . Schutz des Briefes . . . . . . . . . . . Schutz der E-Mail . . . . . . . . . . . Schutz von Anwaltsschreiben
82 83 93 99
V. Bewertungsportale . . . . . . . . . . 103 1. Kritik an Personen . . . . . . . . . . 106 2. Kritik an Unternehmen . . . . . . 108 VI. Recht am eigenen Bild . . . . . . . 1. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . b) Bildbearbeitung . . . . . . . . . . . c) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personen der Zeitgeschichte . 3. Weitere Erlaubnistatbestände
114 117 118 124 126 130 143
VII. „Recht am Bild der eigenen Sache“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Immer leichter wird es, Inhalte über das Internet zu verbreiten. Ob Mu- 1 sik, Fotos, Videos oder auch Texte: Immer mehr Content birgt in verstärktem Maße die Gefahr der Verletzung von Rechten Dritter. Dies gilt nicht nur für das Urheberrecht, sondern auch für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Persönlichkeitsrecht kann durch Schmähungen in Social Networks und Internetforen in Gefahr geraten oder auch durch die Veröffentlichung von Briefen und Mails, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Rechtsverletzungen finden im Internet ebenso statt wie in der realen Welt. Die Anonymität des Netzes kann leicht dazu verleiten, Persönlichkeitsrechte zu missachten. So ist es verständlich, dass die jeweils Betroffenen versucht haben, sich 2 dagegen zu wehren, dass sie im Internet als „Neger-Kalle“1 oder als „Hassprediger“2 bezeichnet wurden. Ähnliches gilt für den dunkelhäutigen Fußball-Nationalspieler, dessen Trikotnummer auf der Homepage einer rechten Partei mit dem Schriftzug „Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft“ abgebildet war3, und für den 1 Vgl. LG Hamburg vom 25.5.2007 – 324 O 468/06. 2 Vgl. OLG Brandenburg vom 23.4.2007, NJW-RR 2007, 1641 ff. 3 Vgl. LG Berlin vom 18.5.2006, AfP 2006, 386 ff.
1
A. Persçnlichkeitsrechte
Chefredakteur einer Zeitung aus dem rechten Spektrum, der im Internet als „Vordenker und Rädelsführer der rechten Szene“ und als „Drahtzieher im Hintergrund“ bezeichnet wurde, der seinen Anhängern „als Deckmantel für Gewalt eine krude politische Ideologie liefert“1. 3
Der immer größer werdende Meinungsmarkt im Internet birgt Chancen und Risiken. Dabei steht der Schutz von Persönlichkeitsrechten (einschließlich der Unternehmenspersönlichkeitsrechte2) den Vorzügen gegenüber, die ein freier Meinungsmarkt für den demokratischen, globalen Informationsaustausch eröffnet3.
4
Der freie Informationsfluss ist zwangsläufig mit Gefährdungen für Persönlichkeitsrechte verbunden. Wer frei seine Meinung über einen Lehrer4 oder Arzt5 äußert, hat dadurch auch die Möglichkeit der Beleidigung und Herabwürdigung. Wer einen Ebay-Verkäufer beurteilen darf, hat die Gelegenheit zur Fehlinformation interessierter Leser6. Und wer Fotos ins Internet einstellen darf, kann peinliche Partybilder von Personen veröffentlichen mit potentiell unangenehmen Folgen für die Betroffenen7.
5
Ob Bewertungsportale, Online-Archive8 oder auch Google Street View9: Keine Diskussion über Persönlichkeitsrechte und Datenschutz im Internet kommt an einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Kommunikationsfreiheit vorbei10.
I. Kommunikationsfreiheit 6
Der langjährige Präsident von Venezuela, Hugo Chavez, ist nur ein Beispiel für einen Regenten, der regierungskritische Netzinhalte mit Kontroll- und Zensurmaßnahmen bekämpfen wollte11. Beispiele aus China, Vietnam, Syrien, dem Iran und zahlreichen anderen autoritär regierten Staaten zeigen, wie wichtig das Internet für den freien Meinungsaustausch und die Förderung von Aufklärung und Demokratie sein kann12. 1 Vgl. OLG Braunschweig vom 18.9.2000 – 2 W 211/00, MMR 2001, 163 ff. 2 Vgl. OLG München vom 23.4.2010 – 18 W 688/10. 3 Vgl. Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008, 403 ff.; Greve/Schärdel, MMR 2008, 644 ff.; Plog, CR 2007, 668 ff. 4 Vgl. BGH vom 23.6.2009, BGHZ 181, 328 ff. – spickmich.de. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 – 16 U 125/11. 6 Vgl. Dörre/Kochmann, ZUM 2007, 30 ff. 7 Vgl. AG Ingolstadt vom 3.2.2009 – 10 C 2700/08. 8 Vgl. BGH vom 15.12.2009 – VI ZR 228/08 – dradio.de. 9 Vgl. Jahn/Striezel, K&R 2009, 753 ff.; Forgó/Krügel/Müllenbach, CR 2010, 616 ff. 10 Vgl. Härting, CR 2009, 21 ff. 11 heise.de/newsticker/meldung/Chavez-fordert-Kontrolle-fuer-Internetinhalte-954521.html. 12 heise.de/newsticker/meldung/Welttag-gegen-Internetzensur-Der-Kampf-umOnline-Kontrolle-953175.html.
2
I. Kommunikationsfreiheit
Der Schutz des Persönlichkeitsrechts umfasst ein Verfügungsrecht über 7 die Darstellung der eigenen Person. Dieses Verfügungsrecht besteht in der Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann. Allerdings vermittelt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG seinem Träger keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder ihm selbst genehm ist.1 Es gewährleistet insbesondere keine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers über den Umgang der Öffentlichkeit mit Aussagen oder Verhaltensweisen, deren er sich öffentlich entäußert hat2. Das BVerfG hat die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus 8 anwaltlichen Schreiben als unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) angesehen. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vermittele keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es dem Betroffenen selbst genehm ist. Daher begegne bereits die Annahme, dass die Veröffentlichung des Zitats das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Anwalts beeinträchtige, erheblichen Bedenken3. Wegen der Freiheitsvermutung, die für Publikationsrechte spricht, ist es 9 verfehlt, für Veröffentlichungen einseitig ein „Informationsinteresse“ der Öffentlichkeit zu fordern4. Journalismus ist auch dann durch Art. 5 GG geschützt, wenn Beiträge über eine Person mit fragwürdiger journalistischer Qualität veröffentlicht werden, für die sich kein „Informationsinteresse“ konkret begründen lässt. Und für die Veröffentlichung von Fotos einzelner Personen als „Beiwerk“ einer Landschaft oder Sehenswürdigkeit gilt die Erlaubnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUrhG5 auch dann, wenn es sich um ein schlechtes Foto handelt ohne informativen Nutzwert. Im Hinblick auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist das „Informationsinteresse“ zwar ein gewichtiges Kriterium bei der Abwägung, wenn es zu einer Kollision mit Art. 5 GG kommt. Dies ändert indes nichts daran, dass es sich um eine Abwägung handelt, bei der weder für das eine noch für das andere Grundrecht eine Vorrangsvermutung streitet6. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Selbstbestimmung des 10 einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit 1 2 3 4 5 6
BVerfG vom 25.1.2012 – 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Rz. 37. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 20. BVerfG vom 18.2.2010, GRUR 2010, 544, 545. Eberle, MMR 2008, 508 ff. Vgl. Jahn/Striezel, K&R 2009, 753, 757. A.A. LG Hamburg vom 15.1.2010 – 325 O 200/09; LG München I vom 19.11.2009, CR 2010, 270 f.
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A. Persçnlichkeitsrechte
in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann1. Zum Selbstbestimmungsrecht der Presse oder auch des journalistischen Laien als Träger der Meinungsfreiheit gehört auch das Recht, den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen. Es ist nicht die Aufgabe der Gerichte zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert ist oder nicht2. 11
Der Schutz durch Art. 5 GG erstreckt sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Meinungsäußerung oder Berichterstattung. Zum Recht auf freie Berichterstattung gehört neben der inhaltlichen auch die formale Gestaltungsfreiheit. Daher ist es auch von der Meinungs- und Pressefreiheit umfasst, wenn ein Informationsportal Links auf eine andere Website setzt3.
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Auch Art. 10 Abs. 2 EGMR lässt kaum Spielraum für Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Bereich der Politik, wohl aber, wenn es um die Ausübung von Meinungsfreiheit in einem kommerziellen Bereich geht4.
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Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Berichterstattung durch Wortbeiträge andererseits verschieden weit. Während die Veröffentlichung eines Bildes von einer Person grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist, ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne weiteres der Fall. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten5.
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Jugendliche bedürfen eines gesteigerten Schutzes, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst noch entwickeln müssen. Es lässt sich jedoch für Jugendliche keine Vermutung dahingehend aufstellen, dass das öffentliche Interesse an (wahren) Berichten über Verfehlungen hinter dem Anonymitätsinteresse zurückzustehen hat, wenn es nicht um außergewöhnlich schwere Taten geht6. 1 BVerfG vom 18.2.2010, GRUR 2010, 544, 545 f.; BVerfG vom 9.3.2010 – 1 BvR 1891/05, Rz. 29; BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 27. 2 BVerfG vom 9.3.2010 – 1 BvR 1891/05, Rz. 29; BGH vom 14.10.2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD; BGH vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11, Rz. 19. 3 BGH vom 14.10.2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD. 4 EGMR vom 10.1.2013 – 36769/08, Rz. 39. 5 BVerfG vom 25.1.2012 – 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Rz. 35. 6 BVerfG vom 25.1.2012 – 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Rz. 40.
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II. Besonderheiten der Online-Publikation
II. Besonderheiten der Online-Publikation Online-Publikationen sind nicht in jeder Hinsicht mit Offline-Publika- 15 tionen vergleichbar. Vielmehr gibt es beispielsweise bei der Veröffentlichung eines kritischen Artikels in der Printausgabe des „Spiegel“ und auf den Seiten von spiegel-online.de aus Sicht des von der Kritik Betroffenen Unterschiede, die Differenzierungen erlauben oder sogar notwendig machen können. Als Anknüpfungspunkte für Differenzierungen werden immer wieder die unkontrollierbare, weltweite Verbreitung von InternetInformationen, die Anonymität von Äußerungen, die „Prangerwirkung“ des Internet und die leichte Auffindbarkeit über Suchmaschinen sowie die Dauerhaftigkeit der Online-Veröffentlichung genannt1. Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob sich aus dem Datenschutzrecht und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung selbständige Schranken ableiten lassen2. 1. Weltweite Verbreitung Die Größe des Leser- bzw. Adressatenkreises („weltweite Abrufbarkeit“) 16 kann für sich allein kein Grund sein, bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und der Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet andere Maßstäbe anzulegen als bei Offline-Publikationen. Die Meinungsund Informationsfreiheit gilt für Medien mit einem hohen Verbreitungsgrad genauso wie für Medien mit beschränktem Adressatenkreis. Die Persönlichkeitsrechte setzen dem Betreiber eines kleinen lokalen Fernsehsenders dieselben Grenzen, die auch für die großen privaten und öffentlich-rechtlichen Sender gelten. Ebenso gelten bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit für überregionale Tageszeitungen keine anderen Maßgaben als für eine Stadtteilzeitung mit geringer Auflage. Kann die Auflagenhöhe kein Bezugspunkt für gesteigerte Anforderungen an Eingriffe in Persönlichkeitsrechte sein, so bedeutet dies für Online-Publikationen, dass sich allein aus der größeren Reichweite einer solchen Publikation nicht schließen lässt, dass den Persönlichkeitsrechten ein stärkeres Gewicht zukommt als bei Offline-Publikationen. 2. Anonymität Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Anonymität: Zwar ist es durch- 17 aus typisch für Online-Publikationen, dass der Verfasser einer Äußerung anonym oder zumindest schwer erkennbar ist. Dies mag die Rechtsverfolgung aus Sicht des in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen erschweren und die Frage nach einer Störerhaftung Dritter aufwerfen. Keineswegs lässt sich jedoch begründen, dass eine anonyme Äußerung unter 1 Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008, 403, 404. 2 Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008, 403, 404.
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A. Persçnlichkeitsrechte
einem geringeren Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG steht als eine Äußerung, die unter Namensnennung erfolgt. 18
Hinter einer anonymen Meinungsäußerung steht oft ein legitimes Bedürfnis nach Geheimhaltung. Der Schüler, der seinen Lehrer kritisieren möchte, wird Sanktionen befürchten, wenn er seinen Namen nennt. Die Möglichkeit der anonymen Bewertung trägt somit dazu bei, dass dem Schüler die Ausübung der Meinungsfreiheit erleichtert wird. Dies schließt es aus, die Meinungsfreiheit bei anonymen Äußerungen stärker einzuschränken, als dies bei Äußerungen unter Namensnennung der Fall ist1.
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Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, wäre mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden2. 3. „Prangerwirkung“
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Bereits im Jahre 2001 hat das BVerfG auf die Problematik der „Prangerwirkung“ von Internet-Publikationen hingewiesen3. Es ging um einen „Schuldnerspiegel“ – eine Sammlung von Berichten über die Abwicklung von Zahlungsverhältnissen, geordnet nach den Namen der Schuldner. Der beschwerdeführende Betreiber des „Schuldnerspiegels“ hatte nach einem einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem ihm bestimmte Äußerungen untersagt worden waren, Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung ab, dass der Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Dabei verwies das BVerfG darauf, dass die Problematik der „Prangerwirkung“ schwierige rechtliche Fragen aufwerfe, die noch nicht höchstrichterlich entschieden seien4.
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Die „Prangerwirkung“ lag nach Auffassung des BVerfG darin, dass der „Schuldnerspiegel“ für eine unkontrollierbare und unbegrenzte Öffentlichkeit verfügbar war und die Nutzbarkeit durch eine Vielzahl von Suchdiensten erleichtert wurde, die ein systematisches Auffinden von Informationen aus großen Datenmassen ermöglichten und es zum Beispiel erlaubten, das Internet nach bestimmten Informationstypen oder konkre-
1 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de; OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 – 16 U 125/11, Rz. 28 ff. 2 OLG Hamm vom 3.8.2011 – I-3 U 196/10, Rz. 4, ITRB 2011, 253 f. (Rössel). 3 BVerfG vom 9.10.2001, NJW 2002, 741 ff. 4 BVerfG vom 9.10.2001, NJW 2002, 741 ff.
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II. Besonderheiten der Online-Publikation
ten Informationen durchzusehen und in kurzer Zeit die jeweils interessierende Information zu finden. Diese Besonderheiten des Internet führten dazu, dass eine Information schnell für alle verfügbar ist, die an ihr interessiert sind, und dass die Information mit anderen relevanten Informationen leicht kombiniert werden kann1. Wegen der „Prangerwirkung“ hat der VGH Bayern es für rechtmäßig er- 22 achtet, einem 13-jährigen Schüler einen „verschärften Verweis“ zu erteilen, weil er im Netz ein Diskussionsforum über einen Lehrer eröffnet hatte. Durch die Einrichtung des Forums habe der Schüler einer unbestimmten Anzahl von Forumsteilnehmern die Gelegenheit verschafft, im Schutze eigener Anonymität einer interessierten Öffentlichkeit den namentlich bezeichneten Lehrer in seinen (angeblich) charakteristischen Wesensmerkmalen zu präsentieren und ihn bis über die Grenze der Beleidigung hinaus als Person abqualifizieren zu können. Dass dies zu einer erheblichen psychologischen Belastung des Unterrichts führen und damit die Funktionsfähigkeit der Schule ernsthaft gefährden könne, liege auf der Hand. Eine einschüchternde Wirkung komme dem „Internet-Pranger“ vor allem deshalb zu, weil der betroffene Lehrer damit rechnen müsse, dass anonyme Schmähungen oder auch unzutreffende Tatsachenbehauptungen zu seiner Person jederzeit seinem persönlichen und sozialen Umfeld zur Kenntnis gelangen können2. 4. Perpetuierung Ein weiterer Unterschied zwischen Online- und Offline-Publikationen 23 liegt in dem Zeitmoment. Die Schülerzeitung mit den Lehrerbeurteilungen wird in der Regel nur so lange verbreitet, bis die nächste Ausgabe erscheint. Bewertungen bei spickmich.de sind dagegen – jedenfalls theoretisch – unendlich lang abrufbar3. Der Zeitfaktor kann sich auf das Informationsinteresse auswirken, das 24 einer Veröffentlichung zu Grunde liegt. Naturgemäß lässt sich ein derartiges Informationsinteresse bei der Beurteilung von Lehrenden nur so lange bejahen, wie die Lehrer und Hochschullehrer tatsächlich im Dienst sind. Für die fortdauernde Veröffentlichung von Bewertungen über pensionierte Lehrer gibt es kein Publikationsinteresse, das den mit einer Veröffentlichung einhergehenden Eingriff in Persönlichkeitsrechte legitimieren kann. Mehrfach hatten sich Gerichte mit der Frage zu befassen, ob verurteilte 25 Straftäter von Zeitungsverlagen verlangen können, dass ihr Name anony-
1 BVerfG vom 9.10.2001, NJW 2002, 741, 742. 2 VGH Bayern vom 10.3.2010, CR 2010, 616 (Ls.); Wienen, ITRB 2012, 160. 3 Vgl. Greve/Schärdel, MMR 2008, 644, 648.
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A. Persçnlichkeitsrechte
misiert wird in Beiträgen, die in Online-Archive eingestellt worden sind1. Die jeweiligen Kläger beriefen sich auf das Lebach-Urteil des BVerfG2, nach der eine Berichterstattung über Straftäter unter Namensnennung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie dazu geeignet ist, eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken und insbesondere seine Wiedereingliederung in die zivilisierte Gesellschaft zu gefährden. 26
Das OLG Frankfurt a.M. hat in mehreren Entscheidungen den Standpunkt vertreten, dass die Einstellung eines Beitrags in ein Online-Archiv zu keiner erheblichen neuen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts eines Straftäters führt. Durch die Bereithaltung eines zu einem früheren Zeitpunkt erschienenen, zulässigen Artikels in einem Archiv, werde der Betroffene nicht erneut „an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt“, da sich der Äußerungsgehalt in einem Hinweis auf eine in der Vergangenheit zulässige Berichterstattung erschöpfe3. Im Übrigen stehe ein (Online-)Pressearchiv unter dem besonderen Schutz der Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG. Das Archiv sei eine durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Quelle, die nicht dadurch verändert werden dürfe, dass ein ursprünglich zulässiger Bericht nachträglich gelöscht wird. Eine Löschung würde zu einer „Verfälschung der historischen Abbildung“ führen, die der besonderen Bedeutung von Archiven nicht gerecht werde4.
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Der BGH hat sich dieser Sichtweise in mehreren Entscheidungen angeschlossen und darauf verwiesen, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht schwerer wiegt, wenn sich ein Beitrag nur auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten eines Online-Nachrichtendienstes befindet. Bei einem solchen Dienst bestehe zudem ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren. Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und
1 BGH vom 15.12.2009, NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432 ff.; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051 ff.; BGH vom 1.2.2011 – VI ZR 345/09; BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08; BGH vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12; BGH vom 13.11.2012 – VI ZR 330/11; KG vom 19.10.2001, AfP 2006, 561 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 12.7.2007, ZUM 2007, 915 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 20.9.2006, AfP 2006, 568 f.; OLG Frankfurt a.M. vom 22.5.2007, MMR 2008, 182 ff.; OLG Hamburg vom 18.12.2007, AfP 2008, 95 ff.; OLG Köln vom 14.11.2005, AfP 2007, 126 f.; LG Hamburg vom 18.1.2008, AfP 2008, 226 ff. 2 BVerfG vom 5.6.1973, BVerfGE 35, 202 ff. („Lebach I“) und BVerfG vom 25.11.1999, NJW 2000, 1859 („Lebach II“); vgl. auch BVerfG vom 10.6.2009, MMR 2009, 683 ff. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 12.7.2007, ZUM 2007, 915 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 22.5.2007, MMR 2008, 182 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 20.9.2006, AfP 2006, 568 f.; vgl. auch KG vom 19.10.2001, AfP 2006, 561. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 12.7.2007, ZUM 2007, 915 ff.; a.A. LG Hamburg vom 18.1.2008, AfP 2008, 226 ff.
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II. Besonderheiten der Online-Publikation
Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in Online-Archiven würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde1. Ausschlaggebend dürfte für den BGH eine weitere Überlegung gewesen 28 sein, die sofort einleuchtet: Es sei zu beachten, dass ein Anonymisierungsanspruch einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit hätte. Ein Medienorgan könnte seinen verfassungsrechtlichen Auftrag, in Wahrnehmung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren, nicht effektiv wahrnehmen, wenn es ihm verwehrt wäre, dem interessierten Publikum den Zugriff auf frühere – zulässige – Beiträge uneingeschränkt zu ermöglichen. Wäre der Anbieter verpflichtet, sämtliche archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Angesichts des mit einer derartigen Kontrolle verbundenen Aufwands bestünde die erhebliche Gefahr, dass der Anbieter entweder ganz von einer Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Sendung die Umstände ausklammern würde, die das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Zugänglichkeit die Öffentlichkeit aber ein schützenswertes Interesse hat2. Wenn in ein Online-Archiv ein Beitrag eingestellt wird, in dem ein Straf- 29 täter namentlich genannt wird, obwohl dies im Hinblick auf sein Rehabilitierungsinteresse bereits zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung unzulässig war, besteht ein Anonymisierungsanspruch gegen den Archivbetreiber3. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf besteht bei der – wahrheitsgemäßen – Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren ein Anspruch des namentlich genannten Betroffenen auf Ergänzung der Nachricht, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird4. Allerdings ändert die spätere Einstellung eines Strafverfahrens nichts an der Richtigkeit der Berichterstattung über dessen Einleitung5. Trotz der späteren
1 BGH vom 15.12.2009, NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432, 2435; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051, 1054; BGH vom 1.2.2011 – VI ZR 345/09, Rz. 21; BGH vom 4.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 44; BGH vom 13.11.2012 – VI ZR 330/11, Rz. 19. 2 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432, 2435; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051, 1054; BGH vom 1.2.2011 – VI ZR 345/09, Rz. 21; BGH vom 22.2.2011, WRP 2011, 582, 585; BGH vom 22.2.2011, WRP 2011, 586, 590; BGH vom 22.2.2011, WRP 2011, 591, 595; BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 45. 3 OLG Hamburg vom 15.3.2011 – 7 U 44/10; OLG Hamburg vom 15.3.2011 – 7 U 45/10. 4 OLG Düsseldorf vom 27.10.2010, NJW 2011, 788, 790 f. 5 Vgl. BGH vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12, Rz. 23.
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A. Persçnlichkeitsrechte
Einstellung eines Ermittlungsverfahrens kann ein öffentliches Informationsinteresse an einem Bericht fortbestehen1.
III. Sphärentheorie; Tatsachen; Werturteile 30
Bei der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz und der Kommunikationsfreiheit bietet die Rechtsprechung ein Bild, das gelegentlich verwirrt. Einerseits wird nach der „Sphärentheorie“ darauf abgestellt, wie intensiv der Eingriff in Persönlichkeitsrechte ist, um anhand der Intensität eine Abwägung mit dem Informationsinteresse vorzunehmen, das für die Freiheit der Kommunikation spricht. Andererseits wird zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden. Während der Freiraum der Kommunikation bei der Verbreitung wahrer Tatsachen und bei Werturteilen sehr groß ist, sind unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich verboten.
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Das oft unverbundene Nebeneinander der „Sphärentheorie“ und der Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen erschwert bisweilen die Vorhersehbarkeit der Abwägung bei gerichtlichen Auseinandersetzungen. 1. Sphären der Persönlichkeit
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Um die Schutzbedürftigkeit des Persönlichkeitsrechts im konkreten Fall ermitteln zu können, wurden in der Rechtsprechung und Literatur bestimmte Lebensbereiche herausgearbeitet, in welchen sich die Persönlichkeit unterschiedlich stark verwirklicht. Anerkannt sind die Intimsphäre, die Privatsphäre und die Sozial- bzw. Individualsphäre2. Der Schutz dieser Sphären wird abgestuft gewährt. Vorgänge aus dem Intimbereich verdienen den stärksten Schutz vor Indiskretion, wohingegen der Schutz für Vorgänge aus dem Sozialbereich schwach ausfällt3.
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Mit der Einordnung in eine bestimmte Persönlichkeitssphäre ist keine Vorentscheidung über die Rechtswidrigkeit des Eingriffs verbunden; die „Sphärentheorie“ wird aus diesem Grund gelegentlich kritisiert4. Die Eingriffsintensität bedarf stets einer Abwägung mit dem Gewicht des Interesses, das mit der Veröffentlichung verfolgt wird. Je gewichtiger dieses Interesse ist, desto schwächer wird der Persönlichkeitsschutz. Insbeson-
1 Vgl. BGH vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12, Rz. 28. 2 BVerfG vom 15.1.1970, NJW 1970, 122 – Scheidungsakten; BVerfG vom 8.3.1972, NJW 1972, 1123 – Ärztekartei; BVerfG vom 3.6.1980, NJW 1980, 2070 – Eppler-Zitat; BVerfG vom 15.12.1999, NJW 2000, 1021 – Caroline von Monaco II; Sprau in Palandt, § 823 Rz. 87. 3 Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rz. 39. 4 Ehmann in Erman, Anh § 12 Rz. 7.
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III. Sphrentheorie; Tatsachen; Werturteile
dere die Pressefreiheit kann erhebliche Eingriffe in den Persönlichkeitsschutz legitimieren1. a) Intimsphäre Am stärksten geschützt ist die Intimsphäre, wobei der Schutz flankiert 34 wird von dem absoluten Schutz des Kernbereichs höchstpersönlicher Lebensgestaltung, den das BVerfG in den letzten Jahren zunehmend entwickelt hat. Wie sich dieser Kernbereich der Persönlichkeit zur Intimsphäre verhält, ist unklar. Einiges spricht dafür, dass der Kernbereich enger zu verstehen ist als der vor allem durch den BGH geprägte Intimsphärenschutz. Der Schutz der Intimsphäre ist – anders als der Kernbereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung – nicht absolut. Die Intimsphäre umfasst den Bereich menschlichen Lebens, der der Öf- 35 fentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll2. Der Schutz der Intimsphäre umfasst insbesondere das Recht, Aufzeichnungen geheim zu halten, von denen niemand oder nur eine Person, auf deren Verschwiegenheit man vertrauen könne, Kenntnis nehmen soll3. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG gewährt das Grundgesetz 36 dem Einzelnen im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist. Die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt4. Der Bereich der Sexualität gehört nicht zwangsläufig und in jedem Fall 37 zum Kernbereich privater Lebensgestaltung5. Vielmehr entfällt der Schutz, wenn der Betroffene von sich aus intime Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt. Er kann sich dann nicht mehr auf den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und der Intimsphäre berufen6.
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BVerfG vom 3.6.1980, NJW 1980, 2070 – Eppler-Zitat. Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rz. 40. BVerfG vom 15.1.1970, NJW 1970, 122 – Scheidungsakten. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 11. A.A. OLG Köln vom 14.2.2012 – 15 U 123/11, Rz. 38. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 12.
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A. Persçnlichkeitsrechte
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Wer freiwillig an der Produktion professionell hergestellter, kommerzieller Pornofilme in für den Zuschauer erkennbarer Weise mitwirkt, begibt sich mit diesem Bereich seiner Sexualität in die Öffentlichkeit und damit in die Sozialsphäre. Er kann sich gegenüber einer Berichterstattung über diesen Teil seines Wirkens nicht auf den Schutz seiner Intimsphäre berufen1.
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Sexualstraftaten gehören nicht der Intimsphäre des Tatverdächtigen an, da sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten2. b) Privatsphäre
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Bei dem Recht auf Achtung der Privatsphäre geht es um den Schutz eines autonomen Bereichs der eigenen Lebensgestaltung, in dem der Betroffene seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selbst zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen3.
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Der Schutz der Privatsphäre ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst4. Die Privatsphäre beschränkt sich nicht auf den privaten Raum, sondern kann auch einen Spaziergang in der Öffentlichkeit umfassen, wenn es sich um einen rein privaten Moment handelt und der Betroffene nicht mit einer Beobachtung rechnen muss5.
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Ein Eingriff in die Privatsphäre kann vorliegen, wenn Fotos von der Außenansicht des Wohnhauses einer Person gegen deren Willen unter Namensnennung veröffentlicht oder verbreitet werden. Dies ist nicht nur der Fall, wenn in die durch die Umfriedung geschaffene Privatsphäre eingedrungen wird. Vielmehr kann ein Eingriff auch zu bejahen sein, wenn lediglich die Außenansicht eines Grundstücks von einer allgemein zugänglichen Stelle fotografiert wird und die Aufnahmen nur den ohnehin nach außen gewandten Bereich betrifft. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht liegt in einem solchen Fall vor, wenn die Anonymität durch 1 2 3 4
BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 13. BGH vom 19.3.2013 – VI ZR 93/12, Rz. 24. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 15. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 17 ff.; BGH vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11, Rz. 10; BGH vom 18.9.2012 – VI ZR 291/10, Rz. 12. 5 LG Köln vom 10.10.2012 – 28 O 195/12, Rz. 21.
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III. Sphrentheorie; Tatsachen; Werturteile
die Veröffentlichung einer Aufnahme des Wohnsitzes unter Namensnennung aufgehoben wird, und die Gefahr besteht, dass das Wohnhaus in seiner Eignung als Rückzugsbereich individueller Lebensgestaltung beeinträchtigt wird, etwa wenn die Veröffentlichung geeignet ist, eine erhöhte Beobachtung des Anwesens durch Dritte hervorzurufen oder Schaulustige anzuziehen1. Auch der Schutz der Privatsphäre entfällt, wenn der Grundrechtsträger 43 seine Privatsphäre nach außen öffnet und bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgibt2. Wer an einem kommerziellen Pornofilm mitwirkt, kann sich daher auch auf den Schutz der Privatsphäre nicht berufen3. Zur Privatsphäre gehören Erkrankungen, wobei Ausnahmen bei wichti- 44 gen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern bestehen können4. Dem Beitritt zu einem Verein, einer politischen Partei oder einer anderen 45 (etwa politischen oder religiösen) Gruppierung kommt ebenso wie dem bloßen Bestehen einer Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung grundsätzlich keine Publizität zu. Soweit ein Mitglied lediglich eine passive Zugehörigkeit anstrebt und sich nach außen hin nicht offen zur Mitgliedschaft bekennen will, ist dies zu respektieren. Die Mitgliedschaft ist der Privatsphäre zuzuordnen, solange der Betroffene nicht mit seiner Mitgliedschaft von sich aus in die Öffentlichkeit getreten ist5. Ein Eingriff in die Privatsphäre einer ehemaligen Politikerin liegt vor, 46 wenn durch die Berichterstattung über den Suizid ihres Sohnes ihr Recht verletzt wird, mit der Trauer um ihren verstorbenen Sohn allein zu bleiben und insoweit in Ruhe gelassen zu werden. Bei Personen des politischen Lebens besteht zwar ein gesteigertes Informationsinteresse des Publikums unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle. Hierdurch wird der Kreis berechtigter Informationsinteressen der Öffentlichkeit erweitert und ist nicht auf skandalöse, sittlich oder rechtlich zu beanstandende Verhaltensweisen begrenzt. Bringt ein Politiker jedoch durch sein Verhalten zum Ausdruck, dass er zukünftig in Privatheit leben will, indem er sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht, nimmt das öffentliche Informationsinteresse mit zunehmendem Abstand von diesem Ereignis ab6.
1 2 3 4 5 6
KG vom 6.2.2012 – 10 U 50/11, Rz. 34. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 16. BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 17 ff. BGH vom 18.9.2012 – VI ZR 291/10, Rz. 17. BGH vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10 – Babyklappen, Rz. 18. OLG Dresden vom 12.7.2011 – 4 U 188/11, Rz. 24.
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A. Persçnlichkeitsrechte
c) Sozialsphäre 47
Die Sozialsphäre umfasst den Bereich menschlichen Lebens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann und eventuell sogar Kenntnis nehmen soll. Es ist die Sphäre, die der Öffentlichkeit zugekehrt ist. In diesem Bereich besteht kein persönlichkeitsrechtlicher Schutz vor Indiskretion. Aus diesem Grund ist es für den Persönlichkeitsschutz im Sozialbereich auch regelmäßig ohne Belang, ob der Vorgang absichtlich oder unabsichtlich in den Bereich der Öffentlichkeit gelangt ist1.
48
Bei der beruflichen Betätigung reicht der Persönlichkeitsschutz weniger weit als der Schutz des privaten Bereichs2. Das Wirken des Menschen im Berufs- und Erwerbsleben vollzieht sich im Allgemeinen nicht im Geheimen. Vielmehr bringt es die Entfaltung der Persönlichkeit im Wirtschaftleben mit sich, dass die Person sich der öffentlichen Kritik stellen muss. Wer aktiv handelnd im Wirtschaftsleben steht, setzt sich in einem demokratischen Gemeinwesen auch der Kritik seiner Betätigung aus, der er nicht unter Berufung auf einen persönlichen Geheimbereich ausweichen kann3. Ein subjektives Geheimhaltungsinteresse allein kann jedenfalls nicht ausreichen, um Sachverhalte der Intimsphäre zuzuordnen4.
49
Die Offenbarung erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten einer Person kann deren Sozialprestige und wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten erheblich einschränken. Allerdings bedingt die Beteiligung am Wirtschaftsverkehr die Offenlegung gewisser personenbezogener Informationen. Ohne einen wechselseitigen Informationsfluss unter Teilnehmern an einem ökonomischen Prozess ist keine gewerbliche Betätigung möglich. Dies spricht für die Zulässigkeit einer Berichterstattung5.
50
Das Auftreten eines Anwalts als Parteivertreter in öffentlichen Gerichtsverhandlungen gehört zu dessen Sozialsphäre. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Anwalt in Folgeprozesse als Privatperson geklagt hat. Wer sich als „Prominentenanwalt“ zudem beruflich in einem Umfeld von Personen von hohem Bekanntheitsgrad bewegt, muss damit rechnen, dass sein persönliches Verhalten zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen wird. Gleichermaßen vorhersehbar ist für ihn, dass er sich auch dann im Blickfeld der Öffentlichkeit bewegt, wenn er sich gegen eine Berichterstattung über seine Person mit gerichtlichen Schritten zu wehren versucht6.
1 2 3 4 5 6
Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rz. 71. BGH vom 24.10.1961, NJW 1962, 32 – Waffenhandel. BGH vom 24.10.1961, NJW 1962, 32 – Waffenhandel. OLG Hamburg vom 11.7.1960, MDR 1960, 1008 m.w.N. OLG Brandenburg vom 9.7.2012 – 1 U 19/11, Rz. 41. LG Hamburg vom 28.1.2011 – 325 O 196/10, Rz. 35 f., ITRB 2011, 156 f. (Lederer).
14
III. Sphrentheorie; Tatsachen; Werturteile
Eine Anwaltskanzlei muss es sich gefallen lassen, wenn wahrheitsgemäß 51 über ihre intensive Abmahntätigkeit berichtet wird1. Ebenso muss es ein „Impfgegner“ hinnehmen, wenn über einen seiner Beiträge – zutreffend – berichtet wird, den er in einer Yahoo-Nachrichtengruppe versandt hat. Auch wenn es sich um eine geschlossene Nachrichtengruppe handelt, kennen sich die Teilnehmer nicht persönlich. Daher ist der Beitrag nicht der Privatsphäre, sondern der Sozialsphäre zuzurechnen2. Um die Sozialsphäre geht es auch, wenn ein Zahnmediziner sich gegen 52 die Veröffentlichung eines von ihm erstatteten Gutachtens im Internet wehrt. Ob sich ein Überwiegen des Persönlichkeitsschutzes allein aus dem „Inhalt der Veröffentlichung“, dem Verstreichen mehrerer Jahre seit Gutachtenerstattung und wirtschaftlichen Eigeninteressen ableiten lässt, die der Veröffentlichung zugrunde liegen3, erscheint zweifelhaft. 2. Tatsachen und Werturteile Neben dem Abstellen auf die jeweils betroffene Sphäre der Persönlichkeit 53 gibt es noch ein zweites Gleis der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Kommunikationsfreiheit. Bei wahren Tatsachenbehauptungen und bei Werturteilen ist die Erlaubtheit die Regel und das Verbot die Ausnahme. Umgekehrt verhält es sich bei der Behauptung und Verbreitung unwahrer Tatsachen. a) Tatsachenbehauptungen Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn eine Äußerung – jedenfalls im 54 Kern – dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist4. Bei Tatsachenbehauptungen gilt die Wahrheitspflicht. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt können nur Tatsachenbehauptungen 55 Gegenstand eines Anspruchs auf Gegendarstellung sein, wenn die Behauptung in einem journalistisch-redaktionell gestalteten Telemedium veröffentlicht wird (vgl. § 56 RStV5). Ein Informationsangebot, das sich auf den Internetseiten einer Anwaltskanzlei findet, kann die Voraussetzungen des § 56 RStV erfüllen6.
1 OLG Köln vom 18.1.2011 – 15 U 130/10, MMR 2011, 481, 482. 2 OLG Stuttgart vom 10.11.2010, MMR 2011, 280 f.; LG Stuttgart vom 6.5.2010, K&R 2010, 837 f. (Vorinstanz). 3 OLG Hamburg vom 23.2.2010, CR 2010, 685. 4 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rz. 62 f.; Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rz. 9. 5 Vgl. KG vom 30.1.2012 – 10 U 85/11. 6 OLG Bremen vom 14.1.2011, MMR 2011, 337 f.
15
A. Persçnlichkeitsrechte
aa) Abgrenzung zum Werturteil 56
Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Um dies zu beurteilen, ist der Aussagegehalt festzustellen. Dabei ist maßgebend, wie die Aussage unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird1.
57
Wenn sich eine Äußerung als Zusammenspiel von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen darstellt und hierbei in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird, wird die Äußerung insgesamt als Werturteil angesehen2. Sind Tatsachenbehauptungen und Werturteile miteinander verbunden bzw. gehen sie ineinander über, kommt es für die rechtliche Einordnung darauf an, was im Vordergrund steht und damit überwiegt3.
58
Die Mitteilung, dass der Betroffene über ein bestimmtes Vermögen verfügt und damit in einer Rangliste der Vermögen einen bestimmten Platz einnimmt, ist eine reine Tatsachenbehauptung. Dies ergibt sich daraus, dass über den Wert eines Vermögens Beweis erhoben werden kann4.
59
Bei der Bezeichnung einer Person als „rechtsextrem“ handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil. Durch eine Beweiserhebung lässt sich nicht feststellen, wann ein Beitrag „rechtsextrem“ ist, wann sich ein Denken vom „klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild“ unterscheidet und wann man „es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden“5. bb) Wahre Tatsachen
60
Die Verbreitung von wahren Tatsachen ist im Normalfall durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG legitimiert. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Allerdings gelten gewisse Abstufungen, je nach der Sphäre der Persönlichkeit, auf die sich die Aussage bezieht.
61
Die Verbreitung wahrer Tatsachen aus der Privat- oder Intimsphäre setzt grundsätzlich ein hinreichendes öffentliches Informationsinteresse vo-
1 BGH vom 18.11.2004, NJW 2005, 279 ff.; LG Berlin vom 26.10.2010 – 27 O 577/10. 2 KG vom 20.6.2011 – 10 U 170/10, Rz. 11; OLG Naumburg vom 20.9.2012 – 9 U 59/12, Rz. 8. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 11.10.2012 – 16 U 25/12, Rz. 29; Schuhmacher, IPRB 2013, 103 f. 4 LG München I vom 6.4.2011 – 9 O 3039/11, Rz. 56. 5 BVerfG vom 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10, Rz. 26 ff.
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III. Sphrentheorie; Tatsachen; Werturteile
raus1. Wahre Tatsachenbehauptungen, die die Sozialsphäre betreffen, dürfen hingegen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden2. Dies kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen3. Der Präsident eines Verbraucherschutzvereins darf als „Betrüger“ und 62 „Krimineller“ bezeichnet werden, wenn er die Unwahrheit dieser Behauptung nicht darlegt4. Ebenso muss es der Vorstand eines Vereins der „Kinderhäuser“ und „Babyklappen“ betreibt, hinnehmen, dass er öffentlich mit seiner lange zurückliegenden Vergangenheit als Aktivist in einer linksextremen Partei konfrontiert wird5. Ein ehemaliger Pornodarsteller, der als Lebengefährte einer bekannten Schauspielerin öffentlich in Erscheinung tritt, muss es dulden, dass über seine Mitwirkung an Pornofilmen und die Tatsache berichtet wird, dass er keine Kondome verwendete6. Ein Professor muss es hinnehmen, dass in einem Wikipedia-Eintrag wahrheitsgemäß auf seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen hingewiesen wird7. Ob die Veröffentlichung eines rechtskräftigen Urteils im Internet unter 63 voller Namensnennung der Parteien zulässig ist, ist im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen festzustellen8. Enthält das veröffentlichte Urteil keine für die Öffentlichkeit erheblichen Informatio-
1 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rz. 61 f.; Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rz. 84. 2 BVerfG vom 25.1.2012 – 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Rz. 39; BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 25; BGH vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10 – „Babyklappen“, Rz. 14; OLG Hamm vom 3.8.2011 – I-3 U 196/10, Rz. 6, ITRB 2011, 253 f. (Rössel); Bethge in Sachs, Art. 5 Rz. 27. 3 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.; BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 25. 4 LG Krefeld vom 1.7.2010 – 5 O 144/09. 5 BGH vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10 – Babyklappen, Rz. 18. 6 BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht, Rz. 27. 7 LG Tübingen vom 18.7.2012 – 7 O 525/10, Rz. 329. 8 Vgl. BVerfG vom 12.12.2007, NJW 2008, 352 f.; BGH vom 21.11.2006, NJW-RR 2007, 619 ff.; KG vom 30.1.2007, K&R 2007, 535 f.; OLG Hamburg vom 16.2.2010, ITRB 2010, 154 (Maisch); OLG Hamburg vom 9.7.2007, ZUM 2008, 66; OLG Hamm vom 11.12.2007, MMR 2008, 547 f.; OLG Hamm vom 7.2.2008, MMR 2008, 750 ff.; OLG München vom 16.10.2007, NJW 2008, 768 ff.; LG Hamburg vom 31.7.2009, MMR 2010, 60 (Ls.); vgl. auch VGH Baden-Württemberg vom 23.7.2010, MMR 2011, 277 ff.; LG Berlin vom 17.9.2009, ITRB 2010, 58 f. (Intveen).
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A. Persçnlichkeitsrechte
nen und geht es allein um einen persönlichen Konflikt der Parteien untereinander, so überwiegt das Persönlichkeitsrecht. cc) Falsche Behauptungen 64
Unwahre Tatsachenbehauptungen fallen nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit heraus1. Zwar sind unrichtige Informationen unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut2. Außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und Aussagen, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen3. Der Wahrheitsgehalt fällt dann aber bei der Abwägung ins Gewicht4. dd) Wahrheitsbeweis
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Die Unwahrheit einer Äußerung ist vielfach zum Zeitpunkt der Äußerung ungewiss und stellt sich erst später – etwa durch eine gerichtliche Klärung – heraus5. Da die Ermittlung der Wahrheit von Tatsachenbehauptungen oft außerordentlich schwierig ist, trägt derjenige, der sich nachteilig über einen Dritten äußert, eine erweiterte Darlegungslast, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine Behauptung anzugeben6. Ist der sich Äußernde nicht in der Lage, seine Behauptung mit Belegtatsachen zu erhärten, wird sie wie eine unwahre Aussage behandelt, mit der Folge, dass ein Unterlassungsanspruch grundsätzlich besteht7. Bei Unterlassungsansprüchen wird die Beweisregel des § 186 StGB in das Deliktsrecht übernommen, so dass der Äußernde gehalten ist, die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung zu beweisen8.
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Begehrt der Kläger nicht nur Unterlassung, sondern Widerruf bzw. Richtigstellung, liegt die volle Beweislast (für die Unwahrheit) beim Kläger. Dies gilt auch für Äußerungen, die geeignet sind, den Betroffenen ver1 Vgl. OLG Köln vom 22.11.2011 – 15 U 91/11, Rz. 11. 2 BVerfG vom 3.6.1980, BVerfGE 54, 208, 219; BVerfG vom 29.2.2012 – 1 BvR 2883/11, Rz. 14; OLG Hamburg vom 22.3.2011 – 7 U 128/09; LG Köln vom 15.8.2012 – 28 O 199/12, Rz. 23; Bethge in Sachs, Art. 5, Rz. 28; Seitz in Götting/ Schertz/Seitz, § 60 Rz. 63. 3 Vgl. BVerfG vom 22.6.1982 – 1 BvR 1376/79; BVerfG vom 11.1.1994 – 1 BvR 434/87; BVerfG vom 13.4.1994 – 1 BvR 23/94; BVerfG vom 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96. 4 BVerfGE 94, 1, 8. 5 Vgl. OLG Köln vom 22.11.2011 – 15 U 91/11, Rz. 11. 6 Vgl. BGH NJW 1974, 1710, 1711. 7 Vgl. BVerfGE 99, 185, 199. 8 BGH vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, Rz. 15; LG Köln vom 8.6.2011 – 28 O 859/10, Rz. 19; AG Hamburg vom 26.1.2011 – 36 A C 243/10.
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III. Sphrentheorie; Tatsachen; Werturteile
ächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. § 186 StGB gilt für den Widerrufsanspruch weder direkt noch entsprechend1. ee) Sorgfaltspflichten Aus § 193 StGB ergibt sich eine bedeutsame Einschränkung für Ansprü- 67 che auf Unterlassung unbewiesener Behauptungen. Eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist, darf nach § 193 StGB nicht untersagt werden, wenn die Behauptung eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft und der Äußernde sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf2. Zur Beurteilung der „Erforderlichkeit“ kommt es darauf an, ob dem Äußernden eine Verletzung von Sorgfaltspflichten zur Last gelegt werden kann. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt rich- 68 ten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen3. Der Presse obliegt eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Verbreitung 69 nachteiliger Tatsachen4. Für den Laien gilt dagegen das Laienprivileg. Von ihm kann eine gesteigerte Sorgfalt nur verlangt werden, soweit er Tatsachenbehauptungen aus seinem eigenen Erfahrungs- und Kontrollbereich aufstellt. Bei Vorgängen von öffentlichem Interesse, namentlich solchen aus nicht transparenten Politik- und Wirtschaftsbereichen, ist es dem Laien hingegen regelmäßig nicht möglich, Beweise oder auch nur Belegtatsachen auf Grund eigener Nachforschungen beizubringen. Er ist auf die Berichterstattung durch die Medien angewiesen. Würde man dem Laien auch insoweit nachprüfbare Angaben abverlangen, so hätte dies zur Folge, dass er herabsetzende Tatsachen, die er der Presse entnommen hat, überhaupt nicht mehr aufgreifen und zur Stützung seiner Meinung anführen dürfte. Damit träte aber nicht nur eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit ein. Vielmehr würde auch der gesellschaftliche Kommunikationsprozess verengt, wenn Presseberichte, die ihre meinungsbildende Funktion erfüllen, vom Einzelnen, der sich auf Grund solcher Be1 BGH vom 22.4.2008, NJW 2008, 2262 ff.; a.A. KG vom 22.9.2011 – 10 U 131/10, Rz. 19; OLG Dresden vom 3.5.2012 – 4 U 1883/11, Rz. 24. 2 BGH vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, Rz. 26. 3 BGH vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, Rz. 28 ff. 4 Vgl. OLG Köln vom 22.11.2011 – 15 U 91/11, Rz. 11.
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A. Persçnlichkeitsrechte
richte eine Meinung gebildet hat, nicht mehr verwertet werden dürften, weil er den Beweis für ihre Wahrheit nicht antreten kann. 70
Ob und inwieweit sich ein Blogger auf das „Laienprivileg“ berufen kann, ist unklar1. Das LG Köln verneinte dies für den Betreiber eines Forums, das Motorsport-Interessierten seit mehr als zehn Jahren „einen Ort des Austauschs über ihren Sport“ und über die Geschehnisse rund um die Finanzierung des Nürburgringprojekts bot. Der Forenbetreiber beschränkte sich im konkreten Fall nicht darauf, durch einzelne Äußerungen punktuell an der öffentlichen Auseinandersetzung mitzuwirken, sondern schaffte durch das Forum eine auf Dauer angelegte mediale Öffentlichkeit („60 000 Einträge“)2. Umgekehrt meinten das LG Duisburg3 und das LG Augsburg4, dass Beiträge des Nutzers eines Bewertungsportals nicht zum redaktionellen Teil eines Informationsdienstes gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO gehören. Daher stehe dem Betreiber des Dienstes kein Zeugnisverweigerungsrecht zu, wenn er nach der Identität eines Nutzers gefragt werde5. ff) Verdachtsberichterstattung
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Voraussetzung einer Verdachtsberichterstattung – sei es, dass über laufende polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, sei es, dass über selbst recherchierte Missstände berichtet wird – ist nach einhelliger Auffassung ein Mindestbestand an Beweistatsachen, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit überhaupt erst „Öffentlichkeitswert“ verleiht. Dabei sind die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Sie darf keine Vorverurteilung enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei bereits überführt. Unzulässig ist eine auf Sensationen abzielende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung. Auch die zur Verteidigung des Betroffenen vorgetragenen Tatsachen und Argumente müssen berücksichtigt werden, was regelmäßig die Einholung einer Stellungnahme des Verdächtigen erforderlich macht. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist6.
1 2 3 4 5
Vgl. KG vom 29.1.2009 – 10 W 73/08, Rz. 3. Vgl. LG Köln vom 11.5.2011 – 28 O 72/11, Rz. 42, Lüghausen, IPRB 2011, 250 f. LG Duisburg vom 6.11.2012 – 32 Qs-245 UJs 89/11-49/12. LG Augsburg vom 19.3.2013 – 1 Qs 151/13, Rz. 10 ff. Einen Überblick zur Zeugnisverweigerung beim Bewertungsportal gibt Ernst, CR 2013, 318 ff.; siehe auch Wienen, ITRB 2013, 114 ff. 6 OLG Dresden vom 3.5.2012 – 4 U 1883/11, Rz. 26.
20
III. Sphrentheorie; Tatsachen; Werturteile
Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so 72 ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen1. Allerdings dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt und 73 die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet. Dürfte die Presse, falls der Ruf einer Person gefährdet ist, nur solche Informationen verbreiten, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits mit Sicherheit feststeht, so könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgaben bei der öffentlichen Meinungsbildung nicht durchweg erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass ihre ohnehin begrenzten Mittel zur Ermittlung der Wahrheit durch den Zwang zur aktuellen Berichterstattung verkürzt sind. Deshalb verdienen im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit regelmäßig die aktuelle Berichterstattung und mithin das Informationsinteresse jedenfalls dann den Vorrang, wenn die oben dargestellten Sorgfaltsanforderungen eingehalten sind. Stellt sich in einem solchen Fall später die Unwahrheit der Äußerung heraus, so ist diese als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen2. Da jedermann Strafanzeige erstatten kann, sie also für sich betrachtet 74 nicht viel besagt, gehen bei einer bloßen Strafanzeige die Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen regelmäßig vor, solange nicht ein besonderes Informationsinteresse besteht. Für die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens gilt Ähnliches, auch wenn es hierzu eines Anfangsverdachts bedarf (§ 152 Abs. 2 StPO). Je weiter das Ermittlungsverfahren seinen Fortgang nimmt, desto eher geht das Informationsinteresse dem Geheimhaltungsinteresse vor. In allen Fällen aber ist zu beachten, dass Berichte über polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen für den Beschuldigten die Gefahr schwerer Nachteile mit sich bringen3.
1 BGH vom 19.3.2013 – VI ZR 93/12, Rz. 18. 2 OLG Dresden vom 3.5.2012 – 4 U 1883/11, Rz. 26. 3 OLG Dresden vom 3.5.2012 – 4 U 1883/11, Rz. 29.
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A. Persçnlichkeitsrechte
b) Werturteile 75
Bei Werturteilen hat Art. 5 Abs. 1 GG ein besonders hohes Gewicht. Es gilt zwar das Verbot der herabsetzenden Schmähkritik1. Solange aber die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten wird, kann ein Werturteil nur untersagt werden, wenn ein besonders schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (etwa in die Intimsphäre) vorliegt und kein legitimierendes Informationsinteresse feststellbar ist2.
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Die als „Hassprediger“3 und als „Vordenker der rechten Szene“4 im Internet angeprangerten Personen mussten sich von den angerufenen Gerichten entgegenhalten lassen, dass es sich jeweils um Werturteile handelte, die durch ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit legitimiert waren5. Dasselbe galt für den Psychologen, der als Anführer einer „Sekte“ bezeichnet wurde, die „Gehirnwäsche“ betreibe6.
77
Im Hinblick auf Art. 5 GG macht selbst eine überzogene, unmäßige oder ausfällige Kritik eine Äußerung noch nicht zur unzulässigen Schmähung. Vielmehr ist der Begriff der Schmähkritik wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen. Eine unzulässige Schmähung liegt erst dann vor, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der betroffenen Person im Vordergrund steht, wenn sich also die Äußerung jenseits polemischer oder überspitzter Kritik in der Herabsetzung der angegriffenen Person erschöpft7.
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Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung. Hiervon kann allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbarem Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter („Fäkalsprache“) der Fall sein kann.
1 Vgl. OLG Nürnberg vom 2.2.2010 – 3 U 2135/09; Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rz. 65 f.; Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rz. 14a. 2 Vgl. Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rz. 14a. 3 OLG Brandenburg vom 23.4.2007, NJW-RR 2007, 1641 ff. 4 OLG Braunschweig vom 18.9.2000, MMR 2001, 163 ff. 5 Vgl. OLG Brandenburg vom 23.4.2007, NJW-RR 2007, 1641 ff. sowie OLG Braunschweig vom 18.9.2000, MMR 2001, 163 ff. 6 LG Hamburg vom 7.8.2009 – 325 O 97/09. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 11.10.2012 – 16 U 25/12, Rz. 31; LG Lübeck vom 28.10.2010 – 14 S 135/10; Schuhmacher, IPRB 2013, 103 f.
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IV. Briefe und E-Mails
Schmähkritik kann bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesent- 79 lich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und ist im Wesentlichen auf die „Privatfehde“ beschränkt1. Im politischen Meinungskampf kann es daher erlaubt sein, den Gegner als „rechtsextrem“ zu bezeichnen2 oder ihm die „Missachtung jeglichen Anstandes“ und „menschenverachtende Zustimmung“ zur Verschandelung eines Wahlfotos vorzuwerfen3. Die Grenze zur Schmähkritik ist bei einer erbitterten Auseinanderset- 80 zung zwischen zwei Anwälten noch nicht überschritten, wenn der Begriff des „Winkeladvokaten“ verwendet wird4. Dasselbe gilt, wenn ein Anwalt in einem Medienbericht als „umstrittener Anwalt“ bezeichnet5 oder wenn Ebay-Kunden im Hinblick auf einen Händler „Finger weg“ empfohlen wird6, da in solchen Äußerungen keine bloße Diffamierung zu sehen ist. Nach Auffassung des BayVGH fehlt es an einer Schmähkritik, wenn sich 81 eine O2-Mitarbeiterin über ihren Facebook-Account mit den Worten „kotzen die mich an von O2“ und „solche Penner“ über ihren Arbeitgeber äußert. Der BayVGH meint, die verwendeten Begriffe knüpften ihrer Bedeutung nach an ein Verhalten des Arbeitgebers an, nämlich dessen angebliches Gebaren im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Vertragsverhältnisses für das von der Klägerin privat betriebene Handy. Dies schließe es zwar nicht von vorneherein aus, in den genannten Aussagen im Einzelfall gleichwohl eine Schmähkritik zu sehen, etwa wenn ohne jeden sachlichen Anlass das betroffene Unternehmen diffamiert werden soll. Dies sei jedoch zu verneinen, da es sich um eine sprachlich pointierte Bewertung im Kontext einer sachlichen Aussage handele7.
IV. Briefe und E-Mails Gelegentlich werden Briefe und E-Mails im Internet veröffentlicht, und es 82 stellt sich die Frage, ob dies gegen den Willen des Verfassers zulässig ist. 1. Schutz des Briefes Die Erbin von Friedrich Nietzsche sah sich der Veröffentlichung eines 83 freundschaftlichen Briefwechsels ihres Bruders, der „mit Intimität und 1 BVerfG vom 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10, Rz. 30; OLG Karlsruhe vom 23.4.2003, NJW 2003, 2029 ff. 2 BVerfG vom 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10. 3 LG Lübeck vom 28.10.2010 – 14 S 135/10. 4 A.A. LG Köln vom 15.11.2011 – 5 O 344/10, Rz. 23 ff. 5 OLG Dresden vom 26.9.2012 – 4 W 1036/12, Rz. 7. 6 OLG Düsseldorf vom 11.3.2011 – I-15 W 14/11, Rz. 14. 7 BayVGH vom 29.2.2012 – 12 C 12.264, Rz. 28 ff., ITRB 2012, 153 f. (Aghamiri).
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A. Persçnlichkeitsrechte
schrankenloser Offenheit“ geschrieben worden war, außerhalb des Urheber-Persönlichkeitsrechts noch schutzlos ausgeliefert1. Da jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhaltes Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers ist, hat der Verfasser ein Bestimmungsrecht darüber, ob und in welcher Form seine sprachliche Gedankenfeststellung in der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Dieses Bestimmungsrecht gilt unabhängig davon, ob der Festlegungsform eine Urheberschutzfähigkeit zugebilligt werden kann oder nicht2. 84
Das Postgeheimnis beantwortet die Frage einer Veröffentlichungsbefugnis nur partiell, da es den Versender (und den Empfänger) nur gegen das heimlich-unbefugte Öffnen einer Postsendung schützt3. Der Empfänger eines Schreibens kann das Postgeheimnis nicht verletzen4. Gibt er den Inhalt eines Briefs gegen den Willen des Absenders Dritten preis, kann es nur um eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Briefverfassers gehen.
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Da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ein offener Tatbestand ist5, verbieten sich pauschale Antworten auf die Frage, ob Briefe Dritten zur Kenntnis gegeben oder gar veröffentlicht werden dürfen. Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer abwägenden Bewertung der Intensität der Rechtsverletzung einerseits und eines Preisgabe- bzw. Veröffentlichungsinteresses andererseits.
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Aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht lässt sich ableiten, dass der Persönlichkeit ein Schutz zusteht vor unbefugter, insbesondere öffentlicher Preisgabe von Intimitäten. Ausdruck des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschenwürde ist das Recht, ein Leben führen zu können, ohne durch die öffentliche Darstellung persönlicher Verhältnisse behelligt zu werden6.
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Der BGH hob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB in einer Entscheidung aus dem Jahre 1954 aus der Taufe und leitete daraus zugleich ein „Bestimmungsrecht“ des Briefeschreibers für Veröffentlichungen ab. Da jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhaltes Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers sei, habe der Verfasser ein „Bestimmungsrecht“ darüber, ob und in welcher Form seine sprachliche Gedankenfeststellung in der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden solle. Dieses „Bestimmungsrecht“ gelte unabhängig davon, ob der Festlegungsform eine Urheberschutz-
1 2 3 4 5 6
RG vom 7.11.1908, RGZ 69, 401. BGH vom 25.5.1954, BGHZ 13, 334 – Leserbrief. Löwer in v. Münch/Kunig, Art. 10 Rz. 16. Löwer in v. Münch/Kunig, Art. 10 Rz. 20. Sprau in Palandt, § 823 Rz. 95. Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2009, 5. Kapitel, Rz. 35.
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IV. Briefe und E-Mails
fähigkeit zugebilligt werden kann oder nicht1. Das BGH-Urteil ist nicht zuletzt wegen des zeithistorischen Hintergrunds lesenswert: Es ging um den Bankier Hjalmar Schacht, der in der NS-Zeit eine ebenso exponierte wie umstrittene Figur war und 1953 eine Privatbank gegründet hatte. In diesem Zusammenhang hatte eine Wochenzeitung an seine Vergangenheit erinnert. Hiergegen wandte sich der Anwalt des Bankiers mit einem Brief, den die Zeitung sodann in gekürzter Form als Leserbrief veröffentlichte, ohne den Anwalt oder dessen Klienten zu fragen. In der Kürzung und in der Veröffentlichung als „Leserbrief“ sah der BGH sowohl eine „Irreführung“ des Publikums als auch die „Behauptung einer unwahren Tatsache“2. Die „Schacht-Briefe“ waren der Anfang einer sich immer weiter fortent- 88 wickelnden Rechtsprechung des BGH und des BVerfG zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Von einer Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und der durch Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit ist in dem Urteil zu den „Schacht-Briefen“ noch nicht die Rede. Die Notwendigkeit einer solchen Abwägung ist jedoch heute anerkannt3. Art. 5 GG steht einem „absoluten Bestimmungsrecht“ des Briefeschreibers über Veröffentlichungen entgegen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein offener Tatbestand. Dies verbietet pauschale Antworten auf die Frage, ob Briefe Dritten zur Kenntnis gegeben oder veröffentlicht werden dürfen4. Umgekehrt liegt es in der Natur der vorzunehmenden Güter- und Inte- 89 ressenabwägung, dass die Rechtswidrigkeit einer Veröffentlichung von dem Interesse abhängt, das mit der Veröffentlichung verfolgt wird. Die Veröffentlichung erotischer Briefe eines Popmusikers in der Boulevardpresse ist daher anders zu bewerten als Liebesgrüße eines Politikers an eine wegen terroristischer Delikte verurteilte Straftäterin. Nur im letztgenannten Fall besteht ein überragendes öffentliches Interesse, das unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) den Eingriff in die Intimsphäre rechtfertigt5. Eine ungenehmigte Veröffentlichung privater Briefe stellt zumeist einen 90 unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar6. Allerdings hängt die Zulässigkeit der Veröffentlichung maßgeblich davon ab, ob sich aus dem Inhalt ein erkennbares persönliches Geheimhaltungsinteresse er-
1 BGH vom 25.2.1954 – I ZR 211/53 – Schacht-Briefe, BGHZ 13, 334. 2 Härting, IPRB 2012, 134, 134. 3 Vgl. zuletzt BVerfG vom 25.1.2012 – 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09 – Wortberichterstattung über Prominente. 4 Härting, IPRB 2012, 134, 135. 5 Zur Sicherung der Meinungsfreiheit im Internet vgl. Härting, IPRB 2010, 280 ff. 6 BGH vom 25.5.1954, BGHZ 13, 334 – Leserbrief; BGH vom 2.4.1957, NJW 1957, 1146 – Krankenpapiere; KG vom 18.4.2011 – 10 U 149/10.
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A. Persçnlichkeitsrechte
gibt1. Der schlichte Geburtstagsgruß ist anders zu bewerten als der von Intimitäten durchzogene Liebesbrief. 91
Das Geheimhaltungsinteresse des Verfassers tritt in der Regel hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurück, wenn der veröffentlichte Brief politisch brisante Angelegenheiten betrifft oder einen sonstigen Beitrag zum „geistigen Meinungskampf“2 leistet. Ein „Alter Herr“ konnte die Publikation eines Briefes an die Mitglieder einer Burschenschaft nicht verhindern, in welchem er den Ausschluss eines Studenten aus der Verbindung auf Grund eines Artikels zum Nationalsozialismus kritisiert hatte. Der Artikel und der Ausschluss waren zuvor in der Öffentlichkeit diskutiert worden3. Dem „Alten Herren“ ging es daher nicht besser als dem Inhaber einer Bank, der die Veröffentlichung von Geschäftsbriefen in einem Bericht über die Beteiligung seines Bankhauses an einem kontroversen Waffenhandel dulden musste4.
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Auch wenn ein Brief unter Verletzung des Briefgeheimnisses abgefangen wurde, ist den Medien die Publikation nicht von vornherein verwehrt5. Würde der Presse ein absolutes Publikationsverbot bezüglich Informationen auferlegt werden, die rechtswidrig erlangt wurden, so würde die Kontrollaufgabe der Presse übermäßig beeinträchtigt6. Auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Zur Funktion der Presse gehört es, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen. Diese Kontrollaufgabe könnte bei einem absoluten Verbreitungsverbot leiden. Gleiches gilt für die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll7. Erforderlich ist allerdings in einem solchen Fall ein besonders stark ausgeprägtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, um einen Eingriff zu rechtfertigen. Ein solches Interesse fehlte im Falle der Veröffentlichung eines unter Verletzung des Fernmeldegeheimnisses angefertigten Transkripts eines Gesprächs zwischen Helmut Kohl und Kurt Biedenkopf über die bevorstehende Kanzlerkandidatur8. 2. Schutz der E-Mail
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Nach Auffassung des LG Köln kann die Veröffentlichung von vertraulichen geschäftlichen E-Mails im Internet das Allgemeine Persönlichkeits1 OLG Hamburg vom 23.2.2010, MMR 2010, 494, 494; Nipperdey, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Ufita 30, 15 m.w.N. 2 BVerfG vom 15.1.1958, NJW 1958, 257 – Lüth-Urteil; BGH vom 24.10.1961, NJW 1962, 32 – Waffenhandel. 3 BGH vom 22.12.1959, BGHZ 31, 308 – Alte Herren. 4 BGH vom 24.10.1961, BGHZ 36, 77 – Waffenhandel. 5 Härting, IPRB 2012, 134, 135. 6 BGH v. 10.3.1987 – VI ZR 244/85 – BND-Interna, NJW-RR 1987, 1433. 7 KG vom 18.4.2011 – 10 U 149/10, ZUM 2011, 570, ITRB 2011, 177 f. (Unterbusch). 8 BGH vom 19.12.1978 – VI ZR 137/77 – Telefongespräch, BGHZ 73, 120.
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IV. Briefe und E-Mails
recht des Absenders, namentlich „die Geheimsphäre“ verletzen1. Die E-Mail bleibe dieser „Geheimsphäre“ zugehörig, auch wenn sie über das Internet versandt werde. Anders sei dies allenfalls bei Mails, die an einen nicht abgegrenzten Personenkreis – quasi massenhaft – verschickt werden. Richte sich eine E-Mail (nur) an eine konkrete Person, so sei die E-Mail in jeder Hinsicht vergleichbar mit einem verschlossenen Brief, bei dem der Absender – anders als etwa im Falle einer offen versandten Postkarte – nicht damit rechnen müsse, dass Dritte von dem Inhalt Kenntnis nehmen. Das LG Saarbrücken2 hat sich der Auffassung des LG Köln angeschlossen 94 und einen weitgehenden Vertraulichkeitsschutz jedenfalls dann bejaht, wenn eine Mail in dem üblichen „Disclaimer“ ausdrücklich als „vertraulich“ bezeichnet wird. Dabei hat das LG Saarbrücken die formelhafte Art der massenhaften Benutzung solcher „Disclaimer“ verkannt und deren Bedeutung für den Vertraulichkeitsschutz deutlich überschätzt. Die Gleichsetzung von E-Mails und Briefen überzeugt nur insoweit, als 95 nicht zu leugnen ist, dass der Verfasser einer Mail ähnliche Geheimhaltungsinteressen geltend machen kann wie der Versender eines herkömmlichen Briefs3. Wer indes Mitteilungen per E-Mail versendet, weiß, dass Mails nicht in gleicher Weise gegen den Zugriff Dritter geschützt sind wie die Briefpost. Nicht selten haben – insbesondere bei geschäftlichen Mail-Adressen – mehrere Personen Einblick in den Mail-Account; Einzelheiten sind dem Absender typischerweise nicht genau bekannt. Darüber hinaus liegt es in der Natur einer Mail, dass der Empfänger sie auf vergleichsweise einfache Weise Dritten zur Kenntnis geben (insbesondere weiterleiten) kann. Wer daher die Mail als Kommunikationsweg wählt, beschreitet bewusst einen Weg, der weniger Gewähr für Vertraulichkeit bietet als der Brief. Dies spricht keineswegs gegen einen Vertraulichkeitsschutz von Mails, wohl aber dafür, ihn auf der „ersten Waagschale“ schwächer zu gewichten als bei der herkömmlichen Briefpost. Die unbefugte Veröffentlichung von vertraulichen Aufzeichnungen tan- 96 giert das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Der Einzelne hat grundsätzlich ein Recht darauf, selbst zu bestimmen, ob und wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt. Dies umfasst auch das Recht des Verfassers einer Mail, den Inhalt geheim zu halten, wenn die Mail nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war4.
1 LG Köln vom 6.9.2006, MMR 2006, 758. 2 LG Saarbrücken vom 16.12.2011 – 4 O 287/11, Rz. 24, ITRB 2012, 129 f. (Engels). 3 Vgl. KG vom 18.4.2011 – 10 U 149/10, ZUM 2011, 570, ITRB 2011, 177 f. (Unterbusch). 4 LG Braunschweig vom 5.10.2011 – 9 O 1956/11, Rz. 84, ITRB 2012, 33 f. (Engels).
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A. Persçnlichkeitsrechte
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Letztlich unterliegt die Erlaubnis zur Veröffentlichung von Mails derselben Abwägung mit Art. 5 GG, die auch für Briefe gilt. Dies führt bei Mails, die lediglich die Sozialsphäre berühren, zu einem vergleichsweise schwachen Schutz der Vertraulichkeit. Enthält daher eine Mail Äußerungen, die einen in der Öffentlichkeit umstrittenen Burschenschaftstag betreffen, spricht das beträchtliche öffentliche Interesse an dem Vorgang für die Zulässigkeit der Veröffentlichung1.
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Eine Veröffentlichungsbefugnis kann sogar bestehen, wenn ein Dritter – etwa als „Hacker“ – rechtswidrig oder gar auf strafbare Weise in den Besitz der Mail gelangt ist. Im Rahmen der Interessenabwägung ist zwar von Belang, ob die Mail rechtmäßig erlangt worden ist2. Nicht jede rechtswidrig erlangte Information führt jedoch dazu, dass diese nicht veröffentlicht werden kann. Auch die Publikation rechtswidrig recherchierter bzw. erlangter Informationen fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG3. 3. Schutz von Anwaltsschreiben
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Für Anwaltspost gilt kein Sonderrecht. Insbesondere ergibt sich auch aus Art. 12 Abs. 1 GG kein gesteigerter Vertraulichkeitsschutz4.
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Der Anwalt arbeitet typischerweise nicht im Verborgenen, er streitet in aller Öffentlichkeit für das Recht (vgl. § 169 GVG). Daher kann ein Anwalt typischerweise gegen eine Verbreitung seiner Korrespondenz oder deren Veröffentlichung ein allenfalls schwaches Geheimhaltungsinteresse geltend machen. Zitate aus anwaltlichen Schreiben, auch wenn diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sind, entstammen nicht der Privatsphäre des Verfassers, sondern der Sozialsphäre5, so dass es regelmäßig keines „berechtigten Informationsinteresses“ bedarf, um eine Verbreitung und Veröffentlichung von anwaltlicher Korrespondenz im Internet zu rechtfertigen6.
1 OLG Braunschweig vom 24.11.2011 – 2 U 89/11, Rz. 6 ff. 2 Vgl. LG Braunschweig vom 5.10.2011 – 9 O 1956/11, Rz. 86, ITRB 2012, 33 f. (Engels). 3 OLG Braunschweig vom 24.11.2011 – 2 U 89/11, Rz. 13. 4 LG Berlin vom 24.8.2010 – 27 O 184/07; a.A. KG vom 12.1.2007, K&R 2007, 317; KG vom 29.9.2009, ITRB 2010, 178 f. (Intveen). 5 KG vom 3.3.2006 – 9 U 117/05; KG vom 31.10.2006 – 9 W 152/06; KG vom 12.1.2007, K&R 2007, 317; KG vom 20.2.2009, MMR 2009, 478 f.; KG vom 18.3.2010 – 10 U 139/09; LG Berlin vom 21.1.2010 – 27 O 938/09; Brennecke, IPRB 2011, 32 f. 6 LG Berlin vom 24.8.2010 – 27 O 184/07; LG Köln vom 7.7.2010 – 28 O 721/09; LG Köln vom 13.10.2010 – 28 O 300/10; LG Köln vom 13.10.2010 – 28 O 332/10; a.A. KG vom 12.1.2007, K&R 2007, 317; KG vom 29.9.2009; ITRB 2010, 178 f. (Intveen).
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V. Bewertungsportale
Auch eine Identifizierung und Namensnennung kann ein Rechtsanwalt 101 in aller Regel nicht verhindern. Zwar folgt ein Recht auf Anonymität aus dem Recht auf informelle Selbstbestimmung. Die Nennung des Namens einer Person (ohne deren Einwilligung) ist zulässig, wenn für die Mitteilung über die Person ein Interesse besteht1. Ein Anwalt, der in einer öffentlichen Verhandlung auftritt, hat daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Unterlassung der Nennung seines Namens2. Er kann sich insbesondere nicht darauf berufen, in Folge einer solchen Berichterstattung mit der Person des Angeklagten oder dessen Straftat geistig und moralisch in Verbindung gebracht zu werden oder in den Verdacht der Publizitätssucht zu kommen3. Etwas anderes gilt für den Mandanten des Anwalts, der sich eine Na- 102 mensnennung nicht schon deshalb gefallen lassen muss, weil er in eine rechtliche Auseinandersetzung verwickelt ist4.
V. Bewertungsportale Bewertungsportale sind ein gutes Beispiel für die Transparenz, die durch 103 Online-Dienste geschaffen werden kann. Ebay und Amazon waren die Vorreiter. Zum Erfolgskonzept der Online-Plattformen gehörte es, dass Kunden (bei Amazon) die gekauften Bücher rezensieren und (bei Ebay) ihre Erfahrungen mit einem getätigten Kauf kundtun konnten. Portale zur Bewertung von Ärzten, Lehrern, Hotels, Restaurants und anderen Dienstleistern gilt es heute in unüberschaubarer Vielzahl und Vielfalt. Nicht jeder Lehrer und Professor ist ein guter Didakt. Wenn Schüler und 104 Studenten ihre Lehrer und Professoren beurteilen, kann dies das (selbst)kritische Bewusstsein der Lehrenden fördern und zu einer Verbesserung des Unterrichts an Schulen und Hochschulen beitragen. Für Bewertungsportale wie spickmich.de und meinprof.de gilt unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und Informationsvielfalt nichts anderes als beispielsweise für Ebay-Bewertungen5. Das Bewertungssystem bei Ebay trägt dazu bei, dem Käufer Sicherheit zu 105 geben bei der Auswahl eines zuverlässigen Vertragspartners. Zugleich motiviert das Bewertungssystem Verkäufer zu einem Service, der den
1 KG vom 16.3.2007 – 9 U 88/06; vgl. auch AG Charlottenburg vom 1.7.2010 – 239/09. 2 Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rz. 72. 3 LG Berlin vom 18.4.1996, AfP 1997, 938. 4 Vgl. LG Essen vom 26.9.2012 – 4 O 263/12; LG Köln vom 31.10.2012 – 14 O 407/12, Rz. 32 ff.; Schmitt-Gaedke/Arz, WRP 2012, 1492, 1493. 5 Vgl. LG Hannover vom 13.5.2009, MMR 2009, 870; LG Köln vom 10.6.2009, ITRB 2009, 250 (Engels); AG Bonn vom 9.1.2013 – 113 C 28/12; AG Brühl vom 11.2.2008, ITRB 2008, 201 f. (Schwartmann); Hoeren, CR 2005, 498 ff.
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A. Persçnlichkeitsrechte
Kunden zufrieden stellt. Nichts anderes gilt für die Bewertung der Leistungen von Professoren: Dem Studenten eröffnet eine solche Bewertung die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen zu besuchen, die sich durch eine besonders hohe Qualität des Dozenten auszeichnen. Zugleich kann eine Bewertung dazu beitragen, dass sich Hochschullehrer verstärkt darum bemühen, ihren Studenten ertragreiche Lehrveranstaltungen zu bieten. Misst man somit die Bewertung allein an den Kriterien der Informationsvielfalt und des Stellenwertes eines freien Informationsaustausches für einen transparenten Leistungsvergleich, so leisten Portale wie meinprof.de und spickmich.de wertvolle Beiträge für die jeweiligen gesellschaftlichen Bereiche, für die sie geschaffen worden sind. 1. Kritik an Personen 106
Bei allen Vorzügen eines freien Meinungsmarktes gilt für ihn dasselbe wie für den Finanzmarkt: Der „Faktor Mensch“ schafft Unsicherheit und kann die Funktionstüchtigkeit beeinträchtigen. Denn es liegt in dem Wesen einer Meinungsäußerung, dass sie nicht immer fair, gerecht und sachlich-objektiv ausfällt. Und so kann es bei den Bewertungsportalen für Lehrer und Professoren nicht überraschen, dass sich die Lehrenden durch ihre Schüler und Studenten gelegentlich ungerecht beurteilt fühlen. Wird ein – vermeintlich oder tatsächlich – tüchtiger Lehrer in einem Bewertungsportal mit „4,3“1 beurteilt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Persönlichkeitsrecht den Lehrer vor der Verbreitung einer solchen (rufschädigenden) Bewertung schützt.
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Wenn Schüler und Studenten die Leistungen von Lehrern und Professoren2 oder wenn Patienten die Leistungen ihrer Ärzte3 beurteilen, geht es zumeist um Werturteile und nicht um Tatsachenbehauptungen. Ob ein Lehrer „gut vorbereitet“ ist, lässt sich ebenso wenig anhand der Kriterien von „wahr“ und „unwahr“ beurteilen wie die Schulnote 4,3. Da ein schlechtes Zeugnis auch keine Schmähkritik darstellt, müssen die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Informationsinteressen mit der Schwere abgewogen werden, mit der in das Persönlichkeitsrecht der Lehrenden eingegriffen wird4. Schüler, Studenten, aber auch Eltern und Vorgesetzte haben ein gesteigertes Interesse an Informationen darüber, wie (andere)
1 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672 ff. 2 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101, 103; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672, 673; LG Berlin vom 31.5.2007, MMR 2007, 668, 668; LG Duisburg vom 18.4.2008, MMR 2008, 691, 692; LG Köln vom 30.1.2008, K&R 2008, 188, 189. 3 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 – 16 U 125/11. 4 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888, 2889 – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101, 103; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672, 673.
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V. Bewertungsportale
Lernende die Leistungen der Lehrenden einschätzen1. Sämtliche Gerichte, die mit Bewertungsportalen für Lehrer und Hochschullehrer bislang befasst waren, haben ein überwiegendes Informationsinteresse festgestellt, zumal der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Lehrer und Professoren sich im Wesentlichen auf die Sozialsphäre und allenfalls in geringem Umfang auf die Privatsphäre bezog2. Auch die Klage einer Ärztin gegen ein Arztbewertungsportal blieb erfolglos3. 2. Kritik an Unternehmen Geht es in einem Bewertungsportal nicht um Personen, sondern um Un- 108 ternehmen, kommt ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) in Betracht. Ein solcher Eingriff kann in den Äußerungen Dritter liegen, insbesondere bei unwahren Tatsachenbehauptungen. Neutrale oder sogar positiv ausfallende wertende Äußerungen können keinen Eingriff gemäß § 823 Abs. 1 BGB darstellen, da sie zu keiner Beeinträchtigung des Betriebes führen können4. Der Schutz durch das allgemeine Unternehmenspersönlichkeitsrecht er- 109 fasst den sozialen Geltungsanspruch einer juristischen Person als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen. Von einem rechtswidrigen Eingriff kann jedoch nicht schon dann gesprochen werden, wenn der soziale Geltungsanspruch durch die Darstellung in einem negativen oder unerwünschten Kontext tangiert wird. Vielmehr ist die Reichweite des allgemeinen Unternehmenspersönlichkeitsrechts ebenso offen wie die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer natürlichen Person, so dass es jeweils einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bedarf. Bei dieser Abwägung sind die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte gebührend zu berücksichtigen5. Ein Gewerbebetrieb muss sich der Kritik seiner Leistung stellen. Selbst 110 eine geschäftsschädigende Kritik ist daher nicht allein schon aus diesem Grund äußerungsrechtlich unzulässig. Zur äußerungsrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit kritischer Aussagen über getestete Waren oder Leistungen eines Unternehmens bedarf es vielmehr einer Güter- und Pflichtenabwägung, in deren Rahmen der Bedeutung des in Art. 5 Abs. 1 1 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101, 103; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672, 673. 2 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101 ff.; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672 ff.; LG Duisburg vom 18.4.2008, MMR 2008, 691, 692; LG Köln vom 30.1.2008, K&R 2008, 188 ff. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 – 16 U 125/11. 4 OLG Hamburg vom 18.1.2012 – 5 U 51/11, Rz. 70 f.; Vonhoff, MMR 2012, 571. 5 KG vom 9.11.2010 – 5 U 69/09, Rz. 59 ff.
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A. Persçnlichkeitsrechte
GG gewährleisteten Grundrechtsschutzes auf freie Meinungsäußerung des Kritikers Rechnung zu tragen ist. Die Grenzen zulässiger Kritik sind weit, da es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage handelt und daher eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede spricht1. 111
Die schutzwürdigen Interessen eines Unternehmens, dessen Unternehmen in einem Portal bewertet wird, liegen in der Wahrung seines Unternehmenspersönlichkeitsrechts sowie in dem unbeeinträchtigten Betrieb des Unternehmens. Das Interesse des Portalbetreibers betrifft den Betrieb eines von der Rechtsordnung anerkannten Bewertungsportals und die ihm zustehenden Meinungs- und Äußerungsfreiheit. Daneben sind die Interessen der Nutzer der Bewertungsplattform zu berücksichtigen, dort frei ihre Werturteile als Ausdruck der ihnen zustehenden Kommunikations- und Meinungsfreiheit zu veröffentlichen. Diese beinhaltet auch die Äußerung negativer Werturteile, soweit sie nicht nur in Schmähkritik bestehen oder in unwahren Tatsachenbehauptungen ihren Grund finden. Ein Anspruch eines Unternehmens, nicht zum Gegenstand von Beurteilungen zu werden, besteht in diesem Interessengeflecht nicht. Ein Unternehmen kann daher nicht von einem Portalbetreiber verlangen, dass er es unterlässt, Bewertungen zu verbreiten, die das Unternehmen betreffen2.
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Allerdings kann ein Anspruch eines Unternehmens bestehen auf Löschung bestimmter einzelner, unzutreffender und für das Unternehmen abträglicher Bewertungen und sonstiger Äußerungen. Dies gilt insbesondere für unwahre Tatsachenbehauptungen3.
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Ein Boykottaufruf kann als rechtswidriger Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anzusehen sein. Dabei hängt es von einer Abwägung der wechselseitig betroffenen Interessen ab, ob die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) einen solchen Aufruf rechtfertigt. Maßgeblich sind zunächst die Motive und das Ziel und der Zweck des Aufrufs. Findet dieser seinen Grund nicht in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit, dient er also der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, dann spricht dies für einen Vorrang der Meinungsfreiheit, auch wenn durch den Aufruf private, wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden. Die Verfolgung der Ziele des Aufrufenden darf indes das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Angegriffenen nicht überschreiten. Die Mittel der Durchsetzung des Boykottaufrufs müssen zudem verfassungsrechtlich zu billigen sein; das ist grundsätzlich der Fall, wenn der Aufrufende sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch 1 OLG Köln vom 3.5.2011 – 15 U 194/10, Rz. 8. 2 OLG Hamburg vom 18.1.2012 – 5 U 51/11, Rz. 73. 3 OLG Hamburg vom 18.1.2012 – 5 U 51/11, Rz. 73.
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VI. Recht am eigenen Bild
geistiger Einflussnahme und Überzeugung beschränkt, also auf Mittel, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten, nicht aber, wenn zusätzlich Machtmittel eingesetzt werden, die der eigenen Meinung Nachdruck verleihen sollen und die innere Freiheit der Meinungsbildung zu beeinträchtigen drohen1.
VI. Recht am eigenen Bild Nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) dürfen Fotos („Bildnisse“) nur mit 114 Einwilligung des Betroffenen verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden2. An einer Verbreitung fehlt es, wenn ein Bildarchiv einem Presseunternehmen ein Bild zur Verfügung stellt. In der Bereithaltung und Überlassung von Bildern durch ein Archiv liegt eine Hilfstätigkeit ohne Außenwirkung, die das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten (noch) nicht tangiert3. Unter einem „Bildnis“ wird die erkennbare Wiedergabe des äußeren Er- 115 scheinungsbildes einer Person verstanden. Die Identifizierbarkeit im engeren Familien- und Freundeskreis genügt nicht; die Erkennbarkeit muss mindestens für einen Personenkreis vorhanden sein, den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann4. § 22 KUrhG gewährt keinen Schutz gegen die Herstellung oder den Be- 116 sitz von Fotos. Da das Recht am eigenen Bild jedoch eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB) darstellt, kann auch die Herstellung, Verschaffung oder der Besitz eines Bildes einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bedeuten. Ob die Herstellung, Verschaffung oder der Besitz derartiger Bilder rechtswidrig und unzulässig ist oder aber vom Betroffenen hinzunehmen ist, muss unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung entschieden werden5. 1. Einwilligung Das Recht am eigenen Bild steht zur Disposition des Abgebildeten, die 117 Veröffentlichung bedarf grundsätzlich der Einwilligung. Die Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt derjenige, der ein Foto veröffentlicht6. 1 2 3 4 5
OLG München vom 15.11.2012 – 29 U 1481/12, Rz. 38. Vgl. AG Menden vom 3.2.2010, NJW 2010, 1614. BGH vom 7.12.2010 – VI ZR 34/09. Vgl. AG Kerpen vom 4.11.2010 – 102 C 108/10. LG Aschaffenburg vom 31.10.2011 – 14 O 21/11, Rz. 24; Härting/Slowioczek, IPRB 2012, 165, 166. 6 LG Berlin vom 20.11.2007 – 27 O 811/07; Ohly, GRUR 2012, 983, 988 f.
33
A. Persçnlichkeitsrechte
a) Reichweite 118
Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung ist, dass dem Betroffen Art, Umfang und Zweck der Veröffentlichung der Verbreitung des Bildnisses bekannt sind. Je intensiver die geplante Veröffentlichung in die Privatsphäre des Betroffenen eingreift, desto klarer muss er über Verwendung und Art des Beitrags aufgeklärt worden sein1.
119
Wer ein Foto selbst im Internet veröffentlicht, ohne das Bild gegen den Zugriff Dritter zu sichern, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen. An einer üblichen Nutzungshandlung fehlt es bei einer eigenständigen werbemäßigen und üblicherweise vergütungspflichtigen Verwendung eines Bildes2. Ein innerer Vorbehalt des Klägers, die Nutzung nur durch bestimmte Blogs und Foren freizugeben, ist unbeachtlich, solange dieser Vorbehalt nach außen nicht in Erscheinung tritt3.
120
Die Reichweite der Einwilligung in die Veröffentlichung auf einer bestimmten Plattform richtet sich nach der Kenntnis des Abgebildeten von dem Veröffentlichungskontext4. Bei jeder gesonderten Art der Verbreitung ist zu fragen, ob der Abgebildete mit einer solchen Verbreitung rechnen musste und ob der Plattformbetreiber daher redlicherweise von einer Einwilligung ausgehen konnte5.
121
Wer Bilder auf die Profilseite eines Social Networks einstellt, stimmt zunächst nur der Abrufbarkeit der Bilder innerhalb des jeweiligen Social Networks zu. Hierin liegt noch keine – stillschweigende – Einwilligung in die weitergehende Verbreitung des Bildes – beispielsweise auf der Eingangsseite der Network-Plattform oder auch nur eine Einwilligung in die Abrufbarkeit der Fotos durch Internetnutzer, die sich nicht in dem Social Network registriert haben. Wenn der Nutzer des Networks allerdings nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, den Zugriff auf seine Profildaten für Suchmaschinen zu sperren (Opt-Out), ist dies als Einverständnis mit der Verwendung des Bildes durch eine Personensuchmaschine zu verstehen6.
122
Hat ein Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt, dass ein Foto von ihm auf der Unternehmenswebseite veröffentlicht wird und ist diese 1 2 3 4
LG Berlin vom 26.7.2012 – 27 O 14/12, Rz. 17. LG Memmingen vom 4.5.2011 – 12 S 796/10, Rz. 15. LG Köln vom 22.6.2011 – 28 O 819/10, Rz. 18 f. Vgl. OLG Karlsruhe vom 26.5.2006, MMR 2006, 752 f.; LG Berlin vom 18.9.2008, MMR 2008, 758; LG Bielefeld vom 18.9.2007, NJW-RR 2008, 715 ff.; Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rz. 76. 5 Vgl. LG Köln vom 20.2.2013 – 28 O 431/12, Rz. 34 ff., IPRB 2013, 106 f. (Elgert); Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rz. 76. 6 OLG Köln vom 9.2.2010, CR 2010, 530 f.; LG Köln vom 22.6.2011 – 28 O 819/10.
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VI. Recht am eigenen Bild
Webseite für Suchmaschinen optimiert worden, so kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer auch mit der Abbildung des Fotos in einer Personensuchmaschine einverstanden ist1. Die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Veröffentlichung eines Fotos im Internet entfällt auch nicht automatisch (ohne Widerruf) mit dessen Ausscheiden aus dem Unternehmen.2 Wer sich einverstanden mit der Ausstrahlung von Bildaufnahmen im 123 Fernsehen erklärt, muss in aller Regel damit rechnen, dass der Fernsehbeitrag auch online verbreitet ist. Dies gilt insbesondere für Fernsehsendungen, die sich an computer- und technikinteressierte Zuschauer wenden. Die Einwilligung in die Fernsehausstrahlung erstreckt sich daher im Zweifel auch auf die Verbreitung über das Netz3. b) Bildbearbeitung Wenn ein bearbeitetes Bild veröffentlicht wird, bedarf es einer Ein- 124 willigung, die sich auch auf die Bearbeitung erstreckt. Wird eine Veröffentlichung mit perspektivischen Verzerrungen und einer vertikalen Stauchung vorgenommen, wird man in der Regel nicht davon ausgehen können, dass der Betroffene mit einer solchen Bearbeitung ohne weiteres einverstanden ist. Fotos suggerieren Authentizität, und die Betrachter gehen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Diese Annahme aber trifft bei einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation, wie sie heute relativ einfach mit technischen Mitteln herbeigeführt werden kann, nicht zu. Der Träger des Persönlichkeitsrechts hat zwar kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte, wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ entstellt ist, wenn es Dritten ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich gemacht wird4. Einer gesonderten Einwilligung bedarf es im Normalfall nicht, wenn sich 125 die Bearbeitung auf Veränderungen beschränkt, die reproduktionstechnisch bedingt und für den Aussagegehalt unbedeutend sind. Durch derartige Änderungen wird die in der bildhaften Darstellung mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten nicht verändert5.
1 LG Hamburg vom 16.6.2010 – 325 O 448/09. 2 LAG Schleswig-Holstein vom 23.6.2010, K&R 2011, 69 f. mit Anm. Willert. 3 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 24.2.2011 – 16 U 172/10, Rz. 27, IPRB 2011, 152 f. (Schuhmacher). 4 LG Hamburg vom 14.10.2011 – 324 O 196/11, Rz. 26 f. 5 Vgl. LG Hamburg vom 14.10.2011 – 324 O 196/11, Rz. 27.
35
A. Persçnlichkeitsrechte
c) Widerruf 126
Ein Widerruf der Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildes kann aus wichtigem Grund1 bzw. – entsprechend § 42 UrhG – bei von außen feststellbaren veränderten Umständen erfolgen, die auf einer gewandelten inneren Einstellung basieren, so dass es dem Betroffenen nicht mehr zumutbar ist, an der einmal gegebenen Einwilligung noch festgehalten zu werden2.
127
Der Betroffene kann sich bei Erteilung der Einwilligung ein freies Widerrufsrecht vorbehalten. Auch ohne Widerruf kann es zu einem Erlöschen der Einwilligung kommen, wenn die Einwilligung entweder befristet oder gegenständlich so eingeschränkt erteilt wurde, dass sich aus dem Zeitablauf oder der Veränderung von Umständen ein Erlöschen der Einwilligung ergibt3.
128
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zieht nicht zwangsläufig das Erlöschen einer Einwilligung zu einem Foto am Arbeitsplatz auf der Unternehmenswebseite nach sich. Anders könne es sich dann verhalten, wenn der Arbeitgeber mit dem Foto des Arbeitnehmers bewusst dessen individuelle Persönlichkeit für sich werbend einsetzt4. Wird dem Arbeitnehmer vertraglich ein freies Widerrufsrecht eingeräumt, ist ein Widerruf wirksam, ohne dass ein wichtiger Grund vorzuliegen braucht5.
129
Wenn der Widerruf zwei Tage nach Erteilung der Einwilligung erklärt wird, spricht die zeitliche Nähe gegen eine Wirksamkeit des Widerrufs6. Die Einwilligung in die Ausstrahlung eines Fernsehinterviews kann nicht schon deshalb widerrufen werden, weil der Interviewte mit dem kritischen Inhalt eines Fernsehberichts nicht einverstanden ist7. 2. Personen der Zeitgeschichte
130
Bei Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ist eine Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUrhG auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn der Veröffentlichung kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht (§ 23 Abs. 2 KUrhG)8.
1 OLG Frankfurt a.M. vom 24.2.2011 – 16 U 172/10, Rz. 30, IPRB 2011, 152 f. (Schuhmacher). 2 Vgl. Fricke in Wandtke/Bullinger, KunstUrhG § 22 Rz. 19 f. 3 Vgl. Fricke in Wandtke/Bullinger, KunstUrhG § 22 Rz. 17 a.E. 4 LAG Köln vom 10.7.2009, ITRB 2010, 155 f. (Aghamiri). 5 ArbG Frankfurt a.M. vom 20.6.2012 – 7 Ca 1649/12, Rz. 70. 6 A.A. LG Duisburg vom 27.10.2010, K&R 2011, 283, 284. 7 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 24.2.2011 – 16 U 172/10, Rz. 32, IPRB 2011, 152 f. (Schuhmacher). 8 Vgl. OLG Dresden vom 16.4.2010 – 4 U 127/10; OLG Düsseldorf vom 8.3.2010, K&R 2010, 423 ff. mit Anm. Hild/Khöber.
36
VI. Recht am eigenen Bild
Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 131 Abs. 1 Nr. 1 KUrhG zuzuordnen ist, erfordert bei einer medialen Veröffentlichung eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits1. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend berücksichtigt. Maßgeblich für den Begriff der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUrhG) 132 ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit2. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht3. Ein Angeklagter kann durch einen außergewöhnlichen Strafprozess zur 133 Person der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG werden4, nicht jedoch dessen Ehefrau5. Ein Informationsinteresse besteht bei einer Person der Zeitgeschichte 134 nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt6. Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem 135 kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Mei-
1 Vgl. BGH vom 26.10.2010 – VI ZR 190/08 – Rosenball in Monaco; MDR 2011, 60 ff., m.w.N.; BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 17. 2 BGH vom 18.9.2012 – VI ZR 291/10, Rz. 28. 3 BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.; BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 17; LG Köln vom 16.6.2010, ZUMRD 2010, 632 ff.; Härting/Slowioczek, IPRB 2012, 165, 166. 4 BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 20. 5 AG München vom 15.6.2012 – 158 C 28716/11, Rz. 25. 6 BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.; BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 17; LG Köln vom 16.6.2010, ZUMRD 2010, 632 ff.; Härting/Slowioczek, IPRB 2012, 165, 166.
37
A. Persçnlichkeitsrechte
nung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser befriedigen1. 136
Einem Großvater, der sich mit dem Jugendamt um das Sorgerecht an seinem kleinen Enkelsohn streitet, ist es nicht von vornherein verwehrt, einen selbst gefertigten und im Internet verbreiteten Bericht mit einem Foto des Kindes zu illustrieren. Wird der Streit in der Öffentlichkeit geführt und besteht ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, kann die Verbreitung des Bildes ohne Einwilligung des Sorgeberechtigten durch Art. 23 Abs. 2 KUrhG gerechtfertigt sein2.
137
Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden3. Dies spricht gegen eine Befugnis der Veröffentlichung von Bildern eines prominenten Untersuchungshäftlings, die ihn bei einem Rundgang auf dem Gefängnishof zeigen4. Auch die Abbildung eines Prominenten auf der Titelseite einer Zeitung ist nicht erlaubt, wenn der Prominente in seinen privaten Räumen gezeigt wird und das Bild offenkundig dazu dienen soll, für den Kauf der Zeitung zu werben5.
138
Wenn mit der Verwendung eines Bildes über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus der Werbe- und Imagewert des Abgebildeten ausgenutzt wird, und die Person des Abgebildeten als Vorspann für die Anpreisung des Presseerzeugnisses vermarktet wird, spricht dies gegen die Zulässigkeit einer werbenden Berichterstattung6. Dabei hat ein Eingriff besonderes Gewicht, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, die abgebildete Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, empfehle es oder preise es an. Dies gilt auch dann, wenn – ohne dass der Bildberichterstattung eine ausdrückliche Empfehlung des Abgebildeten für das Produkt entnommen werden kann – durch ein unmittelbares Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten in der Werbung das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter der Werbung eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, die zu einem Imagetransfer führt. Dagegen hat der Eingriff geringeres Gewicht, wenn die Abbildung einer prominenten Person in der Werbung 1 Vgl. BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.; BGH vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11, Rz. 25; BGH vom 31.5.2012 – I ZR 234/10 – Playboy am Sonntag, Rz. 36; BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 19; BGH vom 18.9.2012 – VI ZR 291/10, Rz. 23. 2 OLG Karlsruhe vom 2.2.2011 – 1 (7) Ss 371/10-AK 99/10. 3 BGH vom 31.5.2012 – I ZR 234/10 – Playboy am Sonntag, Rz. 35. 4 LG Köln vom 16.6.2010, ZUM-RD 2010, 632 ff. 5 BGH vom 31.5.2012 – I ZR 234/10 – Playboy am Sonntag, Rz. 21 ff. 6 Vgl. LG Köln vom 20.2.2013 – 28 O 431/12, Rz. 39, IPRB 2013, 106 f. (Elgert); ArbG Frankfurt a.M. vom 20.6.2012 – 7 Ca 1649/12, Rz. 89.
38
VI. Recht am eigenen Bild
weder Empfehlungscharakter hat noch zu einem Imagetransfer führt, sondern lediglich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt lenkt1. Bei Straftaten besteht häufig ein legitimes Interesse an der Bildbericht- 139 erstattung über einen Angeklagten, weil sie oft durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind und Bilder prägnant und unmittelbar über die Person des Täters informieren können. Ein kontextgemäßes Porträtfoto, das den Angeklagten in keiner ihn verächtlich machenden Weise zeigt und für sich keine weitere Persönlichkeitsbeeinträchtigung enthält, kann daher bei einem Prozess wegen einer schweren Straftat erlaubt sein. Gegen eine solche Erlaubnis spricht auch nicht, dass Aufnahmen verwendet werden, deren Anfertigung durch ein sitzungspolizeiliches Verbot gemäß § 176 GVG verboten worden waren2. Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist bei der Berichterstattung über 140 Gerichtsverfahren zu berücksichtigen, dass die den Täter identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellt, weil auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird. In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen3. Soweit das Bild des Angeklagten nicht schon als solches eine für die öf- 141 fentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird4. Ein hinreichendes Informationsinteresse kann gegeben sein bei einem 142 mit einem Bild illustrierten Bericht über die private Beziehung eines Landtagsabgeordneten mit einer bekannten Schauspielerin. Eine solche Berichterstattung ist auch dann vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, wenn sie Darstellungen enthält, die man als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das
1 2 3 4
BGH vom 31.5.2012 – I ZR 234/10 – Playboy am Sonntag, Rz. 25. BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 24 ff. BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 22. BGH vom 7.6.2011 – VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Rz. 23.
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A. Persçnlichkeitsrechte
Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen1. 3. Weitere Erlaubnistatbestände 143
Bilder, auf denen Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, dürfen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUrhG ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet werden. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass die abgebildete Person in der Aufmerksamkeit der Betrachter weitgehend in den Hintergrund tritt. Für die Sportfotografie kann diese Legitimation nur von Belang sein, soweit es um Personen – Zuschauer oder Sportler – geht, die zufällig auf ein Foto geraten. Wird ein Fußballer oder sonstiger Sportler bei einem Sportevent fotografiert, geht es dem Hersteller des Bildes jedoch gerade darum, den Sportler „vor der Linse“ zu haben. Der Sportler ist damit kein bloßes „Beiwerk“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUrhG2.
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Einer Einwilligung bedarf es des Weiteren nicht, wenn Personen fotografiert werden, die Teil einer Versammlung oder ähnlichen Menschenansammlungen sind (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUrhG). Dies setzt voraus, dass es dem Fotografen darum geht, eine Veranstaltung abzubilden, ohne einzelne Teilnehmer hervorzuheben. Zwar dürfen Personen auf den Bildern auch im Vordergrund erkennbar sein, soweit sie das Geschehnis prägen. Die isolierte Abbildung einer einzelnen Person ist indes nicht durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUrhG gedeckt.
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Gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUrhG dürfen Bilder, auf denen die Teilnehmer oder Zuschauer einer Sportveranstaltung abgebildet sind, ohne Einwilligung dieser Personen verbreitet werden, wenn es dem Fotografen darum geht, die Veranstaltung selbst abzubilden, ohne einzelne Personen oder ihre Teilnahme daran betonen zu wollen. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUrhG kann mithin nur die Fotografie des Publikums legitimieren, nicht jedoch das Fotografieren einzelner Sportler3.
VII. „Recht am Bild der eigenen Sache“ 146
Ein „Recht am Bild der eigenen Sache“ ist der zivilrechtlichen Eigentumsordnung unbekannt. Allerdings gilt nach Auffassung des BGH eine Einschränkung, wenn ein fremdes Grundstück betreten wird, um Fotos von Gebäuden und Gartenanlagen zu fertigen und diese Fotos kommerziell zu verwerten. Die Entscheidung über den Zutritt zu einem Grundstück stehe nach § 903 BGB im Belieben des Grundstückseigentümers. Er sei nicht gezwungen, den Zugang zu seinem Grundstück nur vollstän1 BGH vom 22.11.2012 – VI ZR 26/11, Rz. 29. 2 Härting/Slowioczek, IPRB 2012, 165, 166. 3 Härting/Slowioczek, IPRB 2012, 165, 167.
40
VII. „Recht am Bild der eigenen Sache“
dig zu gestatten oder vollständig zu versagen und könne den Zutritt auch nur eingeschränkt öffnen und sich etwa das Fotografieren seines Anwesens und die Verwertung solcher Fotografien vorbehalten1. Dies müsste konsequenterweise auch dann gelten, wenn lediglich Fotos 147 von Sanitärarbeiten in einem fremden Badezimmer gefertigt werden2 oder wenn Fotos einer fremden Kuh3 oder eines fremden Gemäldes4 im Internet verbreitet werden. Auch wenn der BGH ein „Recht am eigenen Bild der eigenen Sache“ verneint, gelangt er doch zu weitgehenden Verfügungsrechten des Eigentümers, wenn er die Erlaubnis der Fotografie von der freien Zugänglichkeit der fotografierten Sache abhängig macht und dabei auch nicht zwischen Fotos von Grundstücken und Bildern beweglicher Sachen unterscheidet.
1 2 3 4
BGH vom 17.12.2010, NJW 2011, 749, 750. Vgl. AG Donaueschingen vom 10.6.2010 – 11 C 81/10. A.A. AG Köln vom 22.6.2010 – 111 C 33/10. A.A. AG Hamburg vom 30.8.2012 – 35a C 332/11, Rz. 21.
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B. Datenschutzrecht Rz. I. Informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Wurzeln . . . . . . . . a) Datenschutz als Bürgerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Datenschutz als Kommunikationskontrolle . . . . . . . . . . 2. Verbotsprinzip . . . . . . . . . . . . . . 3. Personenbezogene Daten . . . . a) Schutz natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwendungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bestimmbarkeit der Person e) Bestands- und Nutzungsdaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Pseudonymisierung und Pseudonyme. . . . . . . . . . . . . . g) Anonymisierung und anonyme Daten . . . . . . . . . . . . . . 4. Einwilligung und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Datenschutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Informierte Einwilligung . . aa) Bedeutung der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen der Einwilligung . . . . . . . . . . cc) AGB-Kontrolle . . . . . . . . 5. Datenverarbeitung ohne Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestands- und Nutzungsdaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abwägung nach den §§ 28 und 29 BDSG . . . . . . . . . . . . .
153 153 154 162 165 176 177 180 182 184 193 205 211 222 225 227 228 233 237 242 242 246
6. Medienprivileg . . . . . . . . . . . . . . 7. Profiling, Targeting, Tracking a) Nutzungsprofile . . . . . . . . . . b) Cookies . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) IP-Adressen . . . . . . . . . . . . . . d) Tracking Tools. . . . . . . . . . . . II. Telekommunikationsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrecht, Telekommunikationsrecht, Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. E-Mails und Internet am Arbeitsplatz. . . . . . . . . . . . . . . . . a) E-Mails . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privatnutzung . . . . . . . . bb) Ausspähen von Daten . cc) Archivierte Mails . . . . . dd) Dienstliche Nutzung . . b) Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privatnutzung . . . . . . . . bb) Kontrollbefugnisse . . . . (1) Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Datenschutzrecht . . . . . (3) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . 3. Auskünfte über IP-Adressen . III. Der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung . . . . 1. Schutzgut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personenbezogenheit . . . . . . . . 3. Transparenz. . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kommunikationsverbote . . . . 6. Abwägungen . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 256 264 264 267 271 279 282 282 301 307 313 322 326 328 333 333 340 342 346 350 356 362 364 366 369 374 378 381
Eine der größten Herausforderungen des Internet für das geltende Recht 148 ist der Datenschutz. Die digitale, vernetzte Kommunikation wirft immer wieder neue Fragen auf. Das Surfen im Netz hinterlässt eine Vielzahl von Datenspuren, die gegen 149 Missbrauch gesichert werden müssen. User Generated Content – Texte, Bilder, Videos – kann den Schutz der Privatsphäre in Frage stellen, indem Inhalte einen tiefen Einblick in die Persönlichkeit von Internetnutzern gewähren. Immer neue Anwendungen werfen ständig neue Fragen des 43
B. Datenschutzrecht
Persönlichkeitsschutzes auf. Dies gilt umso mehr, als man von einer „Gratiskultur“ im Netz spricht: Inhalte werden zur kostenlosen Nutzung angeboten. Der Nutzer gibt als Gegenleistung persönliche Daten preis. Diese Daten stellen ein Wirtschaftsgut dar, das sich für immer weiter verfeinerte Werbemethoden nutzen lässt. 150
Seit den Entscheidungen des BVerfG zur Online-Durchsuchung und zur Vorratsdatenspeicherung sind auf verfassungsrechtlicher Ebene wichtige Grundlagen des Schutzes der Privatsphäre im Netz gelegt worden. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das dem geltenden Datenschutzrecht zugrunde liegt, ist dabei nur eine von mehreren Komponenten und wird durch das „IT-Grundrecht“ sowie durch das Fernmeldegeheimnis und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht flankiert.
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So wichtig der Schutz der Privatsphäre ist: Es geht nicht ausschließlich um die Abwehr von Bedrohungen der Privatheit. Wenn Internetnutzer Informationen im Netz verbreiten, so stellt dies eine Grundrechtsausübung dar, die Schutz gegen staatliche Bevormundung verdient. Die Selbstinszenierung bei Facebook und YouTube mag bisweilen unvernünftig erscheinen. Dennoch gehört zu einem selbstbestimmten Handeln und zu einer freien Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht, ein Verhalten an den Tag zu legen, das nicht den Konventionen und Anschauungen der Mehrheit entspricht.
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Man braucht nur nach China, Nordkorea und in den Iran blicken, um festzustellen, dass das Internet in einer vernetzten Gesellschaft zu einem kardinalen Medium im freien Meinungsaustausch und bei der Verbreitung und Beschaffung von Informationen ist. Dabei kommt es immer wieder zu Konflikten mit dem Schutz der Privatsphäre. Informationen, die der Betroffene als Eingriff in die Privatsphäre empfindet, stehen zugleich unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Bei allen Spannungen zwischen den Persönlichkeitsrechten und der Meinungsfreiheit gilt es, zu abgewogenen Ergebnissen zu kommen, die allen Grundrechtsbelangen gerecht werden.
I. Informationelle Selbstbestimmung 1. Historische Wurzeln 153
Die Geschichte des Datenschutzes beginnt Ende des 19. Jahrhunderts in den USA mit der Erfindung der Kodak-Kamera und dem Aufsatz „The Right to Privacy“ von Samuel Warren und Louis Brandeis, die einen rechtlichen Schutz der Privatsphäre erstmals propagierten1. Die Erfahrungen mit den totalitären Regimen der Nationalsozialisten und Stalinisten prägten später die Diskussionen, die sich vielfach auf Orwells 1948 1 Warren/Brandeis, The Right to Privacy, 4 Harvard Law Review 193 (1890).
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I. Informationelle Selbstbestimmung
erschienen Roman „1984“ bezogen, in dem ein totalitärer Staat als „Big Brother“ seine Bürger auf Schritt und Tritt überwachte. Das Bild des „Big Brothers“ führte Anfang der 70er Jahre in den USA zu den ersten Datenschutzgesetzen und gleichzeitig zur Entwicklung des Datenschutzrechts in Deutschland1 – mit dem Volkszählungsurteil des BVerfG und der Anerkennung eines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung2 als vorläufigem Schlusspunkt. a) Datenschutz als Bürgerrecht Als das Datenschutzrecht aus der Taufe gehoben wurde, ging es nicht um 154 personalisierte Werbung, Nutzerprofile, Social Networks, Google Street View3, Google Glasses, WhatsApp und Facebook Home. „Big Brother Is Watching You“: Nachdem die elektronische Datenverarbeitung aus den Kinderschuhen heraus und die Erfassung, Speicherung und Weiterleitung großer Datenbestände möglich war, wollte man verhindern, dass die neue Technik dazu genutzt wird, „gläserne Bürger“ zu schaffen, über die der Staat mehr weiß, als dem Bürger recht sein kann. Das heutige Datenschutzrecht ist von der Technik und den politischen 155 und gesellschaftlichen Anschauungen der 70er- und 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts geprägt. Wer den zeithistorischen Kontext nicht kennt oder ausblendet, versteht das Datenschutzrecht nicht. Die Normen sind meist schwerfällig formuliert; die Lektüre bereitet kein Vergnügen, und in den Wortlaut lässt sich viel hineininterpretieren. Lebendig werden die Normen erst, wenn man den Kontext kennt, aus dem heraus sie entstanden sind. In der Vorstellungwelt der 70er- und 80er-Jahre war der Bürger ein homo 156 politicus. Er demonstrierte gegen den Vietnamkrieg und den NATO-Doppelbeschluss, gegen Atomkraftwerke und die Startbahn West, gegen die Erhöhung von Straßenbahnfahrpreisen und gegen Franz Josef Strauß. Er besetzte Baustellen und Häuser, war Mitglied von Bürgerinitiativen, Dritte-Welt-Gruppen und Gewerkschaften und unterschrieb Protestbriefe gegen den § 218 StGB und gegen die „Isolationsfolter“ von RAF-Terroristen4. Die 70er- und 80er-Jahre waren auch die Zeit der Berufsverbote und „Re- 157 gelanfragen“, der „Gewissensprüfung“ und „Rosa Listen“, der Terroristengesetze und Vermummungsverbote, der Rasterfahndung und „Kontaktsperren“. Staatliche Stellen machten bereitwillig von den neuen
1 Vgl. Begründung Gesetzentwurf zum BDSG, BT-Drucks. 7/1027, S. 14 ff. 2 BVerfG vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. – Volkszählung. 3 Vgl. Lindner, ZUM 2010, 292; Noske, ZRP 2010, 104. 4 Härting, AnwBl. 2011, 246, 246.
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B. Datenschutzrecht
Möglichkeiten Gebrauch, die die elektronische Datenverarbeitung bot, um Informationen über Bürger zu sammeln1. 158
Im frühen datenschutzrechtlichen Schrifttum findet man anschauliche Szenarien2: „Ein Beamtenanwrter, der einer radikalen Gruppe angehçrt und bei Demonstrationen an Ausschreitungen beteiligt war, wird seine Aktivitten und seine lange Gruppenzugehçrigkeit vielleicht im Kreise seiner Gesinnungsfreunde rhmen, seiner Einstellungsbehçrde aber geheim zu halten versuchen.“
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Dem frühen Datenschutzrecht ging es darum, eine Einschüchterung der Bürger zu verhindern („Chilling Effects“). Wenn der Staat als „Big Brother“ das Verhalten seiner Bürger ständig überwacht, werden sich Bürger eingeschüchtert fühlen. Die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit3 und andere Grundrechte geraten in Gefahr, wenn Bürger sich aufgrund der Überwachung von der Ausübung von Freiheitsrechten abhalten lassen: „berwachung kann zu Selbstzensur und Einschchterung fhren. Wegen seiner einschchternden Wirkung ist die berwachung ein Instrument der sozialen Kontrolle. Sie erhçht die Wirkung sozialer Normen, da diese Normen besser funktionieren, wenn Menschen von anderen beobachtet werden.“4
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In seinem Volkszählungsurteil5 hat das BVerfG das Grundanliegen des Datenschutzes durch die Schaffung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich untermauert und zugleich präzisiert. Das BVerfG betonte den Gedanken der Selbstbestimmung und der daraus folgenden Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte offenbart werden6. Das Selbstbestimmungsrecht war nach Auffassung des BVerfG durch die automatische Datenverarbeitung gefährdet wegen der unbegrenzbaren Speicherung von Daten und deren jederzeitigen Abrufbarkeit sowie der Möglichkeit, einzelne Daten mit anderen Daten zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammenzuführen7. Im Hinblick auf die fehlende Kontrolle der Betroffenen über die Verwendung von Daten in der automatischen Datenverarbeitung sah das BVerfG die Gefahr, dass Bürger auf gesellschaftspolitisches Engagement verzichteten, weil sie befürchten müssen, dass ihr Engagement bei staatlichen Stellen erfasst wird und hieraus staatliche Maßnahmen abgeleitet werden. Es gehe darum, dem Bürger die Furcht vor staatlichen Sanktionen zu nehmen, die aus einem bürger-
1 Härting, AnwBl. 2011, 246, 246. 2 Löchner in Löchner/Steinmüller, Datenschutz und Datensicherung, S. 5. 3 Einen Überblick über die Versammlungsfreiheit im Internet gibt Möhlen, MMR 2013, 221 ff. 4 Solove, Understanding Privacy, Cambridge/London 2009, S. 108. 5 BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1 ff. 6 BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung. 7 BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
schaftlichen Engagement (und dessen Erfassung in elektronischen Datenverarbeitungsanlagen) resultieren: „Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Brgerinitiative behçrdlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen kçnnen, wird mçglicherweise auf eine Ausbung seiner entsprechenden Grundrechte … verzichten.“1
Der „radikale Beamtenanwärter“ und das „behördlich registrierte“ Mit- 161 glied einer Bürgerinitiative: Dass der Betroffene für Behörden ohne weiteres identifizierbar und namentlich bestimmbar ist, war so selbstverständlich, dass es keiner eingehenden Diskussion über die Voraussetzungen eines Personenbezugs von Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG) bedurfte. Der Bürger, um dessen Schutz es dem frühen Datenschutzrecht ging, hatte einen Namen und ein Gesicht2. b) Datenschutz als Kommunikationskontrolle Um Bedrohungen des Bürgers durch Akteure aus der Wirtschaft ging es in 162 der Frühphase des Datenschutzrechts nur am Rande. Im Mittelpunkt stand dabei der Diskriminierungsschutz. Der Bürger sollte davor geschützt werden, dass Unternehmen ihn benachteiligen, weil er einer bestimmten Partei oder Gewerkschaft angehört oder eine bestimmte Krankheit hat. Unternehmen sollten Grenzen bei der Sammlung persönlicher Daten gesetzt werden, um jedweder Diskriminierung entgegenzuwirken. Heutzutage steht der Datenschutz vielfach auf Seiten des Staates und 163 überwacht die Netzkommunikation. Wenn Bürger bei Google, Facebook und Apple kommunizieren, stellt dies aus Sicht des Datenschutzrechts eine Gefahr dar, die Beschränkungen erforderlich macht. Der Datenschutz, der einst die freie Kommunikation gegen den Überwachungsstaat schützen wollte, übernimmt zunehmend die Funktion einer immer engmaschigeren Kontrolle der Kommunikation. Die Datenschutzaufsicht, die als Gegenwicht zu Orwells Big Brother- 164 Staat begann, begibt sich immer stärker auf die Seite der staatlichen Überwachung3 und wird selbst zum Big Brother4, der selbstgefällig meint, dass der Schutz der „digitalen Grundrechte“ doch nirgendwo besser aufgehoben sein kann als in den Händen des wachsamen Staates, da nur der staatliche Datenschutzbeamte die „hochkomplexe Realität“ beherrschen kann5.
1 BVerfG v. 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung; vgl. Härting, AnwBl. 2012, 716, 716 f. 2 Härting, AnwBl. 2011, 246, 246. 3 Vgl. Heller, Post-Privacy, S. 83. 4 Vgl. Härting, K&R 2012, 264, 267; Härting, AnwBl. 2012, 716, 717 f. 5 Vgl. Weichert, DuD 2013, 246, 249.
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B. Datenschutzrecht
2. Verbotsprinzip 165
Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 BDSG) bildet einen der Dreh- und Angelpunkte des Datenschutzrechts1. Es stammt aus einer Zeit, in der die Kommunikation per Datenübertragung ein seltener Ausnahmefall war. Im Zeitalter von Google, Facebook und YouTube ist dieser Ausnahmefall zur Normalität geworden. Jegliches Verbot der Datenverarbeitung und -nutzung bedeutet unter diesen Bedingungen ein Kommunikationsverbot, das Art. 5 GG auf den Plan ruft2. Das Datum ist bei jeder Kommunikation omnipräsent3.
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Das deutsche und europäische Datenschutzrecht fußt auf dem Verbotsprinzip: Die Datenverarbeitung ist nicht grundsätzlich erlaubt, sondern verboten. Ein Prinzip, dessen Sinnhaftigkeit im öffentlichen Bereich unbestritten ist, geht es doch bei jedweder Datenverarbeitung um einen Grundrechtseingriff, der einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage bedarf4.
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Im nicht-öffentlichen Bereich der Datenverarbeitung durch Private stößt das Verbotsprinzip zunehmend an seine Grenzen, da Persönlichkeitsrechte stets mit den Grundrechten des Datenverarbeiters kollidieren – mit der Kommunikationsfreiheit ebenso wie mit der Freiheit der unternehmerischen Betätigung und der allgemeinen Handlungsfreiheit5. Für den natürlichen Vorrang, den das Verbotsprinzip dem Schutz von Persönlichkeitsrechten einräumt, gibt es in einer solchen Kollisionslage keine solide verfassungsrechtliche Legitimation.
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Ob und wie die Daten vorgehalten und genutzt werden dürfen, ergibt sich aus einer Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Grundrecht auf freie Kommunikation (Art. 5 GG). Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das das Datenschutzrecht prägt, ist für eine solche Abwägung ungeeignet. Denn aus Sicht des Art. 5 GG (und des Art. 11 EU-GRCh) bedeutet dies ein Kommunikationsverbot, das sich mit der Kommunikationsfreiheit nicht verträgt: „Der freie Informationsfluss ist ein Motor der modernen Wirtschaft, sttigt den Wissenshunger, erhellt das Innenleben mchtiger Institutionen und Organisationen und stellt eine Ausbung von Freiheitsrechten dar. Bevor der Gesetzgeber Datenschutzgesetze in Kraft setzt, muss er den Nutzen des ungehinderten Informationsflusses mit den Kosten abwgen und neue Gesetze so abstimmen, dass sie nur dann Belastungen schaffen, wenn die Belastungen den Schaden berwiegen, den die Gesetze verhindern sollen.“6 1 2 3 4 5
Vgl. Härting, CR 2011, 169, 173; Peifer, K&R 2011, 543, 544 f. Vgl. Härting, AnwBl. 2011, 246, 249; Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 64. Wieczorek, DuD 2011, 476, 447 f. Schneider/Härting, ZD 2012, 199 f. Vgl. Härting, AnwBl 2011, 246, 248 ff.; zum hohen Rang der Meinungsäußerungsfreiheit s.a. EMRG, Urteil der Großen Kammer v. 7.2.2012 in der Sache von Hannover gegen Deutschland Nr. 2 (Appl. nos. 40660/08 und 60641/08). 6 Ohm, Broken Promises of Privacy: Responding to the Surprising Failure of Anonymization, 57 UCLA Law Review 1701 (2010), 1736.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
Um die Härte des Verbotsprinzips abzumildern, ist es nach geltendem 169 Recht unerlässlich, den Begriff des „personenbezogenen Datums“ eng auszulegen. Wenn es an einem Personenbezug fehlt, ist das Datenschutzrecht insgesamt nicht anwendbar („Schwarz-Weiß-Prinzip“). Dasselbe gilt für eine Datenverarbeitung, die ausschließlich zu persönlichen und familiären Zwecken erfolgt (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG). Lässt sich ein Personenbezug nicht verneinen, bedarf es einer Legitimati- 170 on der Datenverarbeitung durch Einwilligung des Betroffenen oder durch Anwendung eines der „unendlichen“1 Abwägungstatbestände der §§ 28 und 29 BDSG sowie der §§ 14 und 15 TMG. § 28 BDSG ist bei der privaten (nicht-öffentlichen) Datenverarbeitung 171 die Antwort auf die Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit (Art. 5 GG) und die unternehmerische Betätigungsfreiheit (Art. 12 und 14 GG) durch das Verbotsprinzip (§ 4 Abs. 1 BDSG). Da das Verbotsprinzip massiv in Grundrechte eingreift, muss § 28 BDSG dies durch weitreichende Erlaubnisse ausgleichen. Dies führt dazu, dass § 28 BDSG weit, abstrakt und wenig präzise formuliert ist mit einer Abfolge von Regeln und Ausnahmen in einer Ausgestaltung, die auch den Kenner der Materie vielfach überfordert2. Das Verbotsprinzip, das vordergründig auf die Einwilligung des Nutzers 172 setzt, überzeugt nicht mehr. Es steht und fällt mit der Entscheidung des Nutzers, auf Netzkommunikation ganz oder doch weitgehend zu verzichten. Ein solcher Verzicht ist in der Informationsgesellschaft eine Option, die weder realistisch erscheint noch wünschenswert ist im Hinblick darauf, dass das Internet mehr und mehr zur Hauptverkehrsader des demokratischen Meinungs- und Informationsaustauschs wird3. Überzeugende Argumente für ein Festhalten am Verbotsprinzip gibt es 173 nicht. Dies mag es erklären, warum auf Argumente bisweilen ganz verzichtet4 oder den Kritikern des Verbotsprinzips Absurdes unterstellt wird5. Und es ähnelt Orwells „Doublespeak“6, wenn das Verbotsprinzip als „Garant individueller Freiheit“ bezeichnet wird. Nicht überzeugend ist es, wenn das Verbotsprinzip als „einfache Entschei- 174 dungsregelung“ gepriesen wird7. Das Dickicht der Abwägungen (§ 28 1 Vgl. Härting, CR 2011, 169, 173. 2 Vgl. Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 66. 3 Vgl. Giesen, CR 2012, 550, 553; Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1010; Hoffmann-Riem, AöR 2009, 513, 519 ff. 4 Vgl. Hornung, ZD 2012, 99, 101. 5 Vgl. Weichert, DuD 2013, 246, 249: „nicht abgeschlossene Selbstfindungsphase“; „Zerrissenheit“; „Hoffnung auf einfache Lösungen“; „Kapitulation“; „Befreiung von verfassungsmäßigen Fesseln“; „Post-Privacy-Leute“. 6 George Orwell, 1984: „War is Peace. Freedom is Slavery. Ignorance is Strength“. 7 Eckhardt/Kramer, DuD 2013, 288, 289.
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B. Datenschutzrecht
BDSG) ist ein Beleg für das Gegenteil von Einfachheit. Das Verbot lässt sich auch nicht aus dem notwendigen Schutz der Betroffenen ableiten1, da es im Widerspruch dazu steht, dass das Persönlichkeitsrecht im bürgerlichen Recht gerade nicht dem Verbotsprinzip folgt, sondern in § 823 Abs. 1 BGB als offener Tatbestand ausgestaltet ist, ohne dass sich an der Wirksamkeit des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes zweifeln lässt2. 175
Verfassungsrechtlich ist nicht erst die Erlaubnis der Datenverarbeitung zu rechtfertigen, sondern auch und vorrangig deren Einschränkung3. Das Verbotsprinzip bedeutet eine sehr weitgehende Einschränkung, die sich verfassungsrechtlich nicht mit allgemeinen Schutzerwägungen oder Praktikabilitätserwägungen („Einfachheit“) legitimieren lässt4. 3. Personenbezogene Daten
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Nach § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Art. 2 lit. a der EG-Datenschutzrichtlinie5 konkretisiert die Definition dahingehend, dass alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person personenbezogene Daten sind, wobei als bestimmbar eine Person angesehen wird, die direkt oder indirekt, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen identifiziert werden kann, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind. a) Schutz natürlicher Personen
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Das Datenschutzrecht gilt nur für Informationen über natürliche Personen, nicht jedoch für Daten juristischer Personen6. Dies ist aufgrund der Historie des Gesetzes verständlich: GmbHs werden nicht Gewerkschaftsmitglied und gehen nicht demonstrieren.
178
Unternehmensdaten sind nicht durch das Datenschutzrecht, wohl aber durch andere Rechtsnormen geschützt. Zu erwähnen sind der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch § 17 UWG und der Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie der Schutz des Unternehmerpersönlichkeitsrechts7 durch § 823 Abs. 1 BGB. 1 2 3 4 5
Eckhardt/Kramer, DuD 2013, 288, 289. Vgl. Härting, AnwBl. 2012, 716, 717; Peifer, K&R 2011, 543 ff. Masing, NJW 2012, 2305, 2307. Vgl. Rogall-Grothe, ZRP 2012, 193, 194 ff. Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 S. 31. 6 Vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, § 3 Rz. 11. 7 Vgl. BGH vom 8.2.1994, NJW 1994, 1281.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
Name, Anschrift, Beruf, Staatsangehörigkeit, Interessen: Wer mit Klar- 179 namen im Internet agiert, hinterlässt eine Vielzahl von personenbezogenen Daten, für die das Datenschutzrecht ohne weiteres gilt. Jede Veröffentlichung von Informationen über eine Person im Internet erfüllt den Tatbestand einer Speicherung personenbezogener Daten1. b) Werturteile Gemeinhin wird vertreten, dass Werturteile der Darstellung persönlicher 180 und sachlicher Verhältnisse einer Person dienen und daher gemäß § 3 Abs. 1 BDSG zu den personenbezogenen Daten gehören2. Eine Ausnahme soll allenfalls bei einem „vollständigen Mangel an Informationswert“ gelten3. Eine pauschale und undifferenzierte Einbeziehung von Werturteilen über 181 eine Person in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts ist problematisch, da Art. 5 Abs. 1 GG dabei unberücksichtigt bliebe. Zwar ist es unverkennbar, dass Aussagen wie „schlechter Schuldner“ und „schwierig im Umgang“ oder „Frauenheld“4 zu tatsächlichen Schlussfolgerungen über die jeweilige Person führen können. Bei Internet-Veröffentlichungen entsteht durch die Datenverarbeitung jedoch keine Gefährdung von Persönlichkeitsrechten, die über ein etwaiges Äußerungsdelikt hinausgeht. Daher erscheint es bei Internet-Veröffentlichungen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK gerechtfertigt, wenn nicht gar notwendig, § 3 Abs. 1 BDSG auf Werturteile nicht anzuwenden5. c) Verwendungszusammenhang Einer der meist zitierten Sätze aus dem Volkszählungsurteil des BVerfG 182 ist die Feststellung, dass es im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung keine „belanglosen“ personenbezogenen Daten gibt6. Dies leuchtet ein: Eine Information über einen Bürger, die der Staat gespeichert hält, mag heute „harmlos“ erscheinen. Im Zusammenwirken mit anderen Daten kann sich dies jedoch jederzeit ändern. Dass personenbezogene Daten nie per se „belanglos“ sind, bedeutet 183 nicht, dass alle Informationen gleich sind. Daher darf man den Nachsatz des BVerfG nicht übersehen, in dem betont wird, dass sich Beschränkungen der Datenverarbeitung stets an dem „Verwendungszusammenhang“ messen lassen müssen, in dem die Daten stehen. Wenn heute vielfach ein neuer, „risikoorientierter Ansatz“ des Datenschutzrechts gefordert 1 2 3 4 5 6
Vgl. EuGH vom 6.11.2003, MMR 2004, 95 ff. Gola/Schomerus, § 3 Rz. 6. Gola/Schomerus, § 3 Rz. 6. Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 12. Härting, CR 2009, 21, 26. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 45 – Volkszählung.
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B. Datenschutzrecht
wird, bringt dies einen Gedanken zum Ausdruck, den das BVerfG wie folgt formuliert hat: „Wieweit Informationen sensibel sind, kann hiernach nicht allein davon abhngen, ob sie intime Vorgnge betreffen. Vielmehr bedarf es zur Feststellung der persçnlichkeitsrechtlichen Bedeutung eines Datums der Kenntnis seines Verwendungszusammenhangs: Erst wenn Klarheit darber besteht, zu welchem Zweck Angaben verlangt werden und welche Verknpfungsmçglichkeiten und Verwendungsmçglichkeiten bestehen, lsst sich die Frage einer zulssigen Beschrnkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beantworten.“1
d) Bestimmbarkeit der Person 184
Wie schwierig die Anwendung des § 3 Abs. 1 BDSG sein kann, zeigt sich an dem vergleichsweise einfachen Beispiel von E-Mail-Adressen. Schon die Frage, ob die Adresse [email protected] ein personenbezogenes Datum ist, bedarf differenzierter Erwägungen:
185
Ist die Adresse [email protected] auf der Profilseite eines Social Networks zusammen mit dem Namen und Fotos des Accountinhabers abrufbar, lässt sich eindeutig sagen, dass die Adresse zu einer bestimmten natürlichen Person gehört. Es handelt sich um ein personenbezogenes Datum.
186
Wird die E-Mail-Adresse im Internet veröffentlicht, ohne dass zugleich der Name des Accountinhabers genannt wird, stellt sich die Frage, ob der Accountinhaber „bestimmbar“ ist. Mit der Bestimmbarkeit der Person, die hinter der Phantasie-Adresse steht, steht und fällt die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts2.
187
Die Auslegung des Begriffs der Bestimmbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG ist streitig. Vielfach wird für eine „relative“ Betrachtungsweise plädiert3. Ein und dieselbe E-Mail-Adresse kann nach dieser Auffassung bei der einen verantwortlichen Stelle (vgl. § 3 Abs. 7 BDSG) ein personenbezogenes Datum sein und bei der anderen Stelle nicht4. Die Gegenauffassung5 lehnt – meist unter pauschalem Hinweis auf den Grundrechtsschutz der Betroffenen6 – jegliche Relativierung ab und lässt es ausreichen, dass (theoretisch-abstrakt) Möglichkeiten denkbar sind, die das Datum mit einer natürlichen Person in Verbindung bringen7.
188
Hinter der Kontroverse um die Relativität des Begriffs der Bestimmbarkeit steht der Gesichtspunkt des „Zusatzwissens“8. Der Empfänger einer 1 2 3 4 5 6 7 8
BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 45 – Volkszählung. Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 62. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 21. Vgl. bzgl. Personenbezug Eckhardt, K&R 2007, 602, 603. Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, § 3 Rz. 13. Schaar, Datenschutz im Internet, Rz. 174. Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 288. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 26.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
E-Mail mit der Absenderangabe [email protected] benötigt derartiges „Zusatzwissen“, um die E-Mail-Adresse mit der natürlichen Person in Verbindung zu bringen, die Inhaber des Mail-Accounts ist. Wer jegliche Relativierung der Bestimmbarkeit ablehnt, lässt es ausrei- 189 chen, dass eine Verknüpfung der E-Mail-Adresse mit einer natürlichen Person in irgendeiner Form (objektiv) möglich ist1. Es kommt nicht darauf an, wer über das zur Verknüpfung notwendige „Zusatzwissen“ verfügt. Vielmehr reicht es aus, dass dieses „Zusatzwissen“ objektiv vorhanden ist. Schon wenn irgendwo im Internet Seiten abrufbar sind, die die E-Mail-Adresse mit dem Accountinhaber in Verbindung bringen, genügt dies für eine „absolute“ Bestimmbarkeit2. Selbst wenn ausschließlich der Provider, bei dem der E-Mail-Account geführt wird, Kenntnis von der Identität des Accountinhabers hat, liegt eine „absolute“ Bestimmbarkeit vor. Für die Anhänger eines absoluten Begriffs der Bestimmbarkeit spielt es keine Rolle, ob unverhältnismäßiger Aufwand oder gar kriminelle Energie erforderlich sind, um die E-Mail-Adresse zu deanonymisieren3. Vom Standpunkt eines relativen Begriffs der Bestimmbarkeit lässt sich 190 keine generelle Aussage darüber treffen, ob die E-Mail-Adresse ein personenbezogenes Datum ist. Einerseits können Dritte, die Kenntnis von einer Mail-Adresse erlangen, den Schleier des Fantasienamens im Normalfall nicht ohne erheblichen Aufwand lüften mit der Folge, dass es an einer Personenbezogenheit der Adresse fehlt4. Andererseits kann der Provider des Mail-Accounts ohne größeren Aufwand feststellen, welche Person den Account nutzt. Die Mail-Adresse ist daher für den Provider ein personenbezogenes Datum, wenn der Provider über Datenbestände verfügt, aus denen sich die Identität des Accountinhabers ergibt5. Eine Verabsolutierung der Bestimmbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG führt 191 in letzter Konsequenz dazu, dass man keine Daten mehr finden wird, die nicht personenbezogen sind. Je größer die Datenflut in vernetzten Systemen wird, desto seltener werden Fälle, in denen es tatsächlich (objektiv) unmöglich ist, ein bestimmtes Datum mit einer bestimmten Person in Verbindung zu bringen, sei es auch nur die Person, die die Daten ins Netz gestellt hat. Nimmt man das im Volkszählungsurteil formulierte Anliegen des Grund- 192 rechts auf informationelle Selbstbestimmung ernst, so geht es – nach heutigen Begriffen – um den Schutz des Bürgers vor diskriminierenden Maßnahmen von Staat und Wirtschaft6. Der Bürger soll sich in politi1 2 3 4 5 6
Vgl. Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, § 3 Rz. 13. Vgl. Schaar, Datenschutz im Internet, Rz. 153. Vgl. Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 290. Vgl. Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, § 1 TDDSG Rz. 29. Vgl. Gola/Schumerus, § 3 Rz. 10. Vgl. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 43 f. – Volkszählung.
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B. Datenschutzrecht
scher, gesellschaftlicher und persönlicher Hinsicht frei entfalten können, ohne befürchten zu müssen, dass seine Persönlichkeitsäußerungen (von der Parteizugehörigkeit bis zu „Lastern“ wie Nikotin und Alkohol) protokolliert und zum Anknüpfungspunkt von Diskriminierungsmaßnahmen gemacht werden1. Der Diskriminierungsschutz, auf den sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Kern zurückführen lässt, setzt ein persönlich fassbares Individuum voraus. Wer den Datenschutz stetig verbessern und weiterentwickeln möchte, ohne sein Kernkonzept zu verwerfen, muss daher daran festhalten, dass nur solche Daten als personenbezogene Daten gemäß § 3 Abs. 1 BDSG gelten, die von der verantwortlichen Stelle ohne übermäßigen Aufwand auf eine namentlich identifizierbare Person zurückgeführt werden können2. Solange das Datenschutzrecht dem „Schwarz-Weiß-Prinzip“ folgt und nicht nach Risiken unterscheidet, führt jedwede Verabsolutierung der Bestimmbarkeit zu einem Datenschutz im Übermaß, der nicht zuletzt verfassungsrechtlich immer fragwürdiger wird3. e) Bestands- und Nutzungsdaten 193
Das TMG enthält in den §§ 11 bis 15a Sonderregelungen für Nutzungsund Bestandsdaten. Soweit es um Daten geht, die im Zusammenhang mit Telemedien anfallen, gilt das BDSG nur, soweit den §§ 11 bis 15a TMG keine spezifischen Regelungen zu entnehmen sind. Nutzer im Sinne der §§ 11 bis 15a TMG ist jede natürliche Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen. Auch das TMG regelt somit nicht, wie mit Daten juristischer Personen zu verfahren ist4.
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§ 12 Abs. 1 TMG kodifiziert für den Bereich der Telemedien das Verbotsprinzip. Die Verarbeitung personenbezogener Daten setzt auch für Bestands- und Nutzungsdaten eine gesetzliche Gestattung oder eine Einwilligung voraus. Eine gesetzliche Gestattung kann sich aus den §§ 14 und 15 TMG oder aus dem BDSG (insbesondere aus § 28 BDSG) ergeben.
195
Auch § 12 Abs. 2 TMG ist inhaltsarm. Der Grundsatz der Zweckbindung wird für den Geltungsbereich des TMG bekräftigt und leicht verschärft. Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten, die er für die Bereitstellung von Telemedien erhoben hat, für andere Zwecke nur verwenden, wenn das TMG oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, dies erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.
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§ 13 Abs. 6 Satz 1 TMG verpflichtet den Diensteanbieter zur Ermöglichung eines anonymen oder pseudonymen Nutzung und Bezahlung des 1 2 3 4
BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung. Vgl. Gola/Schumerus, § 3 Rz. 10. Schneider/Härting, ZD 2011, 64 f. Siehe Rz. 177.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
Dienstes, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Die Verpflichtung bezieht sich ausschließlich auf die Nutzung des Dienstes und nicht darauf, ein anonymes oder pseudonymes Vertragsverhältnis mit dem Nutzer zu begründen1. Demnach gibt es keine Verpflichtung zur „vollständigen“ Anonymität bzw. Pseudonymität. Der Diensteanbieter darf personenbezogene Bestands- und Nutzungsdaten (§§ 14, 15 TMG) erheben, verarbeiten und nutzen und muss dem Nutzer lediglich die Möglichkeit geben, bei der Nutzung des Dienstes auf die Angabe des „Klarnamens“ zu verzichten. Schon wegen des breiten Spektrums denkbarer Pseudonyme und des 197 streitigen Begriffs des Personenbezugs ist es zumindest verkürzt zu behaupten, anonymen oder pseudonymen Nutzungsdaten fehle „per se“ jeder Personenbezug2. Der Diensteanbieter, der die pseudonyme und anonyme Nutzung gesetzestreu ermöglicht, erlangt hierdurch keine Gewähr dafür, dass er von dem Verarbeitungsverbot gemäß § 4 Abs. 1 BDSG befreit ist und weder Einwilligungen der Nutzer noch einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand für die Verarbeitung der Nutzerdaten benötigt. § 14 Abs. 1 TMG enthält Sonderregelungen für Bestandsdaten. Hierbei 198 handelt es sich um Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind. Wenn für die Nutzung eines Telemediums eine Vergütung vereinbart 199 wird, die von der Häufigkeit, Dauer oder Intensität der Nutzung abhängt, muss das Nutzerverhalten zu Abrechnungszwecken nachgehalten und erfasst werden. Es geht dann gemäß § 15 Abs. 1 TMG um Nutzungsdaten, zu denen insbesondere die Identität des Nutzers, der Beginn, das Ende sowie der Umfangs einer Nutzung und die Art der in Anspruch genommenen Telemedien zählen. Für Nutzungsprofile schreibt § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG die Verwendung 200 von Pseudonymen vor. Ein Profil darf zwar umfangreiche Informationen über einen Nutzer enthalten, der Nutzer darf jedoch nicht identifizierbar sein. § 15 Abs. 3 TMG enthält kein Verbot einer Speicherung identifizierender 201 Informationen, wohl aber ein Trennungsgebot und – in § 15 Abs. 3 Satz 3 TMG – ein Verbot der Zusammenführung3. § 15 Abs. 3 Satz 3 TMG ist die einzige Datenschutznorm, die es einem Datenverarbeiter ausdrücklich untersagt, den „Schleier“ der Pseudonymität zu lüften. 1 Hullen/Roggenkamp in Plath, BDSG, § 13 TMG, Rz. 43; Moos in Taeger/Gabel, BDSG, § 13 TMG, Rz. 41; Stadler, ZD 2011, 57, 58. 2 Vgl. Moos in Taeger/Gabel, BDSG, § 13 TMG, Rz. 42. 3 Vgl. Zscherpe in Taeger/Gabel, BDSG, § 15 TMG, Rz. 64 f.
55
B. Datenschutzrecht
202
§ 15 Abs. 3 Satz 1 TMG gibt dem Datenverarbeiter keine Gewähr für einer Befreiung vom Verarbeitungsverbot gemäß § 4 Abs. 1 BDSG1. Pseudonyme können zugleich personenbezogene Daten sein, wenn bekannt ist oder mit zugänglichem Zusatzwissen festgestellt werden kann, auf welche Person sie sich beziehen2. Schaar vertrat bereits 2002 die Auffassung, dass das Pseudonym im Normalfall den Personenbezug nicht aufhebt3. Dies ist die logische Folge der von den Datenschützern überwiegend vertretenen Auffassung vom „absoluten“ Begriff des Personenbezugs. Eine theoretische Möglichkeit, den Schleier des Pseudonyms zu lüften, gibt es immer.
203
Begreift man die personenbezogenen Daten als Objekt und die zugehörige natürliche Person als Subjekt des Datenschutzrechts, ist unklar, ob das Pseudonym im Datenschutzrecht lediglich Objekt oder auch Subjekt sein kann. § 15 Abs. 3 TMG erlaubt dem Anbieter eines Telemediums die Anlegung von Nutzungsprofilen bei Verwendung von Pseudonymen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass der Gesetzgeber auch pseudonyme Daten als personenbezogene Daten betrachtet4. Es bedarf für die Anwendung des Datenschutzrechts nach dieser Auffassung nicht der Zuordnung von Daten zu einer (namentlich) benennbaren Person5. Vielmehr reicht die Zuordnung zu einem Pseudonym aus. Folge: Jede Sammlung von Daten, die dem Pseudonym [email protected] zuzuordnen ist, unterfällt dem Datenschutzrecht6. Ob und inwieweit sich das Pseudonym einer (namentlich) identifizierbaren Person zuordnen lässt, ist unerheblich7.
204
§ 15 Abs. 3 Satz 1 TMG gibt dem Nutzer das Recht, der Profilbildung zu widersprechen (Opt Out). Dies spricht dafür, dass es für die Profilbildung keiner Einwilligung des Nutzers (Opt In) bedarf. Bei einem weiten Verständnis vom Begriff des Personenbezugs kann sich der Datenverarbeiter auf eine solche Sichtweise indes nicht verlassen. f) Pseudonymisierung und Pseudonyme
205
Der Begriff des Pseudonyms hat sich erst durch das Internet im Datenschutzrecht eingebürgert8 und dient dazu, die Identität der Person zu verschleiern, deren Daten gespeichert sind9.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. Peifer, K&R 2011, 543, 545. Schaar, Datenschutz im Internet, München 2002, S. 59, Rz. 162. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 67. Schaar, Datenschutz im Internet, Rz. 162; Hillenbrand-Beck/Greß, DuD 2001, 389, 391. Schaar, Datenschutz im Internet, Rz. 162. Vgl. Hillenbrand-Beck/Greß, DuD 2001, 389, 391. Vgl. Scholz in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 215. Vgl. Scholz in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 212 f. Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, § 4 TDDSG Rz. 44.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
§ 3 Abs. 6a BDSG versteht die Pseudonymisierung als das „Ersetzen“ des 206 Namens oder anderer Identifizierungsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren. Dieser Definition liegt die Perspektive eines Datenverarbeiters zugrunde, der über einen Bestand an personenbezogenen Daten verfügt und diese Daten in pseudonymisierte Daten verwandelt: An die Stelle des Namens bzw. der (anderen) Identifizierungsmerkmale tritt jeweils ein „Kennzeichen“, das keinen Rückschluss auf die Person des Betroffenen zulässt. Ein typischer Fall der Pseudonymisierung ist die Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen, bei der die Namen der Prüflinge durch Kennnummern ersetzt werden. Beim Pseudonymisieren gibt es im Normalfall eine Zuordnungsregel 207 bzw. Referenzliste oder Referenzdatei, die es dem Kenner dieser Regel bzw. Liste oder Datei ermöglicht, die Pseudonymisierung rückgängig zu machen1. In einem solchen Fall haben die Daten jedenfalls für den Datenverarbeiter Personenbezug, so dass trotz der Pseudonymisierung das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 Abs. 1 BDSG) gilt. Hat der Datenverarbeiter keine Kenntnis von der Zuordnungsfunktion 208 und auch keine Möglichkeit der Kenntnisnahme, besteht aus seiner Sicht kein Unterschied zu anonymen Daten2, und es hängt von dem („absoluten“ oder „relativen“) Verständnis des Begriffs des Personenbezugs ab, ob die Daten § 4 Abs. 1 BDSG unterfallen oder nicht3. Bei einem absoluten Verständnis des Begriffs reicht die bloße Existenz der Zuordnungsregel für einen Personenbezug aus4. Bei einem relativen Verständnis kommt es dagegen darauf an, ob der Datenverarbeiter den Personenbezug ohne unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft wieder herstellen kann5. Nicht von § 3 Abs. 6a BDSG erfasst sind Datenbestände, die von vorn- 209 herein weder Namen noch andere Identifizierungsmerkmale, sondern lediglich „Kennzeichen“ (Phantasienamen) enthalten6. Derartige Datenbestände sind originär „pseudonym“, ohne dass es eines Vorgangs der „Pseudonymisierung“ bedarf. Diese Art der „Pseudonymität“ ist bei Online-Diensten weitverbreitet. Wer beispielsweise in einem Chat-Portal einen der üblichen Chatnamen verwendet („Sweet26“), nutzt das Portal
1 Vgl. Gola/Schomerus, § 3 Rz. 46; Buchner in Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rz. 47; Zscherpe in Taeger/Gabel, BDSG, § 3a Rz. 46. 2 Vgl. Arning/Forgó/Krügel, DuD 2006, 701 f. 3 Vgl. Plath/Schreiber in Plath, BDSG, § 3 Rz. 62; Buchner in Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rz. 47. 4 Vgl. Buchner in Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rz. 50. 5 Plath/Schreiber in Plath, BDSG, § 3 Rz. 63; Scholz in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 220a; Buchner in Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rz. 49. 6 Vgl. Plath/Schreiber in Plath, BDSG, § 3 Rz. 63; Scholz in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 220a; Buchner in Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rz. 49.
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B. Datenschutzrecht
pseudonym. Der Portalbetreiber erfährt den „Klarnamen“ ebenso wenig wie andere „Identifizierungsmerkmale“. 210
Dem Datenverarbeiter ist bei pseudonymisierten Daten ebenso wie bei Pseudonymen im Normalfall zu raten, von einem Personenbezug auszugehen und sich um eine Einwilligung der Betroffenen zu bemühen (§§ 4, 4a BDSG). Wenn eine solche Einwilligung trotz Pseudonymisierung notwendig erscheint, fragt sich mancher Datenverarbeiter, warum er sich überhaupt der Mühe einer Pseudonymisierung unterziehen soll. g) Anonymisierung und anonyme Daten
211
Ursprünglich bestand im Datenschutzrecht Einigkeit darüber, dass die Personenbezogenheit von Daten durch eine Anonymisierung beseitigt werden kann. Anonymisierte Daten galten nicht als personenbezogen und unterfielen damit auch nicht dem Datenschutzrecht1.
212
Nach § 3 Abs. 6 BDSG ist unter dem Anonymisieren ein „Verändern“ personenbezogener Daten zu verstehen in der Weise, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit, Kosten oder Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Die Definition beschreibt ein Ziel bzw. Ergebnis, nicht jedoch den Weg, der zu diesem Ergebnis führt. Mit welchen Maßnahmen Daten „verändert“ werden müssen, um als anonym zu gelten, ist der Definition nicht zu entnehmen.
213
Hinsichtlich des Ergebnisses einer Anonymisierung unterscheidet § 3 Abs. 6 BDSG zwischen zwei Alternativen2: Die erste Alternative ist die „absolute“ Anonymisierung, bei der eine Reidentifizierung unmöglich ist, ein illusionärer Fall, da es stets Möglichkeiten gibt, mit Hilfe der Informationstechnologie den „Schleier der Anonymität“ zu lüften. Die zweite Alternative ist die „faktische“ Anonymisierung, bei der eine Reidentifizierung zwar möglich ist, aber einen unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft erfordert.
214
Nach § 4 Abs. 1 BDSG bedarf jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten einer Einwilligung des Betroffenen oder einer gesetzlichen Erlaubnis (Verbotsprinzip). Ob die Anonymität der Kommunikation einen Personenbezug (§ 3 Abs. 1 BDSG) ausschließt und damit aus dem Verbotsprinzip hinausführt, ist unklar. Eine Aussage zum Verhältnis zwischen Anonymität und Personenbezug findet sich im BDSG nicht.
215
Ob eine „faktische“ Anonymisierung ausreicht, um den Personenbezug von Daten gemäß § 3 Abs. 1 BDSG auszuschließen, ist streitig und hängt 1 Dammann in Simitis, BDSG, 1. Aufl. 1981, § 2 Rz. 38. 2 Vgl. Gola/Schomerus, § 3 Rz. 44.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
davon ab, wie man den Begriff des Personenbezugs versteht1. Vielfach wird für einen „relativen“ Begriff plädiert. Ein und dasselbe Datum kann nach dieser Auffassung bei der einen verantwortlichen Stelle (vgl. § 3 Abs. 7 BDSG) ein personenbezogenes Datum sein und bei einer anderen Stelle nicht2. Die Gegenauffassung3 lehnt – meist unter pauschalem Hinweis auf den Grundrechtsschutz der Betroffenen4 – jegliche Relativierung ab und lässt es ausreichen, dass (theoretisch-abstrakt) Möglichkeiten denkbar sind, die das Datum mit einer natürlichen Person in Verbindung bringen5. Wer einen absoluten Begriff des Personenbezuges befürwortet, muss bei 216 „faktisch“ anonymisierten Daten einen Personenbezug bejahen. Anonymität und Personenbezug schließen sich bei einer solchen Sichtweise nicht aus6. Ähnliches gilt, wenn für eine Anonymisierung – ausnahmslos – eine „absolut irreversible Maßnahme“ gefordert wird7. Sogar eine per „Privacy Extension“ um einige Ziffern gekürzte und damit anonymisierte IP-Adresse verliert den Personenbezug bei einem „absoluten“ Verständnis nicht, da eine Reidentifizierung möglich bleibt8. Nur wenn man einen relativen Maßstab anlegt und für den Personenbe- 217 zug darauf abstellt, ob eine Reidentifizierung ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, führt die Anonymisierung dazu, dass Daten den Personenbezug verlieren und dem Anwendungsbereich des BDSG nicht mehr unterfallen9. Der Begriff der Anonymität ist nach dieser Sichtweise ein Gegenbegriff zum Personenbezug mit der Folge, dass Daten stets entweder anonym oder personenbezogen sind10. Daten, die von vornherein ohne Personenbezug erhoben und gespeichert werden, sind nach dieser Ansicht ausnahmslos anonym und fallen nicht in den Anwendungsbereich des BDSG11. Gänzlich unvorhersehbar würden die Folgen einer Anonymisierung, 218 wenn datenschutzrechtliche Pflichten schon dann bestünden, wenn es „potentiell“ zu einer Deanonymisierung kommen könnte, da sich eine solche Deanonymisierung nie ausschließen lässt. Die Kategorie „poten-
1 Vgl. Krüger/Maucher, MMR 2011, 433 ff.; Sachs, CR 2010, 547, 548 ff.; Venzke, ZD 2011, 114 ff. 2 Vgl. Arning/Forgó/Krügel, DuD 2006, 704; Eckhardt, K&R 2007, 602, 603; Eckhardt, CR 2011, 339, 342 ff.; Meyerdierks, MMR 2009, 8. 3 Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, § 3 Rz. 13. 4 Schaar, Datenschutz im Internet, Rz. 174. 5 Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 288. 6 A.A. Gola/Schomerus, § 3a Rz. 10. 7 Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 200. 8 Vgl. Krüger/Maucher, MMR 2011, 433, 438 f. 9 Gola/Schomerus, § 3 Rz. 10; Buchner in Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rz. 44 f. 10 Pahlen-Brandt, DuD 2008, 37. 11 Vgl. Gola/Schomerus, § 3 Rz. 43.
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B. Datenschutzrecht
tiell personenbezogener Daten“1 ist dem geltenden Datenschutzrecht fremd. Daher geht es nicht an, aus dem geltenden Recht Handlungspflichten für Daten abzuleiten, die „potentiell“ – etwa durch Hacker2 – deanonymisiert werden können. 219
Letztlich hängt die Erlaubnis der Verarbeitung (faktisch) anonymisierter Daten von dem streitigen Begriff des Personenbezugs ab. Dies bedeutet für den Datenverarbeiter ein erhebliches Risiko, da er trotz einer Anonymisierung nicht sicher sein kann, dass er keine Einwilligung der Betroffenen oder eine gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung benötigt (§ 4 Abs. 1 BDSG). Dem Datenverarbeiter ist im Normalfall zu raten, für die Datenverarbeitung vorsorglich eine Einwilligung der Betroffenen (§ 4a BDSG) einzuholen. damit die Rechtmäßigkeit außer Zweifel steht.
220
Eines „Veränderns“ von Daten (§ 3 Abs. 6 BDSG) bedarf es nur, wenn Daten Personenbezug haben und nicht von vornherein anonym angefallen sind. Bei einem anonymen Posting in einem Blog stellt sich die Frage einer Anonymisierung gar nicht erst. Aus Sicht des Nutzers ist die anonyme Nutzung gegenüber der anonymisierten Nutzung vorteilhaft. Wie bei der pseudonymen Nutzung bleibt es auch bei der Anonymität allein dem Nutzer überlassen, inwieweit er im Zuge der Nutzung eines Dienstes Informationen preisgibt, die Rückschlüsse auf seine Person zulassen.
221
Wenn Gerichtsentscheidungen zur Veröffentlichung frei gegeben werden, werden sie seit jeher anonymisiert. Namen, Ortsbezeichnungen und andere individualisierende Angaben werden geschwärzt. Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg reicht dies bei einer Online-Veröffentlichung nicht in jedem Fall aus, um einen Personenbezug und damit die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auszuschließen. Wenn über eine Google-Recherche unter Eingabe von Stichworten aus der Entscheidung die Person einer Prozesspartei identifizierbar sei, sei ein Personenbezug zu bejahen3. 4. Einwilligung und Transparenz
222
Die Datenflut prägt die Netzkommunikation. Und im Zeichen dieser Datenflut wird jedes Postulat, der Nutzer möge selbst über die Preisgabe von Daten bestimmen, leicht zu einer Fiktion. Dies ist das Kernproblem der Einwilligung bei Internet-Sachverhalten. Richtigerweise muss das Augenmerk auf Transparenz und nicht auf Autonomie gelegt werden.
223
Transparenz führt nicht nur zu einer Verstärkung der Selbstbestimmung auf Seiten des Nutzers. Vielmehr wird zugleich das Vertrauen in Kom-
1 Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 36. 2 Vgl. Scholz in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 38. 3 VGH Baden-Württemberg vom 23.7.2010, MMR 2011, 277, 278.
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munikationsdienste und damit in eine Infrastruktur gestärkt, die für den freien Informationsaustausch und die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Informationsgesellschaft einen hohen Stellenwert hat. Es geht nicht nur um die individuelle Grundrechtsausübung, sondern auch um eine Stärkung der Verlässlichkeit und Durchschaubarkeit von Kommunikationsinfrastruktur1. Vorbild sollte nicht der Politiker sein, der – wie die Bundesministerin für Verbraucherschutz2 – vor der Bezahlung mit der Kreditkarte im Internet warnt, sondern Politikerinnen und Politiker, die hohe Sicherheitsstandards für die Verarbeitung von Kreditkartendaten im Netz fordern. Die Einwilligung versagt als zentrales Instrument der Autonomie, da 224 dem Nutzer nur die – wenig verlockende – Alternative bleibt, auf Netzkommunikation ganz oder doch weitgehend zu verzichten. Ein solcher Verzicht ist eine Option, die weder realistisch erscheint noch wünschenswert ist im Hinblick darauf, dass das Internet mehr und mehr zur Lebensader des demokratischen Meinungs- und Informationsaustauschs wird3. a) Datenschutzbestimmungen Zur Schaffung von Transparenz eignen sich Datenschutzbestimmungen, 225 die sich in der Praxis als gut eingeführtes Informationsmittel bewährt haben. Kein Internetdienst ohne Datenschutzbestimmungen: Dies sollte zum Prinzip werden, das einer gesetzlichen Untermauerung bedarf. Dabei sollten strenge Anforderungen gelten für die Auffindbarkeit der Datenschutzbestimmungen und für die sprachliche Verständlichkeit4. Zentraler inhaltlicher Bezugspunkt von Datenschutzbestimmungen sollte die Benennung der Zwecke sein, die mit einer Datensammlung verfolgt werden5. Ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für Transparenz ist § 13 Abs. 1 226 TMG, der einige Informationspflichten des Diensteanbieters regelt. Diesen Pflichten können Dienstanbieter dadurch nachkommen, dass sie Datenschutzbestimmungen auf ihre Website aufnehmen. In diesen Bestimmungen müssen die Nutzer über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form unterrichtet werden. Die Datenschutzbestimmungen sind für den Nutzer jederzeit abrufbar zu halten.
1 Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 2009, 513, 527. 2 http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Interview/2010/03/201003-15-aigner-ts.html. 3 Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1010; Hoffmann-Riem AöR 2009, 513, 519 ff. 4 Vgl. Ott, MMR 2007, 354 ff. 5 Härting, BB 2010, 839, 841.
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B. Datenschutzrecht
b) Informierte Einwilligung 227
Gemäß den §§ 4 und 4a BDSG ist die Datenverarbeitung erlaubt, wenn die Betroffenen eingewilligt haben. Die Einwilligung ist ein Rechtsgeschäft, durch die ein abstrakt-generelles Verbot durch eine konkret-individuelle Eingriffserlaubnis modifiziert wird1. aa) Bedeutung der Einwilligung
228
Als Instrument der Autonomie wird die Einwilligung weit überschätzt2. Dies wird zunehmend erkannt3, unter anderem durch die EU-Kommission, die dem Instrument der Einwilligung so stark misstraut, dass sie eine Einwilligung als Grundlage für eine Datenverarbeitung ausschließen möchte, wenn ein „erhebliches Ungleichgewicht“ zwischen dem Datenverarbeiter und dem Betroffenen besteht (§ 7 Abs. 4 DS-GVO).
229
Der Dienstearbeiter, der eine Einwilligung vorformuliert, wird stets bemüht sein, die Einwilligung möglichst weit zu fassen und sie auf eine Vielzahl von Verarbeitungs- und Nutzungsvorgängen zu erstrecken. Für eine Beschränkung auf pseudonyme oder anonyme Verarbeitungsvorgänge4 gibt es in einer solchen Situation ebenso wenig Anlass wie für andere Einschränkungen: „Fast an jedem Ort, an dem sich der Einzelne heute bewegt – vor allem online – wird er mit langen und komplexen Datenschutzbestimmungen konfrontiert, die routiniert von Juristen fr Juristen geschrieben worden sind. Sodann wird der Einzelne gefragt, entweder ‚einzuwilligen’ oder den gewnschten Dienst nicht in Anspruch zu nehmen. Die binre Auswahl entspricht nicht dem, was sich die Architekten des Datenschutzrechts vor vier Jahrzehnten vorstellten, als sie von dem Bild mndiger Brger ausgingen, die informierte Entscheidungen ber die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten treffen. In der Praxis ist dies gewiss nicht der optimale Mechanismus, um sicherzustellen, dass sowohl die Privatsphre als auch der freie Informationsfluss geschtzt werden.“5
230
Je weiter der Spielraum, den sich der Datenverarbeiter durch eine Einwilligung verschafft, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in Zukunft die Nutzer um weitere Einwilligungen bitten muss: „Die informationelle Selbstbestimmung flchtet sich in die Einwilligung. Sie versucht neutral zu sein in der Sache – ob bestimmte Arten der Sammlung, Nutzung und Verbreitung von personenbezogenen Daten gut oder schlecht ist – und konzentriert sich statt dessen darauf, ob Personen verschiedenen Datenschutzbestim-
1 2 3 4 5
Ohly, GRUR 2012, 983, 985. Härting, AnwBl. 2012, 716, 719 f. Vgl. Kutscha, DuD 2011, 461, 463; Masing, NJW 2012, 2305, 2309. Vgl. VG Berlin vom 24.5.2011 – 1 K 133/10. Cate/Mayer-Schönberger, Notice and consent in a world of Big Data, International Data Privacy Law, 2013, Vol. 3, No. 2, S. 67, 67, http://m.idpl.oxfordjournals .org/content/3/2/67.full.pdf.
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I. Informationelle Selbstbestimmung mungen zugestimmt haben. Die Einwilligung legitimiert nahezu jede Form der Sammlung, Nutzung und Verbreitung von personenbezogenen Daten.“1
Ungeachtet aller Kritik am Instrumentarium der Einwilligung übt der Be- 231 troffene mit der Einwilligung ein Selbstbestimmungsrecht aus. Die Handlung ist rechtmäßig, weil der Rechteinhaber so will, nicht weil sie objektiv interessengerecht erscheint2. Eine Einwilligung ist nach § 4a BDSG auch dann wirksam, wenn sie un- 232 vernünftig erscheint. Es steht dem Betroffenen frei, eine Datenverarbeitung zu billigen, an der er selbst kein Interesse hat oder die dem äußeren Anschein nach gegen sein Interesse gerichtet sein mag3. bb) Voraussetzungen der Einwilligung § 13 Abs. 2 TMG ermöglicht eine elektronische Einwilligungserklärung 233 des Nutzers. Zur Wirksamkeit einer solchen Erklärung muss der Diensteanbieter dafür Sorge tragen, dass der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat, die Einwilligung protokolliert wird und der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen und widerrufen kann. Die Einwilligung ist von reiner Passivität zu unterscheiden. Ebenso we- 234 nig wie Schweigen eine Willenserklärung ist, stellt reines Dulden eine Einwilligung dar. Die Einwilligung kann jedoch konkludent erklärt werden, da § 4a Abs. 1 BDSG keine Ausdrücklichkeit verlangt. Dafür muss der Rechtsinhaber eine Handlung vornehmen, die den Schluss auf einen entsprechenden Rechtsfolgewillen zulässt4. Aus § 4a BDSG ergibt sich nicht, dass die Einwilligung nur dann wirk- 235 sam sein soll, wenn der Nutzer eine gesonderte Einwilligungserklärung unterzeichnen oder ein Kästchen ankreuzen muss. Vielmehr ist § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG zu entnehmen, dass die Einwilligung auch zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werden kann, sofern sie besonders hervorgehoben wird. Durch dieses Erfordernis soll verhindert werden, dass die Einwilligung bei Formularverträgen im Kleingedruckten versteckt wird und der Betroffene sie durch seine Unterschrift erteilt, ohne sich ihrer und ihres Bezugsgegenstands bewusst zu sein, weil er sie übersieht5. 1 Solove, Privacy Self-Management and the Consent Dilemma, 126 Harvard Law Review 1880 (2013), 1880, http://www.harvardlawreview.org/media/pdf/vol126_ solove.pdf. 2 Ohly, GRUR 2012, 983, 984. 3 VG Berlin vom 24.5.2011 – 1 K 133/10, Rz. 29. 4 Ohly, GRUR 2012, 983, 986. 5 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback; BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits; vgl. auch OLG Hamm vom 17.2.2011 – I-4 U 174/10.
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B. Datenschutzrecht
236
Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG wird die Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht, wobei der Betroffene auf den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung hinzuweisen ist. An der Möglichkeit einer freien Entscheidung kann es fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe seiner Daten verleitet wird1. An den Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG fehlt es zudem, wenn die Einwilligung nicht hinreichend bestimmt ist. Es muss deutlich werden, unter welchen Bedingungen welche Daten genutzt werden dürfen, damit der Betroffene die Tragweite seines Einverständnisses erkennen kann2. cc) AGB-Kontrolle
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Den Anforderungen an eine informierte Einwilligung genügt es, wenn die Einwilligung durch ein Anklickfeld erteilt wird und in unmittelbarer Nähe des Anklickfelds klar und deutlich auf die Datenschutzbestimmungen hingewiesen wird, die dann über einen Hyperlink abrufbar sind. Im Hinblick auf § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG genügt es auch, wenn auf Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen wird, die eine – hervorgehobene – Einwilligungserklärung enthalten.
238
In seinen Entscheidungen zu „Payback“3 und HappyDigits4 hat der BGH betont, dass es zulässig ist, die Einwilligungserklärung gemäß § 4a Abs. 1 BDSG in Allgemeine Geschäftsbedingungen aufzunehmen, ohne dass es des Ankreuzens eines gesonderten Anklickfeldes bedarf („Opt In“). Die Notwendigkeit, aktiv die Einwilligung zu verweigern („Opt Out“), sei keine ins Gewicht fallende Hemmschwelle, die den Verbraucher davon abhalten könnte, von seiner Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch zu machen5.
239
Die vorformulierte Einwilligung ist so zu gestalten, dass dem Nutzer Umfang und Inhalt der Einwilligungserteilung nicht verborgen bleiben können, so dass sich die Einwilligungserklärung als ein bewusster und autonomer Willensakt darstellt. Die Einwilligungsklausel sollte daher so platziert und drucktechnisch so gestaltet sein, dass der Betroffene auf die mit der Unterschriftsleistung verbundene Einwilligungserklärung und ein Ankreuzkästchen mit einer Abwahlmöglichkeit geradezu gestoßen
1 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback; BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits; OLG Köln vom 17.6.2011 – 6 U 8/11, Rz. 15. 2 Vgl. OLG Köln vom 17.6.2011 – 6 U 8/11, Rz. 17. 3 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback. 4 BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits. 5 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback; BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits.
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I. Informationelle Selbstbestimmung
wird1. Statt eines solchen Ankreuzkästchens reicht es nach Auffassung des BGH auch aus, wenn fettgedruckt auf die Möglichkeit der Streichung der Einwilligungsklausel hingewiesen wird2. Es verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn 240 eine Einwilligungserklärung an versteckter Stelle mitten in einem vorformulierten Text untergebracht ist3. Dasselbe gilt, wenn die Klausel als Bevollmächtigung zur Weitergabe von Daten an Dritte „zur Formulierung von bedarfsgerechten Angeboten und Informationen“ formuliert ist, da diese Formulierung dazu führen kann, dass der Verwender die Daten nach Gutdünken weitergibt4. Nach § 305 Abs. 1 BGB gilt das AGB-Recht nur für Vertragsbedingungen. 241 Wenn daher Einwilligungserklärungen in die vorformulierten Bedingungen für ein Gewinnspiel aufgenommen werden, ohne dass ein Vertragsschluss beabsichtigt ist, sind diese Erklärungen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB entzogen. Allerdings gilt dies nur, wenn die Einwilligungserklärung nicht abgegeben werden muss, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Wird eine solche Erklärung verlangt, liegt ein Vertragsverhältnis und kein einseitiges Rechtsgeschäft (Auslobung bzw. Preisausschreiben, §§ 657, 661 BGB) vor5. 5. Datenverarbeitung ohne Einwilligung a) Bestands- und Nutzungsdaten § 14 Abs. 1 TMG erlaubt dem Diensteanbieter die Erhebung von Be- 242 standsdaten. Hierbei handelt es sich um Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind. § 14 Abs. 1 TMG setzt ein Vertragsverhältnis zwischen Diensteanbieter 243 und Nutzer voraus. Wenn es an einem solchen Vertragsverhältnis fehlt6, kann § 14 Abs. 1 TMG die Verarbeitung von Daten nicht legitimieren. Unabhängig davon, ob es sich um einen entgeltlichen oder einen unentgeltlichen Vertrag handelt, wird man allerdings bei jedem Vertrag zwischen Diensteanbieter und Nutzer ein legitimes Interesse des Diensteanbieters an der Speicherung und Nutzung von Daten bejahen, die dem Diensteanbieter die Identifizierung seines Vertragspartners ermöglichen.
1 2 3 4
Vgl. BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback. Vgl. BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits. LG Bonn vom 31.10.2006, CR 2007, 237 f. LG Dortmund vom 23.2.2007 – 8 O 194/06; vgl. auch OLG Köln vom 23.11.2007, WRP 2008, 1130 ff. 5 KG vom 26.8.2010, NJW 2011, 466. 6 Siehe Rz. 769.
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B. Datenschutzrecht
244
Wenn für die Nutzung eines Telemediums eine Vergütung vereinbart wird, die von der Häufigkeit, Dauer oder Intensität der Nutzung abhängt, muss das Nutzerverhalten zu Abrechnungszwecken nachgehalten und erfasst werden. Es geht dann gemäß § 15 Abs. 1 TMG um Nutzungsdaten, die verarbeitet werden dürfen und zu denen insbesondere die Identität des Nutzers, der Beginn, das Ende sowie der Umfangs einer Nutzung und die Art der in Anspruch genommenen Telemedien zählen.
245
Sofern während und durch die konkrete Nutzung von Telemedien Daten entstehen, die notwendigerweise für die Inanspruchnahme erfasst werden, handelt es sich um Nutzungsdaten gemäß § 15 Abs. 1 TMG. Denkbar sind Daten über die Nutzungsdauer oder die Anzahl von Downloads, aber auch der Benutzername und das Passwort. Dabei kann es zu Überschneidungen mit Bestandsdaten nach § 14 Abs. 1 TMG kommen, wenn es etwa um Daten geht, die eine Identifizierung des Nutzers ermöglichen1. b) Abwägung nach den §§ 28 und 29 BDSG
246
Während die §§ 14 und 15 TMG die Voraussetzungen regeln, unter denen eine Verarbeitung von Bestands- und Nutzungsdaten ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig ist, gelten für alle anderen personenbezogenen Daten ausschließlich die §§ 28 und 29 BDSG.
247
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, wenn es für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist. Dasselbe gilt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG für die Verarbeitung von Daten, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.
248
Nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. ist § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG einschränkend auszulegen, wenn Minderjährige beteiligt sind. Die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG getroffene Regelung finde ihre Rechtfertigung darin, dass der Betroffene eine autonome Entscheidung für einen Vertragsabschluss getroffen habe. Sei der Betroffene beschränkt geschäftsfähig, ohne bereits über die in Belangen des Datenschutzes erforderliche Einsichtsfähigkeit zu verfügen, könne § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG jedenfalls dann keine uneingeschränkte Anwendung finden, wenn es um eine Vereinbarung gehe, mit der die Daten erhebende Stelle (auch) Werbezwecke verfolgt. In einem solchen Fall bedürfe es einer Interessenab1 Vgl. Spindler/Nink in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 15 TMG Rz. 2.
66
I. Informationelle Selbstbestimmung
wägung, die die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen und den Vertragszweck einbeziehe1. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG erlaubt die Verarbeitung von Daten, wenn 249 die Daten allgemein zugänglich sind oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle offensichtlich überwiegt. Nach Auffassung des OLG Hamburg legitimiert § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 250 BDSG die Veröffentlichung von Daten, die einem irischen Handelsregister entnommen worden sind. Es handele sich insoweit um Daten aus allgemein zugänglichen Quellen, als sie Informationen enthalten, die für die Erörterung von Themen öffentlichen Interesses bedeutsam sind. Der Verfasser des beanstandeten Beitrags habe die Daten für die Erörterung eines Themas von öffentlichem Interesse genutzt; denn der Beitrag dient dem Ziel einer Aufklärung der Verbraucher über Diätprodukte, die im Fernabsatz vertrieben werden. Die Publikation der Daten diene zum Beweis der Aussage, welche konkrete Person hinter einzelnen Unternehmen stehe. Wer als Geschäftsführer für Unternehmen tätig sei, die anbietend am Markt auftreten, müsse es hinnehmen, dass über ihn in identifizierbarer Weise berichtet wird, wenn Aktivitäten des Unternehmens einer Kritik unterzogen werden2. § 29 BDSG enthält eine Reihe von zusätzlichen Anforderungen, die er- 251 füllt sein müssen, wenn die Datenverarbeitung geschäftsmäßig zum Zwecke der Übermittlung erfolgt, wie dies insbesondere bei Adresshändlern und Auskunfteien, aber auch bei Informations-„Übermittlern“ im Internet der Fall ist. Da die Betreiber des Portals geschäftsmäßig Daten übermitteln, hat der BGH in seiner „spickmich.de“-Entscheidung die Anwendbarkeit des § 29 BDSG bejaht3. Dieselbe Auffassung haben das OLG Frankfurt a.M.4 und das LG Hamburg5 für Arztbewertungsportale vertreten. Eine geschäftsmäßige Erhebung i.S.d. § 29 BDSG liegt vor, wenn die Tä- 252 tigkeit auf Wiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne einer Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich6.
1 OLG Frankfurt a.M. vom 30.6.2005, CR 2005, 830 ff.; vgl. auch OLG Hamm vom 20.9.2012 – I-4 U 85/12, Rz. 52. 2 OLG Hamburg vom 2.8.2011 – 7 U 134/10, Rz. 13. 3 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 – 16 U 125/11, Rz. 20. 5 LG Hamburg vom 20.9.2010 – 325 O 111/10, Rz. 32. 6 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de.
67
B. Datenschutzrecht
253
Die Speicherung der Bewertungen ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und -speicherung nicht gegeben ist. Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen die Datenerhebung und -speicherung dient. Bietet die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Abwägung keinen Grund zu der Annahme, dass die Speicherung der in Frage stehenden Daten zu dem damit verfolgten Zweck schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt, ist die Speicherung zulässig1.
254
In seiner Entscheidung zu „spickmich.de“ hat der BGH eine Abwägung zwischen dem Recht der betroffenen Lehrerin auf informationelle Selbstbestimmung und der Meinungsfreiheit vorgenommen, auf die sich der Portalbetreiber berief. Diese Abwägung fiel im Ergebnis zugunsten des Portals aus mit der Folge, dass die Veröffentlichung der Bewertungsdaten durch § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG legitimiert war2. Zum selben Ergebnis gelangten das OLG Frankfurt3 und das LG Hamburg4 bei Arztbewertungsportalen.
255
Da das Datenschutzrecht nicht mehr als eine Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, bedarf es bei der Anwendung der §§ 28 und 29 BDSG einer Parallelwertung. Sofern es daher um Informationen geht, die nicht dem Bereich der rein privaten Lebensgestaltung zuzuordnen sind, sondern zur Sozialsphäre gehören, ist eine wahrheitsgemäße Veröffentlichung grundsätzlich erlaubt5. 6. Medienprivileg
256
Der EuGH hat bereits im Jahre 2003 die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf Internet-Veröffentlichungen bejaht, wobei das Gericht
1 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Frankfurt vom 8.3.2012 – 16 U 125/11, Rz. 24; LG Hamburg vom 20.9.2010 – 325 O 111/10, Rz. 32. 2 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; vgl. auch LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198, 201 f.; LG Köln vom 17.3.2010, MMR 2010, 369 ff. mit Anm. Vierkötter. 3 OLG Frankfurt vom 8.3.2012 – 16 U 125/11, Rz. 25 ff. 4 LG Hamburg vom 20.9.2010 – 325 O 111/10, Rz. 32. 5 Vgl. OLG Hamburg vom 2.8.2011 – 7 U 134/10, Rz. 14.
68
I. Informationelle Selbstbestimmung
zugleich auf die Notwendigkeit hinwies, ein angemessenes Gleichgewicht zu schaffen mit den Rechten und Freiheiten, die sich aus Art. 10 EMRK (Recht der freien Meinungsäußerung) ergeben1. Allerdings werden Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse von den Bestimmungen des Datenschutzrechts weitgehend freigestellt, soweit sie personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben, verarbeiten oder nutzen. Es gilt das Medienprivileg (Art. 9 der EG-Datenschutzrichtlinie)2, das durch § 41 BDSG und Art. 57 RStV sowie durch die Datenschutzgesetze der Bundesländer in deutsches Recht umgesetzt worden ist. In einer weiteren Entscheidung des EuGH ging es um einen finnischen 257 Informationsdienst, der den Abruf öffentlich publizierter Steuerdaten einzelner Staatsbürger per SMS ermöglichte. Für diesen Dienst hat der EuGH die Anwendbarkeit des Medienprivilegs bejaht. Es handele sich um einen Dienst, der allein zu journalistischen Zwecken erfolge und daher dem Datenschutzrecht nicht uneingeschränkt unterliege. Journalistische Tätigkeiten seien nicht Medienunternehmen vorbehalten und könnten legitimerweise mit der Absicht verbunden werden, Gewinn zu erzielen3. Das Medienprivileg ist Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG veranker- 258 ten Presse- und Rundfunkfreiheit. Ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich; Presse und Rundfunk könnten ihre in Art, 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 GrCh zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen4. Daten werden dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbei- 259 tet, wenn die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht. Es muss die Absicht einer Berichterstattung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben sein. Alle Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg erfasst. Hiezu zählt insbesondere die publizistische Verwertung personenbezogener Daten im
1 EuGH vom 6.11.2003, MMR 2004, 95 ff. 2 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 S. 31. 3 EuGH vom 16.12.2008, CR 2009, 229. 4 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432, 2435; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051, 1054 f.; BGH vom 1.2.2011, WRP 2011, 582, 586; vgl. auch BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de.; OLG Frankfurt vom 8.3.2012 – 16 U 125/11, Rz. 24 ff.
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B. Datenschutzrecht
Rahmen einer in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK fallenden Veröffentlichung1. 260
Sowohl das Einstellen von journalistisch-redaktionellen Inhalten ins Internet als auch ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK fallenden Publikationsvorgangs. Damit gilt für sämtlich dieser Inhalte das Medienprivileg, das insbesondere eine Anwendung des § 4 Abs. 1 BDSG (Einwilligung) ausschließt2.
261
Nicht unter das Medienprivileg fällt die reine Übermittlung von erhobenen Daten an Nutzer, da die bloße automatische Auflistung von redaktionellen Beiträgen noch keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung darstellt. Erst wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist, kann von einer solchen Gestaltung gesprochen werden. Bei spickmich.de sind diese Voraussetzungen nach Auffassung des BGH nicht erfüllt, so dass das Bewertungsportal nicht unter das Medienprivileg fällt3. In seinen Entscheidungen zu Online-Archiven hat der BGH dagegen eine Anwendbarkeit des Datenschutzrechts verneint und dies auf das Medienprivileg gestützt4.
262
Das LG Köln hat in seiner Entscheidung zu „bilderbuch-koeln.de“ das Medienprivileg5 gelten lassen mit der Folge einer weitgehenden Freistellung vom Datenschutzrecht6. „Bilderbuch-koeln.de“ ähnelt Google Street View. Es handelt sich nach der Auffassung des LG Köln um ein Portal, das funktional Aufgaben der Presse bzw. des Rundfunks wahrnimmt7. Anders als spickmich.de (und Google Street View) enthält das Portal redaktionell aufbereitete Inhalte in Form von Informationen zur Stadtgeschichte und zur Architektur sowie zu Fotografen der Stadt8.
263
Das LG Berlin hat die Anwendbarkeit des § 41 BDSG auf Google Street View bezweifelt, da es jedenfalls bei der Veröffentlichung von Personen-
1 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432, 2436; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051, 1055; BGH vom 1.2.2011 – VI ZR 345/09, Rz. 26. 2 BGH vom 15.12.2009, NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432, 2435; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051 ff.; BGH vom 1.2.2011 – VI ZR 345/09, Rz. 28. 3 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de. 4 BGH vom 15.12.2009, NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, NJW 2010, 2432, 2435 f.; BGH vom 20.4.2010, WRP 2010, 1051, 1054 f.; BGH vom 1.2.2011 – VI ZR 345/09, Rz. 23 ff. 5 Vgl. Eberle, MMR 2008, 508 ff. 6 LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198 ff. 7 LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198, 200. 8 LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198, 200.
70
I. Informationelle Selbstbestimmung
aufnahmen an einer meinungsbildenden Wirkung für die Allgemeinheit fehlen könne. Allerdings kommt nach Auffassung des LG Berlin eine Rechtfertigung durch § 29 BDSG in Betracht1. 7. Profiling, Targeting, Tracking a) Nutzungsprofile Für Nutzungsprofile verlangt § 15 Abs. 3 TMG eine Pseudonymisierung 264 und gewährt dem Nutzer ein Informations- und Widerspruchsrecht. Durch die Information des Nutzers, die Pseudonymisierung und die Möglichkeit des Widerspruchs gegen eine Profilanlegung wird eine gänzlich unbemerkte „Ausspähung“ verhindert2. § 15 Abs. 3 TMG gilt beispielsweise für Social Networks, die sich zum 265 größten Teil durch Werbung finanzieren. User geben zahlreiche persönliche Angaben preis. Diese Daten und die Daten über die besuchten Network-Seiten möchten die Betreiber für personalisierte Werbung nutzen. Sofern der Betreiber das Surfverhalten eines Nutzers erfasst, handelt es sich um Nutzungsprofile gem. § 15 Abs. 3 TMG. Die Umsetzung des Widerrufsrechts, das sich aus § 15 Abs. 3 TMG er- 266 gibt, stellt eine Herausforderung für Website-Betreiber dar3. Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 TMG ist der Nutzer über sein Widerrufsrecht in den Datenschutzbestimmungen (§ 13 Abs. 1 TMG) zu informieren. Macht der Nutzer von diesem Recht Gebrauch, steht der Betreiber der Website vor der – schwer lösbaren – Aufgabe, eine Erfassung der „Datenspuren“ dieses Nutzers unter Aufrechterhaltung des Dienstes auszuschließen. b) Cookies Cookies sind kleine Dateien, die von einem Internetanbieter auf dem 267 Rechner des Nutzers – zumeist ohne dessen Kenntnis4 – abgelegt werden5, um Informationen über den Nutzer zu sammeln6. Auf einem Cookie wird regelmäßig eine Identifikationsnummer (Kennung) gespeichert, die bei wiederholten Nutzungsvorgängen (unbemerkt) an den Anbieter übertragen und von diesem ausgewertet wird7.
1 LG Berlin vom 13.9.2010 – 37 O 363/10; vgl. auch KG vom 25.10.2010 – 10 W 127/10. 2 Vgl. Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien 2008, § 15 TMG Rz. 8. 3 Vgl. Steidle/Pordesch, DuD 2008, 324, 328. 4 Hillenbrand-Beck/Greß, DuD 2001, 389, 390. 5 Meyer, WRP 2002, 1028, 1029. 6 Vgl. Schaar, Datenschutz im Internet, Rz. 178. 7 Lapp, ITRB 2001, 113, 113.
71
B. Datenschutzrecht
268
Die Diskussion um die datenschutzrechtliche Beurteilung von Cookies ist so alt wie das Internet selbst1. Eine klare Beurteilung ist nur in dem seltenen Fall möglich, dass der Cookie den Namen2 oder andere Informationen enthält (z.B. E-Mail-Adresse [email protected])3, die eine eindeutige Bestimmung der natürlichen Person erlauben, die den Rechner nutzt, auf dem der Cookie gespeichert ist. Auch in einem solchen Fall ist es zwar falsch zu behaupten, der Cookie sei ein personenbezogenes Datum, da es sich um eine Datei handelt, die nicht selbst personenbezogenes Datum sein kann, sondern – wie andere Dateien auch – lediglich als Träger von Daten in Betracht kommt. Da jedoch die Versendung des Cookies bei jedem Aufruf der Seiten des jeweiligen Anbieters zu einer Übertragung personenbezogener Daten führt, sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BDSG erfüllt.
269
In aller Regel sind Cookies „anonym“, da mit dem Cookie keine Daten übertragen werden, die Personenbezug aufweisen4. Die Übertragung beschränkt sich auf eine Kennung, die für den Internetanbieter die Funktion erfüllt, den Nutzer zu identifizieren, ohne dass dem Internetanbieter eine Deanonymisierung möglich ist5.
270
Um „anonyme Cookies“ unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 1 BDSG zu beurteilen, bedarf es weniger eines Blicks auf den einzelnen Cookie als einer Betrachtung der Ergebnisse, zu denen die Verwendung von Cookies führen: Durch den Cookie entsteht bei dem Internetanbieter, der die Cookies setzt, ein Nutzungsprofil6. Die natürliche Person, die hinter dem Nutzungsprofil steht, ist allenfalls theoretisch bestimmbar. Über das „Zusatzwissen“, das die Kennung mit einem konkreten Nutzer in Verbindung bringt, verfügt nur der Nutzer selbst. Dieses „Zusatzwissen“ reicht allenfalls dann für eine Personenbezogenheit der Profildaten aus, wenn man den Begriff der Bestimmbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG absolut versteht. Dies allerdings ist verfehlt7. c) IP-Adressen
271
Eine IP-Adresse ist eine Ziffernfolge, die bei einer Internetnutzung entsteht. Die Nummer gibt Auskunft darüber von welchem Internet-Anschluss in einem bestimmten Zeitraum das Internet genutzt wurde8.
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Bizer, DuD 1998, 277 ff. Vgl. Meyer, WRP 2002, 1028, 1030. Vgl. Eichler, K&R 1999, 76, 78. Vgl. Lapp, ITRB 2001, 113, 113. Vgl. Hoeren, DuD 1998, 455, 455. Schaar, DuD 2000, 275, 275. Siehe Rz. 769 ff. Siehe Rz. 1795 ff.
72
I. Informationelle Selbstbestimmung
Zu unterscheiden ist zwischen statischen und dynamischen Adressen1: 272 Statische IP-Adressen sind einem bestimmten Anschluss bei der Einwahl ins Internet fest zugeordnet. Dynamische IP-Adressen sind Adressen, die vom jeweiligen Access-Provider bei jeder Einwahl neu vergeben werden. Die Nutzung dynamischer IP-Adressen ist heute der Normalfall. Sowohl bei statischen als auch bei dynamischen IP-Adressen stellt sich 273 die Frage, ob die Adressen personenbezogene Daten i.S.d. § 3 Abs. 1 BDSG darstellen. Für statische IP-Adressen wird dies nahezu einhellig bejaht, während die Personenbezogenheit bei dynamischen IP-Adressen streitig ist2. Auch der EuGH hat diese Frage bislang nicht beantwortet und lediglich die Namens- und Adressdaten von Kunden, die bestimmte IP-Adressen genutzt haben, als personenbezogen bezeichnet3. IP-Adressen – egal ob statisch oder dynamisch – werden im Internet an 274 vielen Stellen erhoben und gespeichert. Insbesondere nehmen zahlreiche Website-Betreiber eine Speicherung der IP-Adressen aller Nutzer vor, die die jeweilige Website besuchen. Wenn es sich bei IP-Adressen um personenbezogene Daten handelt, darf der Website-Betreiber die Daten nach § 15 Abs. 1 TMG nur erheben oder verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Bereitstellung des Dienstes zu ermöglichen und abzurechnen. Da diese Voraussetzungen in aller Regel nicht vorliegen, würde es regelmäßig der Einwilligung eines jeden Internetnutzers in die Erhebung und Speicherung der IP-Adressen bedürfen4. Ob statische oder dynamische IP-Adresse: Geht man von einem absolu- 275 ten Begriff der Bestimmbarkeit5 aus, so ist jede IP-Adresse ein personenbezogenes Datum gemäß § 3 Abs. 1 BDSG6. Dies ist darauf zurückzuführen, dass jeder Access Provider, der eine IP-Adresse vergibt, Kenntnis von der Identität des Anschlussinhabers hat. Dies reicht für eine „absolute“ Bestimmbarkeit aus. Für die Anhänger eines absoluten Begriffs der Bestimmbarkeit spielt es keine Rolle ob unverhältnismäßiger Aufwand oder gar kriminelle Energie erforderlich ist, um die IP-Adresse zu deanonymisieren7. Die gebotene „relative“ Auslegung der Personenbezogenheit8 führt dazu, 276 dass IP-Adressen nur dann als personenbezogene Daten gemäß § 3 Abs. 1 1 Vgl. Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, § 1 TDDSG Rz. 26 f. 2 Vgl. Härting, CR 2008, 743, 745 f. 3 EuGH vom 29.1.2008 – C-275/06, Rz. 45; EuGH vom 19.4.2012 – C-461/10, Rz. 52. 4 Vgl. LG Berlin vom 6.9.2007, K&R 2007, 601, 602; AG Berlin-Mitte vom 27.3.2007, K&R 2007, 600, 601. 5 Siehe Rz. 189. 6 Vgl. LG Berlin vom 6.9.2007, K&R 2007, 601, 602; AG Berlin-Mitte vom 27.3.2007, K&R 2007, 600, 601; a.A. LG Berlin vom 31.1.2013 – 57 S 87/08. 7 Vgl. Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 290. 8 Vgl. Eckhardt, K&R 2007, 602, 603; Sankol, K&R 2008, 469, 470; siehe Rz. 184.
73
B. Datenschutzrecht
BDSG anzusehen sind, wenn es um einen Access Provider als verantwortliche Stelle gemäß § 3 Abs. 7 BDSG geht, da der Access Provider die Möglichkeit hat, eine IP-Adresse einem bestimmten Nutzer zuzuordnen1. Bei Dritten – insbesondere bei Website-Betreibern – liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BDSG in aller Regel nicht vor2. Dies gilt grundsätzlich sowohl für statische als auch für dynamische IP-Adressen, da es für einen Website-Betreiber im Normalfall nicht erkennbar ist, ob eine bei ihm abgespeicherte IP-Adresse statisch oder dynamisch ist. 277
Wenn man die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf IP-Adressen weitgehend verneint, so bedeutet dies nicht, dass keine rechtlichen Schranken für die Erhebung, Speicherung und Nutzung von IP-Adressen gelten. Auf einfachrechtlicher Ebene wird sich vielfach die Frage stellen, ob die IP-Adressen zur Erstellung von Nutzungsprofilen verwendet werden mit der Folge, dass nach § 15 Abs. 3 TMG der Nutzer unterrichtet werden muss und ihm die Möglichkeit eines Widerspruchs einzuräumen ist.
278
Auf verfassungsrechtlicher Ebene bedeutet eine Verneinung des Personenbezuges von IP-Adressen, dass kein Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung vorliegt. Dann allerdings stellt sich die Frage, ob der (potentiell) tiefe Einblick in das Nutzerverhalten, den die Profilbildung ermöglicht, als Eingriff in das vom BVerfG geschaffene „IT-Grundrecht“3 anzusehen ist. Ähnlich wie bei der Online-Durchsuchung zeichnet die Profilbildung ein vom Internetnutzer nicht beeinflussbares und kontrollierbares Bild von der Persönlichkeit. Dies spricht dafür, einen Eingriff in das „IT-Grundrecht“ zu bejahen4. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung werden im Laufe der kommenden Jahre Maßgaben zu entwickeln haben, die das „IT-Grundrecht“ im Verhältnis zu privaten Internetanbietern über § 15 Abs. 3 TMG hinaus schützen. d) Tracking Tools
279
Viele Website-Betreiber nutzen Google Analytics und andere Tracking Tools, um Nutzerbewegungen im Internet zu verfolgen. Google Analytics ermöglicht einem Websitebetreiber die Analyse der Besucher der Website durch statistisch aufbereitete Auswertungsergebnisse. Durch Google Analytics lässt sich erfassen, wie Besucher auf die Website gekommen sind, welche Seiten sie aufrufen, an welcher Stelle sie die Website verlassen und wie lange sie sich auf der Website aufhalten. Darüber hinaus gibt 1 Vgl. Schramm, DuD 2006, 785, 787. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 3.11.2010, CR 2011, 126 f.; LG Berlin vom 31.1.2013 – 57 S 87/08; LG Wuppertal vom 19.10.2010, MMR 2011, 65, 66; K&R 2010, 838, 839 mit Anm. Gramespacher/Wichering; AG München vom 30.9.2008, MIRDok. 300-2008 = ITRB 2008, 244 f. (Rössel). 3 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 ff. – Online-Durchsuchung. 4 Härting, CR 2008, 743, 747 f.
74
II. Telekommunikationsgeheimnis
Google Analytics darüber Aufschluss, aus welchen Ländern und Regionen die Besucher stammen. Google Analytics ermöglicht damit dem Betreiber einer Website, die Besucher und deren Gewohnheiten kennenzulernen und sich auf diese Gewohnheiten einzustellen. Das Tracking dient der Erfolgskontrolle im Online-Marketing und ist beispielsweise für Betreiber von Webshops von erheblicher Bedeutung. Google Analytics nutzt die Spuren, die ein Internetnutzer beim im Netz 280 hinterlässt. Diese Spuren bestehen im Wesentlichen aus Cookies und IPAdressen und rufen immer wieder den Datenschutz auf den Plan1. Einerseits ist eine Auswertung des Nutzerverhaltens geradezu unerlässlich zur Verbesserung von Internetangeboten – beispielsweise für eine automatische Wahl der Muttersprache des Nutzers. Auch ermöglicht das Tracking eine zielgerechte Lieferung von Informationen und Werbung, abgestimmt auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten des Nutzers. Andererseits entsteht eine Big Brother-Situation. Auf Google-Servern werden zahlreiche Daten gespeichert, ohne dass der Nutzer einen genauen Überblick über die gespeicherten Daten und deren Verwendung hat. Dies mag nicht so sehr stören, wenn es um Daten geht aus einer Suchabfrage zum nächsten Urlaubsziel. Anders jedoch bei dem diskreten Besuch von Chat-Foren oder dem Abruf erotischer Internetangebote. Die potentiellen Folgen einer Personenbezogenheit der gespeicherten Da- 281 ten sind gravierend. Bei Google Analytics sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 TMG nicht erfüllt, da die Daten zu Abrechnungszwecken nicht benötigt werden. Eine Verpflichtung des Website-Betreibers zur Einholung der Einwilligung aller Nutzer für die Erfassung von Daten per Google Analytics wäre somit zu bejahen. Da die Einholung einer solchen Einwilligung aller Nutzer praktisch kaum durchführbar ist, führt eine solche Auslegung dazu, dass das deutsche Datenschutzrecht die Nutzung von Google Analytics hierzulande unmöglich macht2.
II. Telekommunikationsgeheimnis 1. Verfassungsrecht, Telekommunikationsrecht, Strafprozessrecht Das Telekommunikationsgeheimnis ist verfassungsrechtlich in Art. 10 282 GG und auf einfachrechtlicher Ebene in § 88 TKG verankert. Verfassungsrechtlich ist das Fernmeldegeheimnis eine „spezielle Garantie“, die Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verdrängt3.
1 Vgl. Gabriel/Cornels, MMR 11/2008, XIV ff.; Ott, K&R 2009, 308 ff.; Steidle/Pordesch, DuD 2008, 324 ff. 2 Vgl. Steidle/Pordesch, DuD 2008, 324, 326 ff. 3 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 836 – Vorratsdatenspeicherung, vgl. auch Löwer in v. Münch/Kunig, Art. 10 Rz. 80.
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B. Datenschutzrecht
283
Nach § 88 Abs. 1 TKG gilt das – vom Gesetz als „Fernmeldegeheimnis“ bezeichnete – Telekommunikationsgeheimnis nicht nur für den Inhalt der Telekommunikation, sondern auch für die bloße Beteiligung an einem „Telekommunikationsvorgang“ und für alle anderen „näheren Umstände“ der Telekommunikation. Zur Wahrung des Geheimnisses ist nach § 88 Abs. 2 TKG jeder „Diensteanbieter“ verpflichtet, wobei die Pflicht zur Geheimhaltung auch nach dem Ende der Tätigkeit des Diensteanbieters fortgilt. § 88 Abs. 3 TKG gestaltet das Telekommunikationsgeheimnis näher aus und untersagt es dem Diensteanbieter, sich oder anderen Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Eine Ausnahme gilt nur, soweit es um Maßnahmen geht, die zum Schutz der „technischen Systeme“ des Diensteanbieters erforderlich sind.
284
Auch wenn das „Fernmeldegeheimnis“ seinen Ursprung in einer Zeit weit vor dem Internet hat, ist § 88 TKG auf E-Mails anwendbar. Gemäß § 3 Nr. 22 TKG gilt als „Telekommunikation“ jedes Aussenden, Übermitteln und Empfangen von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen. Der Gesetzgeber, der bei der Regelung des Fernmeldegeheimnisses in § 88 TKG erkennbar von dem Telefondienst als dem klassischen Telekommunikationsmittel ausging, hat allerdings von einer enumerativen Abgrenzung des Schutzbereichs des Fernmeldegeheimnisses bewusst abgesehen. Im Einzelfall sei auf das schutzwürdige Vertrauen der Beteiligten abzustellen1. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Kommunikationspartner auf Geheimhaltung besteht auch bei E-Mails, so dass E-Mails dem Telekommunikationsgeheimnis unterliegen2.
285
Gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 TKG ist jeder „Diensteanbieter“ zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet. Nach § 3 Nr. 6 TKG gilt als „Diensteanbieter“, wer geschäftsmäßig „Telekommunikationsdienste“ erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Als „Telekommunikationsdienste“ gelten nach § 3 Nr. 24 TKG Dienste, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden und in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen.
286
Über die sachliche und zeitliche Reichweite des Telekommunikationsgeheimnisses hatte das BVerfG in dem „Handydaten-Fall“ zu entscheiden, als es um die Beschlagnahme des Mobiltelefons einer Richterin und um die Frage ging, ob das Telekommunikationsgeheimnis die Befugnisse von Ermittlungsbehörden bei der Einsichtnahme in Kommunikationsverbindungsdaten einschränkt, die auf dem Mobiltelefon abgespeichert sind3. Das BVerfG hat dies mit der Begründung verneint, dass das Fernmeldegeheimnis nur den eigentlichen Telekommunikationsvorgang er1 BT-Drucks. 13/3609 vom 30.1.1996, S. 53. 2 Härting, ITRB 2007, 242; vgl. bereits Büchner in Beck’scher TKG-Kommentar, § 85 Rz. 2. 3 BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten.
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II. Telekommunikationsgeheimnis
fasst, nicht jedoch die Daten, die aufgrund eines Telekommunikationsvorgangs entstanden sind. Dass die beschlagnahmende Ermittlungsbehörde Einsicht in Verbindungsdaten nehmen könne, stelle nicht die Verwirklichung einer spezifischen Gefahr der Telekommunikation dar, sondern beruhe darauf, dass es die betroffene Richterin unterlassen habe, die Nachrichten nach deren Eingang unverzüglich zu löschen oder auf andere Weise gegen eine Einsichtnahme durch Dritte zu sichern. Inhalte und Verbindungsdaten seien mit Zugang bei dem Empfänger nicht mehr den erleichterten und unbemerkten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten ließen sich nicht von Daten unterscheiden, die der Nutzer selbst angelegt hat1. Auch in seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung hat das BVerfG 287 die Grenzen des Fernmeldegeheimnisses für elektronische Nachrichten eng gefasst und betont, dass das Fernmeldegeheimnis nur vor der Überwachung eines „laufenden Kommunikationsvorgangs“ schützt2. Verbindungsdaten, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs 288 beim Telekommunikationsteilnehmer aufgezeichnet und gespeichert werden, unterfallen nicht dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG, sondern werden durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation bestehen im Herrschaftsbereich des Empfängers, der eigene Schutzvorkehrungen treffen kann, nicht. Die Nachricht ist mit Zugang beim Empfänger nicht mehr den erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten unterscheiden sich dann nicht mehr von Datenbeständen, die der Nutzer selbst angelegt hat3. Um E-Mail-Daten, die sich nicht auf einem Endgerät des Nutzers befan- 289 den, ging es in einer weiteren Entscheidung des BVerfG zu E-Mails und dem Telekommunikationsgeheimns. Das BVerfG hatte zu entscheiden, ob und inwieweit E-Mails beim Provider als Beweismittel sichergestellt und beschlagnahmt werden dürfen4. Dies war seit vielen Jahren streitig5. Überwiegend wurde gefordert, die Sicherstellung und Beschlagnahme am 1 2 3 4 5
BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383, 386 – Handydaten. BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 – Online-Durchsuchung. BVerfG vom 13.11.2010 – 2 BvR 1124/10, Rz. 13. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431 ff. Vgl. Palm/Roy, NJW 1996, 1791 ff.
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B. Datenschutzrecht
Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) zu messen1. Die Gegenauffassung lehnte dies ab, da es bei dem Zugriff auf E-Mails, die bei einem Provider gespeichert sind, nicht um einen Eingriff in einen „laufenden Kommunikationsvorgang“ gehe2. 290
Auf einfachgesetzlicher Ebene standen sich sogar drei Auffassungen gegenüber: Überwiegend wurde gefordert, die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails an § 100a StPO zu messen3. Da E-Mails beim Provider durch das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) geschützt seien, müssten die gleichen Maßgaben gelten wie für die in § 100a StPO geregelte Überwachung der Telekommunikation4. Wie das Abhören eines Telefonats sei auch die Sicherstellung und Beschlagnahmung von E-Mails beim Provider nur bei schweren Straftaten zulässig5.
291
Vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, dass es sich bei einer Beschlagnahme von E-Mails um eine Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO handelt6. § 99 StPO enthält im Unterschied zu § 100a StPO keine Beschränkung auf schwere Straftaten, engt jedoch die zu beschlagnahmenden Beweismittel erheblich ein und gestattet lediglich die Beschlagnahme von „Postsendungen“, die sich an einen Beschuldigten richten oder die von einem Beschuldigten herrühren und verfahrensrelevant sind.
292
Eine weitere Auffassung lehnte die Parallele zur Postbeschlagnahme ab und verneinte auch einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis, da es bei dem Zugriff auf E-Mails, die bei einem Provider gespeichert sind, nicht um einen Eingriff in einen „laufenden Kommunikationsvorgang“ gehe7. Demzufolge sei § 100a StPO nicht anwendbar, und es reichten für eine Sicherstellung und Beschlagnahme die allgemeinen Voraussetzungen des § 94 StPO aus8. 1 Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, § 100a Rz. 14; Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100a Rz. 58; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175. 2 Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, § 100a Rz. 22; Palm/Roy, NJW 1996, 1791, 1793 ff.; LG Ravensburg vom 9.12.2002, CR 2003, 933. 3 Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100a Rz. 58; Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, Rz. 14; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175, 175. 4 Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100a Rz. 58; Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, § 100a Rz. 14; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175, 175. 5 Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100a Rz. 58; Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, Rz. 14; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175, 175. 6 Bär, MMR 2008, 215, 218; Bär, MMR 2000, 176, 177; vgl. auch AG Reutlingen vom 31.10.2011 – 5 Ds 43 JS 18155/10 jug, Rz. 8. 7 Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, § 100a Rz. 22; Palm/Roy, NJW 1996, 1791, 1793 ff.; LG Ravensburg vom 9.12.2002, CR 2003, 933, 933 f. 8 Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, § 100a Rz. 22; Palm/Roy, NJW 1996, 1791, 1793 ff.; LG Ravensburg vom 9.12.2002, CR 2003, 933, 933.
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II. Telekommunikationsgeheimnis
Die drei verschiedenen Positionen zur Sicherstellung und Beschlagnah- 293 me von E-Mails beim Provider sind ein deutlicher Beleg dafür, dass sich die E-Mail in einem rechtlichen Niemandsland zwischen Telekommunikation, Datensatz und elektronischer Post bewegt. Wer den telekommunikativen Charakter der E-Mail betont, landet bei § 100a StPO. Die Parallele zur herkömmlichen Briefpost führt zu § 99 StPO. Die Bewertung der E-Mail als (beliebigen) Datensatz bedeutet, dass über § 94 StPO hinaus keine weiteren strafprozessualen Anforderungen für die Beschlagnahme gelten. Der BGH1 hat sich in einer sehr kurzen Entscheidung für die Parallele 294 zur Briefpost entschieden und die Auffassung vertreten, dass § 99 StPO anwendbar sei, da es bei gespeicherten E-Mails an einem „Telekommunikationsvorgang“ fehle. Berücksichtige man das heutige Kommunikationsverhalten, so seien E-Mails in jeder Hinsicht vergleichbar mit Postsendungen und Telegrammen, so dass die Beschlagnahme von E-Mails als Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO anzusehen sei. Das BVerfG hat die Geltung des Telekommunikationsgeheimnisses beim 295 Provider bejaht und dies mit Schutzwürdigkeitsargumenten begründet: Da sich der E-Mail-Server des Providers dem unmittelbaren Zugriff des E-Mail-Nutzers entziehe, seien die dort gespeicherten Nachrichten Gefahren ausgesetzt, die der Gefahrensituation bei „laufender Kommunikation“ vergleichbar seien. Der Nutzer habe keine technische Möglichkeit, die Weitergabe von E-Mails durch den Provider zu verhindern. Dieser technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründe die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis. Art. 10 Abs. 1 GG müsse daher auch für E-Mails gelten, die sich im Herrschaftsbereich des Providers befinden2. Dabei sei es ohne Belang, ob E-Mails nur zwischenoder schon endgespeichert wurden3. Selbst für endgespeicherte E-Mails gelte das Schutzbedürfnis, das Art. 10 Abs. 1 GG zugrunde liege4. Bei der Auslegung des § 88 TKG kann man zu einer abweichenden Be- 296 urteilung gelangen, wenn man einen anderen Maßstab ansetzt als für Art. 10 Abs. 1 GG. Das BVerfG lässt ausdrücklich offen, wie die beim Provider gespeicherten E-Mails telekommunikationsrechtlich zu bewerten sind. § 3 Nr. 22 TKG definiere Telekommunikation zwar als technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangen von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen und beziehe sich somit nicht ausdrücklich auch auf „statische Zustände“. Der Begriff des Fernmeldegeheimnisses gemäß Art. 10 GG sei indes autonom – losgelöst vom TKG
1 2 3 4
BGH vom 31.3.2009, CR 2009, 446. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2432. A.A. Störing, CR 2009, 475 ff. Vgl. Härting, CR 2009, 581, 582 f.
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B. Datenschutzrecht
– auszulegen1. Wie E-Mails beim Provider nach dem TKG zu bewerten sind, ist durch das Urteil des BVerfG somit nicht entschieden. 297
Recht überraschend möchte das BVerfG keine Parallele zum Abhören ziehen. Die Beschlagnahme beim Provider sei zwar ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Dieser Eingriff sei jedoch in seiner Intensität nicht mit dem Abhören vergleichbar. Für die Beschlagnahme von E-Mails auf dem Providerserver bedürfe es daher nicht – wie in § 100a StPO – einer Beschränkung auf schwere Straftaten. Es reiche für eine Beschlagnahme von E-Mails vielmehr aus, dass die Voraussetzungen des § 94 StPO gegeben sind.
298
Letztlich ordnet das BVerfG die E-Mail beim Provider zwar der Telekommunikation zu. Bei den Eingriffsvoraussetzungen wird die Mail dann jedoch wie jeder beliebige andere Datensatz behandelt, für deren Sicherstellung und Beschlagnahme die niedrigschwelligen Anforderungen des § 94 StPO ausreichen.
299
BGH und BVerfG sind sich in einem zentralen Punkt einig: Die Beschlagnahme von Mails, die beim Provider gespeichert sind, stellt keinen Eingriff in einen „laufenden Kommunikationsvorgang“ dar. Nichtsdestotrotz behandelt das BVerfG die Beschlagnahme aufgrund von Schutzerwägungen wie einen solchen Eingriff. Dieser argumentative Spagat war unvermeidlich, um von den Entscheidungen zu „Handydaten“2 und zur Online-Durchsuchung3 nicht abrücken zu müssen.
300
Das BVerfG setzt eine Linie fort, die beispielsweise auch bei der Entscheidung zur Online-Durchsuchung4 deutlich zutage getreten ist5: Einerseits werden durch feinsinnige, ausdifferenzierte Schutzbereichserwägungen „filigrane“6 Grundrechtsabgrenzungen getroffen. Andererseits werden moderate Anforderungen an Eingriffsnormen aufgestellt, die dem Gesetzgeber weitgehende Eingriffsbefugnisse belassen. Als einzige materielle Schranke bleibt – grundrechtsübergreifend – der auch in der neuen Entscheidung der BVerfG betonte „Kernbereich privater Lebensführung“7. Doch auch Intimitäten sind nur insoweit grundrechtsfest, als Ermittlungsbehörden, die von solchen Intimitäten Kenntnis erlangen, angefallene Daten unverzüglich löschen bzw. vernichten müssen8. Liest man die Entscheidungen des BVerfG zum „Großen Lauschangriff“9, zur On1 2 3 4 5 6 7 8 9
BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2432; vgl. Behling, BB 2010, 892, 894. BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. BVerfG vom 27.2.2008, CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung. BVerfG vom 27.2.2008, CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung. Vgl. Bartsch, CR 2008, 613, 617; Kutscha, NJW 2008, 1042, 1044; Sachs/Krings, JuS 2008, 481, 486. Gurlit, RDV 2006, 43, 49. Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2436 f. Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2436 f. BVerfG vom 3.3.2004, CR 2004, 343.
80
II. Telekommunikationsgeheimnis
line-Durchsuchung1, zur Beschlagnahme von E-Mails beim Provider2 oder auch zur Bestandsdatenauskunft3, so fragt man sich, weshalb es überhaupt noch darauf ankommen soll, welches Grundrecht betroffen ist, wenn doch die Eingriffsvoraussetzungen – im Wesentlichen die Verhältnismäßigkeit und der absolute Schutz des „Kernbereichs persönlicher Lebensgestaltung“ – jeweils identisch sind. 2. E-Mails und Internet am Arbeitsplatz Der Datenschutz am Arbeitsplatz ist gesetzlich nach wie vor nur rudi- 301 mentär geregelt. Seit 2009 gilt zwar die Sondernorm des § 32 BDSG. Dort fehlen jedoch spezifische Regelungen zur Nutzung von E-Mail-Accounts und Internet durch Arbeitnehmer. § 32 BDSG wurde mit Wirkung zum 1.9.2009 eingeführt4, nachfolgende 302 Bemühungen um ausführlichere Regelungen des Beschäftigtendatenschutzes schlugen fehl. § 32 BDSG ist dies einzige gesetzliche Regelung, in der es spezifisch um 303 den Umgang mit Daten aus einem Beschäftigungsverhältnis geht5. Die Vorschrift ist unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte (als Reaktion auf Datenskandale) und der Grundnorm des § 28 BDSG auszulegen6, das Verhältnis zueinander ist jedoch unklar7. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Be- 304 schäftigten verarbeitet werden, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dürfen Arbeitnehmerdaten zur Aufdeckung von Straftaten nur verwendet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht der Begehung einer Straftat begründen8. Des Weiteren dürfen bei der Aufdeckung von Straftaten schutzwürdige Interessen des Beschäftigten nicht überwiegen, insbesondere dürfen die Art und das Ausmaß der Datenverarbeitung im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sein. E-Mails enthalten im Normalfall jedenfalls die Namen der Kommunika- 305 tionsteilnehmer und somit personenbezogene Daten9. Auf E-Mails ist daher § 32 BDSG anwendbar. Aus den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BVerfG vom 27.2.2008, CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431. BVerfG vom 24.1.2012 – 1 BvR 1299/05. BT-Drucks. 16/13657, S. 34 ff. Bierekoven, CR 2010, 203, 203; Hoppe/Braun, MMR 2010, 80, 80 f.; Salvenmoser/Hauschka, NJW 2010, 331, 333; Schmidt, DuD 2010, 207, 208. Schmidt, DuD 2010, 207 ff.; Thüsing, NZA 2009, 865, 866 f. Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 66. Vgl. Bierekoven, CR 2010, 203, 205. Vgl. Behling, BB 2010, 892, 895; Wolf/Mulert, BB 2008, 442, 446.
81
B. Datenschutzrecht
BDSG ergibt sich daher beispielsweise, dass die Durchsicht von E-Mails der Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten allenfalls in Ausnahmefällen erlaubt ist, selbst wenn die private E-Mail-Nutzung ausdrücklich untersagt ist1. 306
Ob und inwieweit § 28 Abs. 1 BDSG neben § 32 BDSG anwendbar bleibt und eine Datenverarbeitung legitimieren kann, die die Voraussetzungen des § 32 BDSG nicht erfüllt, ist streitig2. Streitig ist auch, ob eine verdachtsunabhängige Aufklärung von Straftaten nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG erfüllt sind, da der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG eine derartige Auslegung nahe legt. Gegen ein Verbot der Datenverarbeitung zur Aufklärung von Straftaten ohne konkreten Verdacht spricht, dass die Grenzen zwischen einer präventiven und einer repressiven Datenkontrolle fließend sind3. a) E-Mails
307
Welche Personen in einem Unternehmen dürfen Einblick in E-Mails nehmen, die nicht an sie gerichtet sind? Sind Arbeitgeber und Dienstherren zu besonderen Vorkehrungen dagegen verpflichtet, dass unbefugte Dritte in E-Mails Einblick nehmen? Auf all diese Fragen gibt es bislang keine befriedigenden Antworten.
308
Zur Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses ist nach § 88 Abs. 2 TKG jeder „Diensteanbieter“ verpflichtet. Nach § 3 Nr. 6 TKG ist „Diensteanbieter“ jedes Unternehmen, das geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt. Fraglich ist daher, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern „geschäftsmäßig“ als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen gegenübertritt.
309
Ein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten liegt gemäß § 3 Nr. 10 TKG vor, wenn Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht nachhaltig angeboten wird. Hierbei kommt es weder auf ein gewerbliches Handeln noch auf ein Erbringen von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit an. Der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses wird schon durch jedes auf Dauer angelegtes Angebot von Telekommunikationsdiensten eröffnet4.
310
Die Geltung des Telekommunikationsgeheimnisses am Arbeitsplatz kommt nur bei einer Privatnutzung von E-Mails in Betracht. Solange E-Mail-Accounts ausschließlich zu dienstlichen Zwecken genutzt wer1 Vgl. Wybitul, BB 2009, 1582, 1584. 2 Vgl. Bierekoven, CR 2010, 203, 205 f.; Heinson/Yannikos/Franke/Winter/Schneider, DuD 2010, 75, 78; Schmidt, DuD 2010, 207, 208 f.; Thüsing, NZA 2009, 865, 869; Zikesch/Reimer, DuD 2010, 96, 97 f. 3 Vgl. Schmidt, DuD 2010, 207, 210 ff. 4 BT-Drucks. 13/3609, S. 53.
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II. Telekommunikationsgeheimnis
den, handelt es sich um „eigene“ Zwecke des Arbeitgebers und somit nicht um die Nutzung von Telekommunikationsdiensten durch „Dritte“1. Sobald das Unternehmen seinen Mitarbeitern gestattet, E-Mail-Accounts (auch) zu privaten Zwecken zu nutzen, werden die Mitarbeiter nach den Gesetzesmaterialien zum TKG zu „Dritten“ mit der Folge, dass das Fernmeldegeheimnis zu beachten ist2. Die Anwendung des § 88 TKG auf die betriebsinterne private Nutzung 311 von E-Mails wird vielfach kritisiert3. Gegen die Einstufung eines Arbeitgebers als Anbieter von Telekommunikationsdiensten spricht der Zweck des TKG, der darin liegt, durch eine technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und auf diese Weise flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten (§ 1 TKG)4. Es ist nicht ersichtlich, wie ein Arbeitgeber, der Mitarbeitern E-Mail-Accounts zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt, im Telekommunikationsmarkt in einen Wettbewerb zu anderen Anbietern treten könne. Die Einbeziehung des Arbeitgebers in den Adressatenkreis des § 88 TKG ist – gerade im Hinblick auf die strafrechtlichen Konsequenzen (§ 206 StGB) nicht ausreichend bedacht worden5. Ungeachtet dieser Einwände entspricht es der überwiegend noch vertre- 312 tenen Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 10 TKG erfüllt sind, wenn das Unternehmen seinen Beschäftigten die private Nutzung von E-Mail-Accounts erlaubt6. Der Arbeitgeber ist bei erlaubter Privatnutzung von E-Mails als „geschäftsmäßiger“ Betreiber von Telekommunikationsanlagen anzusehen und unterliegt dem Telekommunikationsgeheimnis7. Dies wiederum bedeutet, dass das Einverständnis sowohl
1 Vgl. Elschner in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Kap. 22.1 Rz. 76 ff. 2 BT-Drucks. 13/3609 vom 30.1.1996 – 53. 3 Barton, CR 2003, 839, 843; Gundermann, K&R 1998, 48, 51; Schimmelpfennig/ Wenning, DB 2006, 2290, 2292 f.; Wuermeling/Felixberger, CR 1997, 230, 231 ff. 4 Vgl. Barton, CR 2003, 839, 843; Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2292 f. 5 Vgl. Barton, CR 2003, 843; Zur jüngeren Rechtsprechung zum Fernmeldegeheimnis siehe Kempermann, ZD 2012, 12 ff. 6 Vgl. Elschner in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Kap. 22.1 Rz. 81; Heidrich/Tschoepe, MMR 2004, 75, 76; Rath/Karner, K&R 2007, 446, 450 f.; Schuster, ZIS 2010, 68, 70 f.; Weißnicht, MMR 2003, 448, 449; Wolf/Mulert, BB 2008, 442, 446; OLG Karlsruhe vom 10.1.2005, CR 2005, 288; a.A. LAG BerlinBrandenburg vom 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10; Rz. 36 f.; LAG Niedersachsen vom 31.5.2010 – 12 Sa 875/09, Rz. 45, ITRB 2011, 228 f. (Rössel); VG Karlsruhe vom 27.5.2013 – 2 K 3249/12, Rz. 63. 7 Altenburg/Reinersdorf/Leister, MMR 2005, 135, 136 f.; Lejeune, CR 2005, 290 f.; Nägele/Meyer, K&R 2004, 312, 312 ff.
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des Arbeitnehmers als auch des jeweiligen Kommunikationspartners erforderlich ist, wenn Dritte private E-Mails mitlesen können1. aa) Privatnutzung 313
Ein Anspruch auf eine private Nutzung von E-Mails durch die Beschäftigten besteht nicht. Darüber hinaus ist § 88 TKG keine Verpflichtung des Arbeitgebers zu entnehmen, die E-Mail-Verwaltung so einzurichten, dass private E-Mails ohne Zugriffsmöglichkeiten Dritter versandt und empfangen werden können. Dies ergibt sich daraus, dass § 88 TKG in Unternehmen nicht per se anwendbar ist, sondern nur dann, wenn der Arbeitgeber die private E-Mail-Kommunikation gestattet. Hängt die Anwendbarkeit des § 88 TKG jedoch von einer solchen (einseitigen) Erlaubnis ab, kann es dem Arbeitgeber nicht verwehrt sein, die Modalitäten der E-Mail-Verwaltung einseitig festzulegen und damit den Rahmen für die Gestattung der Privatnutzung auszugestalten2.
314
Wenn ein Mitarbeiter weiß, dass er private E-Mails versendet und empfängt, die von Dritten mitgelesen werden können, so nutzt er bewusst ein Kommunikationsmittel ohne Geheimnisschutz. Würde er einwenden, mit der Offenheit der E-Mail-Verwaltung nicht einverstanden zu sein, wäre dies als unbeachtliche protestatio facto contraria zu werten. Wer im Zug sein Mobiltelefon benutzt, gibt den Geheimnisschutz ebenso freiwillig auf wie der Arbeitnehmer, der offen private E-Mails versendet und empfängt. Wer als Arbeitnehmer ein offenes Postfach für private E-Mails nutzt, erklärt sich mit dem Mitlesen durch Dritte (konkludent) einverstanden3.
315
Das Fernmeldegeheimnis erfordert bei (gestatteten) Privatmails, die Dritte mitlesen können, nicht nur das Einverständnis des Arbeitnehmers, sondern auch das Einverständnis des Kommunikationspartners. Auch für dieses Einverständnis gibt es keine Formerfordernisse. Insbesondere ist ein konkludentes Einverständnis ausreichend.
316
Der Versender einer E-Mail kann nicht auf Geheimnisschutz vertrauen, wenn er eine E-Mail mit privatem Inhalt an eine betriebliche E-MailAdresse richtet (z.B. [email protected]). Der Versender wird nicht immer wissen, ob der private E-Mail-Verkehr in dem konkreten Betrieb überhaupt gestattet ist. Zudem entzieht es sich regelmäßig seiner Kenntnis, wie die E-Mail-Verwaltung erfolgt, ob in Form eines zentralen Posteingangs oder durch separate Mail-Accounts. Schließlich ist es bei 1 Vgl. BVerfG vom 25.3.1992, CR 1992, 431; Klesczewski in Berliner Kommentar, TKG, § 88 Rz. 33; Balsmeier/Weißnicht, K&R 2005, 537, 540; Hannebeck/Neunhoeffer, K&R 2006, 112, 113 f.; Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2292. 2 Vgl. Däubler, K&R 2000, 323, 325. 3 Vgl. Ernst, NZA 2002, 585, 589.
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II. Telekommunikationsgeheimnis
betrieblichen E-Mail-Adressen keineswegs unüblich, dass „Mitlesemöglichkeiten“ durch den Vorgesetzten und andere Mitarbeiter bestehen. Wer über eine betriebliche E-Mail-Adresse kommuniziert, nimmt das Mitlesen in Kauf und erklärt sich hiermit (konkludent) einverstanden, so dass er kein schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit seiner E-Mail besitzt1. Der Schutz von E-Mail-Zugriffsrechten in einem Unternehmen, das den 317 privaten E-Mail-Verkehr gestattet, ist von Relevanz, wenn den Mitarbeitern eigene, gegen den Zugriff Dritter gesicherte Mail-Accounts zugewiesen werden. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer von der Vertraulichkeit des privaten E-Mail-Verkehrs ausgehen. Dies schließt es aus, bei der Privatnutzung von einem konkludenten Einverständnis mit dem Mitlesen durch Dritte auszugehen2. Das Fernmeldegeheimnis schützt den Empfänger einer E-Mail dagegen, 318 dass die Mail im Bereich des Empfängerbetriebs „abgefangen“ wird, bevor der Empfänger sie zur Kenntnis nehmen kann. Wird daher die an [email protected] gerichtete E-Mail durch eine entsprechende Einstellung des E-Mail-Programms in einen Account weitergeleitet, zu dem Dritte Zugriff haben, so ist das Fernmeldegeheimnis in dem Augenblick verletzt, in dem Dritte oder der Arbeitgeber die E-Mail lesen. Fraglich ist, ob sich der Arbeitnehmer dagegen wehren kann, wenn das 319 Passwort seines Mail-Accounts „geknackt“ wird, weil er krankheitsbedingt abwesend ist und der Vorgesetzte meint, Einblick in das geschützte Postfach nehmen zu müssen. Ebenso stellt sich die Frage, welche Zugriffsrechte der Arbeitgeber nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters aus dem Unternehmen hat, wenn der Mail-Account noch besteht. Ist die E-Mail einmal in dem Account des Arbeitnehmers eingegangen, 320 so stellt sie einen Datensatz dar, der sich substantiell nicht von anderen Daten unterscheidet, die auf dem Empfängerserver gespeichert sind. Es fehlt an einem „laufenden Telekommunikationsvorgang“ mit der Folge, dass sich die Maßstäbe des BVerfG aus den Fällen „Handydaten“3 und „Online-Durchsuchung“4 anlegen lassen, nach denen ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis zu verneinen ist5. Je nach der Art der E-Mail-Verwaltung im Unternehmen sind Sachverhal- 321 te denkbar, die Parallelen zu der Beschlagnahme beim Provider6 aufweisen. So ist es üblich, dass auf einem zentralen Server eine Zwischenspei1 Vgl. Balsmeier/Weißnicht, K&R 2005, 541; Jofer/Wegerich, K&R 2002, 235, 237. 2 Vgl. Ernst, NZA 2002, 589. 3 BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. 4 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 – Online-Durchsuchung. 5 Siehe Rz. 286. 6 Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431.
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B. Datenschutzrecht
cherung von Mails erfolgt. Nach den Maßgaben des BVerfG stellt der Zugriff auf Mails, die auf einem zentralen Server zwischengespeichert sind, einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis dar. Letztlich richtet sich damit die Rechtsnatur der E-Mail nach dem Zugriffsort: Die beim Provider (oder beim Arbeitgeber auf einem zentralen E-Mail-Server) zwischenoder endgespeicherten Mails unterliegen dem Fernmeldegeheimnis; dieselben E-Mails, die sich auf dem Endgerät des Arbeitnehmers befinden, stammen aus einem abgeschlossenen Kommunikationsvorgang und unterfallen daher dem Telekommunikationsgeheimnis nicht mehr. Eine solche Differenzierung mag auf verfassungsrechtlicher Ebene geboten sein. Bei der Auslegung des Telekommunikationsrechts scheint es jedoch angezeigt, im Interesse praktikabler Regelungen § 3 Nr. 22 TKG beim Wort zu nehmen und § 88 TKG nicht anzuwenden, wenn sich eine Mail – sei es auch auf dem zentralen Server des Unternehmens – in einem „statischen Zustand“ befindet1. bb) Ausspähen von Daten 322
Wenn die an [email protected] gerichtete Mail im Account des Empfängers eintrifft und dort aber von Dritten unter Umgehung des Passworts des Empfängers gelesen wird, fehlt es demnach an einem Eingriff in einen „laufenden Telekommunikationsvorgang“. Wenn man aus diesem Grund eine Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses verneint, stellt dies den Betroffenen keineswegs schutzlos. Strafrechtlich findet statt § 206 Abs. 2 StGB der Tatbestand des § 202a StGB (Ausspähen von Daten) Anwendung.
323
Eine Strafbarkeit nach § 202a StGB setzt voraus, dass die gespeicherte E-Mail im Postfach des Arbeitnehmers gegen den unberechtigten Zugang besonders gesichert ist. Eine besondere Sicherung ist anzunehmen, wenn diese geeignet erscheint, einen wirksamen, wenn auch nicht absoluten Schutz zu erreichen und namentlich auch das Interesse an der Geheimhaltung deutlich zu dokumentieren2. Bei durch passwortgeschützten E-Mail-Postfächern ist dies zu bejahen3.
324
Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen eine „Befugnis“ des Arbeitgebers sowie des Systemadministrators eine Strafbarkeit ausschließen kann. Der Systemadministrator hat kraft seiner Aufgaben Zugriff auf den Arbeitnehmer-Account. Die Einrichtung eines passwortgeschützten E-Mail-Postfachs durch den Arbeitgeber erfolgt zudem in der Regel mit der Zielrichtung, die E-Mail-Kommunikation gegen den Zugriff betriebsfremder Personen sowie nicht autorisierter Mitarbeiter zu schützen und 1 Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2432; Behling, BB 2010, 892, 894; siehe Rz. 296. 2 Kühl, StGB, § 202a Rz. 4. 3 Lenckner in Schönke/Schröder, § 202a Rz. 8; Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 16.
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II. Telekommunikationsgeheimnis
dient nicht dazu, den Arbeitgeber – über den Systemadministrator – vom Zugriff auszuschließen1. Der Systemadministrator wird sich daher vielfach auf eine „Befugnis“ zum Zugriff auf den Account berufen können. Soweit es nicht um den Systemadministrator oder andere vom Arbeit- 325 geber zum Zugriff autorisierte Personen geht, kommt es nach § 202a StGB darauf an, ob der betroffene Arbeitnehmer – tatsächlich oder auch nur mutmaßlich – mit dem Zugriff einverstanden ist und es aus diesem Grund an einem „unbefugten“ Ausspähen fehlt2. Liegt kein – zumindest mutmaßliches – Einverständnis vor, kann eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht (rechtfertigender Notstand) kommen – wie etwa bei der drohenden Schädigung des Eigentums des Arbeitgebers durch Viren oder wenn ein Vermögensschaden abzuwenden ist, der eintreten würde, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von bestimmten (dienstlichen) E-Mails erlangt, die sich in dem passwortgeschützten Bereich befinden. cc) Archivierte Mails Welche Auswirkungen die vom BVerfG vertretene Beschränkung des Fern- 326 meldegeheimnisses auf „laufende Kommunikationsvorgänge“ hat, zeigt sich an einer Entscheidung des VGH Kassel zu archivierten E-Mails3. Der VGH Kassel hat in dieser Entscheidung bestätigt, dass ein Unternehmen auf Anforderung der BaFin archivierte E-Mails herauszugeben hat und sich nicht auf das Fernmeldegeheimnis berufen kann. Zur Begründung hat der VGH Kassel im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es sich bei archivierten E-Mails nicht um Mails aus einem „laufenden Kommunikationsvorgang“ handelt. Eine archivierte Mail befindet sich nicht mehr auf dem Weg vom Absen- 327 der zum Empfänger. Daher ist es auch im Lichte der BVerfG-Entscheidung zur Beschlagnahme beim Provider4 richtig, dass der VGH Kassel einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis verneint hat. Das Urteil zur Beschlagnahme beim Provider ist nicht dahingehend zu verstehen, dass alle E-Mails, die nicht auf einem Endgerät des Nutzers gespeichert sind, als Mails aus einem „laufenden Kommunikationsvorgang“ gelten. dd) Dienstliche Nutzung Einigkeit besteht darüber, dass das Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 328 TKG nicht gilt, wenn der Dienstherr bzw. Arbeitgeber die private E-MailKommunikation weder erlaubt noch duldet. Wenn das Fernmeldegeheimnis nicht einschlägig ist, kann der Arbeitgeber bzw. Dienstherr 1 Vgl. Barton, CR 2003, 839, 842; Jofer/Wegerich, K&R 2002, 235, 239; LAG Hamm vom 4.2.2004, DuD 2004, 633 ff. 2 Kühl, StGB, § 202a Rz. 7; Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 11. 3 VGH Kassel vom 19.5.2009 – 6 A 2672/08.Z. 4 BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431.
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B. Datenschutzrecht
grundsätzlich frei entscheiden, wem es gestattet ist, E-Mails zu lesen, die an Mitarbeiter gerichtet sind bzw. von Mitarbeitern versandt werden. 329
Fraglich ist, ob sich Einschränkungen der Einsichtsrechte in dienstliche E-Mails aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) ergeben können. Das heimliche Abhören eines dienstlichen Telefongesprächs hat das BVerfG als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gesehen, denn die Befugnis des Sprechenden, den Kreis seiner Adressaten selbst zu bestimmen, werde durch den dienstlichen Charakter des Gesprächs nicht beseitigt1.
330
Inwiefern diese für das Telefonat entwickelten Grundsätze auf die E-Mail übertragbar sind, ist fraglich. Das Telefonat ist charakterisiert durch die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes und die jederzeit mögliche Korrektur desselben. Der Telefonierende hat seinen Gesprächspartner in einem besonders hohen Maß individualisiert und vertraut darauf, nur mit ihm zu kommunizieren2. Die E-Mail hingegen ist aufgrund ihrer Übertragungsart verdinglicht.
331
Die richtige Parallele ist die Dienstpost und nicht das dienstliche Telefonat. Der Arbeitgeber verfügt über ein Direktionsrecht3, in dessen Rahmen es ihm freisteht anzuordnen, dass sämtlicher dienstlicher Schriftverkehr zu seiner Kenntnis gereicht wird. Nichts anderes kann für die Einsichtsnahme in die dienstlichen E-Mail-Postfächer der Arbeitnehmer gelten4.
332
Bei einer heimlichen Kontrolle dienstlicher E-Mails können sich aus § 32 BDSG5 und aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht6 Einschränkungen ergeben. b) Internet aa) Privatnutzung
333
Immer wieder müssen sich Gerichte mit der Frage befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die unerlaubte private Nutzung des Internet am Arbeitsplatz einen außerordentlichen Kündigungsgrund (§ 626 BGB) darstellen kann. Das BAG legt strenge Maßstäbe an und betont, dass der Arbeitnehmer bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit grundsätzlich seine (Hauptleistungs-)Pflicht zur Arbeit verletzt. Die private Nutzung des Internets dürfe die Erbringung der arbeitsvertraglich 1 2 3 4 5 6
BVerfG vom 19.12.1991, DB 1992, 786 ff. Jofer/Wegerich, K&R 2002, 235, 237. Weißnicht, MMR 2003, 448. Vgl. Gola, MMR 1999, 322, 326. Siehe Rz. 301 ff. Siehe Rz. 350 ff.
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II. Telekommunikationsgeheimnis
geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiege umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internet seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt1. Ein außerordentliches Kündigungsrecht hat das BAG2 bei einem Arbeit- 334 nehmer bejaht, der an zumindest zwei Tagen nicht nur kurzfristig und unerheblich, sondern stundenlang seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist, indem er während der Arbeitszeit privat im Internet surfte. Die Arbeitspflichtverletzung werde nicht dadurch relativiert, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung des Internet – nach den Angaben des Arbeitnehmers – gestattet bzw. diese geduldet hätte. Eine Gestattung oder Duldung – ohne weitere Erklärungen – würde sich nach Ansicht des BAG allenfalls auf eine Nutzung im normalen bzw. angemessenen zeitlichen Umfang erstrecken. Nur eine „exzessive“ Nutzung des Internet während der Arbeitszeit be- 335 rechtigt den Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Abmahnung zu kündigen. Hieran fehlt es, wenn dem Arbeitnehmer nur eine „minutenweise“ unerlaubte Privatnutzung nachgewiesen werden kann3. Neben der Verletzung der Arbeitspflicht ist es für eine außerordentliche 336 Kündigung auch von Gewicht, wenn eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme heruntergeladen werden und hiermit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems verbunden sein kann oder andererseits Daten auf das System gelangen, bei deren Rückverfolgung es zu einer Rufschädigung des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden4. Bei (nur) „erotischen“ Inhalten, die auf das Betriebssystem geladen werden, kann es an der Gefahr einer Rufschädigung fehlen5. Auch die Belastung des Arbeitgebers mit Kosten kann ein Gesichtspunkt 337 sein, der bei einer unerlaubten Privatnutzung des Internet für ein außerordentliches Kündigungsrecht des Arbeitgebers sprechen kann6. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf private Internetnutzung. 338 Vielmehr ist der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts berech1 BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.; BAG vom 27.4.2006, NJW 2006, 2939 ff.; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, ITRB 2010, 177 f. (Aghamiri). 2 BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.; vgl. auch BAG vom 27.4.2006, NJW 2006, 2939 ff. 3 BAG vom 31.5.2007, NJW 2007, 2653 ff.; vgl. auch OVG Lüneburg vom 14.9.2011 – 18 LP 15/10, Rz. 30 ff.; LAG Köln vom 18.7.2012 – 9 Sa 209/12, Rz. 70 ff. 4 BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.; BAG vom 27.4.2006, NJW 2006, 2939 ff. 5 BAG vom 31.5.2007, NJW 2007, 2653 ff. 6 BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.
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B. Datenschutzrecht
tigt, dem Arbeitnehmer das Surfen am Arbeitsplatz vollständig zu untersagen. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird dem Arbeitgeber allgemein empfohlen, klare Richtlinien für die private Internetnutzung am Arbeitsplatz aufzustellen1. 339
In jüngerer Zeit häufen sich Fälle, in denen abfällige Äußerungen eines Arbeitnehmers auf Facebook-Profilen Anlass zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegeben haben. Bei der jeweiligen Abwägung der Schwere des Vorfalls kommt es auch jeweils darauf an, ob und inwieweit der Arbeitnehmer darauf vertrauen durfte, dass seine Äußerung „privat“ bleibt und Dritten nicht zur Kenntnis gelangt. Je mehr der Arbeitnehmer damit rechnen musste, dass ein größerer Personenkreis von der Äußerung erfährt, desto stärker sind berechtigte Interessen des Arbeitgebers von dieser Äußerung beeinträchtigt2. bb) Kontrollbefugnisse
340
Ob und in welcher Weise Arbeitgeber berechtigt sind, die Nutzung des Internets durch Mitarbeiter zu kontrollieren, ist bislang weitgehend ungeklärt. Es stellt sich die Frage, welche Grenzen den Kontrollbefugnissen des Arbeitgebers durch das Telekommunikations- und Datenschutzrecht sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gesetzt werden.
341
Die Internetnutzung erfolgt per Telekommunikation. Auf den am Arbeitsplatz genutzten Rechnern hinterlässt das Surfen Datenspuren, auf die der Arbeitgeber zugreifen kann. Somit stellt sich sowohl die Frage nach telekommunikationsrechtlichen Schranken als auch nach datenschutzrechtlichen Vorgaben für Kontrollmaßnahmen. Darüber hinaus kann die Überwachung des Arbeitnehmers dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht berühren. (1) Telekommunikationsrecht
342
Erlaubt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nicht nur die private E-MailKommunikation, sondern auch das privat motivierte Surfen im Internet, stellt sich die Frage, ob § 88 TKG einer Überwachung des Surfverhaltens grundsätzlich entgegensteht3.
343
Gute Gründe sprechen dagegen, das Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 TKG auf das Internetsurfen zu erstrecken. In seiner Handydaten-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont, dass Verbindungsdaten, die beim Empfänger anfallen, nicht Art. 10 GG unter1 Härting, ITRB 2008, 88. 2 Vgl. BayVGH vom 29.2.2012 – 12 C 12.264, ITRB 2012, 153 f. (Aghamiri); ArbG Bochum vom 9.2.2012 – 3 Ca 1203/11, DuD 2013, 258 f.; ArbG Bochum vom 29.3.2012 – 3 Ca 1283/11; ArbG Dessau-Roßlau vom 21.3.2012 – 1 Ca 148/11. 3 Vgl. Rath/Karner, K&R 2007, 446, 450 f.
90
II. Telekommunikationsgeheimnis
liegen und somit – jedenfalls grundrechtlich – nicht durch das Telekommunikationsgeheimnis geschützt sind1. Die Datenspuren, die das Surfen auf den betrieblichen Rechnern hinterlässt, sind mit den Verbindungsdaten, die auf Mobiltelefonen gespeichert werden, ohne weiteres vergleichbar. Beim Surfen ist die Telekommunikation zudem – anders als bei der E-Mail – kein Mittel der individuellen Kommunikation, sondern ein Mittel zur Nutzung eines Tele- oder Mediendienstes. Die Übersendung von E-Mails ist daher der Internetnutzung nicht gleichzusetzen. Wer das Internetsurfen – mit der Folge des Schutzes durch § 88 TKG und 344 Art. 10 GG – bereits als Telekommunikation ansieht, lässt den Zweck des Fernmeldegeheimnisses außer Acht: Das Fernmeldegeheimnis schützt das flüchtige Wort; bei der Internetnutzung gibt es kein vergleichbares Schutzinteresse. Warum letztlich das Fernsehen per Internet beispielsweise den strengen Schutzvoraussetzungen des § 88 TKG unterliegen soll, nicht jedoch das terrestrische Fernsehen, ist in keiner Weise ersichtlich. Der Grundrechtsschutz nach Art. 10 GG erstreckt sich nicht auf die au- 345 ßerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist2. Entsprechendes gilt für die abgespeicherten Chatprotokolle, die nach Abschluss des Chatgesprächs auf dem Arbeitsplatzrechner des Klägers verblieben sind. Auch diese sind lediglich die gespeicherten Inhalte und Umstände einer abgeschlossenen Kommunikation3. (2) Datenschutzrecht Die Spuren, die die Internetnutzung auf den betrieblichen Rechnern hin- 346 terlässt, lassen in aller Regel Rückschlüsse auf den Mitarbeiter zu, der die betreffenden Seiten besucht hat. Bei der Aufzeichnung der besuchten Internetseiten handelt es sich somit um eine Speicherung personenbezogener Daten gemäß § 3 Abs. 1 BDSG. Ebenso wie es dem Arbeitgeber gestattet ist, Telefonverbindungen zum 347 Zwecke der betriebsinternen Kontrolle zu speichern, besteht die Befugnis zur Speicherung der besuchten Internetseiten. Dies ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG bzw. (nach früherem Recht) aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG4. 1 BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. 2 BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383, 386 – Handydaten; BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 – Online-Durchsuchung. 3 LAG Hamm vom 10.7.2012 – 14 Sa 1711/10, Rz. 175. 4 Vgl. Gola/Schomerus, § 13 Rz. 6.
91
B. Datenschutzrecht
348
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten verarbeitet werden, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
349
Unabhängig von dem genauen Umfang einer Erlaubnis zur privaten Internetnutzung lässt sich die Erforderlichkeit der Datenspeicherung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG jedenfalls daraus ableiten, dass der Arbeitgeber nur durch eine Aufzeichnung und Speicherung der Nutzungsdaten die Voraussetzungen dafür schaffen kann, dass nachvollziehbar ist, wann und von welcher Stelle aus rechtswidrige Seiten besucht wurden, sollten von behördlicher oder anderer dritter Seite Vorwürfe erhoben werden1. (3) Allgemeines Persönlichkeitsrecht
350
Anders als aus dem Telekommunikationsgeheimnis und dem Datenschutzrecht lassen sich aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters Grenzen der Kontrollbefugnisse ableiten. Der Arbeitnehmer, der sich einer ständigen Überwachung seines Internetverhaltens ausgesetzt sieht, verliert die Möglichkeit, unbefangen im Internet zu recherchieren, um seine beruflichen Aufgaben zu erledigen oder auch – im Falle der erlaubten Privatnutzung – privaten Interessen nachzugehen. Insoweit ist eine deutliche Parallele erkennbar zur dauerhaften Videoüberwachung, zu der der Arbeitgeber – im Normalfall – nicht berechtigt ist. Grundlage für das grundsätzliche Verbot des „gläsernen Mitarbeiters“ ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das ein ständiges routinemäßiges Ausspähen des Arbeitnehmers verbietet2.
351
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen. Durch eine solche Kontrolle wird nicht lediglich eine Aufsichtsperson ersetzt. Vielmehr wird der Arbeitnehmer, der davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber bei bestimmten Gelegenheiten zum Mittel der heimlichen Videoaufzeichnung greift, einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, dem er sich während seiner Tätigkeit nicht entziehen kann3.
352
Ähnlich verhält sich dies bei der Internetnutzung: Der Arbeitnehmer, der sich einer ständigen Überwachung seiner Internetnutzung ausgesetzt sieht, verliert die Möglichkeit, sich unbefangen im Internet zu bewegen, um seine beruflichen Aufgaben zu erledigen oder auch – im Falle der erlaubten Privatnutzung – privaten Interessen nachzugehen.
1 Vgl. OVG Lüneburg vom 14.9.2011 – 18 LP 15/10, Rz. 36. 2 Vgl. BAG vom 27.3.2003, NJW 2003, 3436, 3437; LAG Hessen vom 25.10.2010, MMR 2011, 346, 347. 3 Vgl. BAG vom 27.3.2003, NJW 2003, 3436, 3437; LAG Hessen vom 25.10.2010, MMR 2011, 346, 347.
92
II. Telekommunikationsgeheimnis
Das Persönlichkeitsrecht wird allerdings nicht schrankenlos gewährleis- 353 tet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist somit durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient1. Was die Internetnutzung betrifft, erscheint es verhältnismäßig, wenn der 354 Arbeitgeber stichprobenartige Kontrollen durchführt, um die Einhaltung von Richtlinien bei der Internetnutzung am Arbeitsplatz zu überwachen. Dies gilt insbesondere für den Fall eines generellen oder partiellen Verbots der privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz. Des Weiteren ist der Arbeitgeber zu Überprüfungen befugt, wenn der Verdacht einer Nutzung rechtswidriger Inhalte am Arbeitsplatz besteht. Eine solche Befugnis besteht zu guter Letzt auch, wenn sonstige betriebliche Interessen eine Überwachung rechtfertigen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Arbeitsabläufe im Betrieb zu optimieren sind. Ohne Legitimation durch ein benennbares Interesse an den aus einer 355 Überwachung zu gewinnenden Erkenntnissen besteht kein Kontrollrecht. Neugier oder gar Schikane sind keine gewichtigen Gründe, die eine Überwachung des Surfverhaltens als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters rechtfertigen. 3. Auskünfte über IP-Adressen Über die IP-Adressen lassen sich nicht nur Straftäter im Internet ermit- 356 teln. Die IP-Adressen dienen auch den Inhabern von Urheberrechten zur Verfolgung von Verstößen gegen das UrhG auf der Grundlage der Auskunftspflicht der Access Provider, die sich aus § 101 Abs. 9 UrhG ergibt2. Bis zur Einführung der gesetzlichen Regelungen zur Vorratsdatenspeiche- 357 rung (§§ 113a und 113b TKG) war streitig, wie lange die Access Provider zur Speicherung von IP-Adressen berechtigt waren3. § 113a TKG kehrte diese Fragestellung um und führte eine Verpflichtung der Access Provider zur Speicherung von IP-Adressen ein. Nachdem das BVerfG die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung 358 (§§ 113a und 113b TKG) für nichtig erklärt hat4, ist bei der Durchsetzung der Auskunftsansprüche ein Vakuum entstanden, da die Access Provider 1 Vgl. BAG vom 27.3.2003, NJW 2003, 3436, 3437; LAG Hamm vom 10.7.2012 – 14 Sa 1711/10, Rz. 188. 2 Siehe Rz. 1394. 3 Vgl. Sankol, K&R 2008, 749, 750; LG Darmstadt vom 6.6.2007, CR 2007, 574 ff.; AG Bonn vom 5.7.2007, CR 2007, 640 ff. 4 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833 – Vorratsdatenspeicherung.
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B. Datenschutzrecht
zur Speicherung der IP-Adressen „auf Vorrat“ nicht mehr berechtigt sind. Die Access Provider löschen daher jetzt die IP-Adressen meist innerhalb von sieben Tagen1, so dass der Auskunftsanspruch gemäß § 101 Abs. 9 UrhG vielfach ins Leere geht. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber neue Regelungen schafft, um die Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie der EU2 umzusetzen. 359
IP-Adressen unterliegen laut dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung dem Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG. Die IP-Adressen, die beim Access Provider gespeichert sind, geben Auskunft darüber, ob, wann, wo und wie oft zwischen welchen Telekommunikationseinrichtungen Verbindungen aufgenommen oder aufzunehmen versucht wurden. Zwar ermögliche der Internetzugang nicht nur die Aufnahme von Individualkommunikation, die dem Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses unterfällt, sondern auch die Teilnahme an Massenkommunikation. Da jedoch eine Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation ohne eine der Schutzfunktion des Grundrechts zuwiderlaufende Anknüpfung an den Inhalt der jeweils übermittelten Information nicht möglich sei, sei bereits in der Speicherung der den Internetzugang als solchen betreffenden Daten ein Eingriff zu sehen, auch wenn sie Angaben über die aufgerufenen Internetseiten nicht enthalten3.
360
Das BVerfG hat auch darin einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis gesehen, dass IP-Adressen verwendet werden, um Auskünfte über die Bestands- und Kundendaten (§ 113 Abs. 1 i.V.m. §§ 95 und 111 TKG) von den Personen zu erlangen, die die IP-Adresse genutzt haben. In der entsprechenden Verwendung der IP-Adressen liege eine Nutzung von Daten, die durch einen Eingriff in Art. 10 GG gewonnen wurden. Jede Folgeverwendung von Daten, die einmal in Form eines Eingriffs in Art. 10 GG erhoben worden seien, müsse stets an diesem Grundrecht gemessen werden4.
361
Bei der Ausgestaltung von Auskunftsrechten und -pflichten hat das BVerfG dem Gesetzgeber viel Freiraum gelassen, da in der Identifizierung des Nutzers einer IP-Adresse nur eine „mittelbare Verwendung“ von Daten liege, die durch Art. 10 GG geschützt sind. Die Aussagekraft dieser Daten (IP-Adressen) sei eng begrenzt, da ihre Verwendung allein zu der 1 Vgl. BGH vom 13.1.2011, MMR 2011, 341 ff. mit Anm. Karg; OLG Frankfurt a.M. vom16.6.2010 – 13 U 105/07. 2 Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, ABl. EU Nr. L 105 S. 54. 3 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 836 – Vorratsdatenspeicherung. 4 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 836 – Vorratsdatenspeicherung; vgl. auch BVerfG vom 24.1.2012 – 1 BvR 1299/05, Rz. 120; BGH vom 18.1.2011 – 1 StR 663/10.
94
III. Der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung
Auskunft führe, welcher Anschlussinhaber unter einer bereits bekannten IP-Adresse im Internet angemeldet war. Eine solche Auskunft habe ihrer formalen Struktur nach eine gewisse Ähnlichkeit mit der Abfrage des Inhabers einer Telefonnummer. Ihr Erkenntniswert bleibe punktuell1.
III. Der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung Die EU-Kommission hat Entwürfe vorgelegt für eine Datenschutz- 362 Grundverordnung2 und eine neue Datenschutz-Richtlinie3. Das bisher in der DSRL geregelte europäische Datenschutzrecht soll durch die DSGVO vollständig vereinheitlicht werden. Grundlegende Neuerungen des materiellen Rechts sind nicht beabsich- 363 tigt. Die Kommission möchte insbesondere am Verbotsprinzip festhalten: Die Datenverarbeitung und die digitale Kommunikation sollen grundsätzlich und ausnahmslos verboten bleiben, wenn Daten mit Personenbezug verwendet werden, Art. 6 DS-GVO. Einwilligungen und Abwägungen sollen weiterhin darüber entscheiden, ob die Verarbeitung von Daten im Einzelfall (ausnahmsweise) erlaubt ist. 1. Schutzgut Die DS-GVO stellt nicht die Persönlichkeitsrechte in den Mittelpunkt, 364 sondern erklärt in Art. 1 Abs. 2 DS-GVO den „Schutz personenbezogener Daten“ zum Anliegen der Verordnung. Dies lädt zu dem Missverständnis ein, dass Daten um ihrer selbst willen zu schützen sind. Daten an sich sind jedoch keine Gefahrenquelle für Persönlichkeitsreche. Gefahren ergeben sich aus den Informationen über die Person, die sich aus den Daten ableiten lassen. Die für ein modernes Datenschutzrecht unverzichtbare Differenzierung 365 zwischen Daten und persönlichkeitsrelevanten Informationen4 geht in Art. 1 DS-GVO verloren. Gegenüber der DSRL ist dies ein Rückschritt, denn Art. 1 Abs. 1 DSRL bezeichnet den „Schutz der Privatsphäre“ ausdrücklich als Schutzziel, während Art. 1 DS-GVO auf die Erwähnung der Privatsphäre gänzlich verzichtet. 2. Personenbezogenheit Wenn Daten Personenbezug haben, gilt uneingeschränkt das Daten- 366 schutzrecht. Ohne einen Personenbezug sind Daten dem Datenschutz1 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 845 – Vorratsdatenspeicherung; vgl. auch BGH vom 13.1.2011, MMR 2011, 341 ff. mit Anm. Karg. 2 DS-GVO, KOM(2012) 11 endg. 3 DSRL, KOM(2012) 11 endg. 4 Schneider/Härting, ZRP 2011, 233.
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B. Datenschutzrecht
recht komplett entzogen. Bei diesem unbefriedigenden Zustand soll es bleiben. Der Streit um die Reichweite der Personenbezogenheit eines Datums und die darauf resultierende Ungewissheit über die Reichweite des Datenschutzrechts sollen bleiben. 367
An der Definition des Begriffs personenbezogener Daten, die sich in Art. 4 Abs. 1 und 2 DS-GVO findet und für die ergänzend die Erwägungsgründe 23 und 24 gelten, hat man gegenüber Art. 2 lit. a DSRL nur minimale Modifikationen vorgenommen. Diese Modifikationen bleiben merkwürdig unentschieden zwischen einer absoluten1 und einer relativen2 Betrachtungsweise. Im Sinne einer absoluten Betrachtungsweise soll es nach Art. 4 Abs. 1 DS-GVO ausreichen, dass (irgendeine) Person „nach allgemeinem Ermessen aller Voraussicht nach“ die Daten einer bestimmten Person zuordnen kann.
368
Was IP-Adressen, Cookies, Standortdaten und andere „Spuren im Netz“ angeht, werden „Online-Kennungen“ und Standortdaten als (potentiell) personenbezogene Daten in Art. 4 Abs. 1 DS-GVO ausdrücklich erwähnt. In Erwägungsgrund 24 heißt es jedoch – ohne klare Begründung, aber im Sinne einer relativen Betrachtungsweise –, dass derartige „Spuren“ „nicht zwangsläufig und unter allen Umständen“ als personenbezogene Daten zu betrachten seien. Damit bleibt die Kontroverse um die Voraussetzungen des Personenbezuges von IP-Adressen, Cookies und Standortdaten und um die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf diese Daten3 offen. Dies verbessert die Rechtssicherheit nicht. 3. Transparenz
369
Art. 14 Abs. 1 DS-GVO sieht eine Erweiterung der Informationspflichten aus Art. 10 und 11 DSRL vor. Weitgehend neu sind uneingeschränkte Belehrungspflichten zu der Person des Datenschutzbeauftragten, zu den Berichtigungs- und Widerspruchsrechten sowie zu dem Beschwerderecht bei der zuständigen Aufsichtsbehörde (Art. 14 Abs. 1 lit. a, d und e DSGVO). Neu ist auch die Verpflichtung, über die Dauer der Speicherung personenbezogener Daten zu informieren (Art. 14 Abs. 1 lit. c DS-GVO). Diese Verpflichtung ist eng mit dem „Recht auf Vergessenwerden“ (Art. 17 DS-GVO)4 verbunden. Dass sich eine solche Verpflichtung bei Internetangeboten anders in die Tat umsetzen lässt als durch Allgemeinplätze („so lange gespeichert, wie die Profilseite besteht“), ist schwer vorstellbar.
1 Vgl. Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, § 3 Rz. 13. 2 Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 21. 3 Vgl. Eckhardt, CR 2011, 339 ff.; Krüger/Maucher, MMR 2011, 433 ff.; Sachs, CR 2010, 547 ff.; Venzke, ZD 2011, 114 ff. 4 Vgl. Härting, BB 2012, 459, 464 f.; Hornung, ZD 2012, 103; Kuner, BNA 2012, 5.
96
III. Der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung
Ein Teil der Belehrungspflichten ist für Veröffentlichungen geradewegs 370 untauglich. Wie soll man bei Daten, die im Internet veröffentlicht werden, die Verpflichtung verstehen, die Betroffenen über die „Empfänger“ der Daten zu unterrichten (Art. 14 Abs. 1 lit. f DS-GVO)? Und wie soll man bei einer Online-Publikation die Verpflichtung verstehen, die Betroffenen über die „Übermittlung“ von Daten „an ein Drittland“ (Art. 14 Abs. 1 lit. g DS-GVO) zu verständigen? Art. 14 DS-GVO bleibt auch im Übrigen stark dem Konzept der Offline- 371 Verarbeitung verhaftet, das Art. 10 und 11 DSRL zugrunde liegt. Wenn Art. 14 Abs. 3 DS-GVO eine Information des Betroffenen über die „Herkunft“ personenbezogener Daten vorschreibt, geht dies an den Gegebenheiten der Internetkommunikation vollständig vorbei. Dasselbe gilt für die Verpflichtung, den Betroffenen „innerhalb einer angemessenen Frist“ nach der Erhebung von Daten über die Datenerhebung zu informieren (Art. 14 Abs. 4 lit. b DS-GVO). Art. 14 DS-GVO ist präzise bei der Verpflichtung des Datenverarbeiters 372 zur Belehrung des Betroffenen über seine Rechte und Rechtsbehelfe. Zugleich bleibt die Norm vage bei den Informationen über die Datenverarbeitung selbst. Dies wird besonders deutlich in Art. 14 Abs. 1 lit. h DSGVO. Dort wird dem Datenverarbeiter vorgeschrieben, dem Betroffenen „sonstige Informationen (mitzuteilen), die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände, unter denen die personenbezogenen Daten erhoben werden, notwendig sind, um gegenüber der betroffenen Person eine Verarbeitung nach Treu und Glauben zu gewährleisten“. Der Verzicht auf konkrete Vorgaben und der Rückgriff auf unbestimmte Begriffe („besondere Umstände“; „Treu und Glauben“) lassen erwarten, dass sich kaum rechtssichere Aussagen darüber treffen lassen, ob Datenschutzbestimmungen den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 DS-GVO genügen. Wesentliche Unzulänglichkeiten der bisherigen Transparenznormen1 373 würden durch Art. 14 DS-GVO bestehen bleiben: – Es ist nicht einsichtig, dass Informationspflichten nur bestehen sollen, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Insbesondere für das Profiling besteht ein Bedürfnis nach Transparenz, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Profiling um eine Verarbeitung von Daten mit Personenbezug handelt. – Es gibt ein ersichtliches Interesse des Nutzers eines Internetangebots an Informationen über Maßnahmen, die gegen einen missbräuchlichen Datenzugriff durch Dritte getroffen werden. Art. 14 DS-GVO enthält dennoch keine Vorgaben für die Information des Nutzers über die Datensicherheit.
1 Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 68.
97
B. Datenschutzrecht
– Art. 11 Abs. 2 DS-GVO verpflichtet zwar zur Verwendung einer klaren, einfachen und adressatengerechten Sprache. Genauere Standards – wie etwa die Vorgabe separater „Datenschutzbestimmungen“ auf einer Internetseite – setzt die DS-GVO jedoch nicht. Die Setzung von Standards soll vielmehr – rechtsstaatlich bedenklich1 – der Europäischen Kommission überlassen bleiben. 4. Einwilligung 374
Nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO soll die Einwilligung des Betroffenen eine Datenverarbeitung nur noch dann legitimieren, wenn die Einwilligung zugleich die Zwecke „genau festlegt“, auf die sie sich bezieht. Zugleich sieht Art. 7 Abs. 4 DS-GVO vor, dass bei einem „erheblichen Ungleichgewicht“ zwischen Betroffenem und Datenverarbeiter die Einwilligung als Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung von vornherein ausscheidet. Hieraus ergibt sich ein Gesamtbild, das die Einwilligung als Legitimation für eine Datenverarbeitung noch mehr als bisher2 zur Ausnahme werden lässt. Dies läuft auf eine verstärkte Bevormundung des Betroffenen hinaus, dessen ausdrücklicher Wunsch einer Teilhabe am Datenverkehr nur noch sehr eingeschränkt respektiert wird3.
375
Wenn das Verbotsprinzip bestehen bleiben und die Einwilligung nur noch in Fällen relevant sein soll, in denen sich die Beteiligten „auf Augenhöhe befinden“4 führt dies zwangsläufig dazu, dass es nicht den Betroffenen, sondern staatlichen Aufsichtsbehörden überlassen wird, über die Zulässigkeit von Datenverarbeitungsprozessen zu entscheiden. Es drohen Genehmigungsverfahren5 und eine umfassende staatliche Kontrolle der Netzkommunikation.
376
Wenn sich ein Verbraucher und ein Unternehmen gegenübertreten, wird man stets von einem „Ungleichgewicht“ sprechen können. Art. 7 Abs. 4 DS-GVO läuft somit darauf hinaus, Einwilligungen der Verbraucher in die Datenverarbeitung jegliche Rechtsbedeutung zu nehmen6. Aus Sicht der Unternehmen bedeutet dies, dass sie bei jeder Verarbeitung von personenbezogenen Verbraucherdaten darauf angewiesen sind, eine gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO „richtige“ Abwägung der Interessen vorzunehmen, wobei sie stets befürchten müssen, dass staatliche Aufsichtsbehörden die Abwägung überprüfen und zu abweichenden Ergebnissen 1 Vgl. Härting, BB 2012, 459, 460. 2 Vgl. Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 65 f.; Wybitul/Fladung, BB 2012, 510. 3 Auf die spezifisch deutsche Problematik, Einwilligungen nach AGB-Recht und im Verhältnis dazu auch nach UWG zu beurteilen, gehen wir hier nicht näher ein. S. etwa BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06 – payback, NJW 2008, 3055; BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/09 – Happy Digits, NJW 2010, 864. 4 Kamp/Rost, DuD 2013, 80, 84. 5 Vgl. Kamp/Rost, DuD 2013, 80, 84. 6 Kuner, BNA 2012, 6.
98
III. Der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung
gelangen1. Dies wird zu zunehmender Rechtsunsicherheit beim Datenverkehr und bei der Online-Kommunikation mit Verbrauchern führen. Dem tiefen Misstrauen der Verordnungsgeber gegen autonome Entschei- 377 dungen des Betroffenen entspricht es, wenn der Betroffene in Art. 7 Abs. 3 DS-GVO ein Recht zum jederzeitigen Widerruf einer Einwilligung erhalten soll. Dieses Widerrufsrecht soll – anders als nach bisherigem Recht2 – an keinerlei Voraussetzungen gebunden sein und auch ohne weiteres (d.h. sofort) wirksam werden. Ein Internetanbieter, der personenbezogene Daten der Nutzer aufgrund deren Einwilligung zur Gestaltung seines Angebots einsetzt, müsste befürchten, die Legitimation für die Datennutzung jederzeit mit sofortiger Wirkung zu verlieren3. Auch dies entwertet in erheblichem Maße das Institut der Einwilligung. 5. Kommunikationsverbote Das Verbotsprinzip soll nicht gelockert, sondern – durch Art. 6 DS-GVO 378 – verschärft werden. Angesichts der exponentiellen Zunahme der datengestützten Kommunikation ist dies ein rückwärtsgewandter Ansatz, der den Erfordernissen der Informationsgesellschaft nicht gerecht wird. Ohne eine Abschaffung des Verbotsprinzips, wird indes jedwede Modernisierung des Datenschutzrechts misslingen4. Die Kritik an einem prominenten Politiker, die in einem Blog oder auch 379 per Twitter oder Facebook geäußert wird, steht aus Sicht des Entwurfs auf einer Stufe mit der Erfassung von Adressdaten bei einem Versandhändler. Zwar sieht Art. 80 DS-GVO die Möglichkeit von Ausnahmen vom Verbotsprinzip für die journalistische Datenverarbeitung vor. Bezeichnenderweise findet sich diese Vorschrift jedoch in einem der Schlusskapitel („besondere Datenverarbeitungssituationen“), und die Ausgestaltung von Ausnahmen soll vollständig dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleiben. Ein und dieselbe Meinungsäußerung in einem Internetforum könnte somit nach deutschem Recht aufgrund einer Ausnahmenorm erlaubt und nach ungarischem Recht (mangels einer solchen Norm) verboten sein5. Mit Art. 80 DS-GVO würde es bei einer Regelung bleiben, die dem „Me- 380 dienprivileg“ des Art. 9 DSRL entspricht. Die Reichweite des „Medienprivilegs“, das aus der Zeit vor dem Internet stammt, ist unsicher und streitig6. Praktikable Kriterien zur Abwägung zwischen schutzwürdigen
1 2 3 4 5 6
Härting, BB 2012, 459, 463. Vgl. Simitis in Simitis, BDSG, § 4a Rz. 94 f. Härting, BB 2012, 459, 463. Vgl. Härting/Schneider, ZRP 2011, 233, 234; Peifer, K&R 2011, 543 ff. Vgl. Kuner, BNA 2012, 13 – „lack of harmonization“. Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 66 f.
99
B. Datenschutzrecht
Persönlichkeitsrechten und dem Grundrecht auf freie Kommunikation lassen sich Art. 80 DS-GVO ebenso wenig entnehmen wie Art. 9 DSRL. 6. Abwägungen 381
Die Entwertung der Einwilligung als Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO) führt dazu, dass noch mehr als bisher Einzelfallabwägungen über die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung entscheiden. Weitgehend unverändert (vgl. Art. 7 lit. f DSRL) heißt es in Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO, dass die Datenverarbeitung erlaubt ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Datenverarbeiters, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Betroffenen überwiegen. Die Rechtmäßigkeitsprüfung wird noch viel deutlicher einer Einzelfallabwägung überlassen als bisher. Dies schafft ein Mehr an Rechtsunsicherheit an einer Stelle, an der das Bedürfnis nach Rechtssicherheit besonders evident ist1.
382
Berücksichtigt man die Entschlossenheit des Verordnungsgebers, staatliche Aufsichtsbefugnisse über die Datenverarbeitung zu verdichten, läuft ein verstärktes Erfordernis der Abwägung im Einzelfall auf eine Verstärkung staatlicher Einflussnahme auf die Datenverarbeitung hinaus. Dies kann sich zu einem Kommunikationshindernis und einer staatlichen Kontrolle von Kommunikation auswirken, die den freien Informationsaustausch in demokratisch organisierten Gesellschaften gefährdet. Wer bei der Kommunikation vor dem ständigen Erfordernis von Abwägungen steht, die einer staatlichen Kontrolle unterliegen, und für den Fall einer fehlerhaften Abwägung mit erheblichen Sanktionen rechnen muss, wird geneigt sein, sich Beschränkungen aufzuerlegen, die den Informationsfluss und den freien Meinungsaustausch in bedenklicher Weise einschränken.
383
Soll die Abwägung im Einzelfall gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO die wichtigste Weichenstellung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung sein, so stimmt es auch mehr als bedenklich, wenn Art. 6 Abs. 5 DS-GVO vorsieht, dass die Europäische Kommission ermächtigt werden soll, per „delegiertem Rechtsakt“2 Maßgaben für die Abwägung zu erlassen. Hierdurch würde eine demokratisch nur sehr mittelbar legitimierte Stelle europaweit die Befugnis erhalten, Entscheidungen über die Legitimation von Datenverarbeitung zu treffen.
1 Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 66. 2 Vgl. Härting, BB 2012, 459, 460.
100
C. Vertragsrecht Rz. I. Elektronische Willenserklärungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Tatbestand . . . . . . . a) Elektronisch übermittelte Willenserklärungen . . . . . . . b) Elektronisch erzeugte Willenserklärungen . . . . . . . . . . 2. Subjektiver Tatbestand . . . . . . a) Idealtypus der Willenserklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlen des Geschäftswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlen des Erklärungsbewusstseins . . . . . . . . . . . . . d) Fehlen des Handlungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Irrelevanz des subjektiven Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . 3. Wirksamkeit elektronischer Willenserklärungen . . . . . . . . . a) Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erklärung unter Anwesenden . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erklärung unter Abwesenden . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zugangsbeweis . . . . . . . II. Zustandekommen von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestellbutton . . . . . . . . . . . . . . . III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaufverträge . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nutzungsbedingungen. . . . . . .
385 385 387 388 389 389
2. 3.
391 392 396 398 399 399 409 412 414 430 435 437 443 452 460 460 468 474
IV. Zustandekommen von Verträgen bei Download-Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 V. Wirksamkeit von OnlineVerträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 1. Gesetzliche Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 a) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . 488
4. 5.
b) Elektronische Form . . . . . . . aa) Elektronische Signatur bb) Fortgeschrittene elektronische Signatur. . . . . cc) Qualifizierte elektronische Signatur . . . . . . . dd) De-Mail . . . . . . . . . . . . . . c) Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarte Form. . . . . . . . . . . . Anfechtung von Verträgen . . . a) Erklärungsirrtum . . . . . . . . . aa) Irrtum des Bestellers . . bb) Irrtum des Anbieters . . b) Übermittlungsfehler . . . . . . c) Andere Anfechtungsgründe d) Anfechtung bei Internetauktionen . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . a) Handeln unter fremdem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entsprechende Anwendung der §§ 164 ff. BGB bb) Anwendungsfälle . . . . . b) Rechtsscheinshaftung . . . . . aa) Duldungsvollmacht . . . bb) Anscheinsvollmacht . . cc) Zurechnung gemäß § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweisanforderungen . . . . .
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung in den Vertrag . a) Ausdrücklicher Hinweis . . b) Möglichkeit der Kenntnisnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einverständnis. . . . . . . . . . . . d) Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . e) Überraschende Klauseln. . . 3. Transparenzgebot . . . . . . . . . . . a) Lesbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übersichtlichkeit und Verständlichkeit . . . . . . . . . . c) Fremdsprachen . . . . . . . . . . . 4. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . .
Rz. 490 494 495 497 502 506 509 515 516 517 522 532 537 540 547 550 551 551 556 562 563 566 576 582 588 590 595 598 605 613 618 621 626 627 628 632 634
101
C. Vertragsrecht
384
Verträge, die über das Internet geschlossen werden, lassen sich als OnlineVerträge bezeichnen. Offline wie online bedarf es zum Zustandekommen eines Vertrages übereinstimmender Willenserklärungen der Vertragspartner1.
I. Elektronische Willenserklärungen 1. Objektiver Tatbestand 385
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines unmittelbar auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges gerichteten Willens. Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck und somit einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt2. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt vor, wenn es der nach außen erkennbare Sinn einer Äußerung (oder eines sonstigen Verhaltens mit Erklärungswert) ist, dass hierdurch ein Rechtsgeschäft geschaffen werden soll, das die in der Erklärung bestimmten, willentlicher Gestaltung zugänglichen Rechtsfolgen herbeiführt3.
386
Willenserklärungen, die online abgegeben werden, lassen sich als „digitale“ oder „elektronische“ Willenserklärungen bezeichnen. Unterscheiden lassen sich dabei Willenserklärungen, die (lediglich) digital übermittelt werden, und Erklärungen, die darüber hinaus auch elektronisch erzeugt werden4. a) Elektronisch übermittelte Willenserklärungen
387
Ob Warenbestellung per Mausklick im Online-Shop oder Anfrage nach anwaltlicher Beratung per E-Mail: Der Weg zum Vertrag führt über Willenserklärungen, die elektronisch übermittelt werden. Derartige Willenserklärungen unterscheiden sich lediglich hinsichtlich des Übermittlungsweges von anderen rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Äußerung eines Rechtsfolgewillens vorliegt, die den objektiven Tatbestand einer „echten“ Willenserklärung erfüllt5.
1 Vgl. Ellenberger in Palandt, Einf v § 145 Rz. 1. 2 Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rz. 1; Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rz. 2; Wolf/Neuner, AT, § 31 Rz. 2. 3 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 3. 4 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 59. 5 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; OLG Hamm vom 14.12.2000, NJW 2001, 1142; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558, 558 ff.; AG Kassel vom 16.11.1990, CR 1992, 94, 95 ff.; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rz. 1; Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 80 ff.; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3, 8 ff.; Krüger/Bütter, WM 2001, 221, 223; Mehrings, MMR 1998, 30, 31.
102
I. Elektronische Willenserklrungen
b) Elektronisch erzeugte Willenserklärungen Rechtsgeschäftliche Erklärungen können in der Weise „erzeugt“ werden, 388 dass sie auf Grund der Programmierung von Software automatisch entstehen. Sowohl der Inhalt als auch der Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung kann sehr weitgehend einem automatisierten Vorgang überlassen werden. Am Ende einer Kette von Programmierschritten, die zur Erzeugung einer derartigen Erklärung notwendig sind, steht allerdings immer eine Person, die Urheber der „elektronischen Willenserklärung“ ist. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung ist somit auch bei der „automatisierten“ Willenserklärung gegeben1. 2. Subjektiver Tatbestand a) Idealtypus der Willenserklärung Zu einer „idealtypischen“ Willenserklärung gehört ein subjektiver Tat- 389 bestand, der sich aus dem Handlungswillen, dem Erklärungsbewusstsein und dem Geschäftswillen zusammensetzt2. Am Handlungswillen fehlt es bei einem unbewussten, nicht willens- 390 gesteuerten Verhalten, das dennoch als Ausdruck des Willens erscheint, es solle ein Rechtsgeschäft geschaffen werden3. Ohne Erklärungsbewusstsein handelt, wer mit seinem Verhalten nicht den Willen und das Bewusstsein verbindet, im rechtsgeschäftlichen Raum zu agieren4. Der Geschäftswille fehlt demjenigen, der sich schon über den Text seiner Erklärung irrt oder doch seinen Worten eine andere als die rechtlich maßgebliche Bedeutung beimisst5. b) Fehlen des Geschäftswillens Fehlt es am Geschäftswillen, so liegt dennoch eine Willenserklärung vor, 391 die nach Maßgabe der §§ 119 ff. BGB angefochten werden kann6. Schon dies zeigt, dass der subjektive Tatbestand eine idealtypische Willens1 BVerfG vom 8.12.1992, NJW 1994, 570, 571; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; OLG Hamm vom 12.1.2004, NJW 2004, 2601; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558; LG Köln vom 16.4.2003, CR 2003, 613; Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 14; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3, 4 und 7 ff.; Heun, CR 1994, 595, 595 ff.; Köhler, AcP 182 (1982), 126, 133; Mehrings, MMR 1998, 30, 31; Melullis, MDR 1994, 109; Redeker, NJW 1984, 2390, 2391. 2 BGH vom 22.6.1956, BGHZ 21, 102, 106; Brox, AT, Rz. 84 f.; Flume, AT II, S. 47; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rz. 1; Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rz. 4 ff.; Wolf/Neuner, AT, § 32 Rz. 1 ff. 3 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 23. 4 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 25. 5 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 27. 6 Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rz. 6; Armbrüster in MünchKomm-BGB, vor § 116 Rz. 28; Wolf/Neuner, AT, § 32 Rz. 26; Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 32.
103
C. Vertragsrecht
erklärung beschreibt, ohne dass damit eine Aussage über die Mindestanforderungen an eine Willenserklärung verbunden ist. c) Fehlen des Erklärungsbewusstseins 392
Ein Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt beispielsweise vor, wenn der Erklärende per Mausklick Informationsmaterial über eine bestimmte Ware abrufen möchte, nach der Gestaltung der aufgerufenen Internetseite durch den Mausklick jedoch bereits die Ware bestellt. Der Internetnutzer führt in einem solchen Fall die Handlung bewusst aus, hat dabei aber nicht den Willen und das Bewusstsein, eine rechtsgeschäftlich relevante Äußerung abzugeben1.
393
Der BGH und die herrschende Lehre nehmen in den Fällen fehlenden Erklärungsbewusstseins eine differenzierende Wertung vor. Danach ist das Verhalten des Erklärenden als Willenserklärung anzusehen, wenn ihm zwar die Vorstellung von einer rechtsgeschäftlichen Handlung fehlt, er jedoch beim Erklärungsempfänger fahrlässig das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt hervorgerufen hat2.
394
Die Grenze der Zurechnung von Willenserklärungen, die ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben werden, ist erreicht, wenn der Empfänger durch die Gestaltung seiner Internetseite den Irrtum des Erklärenden selbst hervorgerufen hat. Ist die Internetseite – bewusst oder unbewusst – missverständlich gestaltet, so ist für den Empfänger erkennbar, dass sich der Erklärende möglicherweise im Irrtum befand. Er darf in einem solchen Fall die Erklärung nicht als Ausdruck eines Rechtsfolgewillens verstehen3. Schon aus der Lehre vom normativen Empfängerhorizont lässt sich in einem solchen Fall herleiten, dass es an einer Äußerung fehlt, die als rechtsgeschäftliche Erklärung zu werten ist.
395
Entgegen der herrschenden Meinung kommt es bei fehlendem Erklärungsbewusstsein auf die – dem Recht der Willenserklärung wesensfremde – Frage, ob der Erklärende seinen Irrtum verschuldet hat, nicht an4. Vielmehr muss das entscheidende Kriterium die objektiv zu beurteilende Frage sein, wie der Erklärungsempfänger den Erklärenden verstehen durfte. Hat der Internetanbieter seine Website missverständlich gestaltet, so dass es zu einer Erklärung mit fehlendem Erklärungsbewusstsein kommt, scheitert die Zurechnung der Willenserklärung nicht am fehlenden Verschulden auf Seiten des Erklärenden, sondern – nach der Lehre vom nor1 Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 20; vgl. auch Köhler/ Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 68. 2 BGH vom 7.6.1984, NJW 1984, 2279; BGH vom 2.11.1989, BGHZ 109, 171, 177; OLG Köln vom 8.12.2006, CR 2007, 598, 599; Brox, AT, Rz. 85; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rz. 17; Wolf/Neuner, AT, § 41 Rz. 47; Medicus, AT, Rz. 607; a.A. Canaris, NJW 1984, 2281. 3 Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 23. 4 Vgl. Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 34.
104
I. Elektronische Willenserklrungen
mativen Empfängerhorizont – an der Erkennbarkeit des Irrtums für den Erklärungsempfänger. d) Fehlen des Handlungswillens Wird eine Erklärung ohne Handlungswillen, beispielsweise auf Grund ei- 396 ner Reflexbewegung abgegeben, so ist die Lehre nahezu einhellig der Auffassung, dass weder eine „echte“ noch eine „fehlerhafte“ Willenserklärung vorliegt, sondern es an einer Willenserklärung gänzlich fehlt1. Wer somit vor dem Rechner einschläft und auf die Tastatur oder Maus sinkt und dadurch einen Übermittlungsvorgang auslöst, der dem Empfänger den Eindruck einer Willenserklärung vermittelt, gibt nach herrschender Meinung keine rechtsgeschäftliche Erklärung ab2. Das Vertrauen des Empfängers auf eine (vermeintliche) Bestellung soll keinen Schutz verdienen. Bei vernünftiger, interessengerechter Wertung3 sollte es auch in den Fäl- 397 len fehlenden Handlungswillens darauf ankommen, wie der Empfänger redlicherweise das verstehen darf, was er auf seinem Computerbildschirm vorfindet. Im Zeitalter moderner Kommunikationstechnik kann das Risiko versehentlichen Handelns nicht einschränkungslos dem Empfänger einer Willensäußerung aufgebürdet werden, da der Empfänger üblicherweise keine Möglichkeit hat, sich von dem Handlungswillen des Erklärenden zu überzeugen. Nur wenn aus Sicht des Empfängers begründeter Anlass besteht, am Handlungswillen zu zweifeln, kommt eine abweichende Wertung in Betracht. Die für einen sachgerechten Interessenausgleich zu befürwortende Grenzziehung lässt sich ohne weiteres durch die Anwendung der Lehre vom normativen Empfängerhorizont erreichen. e) Irrelevanz des subjektiven Tatbestandes Im Ergebnis spricht alles dafür, die notwendigen Tatbestandsmerkmale 398 einer Willenserklärung ausschließlich objektiv zu bestimmen4. Wird daher eine Erklärung abgegeben, die aus der Sicht des Empfängers als Äußerung eines Rechtsfolgewillens verstanden werden darf, so ist der Tatbestand einer Willenserklärung erfüllt. Bei fehlendem Handlungswillen bzw. fehlendem Erklärungsbewusstsein schaffen die Vorschriften des Anfechtungsrechts (§§ 119 ff. BGB) einen angemessenen Ausgleich zwischen den Schutzinteressen des Absenders und denjenigen des Empfängers.
1 Armbrüster in MünchKomm-BGB, vor § 116 Rz. 6; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rz. 16; Flume, AT II, S. 46; Wolf/Neuner, AT, § 32 Rz. 10; Medicus, AT, Rz. 606. 2 Kitz in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 18. 3 Vgl. Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 35. 4 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 28 ff.
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C. Vertragsrecht
3. Wirksamkeit elektronischer Willenserklärungen a) Abgabe 399
Die Abgabe gilt als Voraussetzung für das Wirksamwerden einer Willenserklärung. Hierzu ist nach der gängigen Definition notwendig, dass der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist1. Mit anderen Worten: Die Erklärung muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein2.
400
Auf den Zeitpunkt der Abgabe von Willenserklärungen kann es beispielsweise ankommen, wenn der Erklärende zwischen der Abgabe und dem Zugang seiner Erklärung stirbt oder geschäftsunfähig wird (§ 130 Abs. 2 BGB). Des Weiteren ist der Abgabezeitpunkt maßgeblich für die Frage, ob Widerrufs- oder Rückgaberechte fristgerecht ausgeübt worden sind (§ 355 Abs. 1 Satz 2 und § 356 Abs. 2 Satz 2 BGB).
401
Wird eine Willenserklärung per E-Mail abgegeben, so ist der Abgabezeitpunkt ohne weiteres bestimmbar. Letzter Schritt bei der Erstellung und Versendung einer E-Mail ist das „Abschicken“ der Nachricht per Mausklick. Wird die Nachricht abgeschickt, so wird die Nachricht damit in den Verkehr gebracht3.
402
Ohne größere Schwierigkeiten lässt sich der Abgabezeitpunkt auch bei anderen elektronisch übermittelten Willenserklärungen bestimmen. Bei der Übermittlung eines ausgefüllten Online-Formulars oder beim Chat bedarf es zur Versendung der jeweiligen Daten stets eines (letzten) Mausklicks bzw. Tastendrucks. Durch diesen Klick erfolgt die Abgabe der Erklärung.
403
Bei digital erzeugten Erklärungen legt der Erklärende mit der Programmierung der Software zugleich den Abgabezeitpunkt fest. Ebenso wie die Programmierung den Inhalt der Erklärung vorab bestimmt, erfolgt auch vorab eine Definition des Zeitpunkts der Abgabe, die in der endgültigen Freigabe der Erklärung liegt4.
404
Probleme können bei der Abgabe von Willenserklärungen entstehen, wenn die Erklärung ohne Zutun des Erklärenden in den Rechtsverkehr gelangt. Schickt beispielsweise ein Mitarbeiter eine E-Mail ab, die sein Chef – nach dem Eindruck des Mitarbeiters versehentlich – im „Entwür1 Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rz. 13; Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 4; Flume, AT II, S. 225 f. 2 BGH vom 30.5.1975, BGHZ 65, 13, 14; BGH vom 11.5.1979, NJW 1979, 2032; Brox, AT, Rz. 143; Köhler, AT, § 6 Rz. 12. 3 Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 222 f.; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3, 11; Heermann, K&R 1999, 6, 8. 4 Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 147.
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I. Elektronische Willenserklrungen
fe“-Postfach „vergessen“ hat, so erreicht die Erklärung den Empfänger, ohne dass auf Seiten des Erklärenden ein willentlicher Entäußerungsakt feststellbar ist1. An einem willentlichen Entäußerungsakt fehlt es auch, wenn das Ver- 405 sehen dem Erklärenden selbst unterläuft. Nicht selten werden E-MailAdressen falsch eingegeben oder übernommen oder Absende-Buttons versehentlich angeklickt. Bei Programmierfehlern können zudem auch elektronisch erzeugte Erklärungen in den Verkehr gelangen, ohne dass der Erklärende eine Erklärungshandlung gegenüber dem Empfänger vornehmen wollte. Die herrschende Meinung befürwortet eine Lösung des Lehrbuchfalls 406 einer versehentlich abgegebenen Willenserklärung durch dieselben Kriterien, die nach überwiegender Auffassung für die Fälle fehlenden Erklärungsbewusstseins gelten2. Nicht willentlich abgegebene Willenserklärungen sollen demnach den willentlich abgegebenen Willenserklärungen gleichzustellen sein, wenn der Erklärende das „In-Verkehr-Bringen“ zu vertreten hat3. Interessengerechter und dogmatisch überzeugender erscheint es, auch die 407 Rechtsfolgen versehentlich abgegebener Willenserklärungen ausschließlich nach den anerkannten Auslegungskriterien für Willenserklärungen – objektiv – zu beurteilen und den normativen Empfängerhorizont für maßgebend zu erachten. Darf der Empfänger einer Erklärung redlicherweise davon ausgehen, dass ihn die Erklärung mit dem Willen des Erklärenden erreicht hat, so verdient sein Vertrauen auf eine wirksame Willenserklärung Schutz. Dem Erklärenden bleibt dann die Möglichkeit, von den nicht gewollten Folgen seiner Erklärung durch Anfechtung Abstand zu nehmen, wobei § 122 BGB den Empfänger ausreichend vor Schäden schützt, die auf Grund seines Vertrauens auf eine wirksame Willenserklärung entstanden sind4. Die elektronische Übermittlung von Erklärungen ist ein Massenphäno- 408 men. Für den Empfänger einer elektronisch übermittelten Erklärung ist die Motivationslage des Erklärenden in aller Regel nicht erkennbar. Nur wenn der Empfänger – etwa durch eine bewusst unübersichtliche Ausgestaltung eines Bestellformulars – selbst den Irrtum des Erklärenden
1 Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 4; Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 130 Rz. 5. 2 Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 33; Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rz. 14; Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 4; Wolf/Neuner, AT, § 32 Rz. 19 ff.; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 840. 3 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 4; Wolf/Neuner, AT, § 24 Rz. 19 ff.; Medicus, AT, Rz. 605. 4 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap, Rdmr. 73; Koch, Internet-Recht, S. 121; Vehslage, AnwBl. 2002, 86; vgl. auch Jauernig in Jauernig, § 130 Rz. 1.
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C. Vertragsrecht
(mit)verursacht, wird man sagen können, dass er nicht auf einen Abgabewillen vertrauen durfte. b) Zugang 409
Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB deren Zugang erforderlich, wenn die Willenserklärung in Abwesenheit des Empfängers abgegeben wird.
410
Nicht als Erklärungen unter Abwesenden, sondern als Erklärungen gegenüber Anwesenden gelten Willenserklärungen, die mittels Fernsprecher oder einer sonstigen technischen Einrichtung abgegeben werden (§ 147 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Erweiterung des § 147 Abs. 1 Satz 2 BGB auf „sonstige technische Einrichtungen“ wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Geschäftsverkehr vom 13.7.20011 eingeführt und dient der Erfassung elektronischer Techniken, die eine unmittelbare Kommunikation von Person zu Person ermöglichen2.
411
§ 147 Abs. 1 Satz 2 BGB findet nur auf die Formen elektronischer Kommunikation Anwendung, die unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit mit dem Telefonat vergleichbar sind. Der Chat ist demnach als Kommunikation unter Anwesenden anzusehen, nicht jedoch die Übermittlung von E-Mails3. aa) Erklärung unter Anwesenden
412
Da § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Willenserklärungen unter Anwesenden keine Anwendung findet, ist deren Zugang für das Wirksamwerden nicht erforderlich. Allerdings gilt die „eingeschränkte Vernehmungstheorie“4, die für das Wirksamwerden einer Willenserklärung unter Anwesenden grundsätzlich verlangt, dass der Empfänger die Erklärung tatsächlich wahrnimmt5. Nicht oder falsch verstandene Erklärungen werden nur wirksam, wenn der Erklärende nach den für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen darf, dass der Empfänger die Erklärung richtig und vollständig verstanden hat6.
1 BGBl. I 2001, S. 1542. 2 Ellenberger in Palandt, § 147 Rz. 5; Spindler/Anton in Spindler/Schuster, § 147 Rz. 2. 3 Spindler/Anton in Spindler/Schuster, § 147 Rz. 2; Vehslage, AnwBl. 2002, 86, 88. 4 Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 2. Kap., Rz. 53. 5 Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rz. 28; Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 14; Flume, AT II, S. 240; Wolf/Neuner, AT, § 33 Rz. 37; Medicus, AT, Rz. 289. 6 Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 14; Wolf/Neuner, AT, § 33 Rz. 37; Medicus, AT, Rz. 289.
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I. Elektronische Willenserklrungen
Wird eine Willenserklärung per Chat abgegeben, so wird sie wirksam, so- 413 bald sie den Empfänger erreicht. Verständnisfehler gehen zu Lasten des Empfängers, wenn der Erklärende redlicherweise davon ausgehen durfte, vollständig und richtig verstanden zu werden. bb) Erklärung unter Abwesenden Wird eine Willenserklärung unter Abwenden abgegeben, bedarf es zum 414 Wirksamwerden der Erklärung des Zugangs (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Übersicht:
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– Zugang bei Unternehmern: Zugang mit Eingang der E-Mail bei dem Provider, bei dem der Unternehmer E-Mail-Accounts unterhält. Sofern kein „Service rund um die Uhr“ angeboten wird, tritt Zugang nur während der üblichen Geschäftszeiten ein. – Zugang bei Verbrauchern: Vom Verbraucher kann kein sofortiger Abruf von E-Mails erwartet werden. Sicher ist der Zugang erst bei tatsächlicher Kenntnisnahme1. – Störungen im Verantwortungsbereich des Empfangsproviders: Zugang tritt dennoch ein, da der Provider Empfangsbote ist. – Störungen außerhalb des Bereichs des Empfangsproviders: Zugang scheitert an der fehlenden Möglichkeit des Empfängers, die E-Mail zur Kenntnis zu nehmen. – Störungen wegen Inkompatibilität von Software: Zugang tritt dennoch ein, wenn der Absender nicht mit der Inkompatibilität rechnen musste. – Störungen wegen überfüllter Mailbox: Wird der Absender von dem Fehlschlag der Übermittlung benachrichtigt und unternimmt er nach Erhalt der Benachrichtigung unverzüglich einen weiteren (erfolgreichen) Übermittlungsversuch, so kann sich der Empfänger nicht auf den Fehlschlag der (rechtzeitigen, ersten) Übermittlung berufen. Erhält der Absender keine Nachricht von dem Fehlschlag, so kann er redlicherweise mit der Kenntnisnahme rechnen, so dass Zugang eintritt, ohne dass es eines weiteren Übermittlungsversuchs bedarf. Nach der gängigen Definition sind empfangsbedürftige Willenserklärun- 416 gen unter Abwesenden i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter
1 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 864; Ultsch, NJW 1997, 3008, 3009.
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C. Vertragsrecht
normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen1. 417
Die Zugangsdefinition wird allgemein so verstanden, dass sie auf zwei gleichrangige Merkmale abstellt, nämlich zum einen auf die Ankunft im sogenannten „Machtbereich“ des Empfängers und zum anderen auf dessen Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Erklärung2. Elektronisch übermittelte Willenserklärungen liefern jedoch ein anschauliches Beispiel dafür, dass der „Machtbereich“ des Empfängers nur eine Hilfskonstruktion ist zur Beantwortung der allein entscheidenden Frage, ob und wann der Erklärende damit rechnen darf, dass der Empfänger die Erklärung zur Kenntnis nimmt.
418
Wird eine E-Mail versandt, so gelangt sie zunächst auf den Server des Providers, bei dem der Empfänger einen Mail-Account eingerichtet hat. Dass die Nachricht bereits damit den Machtbereich des Empfängers erreicht, dessen Computer sich unter Umständen auf einem anderen Kontinent befindet, lässt sich zwar vertreten, hierzu bedarf es jedoch einer Argumentation, die den Begriff des „Machtbereichs“ weit über dessen natürlichen Wortsinn hinaus strapaziert. Zugleich lässt sich die Möglichkeit der Kenntnisnahme ohne weiteres bejahen, wenn der Empfänger jederzeit durch eine Datenabfrage bei dem Provider Zugriff auf die E-Mail nehmen kann3.
419
An einer Möglichkeit der Kenntnisnahme fehlt es, wenn die Übermittlung fehlschlägt, beispielsweise wegen technischer Fehler oder einer falschen Adressierung. Eine E-Mail an den Empfänger X, die mit [email protected] anstatt [email protected] adressiert wird und deshalb nicht übermittelt werden kann, geht X nicht zu.
420
Anders sieht es aus, wenn der Empfänger die E-Mail nicht zur Kenntnis nimmt, weil ein automatischer Mailfilter, der Viren- und Spam-Mails ausfiltern soll, die Mail gelöscht hat. Unabhängig davon, ob die Mail schon bei dem Provider des Empfängers oder erst auf dem Computer des Nutzers gefiltert wird, ist jedenfalls für den Erklärenden die fehlende Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht erkennbar. Daher ist der Zugang trotz des Spam-Filters zu bejahen.
1 BGH vom 3.11.1976, BGHZ 67, 271, 275; BGH vom 13.2.1980, NJW 1980, 990, 991; BGH vom 27.10.1982, NJW 1983, 929, 930; Brox, AT, Rz. 149; Flume, AT II, S. 230; Leenen, Rechtsgeschäftslehre, § 6 Rz. 23. 2 Ellenberger in Palandt, § 130 Rz. 5; Flume, AT II, S. 230; Wolf/Neuner, AT, § 33 Rz. 14. 3 LG Nürnberg-Fürth vom 7.5.2002, NJW-RR 2002, 1721, 1722; AG Frankfurt a. M. vom 23.10.2008, MMR 2009, 507 (Ls.); Ernst, NJW-CoR 1997, 165, 166; Godefroid, BAnwBl. 2000, 374, 375; Herwig, MMR 2001, 145, 146; Mehrings, MMR 1998, 30, 33; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841; Ultsch, NJW 1997, 3007, 3007 ff.
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I. Elektronische Willenserklrungen
Scheitert der rechtzeitige Zugang einer Willenserklärung an dem Fehlen 421 geeigneter Empfangsvorkehrungen, so kann sich der Empfänger auf den verspäteten Zugang nicht berufen. Dieser allgemein anerkannte Grundsatz gilt auch für digitale Willenserklärungen1 und leitet sich aus § 242 BGB ab2 bzw. daraus, dass der Absender, der vom Fehlen geeigneter Vorrichtungen nichts weiß, mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger rechnen kann. Wer seinen Mail-Account stilllegt oder Mails nicht zur Kenntnis nimmt3, muss seine Geschäfts- bzw. Vertragspartner, von denen die Übersendung von Willenserklärungen zu erwarten ist, unverzüglich über das Zugangshindernis informieren. Verletzt er diese Obliegenheiten, ist ihm der Einwand des verspäteten Zugangs verwehrt. Zugangsstörungen können vielfältige Ursachen und Erscheinungsformen 422 haben. So kann der Zugang einer E-Mail an Netzstörungen scheitern. Dies geht zu Lasten des Absenders, da der Empfänger keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hat und keine Verantwortung für die Störung trägt4. Anders zu beurteilen sind Störungen im Bereich des Providers, bei dem 423 der Empfänger seinen Mail-Account unterhält. Der Inhaber des Accounts bedient sich des Providers, um elektronische Erklärungen entgegenzunehmen. Dies spricht dafür, den Provider als Empfangsboten anzusehen. Kommt es auf Grund von technischen Störungen bei dem Provider des 424 Empfängers dazu, dass Nachrichten verspätet, falsch oder überhaupt nicht übermittelt werden, geht dies zu Lasten des Empfängers5. Kann eine beim Provider gespeicherte E-Mail daher wegen eines Computerabsturzes nicht abgerufen werden, so kann sich der Empfänger der E-Mail nicht darauf berufen, die Nachricht nicht oder erst verspätet erhalten zu haben. Gelegentlich scheitert die elektronische Übermittlung von Daten an der 425 Inkompatibilität der Software, die die Parteien verwenden. Auch in einem solchen Fall ist die Absendersicht maßgebend6. Kann der Absender redlicherweise erwarten, dass seine Nachricht lesbar ist, so geht die Nachricht trotz fehlender Lesbarkeit zu. Anderenfalls scheitert der Zugang an der fehlenden Kompatibilität. 1 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 53; Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 172; Spindler/Anton in Spindler/Schuster, § 130 BGB Rz. 15. 2 Brox, AT, Rz. 159; Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rz. 35 ff.; Köhler, AT, § 6 Rz. 18; Wolf/Neuner, AT, § 33 Rz. 53; Medicus, AT, Rz. 278 ff. 3 Vgl. OLG Düsseldorf vom 26.3.2009, ITRB 2010, 129 ff. (Intveen). 4 Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 63 f.; Spindler/Anton in Spindler/ Schuster, § 130 Rz. 15. 5 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 45; Strömer, Online-Recht, S. 315; a.A. Nowak, MDR 2001, 841, 842; differenzierend: Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 63 ff. 6 Vgl. Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 265.
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C. Vertragsrecht
426
Die Übermittlung einer E-Mail kann auch daran scheitern, dass die Kapazitätsgrenze des Mail-Accounts des Empfängers erreicht ist und der Account daher wegen Überfüllung keine weiteren Nachrichten aufnehmen kann. Zumeist wird der Absender von dem Fehlschlag der Übermittlung benachrichtigt („Bounce-Mail“), so dass er nicht von einer Kenntnisnahme durch den Empfänger ausgehen kann. Unternimmt der Absender in einem solchen Fall einen weiteren, erfolgreichen Übermittlungsversuch, so kann sich der Empfänger gemäß § 242 BGB auf den verspäteten Zugang nicht berufen, da er die Verantwortung für den Fehlschlag des ersten Übermittlungsversuchs trägt1.
427
Erlangt der Absender keine Kenntnis von der Überfüllung des Mail-Accounts, so kann er redlicherweise die Kenntnisnahme durch den Empfänger erwarten2. Der Zugang der Erklärung tritt somit ein, ohne dass ein zweiter Übermittlungsversuch notwendig ist.
428
Kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs einer Willenserklärung an, so ist auf ähnliche Kriterien abzustellen wie bei postalisch oder per Telefax übermittelten Willenserklärungen. Wer geschäftlich seine E-MailAdresse benutzt, muss damit rechnen, dass ihm während der üblichen Geschäftszeiten Nachrichten und Erklärungen per E-Mail zugehen3. E-Mails, die während dieser Zeiten eingehen, gehen am selben Tag zu. Bei einer Versendung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, d.h. insbesondere nachts oder am Wochenende, tritt der Zugang am nächsten Geschäftstag ein4. Von einem Verbraucher wird man keinen ständigen Abruf von E-Mails erwarten können, so dass zeitkritische, insbesondere fristwahrende Erklärungen an Verbraucher nicht per E-Mail übermittelt werden sollten5.
429
Das Internet kennt keinen Ladenschluss. Dementsprechend gehört es zu den Vorzügen von Internetangeboten, dass rund um die Uhr Bestellungen entgegengenommen und bearbeitet werden. Werden daher elektronische Willenserklärungen an den Betreiber eines Internetshops übermittelt, ge-
1 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 53; Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 170; Spindler/Anton in Spindler/Schuster, § 130 Rz. 15. 2 Vgl. Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 53; Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 63 ff.; Spindler/Anton in Spindler/Schuster, § 130 Rz. 15. 3 OLG Köln vom 1.12.1989, NJW 1990, 1608, 1609 für Btx; LG Nürnberg-Fürth vom 7.5.2002, NJW-RR 2002, 1721, AG Meldorf vom 29.3.2011 – 81 C 1601/10, Rz. 21; Koch, Internet-Recht, S. 107 ff.; Dietrich, K&R 2002, 138, 142; Engels, ITRB 2011, 157, 158; Ernst, NJW-CoR 1997, 165, 166; Heun, CR 1994, 595, 598; Mehrings, MMR 1998, 30, 33; Paefgen, JuS 1988, 592, 594; Thalmair, NJW 2011, 14, 16; Ultsch, NJW 1997, 3007, 3007 ff. 4 Thalmair, NJW 2011, 14, 16; Ultsch, NJW 1997, 3007, 3007 ff. 5 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 864.
112
II. Zustandekommen von Online-Vertrgen
hen die Erklärungen sofort bei Eingang in den Mail-Account zu, da der Absender stets mit der sofortigen Kenntnisnahme rechnen darf. cc) Zugangsbeweis Ist der Zugang einer E-Mail streitig, so trägt der Absender nach allgemei- 430 nen Grundsätzen das Beweisrisiko. Der Zugangsbeweis lässt sich weder allein mit dem Ausdruck einer 431 E-Mail noch mit dem Datensatz führen, den die E-Mail verkörpert. Auch eine Verschlüsselung und elektronische Signaturen geben für den Zugangsbeweis nichts her1. Geführt werden kann der Zugangsbeweis allerdings mit einer Eingangsbestätigung des Empfängers2. Vereinzelt geblieben ist bislang die Auffassung, dass ein Anscheinsbe- 432 weis für den Zugang einer Mail gelte, wenn keine „Bounce-Mail“ zurückkommt, das heißt eine Mail, in der der Versender über die fehlgeschlagene Zustellung unterrichtet wird3. Die Annahme eines solchen Anscheinsbeweises dürfte (noch) zu weit gehen, da es jedenfalls keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich auf eine erfolgreiche Übermittlung schließen lässt, wenn keine „Bounce-Mail“ beim Versender eingeht. Die praktische Tragweite des Beweisrisikos beim Zugang von E-Mails 433 wird vielfach überschätzt. In unzähligen Prozessen werden E-Mail-Ausdrucke zu Beweiszwecken verwendet, ohne dass der Zugangsbeweis Schwierigkeiten bereitet. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich der Zugang einer E-Mail oft bereits daraus ergibt, dass der Empfänger die E-Mail beantwortet hat. Û Praxistipp: Um Schwierigkeiten bei dem Zugangsbeweis zu vermei- 434 den, empfiehlt es sich, den Empfänger der Mail um eine Eingangsbestätigung zu bitten. Wenn die Eingangsbestätigung verweigert wird, ist eine anderweitige Zustellung – etwa per Telefax oder per Einschreiben mit Rückschein – zu erwägen.
II. Zustandekommen von Online-Verträgen Nach dem Modell der §§ 145 ff. BGB kommt ein Vertrag durch die An- 435 nahme eines Antrages zustande. Auch bei Internetverträgen stellt sich daher die Frage, welche Anforderungen an einen Antrag i.S.d. § 145 BGB zu stellen sind. Des Weiteren ist zu überlegen, welche Besonderheiten es 1 Vgl. Heermann, K&R 1999, 6, 9. 2 Koch in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 71; Mankowski, NJW 2004, 1901, 1906; Mrosk, NJW 2013, 1481, 1484. 3 AG Frankfurt a. M. vom 23.10.2008, MMR 2009, 507 (Ls.).
113
C. Vertragsrecht
im elektronischen Geschäftsverkehr für die Annahme eines Antrages gibt. 436
Übersicht: Antrag und Annahme – Website mit Bestellformular: in aller Regel bloße invitatio ad offerendum; – Bestellung per Formular: Antrag gemäß § 145 BGB; – Eingangsbestätigung: unverzügliche Übersendung erforderlich im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB); Eingangsbestätigung kann, muss jedoch nicht zugleich Annahmeerklärung sein; – Annahmeerklärung: Vertragsschluss durch ausdrückliche Annahmeerklärung oder Warenversand; im elektronischen Geschäftsverkehr keine Entbehrlichkeit des Zugangs kraft Verkehrssitte (§ 151 Satz 1 BGB).
1. Antrag 437
Wer auf einer Website Waren oder Dienstleistungen zur sofortigen Bestellung anbietet, begibt sich damit in das Stadium der Vertragsanbahnung. Für den Nutzer einer solchen Website stellt sich die Frage, ob er im Falle einer Bestellung damit rechnen muss, dass eine vertragliche Bindung entsteht.
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Für die Frage, ob eine Waren- bzw. Dienstleistungspräsentation im Internet bereits als Antrag zum Vertragsschluss i.S.d. §§ 145 ff. BGB oder als bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum) zu werten ist, ist der Verständnishorizont des Internetnutzers ausschlaggebend1.
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Für den Nutzer einer Website ist erkennbar, dass die Website von einer unbegrenzten Vielzahl von Personen aufgerufen werden kann und somit für den Anbieter eine Situation besteht, in der die Bestellungen die vorhandenen Kapazitäten bei weitem übersteigen können. Der Wille desjenigen, der vertragliche Leistungen im Internet anbietet, ist erkennbar darauf gerichtet, zunächst Bestellungen entgegenzunehmen und sodann selbst zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er auf Grund dieser Bestellungen vertragliche Bindungen eingehen möchte. Das Leistungsangebot im Internet ist daher im Normalfall nicht als Antrag zum Abschluss von Verträgen gemäß §§ 145 ff. BGB, sondern als invitatio ad offe1 Vgl. BGH vom 12.3.1992, NJW 1992, 1446, 1447; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558; Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch MultimediaRecht, Teil 13.1 Rz. 87.
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II. Zustandekommen von Online-Vertrgen
rendum zu werten1. Der Mausklick des Internetnutzers, durch den das ausgefüllte Bestellformular abgeschickt wird, ist als Antrag zu qualifizieren. Der erkennbare Wille des Internetanbieters, durch die Warenpräsentation 440 noch keine Bindung einzugehen, ergibt sich auch daraus, dass der Anbieter anderenfalls keine Möglichkeit hätte, vor Vertragsschluss die Bonität seiner Kunden zu prüfen. Der Internethändler hat ein schutzwürdiges Interesse, das Risiko eines Forderungsausfalls so gering wie möglich zu halten und zahlungsunwillige sowie querulatorische Kunden abzulehnen2. Eine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich für den Nutzer der 441 Website – ausnahmsweise – kein Interesse des Anbieters erkennen lässt, sich die Annahme eines Antrags vorzubehalten. Dies kann etwa der Fall sein bei kostenpflichtigen Online-Datenbanken, bei denen der Anbieter ein erkennbares Interesse an der möglichst häufigen Nutzung der Datenbank hat, ohne dass sich Kapazitätsprobleme stellen. Will der Anbieter auch in diesen Fällen erst nach einer Prüfung der Identität des Kunden kontrahieren, muss er dies auf der Website deutlich machen. Wenn Waren oder Dienstleistungen nicht auf einer eigenen Website, son- 442 dern auf einem Portal wie mobile.de angeboten werden, gelten keine Besonderheiten. Auch dort ist das Interesse des Anbieters offenkundig, von nicht erfüllbaren vertraglichen Verpflichtungen (Doppelverkauf) freigehalten zu werden. Daher stellen auch derartige Präsentationen keinen Antrag gemäß § 145 BGB dar3. 2. Annahme Geht bei dem Leistungsanbieter eine Bestellung ein, so hat er die Mög- 443 lichkeit, den Vertrag durch eine Annahmeerklärung zustande zu bringen. Ob der Vertrag zu den Bedingungen der Bestellung zustande kommt, hängt allein vom Willen des Leistungsanbieters ab4. Hierbei hat der Leistungsanbieter die Annahmefristen zu berücksichti- 444 gen, die sich aus den §§ 147 ff. BGB ergeben. Hat der Besteller keine An1 BGH vom 16.10.2012 – X ZR 37/12, Rz. 14; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31; AG Butzbach vom 14.6.2002, NJW-RR 2003, 54, 55; AG Hamburg-Barmbek vom 21.11.2003, NJW-RR 2004, 1284; AG Westerburg vom 14.3.2003, CR 2003, 699; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 186; Koch, Internet-Recht, S. 103 ff.; Kuhn, Rechtshandlungen mittels EDV und Telekommunikation, S. 112 für Btx; Härting, ITRB 2004, 61; Kaiser/Voigt, K&R 1999, 445, 446; Lauktien/Varadinek, ZUM 2000, 466, 467; Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 3. Kap., Rz. 24; Waldenberger, BB 1996, 2365; a.A. Mehrings, MMR 1998, 30, 32. 2 OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31. 3 OLG Stuttgart vom 12.7.2006, MMR 2006, 819. 4 Vgl. Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 3. Kap., Rz. 40.
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C. Vertragsrecht
nahmefrist bestimmt (§ 148 BGB), so kommt es bei einem Antrag unter Abwesenden gemäß § 147 Abs. 2 BGB auf den Zeitraum an, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dieser Zeitraum ist im Normalfall kürzer zu bemessen als bei postalischer Übermittlung1, da der Besteller nach dem Grundsatz der Korrespondenz der Beförderungsmittel2 mit einer beschleunigten Annahme per E-Mail rechnen kann. 445
§ 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB verpflichtet den Unternehmer, der über das Internet Bestellungen entgegennimmt, zur unverzüglichen Bestätigung des Bestellungseingangs. Der Unternehmer kann diese Eingangsbestätigung mit einer Annahmeerklärung verbinden. Möchte er sich – wie zumeist – die Entscheidung über den Vertragsschluss noch vorbehalten, so sollte er sich um eine Formulierung bemühen, die dies klar zum Ausdruck bringt3. Û Verbraucherrechterichtlinie
446
Die Verpflichtung zur unverzüglichen Bestätigung des Bestellungseingangs befindet sich nun in dem § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F.
447
Um der Verpflichtung zu einer Eingangsbestätigung gemäß § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB nachzukommen, haben viele Anbieter den Bestellvorgang so eingerichtet, dass der Besteller automatisch eine Bestätigungsmail erhält. Geht aus dem Inhalt einer solchen Mail nicht hervor, dass sich der Anbieter die Entscheidung über den Vertragsschluss noch offen halten möchte, so ist die Mail als Annahmeerklärung zu werten4. Ein Vertrag ist dann auf Grund einer digital erzeugten Willenserklärung des Anbieters zustande gekommen. Hierfür reicht allerdings die bloße Bestätigung der „Aufnahme“ einer Bestellung nicht aus5.
448 Û Praxistipp: Internetanbieter sollten bei der Formulierung von Eingangsbestätigungen gemäß § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB darauf achten, dass die Bestätigung nicht als Annahmeerklärung missverstanden werden kann: „Ihre Bestellung vom xx.yy.20zz ist bei uns eingegangen und wird umgehend bearbeitet. Eine Entscheidung über die Annahme Ihrer Bestellung behalten wir uns vor. Sie erhalten von uns hierüber gesondert Nachricht.“ 1 LG Hamburg vom 9.7.2004, NJW-RR 2004, 1568, 1569. 2 Busche in MünchKomm-BGB, § 147 Rz. 33; Wolf in Soergel, § 147 Rz. 8. 3 Vgl. BGH vom 16.10.2012 – X ZR 37/12, Rz. 19; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, NJW 2003, 367; OLG Nürnberg vom 10.6.2009 MMR 2010, 31 ff.; AG Butzbach vom 14.6.2002, MMR 2002, 765; Härting, ITRB 2004, 61, 65. 4 Vgl. BGH vom 16.10.2012 – X ZR 37/12, Rz. 19; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; LG Köln vom 16.4.2003, CR 2003, 613; LG Wiesbaden vom 20.11.2002 – 6 O 188/01; AG Butzbach vom 14.6.2002, NJW-RR 2003, 54, 55; AG Wolfenbüttel vom 14.3.2003, MMR 2003, 492. 5 LG Hamburg vom 15.11.2004, MMR 2005, 121 mit Anm. Lindhorst; LG Hamburg vom 9.7.2004, NJW-RR 2004, 1568.
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II. Zustandekommen von Online-Vertrgen
Im herkömmlichen Versandhandel galt der Zugang einer Annahmeerklä- 449 rung kraft Verkehrssitte stets als entbehrlich1 mit der Folge, dass ein Vertrag gemäß § 151 Satz 1 BGB auch ohne Zugang einer Annahmeerklärung geschlossen wird. Der Vertrag kommt zustande, sobald der Versandhändler die bestellte Ware aussondert und absendet2. Die Annahmeerklärung liegt in der Aussonderung und Absendung der Ware und bedarf keines Zugangs. Ob sich diese Grundsätze ohne weiteres auf den elektronischen Versand- 450 handel übertragen lassen, ist fraglich. Mit der E-Mail steht dem Unternehmer ein einfaches und kostengünstiges Mittel zur Übermittlung einer Annahmeerklärung zur Verfügung, das sich auch im Massenverkehr ohne übermäßigen Aufwand einsetzen lässt und für Erklärungen über die Annahme von Bestellungen vielfach genutzt wird. In seltenen Fällen kann man aus dem bloßen Schweigen des Empfängers 451 einer Bestellung auf eine Annahmeerklärung schließen3. Das Schweigen des Empfängers erfüllt nur dann den Tatbestand einer vertraglichen Willenserklärung, wenn die Parteien dies – etwa im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung – ausdrücklich vereinbart haben oder wenn der Schweigende ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern4. 3. Bestellbutton Seit dem 1.8.2012 gilt mit der Neufassung des § 312g BGB die so genann- 452 te „Button-Lösung“ für Online-Bestellungen von Verbrauchern5. Gemäß § 312g Abs. 4 BGB kommt ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nur zustande, wenn der Unternehmer seine Website so ausgestaltet hat, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zur Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine „Schaltfläche“ (insbesondere über einen Button), muss die „Schaltfläche“ gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein (§ 312g Abs. 3 BGB). Û Verbraucherrechterichtlinie Die Pflichten des § 312g Abs. 1 BGB finden sich in dem § 312i Abs. 1 453 BGB n.F. unverändert wieder. Die Regelungen des § 312g Abs. 2 bis 5 sind nun in dem § 312j Abs. 2 bis 5 BGB n.F. zu finden. 1 Ellenberger in Palandt, § 151 Rz. 4; Wolf/Neuner, AT, § 37 Rz. 37; Medicus, AT, Rz. 384 f. 2 Vgl. Kaiser/Voigt, K&R 1999, 445, 447. 3 Vgl. Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 3. Kap., Rz. 68 ff. 4 Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rz. 9; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rz. 8; Brox, AT, Rz. 91; Wolf/Neuner, AT, § 31 Rz. 13 ff. 5 Vgl. Bierekoven, ITRB 2012, 186 ff.
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C. Vertragsrecht
454
Neu ist, dass der Unternehmer dem Verbraucher gemäß § 312j Abs. 1 BGB n.F. beim Beginn des Bestellvorgangs klar und deutlich anzugeben hat, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden.
455
Neben der in § 312g Abs. 3 BGB ausdrücklich aufgeführten Beschriftung „zahlungspflichtig bestellen“ sind auch Formulierungen wie „kostenpflichtig bestellen“, „zahlungspflichtigen Vertrag schließen“ oder „kaufen“ zulässig, da diese unmissverständlich erkennen lassen, dass mit der Betätigung der Schaltfläche eine finanzielle Verpflichtung eingegangen wird. Bei Ebay und anderen Auktionsplattformen ist zudem die Formulierung „Gebot abgeben“ oder „Gebot bestätigen“ ausreichend1. Es dürfen jedoch keine Zusätze verwendet werden, die den Verbraucher von der Information über die Kostenpflichtigkeit ablenken2.
456
Früher übliche Formulierungen wie „bestellen“ oder „Bestellung abgegeben“ reichen nicht mehr aus3, da derartige Formulierungen nicht geeignet sind, die Entgeltlichkeit einer Leistung für den Verbraucher hinreichend deutlich zu machen, zumal im Internet zahlreiche kostenfreie Leistungen wie beispielweise Newsletter-Abos oder Produktproben „bestellt“ werden können4. Û Verbraucherrechterichtlinie
457
Vereinbarungen, durch die ein Verbraucher im Rahmen eines Verbrauchervertrages verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner Vertragspflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, werden nach der neuen Rechtslage unwirksam sein, wenn dem Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit angeboten wird oder das vereinbarte Entgelt über die Kosten hinaus geht, die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehen (§ 312a Abs. 3 BGB n.F.).
458
Stellt der Unternehmer eine Kundenhotline zur Klärung von Fragen zu bereits bestehenden Verträgen bereit, so darf er von Verbrauchern kein Entgelt für die Nutzung der Hotline verlangen, wenn das Entgelt die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt (§ 312a Abs. 4 Satz 1 BGB n.F.). Tut er dies dennoch, so ist der Verbraucher gemäß § 312a Abs. 4 Satz 2 BGB n.F. weder gegenüber dem Unternehmer, noch gegenüber dem Anbieter des Telekommunikationsdienstes verpflichtet zu zahlen.
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Soll der Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher entgeltliche Nebenleistungen beinhalten, so müssen diese mit dem Verbraucher ausdrücklich vereinbart werden und dürfen im Rahmen des elektro1 2 3 4
BT Drucks. 12/7745, 12. BT Drucks. 12/7745, 12. BT-Drucks. 17/7745, 12. BT Drucks. 12/7745, 12.
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III. Zustandekommen von Vertrgen bei Internetauktionen
nischen Geschäftsverkehrs nicht durch Voreinstellungen des Unternehmers herbeigeführt werden (§ 312a Abs. 5 BGB n.F.).
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen 1. Grundlagen Auktionsplattformen gehören zu den am häufigsten frequentierten Web- 460 sites im Netz. Sowohl weltweit als auch in Deutschland ist Ebay mit großem Abstand Marktführer. Das Grundmodell ist bei allen Auktionsplattformen gleich: Private Ver- 461 käufer und Händler präsentieren Waren und Dienstleistungen und haben die Möglichkeit, Angebote umfangreich zu beschreiben und zu bebildern. Der Mindestpreis ist in der Regel beliebig wählbar. Ein wertvolles Kraftfahrzeug kann somit beispielsweise zu einem Mindestpreis von 1,00 Euro angeboten werden. Innerhalb eines festgelegten Zeitraums von zumeist mehreren Tagen ha- 462 ben Interessenten die Gelegenheit, Gebote abzugeben. Der Ablauf bei den Geboten entspricht dem Ablauf einer typischen Offline-Auktion: Es muss jeweils das aktuelle Höchstgebot überboten werden, um die anderen Interessenten – zumindest zeitweise – aus dem Rennen zu werfen. Für das Ende der Auktion wird vorab ein bestimmter Zeitpunkt festge- 463 legt. Wer zu diesem Zeitpunkt das höchste Gebot abgegeben hat, hat die Ware bzw. Dienstleistung ersteigert und ist Vertragspartner des Anbieters geworden. Die genaue Funktionsweise der Auktionen und deren Ablauf werden 464 in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers geregelt. Die Teilnahme an einer Auktion setzt zumeist eine vorherige Registrierung unter Anerkennung der Nutzungsbedingungen voraus. Dies gilt sowohl für die Verkäufer als auch für die Käufer. Nicht zu Unrecht bezeichnen die Plattformbetreiber ihre Angebote als 465 Marktplätze. Die Funktion der Plattformen liegt darin, Anbieter und Nachfrager von Waren und Dienstleistungen zusammenzubringen und die Bestimmung des Preises dem Ablauf der Auktion zu überlassen. An den Geschäften, die auf den Plattformen getätigt werden, sind die Betreiber der Plattformen nicht unmittelbar beteiligt. Die Plattformbetreiber verdienen an den Versteigerungen mit. Zahlen 466 muss regelmäßig (nur) der Verkäufer. Üblich sind Angebotsgebühren, die auch dann fällig werden, wenn sich kein Käufer findet, und Verkaufsprovisionen, deren Höhe von dem Erlös abhängt, den der Verkäufer erzielt. 119
C. Vertragsrecht
467
Um Transparenz zu schaffen und die Anonymität der Beteiligten zu durchbrechen, haben Ebay und andere Anbieter Bewertungssysteme eingeführt. Diese Bewertungssysteme ermöglichen es den Beteiligten, nach Vollzug einer Transaktion zu bekunden, ob und inwieweit sie zufrieden mit den Leistungen des Partners waren. Die Bewertungen sind für alle Plattformnutzer sichtbar, so dass sich die Nutzer ein Bild davon verschaffen können, wie erfahren und zuverlässig die einzelnen Anbieter und Bieter sind1. Nach den Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiber kann eine Vielzahl von negativen Bewertungen zu einem Kündigungsrecht des Betreibers bzw. zu dem Recht führen, das betreffende Mitgliedskonto zu sperren2. 2. Kaufverträge
468
An einem Vertrag, der über eine Versteigerungsplattform geschlossen wird, sind drei Parteien beteiligt: der Verkäufer, der Bieter und der Plattformbetreiber. Der Kaufvertrag kommt jedoch ausschließlich zwischen dem Bieter und dem Verkäufer zustande.
469
Denkbar ist, dass der Plattformbetreiber als Versteigerer i.S.d. § 156 BGB auftritt. In diesem Fall kommt der Vertrag mit dem Zuschlag durch den Auktionator zustande (vgl. § 156 Satz 1 BGB)3. Dies setzt jedoch voraus, dass tatsächlich ein Zuschlag erfolgt. Dies ist lediglich bei „Live-Auktionen“ auf Chatbasis der Fall4.
470
Bei den typischen Online-Versteigerungen entscheidet nicht der Hammerschlag des Auktionators, sondern der Zeitablauf darüber, welcher Bieter den Zuschlag erhält. Es handelt sich nicht um einen Vertragsschluss 1 Zum Rechtsschutz gegen Ebay-Bewertungen: Petershagen, NJW 2008, 953 ff.; OLG Düsseldorf vom 11.3.2011 – I-15 W 14/11, Rz. 15; OLG Oldenburg vom 3.4.2006, CR 2006, 694 ff.; LG Bad Kreuznach vom 13.7.2006, MMR 2006, 823; LG Düsseldorf vom 18.2.2004, CR 2004, 623 ff. = MMR 2004, 496 ff.; LG Konstanz vom 28.7.2004, NJW-RR 2004, 1635, 1636 = MMR 2005, 54; AG Dannenberg vom 13.12.2005, MMR 2006, 567 ff.; AG Detmold vom 10.11.2006, MMR 2007, 472 ff.; AG Eggenfelden vom 16.8.2004, CR 2004, 858 ff.; AG Erlangen vom 26.5.2004, CR 2004, 780 f. = MMR 2004, 635; AG Frankfurt a.M. vom 21.10.2010, CR 2011, 57 ff.; AG Hamburg-Wandsbeck vom 22.12.2005, CR 2006, 424 ff.; AG Koblenz vom 21.6.2006, NJW-RR 2006, 1643, 1644 ff.; AG Koblenz vom 2.4.2004 – 142 C 330/04, JurPC Web-Dok. 217/2004 = MMR 2004, 638 f.; AG Peine vom 15.9.2004, NJW-RR 2005, 275 ff.; AG Schönebeck vom 28.11.2005 – 4 C 525/05, JurPC Web-Dok. 117/2006; Schlömer/Dittrich; K&R 2012, 160, 163. 2 Vgl. KG vom 5.8.2005, NJW-RR 2005, 1630 ff.; OLG Brandenburg vom 17.6.2009, K&R 2009, 592 f.; OLG Brandenburg vom 15.1.2009, MMR 2009, 262 f.; OLG Brandenburg vom 18.5.2005, MMR 2005, 698 f. 3 Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 309. 4 v. Samson-Himmelstjerna/Rücker in Bräutigam/Leupold, Online-Handel, S. 793; Hartung/Hartmann, MMR 2001, 278, 279.
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III. Zustandekommen von Vertrgen bei Internetauktionen
durch Zuschlag gemäß § 156 Satz 1 BGB, sondern um einen „normalen“ Vertragsschluss durch Antrag und Annahme in der Variante eines Verkaufs gegen Höchstgebot1. Mit der Einstellung seiner Ware auf die Auktionsplattform bietet der Verkäufer gemäß § 145 BGB an, an denjenigen zu verkaufen, der innerhalb der Bietfrist das höchste Gebot abgegeben hat2. Jeder Bieter erklärt daraufhin mit der Abgabe seines Gebotes die Annahme des Angebots für den Fall, dass er bei Ablauf der Bietzeit das höchste Angebot abgegeben haben sollte3. Anders als bei der Einstellung von Waren in einen Internetshop ent- 471 spricht es nicht dem Willen und den Interessen der Parteien, in dem Einstellen der Ware auf Versteigerungsplattform lediglich eine invitatio ad offerendum zu sehen4. Unabhängig von der Person des Käufers und dem letztlich erzielten Höchstpreis soll vielmehr zu den per Versteigerung ermittelten Konditionen kontrahiert werden. Neben den typischen Versteigerungen bieten Versteigerungsplattformen 472 auch einen so genannten Sofortkauf an. Dabei bestimmt der Verkäufer einen Preis, zu dem er – ohne weitere Versteigerung – bereit ist, die Ware abzugeben. Nutzt ein Bieter die Sofortkauf-Option, ist die „Auktion“ beendet, der Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande5. Auch das Angebot einer Ware zum Sofortkauf auf einer Internetplattform 473 stellt keine bloße invitatio ad offerendum dar, sondern ein verbindliches Angebot an denjenigen, der sich durch das Anklicken der „Sofort-Kaufen“-Option zu dem Vertragsschluss unter den im Angebot genannten Bedingungen bereit erklärt6. Die Erklärung eines Verkäufers, der eine Ware zum Sofortkauf anbietet, ist nicht mit der Erklärung eines Verkäufers vergleichbar, der seine Ware in einem gewöhnlichen Onlineshop anbietet. Jedenfalls bei Ebay steht die „Sofort-Kaufen“-Option nur so lange zur Verfügung, wie der oder die zu diesen Bedingungen angebotenen Artikel überhaupt verfügbar sind. Ist der oder sind die zum Sofortkauf angebote1 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; KG vom 17.6.2011 – 7 U 179/10, Rz. 5; LG Berlin vom 16.3.2004, NJW-RR 2004, 1061, 1062; LG Berlin vom 20.7.2004, NJW 2004, 2831, 2832; AG Kehl vom 19.4.2003, CR 2004, 60; v. Samson-Himmelstjerna/Rücker in Bräutigam/Leupold, Online-Handel, S. 793; Günther, ITRB 2002, 93; Mehrings, BB 2002, 469. 2 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364. 3 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; BGH vom 8.6.2011 – VIII ZR 305/10, Rz. 15; Klees/Keisenberg, MDR 2011, 1214, 1214; Spindler, ZIP 2001, 809, 810. 4 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; OLG Hamm vom 14.12.2000, CR 2001, 117; AG Menden vom 10.11.2003, NJW 2004, 1329; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, S. 271. 5 LG Memmingen vom 23.6.2004, NJW 2004, 2389, 2390; LG Saarbrücken vom 7.1.2004, MMR 2004, 556 ff.; AG Moers vom 11.2.2004, NJW 2004, 1330. 6 OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008 (Ls.); LG Köln vom 30.11.2010 – 18 O 150/10, Rz. 20; AG Bremen vom 25.5.2007 – 9 C 142/07, Rz. 21; a.A. Hoffmann, MMR 2006, 676, 677.
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C. Vertragsrecht
nen Artikel bereits gekauft worden, ist die Wahl der „Sofort-Kaufen“-Option nicht mehr möglich. Da der Verkäufer in Hinblick auf seine Vorratshaltung nicht weiter schutzbedürftig ist, ist seine Willenserklärung als ein verbindliches Angebot anzusehen, das der Käufer durch Anklicken der „Sofort-Kaufen“-Option annehmen kann1. 3. Nutzungsbedingungen 474
Neben den Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer treten die Verträge, die der Betreiber der Versteigerungsplattform mit den einzelnen Nutzern schließt. Diese Verträge sind die Grundlage für die Gebühren- und Provisionsansprüche des Plattformbetreibers gegen die Nutzer bzw. Verkäufer. Darüber hinaus regeln die Nutzungsverträge beispielsweise die Voraussetzungen, unter denen der Plattformbetreiber den Nutzungsvertrag kündigen oder einen Account – vorläufig oder endgültig – sperren kann2.
475
Die Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiber haben eine Doppelfunktion: Zum einen gestalten sie das Vertragsverhältnis zwischen dem Betreiber und dem Nutzer der Plattform aus. Zum anderen regeln sie die Funktionsweise und den Ablauf der einzelnen Versteigerungen und somit den Abschluss der einzelnen Kaufverträge3. Der Plattformnutzer darf davon ausgehen, dass sich die anderen Nutzer an die Nutzungsbedingungen halten. Daher gelten die Pflichten der Nutzer, die sich aus den Nutzungsbedingungen ergeben, auch für die einzelnen Kaufverträge, sofern sich nicht aus den individuellen Vereinbarungen der Nutzer etwas anderes ergibt.
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Die lückenfüllende Funktion der Nutzungsbedingungen bei der Auslegung der einzelnen Verträge, die über die Plattform geschlossen werden, entspricht dem Parteiwillen. Daher ist es weder sachgerecht noch erforderlich, umständliche rechtliche Konstruktionen zu entwickeln4, um eine „Drittwirkung“ der Nutzungsbedingungen zu begründen.
477
Der lückenfüllende Gehalt der Nutzungsbedingungen wird deutlich, wenn Verkäufer ihre Angebote mit Zusätzen versehen, die den Nutzungsbedingungen widersprechen. Dies ist beispielsweise bei gelegentlichen Versuchen der Fall, Auktionsangebote als unverbindlich zu bezeichnen, um je nach Höhe des Höchstgebots noch entscheiden zu können, ob ein Verkauf tatsächlich erfolgt. Dies verstößt in aller Regel gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform, hat jedoch keine Auswirkungen auf 1 OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008 (Ls.); LG Memmingen NJW 2004, 2389, 2390; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3171. 2 Vgl. OLG Brandenburg vom 12.11.2008, MDR 2008, 526 ff.; OLG Brandenburg vom 15.1.2009, MMR 2009, 262 ff.; OLG Brandenburg vom 17.6.2009, K&R 2009, 592 ff. 3 Vgl. Koch, CR 2005, 502 ff. 4 Vgl. Koch, CR 2005, 501, 504 ff.
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IV. Zustandekommen von Vertrgen bei Download-Plattformen
das Verhältnis zum Bieter. Wird in einem „Angebot“ eindeutig gesagt, dass es sich lediglich um eine Preisumfrage handelt1 oder der ermittelte Preis lediglich Verhandlungsbasis sei2, so fehlt es bei dem Verkäufer erkennbar am Rechtsbindungswillen, und ein Vertrag kommt nicht zustande. Die individuellen Angaben des Versteigerers haben bei der Vertragsauslegung Vorrang vor den Nutzungsbedingungen der Plattform3. Aus den Nutzungsbedingungen ergibt sich im Normalfall, dass die „Stor- 478 nierung“ eines Angebots bzw. der Abbruch einer Internetauktion nur in seltenen Ausnahmefällen erlaubt ist4. Dies entspricht der Regel des § 145 BGB: Der Antrag ist bindend, wenn die Gebundenheit nicht ausgeschlossen ist. Wenn es zu einem Abbruch kommt, ohne dass die in den Nutzungsbe- 479 dingungen genannten Voraussetzungen vorliegen und ohne dass sich der Versteigerer eine vorzeitige Beendigung der Versteigerung ausdrücklich (individuell) vorbehalten hat, geht der Abbruch ins Leere. Der Antrag bleibt gemäß § 145 BGB bindend mit der Folge eines Vertragsschlusses mit dem Bieter, der zum Zeitpunkt des Abbruchs der Versteigerung das höchste Gebot abgegeben hatte5.
IV. Zustandekommen von Verträgen bei Download-Plattformen Regelmäßig muss sich derjenige, der eine Download-Plattform nutzen 480 möchte, bei dem Anbieter der Plattform registrieren lassen. Neben den Einzelverträgen, die bei dem jeweiligen Download zustande kommen, wird dann auch ein Plattformnutzungsvertrag abgeschlossen. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Rahmenvertrag für die Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Kunde6. Bei Plattformen zum kostenpflichtigen Musik-Download kommt der 481 Einzelvertrag über das heruntergeladene Musikstück mit dem Anklicken 1 LG Darmstadt vom 24.1.2002, CR 2003, 295 = NJW-RR 2002, 1139. 2 AG Kerpen vom 25.5.2001, MMR 2001, 711. 3 Vgl. OLG Saarbrücken vom 18.4.2008, OLGR Saarbrücken 2008, 621; LG Osnabrück vom 5.10.2004, MMR 2005, 125, 126; AG Meppen vom 26.7.2004, CR 2005, 147 ff. 4 Vgl. BGH vom 8.6.2011 – VIII ZR 305/10, Rz. 8; LG Berlin vom 20.7.2004, NJW 2004, 2831, 2832; LG Bochum vom 18.12.2012 – 9 S 166/12, Rz. 41; LG Bonn vom 5.6.2012 – 18 O 314/11, Rz. 36; LG Coburg vom 1.6.2004, K&R 2004, 543, 546 ff.; AG Bad Kissingen vom 28.9.2006, K&R 2007, 176 (Ls.); AG Bremen vom 5.12.2012 – 23 C 317/12; AG Dieburg vom 4.7.2011 – 20 C 65/11 Rz. 21 ff.; AG Nürtingen vom 16.1.2012 – 11 C 1881/11, Rz. 22 ff. 5 Vgl. KG vom 25.1.2005, NJW 2005, 1053, 1054; OLG Oldenburg vom 28.7.2005, MMR 2006, 766, 767 f.; LG Berlin vom 15.5.2007, MMR 2007, 802, 803; LG Detmold, vom 22.2.2012 – 10 S 163/11, Rz. 5; AG Gummersbach vom 28.6.2010 – 10 C 25/10. 6 Vgl. Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186, 186; siehe auch Rz. 771.
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C. Vertragsrecht
eines Kaufen-Buttons zustande. Die Präsentation der einzelnen Musiktitel ist als Antrag gemäß § 145 BGB zu verstehen und stellt keine bloße invitatio ad offerendum dar. 482
Die Interessenlage ist bei einer Download-Plattform anders als beim Einkauf im Online-Shop. Durch Registrierung und den Rahmenvertrag gibt der Betreiber der Plattform zu erkennen, dass er mit den registrierten Nutzern in Zukunft Verträge abschließen möchte. Der Plattformbetreiber hat keine Kapazitätsprobleme, da er lediglich Kopien vertreibt und nur ein Original für eine beliebig große Anzahl von Kunden erforderlich ist. Ein erkennbares Interesse des Plattformbetreibers an einem Vorbehalt der Annahme besteht nicht1.
483
Mit dem Anklicken eines Downloadbuttons kommt ein Vertrag über den jeweiligen Musiktitel zustande. Der Kunde ist aufgrund dieses Vertrages berechtigt, sich die gewünschte Musikdatei auf seinen Rechner zu laden und zu nutzen. Es handelt sich um einen Kaufvertrag nach den §§ 433 und 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Die Musikdatei ist zwar keine Sache i.S.d. § 90 BGB, schuldrechtlich jedoch – ähnlich wie Software2 – wie eine Sache zu behandeln3. Ob die Musikdatei als Immaterialgut auf einem festen Medium oder auf unkörperliche Wege ausgetauscht wird, ist für die Bewertung des Austauschverhältnisses unerheblich4.
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen 484
Die Frage der Wirksamkeit eines online geschlossenen Vertrages kann sich bei rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Formerfordernissen oder bei einer Anfechtung des Vertrages stellen. Auch die Beteiligung von Minderjährigen und Stellvertretern kann Wirksamkeitsfragen aufwerfen. 1. Gesetzliche Formerfordernisse
485
Die gesetzlichen Formvorschriften erfüllen durchweg den Zweck, den Erklärenden vor übereilten Bindungen zu schützen (Warnfunktion)5 und klarzustellen, ob und mit welchem Inhalt das Rechtsgeschäft zustande gekommen ist (Beweisfunktion)6. Notarielle Beurkundungsvorschriften dienen zudem der Sicherstellung sachkundiger Beratung und Belehrung 1 2 3 4
Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186, 186. Siehe Rz. 642. Hoenike/Hülsdunk, MMR 2004, 59, 65. Vgl. Bettinger/Heide in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.11 Rn. 21; Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186, 187. 5 BGH vom 7.5.1971, BGHZ 56, 159, 163; Jauernig in Jauernig, § 125 Rz. 3; Einsele in MünchKomm-BGB, § 125 Rz. 17; Ellenberger in Palandt, § 125 Rz. 2; Köhler, AT, § 12 Rz. 3. 6 Jauernig in Jauernig, § 125 Rz. 3; Einsele in MünchKomm-BGB, § 125 Rz. 9; Ellenberger in Palandt, § 125 Rz. 3; Köhler, AT, § 12 Rz. 3; Medicus, AT, Rz. 614.
124
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
der Beteiligten (Beratungsfunktion)1; einzelne Formgebote sollen darüber hinaus eine wirksame behördliche Überwachung ermöglichen (Kontrollfunktion)2. Die §§ 126 bis 129 BGB regeln diverse Formanforderungen. Die strengste 486 Form ist die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB). Ist eine solche Beurkundung notwendig, ist ein formgerechter Online-Vertragsschluss unmöglich. Ein per E-Mail geschlossener Grundstückskaufvertrag ist gemäß §§ 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB nichtig. Online nicht erfüllbar ist auch die Form der öffentlichen Beglaubigung (§ 129 BGB).
Übersicht:
487
Form – Schriftform (§ 126 BGB): erfordert „eigenhändige Unterschrift“ eines Dokuments und ist daher auf elektronischem Weg nicht erfüllbar. – Elektronische Form (§ 126a BGB): nur erfüllt bei Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 2 Nr. 3 SigG. – Textform (§ 126b BGB): Übermittlung per Telefax oder E-Mail genügt, sofern der Erklärende seinen Namen nennt und den Abschluss der Erklärung erkennbar macht. – Telekommunikative Übermittlung (§ 127 Abs. 2 Satz 1 BGB): jede Übermittlung per Telefax oder E-Mail, auch ohne Namensnennung und ohne Kennzeichnung des Abschlusses der Erklärung. Elektronische Form – Elektronische Signatur (§ 2 Nr. 1 SigG): jede Form der Beifügung von Signaturdaten reicht (z.B. eingescannte Unterschrift). – Fortgeschrittene elektronische Signatur (§ 2 Nr. 2 SigG): jede Form der asymmetrischen Verschlüsselung. – Qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Nr. 3 SigG): nur bei Verwendung eines „sicheren“ Verfahrens der asymmetrischen Verschlüsselung unter Einsatz von Signaturen, die von einem Zertifizierungsdiensteanbieter zertifiziert und bei diesem hinterlegt worden sind.
a) Schriftform Die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 BGB („echte“ Schriftform) lassen 488 sich auf elektronischem Wege nicht erfüllen, da eine Urkunde erforder1 Jauernig in Jauernig, § 125 Rz. 3; Einsele in MünchKomm-BGB, § 125 Rz. 17; Ellenberger in Palandt, § 125 Rz. 5; Köhler, AT, § 12 Rz. 3; Medicus, AT, Rz. 614. 2 BGHZ 53, 304, 306; BGH vom 9.4.1970, BGHZ 54, 145, 148; Medicus, AT, Rz. 614; BGH vom 26.2.1970.
125
C. Vertragsrecht
lich ist, die von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet worden ist. 489
Das Erfordernis einer „eigenhändigen Unterschrift“ lässt sich mit elektronischen Mitteln nicht erfüllen. Die Unterzeichnung eines Verbraucherdarlehensvertrages auf einem elektronischen Schreibtablett genügt daher nicht dem Schriftformerfordernis des § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB1. b) Elektronische Form
490
§ 126a Abs. 1 BGB regelt die elektronische Form und schreibt hierfür eine Hinzufügung des Namens des Ausstellers sowie eine qualifizierte elektronische Form nach dem Signaturgesetz2 vor. Bei einem Vertrag bedarf es entsprechender Erklärungen aller Parteien (§ 126a Abs. 2 BGB).
491
Gemäß § 126 Abs. 3 BGB steht die elektronische Form der Schriftform gleich, sofern das Gesetz die elektronische Form nicht ausdrücklich ausschließt. Ein solcher Ausschluss gilt beispielsweise für die Bürgschaftserklärung (§ 766 Satz 2 BGB), für das abstrakte Schuldversprechen (§ 780 Satz 2 BGB) und für das abstrakte Schuldanerkenntnis (§ 781 Satz 2 BGB).
492
§ 126a BGB knüpft an das Signaturgesetz (SigG) an, das in seiner jetzigen Fassung seit 2001 in Kraft ist. Ziel des Gesetzes ist es, einheitliche Rahmenbedingungen für die Verschlüsselung von Signaturen zu schaffen (§ 1 Abs. 1 SigG). Dem Signaturgesetz liegt der gesetzgeberische Wille zugrunde, durch Missbrauchsschutz Rechtssicherheit zu schaffen. Die elektronische Signatur soll größtmögliche Gewähr für die Integrität und Authentizität einer digital übermittelten Nachricht bieten3.
493
Das SigG unterscheidet zwischen „elektronischen Signaturen“ (§ 2 Nr. 1 SigG), „fortgeschrittenen elektronischen Signaturen“ (§ 2 Nr. 2 SigG) und „qualifizierten elektronischen Signaturen“ (§ 2 Nr. 3 SigG). Nur die „qualifizierte elektronische Signatur“ erfüllt die Erfordernisse der elektronischen Form gemäß § 126a BGB. aa) Elektronische Signatur
494
Als „elektronische Signatur“ gilt nach § 2 Nr. 1 SigG jeder Datensatz, der anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft ist und ausschließlich der Authentifizierung dient. Eine Verfälschung ist
1 OLG München vom 4.6.2012 – 19 U 771/12, Rz. 20 ff. 2 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung anderer Vorschriften vom 16.5.2001, BGBl. I 2001, S. 876. 3 Vgl. Begründung des IuKDG-Entwurfes der Bundesregierung, BR-Drucks. 966/96, S. 18, 28; Bieser, CR 1996, 564, 566.
126
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
somit ohne weiteres möglich1. Ausreichend ist bereits eine eingescannte Unterschrift2. bb) Fortgeschrittene elektronische Signatur Mit dem Begriff der „fortgeschrittenen elektronischen Signatur“ (§ 2 Nr. 2 495 SigG) sind asymmetrische Verschlüsselungsverfahren gemeint. Die Verschlüsselung erfolgt dabei mit einem privaten Schlüssel, den nur der Versender kennt. Die Entschlüsselung erfolgt bei dem Empfänger mittels des öffentlichen Schlüssels des Absenders und gelingt nur dann, wenn die Nachricht tatsächlich von dem Absender unter Verwendung seines privaten Schlüssels stammt3. § 2 Nr. 2 SigG umschreibt die Anforderungen an eine asymmetrische Ver- 496 schlüsselung mit vier Merkmalen. Zunächst muss es sich um eine Signatur handeln, die ausschließlich einem bestimmten Inhaber zugeordnet ist und (mittels des öffentlichen Schlüssels) eine Identifizierung des Inhabers ermöglicht. Die Signatur muss zudem mit Mitteln erzeugt werden, die der Schlüsselinhaber unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann. Schließlich muss die Signatur mit den Bezugsdaten so verknüpft sein, dass eine nachträgliche Veränderung der Bezugsdaten erkannt werden kann (§ 2 Nr. 2 lit. a bis d SigG)4. cc) Qualifizierte elektronische Signatur Die Zertifizierung und die Sicherheit der Signaturerstellungseinheit sind 497 die Wesensmerkmale einer „qualifizierten elektronischen Signatur“ gemäß § 2 Nr. 3 SigG5, die der Porsche unter den Signaturen ist. „Qualifizierte elektronische Signaturen“ müssen hinsichtlich der öffentlichen und privaten Schlüssel alle Anforderungen erfüllen, die auch eine „fortgeschrittene elektronische Signatur“ erfüllen muss. Im Unterschied zu den Signaturen nach § 2 Abs. 2 SigV müssen „qualifizierte elektronische Signaturen“ von Spezialanbietern zertifiziert sein und bei diesen hinterlegt werden. Die technischen Sicherheitsanforderungen sind en détail in den §§ 17 und 23 SigG sowie in der Signaturverordnung (SigV)6 geregelt (§ 2 Nr. 10 SigG). Die Vergabe qualifizierter Zertifikate erfolgt durch private Unterneh- 498 men, die das SigG als Zertifizierungsdiensteanbieter bezeichnet (§ 2 Nr. 8 1 Geis in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.2 Rz. 23. 2 Redeker, IT-Recht, Rz. 845; Münch, ITRB 2002, 122; Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1817; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4662, S. 18. 3 Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 104 ff. 4 Vgl. Geis in Horen/Sieber, Teil 13.2 Rz. 23; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4662, S. 18. 5 Vgl. Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1820. 6 Verordnung zur elektronischen Signatur in der Fassung vom 16.11.2001, BGBl. I 2001, S. 3074.
127
C. Vertragsrecht
SigG). Diese Unternehmen werden gemäß § 19 i.V.m. § 3 SigG durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) beaufsichtigt1. 499
Bei der Vergabe qualifizierter Zertifikate haben die Zertifizierungsdiensteanbieter eine Vielzahl von Anforderungen zu beachten, die der Identifizierung der Schlüsselinhaber dienen. Die zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen sind in den §§ 5 ff. SigG und den §§ 2 ff. SigV detailliert geregelt2.
500
Auf freiwilliger Basis sehen die §§ 15 f. SigG eine Akkreditierung der Zertifizierungsdiensteanbieter durch die BNetzA vor. Eine Akkreditierung wird i.V.m. einem Gütezeichen erteilt, wenn der Dienstanbieter nachweist, dass er sämtliche Bestimmungen des SigG und der SigV erfüllt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 und 3 SigG)3.
501
Mehr als fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten des ersten Signaturgesetzes4 hat sich die qualifizierte elektronische Signatur als Mittel zur sicheren Versendung elektronischer Nachrichten am Markt nur in wenigen Bereichen durchsetzen können. Dass sich dies ändern wird, ist nicht absehbar. Die Zurückhaltung der Internetnutzer bei der Verwendung von Signaturen dürfte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass sich bislang kein einfaches, anwenderfreundliches Verschlüsselungsverfahren am Markt durchsetzen konnte. Zum anderen haben sich Verbraucher und Unternehmer an die Versendung unverschlüsselter E-Mails längst gewöhnt. Probleme im Zusammenhang mit der Authentizität und Integrität elektronischer Nachrichten treten wesentlich seltener auf, als dies vor Jahren vielfach prognostiziert wurde. dd) De-Mail
502
Keine unmittelbaren zivilrechtlichen Folgen hat die Verwendung von DeMail auf der Grundlage des De-Mail-Gesetzes. Die De-Mail ist primär für die Kommunikation mit Behörden entwickelt worden. An den Anforderungen der §§ 125 ff. BGB ändert das De-Mail-Gesetz nichts.
503
Ziel des De-Mail-Gesetzes ist die Gewährleistung einer sicheren, vertraulichen und nachweisbaren Kommunikation für jedermann im Internet5. Dementsprechend definiert § 1 De-Mail-Gesetz De-Mail-Dienste als Dienste auf einer elektronischen Kommunikationsplattform, die dieses Ziel sicherstellen. 1 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 72 ff.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rz. 461. 2 Vgl. Geis, K&R 2002, 59, 59 f.; Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1820 f. 3 Vgl. Geis in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.2 Rz. 7. 4 „Gesetz zur digitalen Signatur“ vom 22.7.1997, BGBl. I 1997, S. 1870 ff.; vgl. Lüdemann/Adams, K&R 2002, 9, 12; Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1817. 5 Roßnagel, CR 2011, 23, 24, Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1474.
128
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
Provider sollen auf der Grundlage des neuen Gesetzes eine zusätzliche ei- 504 gene Infrastruktur für sichere Kommunikation aufbauen und in dieser zusammenarbeiten1. Die Anforderungen an De-Mail-Dienste sind in den §§ 3 bis 8 De-Mail-Gesetz geregelt2. Die De-Mail soll vier Vorteile gegenüber der herkömmlichen E-Mail bieten: einen gegen Ausspähung und Manipulation gesicherten Mail-Verkehr, sichere Nachweise der Identität des Kommunikationspartners, belastbare Beweismittel für Handlungen im Mail-Verkehr und eine rechtssichere Zustellung elektronischer Dokumente auch gegen nichtkooperative Kommunikationspartner3. Unternehmen, die die De-Mail-Funktion anbieten möchten, müssen un- 505 ter anderen nachweisen, dass sie ausreichend zuverlässig und fachkundig sind, über einer Deckungsvorsorge verfügen und datenschützenrechtliche Anforderungen erfüllen (§ 18 Abs. 1 De-Mail-Gesetz)4. Akkreditierte Anbieter erhalten nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 De-Mail-Gesetz ein Gütezeichen, das als Nachweis dient für die umfassend geprüfte technische und administrative Sicherheit des Dienstes5. c) Textform Die Textform (§ 126b BGB) stellt einen formerleichterten Tatbestand 506 dar6. Sie ist beispielsweise ausreichend für die nachvertragliche Information im Fernabsatzrecht (Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB), für die Ausübung eines Widerrufsrechts (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB) und für das Mieterhöhungsverlangen im Wohnraummietrecht (§ 558a Abs. 1 BGB). Für die Textform reicht es nach § 126b BGB aus, dass eine Erklärung auf 507 eine zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben wird, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird7. Somit sind von § 126b BGB das (unterschriebene) Telefax ebenso erfasst wie die (einfach signierte) E-Mail8. Es genügt, dass Mails vom Empfänger gespeichert oder ausgedruckt werden können. Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich ein Ausdruck oder ein Speichern der Mail erfolgt9.
1 2 3 4 5 6 7 8
Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1473. Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1474. Begründung der Bundesregierung, BT-Dr. 17/3630, S. 1. Roßnagel, CR 2011, 23, 25, Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1474. Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1477. Vgl. Lüdemann/Adams, K&R 2002, 8, 9. Vgl. Ellenberger in Palandt, § 126b Rz. 3. Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 607; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 113; Hähnchen, NJW 2001, 2831, 2833; Härting, MDR 2002, 61, 64. 9 Ellenberger in Palandt, § 126b Rz. 3; Thalmair, NJW 2011, 14, 17.
129
C. Vertragsrecht
Û Verbraucherrechterichtlinie 508
Mit der Neufassung des § 126b BGB waren zwar keine inhaltlichen Änderungen beabsichtigt worden1, trotzdem weicht der Wortlaut des § 126b BGB n.F. deutlich von der alten Formulierung ab. Insbesondere wurde nun der Begriff eines „dauerhaften Datenträgers“ in den Gesetzestext aufgenommen und in dem § 126b Nr. 1 und 2 BGB n.F. konkretisiert. Ein dauerhafter Datenträger ist somit jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglichst, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist (§ 126b Nr. 1 BGB n.F.), und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben (§ 126b Nr. 2 BGB n.F.). 2. Vereinbarte Form
509
Bei rechtsgeschäftlichen Formgeboten fällt die Anwendung der §§ 125 ff. BGB leichter. Soweit sich aus dem Parteiverhalten herleiten lässt, dass die digital übermittelte Willenserklärung – sei sie elektronisch, fortgeschritten-elektronisch, qualifiziert-elektronisch oder auch überhaupt nicht signiert und mit oder ohne De-Mail übermittelt – ausreichen soll, wird eine Schriftformklausel entweder entsprechend auszulegen sein oder eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Abänderung bzw. Änderung einer Schriftformklausel zu bejahen sein. Die Neigung der Rechtsprechung, dem übereinstimmenden Parteiwillen Vorrang vor vertraglichen Schriftformklauseln einzuräumen2, ermöglicht sach- und interessengerechte Einzelfallentscheidungen.
510
Die flexible Handhabung rechtsgeschäftlicher Formabreden kommt in § 127 BGB deutlich zum Ausdruck. Nach § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB reicht die „telekommunikative Übermittlung“ zur Wahrung einer Schriftformabrede im Zweifel aus. Hiermit ist die digitale Übermittlung per E-Mail oder auch die Übermittlung per Telefax gemeint, nicht aber das reine Telefonat3. Neben der E-Mail stellen auch Chatdienste, SMS-Dienste und Messenger-Dienste wie WhatsApp Möglichkeiten für eine „telekommunikative Übermittlung“ dar.
511
Die „telekommunikative Übermittlung“ gemäß 127 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht zu verwechseln mit der Übermittlung in Textform gemäß § 126b BGB. Anders als § 126b BGB verlangt § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB weder die Unterschrift des Erklärenden noch eine Kenntlichmachung des 1 Bundestag, BT-Drucks. 17/12637, S. 44. 2 Vgl. BGH vom 22.4.1982, WM 1982, 902; Ellenberger in Palandt, § 125 Rz. 17; Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 3. Kap., Rz. 206. 3 Ellenberger in Palandt, § 127 Rz. 2; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4987, S. 43.
130
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
Abschlusses der Erklärung, solange sich nur aus den Umständen unzweideutig die Identität des Erklärenden ergibt1. Der weitgehenden Flexibilität bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher 512 Formabreden dient auch § 127 Abs. 3 Satz 1 BGB. Danach reicht bei der rechtsgeschäftlich vereinbarten elektronischen Form im Zweifel die einfache elektronische Signatur (§ 2 Nr. 1 SigG) aus2. Schriftformklauseln sind in der Vertragspraxis weit verbreitet. Oft wer- 513 den auch Klauseln verwendet, die ausdrücklich regeln, ob beispielsweise E-Mails zur Formwahrung ausreichen. Je mehr sich differenzierte Klauseln durchsetzen, desto mehr kann man im Einzelfall darüber streiten, ob eine klassische Schriftformklausel – entgegen der Auslegungsregel des § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB – als bewusster und gewollter Ausschluss der Form der E-Mail zu verstehen ist. Û Praxistipp: Um Auslegungsstreit zu vermeiden, empfiehlt es sich, 514 Schriftformklauseln sehr präzise zu fassen und ausdrücklich zu regeln, ob die Abgabe von Erklärungen per Telefax und E-Mail genügen soll. Eine „weiche Klausel“ kann beispielsweise lauten: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Textform (§ 126b BGB).“ Ein Beispiel für eine „harte Klausel“: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für Änderungen dieser Schriftformklausel. Die Übermittlung von Erklärungen per Telefax, E-Mail oder auf andere telekommunikative Weise reicht zur Wahrung der Schriftform nicht aus.“ 3. Anfechtung von Verträgen Die Frage der Vertragsanfechtung stellt sich bei Online-Verträgen vor al- 515 lem dann, wenn einem der Vertragspartner bei der Dateneingabe Fehler unterlaufen sind oder wenn es zu Fehlern bei der Datenübermittlung gekommen ist. a) Erklärungsirrtum Gemäß § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB ist ein Vertrag wegen Erklärungsirrtums 516 anfechtbar, wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte3. Werden online Waren oder Dienstleistungen bestellt, so ist ein Erklärungsirrtum sowohl auf Seiten des Bestellers als auch bei dem Internetanbieter vorstellbar.
1 Ellenberger in Palandt, § 127 Rz. 2. 2 Vgl. Jauernig in Jauernig, § 127 Rz. 3. 3 Vgl. Brox, AT, Rz. 412; Medicus, AT, Rz. 746.
131
C. Vertragsrecht
aa) Irrtum des Bestellers 517
§ 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB verpflichtet den Unternehmer zwar, dem Kunden im elektronischen Geschäftsverkehr Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe er Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann. Verhindern lassen sich Eingabefehler jedoch nicht. Û Verbraucherrechterichtlinie
518
Diese Verpflichtung findet sich in dem § 312i Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. wieder.
519
Ob einfacher Tippfehler – Bestellung von 21 statt 12 Exemplaren eines Buches – oder die versehentliche Betätigung eines Auswahlbuttons: Wann immer dem Besteller bei der Erklärungshandlung Fehler unterlaufen, besteht ein Anfechtungsrecht wegen Erklärungsirrtums gemäß § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB. Das Internet hat die Lehrbuchfälle des Verschreibens, Vertippens, Versprechens und Vergreifens1 um den Fall des „Verklickens“ bereichert2.
520
Wer einen Vertrag wegen Erklärungsirrtums anficht, setzt sich regelmäßig einem Schadensersatzanspruch gemäß § 122 Abs. 1 BGB aus. Der Anspruch bemisst sich nach dem Schaden, den der Vertragspartner durch sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages erlitten hat3. Hat der Online-Anbieter beispielsweise nach Eingang der irrtümlichen Bestellung die Ware bereits geliefert, so kann er vom Besteller gemäß § 122 Abs. 1 BGB den Ersatz der Transportkosten beanspruchen.
521
Der Schadensersatzanspruch ist gemäß § 122 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Geschädigte den Irrtum kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte4. Ein derartiger Fall liegt vor, wenn der Online-Anbieter schuldhaft seine Verpflichtungen aus § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB bzw. aus Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB verletzt. Ist beispielsweise eine Bestellseite verwirrend gestaltet und fehlt der durch Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB vorgeschriebene Hinweis auf Mittel zur Erkennung und Beseitigung von Eingabefehlern, so hat der Anbieter einen hieraus resultierenden Irrtum des Bestellers fahrlässig (mit)verursacht. Ein Schadensersatzanspruch besteht gemäß § 122 Abs. 2 BGB nicht.
1 Brox, AT, Rz. 412; Jauernig in Jauernig, § 119 Rz. 6; Wolf/Neuner, AT, § 41 Rz. 38; Medicus, AT, Rz. 746. 2 Vgl. LG Berlin vom 15.5.2007, MMR 2007, 802, 802 f.; LG München I vom 17.6.2008, K&R 2009, 63, 64; AG Bremen vom 5.12.2012 – 23 C 317/12. 3 Brox, AT, Rz. 446; Medicus, AT, Rz. 783. 4 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rz. 143.
132
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
bb) Irrtum des Anbieters Fehler können bei der Online-Bestellung nicht nur dem Besteller, son- 522 dern auch dem Anbieter unterlaufen. Die Palette reicht dabei von einfachen Tippfehlern bei der Gestaltung der Website bis zu einer fehlerhaften Kalkulations-Software. Die Bestellseiten von Internetshops sind oft so programmiert, dass Produkt- und Preisangaben automatisiert erzeugt werden. Fehler bei der Eingabe der Grunddaten oder bei der Programmierung können dazu führen, dass falsche Preisangaben entstehen, ohne dass der Inhaber des Shops dies bemerkt. Auf ein Anfechtungsrecht kommt es nicht an, wenn ein Eingabe- oder 523 Softwarefehler für den Besteller ohne weiteres erkennbar ist1. Wird beispielsweise ein neuer Roman versehentlich für 2,85 Euro statt für 28,50 Euro auf einer Website angeboten, so darf der Besteller eine Antwortmail, in der die Annahme des Kaufangebots (ohne ausdrückliche Angabe des Preises) erklärt wird, nicht als Einverständnis mit einem Kauf zum Schnäppchenpreis werten. Dass der Roman tatsächlich zum üblichen Preis von 28,50 Euro angeboten werden soll, ist ohne weiteres erkennbar. Es fehlt in einem solchen Fall an zwei übereinstimmenden Vertragserklärungen zu 2,85 Euro, so dass es bereits an einem Vertragsschluss fehlt und sich die Frage nach einem Anfechtungsgrund erübrigt. Ein erkennbarer Fehler liegt auch vor, wenn – im Jahre 2008 – Flach- 524 bildschirme versehentlich zu 199,99 Euro statt 1999 Euro angeboten werden, ohne dass der Preis auch nur ansatzweise als Sonderangebot oder „Schnäppchen“ gekennzeichnet ist. Das Fehlen eines vertraglichen Anspruchs auf Lieferung der Bildschirme zu diesem Preis ergibt sich daraus, dass ein Kaufvertrag zu diesem Preis mangels einer entsprechenden Vertragserklärung des Anbieters nicht zustande gekommen ist. Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es nicht2. Die Grenze vom unbeachtlichen Motivirrtum zum ohne weiteres er- 525 kennbaren Fehler ist auch dann überschritten, wenn ein Rechenfehler evident ist3. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Addition von Preisen in einem Warenkorb erkennbar falsche Ergebnisse ergibt. Werden drei CDs à 15,90 Euro im Warenkorb mit einem Gesamtpreis von 7,70 Euro (statt 47,70 Euro) berechnet, so darf der Besteller die kommentarlose Annahme der Bestellung redlicherweise nicht als Einverständnis mit dem niedrigen Preis verstehen4. Einer Anfechtung des Vertrages durch den Online-Anbieter bedarf es nicht, der Vertrag ist vielmehr wegen Dissenses gar nicht erst zustande gekommen5. 1 OLG München vom 15.11.2002, NJW 2003, 367; vgl. auch OLG Stuttgart vom 12.7.2006, MMR 2006, 819; Härting, ITRB 2004, 61, 63. 2 A.A. OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31, 32. 3 Vgl. LG Flensburg vom 3.9.2002 – 1 S 38/02. 4 Härting, ITRB 2004, 61, 62. 5 Härting, ITRB 2004, 61, 63.
133
C. Vertragsrecht
526
Kein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn es auf Grund eines Softwarefehlers zu einer falschen Preisangabe kommt, ohne dass der Fehler erkennbar ist. Wird beispielsweise eine Pauschalreise auf Grund eines Rechenfehlers zu 1500 Euro statt 3500 Euro angeboten, so ist der Antrag des Bestellers, der auf die Berechnung Bezug nimmt, als Antrag zu 1500 Euro zu werten. Erklärt der Internetanbieter daraufhin – ohne Überprüfung des Preises – die Annahme, so kommt ein Vertrag zu 1500 Euro zustande, der nicht wegen Erklärungsirrtums anfechtbar ist. Der Internetanbieter hat sich nicht bei der Erklärungshandlung, sondern bei der (computergestützten) Kalkulation des Reisepreises geirrt. Es liegt ein unbeachtlicher Motivirrtum in der Variante eines (einseitigen) Kalkulationsirrtums vor1.
527
Bei Eingabefehlern, die zu einer falschen Auspreisung von Waren führen und für den Besteller nicht erkennbar sind, liegt eine Konstellation vor, die ohne weiteres vergleichbar ist mit der falschen Auspreisung von Waren im Supermarkt2. Die Warenpräsentation auf der Website stellt eine invitatio ad offerendum dar3 und ist die Grundlage der Bestellung, die als Antrag gemäß § 145 BGB zu werten ist. Wird auf Grund des Antrages die Ware geliefert, so ergibt die Auslegung der Vertragserklärungen (§§ 133, 157 BGB) im Normalfall, dass ein Vertrag zu dem „falschen Preis“ zustande gekommen ist4. Dem Anbieter ist in einem solchen Fall bei seiner Erklärungshandlung (der Annahme) kein Irrtum unterlaufen, da er bei der Annahme keine konkrete Preisvorstellung hatte. Vielmehr lag der Irrtum im Vorfeld der Erklärung und ist daher nicht als Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB (und auch nicht als Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB5 oder als Übermittlungsirrtum gemäß § 120 BGB6) anzusehen, so dass kein Anfechtungsrecht besteht7.
528
Der BGH hat dies anders gesehen und die Grenze zwischen Motivirrtum und Erklärungsirrtum gelockert, indem er es für einen Erklärungsirrtum ausreichen lässt, dass dem Erklärenden ein solcher Irrtum bei Abgabe der invitation ad offerendum unterläuft und der Irrtum bei Abgabe der Ver-
1 AG Frankfurt a.M. vom 13.6.1989, CR 1990, 469 für Btx; Ellenberger in Palandt, § 119 Rz. 18; Härting, ITRB 2004, 61, 63; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 843. 2 Vgl. Hoeren, AGB bei Internet- und Softwareverträgen, E-Commerce-Verträge, Rz. 51; LG Köln vom 16.4.2003, MMR 2003, 481, 482. 3 Siehe Rz. 438 ff. 4 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; LG Köln vom 16.4.2003, MMR 2003, 481; Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 160, Redeker, IT-Recht, Rz. 859; Lauktien/Varadinek, ZUM 2000, 466, 467. 5 A.A. Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 4. Kap., Rz. 50. 6 A.A. OLG Hamm vom 12.1.2004, NJW 2004, 2601. 7 LG Essen vom 13.2.2003, MMR 2004, 49, 50; LG Köln vom 16.4.2003, CR 2003, 613, 614; Redeker, IT-Recht, Rz. 860; Härting ITRB 2004, 61, 63; a.A. AG Lahr vom 21.12.2005, NJW 2005, 991, 992.
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V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
tragserklärung (unerkannt) „fortwirkt“1. Die Verfälschung des ursprünglich richtig Erklärten auf dem Weg zum Empfänger durch eine unerkannt fehlerhafte Software sei als Irrtum in der Erklärungshandlung anzusehen. Denn es bestehe kein Unterschied, ob sich der Erklärende selbst verschreibt beziehungsweise vertippt oder ob die Abweichung vom gewollten Erklärungstatbestand auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintritt. Dies ergebe sich auch aus § 120 BGB, der als gesetzlich geregelter Spezialfall des Erklärungsirrtums anzusehen sei2. Keine andere Beurteilung sei gerechtfertigt, wenn auf Grund fehlerhaften Datentransfers ein Übermittlungsfehler geschehe, bevor die Willenserklärung den Bereich des Erklärenden verlassen hat3. Zu dem Einwand, dass lediglich ein Irrtum in der Willensbildung bzw. in 529 der Erklärungsvorbereitung vorgelegen habe, meint der BGH, dass der Internetanbieter seinen Erklärungswillen fehlerfrei gebildet habe, indem der (höhere) Kaufpreis festlegt wurde und dieser Betrag in die Produktdatenbank der Internetseite übernommen werden sollte. Dies unterscheide den Fall von einem verdeckten Kalkulationsirrtum, bei dem der Fehler bereits im Stadium der Willensbildung unterlaufe4. Die vom BGH befürwortete Erweiterung des Anfechtungsrechts auf Irr- 530 tümer, die dem Erklärenden im Vorfeld seiner Vertragserklärung unterlaufen sind, lässt sich mit dem Wortlaut des § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB nicht vereinbaren5. Darüber hinaus verwischt der Gesichtspunkt des „Fortwirkens“ die bewährte Grenze zwischen Motiv- und Erklärungsirrtum. Ein Anfechtungsrecht setzt bei einem Eingabefehler jedenfalls voraus, 531 dass der für die Vertragserklärung des Anbieters ursächlich war. Hieran fehlt es, wenn der „falsche“ Preis mehr als eine Woche lang unkorrigiert blieb, nachdem der Eingabefehler entdeckt worden war6. b) Übermittlungsfehler Die Übermittlung elektronischer Nachrichten durch einen oder mehrere 532 Provider ist eine weitere Fehlerquelle beim Abschluss von Online-Verträgen. Kommt es zu Übermittlungsfehlern, so ist der Erklärende gemäß § 120 BGB zur Anfechtung berechtigt, wenn der Übermittlungsfehler ei1 BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, OLGR 2003, 88 mit Anm. von Dümig, EWiR 03, 953; a.A. LG Köln vom 16.4.2003, MMR 2003, 481. 2 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 119 Rz. 10; H. Palm in Erman, § 119 Rz. 33; Hefermehl in Soergel, § 119 Rz. 11; Wolf/Neuner, AT, § 41 Rz. 40; BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977. 3 BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977. 4 BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977. 5 Vgl. Leenen, Rechtsgeschäftslehre, 4. Kap., Rz. 44. 6 AG Fürth vom 3.7.2008, CR 2008, 808, 809.
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C. Vertragsrecht
ner Person oder Einrichtung unterlaufen ist, die der Erklärende eingesetzt hat1. Das Anfechtungsrecht nach § 120 BGB ist somit beschränkt auf Übermittlungsfehler des Erklärungsboten. Kein Anfechtungsgrund liegt dagegen vor, wenn einem Empfangsboten ein Übermittlungsfehler unterläuft2. 533
Als Erklärungsbote ist der Provider anzusehen, bei dem der Erklärende einen Mail-Account eingerichtet hat. Kommt es bei diesem Provider zu einem Übermittlungsfehler, so ist der Erklärende gemäß § 120 BGB zur Anfechtung seiner falsch übermittelten Vertragserklärung berechtigt3.
534
Kein Anfechtungsrecht nach § 120 BGB besteht im umgekehrten Fall eines Übermittlungsfehlers im Bereich des Providers, bei dem der Erklärungsempfänger einen Mail-Account eingerichtet hat. Der Provider des Empfängers ist Empfangsbote, so dass Erklärungen mit Eingang bei dem Provider gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugehen4. Kann der Empfänger die beim eigenen Provider vollständig und fehlerfrei eingegangene Nachricht nicht oder nur unzulänglich abrufen bzw. lesen, so ändert dies nichts am Zugang der vollständigen und richtigen Nachricht. Mangels eines rechtlich relevanten Übermittlungsfehlers kommt eine Anfechtung nach § 120 BGB nicht in Betracht.
535
Bietet ein Computerhändler per E-Mail eine Festplatte zum Preis von 100 Euro an und wird diese Erklärung in dem Mail-Account des Empfängers richtig gespeichert, aber auf Grund eines Übertragungsfehlers vom Empfänger in einer Fassung abgerufen, bei der der Preis 10 Euro beträgt, so liegt eine Vertragserklärung über 100 Euro vor. Bei dem Provider als Empfangsbote ist diese Erklärung in richtiger Fassung eingegangen. Nimmt der Empfänger das Angebot ohne näheren Kommentar an, kommt ein Vertrag zum Kaufpreis von 100 Euro zustande, ohne dass sich die Frage einer Anfechtung nach § 120 BGB stellt. Der Empfänger kann sich allerdings seinerseits von der vertraglichen Bindung durch Anfechtung wegen Inhaltsirrtums gemäß § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB lösen. Er hat nämlich durch die Annahme des Antrages über 100 Euro eine Erklärung abgegeben, über deren Inhalt er sich gemäß § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB im Irrtum befand5.
536
Bei Fehlern auf dem Übertragungsweg vom Erklärenden zum Mail-Account des Empfängers ist dagegen § 120 BGB anwendbar. Die Erklärung wird in der unrichtigen Fassung – d.h. im Beispielsfall mit einem Kauf-
1 Armbrüster in MünchKomm-BGB, § 120 Rz. 1; Brox, AT, Rz. 413 f.; Medicus, AT, Rz. 747. 2 Jauernig in Jauernig, § 120 Rz. 5; Ellenberger in Palandt, § 120 Rz. 2. 3 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, CR 2002, 451, 452. 4 Siehe Rz. 432. 5 Vgl. Medicus, AT, Rz. 749.
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V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
preis von 10 Euro – wirksam, kann jedoch vom Erklärenden gemäß § 120 BGB angefochten werden. c) Andere Anfechtungsgründe Auch ein Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB) kann zur Anfechtung 537 berechtigen. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Besteller angibt, englischsprachige Vertragsklauseln nicht richtig verstanden zu haben. Für einen solchen Irrtum ist allerdings der Anfechtende darlegungs- und beweispflichtig1. Wer sich durch die Anpreisung nackter Tatsachen zu einem kostenpflich- 538 tigen Download von Bildern oder Videos verleiten lässt und auf den herunter geladenen Dateien statt pornographischer Inhalte nutzlose Gebrauchsanleitungen vorfindet, ist wegen arglistiger Täuschung zur Anfechtung berechtigt (§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB). Erweckt ein Schreiben durch seine Aufmachung den Eindruck eines be- 539 hördlichen Schreibens oder einer Rechnung, ist der Empfänger dann zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB) berechtigt, wenn es sich um ein Angebotsschreiben handelt, das der Empfänger angenommen hat, ohne zu erkennen, dass das Angebotsschreiben Angaben hinsichtlich der Entgeltlichkeit und der Laufzeit des abzuschließenden Vertrags enthielt2. d) Anfechtung bei Internetauktionen Für die Anfechtung von Kaufverträgen, die über Ebay und andere Verstei- 540 gerungsplattformen geschlossen werden, gelten keine Besonderheiten. Dies gilt beispielsweise, wenn der enttäuschte Käufer nach Erhalt der Ware angibt, sich über deren Beschaffenheit geirrt zu haben oder arglistig getäuscht worden zu sein. Die Anfechtungsrechte gemäß § 119 BGB und § 123 Abs. 1 BGB stehen dem Käufer uneingeschränkt zu3. Ein Anfechtungsrecht des Verkäufers wegen Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1, 541 1. Alt. BGB) – und nicht etwa wegen Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1, 2.
1 Vgl. AG Schöneberg vom 31.3.2005, MMR 2005, 637. 2 BGH vom 22.2.2005 – X ZR 123/03, Rz. 13; AG Bergisch Gladbach vom 28.7.2011 – 60 C 182/11, Rz. 7; AG Düsseldorf vom 23.11.2011 – 42 C 11568/11, Rz. 2; AG Köln vom 6.6.2011 – 114 C 128/11, Rz. 8; AG München vom 27.4.2011 – 213 C 4124/11, Rz. 26; Hampe/Köhler, MMR 2011, 722, 725. 3 BGH vom 28.3.2012 – VIII ZR 244/11 Rz. 20; OLG Oldenburg vom 27.9.2006, NJW-RR 2007, 268 ff.; OLG Oldenburg vom 30.10.2003, CR 2004, 298, 299; LG Bonn vom 12.11.2004 – 1 O 307/04, Rz. 33 ff.; LG München vom 7.8.2008 – 34 S 20431/04, Rz. 19; AG Dresden vom 29.4.2005, ITRB 2006, 57 ff. (Gebler); AG Kehl vom 16.9.2003 – 4 C 290/03, JurPC Web-Dok. 267/2003; Günther, ITRB 2002, 93, 94.
137
C. Vertragsrecht
Alt. BGB)1 – besteht, wenn der Verkäufer einen Artikel unter der Rubrik „Sofort-Kaufen“ zu 1 Euro anbietet, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er hierdurch keine Auktion in Gang setzt, sondern einen Antrag gemäß § 145 BGB abgibt, der von jedermann durch einfache Annahmeerklärung („sofort“) zustande gebracht werden kann2. 542
Kein Anfechtungsrecht hat der Verkäufer, wenn der erzielte Erlös nicht seinen Vorstellungen entspricht. Wird beispielsweise ein gebrauchtes Fahrzeug, das ca. 10 000 Euro wert ist, für lediglich 1000 Euro ersteigert, so lässt sich weder aus § 119 BGB noch aus § 123 BGB ein Anfechtungsrecht ableiten3.
543
Auch die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB liegen nicht vor, wenn der Verkäufer durch ein (zu) niedriges Mindestgebot das Risiko eingegangen ist, deutlich unter Wert zu verkaufen4. Dies gilt selbst dann, wenn ein Rübenroder, der 60 000 Euro wert ist, mit einem Mindestgebot von 1 Euro angeboten und zu lediglich 51 Euro ersteigert wird5. Die allgemeinen Grundsätze zum wucherähnlichen Geschäft können nicht auf den Fall der Internetauktion übertragen werden. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so rechtfertigt dieser Umstand nicht den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten6.
544
In einem Fall, in dem ein Porsche, der mehr als 75 000 Euro wert war, für 5,50 Euro ersteigert worden war, hat das OLG Koblenz es für rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB erachtet, wenn sich der Ersteigerer auf die Gebundenheit beruft7. Grundsätzlich komme die Annahme einer unangemessenen Benachteilung des Anbieters und Verkäufers nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht. Der Anbieter sei nämlich grundsätzlich durch die Möglichkeit der Angabe eines Mindestgebotes, der Größe der Bietschritte sowie der Bietzeit in der Lage, sein Risiko zu begrenzen. Nutze er dies nicht, müsse er sich an der Folge grundsätzlich festhalten lassen. Dies könne allerdings uneingeschränkt nur dann gelten, wenn die Auktion auch tatsächlich bis zum Ende der Bietzeit durchgeführt wurde8.
1 A.A. AG Kassel vom 23.4.2009 – 421 C 746/09. 2 Vgl. AG Lahnstein vom 15.12.2004 – 2 C 471/04, JurPC Web-Dok 34/2005; AG Stollberg vom 30.3.2006 – 3 C 535/05; AG Syke, MMR 2004, 825, 826. 3 Vgl. LG Coburg vom 1.6.2004, K&R 2004, 543, 547; AG Wiesbaden vom 6.9.2000, CR 2001, 52 = ITRB 2001, 38. 4 OLG Oldenburg vom 30.10.2003, CR 2004, 298, 299; vgl. auch AG Gummersbach vom 28.6.2010 – 10 C 25/10. 5 OLG Köln vom 8.12.2006, CR 2007, 598, 599 ff. 6 BGH vom 28.3.2012 – VIII ZR 244/10, Rz. 20; vgl. Kulke, NJW 2012, 2697, 2698. 7 OLG Koblenz vom 3.6.2009, CR 2010, 49 ff. 8 OLG Koblenz vom 3.6.2009, CR 2010, 49 ff.
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V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
Wenn eine Versteigerung vorzeitig abgebrochen wird, muss nach Auffas- 545 sung des OLG Koblenz „der konkrete Einzelfall betrachtet werden“. Es komme dann darauf an, ob der Abbruch als „willkürlich“ anzusehen sei. Dies ist bei dem Abbruch der Porsche-Auktion nicht der Fall gewesen, da ein „nur noch als extrem zu bezeichnendes Missverhältnis“ zwischen dem Preis und dem Wert des Porsches vorgelegen habe1. Die Argumentation des OLG Koblenz ist kaum nachvollziehbar und un- 546 verhohlen ergebnisorientiert: Ein „krasses Missverhältnis“ zwischen dem Wert der Kaufsache und deren Preis mag als sittenwidrig anzusehen sein (§ 138 BGB). Wenn es jedoch – wie in dem Porsche-Fall – an einer Sittenwidrigkeit fehlt, weil sich ein Risiko verwirklicht hat, das der Verkäufer sehenden Auges eingegangen ist, ist es keineswegs rechtsmissbräuchlich, wenn der Käufer sich auf die Wirksamkeit des Vertrages beruft. 4. Geschäftsfähigkeit Die Betätigung der Maus ist kinderleicht. Die Willenserklärung, die der 547 Sechsjährige per Mausklick abgibt, ist dennoch gemäß § 105 Abs. 1 i.V.m. § 104 Nr. 1 BGB nichtig. Der Empfänger der Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners genießt keinen Schutz2. Heikle Fragen können sich bei der Nutzung des Internet durch be- 548 schränkt geschäftsfähige Minderjährige stellen. Der 17-Jährige, der im Internet hinter dem Rücken seiner Eltern kostenpflichtige Pornoangebote nutzt, schließt unwirksame Verträge (§§ 107 und 108 BGB) und ist daher nicht zur Zahlung verpflichtet. Auch gegenüber dem 17-Jährigen kann sich der Vertragspartner nicht auf 549 Vertrauensschutz berufen3. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Minderjährige wahrheitswidrige Angaben über sein Alter gemacht hat. Die gelegentlich mögliche Geltendmachung von Ansprüchen nach Bereicherungsrecht4 und Deliktsrecht5 kann die Defizite des Minderjährigenrechts nicht immer ausgleichen. Die durch weitgehende Anonymität des Internet und das Fehlen wirksamer Möglichkeiten zur Prüfung der Identität des Kommunikationspartners werfen die Frage auf, wie lange es noch richtig sein kann, dem Minderjährigenschutz absoluten Vorrang vor dem Vertrauens- und Verkehrsschutz einzuräumen. 1 OLG Koblenz vom 3.6.2009, CR 2010, 49 ff.; vgl. auch LG Berlin vom 21.5.2012 – 52 S 140/11 Rz. 31; a.A. AG Gummersbach vom 28.6.2010 – 10 C 25/10. 2 BGH vom 25.4.1988, ZIP 1988, 829, 831; Schmitt in MünchKomm-BGB, vor § 104 Rz. 7; Ellenberger in Palandt, Einf v § 104 Rz. 3; Medicus, AT, Rz. 552. 3 Palm in Erman, vor § 104 Rz. 6; Schmitt in MünchKomm-BGB, vor § 104 Rz. 7; Ellenberger in Palandt, Einf v § 104 Rz. 3. 4 Vgl. Palm in Erman, vor § 104 Rz. 7. 5 Vgl. Palm in Erman, vor § 104 Rz. 9.
139
C. Vertragsrecht
5. Stellvertretung 550
Auch für das Stellvertretungsrecht hält das Internet einige Fallstricke bereit. Wenn per Bestellbutton, Chat oder Mail rechtsgeschäftlich in oder unter fremdem Namen kommuniziert wird, sind die §§ 164 ff. BGB anwendbar. a) Handeln unter fremdem Namen aa) Entsprechende Anwendung der §§ 164 ff. BGB
551
Die Person, die über das Internet eine Vertragserklärung abgibt, ist nicht immer mit dem Inhaber des Internetanschlusses identisch, den der Versender nutzt. Ebenso wenig muss der Versender einer E-Mail identisch sein mit dem Inhaber des E-Mail-Accounts. Auch bei einem Ebay- oder Amazon-Account kann es vorkommen, dass eine dritte Person (z.B. der Ehegatte) den Account nutzt, ohne dass dies für den Empfänger einer Nachricht erkennbar ist1.
552
Bei einem Handeln unter fremdem Namen liegt ein Geschäft des Namensträgers vor, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die Gegenpartei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. Ein Eigengeschäft des Handelnden liegt dagegen vor, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der Gegenpartei keine falsche Identitätsvorstellung hervorgerufen hat, diese also mit dem Handelnden abschließen will. Dies ist anzunehmen, wenn der andere Teil keine konkreten Vorstellungen über die Identität des Handelnden hatte2. Der Erklärende und der Vertragspartner sind in einem solchen Fall identisch mit der Folge, dass die §§ 164 ff. BGB außer Betracht bleiben3.
553
Ein erkennbares Eigengeschäft liegt vor, wenn eine Internet-Bestellung unter einem offenkundigen Phantasienamen („Lady Gaga“) abgegeben wird. Ersichtlich geht es in einem solchen Fall dem Besteller um ein Eigengeschäft und nicht um ein Handeln für die „echte“ Lady Gaga. Die Frage, ob Lady Gaga den Besteller gemäß § 167 BGB bevollmächtigt hat, stellt sich nicht.
554
Wird bei der Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden, und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, so fehlt es an einem Eigengeschäft.
1 Vgl. BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09. 2 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 10; LG Kassel vom 15.4.2008, NJWRR 2009, 781; AG Hamburg-St. Georg vom 24.2.2009, MMR 2009, 436 (Ls.). 3 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 10; Brox, AT, Rz. 529; Flume, AT II, S. 775; Ellenberger in Palandt, § 164 Rz. 12.
140
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
Die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze finden entsprechend Anwendung, obwohl dem Handelnden ein Vertretungswille fehlte1. Zwar sind die Voraussetzungen für eine direkte Anwendung des Stellver- 555 tretungsrechts (§§ 164 ff. BGB) bei einem Handeln „unter fremdem Namen“ nicht erfüllt, da nicht erkennbar ist, dass der Handelnde mit dem Namensträger nicht identisch ist. Die analoge Anwendbarkeit der §§ 164 ff. BGB ist jedoch allgemein anerkannt2. Die vertragliche Verpflichtung des Namensträgers hängt entsprechend § 164 BGB von der Vertretungsmacht des Handelnden ab. War dieser zur Abgabe der Vertragserklärung bevollmächtigt, kommt ein Vertrag mit dem Namensträger zustande. Anderenfalls haftet der Handelnde gegenüber dem Vertragspartner gemäß § 179 Abs. 1 BGB. bb) Anwendungsfälle Gibt der Erklärende beim Vertragsschluss seine Identität nicht zu erken- 556 nen, so muss bei dem Vertragspartner der Eindruck entstehen, dass er einen Vertrag mit dem Inhaber des betreffenden Internetanschlusses bzw. dem Inhaber der verwendeten E-Mail-Adresse oder des betreffenden Accounts schließt. Aus der Sicht des Vertragspartners tritt der Nutzer unter dem Namen desjenigen in Erscheinung, der Inhaber des Anschlusses bzw. der E-Mail-Adresse oder des Accounts ist3. Bestellt der Angestellte per Internet Büromaterialien für den Unterneh- 557 mer, bei dem er beschäftigt ist, so geht aus der Bestellung nicht zwingend hervor, welche Person die Bestellung getätigt hat. Der Empfänger erhält eine Bestellung des Angestellten „unter dem Namen“ des Unternehmers und somit keine Erklärung „im fremden Namen“4. Ein Handeln unter fremdem Namen liegt auch vor, wenn Online-Ac- 558 counts (z.B. bei Amazon) durch Dritte verwendet werden, ohne dass dies erkennbar ist. Aus Sicht des Vertragspartners ist in einem solchen Fall der Inhaber des Accounts und nicht der Dritte derjenige, der Vertragserklärungen abgibt5. Bestellt die Tochter über das Mobiltelefon ihres Vaters Klingeltöne, liegt 559 ein Fall des Handelns unter fremdem Namen vor, da der Klingeltonanbie-
1 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 12. 2 BGH vom 3.3.1966, BGHZ 45, 193, 195; BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 12; OLG München vom 5.2.2004, K&R 2004, 352, 353; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558, 559 (zu Btx); Brox, AT, Rz. 528; Medicus, AT, Rz. 908; Ellenberger in Palandt, § 164 Rz. 10. 3 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 12. 4 OLG München vom 5.2.2004, K&R 2004, 352. 5 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 10; Herresthal, K&R 2008, 705, 705.
141
C. Vertragsrecht
ter davon ausgehen darf, dass er den Vertrag über die Klingeltöne mit dem Inhaber des Mobilfunkvertrages und somit mit dem Vater schließt1. 560
Bei Online-Versteigerungen kommen Verträge mit der Person zustande, die hinter dem verwendeten Mitgliedsnamen steht2. Die Handelnden treten regelmäßig unter einem selbst gewählten Phantasienamen (z.B. „uhren10115“) auf. Der Phantasiename löst bei dem Vertragspartner die Vorstellung aus, dass die Person handelt, die Inhaber des jeweiligen Accounts ist3.
561
Eine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden ist ausgeschlossen, wenn aus einem Angebot klar hervorgeht, wer Vertragspartner werden soll. Wird daher bei Ebay ein Pkw zur Versteigerung angeboten unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass die 85-jährige Großmutter des Accountinhabers als Verkäuferin auftritt, kommt der Vertrag mit der alten Dame zustande und nicht mit dem Inhaber des Accounts4. b) Rechtsscheinshaftung
562
Werden Verträge unter fremdem Namen und ohne Zustimmung des Namensinhabers geschlossen, so stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Haftung des Namensinhabers nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht erfüllt sind5. aa) Duldungsvollmacht
563
Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist. Bei einem unter Verwendung einer fremden Identität getätigten Geschäft des Namensträgers finden diese Grundsätze mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass hierbei auf das Verhalten des Namensträgers abzustellen ist6. Es kommt somit darauf an, ob der Namensträger es willentlich hat geschehen lassen, dass ein anderer unter seinem Namen im Rechtsverkehr auftritt.
564
Nimmt die Mutter es hin, dass ihre Tochter wiederholt unter dem Namen ihrer Mutter online Waren bestellt, so muss sich die Mutter das Handeln ihrer Tochter zurechnen lassen. Der Vertragspartner darf das 1 2 3 4 5
Vgl. AG Mitte vom 28.7.2008, MMR 2008, 696 f. mit Anm. Mankowski. AG Hamburg-St. Georg vom 24.2.2009, MMR 2009, 436 (Ls.). LG Kassel vom 15.4.2008, NJW-RR 2009, 781. A.A. LG Kassel vom 15.4.2008, NJW-RR 2009, 781. Vgl. Ellenberger in Palandt, § 172 Rz. 6 ff.; BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 14 ff.; LG Ravensburg vom 13.6.1991, NJW-RR 1992, 111, 111 f. für Btx. 6 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 15.
142
V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
Dulden der Bestellungen nach Treu und Glauben dahingehend verstehen, dass die Mutter ihre Tochter zur Vornahme der Bestellungen bevollmächtigt hat. Es liegt eine Duldungsvollmacht der Tochter vor; der Mutter ist der Einwand der fehlenden Vertretungsmacht abgeschnitten1. Wer Benutzernamen und Kennwort eines Accounts an Dritte weitergibt, 565 handelt fahrlässig und kann somit kraft Duldungsvollmacht zum Vertragspartner werden, wenn die Zugangsdaten für ein Gebot genutzt werden2. bb) Anscheinsvollmacht Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln 566 des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters. Bei einem Handeln unter fremdem Namen ist bei Anwendung dieser Grundsätze auf das Verhalten des Namensträgers abzustellen3. Gemeinhin verlangt wird zudem ein Missbrauchsverhalten, das sich 567 nicht auf ein einmaliges missbräuchliches Handeln beschränkt, sondern eine gewisse Dauer und Häufigkeit aufweist4. Dies würde bedeuten, dass beispielsweise eine Haftung des Inhabers einer unbefugt verwendeten E-Mail-Adresse zu verneinen ist, wenn es sich um einen einmaligen Fall handelt. Um den Adressinhaber in die Haftung zu nehmen, müsste der Empfänger der Mail ein wiederholtes Handeln des Scheinvertreters nachweisen. Darüber hinaus müsste er darlegen und beweisen können, dass der Adressinhaber den Missbrauch bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Ermöglicht der Inhaber eines Ebay-Accounts durch eine nachlässige Auf- 568 bewahrung der Zugangsdaten den einmaligen Missbrauch seines Kontos durch einen Familienangehörigen, so liegen nach Auffassung des BGH die Voraussetzungen eines Anscheinsvollmacht nicht vor, da es an „einer gewissen Häufigkeit oder Dauer der unbefugten Verwendung“ durch den Scheinvertreter fehlt. Ein Erklärungsempfänger könne nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass sich – trotz der Identifikations-
1 Vgl. BGH vom 13.5.1992, VersR 1992, 989, 990. 2 Vgl. LG Aachen vom 15.12.2006, CR 2007, 605 f. mit Anm. Mankowski; AG Bremen vom 20.10.2005, CR 2006, 136 f. mit Anm. Wenn. 3 BGH vom 12.3.1981, NJW 1981, 1727, 1728; BGH vom 5.3.1998, NJW 1998, 1854; BGH vom 13.5.1992, VersR 1992, 989, 990; BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 16; OLG Bremen vom 21.6.2012 – 3 U 1/12, Rz. 28; OLG Hamm vom 16.11.2006, NJW 2006, 611, 612; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558, 559 für Btx. 4 BGH vom 9.6.1986, WM 1986, 901; BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 15; Ellenberger in Palandt, § 172 Rz. 12.
143
C. Vertragsrecht
funktion der Zugangsdaten – hinter dem Mitgliedsnamen auch tatsächlich der Inhaber des Accounts verbirgt1. 569
Für eine rechtsgeschäftliche Haftung reicht es nach Auffassung des BGH nicht aus, dass der Inhaber die Zugangsdaten unzureichend vor dem Zugriff des Handelnden geschützt hat2. Dies stützt der BGH auf die Überlegung, das das Gesetz (§§ 164, 177, 179 BGB analog) das Risiko einer fehlenden Vertretungsmacht des Handelnden dem Geschäftsgegner und nicht demjenigen zuweise, in oder unter dessen Namen jemand als Vertreter oder scheinbarer Namensträger auftritt. Eine Durchbrechung dieser Risikozuweisung sei nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn der Namensträger das Handeln des Dritten bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Vielmehr sei für eine Zurechnung der von dem Dritten abgegebenen Erklärung zu fordern, dass der Geschäftsgegner annehmen durfte, der Namensträger kenne und billige das Verhalten des Dritten. Nur unter dieser zusätzlichen Voraussetzung verdiene ein vom Namensträger verursachter Rechtsschein im Rechtsverkehr in der Weise Schutz3.
570
Die Möglichkeiten des Empfängers einer online übermittelten Erklärung, einen Missbrauch zu erkennen, sind wesentlich geringer als die Möglichkeiten des Inhabers eines Internetanschlusses bzw. einer E-Mail-Adresse oder eines Ebay-Accounts, den Zugang Unbefugter zu dem Anschluss bzw. dem Account – insbesondere durch Passwortschutz – zu verhindern. Hat der Vertretene fahrlässig Vorkehrungen gegen einen Missbrauch verabsäumt, so leuchtet es nicht ein, dass er nicht bereits für den ersten Missbrauchsfall haftbar gemacht werden soll.
571
Auch wenn man an den herkömmlichen Anforderungen an eine Anscheinsvollmacht festhält, liegen deren Voraussetzungen jedenfalls vor, wenn eine Unternehmerin ihren Sohn mehrmals innerhalb einer gewissen Zeit und bei drei getrennten Anlässen erlaubt, mit der Kundennummer der Mutter und einer die Firma des Unternehmens enthaltenden E-Mail-Adresse Bestellungen zu tätigen. Soweit in einem solchen Fall nicht bereits eine Duldungsvollmacht zu bejahen ist, ergibt sich eine wirksame Stellvertretung jedenfalls aus einer Anscheinsvollmacht4.
572
Die Unterscheidung zwischen einem einmaligen Missbrauchsfall und dem Fall des dauerhaften bzw. häufigen Missbrauchs ist willkürlich. Es erscheint sach- und interessengerecht, eine Rechtsscheinhaftung schon im ersten Missbrauchsfall zu bejahen und die fahrlässige Ermöglichung 1 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 18. 2 BGH vom 11.5.2011, ZR 289/09, Rz. 19; OLG Bremen vom 21.6.2012 – 3 U 1/12, Rz. 29; vgl. Härting/Strubel, BB 2011, 2185, 2189; Schlömer/Dittrich, K&R 2012, 160, 160. 3 BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09; Rz. 20. 4 Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 15.12.2004 – 3-13 O 28/04.
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V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
des Missbrauchs durch den Vertretenen für dessen Haftung ausreichen zu lassen. Die Grundsätze der Anscheinsvollmacht bedürfen einer entsprechenden Erweiterung1. Eine Haftung kraft Anscheinsvollmacht ist zu bejahen, wenn der Inhaber 573 eines Ebay-Accounts mit den Zugangsdaten sorglos umgeht, indem er sie beispielsweise auf einem „Merkzettel“ notiert, der an einem für Dritte zugänglichen Computer befestigt ist2. Gleichfalls zu bejahen ist eine Anscheinsvollmacht, wenn jemand es ei- 574 nem anderen durch Übergabe der beglaubigten Kopie seines Personalausweises ermöglicht, im Internet eine falsche Identität anzunehmen und dort Rechtsgeschäfte unter dem falschen Namen einzugehen („Identitätsdiebstahl“). Es reicht für die Annahme einer Anscheinsvollmacht aus, dass der Inhaber des Personalausweises den Datenmissbrauch hätte erkennen und verhindern können3. Eine Anscheinsvollmacht mag zu verneinen sein, wenn Benutzername 575 und Kennwort weitergegeben werden an einen Dritten zur Tätigung kleinerer Geschäfte und der Dritte die Accountdaten missbraucht zum Kauf eines Luxusfahrzeuges zu einem Kaufpreis von 74 900 Euro4. cc) Zurechnung gemäß § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG Parallelen zu Internetgeschäften gab es in den zahlreichen Fällen, in de- 576 nen Gerichte vor einiger Zeit über Gebühren für R-Gespräche zu entscheiden hatten5. R-Gespräche waren unter Jugendlichen sehr beliebt. In einem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte6, war es – nach den Angaben der beklagten Mutter – der Freund der minderjährigen Tochter, der mit R-Gesprächen dafür sorgte, dass der Mutter stolze 593,06 Euro in Rechnung gestellt wurden. Die Klärung der Vertragsverhältnisse bereitete dem BGH wenig Schwie- 577 rigkeiten: Der Telekommunikationsdienstleister, der die R-Gespräche anbot, hatte eine Bandansage geschaltet. Aus dieser Bandansage ging zwei1 Vgl. LG Ravensburg vom 13.6.1991, NJW-RR 1992, 111; Härting/Strubel, BB 2011, 2185, 2189. 2 A.A. BGH vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, Rz. 19; LG Bonn vom 19.12.2003, MMR 2004, 179; AG Erfurt vom 14.9.2001, CR 2002, 767. 3 AG Hamburg-St. Georg vom 24.2.2009, MMR 2009, 436 (Ls.). 4 OLG Köln vom 13.1.2006, NJW 2006, 1676 f. 5 LG Frankfurt a.M. vom 26.11.2004, MMR 2005, 488; LG Paderborn vom 30.11.2004, MMR 2005, 480; AG Braunschweig vom 17.3.2004, MMR 2004, 705; AG Fürth/Odw. vom 11.10.2004, MMR 2005, 489; AG Hamburg-Altona vom 16.12.2004, MMR 2005, 485; AG Limburg vom 8.12.2004, AG Nettetal vom 9.6.2004, MMR 2005, 490; MMR 2005, 488; AG Völklingen vom 23.2.2005, MMR 2005, 482; vgl. auch LG Saarbrücken vom 22.6.2011 – 10 S 60/10, Rz. 14 ff.; AG Lebach vom 21.6.2011 – 13 C 653/10, Rz. 22. 6 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971.
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C. Vertragsrecht
felsfrei hervor, dass mit einem Tastendruck ein Vertrag zustande kommen soll. Die Bandansage und der Tastendruck reichten dem BGH – zu Recht – aus, um von einem Vertragsschluss zu den angebotenen Konditionen (2,9 Cent/Sekunde) auszugehen1. 578
Vertragspartner kann bei anonymisierten Telekommunikationsdienstleistungen aus der (maßgeblichen) Sicht des Dienstleisters nur der Anschlussinhaber sein. Dies war in dem vom BGH zu entscheidenden Fall die Mutter der 16-jährigen Tochter. Da der Vertragsschluss somit unter dem Namen der Mutter erfolgte, stellte sich die Frage, ob der Mutter der Tastendruck der Tochter nach dem Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zuzurechnen war (§ 164 Abs. 1 BGB). Der BGH verneinte dies mit der Begründung, dass die „Unterhaltung eines funktionstüchtigen Telefonanschlusses“ keinen Vertrauenstatbestand schaffen könne2.
579
In Anknüpfung an seine Dialer-Entscheidung3 ließ der BGH es dabei jedoch nicht bewenden und prüfte ergänzend, ob eine Zurechnung nach dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV (jetzt: § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG) in Frage kommt. Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter nach § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV/§ 45i Abs. 4 Satz 1 TKG keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.
580
Aus § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV/§ 45i Abs. 4 Satz 1 TKG leitete der BGH den Grundsatz ab, dass es bei Telekommunikationsdienstleistungen für eine Zurechnung des Handelns des Vertreters ausreicht, wenn der Anschlussinhaber die Nutzung des Anschlusses zu vertreten hat. Im konkreten Fall verneinte der BGH dies, da keine zumutbaren Maßnahmen ersichtlich waren, mit denen die Mutter R-Gespräche ihrer Tochter hätte verhindern können. Insbesondere sei der Mutter eine vollständige Sperrung des Telefonanschlusses oder die vorsorgliche Ausschaltung des Tonwahlverfahrens nicht zumutbar gewesen4.
581
Über den Umweg des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV/§ 45i Abs. 4 Satz 1 TKG gelang dem BGH im Ergebnis eine sachgerechte Abgrenzung von Risikosphären5. Ob es indes dieses Umwegs bedarf oder ob es nicht vorzugswürdig ist, die Grundsätze der Anscheinsvollmacht im Bereich der anonymen Massenkommunikationen zu modernisieren, ist fraglich6. 1 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971; Härting, BGH-R 2006, 868 ff. 2 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971, 1972; Härting, BGH-R 2006, 868 ff. 3 BGH vom 4.3.2004, BGHZ 158, 205; vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2004, 334 ff. 4 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971, 1973; Härting, BGH-R 2006, 868, 869. 5 Vgl. OLG Köln vom 22.1.2010, K&R 2010, 204, 205; LG Saarbrücken vom 28.4.2009, CR 2010, 173 ff. mit Anm. Gräber; AG Berlin-Mitte vom 7.8.2009, MMR 2009, 783 ff. mit Anm. Mankowski; AG Lebach, vom 21.6.2011 – 13 C 653/10, Rz. 22. 6 Härting, BGH-R 2006, 868, 869.
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V. Wirksamkeit von Online-Vertrgen
c) Beweisanforderungen Häufig steht fest, dass von einem bestimmten Account aus Bestellungen 582 getätigt bzw. Gebote oder sonstige Erklärungen abgegeben wurden, ohne dass sich der Urheber der Erklärung ermitteln lässt. Typischerweise bestreitet der Accountinhaber, selbst die Erklärung abgegeben zu haben, und stellt lediglich Mutmaßungen darüber auf, wie es zu der Abgabe einer Erklärung von dem Account aus gekommen sein könnte. Die Palette der „Verdächtigen“ kann von kriminellen Hackern über den eigenen Ehegatten bis zu mysteriösen Unbekannten reichen. Bürdet man in einem solchen Fall dem Vertragspartner den vollen Beweis 583 auf, dass tatsächlich der Accountinhaber den Vertragsschluss vorgenommen hat, so entwertet man den Passwortschutz, der doch gerade dazu beitragen soll, das Vertrauen in die Identität des Nutzers zu stärken1. Passwortgeschützte Kommunikation lässt sich nur wirksam schützen, 584 indem man die Grundsätze des Anscheinsbeweises anwendet2. Wenn ein Nutzer, dessen Passwort nachweisbar benutzt wurde, einwendet, er „wisse von nichts“, so spricht die Lebenserfahrung für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer den betreffenden Vorgang entweder „vergessen“ oder durch Fahrlässigkeit Dritten den Zugang zu dem Passwort eröffnet hat. Der Fall unterscheidet sich letztlich nicht von den Fällen der Benutzung eines Geldautomaten mit einer Bankkarte nebst Geheimnummer3. Auch dort spricht – jedenfalls nach herrschender Meinung – ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber die Karte selbst genutzt oder durch Fahrlässigkeit einen Missbrauch ermöglicht hat4. Wenn beim Online-Banking eine Überweisung – wie üblich – unter Ver- 585 wendung einer Persönlichen Identifikationsnummer (PIN) und einer Transaktionsnummer (TAN) erfolgt, ist streitig, ob dies – per Anscheins1 Ernst, MDR 2003, 1091, 1093; Mankowski, MMR 2004, 181. 2 Ernst, MDR 2003, 1091; Herresthal, K&R 2008, 705, 710; Mankowski, MMR 2004, 181; Winter, MMR 2002, 836; a.A. OLG Bremen vom 21.6.2012 – 3 U1/12, Rz. 28 ff.; OLG Hamm vom 16.11.2006, NJW 2006, 611, 611; OLG Köln vom 6.9.2002, MMR 2002, 813; OLG Naumburg vom 2.3.2004 – 9 U 145/03; LG Arnsberg vom 12.4.2011 – 3 S 155/10, Rz. 35; LG Bonn vom 7.8.2001, MMR 2002, 255; LG Bonn vom 19.12.2003, MMR 2004, 179; Roßnagel/Pfitzmann, NJW 2003, 1209; Wiebe, MMR 2002, 257, 258. 3 A.A. Wiebe, MMR 2002, 257, 258. 4 BGH vom 5.10.2004 – XI ZR 210/03; OLG Frankfurt a.M. vom 7.5.2002, WM 2002, 2101, 2102 ff.; OLG Stuttgart vom 13.3.2002, NJW-RR 2002, 1274, 1275; LG Darmstadt vom 10.11.1999, WM 2000, 911, 913; AG Charlottenburg vom 16.12.2002, WM 2003, 1174, 1175; AG Hohenschönhausen vom 9.9.2001, WM 2002, 1057; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 951 ff.; Ernst, MDR 1993, 1091; Gößmann, WM 1998, 1264, 1264 f.; Haertlein, EWiR 2003, 891, 892; Hensen, EWiR 2002, 669, 670; Werner, MMR 1998, 1264, 1269 ff. a.A. OLG Hamm vom 17.3.1997, NJW 1997, 1711; LG Bonn vom 19.12.2003, MMR 2004, 179, 181.
147
C. Vertragsrecht
beweis – den Schluss zulässt, dass der Kontoinhaber die Überweisung entweder selbst getätigt oder beim Umgang mit PIN und TAN seine vertraglichen Sorgfaltspflichten verletzt hat1. 586
Der BGH spricht sich deutlich und überzeugend dafür aus, dass von einem Bankkunden eine besondere Umsicht beim Umgang mit Daten gefordert werden kann, die der Geheimhaltung unterliegen2. Dies gilt unabhängig von der Art des missbräuchlichen Angriffs (z.B. Phishing oder Pharming)3 und spricht dafür, dass die Nutzung der Daten den Schluss rechtfertigt, dass der Bankkunde entweder selbst die Daten verwendet oder sorgfaltswidrig mit den Daten umgegangen ist. Für die Bejahung einer Anscheinsvollmacht sollte dies genügen.
587
Wenn ein Bankkunde beim Einloggen in sein Online-Konto zur gleichzeitigen Eingabe von zehn TAN aufgefordert wird, muss er misstrauisch werden, da nach den Usancen der Banken für den Zugang zum OnlineBanking niemals eine, geschweige denn mehrere TAN, sondern alleine Kontonummer und PIN abgefragt werden. Gibt der Kunde die angeforderten TAN dennoch ein, so handelt er fahrlässig, da er einen missbräuchlichen Angriff trotz massiver Anhaltspunkte und Warnungen nicht erkannt hat4.
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen 588
Der Fernabsatz von Waren und Dienstleistungen im Internet ist ein Massengeschäft. Typischerweise erfolgt der Vertragsschluss auf der Grundlage von Vertragsbedingungen, die der Anbieter dem Vertragspartner als festen Bestandteil seiner Leistung vorgibt. Damit ist der Anwendungsbereich des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) eröffnet.
589
Die Formulierung und Gestaltung von AGB ist oft eine lästige Pflichtübung, die dadurch erledigt wird, dass schlechte Geschäftsbedingungen der Konkurrenz schlecht kopiert und als eigene AGB ins Netz gestellt werden: „Copy and Paste“. Rasant verbreiten sich auf diese Weise schlechte Formulierungen und unsinnige, unverständliche und unpassende Klauseln.
1 Vgl. KG vom 29.11.2010 – 26 U 159/09; Rz. 67; OLG München vom 23.1.2012 – 17 U 3527/11, Rz. 16; LG Berlin vom 11.8.2009, MMR 2010, 137 (Ls.); LG Berlin vom 8.11.2011 – 21 O 80/11, Rz. 15; LG Mannheim vom 16.5.2008, MMR 2008, 765 mit Anm. Mühlenbrock/Sesing; AG Krefeld vom 6.7.2012 – 7 C 605/11, Rz. 17; AG Wiesloch vom 20.6.2008, CR 2008, 600, 601 ff. mit Anm. Erfurth. 2 BGH vom 24.4.2012 – XI ZR 96/11, Rz. 28. 3 BGH vom 24.4.2012 – XI ZR 96/11, Rz. 27. 4 BGH vom 24.4.2012 – XI ZR 96/11, Rz. 29.
148
VI. Allgemeine Geschftsbedingungen
1. Anwendungsbereich des AGB-Rechts Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträ- 590 gen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Wenn ein Unternehmer auf einer Website Waren oder Dienstleistungen 591 anbietet, gibt er in aller Regel einen vorformulierten Vertragsinhalt vor1. Nur wenn er die Vertragsbedingungen ernstlich zur Disposition stellen würde, der Besteller also die Möglichkeit hätte, die Vertragsbedingungen zu beeinflussen, wäre das Kriterium der Vorformulierung nicht erfüllt2. Das AGB-Recht gilt nicht nur für das „Kleingedruckte“, sondern für alle 592 standardmäßig verwendeten Vertragsinhalte, die der Online-Anbieter vorgibt. Wenn beispielsweise ein Bestellformular nur die wesentlichen Vertragsklauseln nennt und im Übrigen per Hyperlink auf „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ verwiesen wird, ist das AGB-Recht nicht nur auf die Vertragsbestandteile anzuwenden, die ausdrücklich als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ bezeichnet werden, sondern auch auf die Klauseln, die auf dem Bestellformular zu finden sind3. Der Anwendungsbereich des AGB-Rechts bleibt auch dann eröffnet, 593 wenn in einem Bestellformular mit Varianten gearbeitet wird. Bietet ein Unternehmer beispielsweise die zeitlich befristete Nutzung von Software an und gibt er dem Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Varianten für die Nutzungsdauer (z.B. 6 Monate, 1 Jahr oder 2 Jahre), so handelt es sich bei dem Vertrag dennoch um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Von der Anwendung des AGB-Rechts bleibt lediglich die Klausel über die Nutzungsdauer ausgenommen4. Wird bei einem Vertrag ein aus dem Internet heruntergeladenes Vertrags- 594 formular verwendet, so handelt es sich um Vertragsbedingungen, die für eine mehrfache Verwendung vorformuliert sind5. Dass das Formular von einem Dritten erstellt wurde, ist nach § 305 Abs. 1 BGB unerheblich. Sofern das Formular von einem Verhandlungspartner in den Vertrag eingebracht wurde, liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 BGB vor.
1 Vgl. LG Köln vom 29.1.2003, CR 2003, 697; für Btx: LG Aachen vom 24.1.1991, NJW 1991, 2159; LG Wuppertal vom 16.5.1990, NJW-RR 1991, 1148. 2 BGH vom 18.11.1982, BGHZ 85, 305, 308; BGH vom 27.4.1988, BGHZ 104, 232, 236; BGH vom 17.2.2010, CR 2010, 386, 388; Brox, AT, Rz. 222; Köhler, AT, § 16 Rz. 8; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 8. 3 Stadler in Jauernig, § 305 Rz. 3; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 14. 4 BGH vom 7.2.1996, NJW 1996, 1676, 1677; BGH vom 13.11.1997, NJW 1998, 1066, 1067; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 11. 5 OLG Hamm vom 13.1.2011 – I-2 U 143/10, Rz. 16; OLG Oldenburg vom 27.5.2011 – 6 U 14/11, Rz. 17.
149
C. Vertragsrecht
2. Einbeziehung in den Vertrag 595
596
Ist der Vertragspartner des Anbieters ein Verbraucher (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB), kann die Frage, ob Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind, erhebliche Schwierigkeiten bereiten1.
Übersicht: Einbeziehung – Der Verwender muss den Vertragspartner bei Vertragsschluss auf die Geschäftsbedingungen ausdrücklich hinweisen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). – Der Verwender muss dem Vertragspartner die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). – Der Vertragspartner muss der Geltung der Geschäftsbedingungen zustimmen (§ 305 Abs. 2, letzter Halbsatz BGB).
597
Die strengen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB gelten nur gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB). Kommt der Vertrag mit einem Unternehmer (§ 14 BGB) zustande, ist § 305 Abs. 2 BGB gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht anwendbar. a) Ausdrücklicher Hinweis
598
Der zur Einbeziehung von Geschäftsbedingungen in einen Vertrag gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB notwendige Hinweis muss zum einen „bei Vertragsschluss“ gegeben werden. Zum anderen muss der Hinweis „ausdrücklich“ erfolgen.
599
Üblich ist ein Hyperlink, durch den auf Allgemeine Geschäftsbedingungen verwiesen wird. Ein solcher Hyperlink kann als ausdrücklicher Hinweis auf die Geschäftsbedingungen genügen2.
600
An einem ausreichenden Hinweis auf die Geschäftsbedingungen fehlt es, wenn sich der Verweis auf die AGB an einer Stelle findet, die weit von dem Bestellformular entfernt ist. Da die Hinweispflicht „bei Vertragsschluss“ besteht, ist eine zeitliche und räumliche Nähe zu der tatsäch1 Vgl. Köhler, AT, § 16 Rz. 9 ff. 2 OLG Hamm vom 14.12.2000, NJW 2001, 1142; LG Bielefeld vom 30.10.1991, NJW-RR 1992, 955; LG Essen vom 13.2.2003, MMR 2004, 49; LG Münster vom 21.1.2000, DB 2000, 663, 664; für Btx: AG Kassel vom 16.2.1990, NJW-RR 1991, 1146, 1147; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 38; Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 189; Mehrings, BB 1998, 2373, 2378.
150
VI. Allgemeine Geschftsbedingungen
lichen Bestellung notwendig. Befindet sich der Hyperlink zu den AGB nur auf der Startseite einer umfangreichen Website, ist die Entfernung von dem Hinweis zu dem Bestellbutton in der Regel zu groß, um das Erfordernis eines Hinweises „bei Vertragsschluss“ zu erfüllen1. Wer als gewerblicher Händler bei Amazon registriert ist, muss seinen 601 Kunden bei Vertragsschluss darauf hinweisen, dass der Kaufvertrag nur unter Zugrundelegung der eigenen, bei Amazon abrufbaren Geschäftsbedingungen zustande kommen soll. Anderenfalls scheitert eine Einbeziehung2. Hinsichtlich des zweiten Erfordernisses des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB, näm- 602 lich der „Ausdrücklichkeit“ des Hinweises, muss man unterscheiden: Ist der Hyperlink von einem Durchschnittskunden auch bei flüchtiger Betrachtung der Website nicht zu übersehen und ist er darüber hinaus klar als Hinweis auf verbindliche Vertragsbestimmungen formuliert, so genügt er den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB3. Ist der Hinweis dagegen auf einer unübersichtlichen Internetseite – etwa zwischen einer Vielzahl anderer Hyperlinks – versteckt und kann der durchschnittliche Leser den Hinweis leicht übersehen, kann von einer „Ausdrücklichkeit“ des Hinweises i.S.d. § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht mehr die Rede sein4. Eine Einbeziehung in den Vertrag scheitert auch dann an der fehlenden 603 „Ausdrücklichkeit“ des Hinweises, wenn der Hinweis unklar oder missverständlich bezeichnet ist5 (z.B. bei einer deutschsprachigen Internetseite und einem englischsprachigen Hyperlink: „Terms of Payment“6). Gleiches gilt für den bloßen Abdruck auf der Vertragsrückseite, ohne dass auf der Vorderseite ein entsprechender Hinweis erfolgt. Û Praxistipp: Um den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB gerecht 604 zu werden, empfiehlt es sich, auf dem Bestellformular einen deutlich gestalteten und formulierten Hinweis auf die AGB zu platzieren. Der Hinweis kann mit einem Link auf die AGB verbunden werden. Über ein Klickfeld kann zudem das Einverständnis des Kunden dokumentiert werden. 1 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 190; Moritz, CR 2000, 61, 64. 2 LG Wiesbaden vom 21.12.2011 – 11 O 65/11, Rz. 17. 3 Vgl. LG Bielefeld vom 30.10.1991, NJW-RR 1992, 955; LG Osnabrück vom 10.11.1995, CR 1996, 227, 228; AG Kassel vom 16.2.1990, NJW-RR 1991, 1146, 1147; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 Rz. 135b; Horn, MMR 2002, 209; Koehler, MMR 1998, 289, 291; Köhler, NJW 1998, 185, 189; Moritz, CR 2000, 61, 64. 4 OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rz. 123 ff., 135b, 149a; Löhnig, NJW 1997, 1688, 1688 f. 5 OLG Frankfurt a. M. vom 29.8.2012 – 6 W 84/12, Rz. 2; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rz. 124; Koehler, MMR 1998, 289, 293 f. 6 Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, IntGV Rz. 40 f.; a.A. Schmidt in Ulmer/ Brandner/Hensen, Anh. § 305 BGB Rz. 14.
151
C. Vertragsrecht
b) Möglichkeit der Kenntnisnahme 605
Eine Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen Vertrag setzt weiterhin voraus, dass der Vertragspartner die Möglichkeit hat, die Geschäftsbedingungen in zumutbarer Weise zur Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
606
Die Frage, ob die Kenntnisnahme von AGB zumutbar ist, stellt sich, wenn der Nutzer die Geschäftsbedingungen nur über eine Kette von Hyperlinks erreichen kann. Gelangt man von der Angebotsseite bzw. von dem Bestellformular zu den Geschäftsbedingungen ausschließlich über zahlreiche Hyperlinks, ist die Grenze der (Un-)Zumutbarkeit erreicht1.
607 Û Praxistipp: Um den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB gerecht zu werden, empfiehlt es sich, den auf dem Bestellformular platzierten Hyperlink unmittelbar zu den AGB zu führen und „Linkketten“ zu vermeiden. 608
Für § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügt es, wenn die Geschäftsbedingungen durch Anklicken des Wortes „AGB“ auf der Bestellseite aufgerufen und ausgedruckt werden können2. Die Verwendung von Links gehört zu den im Internet üblichen Gepflogenheiten. Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen können daher davon ausgehen, dass Verbraucher, die sich für ihre Bestellung des Internets bedienen, mit solchen Links ohne weiteres umgehen können3.
609
Verweisen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers eines Internetportals auf die Reisebedingungen des jeweiligen Reiseveranstalters, ohne dass diese selbst im Rahmen der AGB direkt abrufbar sind, so reicht dies für eine wirksame Einbeziehung nicht aus. Auch das bloße Angebot, die AGB zu übersenden, genügt nicht4.
610
Werden Verträge offline geschlossen, stellt sich zunehmend die Frage, ob es zumutbar ist, den Vertragspartner auf die Möglichkeit zu verweisen, Allgemeine Geschäftsbedingungen online zu lesen. Die weite Verbreitung von Internetanschlüssen und die Bequemlichkeit für den Verbraucher, der am heimischen Bildschirm in aller Ruhe das „Kleingedruckte“ studieren kann, sprechen dafür, dass es dem Verbraucher schon heute zumutbar ist, Geschäftsbedingungen im Internet zu lesen, wenn er bei ei-
1 Vgl. Koch, Internetrecht, S. 78. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 13.6.2002, WM 2003, 581, 583; OLG Hamm vom 14.12.2000, ZIP 2001, 291, 292; Basedow in MünchKomm-BGB, § 305 Rz. 65; Lapp in jurisPK-BGB, § 305 Rz. 44; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 36; Ernst VuR 1997, 259, 261; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2368 f. 3 BGH von 14.6.2006, NJW 2006, 2976, 297. 4 LG Dortmund vom 15.7.2010 – 8 O 352/09, Rz. 14; LG München I vom 15.1.2009, WRP 2009, 753, 756.
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VI. Allgemeine Geschftsbedingungen
nem Offline-Vertragsschluss auf die genaue Fundstelle im Netz hingewiesen wird. Werden für die Teilnahme an einem Gewinnspiel im Rundfunk „Teilnah- 611 mebedingungen“ verwendet, reicht es für die Einbeziehung in den Spielvertrag als AGB gemäß § 305 Abs. 2 BGB aus, wenn im Radio ein Hinweis auf die Internetpräsenz des Senders gegeben wird und die „Teilnahmebedingungen“ dort abrufbereit zur Verfügung stehen. Wie der Hinweis durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses genügen kann (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. BGB), kann auch die Abrufbarkeit im Internet für eine Einbeziehung ausreichen1. Alles andere wäre gänzlich unpraktikabel, weil sonst in jedem einzelnen Hinweis auf das Gewinnspiel ein umfänglicher Hinweis auf die AGB erfolgen müsste2. Das Transparenzgebot ist in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB seit dem Jahr 2002 612 gesetzlich normiert. Daher ist die Auffassung überholt, dass unübersichtliche und/oder schwer verständliche Geschäftsbedingungen mangels zumutbarer Kenntnisnahme nicht Vertragsbestandteil werden können3. Die Einbeziehung von Geschäftsbedingungen ist ausschließlich von formalen Gesichtspunkten abhängig, die in § 305 Abs. 2 BGB zusammengefasst sind. Verstöße gegen das Transparenzgebot führen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Unwirksamkeit der betreffenden Klauseln, ohne dass deren Einbeziehung in den Vertrag fraglich wird. c) Einverständnis Nach § 305 Abs. 2 BGB bedarf es zur Einbeziehung der Geschäftsbedin- 613 gungen in den Vertrag des – ausdrücklichen oder stillschweigenden4 – Einverständnisses des Verbrauchers. Ein stillschweigendes Einverständnis des Kunden mit den AGB liegt re- 614 gelmäßig vor bei einer Bestellung über eine Website, die den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB genügt. Hat der Anbieter bei der Gestaltung seiner Website den Nutzer ausdrücklich auf die AGB hingewiesen und ihm eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben, so darf er die Bestellung nach den Auslegungskriterien der §§ 133, 157 BGB als Einverständnis mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen werten5. Die Präsentation von Waren und Dienstleistungen auf einer Website 615 stellt in der Regel keine Willenserklärung, sondern eine invitatio ad offe1 2 3 4 5
A.A. AG Meldorf vom 15.9.2009 – 87 C 554/09, Rz. 21 f. LG Hannover vom 30.3.2009, MMR 2009, 870 (Ls.). Vgl. BGH vom 2.7.1999, NJW 2000, 653; BGH vom 9.5.2001, NJW 2001, 2013. Vgl. Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 41; Brox, AT, Rz. 228. OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 184; Löhnig, NJW 1997, 1688, 1689.
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C. Vertragsrecht
rendum dar. Durch die Bestellung gibt der Kunde einen Antrag gemäß § 145 BGB ab1. Wenn der Unternehmer bis dahin einen Hinweis auf seine AGB versäumt hat, kann er dies daher in der Annahmeerklärung nicht ohne weiteres nachholen. Ein „nachträglicher“ Hinweis auf die AGB stellt eine Modifikation des Antrages dar, die nach § 150 Abs. 2 BGB nur wirksam wird, wenn der Antragende zustimmt. Äußert sich der Besteller nach Erhalt der Annahmeerklärung nicht, lässt sich sein Schweigen jedenfalls dann nicht als Zustimmung zu den AGB werten, wenn der Besteller Verbraucher ist2. 616 Û Praxistipp: Das Bestellformular sollte eine ausdrückliche Einverständniserklärung enthalten3 die mit einem Klickfeld versehen werden kann: „Mit der Geltung der Allgemeinen Geschftsbedingungen bin ich einverstanden.“
617
Weit verbreitet, aber nach § 309 Nr. 12b BGB unwirksam4 sind weitergehende Klauseln, die die Kenntnisnahme bestätigen („Ich habe die AGB gelesen und verstanden und bin mit der Geltung der AGB einverstanden.“). Auf derartige Klauseln sollte man verzichten. d) Beweisfragen
618
Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB sieht eine Belehrung darüber vor, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist.5 Daraus ergibt sich allerdings keine Verpflichtung des Unternehmers zur nachvertraglichen Speicherung des Vertragstextes6.
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Beruft sich der Verwender auf seine AGB, trägt er nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts das Risiko des Nachweises, dass die AGB bei Vertragsschluss in einer bestimmten Fassung abrufbar waren7.
620 Û Praxistipp: Um Streit darüber vorzubeugen, welche Fassung der AGB jeweils abrufbar war, ist dem Anbieter eine lückenlose Dokumentation aller Änderungen zu empfehlen. Umgekehrt sollte sich der Nutzer gegen Streit über AGB-Änderungen absichern durch eine sofortige Speicherung und/oder einen sofortigen Ausdruck der AGB bei Vertragsschluss. 1 2 3 4
Siehe Rz. 437 ff. Vgl. KG vom 6.1.1994, NJW-RR 1994, 1265. Vgl. Horn, MMR 2002, 209, 210. BGH vom 28.3.1996, NJW 1996, 1819; LG München I vom 14.8.2003, CR 2004, 221, 224; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 108. 5 Vgl. Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 6 Siehe Rz. 974. 7 Vgl. OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677.
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VI. Allgemeine Geschftsbedingungen
e) Überraschende Klauseln Gemäß § 305c Abs. 1 BGB werden einzelne Klauseln nicht Vertragsbe- 621 standteil, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen braucht1. Wird in den Geschäftsbedingungen eines Software-Verkäufers eine Klau- 622 sel „versteckt“, die den Käufer zur Abnahme und Bezahlung zukünftiger Updates der Software verpflichtet, so handelt es sich gemäß § 305c Abs. 1 BGB um eine überraschende Klausel, die nicht Vertragsbestandteil wird. Dasselbe gilt, wenn sich eine Zahlungspflicht des Kunden ausschließlich aus den AGB eines Gewinnspielanbieters ergibt2. Weit verbreitet waren in jüngerer Zeit Internetdienste, deren Websites 623 den Eindruck kostenloser Leistungsangebote vermittelten, obwohl im Kleingedruckten eine Entgeltpflicht geregelt war (insbesondere „Abofallen“)3. Derartige AGB-Klauseln stellen ein Paradebeispiel überraschender Klauseln gemäß § 305c Abs. 1 AGB dar. Die Klauseln werden nicht Vertragsbestandteil, so dass sich Fragen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB gar nicht erst stellen4. Wird der Besucher einer Internetseite – durch die Verwendung der Begrif- 624 fe „free“, „gratis“ und „umsonst“ – in den Glauben versetzt, der Betreiber eines Dienstes biete den kostenlosen Versand von SMS an, braucht der Nutzer nicht damit zu rechnen, dass in den AGB die Entgeltlichkeit des Versands festgelegt wird.5. Die Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB liegen auch vor, wenn in 625 AGB Stornierungsmöglichkeiten abweichend dargestellt werden von Angaben, die sich auf einer anderen Bildschirmseite der Anbieter-Website finden6.
1 Vgl. Brox, AT, Rz. 230; Köhler, AT, § 16 Rz. 20. 2 Vgl. KG vom 18.9.2009 – 5 U 81/07; AG München vom 16.1.2007, CR 2007, 816. 3 Vgl. OLG Frankfurt a. M. vom 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, CR 2009, 190 ff.; OLG Frankfurt a. M., vom 4.12.2008, CR 2009, 253 ff.; LG Berlin vom 21.10.2011 – 50 S 143/10, Rz. 16; LG Hamburg vom 8.7.2010 – 327 O 634/09, Rz. 32; LG Hamburg vom 10.12.2010 – 406 O 50/10, Rz. 20; LG Hanau vom 7.1.2007, MMR 2008, 288 ff.; LG Mannheim vom 14.1.2010, MMR 2010, 241 ff.; AG Hamburg-St. Georg vom 4.2.2010 – 922 C 445/09, Rz. 6; AG Frankfurt a.M. vom 23.3.2011 – 29 C 2583/10, Rz. 11; AG Karlsruhe vom 12.8.2009, NJW-RR 2010, 68 ff.; AG Mainz vom 1.3.2011 – 89 C 284/10, Rz. 18; AG Marburg vom 8.2.2010, GRUR-RR 2010, 265; AG München vom 18.2.2009, ITRB 2009, 201 (Engels); AG Osnabrück vom 19.10.2010 – 66 C 83/10, Rz. 15; Buchmann/Majer/ Hertfelder/Vögelein, NJW 2009, 3189 ff.; Hövel/Hansen, CR 2010, 252 ff. 4 Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41; a.A. AG Gummersbach vom 30.3.2009, MMR 2009, 490. 5 AG Hamm vom 26.3.2008, NJW-RR 2009, 1078. 6 AG Dortmund vom 12.4.2006, NJW-RR 2007, 60, 61.
155
C. Vertragsrecht
3. Transparenzgebot 626
AGB-Klauseln sind wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam, wenn sie nicht klar und verständlich formuliert sind. Dies gilt nicht nur für Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, sondern auch für Klauseln, die geltendes Recht intransparent darstellen (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB). a) Lesbarkeit
627
Geschäftsbedingungen sind leserfreundlich zu gestalten1. Das bedeutet zum einen, dass eine Schriftgröße benutzt wird, die das Lesen nicht übermäßig erschwert. Zum anderen ist eine übersichtliche Gestaltung der Bedingungen erforderlich, die nicht gegeben ist, wenn beispielsweise die AGB im Fließtext auf dem Bildschirm erscheinen – ohne Punkt und Komma und ohne Untergliederung in Absätze. b) Übersichtlichkeit und Verständlichkeit
628
Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit aufweisen2. Darüber hinaus müssen AGB-Klauseln in ihrem Kernbereich klar und für einen Durchschnittskunden verständlich sein3. Der Umfang der Geschäftsbedingungen muss zudem im Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts vertretbar sein4.
629
Je länger das Kleingedruckte, desto beschwerlicher die Lektüre. Aus dem Transparenzgebot lässt sich ableiten, dass AGB nicht übertrieben langatmig gefasst sein dürfen, da dies dem Vertragspartner die Lektüre und das Verständnis der Klauseln unzumutbar erschwert. Im Hinblick auf die Mühe, die die Bildschirmlektüre bereitet, erscheint es angezeigt, insoweit einen strengeren Maßstab anzulegen als bei gedruckten AGB5.
1 Vgl. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 Rz. 335; Köhler, NJW 1998, 185, 188 f.; Löhnig, NJW 1997, 1688, 1688 f. 2 AG Kassel vom 16.2.1990, NJW-RR 1991, 1146, 1147; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 39; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rz. 150 ff.; Köhler, NJW 1998, 185, 189. 3 LG Aachen vom 24.1.1991, NJW 1991, 2159, 2160; LG Freiburg vom 7.4.1992, NJW-RR 1992, 1018; LG Köln vom 29.1.2003, CR 2003, 697; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 41; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rz. 151; Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 2 Rz. 27; Köhler, NJW 1998, 185, 189. 4 LG Aachen vom 24.1.1991, NJW 1991, 2159, 2160; LG Bielefeld vom 30.10.1991, NJW-RR 1992, 955; LG Freiburg vom 7.4.1992, NJW-RR 1992, 1018; LG Wuppertal vom 16.5.1990, NJW-RR 1991, 1148, 1149; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 39; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rz. 152 ff.; Wolf in Wolf/ Horn/Lindacher, § 2 Rz. 24; Köhler, NJW 1998, 185, 189. 5 LG Köln vom 29.1.2003, CR 2003, 697.
156
VI. Allgemeine Geschftsbedingungen
Eine Fluggesellschaft verstößt gegen das Transparenzgebot, wenn für ei- 630 nen Kunden auf Grund der vielfältigen, im Internet unterschiedlich aufgestellten Bedingungen nicht hinreichend deutlich wird, welche Bedingungen für die jeweils gewählte Reise gelten1. Nach dem Transparenzgebot muss die Klauselfassung der Gefahr vorbeu- 631 gen, dass der Kunde von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und es auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, ist unwirksam2. c) Fremdsprachen Werden englischsprachige oder andere fremdsprachliche Geschäftsbedin- 632 gungen verwendet, stellt sich die Frage, ob schon allein aus diesem Grunde die Verständlichkeit für den Durchschnittskunden fehlt. Vernünftigerweise ist darauf abzustellen, in welcher Sprache der Internetanbieter dem Besteller gegenübertritt und ob er davon ausgehen darf, dass der Besteller die verwendete Sprache spricht3. Benutzt der Anbieter auf seiner Website durchgängig die englische Sprache, so ist es dem Besteller zumutbar, seinerseits auf Englisch zu kommunizieren. Wer fremdsprachige Vertragsgespräche führt, übernimmt damit das Risi- 633 ko sprachlich bedingter Missverständnisse4. Lässt sich der Besteller auf einen Anbieter ein, der ausschließlich eine fremde Sprache verwendet, ist es ihm zuzumuten, auch das „Kleingedruckte“ in der ausländischen Sprache zur Kenntnis zu nehmen5. 4. Inhaltskontrolle Für die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB gelten im Übrigen 634 keine Besonderheiten. AGB-Klauseln, die gemäß § 305 Abs. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden sind, unterliegen der Inhaltskontrolle, sofern sie von Vorschriften des dispositiven Rechts abweichen (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Sehen beispielsweise dieGeschäftsbedingungen eines PC-
1 AG Frankfurt a.M. vom 21.2.2006, NJW 2006, 3010, 3011 mit Anm. Kappus. 2 BGH vom 27.9.2000, BGHZ 145, 203, 220 f.; BGH vom 21.9.2005, NJW 2005, 3567, 3569; BGH vom 5.10.2005, K&R 2006, 33, 36; BGH vom 20.5.2010 – Xa ZR 68/09; Rz. 41 ff.; Wilschke, VuR 2012, 171, 177. 3 Vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 Rz. 151. 4 Pützhoven, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 66; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 239; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1278. 5 BGH vom 28.3.1996, NJW 1996, 1819, 1819; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 305 BGB Rz. 14 ff.; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rz. 124; Lauktien/Varadinek, ZUM 2000, 466, 470; Koehler, MMR 1998, 289, 293 ff.
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C. Vertragsrecht
Händlers einen weitgehenden Gewährleistungsausschluss vor, so sind die Ausschlussklauseln an den Anforderungen des § 309 Nr. 7 und 8 BGB zu messen. Für Verträge, die über das Internet geschlossen werden, gilt bei der Inhaltskontrolle nichts anderes als bei Käufen, die im Ladengeschäft des Händlers getätigt werden1.
1 Vgl. OLG Hamm vom 13.1.2011 – I-2 U 143/10, Rz. 15; OLG Oldenburg vom 27.5.2011 – 6 U 14/11, Rz. 16.
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D. Verträge über Internet-Dienstleistungen Rz. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 II. Webdesignverträge . . . . . . . . . . 1. Vertragsgegenstand . . . . . . . . . . 2. Projektablauf und Pflichtenheft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . 4. Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Change Management . . . . . . . . 6. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Mitwirkungspflichten . . . . . . . 8. Fertigstellung . . . . . . . . . . . . . . . 9. Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Providerverträge . . . . . . . . . . . . 1. Internet-System-Verträge . . . . a) Vertragstypologische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorauszahlungspflicht . . . . c) Kündigungsrecht . . . . . . . . . 2. Access-Provider-Verträge . . . . a) Vertragstypologische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsbeschränkungen . c) Leistungsänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Preisanpassungsklauseln . . e) Fingierte Erklärungen . . . . . 3. Host-Provider-Verträge . . . . . . a) Vertragstypologische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtswidrige Inhalte . . . . .
637 638 650 656 665 667 670 673 675 677 683 684 685 686 688 692 694 698 701 707 709 710 711 714
Rz. 4. Mail-Account-Verträge . . . . . . 715 a) Vertragstypologische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 b) Löschung von Spam- und Viren-Mails. . . . . . . . . . . . . . . 718 IV. 1. 2. 3. 4.
Domainverträge . . . . . . . . . . . . . Domainregistrierung . . . . . . . . Domainkauf . . . . . . . . . . . . . . . . Domainpacht . . . . . . . . . . . . . . . Domainservice . . . . . . . . . . . . . .
728 729 737 740 743
V. ASP-Verträge und Cloud Computing . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 1. Application Service Providing 750 2. Cloud Computing . . . . . . . . . . . 754 VI. 1. 2. 3.
Werbeverträge. . . . . . . . . . . . . . . Verlinkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Suchmaschinen-Optimierung Newsletter. . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . 1. Nutzungsverträge . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung von Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Transparenzgebot . . . . . . . . . . . 4. Rechtsverstöße. . . . . . . . . . . . . . 5. Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . 6. Haftungsbeschränkung . . . . . .
757 758 765 766 769 770 772 778 780 783 784
I. Überblick Verträge über Internet-Dienstleistungen sind Verträge, die unmittelbar 635 das Internet betreffen wie beispielsweise den Zugang zum Internet, die Gestaltung von Websites (Webdesign) oder die Bereithaltung eines E-MailAccounts. Bei diesen Verträgen stellen die Vertragsgestaltung und die Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhebliche Herausforderungen dar. Zunächst gilt es, die technischen und wirtschaftlichen Abläufe zu verstehen, die den Dienstleistungen zugrunde liegen. Sodann bedarf es im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB einer vertragstypologischen Einordnung dieser Vorgänge. Schließlich sind die typischen Konfliktfelder herauszuarbeiten, die einer Regelung bedürfen.
159
D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
636
Übersicht: Internet-Dienstleistungen – Zugang zum Internet: Access-Provider-Verträge; – Präsenz im Internet: Host-Provider-Verträge (Bereitstellung von Speicherplatz für eine über das Internet abrufbare Website); – Gestaltung eines Internetauftritts: Webdesignverträge; – Pflege eines Internetauftritts: Website-Wartungsverträge; – Unterhaltung eines E-Mail-Accounts: E-Mail-Accountverträge; – Registrierung, Verwaltung, Übertragung und „Vermietung“ von Internetadressen: Domainverträge; – Online-Marketing: Newsletter;
Werbeverträge,
Suchmaschinen-Optimierung,
– Nutzung von Online-Ressourcen: Application Service Providing (ASP) und Cloud Computing; – Nutzung von Online-Diensten: Nutzungsbedingungen und Plattformverträge.
II. Webdesignverträge 637
Um im Internet präsent zu sein, bedarf es der Gestaltung und Erstellung einer Website. Dies ist die Aufgabe von Webdesignern. 1. Vertragsgegenstand
638
Eine Website besteht aus Software. Ein Vertrag über die Erstellung einer Website unterscheidet sich daher nur wenig von anderen Verträgen über die Erstellung von (Individual-)Software.
639
Der Webdesigner, der mit der Erstellung einer Website beauftragt wird, sagt nicht lediglich eine Dienstleistung, sondern einen klar definierten Erfolg zu. Daher gilt für den Webdesignvertrag Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB)1. Nach § 651 BGB findet allerdings auf einen Werkvertrag, der die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, grundsätzlich Kauf-
1 Cichon, Internetverträge, Rz. 402; Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der ITVerträge, Teil 3.1 Rz. 4; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil O Rz. 343 ff.; Schmidt in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VIII Rz. 4; Härting, ITRB 2001, 20.
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II. Webdesignvertrge
recht Anwendung1. Die Diskussion, ob Software als bewegliche2 Sache3 anzusehen ist, ist nach der Schuldrechtsreform neu entfacht4. Völlig unbeabsichtigt hat der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsreform eine Regelung geschaffen, die – jedenfalls dem Wortlaut nach – Individualsoftware-Verträge, die zuvor dem Werkvertragsrecht unterfallen waren, weitgehend in das Kaufrecht verschiebt5. Da die Verschiebung vom Werkvertrags- zum Kaufrecht eindeutig ge- 640 wollt ist6, überzeugt es nicht recht, wenn gefordert wird, für Software das Rad zurückzudrehen und Softwareverträge dem Kaufrecht weitestgehend zu entziehen7. Weshalb für Software etwas anderes gelten soll als für andere „Unikate“, ist nicht recht ersichtlich. Die Rechtsprechung, die Software seit mehr als zwei Jahrzehnten als Sache behandelt8, hat zudem zu praktikablen Ergebnissen geführt. Die Leistung des Webdesigners ist für den Kunden nur von Nutzen, wenn 641 er die fertige Website auch „in den Händen“ hält. Daher begründet der Webdesignvertrag stets auch eine Lieferverpflichtung9. Unerheblich ist, ob die Lieferung auf einem herkömmlichen Datenträger (CD oder USB-
1 Vgl. Sprau in Palandt, Einf. § 631 Rz. 2; Ayad, DB 2001, 2697, 2700; Däubler, NJW 2001, 3729, 3733; Thewalt, CR 2002, 1, 2; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 268. 2 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 9; Thewalt, CR 2002, 1, 4 m.w.N. 3 Vgl. Michalski in Erman, § 90 Rz. 3; Günther, Produkthaftung für Informationsgüter, S. 194 ff.; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rz. 674 ff.; Ellenberger in Palandt, § 90 Rz. 2; Redeker, IT-Recht, Rz. 297; Hoeren, GRUR 1988, 340, 343; Hoeren, CR 1988, 908, 911; Thewalt, CR 2002, 1, 4; BGH vom 18.10.1989, NJW 1990, 320; BGH vom 14.7.1993, NJW 1993, 2436, 2437; BGH vom 22.12.1999, CR 2000, 207; a.A. Bartsch, CR 2001, 649, 655; Kort, DB 1994, 1505, 1506; Mehrings, NJW 1986, 1904, 1905. 4 Vgl. Ayad, DB 2001, 2697, 2701; Bartsch, CR 2001, 649, 655; Bauer/Witzel, ITRB 2003, 62 ff.; Diedrich, CR 2002, 473, 475 f.; Goldmann/Redecke, MMR 2002, 3 ff.; Frank, ITRB 2011, 231; Hoene/Zeifang, ITRB 2003, 228, 229 f.; Kotthoff, K&R 2002, 105 ff.; Plath, ITRB 2002, 98, 100; Schneider/Bischof, ITRB 2002, 273; Thewalt, CR 2002, 1, 4 ff. 5 Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rz. 3a ff.; Bauer/Witzel, ITRB 2003, 62, 63; Goldmann/Redecke, MMR 2003, 3; Hoene/Zeifang, ITRB 2003, 228, 230; Mankowski, MDR 2003, 854, 857; Schneider/Bischof, ITRB 2002, 273; Schneider, CR 2003, 317, 321; Spindler/Klön, CR 2003, 81, 83. 6 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 268. 7 So im Ergebnis auch Bauer/Witzel, ITRB 2003, 62, 63; Goldmann/Redecke, MMR 2002, 3; Hoene/Zeifang, ITRB 2003, 228, 230; Kotthoff, K&R 2002, 105; Mankowski, MDR 2003, 854, 857; Plath, ITRB 2002, 98, 100; Schneider/Bischof, ITRB 2002, 273; Thewalt, CR 2002, 1, 4. 8 BGH vom 18.10.1989, NJW 1990, 320; BGH vom 14.7.1993, NJW 1993, 2436, 2437; BGH vom 22.12.1999, CR 2000, 207. 9 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 10; Thewalt, CR 2002, 1, 4.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
Stick) oder online per Datenfernübertragung erfolgt1. Selbst wenn der Webdesigner die fertige Website direkt auf den Server des Kunden übersendet, liegt die Lieferung einer Sache vor. Ob die Lieferung an den Vertragspartner oder einen Dritten (z.B. den Host Provider des Kunden) erfolgt, spielt für die rechtliche Einordnung des Vertrages keine Rolle2. 642
Eine Website ist – jedenfalls im Regelfall – keine vertretbare Sache i.S.d. §§ 651 Satz 3, 91 BGB3. Die Vertretbarkeit richtet sich danach, ob das Werk auch für andere Kunden verwendbar ist4. Das Wesen einer Website liegt in deren individuellem Zuschnitt auf den Kunden, so dass es regelmäßig an einer Vertretbarkeit fehlt. In Zweifelsfällen lassen sich die Abgrenzungskriterien zwischen Standard- und Individualsoftware5 fruchtbar machen.
643
Ist ein Webdesignvertrag in aller Regel als Vertrag über die Herstellung und Lieferung einer nicht vertretbaren beweglichen Sache gemäß § 651 Satz 3 BGB anzusehen, findet Kaufrecht Anwendung6. Daneben treten einzelne Vorschriften (§§ 642, 643, 645, 649, 650 BGB) des Werkvertragsrechts7.
644
Der BGH hält auch nach der Schuldrechtsreform daran fest, dass Software als Sache anzusehen ist8. In einer Entscheidung zu „Internet-System-Verträgen“ hat sich der BGH allerdings unklar9 zur Anwendbarkeit des § 651 BGB auf Webdesignverträge geäußert10. Einerseits heißt es, ein solcher Vertrag dürfte – ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software – regelmäßig als Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB und „unter Umständen auch“ als Werklieferungsvertrag anzusehen sein. Andererseits betont der BGH, dass die „individuelle Website“ – anders als beim Werklieferungsvertrag – nicht als bewegliche Sache an den Kunden „geliefert“ werde, sondern auf den Servern und in der Verfügung des An-
1 Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 53 f.; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rz. 687; Lorenz, JuS 2000, 833, 840; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 928; Schmitt, CR 2001, 838, 841 und 843; Ulmer, ITRB 2001, 140 f.; a.A. Redeker, NJW 1992, 1739. 2 Vgl. Rath-Glawatz/Dietrich, AfP 2000, 505, 506. 3 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 11. 4 Michalski in Erman, § 91 Rz. 2; Ellenberger in Palandt, § 91 Rz. 1; Sprau in Palandt, § 651 Rz. 8. 5 Vgl. Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rz. 616 ff. m.w.N. 6 Härting, ITRB 2002, 218, 219; a.A. Ayad, DB 2001, 2697, 2704; Bartsch, CR 2001, 649, 655; vgl. auch Redeker; IT-Recht, Rz. 297; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rz. 3a. 7 Vgl. Sprau in Palandt, § 651 Rz. 6 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rz. 3b; BT-Drucks. 14/7052, S. 205. 8 BGH vom 15.11.2006, CR 2007, 75 ff. mit Anm. Lejeune. 9 Vgl. Fritzemeyer, NJW 2011, 2920; Hilber/Rabus, CR 2010, 331, 331. 10 BGH vom 4.3.2010, BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher.
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bieters verbleibe1. Der BGH scheint es somit als entscheidend anzusehen, ob der Webdesigner dem Kunden nach Auftragserledigung den fertigen Datensatz überlässt oder lediglich dafür sorgt, dass die Website auf dem Server eines Providers abgespeichert wird und abrufbar ist2. Die weitgehende Verdrängung des Werkvertragsrechts durch das Kauf- 645 recht hat der BGH in einer Entscheidung bestätigt, in der es um einen Vertrag über die Herstellung und Lieferung von Bauteilen ging, die für die Errichtung einer Siloanlage benötigt wurden. Zu den vertraglich geschuldeten Leistungen gehörten auch umfangreiche Planungsleistungen3. Dass geistige Leistungen und nicht die Lieferung eines Gegenstandes den Schwerpunkt von Softwareerstellungsverträgen bilden, ist eines der Kernargumente der Kritiker einer Anwendung des § 651 BGB4. Der BGH hat derartigen Einwänden eine Absage erteilt5. Kaufrecht sei 646 auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden. Dies gelte auch dann, wenn zu den Leistungspflichten neben der Lieferpflicht andere zusätzliche wesentliche Leistungen gehören, insbesondere Planungs-, Konstruktions-, Integrations- und Anpassungsleistungen. Planungsleistungen, die als Vorstufe zu der vertraglich geschuldeten Lieferung einer herzustellenden Sache anzusehen seien, könnten der Beurteilung des Vertrages nach den Vorschriften über den Kauf regelmäßig nicht entgegenstehen. Eine Ausnahme könne allenfalls dann gelten, wenn die Planungsleistungen so dominieren, dass sie den Schwerpunkt des Vertrages bilden und deshalb die Anwendung des Werkvertragsrechts erforderlich erscheine6. Auch wenn der Vertrag über die Planung, Herstellung und Lieferung ei- 647 ner komplexen baulichen Anlage nicht in allen Punkten mit einem Softwareerstellungsvertrag vergleichbar ist, spricht einiges dafür, dass der BGH bei Anlegung identischer Auslegungsmaßstäbe § 651 BGB auch auf Softwareerstellungsverträge anwenden wird7.
1 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher. 2 A.A. Redeker, ITRB 2008, 65, 66. 3 BGH vom 23.7.2009, NJW 2009, 2877. 4 Vgl. Hoeren, AGB bei Internet- und Softwareverträgen, IT-Verträge, Rz. 3; Redeker, IT-Recht, Rz. 297b ff.; Witte in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 1.4 Rz. 13 f.; Redeker in Schneider/Westphalen, Teil D Rz. 85; vgl. auch Schneider in Lehmann/Meents, Kap. 4 Rz. 540 ff.; Schneider in Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rz. 3 ff.; Koch, ITRB 2008, 233, 234. 5 BGH vom 23.7.2009, NJW 2009, 2877 ff.; Frank, ITRB 2011, 232. 6 BGH vom 23.7.2009, NJW 2009, 2877, 2879 f. 7 Hoffmann, MMR 2010, 25; Schweinoch, CR 2009, 640 f.; Schweinoch, CR 2010, 1, 7; Taeger, NJW 2010, 25, 28 f.; für eine grds. Anw. von § 651: Lapp, jurisPRITR 3/2010 Anm. 5 D; a.A. Müller-Hengstenberg, NJW 2010, 1181, 1183 f.
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648 Û Praxistipp: Angesichts des BGH-Urteils zu „Internet-System-Verträgen“ empfiehlt es sich, jedwede „Lieferung“ von Datensätzen bei der Vertragsgestaltung auszuschließen bzw. zu vermeiden, wenn die Anwendung des Werkvertragsrechts erwünscht ist1. Umgekehrt wird man eine „Lieferung“ vereinbaren, wenn man den Weg in das Kaufrecht beschreiten möchte. 649
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen lässt sich § 651 BGB nicht ohne Weiteres abbedingen. Teilweise wird die Zulässigkeit solcher Klauseln mit dem Argument gänzlich verneint, dass das BGB die einzelnen Vertragsordnungen nicht den Parteien zur Wahl stelle2. Diese Einschätzung ist indes zu pauschal, es gilt vielmehr im Einzelfall eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB3. 2. Projektablauf und Pflichtenheft
Übersicht:
650
Jedenfalls bei größeren Aufträgen ist folgender Projektablauf üblich4: – Verhandlungsphase: Der Auftraggeber verhandelt mit dem Designer über ein Konzept für die Website, das neben den Funktionalitäten der Website auch die Gestaltung umfasst. Der Webdesigner erarbeitet Gestaltungs- und Strukturvorschläge, die er dem Auftraggeber präsentiert. – Konzeptphase: Nachdem grundsätzlich geklärt worden ist, welche Funktionalitäten auf die Website aufgenommen werden sollen, welchen Umfang die Website haben soll und welche Gestaltungsmittel eingesetzt werden, erarbeitet der Webdesigner ein Strukturkonzept. Zu der Struktur gehören ein Verzeichnis über die hierarchische Gliederung der einzelnen Webseiten (Strukturbaum) und die Platzierung von Links. – Entwurfsphase: Anhand des Strukturkonzepts erstellt der Webdesigner eine Basisversion der Website. Die Basisversion beinhaltet die wesentlichen gestalterischen Merkmale und die notwendigen Grundfunktionalitäten. Zu den notwendigen Grundfunktionalitäten gehören insbesondere die Links, die die einzelnen Webseiten miteinander verbinden. – Herstellungsphase: Der Auftraggeber überlässt dem Webdesigner sämtliche Inhalte, die auf die Website aufgenommen werden sollen (Texte, Fotos, Graphiken u.ä.). Der Webdesigner erstellt mit Hilfe der Inhalte und auf der Basis des Entwurfs die fertige Website.
1 2 3 4
Vgl. Koch, ITRB 2008, 233, 236 f. Fritzemeyer, NJW 2011, 2921. Fritzemeyer, NJW 2011, 2921. Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 15 ff.; Härting, ITRB 2001, 20, 21.
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II. Webdesignvertrge
Selbstverständlich kommt es bei den Phasen vielfach zu Überlappungen. 651 So kann es sein, dass Teilbereiche einer Website bereits vollständig fertig gestellt sind, während in anderen Bereichen noch über die Struktur und die einzubindenden Funktionalitäten diskutiert wird. Insgesamt ist die Erstellung einer Website ein interaktiver Prozess, der ständige Abstimmungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer erfordert. Mehr noch als bei anderen Softwareerstellungsverträgen ist der Webdesigner auf die kontinuierliche Mitwirkung des Auftraggebers angewiesen. Die Inhalte, die auf die Website aufgenommen werden sollen, werden in aller Regel von dem Auftraggeber bereitgestellt. Ohne Inhalte würden Websites Fragmente bleiben. Bei größeren Projekten ist es für alle Beteiligten sinnvoll, die Zusammen- 652 arbeit mit der Erstellung eines Pflichtenhefts zu beginnen, das sodann Bestandteil des Webdesignvertrages wird1. Nur durch ein ausführliches Pflichtenheft lässt sich klar und präzise festlegen, welchen Anforderungen die Website genügen soll. Vielfach wendet der Webdesigner bereits vor Abschluss eines schriftli- 653 chen Vertrages erhebliche Zeit mit der Erarbeitung von Vorschlägen und Entwürfen und der Erstellung eines Pflichtenhefts auf. Ähnlich wie bei Architekten in der Vorentwurfsphase2 kann dann Streit darüber entstehen, ob diese Leistungen vom Auftraggeber auch zu vergüten sind, wenn es letztlich nicht zu einer Auftragserteilung kommt3. Um derartigen Streit zu vermeiden, sollte sich der Webdesigner frühzeitig absichern. Dies kann durch einen „Letter of Intent“4 geschehen, in dem festgelegt wird, zu welchen Konditionen die Leistungen des Webdesigners zu vergüten sind für den Fall, dass es später nicht zum Abschluss eines Webdesignvertrages kommt. Der Webdesigner kann sich für die Erstellung von Entwürfen eine geson- 654 derte Vergütung zusichern lassen. Zudem besteht die Möglichkeit, klarzustellen, dass der Kunde nicht zu einer wirtschaftlichen Verwertung von Entwürfen berechtigt ist.
1 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 325; Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 36, 43 ff. 2 Vgl. BGH vom 24.6.1999, MDR 1999, 1438. 3 Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil O Rz. 345; Alpert, CR 2001, 213, 213 ff. 4 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 48; OLG Frankfurt a.M. vom 31.10.1996, OLGR Frankfurt 1997, 49; OLG Köln, vom 21.1.1994, OLGR Köln 1994, 61.
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655 Û Praxistipp: Eine Klausel über die wirtschaftliche Verwertung von Entwürfen kann beispielsweise lauten1: „An Entwrfen und Konzepten des Webdesigners, die der Erarbeitung des endgltigen Designkonzeptes dienen, werden dem Kunden keine Nutzungsrechte eingerumt. Wnscht der Kunde eine Nutzung von Entwrfen und Konzepten aus der Entwurfsphase, bedarf es fr die Einrumung von Nutzungsrechten einer gesonderten Vereinbarung mit dem Webdesigner.“
3. Nutzungsrechte 656
Der Quellcode der Website kann urheberrechtlich geschützt sein (§ 69a UrhG)2. Ratsam ist es, die Anwendbarkeit des UrhG vertraglich zu vereinbaren. Entsprechende Klauseln gelten dann zwischen den Parteien, ohne zugleich Drittwirkung zu entfalten3.
657
Damit der Auftraggeber die Leistungen des Webdesigners nutzen kann, bedarf es der Einräumung von Nutzungsrechten (§§ 31 ff. UrhG). Eine solche Rechtseinräumung kann zwar auch stillschweigend erfolgen4, zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt es sich jedoch, im Webdesignvertrag detailliert die Reichweite der Rechtseinräumung zu regeln.
658
Zu den zweckmäßigen Regelungen gehört eine klare Vereinbarung, ob und inwieweit der Auftraggeber zu Änderungen des Designs berechtigt ist (§ 23 Satz 1 UrhG und § 69c Nr. 2 UrhG). Wird dem Auftraggeber ein Bearbeitungsrecht nach § 23 Satz 1 UrhG und § 69c Nr. 2 UrhG eingeräumt, ist er in der Lage, ohne erneute Beauftragung des Webdesigners Änderungen an dem Webdesign vorzunehmen5. Wird ihm das Bearbeitungsrecht hingegen nicht gewährt, bleibt der Auftraggeber bei Änderungen auf die Hilfe bzw. das Einverständnis des Webdesigners angewiesen.
659
Eng mit dem Bearbeitungsrecht verknüpft ist die Frage, ob der Auftraggeber vom Webdesigner die Offenlegung des Quellcodes6 und darüber hinaus eine Dokumentation erwarten kann. Ohne Quellcode und – bei auf1 Vgl. Härting/Kuon, ITRB 2007, 98. 2 Grützmacher in Lehmann/Meents, Kap. 18 Rz. 102; Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 171 ff.; Leistner/Bettinger, Beilage CR 12/99, 1, 8 ff. 3 BGH vom 2.2.2012 – I ZR 162/09 – Delcantos Hits, Rz. 17; Schricker/Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urhheberrecht, § 31 Rz. 29; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, vor §§ 31 ff. Rz. 124 f.; Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, vor §§ 31 ff. Rz. 174; Schulze in Dreier/ Schulze, UrhG, § 31 Rz. 29; Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529. 4 J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 34 Rz. 14 ff.; Jessen/ Müller in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rz. 639; Härting, ITRB 2001, 20, 21. 5 A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, §§ 23/24 Rz. 2 ff. 6 Vgl. Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 378 m.w.N.; BGH vom 30.1.1986, NJW 1987, 1259 (keine Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes bei Individualsoftwarevertrag).
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wendigen Websites – ohne eine Dokumentation werden dem Auftraggeber Änderungen erheblich erschwert. Klare Regelungen hinsichtlich des Quellcodes und einer Dokumentation sind ratsam, um streitige Auseinandersetzungen1 zu vermeiden. Gutes Webdesign kann für andere Websites übernommen werden oder 660 auch die Grundlage für Design außerhalb des Netzes sein – beispielsweise für die Gestaltung einer Geschäftsausstattung. Werden zwischen den Parteien insoweit keine ausdrücklichen Absprachen getroffen, ist dies für den Auftraggeber ungünstig. Vertragszweck i.S.d. § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG2 ist regelmäßig nicht mehr als die Erstellung einer Website, so dass Nutzungen, die über die auftragsgemäß erstellte Website hinausgehen, einer ausdrücklichen Rechtseinräumung bedürfen3. Wird bei der Erstellung der Website Standardsoftware verwendet, so ist es 661 aus Sicht des Auftraggebers ratsam, sicherzustellen, dass der Webdesigner über die notwendigen Nutzungsrechte verfügt. Daher empfiehlt sich eine entsprechende ausdrückliche Zusage nebst Haftungs- und Freistellungsklauseln für den Fall, dass die Zusage nicht eingehalten wird. Aus Sicht des Webdesigners sind die Nutzungsrechte das einzig wirk- 662 same Druckmittel für den Fall, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Typisch ist die Frage des Webdesigners, ob er es seinem zahlungsunwilligen Kunden untersagen kann, die bereits fertig gestellte und noch nicht bezahlte Website ins Netz zu stellen. Dies ist indes der Fall, wenn der Webdesigner es sehenden Auges zugelassen hat, dass die Website vor der Zahlung der vereinbarten Vergütung bereits im Netz frei geschaltet wird, und wenn vertraglich keine Regelung getroffen wurde, die dem Webdesigner eine Handhabe zur Untersagung gibt. Um den Webdesigner in einer solchen Situation nicht vollkommen hilf- 663 los dastehen zu lassen, kommt eine Regelung in Betracht, die die Einräumung von Nutzungsrechten gemäß § 158 Abs. 1 BGB im Wege der aufschiebenden Bedingung davon abhängig macht, dass die vertraglich geschuldete Vergütung vollständig bezahlt wird4. Eine solche Regelung ist wirksam, da sich die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten ohne Weiteres mit Bedingungen gemäß § 158 BGB verknüpfen lässt5.
1 Vgl. LG München vom 11.11.2004, CR 2005, 187, 187; Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 186. 2 Siehe Rz. 1297 ff. 3 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 200 ff. 4 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 178 ff.; Härting, ITRB 2001, 20, 22. 5 Vgl. LG München I vom 11.11.2004, CR 2005, 187, 188.
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664 Û Praxistipp: Eine Klausel über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte kann beispielsweise lauten1: „Das gesamte Design ist als persçnliche geistige Schçpfung des Webdesigners durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschtzt, dessen Bestimmungen auch dann Anwendung finden, wenn die nach § 2 UrhG erforderliche Schçpfungshçhe nicht erreicht ist. Der Anbieter rumt dem Kunden das ausschließliche, rumlich und zeitlich unbeschrnkte Recht ein, die Website zu nutzen. Dieses Recht umfasst auch das Bearbeitungsrecht gemß § 23 Satz 1 UrhG und § 69c Nr. 2 UrhG. Die Einrumung der Nutzungsrechte wird indes erst wirksam (§ 158 Abs. 1 BGB), wenn der Kunde die geschuldete Vergtung vollstndig an den Anbieter entrichtet hat. Der Anbieter verpflichtet sich – unverzglich nach Zahlung der geschuldeten Vergtung – zur berlassung des der Website zugrundeliegenden Quellcodes in der dem Pflichtenheft zu entnehmenden Programmiersprache. Unverzglich nach Zahlung der Vergtung wird der Anbieter dem Kunden zudem eine geeignete Benutzerdokumentation berlassen. In der Dokumentation mssen die Funktionalitten der Software so beschrieben sein, dass ein geschulter Programmierer innerhalb angemessener Zeit in der Lage ist, den Quellcode zwecks Weiterentwicklung der Software umzuarbeiten. Die Dokumentation des Quellcodes ist dem Kunden im gleichen Format zur Verfgung zu stellen wie der Quellcode selbst. An geeigneten Stellen werden in die Website Hinweise auf die Urheberstellung des Anbieters aufgenommen. Der Kunde ist nicht berechtigt, diese Hinweise ohne Zustimmung des Anbieters zu entfernen. Das Nutzungsrecht gilt nur fr die Nutzung der Website insgesamt bzw. von Bestandteilen der Website im Internet. Der Kunde ist nicht berechtigt, einzelne Gestaltungselemente der Website oder die vollstndige Website in anderer Form – insbesondere in gedruckter Form – zu nutzen.“
4. Abnahme 665
Seit der Neufassung des § 651 BGB ist es streitig, ob auf Softwareerstellungsverträge Kauf- oder Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Da vieles dafür spricht, dass die §§ 640 und 641 BGB für Webdesignverträge nicht (mehr) gelten2, empfiehlt es sich, eine Regelung darüber zu treffen, ob und inwieweit es für die Fälligkeit der Vergütung einer Abnahme der Leistungen des Webdesigners bedarf. Falls eine Abnahme von den Vertragspartnern gewünscht wird, empfiehlt es sich, dies ausdrücklich zu vereinbaren. Umgekehrt ist eine Klausel über den Verzicht auf eine Abnahme ratsam, wenn dies dem Willen der Vertragspartner entspricht.
666
Da in der Regel keine gesonderten Abnahmetests oder -prüfungen stattfinden, sondern online gearbeitet wird, empfiehlt sich aus Sicht des Auftraggebers die Klarstellung, dass die Online-Schaltung noch nicht als Abnahme anzusehen ist (Abnahme durch Ingebrauchnahme). Aus Sicht des 1 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 18 ff.; Härting/Kuon, CR 2004, 527. 2 Siehe Rz. 639 ff.
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Webdesigners ist es demgegenüber ratsam, eine Abnahmefiktion zu vereinbaren, wonach ab Online-Schaltung eine Frist läuft. Meldet der Auftraggeber innerhalb dieser Frist keine wesentlichen Mängel, gilt die Website als abgenommen. 5. Change Management Wie allgemein bei Softwareerstellungsverträgen ist das Change Manage- 667 ment auch bei Webdesignverträgen ein häufiger Streitpunkt. Insbesondere wenn ein Festpreis vereinbart ist, führen Änderungswünsche des Auftraggebers vielfach zu Streit über die Vergütung des Mehraufwandes. Change-Management-Klauseln dienen dazu, eine klare Abgrenzung zu schaffen, ob und unter welchen Voraussetzungen für Änderungswünsche des Auftraggebers eine gesonderte Vergütung anfällt und ob ersparter Aufwand des Auftragnehmers bei der Vergütung gleichfalls zu berücksichtigen ist1. Eine vergleichsweise einfache Art des Change Management ist die Fest- 668 legung von Phasen, bei deren Abschluss jeweils eine Freigabe durch den Auftraggeber erfolgt. Änderungswünsche, die bereits freigegebene Arbeitsergebnisse betreffen, lösen dann eine gesonderte Vergütungspflicht aus. Ein effektives Change Management steht und fällt letztlich mit der Ge- 669 nauigkeit der Vereinbarungen über den Auftragsumfang2. Bei einer detaillierten Festlegung der Aufgaben des Webdesigners fällt es vergleichsweise leicht, eine sehr präzise Regelung zu treffen, nach der beispielsweise Änderungswünsche vom Webdesigner nur gegen eine – im Einzelnen vorab festgelegte – Vergütung berücksichtigt werden müssen, wobei schon die Prüfung der Änderungswünsche entgeltpflichtig ist. Sofern die Anforderungen an die Website vertraglich nur sehr allgemein beschrieben sind, lassen sich auch für das Change Management nur sehr allgemeine Regelungen treffen3. 6. Haftung Sowohl der Webdesigner als auch der Auftraggeber verwenden bei der Er- 670 stellung einer Website zumeist urheberrechtlich geschütztes Material (z.B. Bilder, Texte oder Software). Beide Vertragspartner haben ein Interesse daran, vor Ansprüchen Dritter geschützt zu sein für den Fall, dass keine ausreichenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte bestehen. Daher bietet es sich an, eine Versicherung der Parteien in den Vertrag aufzunehmen, dass für den Fall der Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials jeweils die Partei, die das Material in die Website einbringt, dafür 1 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 135 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rz. 192 f. 2 Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rz. 193. 3 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 129 ff.
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verantwortlich ist, dass alle notwendigen Nutzungsrechte erworben worden sind. Darüber hinaus ist es sinnvoll, eine umfassende Freistellung von Ansprüchen Dritter zu vereinbaren1. 671
Wird ein Webdesigner zusätzlich mit der Erstellung eines Logos beauftragt, stellt sich die Frage, wie weit seine vertraglichen Verpflichtungen im Hinblick auf das Logo reichen. Insbesondere bedarf es einer Absprache, ob dem Webdesigner eine markenrechtliche Prüfung des Logos obliegt.
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Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung kann der Kunde eine Prüfung im Hinblick auf Markenrechtsverletzungen erwarten, wenn er den Webdesigner mit einer groß angelegten Werbekampagne beauftragt und eine nicht nur geringfügige Vergütung vereinbart2. Wird jedoch nur eine bescheidene Vergütung vereinbart, die nicht mal für eine umfassende Markenrecherche kostendeckend ist, so muss der Kunde davon ausgehen, dass sich die Leistungen des Webdesigners auf den Kreativbereich beschränken werden3. 7. Mitwirkungspflichten
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Vielfach haben die Parteien unterschiedliche Vorstellungen darüber, in welcher Form und in welchen Formaten dem Webdesigner die Inhalte zur Verfügung zu stellen sind. Ein Webdesigner, der erwartet, dass ihm Texte in elektronisch lesbarer Form überlassen werden, sieht sich Mehraufwand ausgesetzt, wenn ihm der Kunde Druckseiten zukommen lässt, die zunächst eingescannt werden müssen.
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Um Streit zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers möglichst präzise zu definieren4. Es ist ratsam, einen Zeitplan abzustimmen, der für die Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers Termine festsetzt und für klare Verhältnisse sorgt, wenn sich die Parteien darüber streiten, wer für Verzögerungen verantwortlich ist. 8. Fertigstellung
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Internetauftritte sind vielfach einer von mehreren Bestandteilen größerer Werbe- und Marketingaktionen des Auftraggebers. Verzögerungen bei der Fertigstellung einer Website können erhebliche Folgewirkungen haben, wenn z.B. eine umfangreiche Werbeaktion geplant ist, bei der die Internetadresse genutzt werden soll. Ähnlich wie bei einem Bauvertrag empfiehlt es sich, einen genauen Zeitplan festzulegen, der für jede Projekt-
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Winteler in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rz. 651. KG vom 4.2.2011 – 19 U 109/10, Rz. 5. KG vom 4.2.2011 – 19 U 109/10, Rz. 5 f. Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 121 ff.
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II. Webdesignvertrge
phase einen Kalendertag vorsieht, an dem die jeweilige Phase abzuschließen ist (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB)1. Je mehr der Auftraggeber auf eine rechtzeitige Fertigstellung der Website 676 angewiesen ist und je schwieriger es für den Auftraggeber im Verzögerungsfall ist, die Höhe des entstehenden Schadens nachzuweisen, um so mehr bietet es sich an, Schadenspauschalen und Vertragsstrafen für Verzögerungen zu vereinbaren, wobei in Standardverträgen die Beschränkungen des § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB zu berücksichtigen sind. 9. Pflege Websites bedürfen der laufenden Pflege und Aktualisierung. Zum einen 677 müssen Fehler behoben werden, die gelegentlich auftreten wie z.B. bei Links, die geändert werden müssen, wenn die Zielseite eine neue Adresse erhalten hat. Zum anderen lebt ein gelungener Internetauftritt von einer ständigen Aktualisierung durch Einstellung neuer Inhalte. Dies kann zu einem erheblichen Pflegeaufwand führen. Wird der Webdesigner zugleich mit der Erstellung einer Website und mit 678 deren laufender Pflege und Aktualisierung beauftragt, gilt es zunächst, die Leistungen, die von dem Webdesigner im Rahmen seiner Gewährleistung für die Erstellung der Website geschuldet werden, von den Leistungen abzugrenzen, die der Webdesigner als Pflege- und Aktualisierungsleistungen erbringt2. Verträge über die „Wartung“ oder „Pflege“ von Software, EDV-Program- 679 men oder Websites sind als Werkverträge einzuordnen, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen ihre Qualifizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen Erfolgsausrichtung fehlt und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als solche geschuldet ist3. Anders als (zumeist) bei einem Softwarepflegevertrag muss der Webde- 680 signer vielfach nicht nur tätig werden, wenn der Auftraggeber dies auf Grund von Funktionsstörungen ausdrücklich verlangt. Vielmehr wird dem Webdesigner die Aufgabe übertragen, von sich aus regelmäßig die Funktionstüchtigkeit der Website zu überwachen. Dies ist eine primär tätigkeitsbezogene Leistung, auf die Dienstvertragsrecht anwendbar ist4. 1 Schmidt in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VIII Rz. 34 ff. 2 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rz. 89; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 433. 3 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 4 Cichon, Internetverträge, Rz. 477 ff.; Härting, CR 2001, 37, 40.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
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Die Umsetzung einer inhaltlichen Aktualisierung der Website (z.B. Einstellung neuer Texte und Fotos) ist demgegenüber eine Verpflichtung, die dem Werkvertragsrecht unterfällt. Zwischen der ursprünglichen Erstellung der Website und den einzelnen Aktualisierungsschritten besteht kein Unterschied. Jeder Aktualisierungsschritt ist ein Erfolg, den der Webdesigner gemäß § 631 Abs. 1 BGB zusagt.
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Die Regelungen zur Websitepflege, die selbstverständlich auch Gegenstand eines gesonderten Vertrages sein können, sollten Intervalle definieren, in denen die Website zu überwachen bzw. zu aktualisieren ist. Darüber hinaus bedarf es der Festlegung der genauen Prozedere bei Aktualisierungen, wobei sich jedenfalls bei größeren Projekten eine Abstimmung mit dem Auftraggeber im Rahmen eines Phasenmodells anbietet.
III. Providerverträge 683
Bei den Providerverträgen lassen sich der Access-Provider-Vertrag, der Host-Provider-Vertrag und der E-Mail-Account-Vertrag unterscheiden. Hinzu kommen Internet-System-Verträge. 1. Internet-System-Verträge
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Vielfach werden verschiedene Leistungspflichten in einem „Internet-System-Vertrag“ gebündelt, durch dem sich der Anbieter zur Recherche und Registrierung einer Domain („Domainservice“), zur Zusammenstellung der Webdokumentation – Bild- und Textmaterial – durch einen Webdesigner („Vor-Ort-Beratung“), zur Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, zum „Hosting“ der Websites und E-Mail-Accounts sowie zu Beratungs- und Betreuungsleistungen über eine Hotline verpflichtet1. Zu den Leistungspflichten, die der Provider in einem „Internet-System-Vertrag“ übernimmt, kann auch die Suchmaschinenoptimierung zählen2. a) Vertragstypologische Einordnung
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Ein solcher „Internet-System-Vertrag“ ist nach Auffassung des BGH insgesamt als Werkvertrag gemäß § 631 BGB anzusehen3. Gegenstand des Vertrages sei die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von dem Anbieter erstellten und betreuten Website im Internet und somit nicht ein schlichtes Tätigwerden, sondern die Herbeiführung eines Erfolges. Die „Abrufbarkeit“ der Website sei 1 Vgl. BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047 ff. mit Anm. Schirmbacher; LG Schweinfurt vom 9.7.2010, MIR 2010, Dok. 121. 2 Vgl. AG Düsseldorf vom 17.7.2008, MMR 2009, 219 (Ls.). 3 BGH vom 27.1.2011 – VII ZR 133/10, Rz. 9.
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III. Providervertrge
nicht als eine Garantie für den jederzeitigen Zugriff über das Internet – die der Webhostbetreiber wegen der technischen Gestaltung des Internet nicht übernehmen kann – zu verstehen, sondern dahin, dass die Website so bereitzustellen ist, dass sie für Internetnutzer abgerufen werden kann, wenn das Internet im üblichen Rahmen den Zugriff ermögliche1. Dementsprechend sei dieser Vertrag – anders als der lediglich auf die Verschaffung des Zugangs zum Internet angelegte Access-Provider-Vertrag – nicht als Dienstvertrag, sondern als Werkvertrag einzuordnen2. Dieser Einordnung stehe nicht entgegen, dass Internet-System-Verträge auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt sind und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweisen3. b) Vorauszahlungspflicht Wird der Kunde in den AGB eines Internet-System-Vertrages mit einer 686 Laufzeit von drei Jahren zu jährlichen Vorauszahlungen verpflichtet, stellt sich die Frage der Wirksamkeit nach den §§ 309 Nr. 2 lit. b und 307 BGB. Denn eine Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, ist nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insbesondere keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen4. Diese Maßstäbe gelten auch dann, wenn die Vorleistungsklausel gegenüber einem Unternehmer verwendet wird (§ 14 Abs. 1, § 310 Abs. 1 BGB)5. Nach Auffassung des BGH liegen bei einem Internet-System-Vertrag 687 sachlich rechtfertigende Gründe für eine Vorleistungspflicht des Kunden zunächst darin, dass der Anbieter bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit die Website zu erstellen und einzurichten, sowie die Abrufbarkeit dieser Website im Internet herbeizuführen hat. Der Anbieter habe daher ein berechtigtes Interesse daran, mit der Bezahlung jeglichen Entgelts nicht lange Zeit oder gar bis zum Ende der Vertragslaufzeit warten zu müssen6. 1 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 1105. 2 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher; LG Schweinfurt vom 9.7.2010, MIR 2010, Dok. 121; LG Düsseldorf vom 12.1.2011 – 23 S 27/10, Rz. 43; LG Düsseldorf vom 28.7.2011 – 7 O 311/10, Rz. 47. 3 LG Schweinfurt vom 9.7.2010, MIR 2010, Dok. 121. 4 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch Kieninger in MünchKomm-BGB, § 309 Nr. 2 Rn. 14; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 13; Coester-Waltjen in Staudinger, § 309 Nr. 2 Rz. 7; Schäfer in Ulmer/ Brandner/Hensen, § 309 Nr. 2 BGB Rz. 13; Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Rz. V 505 ff.; BGH vom 23.5.1984, NJW 1985, 850, 851; BGH vom 24.9.2002, NJW-RR 2003, 834, 836; BGH vom 20.6.2006, NJW 2006, 3134, 3134. 5 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher. 6 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1061.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
Ferner könne dem Anbieter die Zahlung kleiner monatlicher Ratenbeträge einen nicht unerheblichen buchhalterischen Aufwand bereiten und sich eine monatliche Ratenzahlung aus seiner nachvollziehbaren Sicht deshalb als impraktikabel erweisen. Die Vorauszahlung etwa eines Drittels der vereinbarten Gesamtvergütung beeinträchtige zudem die Druckmittel des Kunden für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang1. Damit hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand2. c) Kündigungsrecht 688
Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen das freie Kündigungsrecht des Kunden (§ 649 BGB) eingeschränkt oder ausgeschlossen, so sind derartige Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam3.
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Das freie Kündigungsrecht gemäß § 649 Satz 1 BGB ist nicht ausgeschlossen, wenn in einem Vertrag eine feste Laufzeit vereinbart und eine ausdrückliche Regelung für das außerordentliche Kündigungsrecht des Kunden getroffen wird4. Die Regelung einer festen Vertragslaufzeit von vier Jahren lässt – ohne ausdrücklichen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts – das Recht gemäß § 649 BGB unberührt5.
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Kündigt der Kunde nach § 649 Satz 1 BGB, so ist der Anbieter nach § 649 Satz 2 BGB berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es ist dann Sache des Anbieters, die Höhe der gemäß § 649 Satz 2 BGB anfallenden Kosten schlüssig zu begründen6. Dies hat in der Regel durch eine Gegenüberstellung von Kosten für die Erbringung der vertraglichen Leistungen und des vertraglichen Entgelts zu erfolgen. Der Anbieter muss somit nicht nur darlegen, welche Leistungen er bereits erbracht hat und welche Leistungen noch nicht erbracht worden sind, sondern auch proportional
1 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1050 mit Anm. Schirmbacher. 2 Vgl. LG Düsseldorf vom 9.9.2009, MMR 2010, 243 f.; LG Düsseldorf vom 2.12.2005 – 22 S 115/05. 3 BGH vom 27.1.2011 – VII ZR 133/10, Rz. 11, 14, 16; LG Schweinfurt vom 9.7.2010, MIR 2010, Dok. 121. 4 BGH vom 27.1.2011 – VII ZR 133/10, Rz. 16. 5 A.A. LG Düsseldorf vom 12.1.2011 – 23 S 27/10, Rz. 49; vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1062. 6 BGH vom 28.7.2011 – VII ZR 223/10, Rz. 14 ff.; BGH vom 27.1.2011 – VII ZR 133/10, Rz. 18 ff.; BGH vom 24.3.2011 – VII ZR 111/10, Rz. 12.
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III. Providervertrge
dazu darlegen, welcher Teil der vereinbarten Vergütung auf die erbrachten und welcher Teil auf die noch nicht erbrachten Leistungen entfällt1. Gemäß § 649 Satz 3 BGB wird vermutet, dass dem Anbieter 5 vom Hun- 691 dert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Leistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Da die Vermutung nur für die noch nicht erbrachten Leistungen gilt, kann sich der Anbieter nur dann auf die 5 %-Klausel berufen, wenn er detailliert darlegt, welche Leistungen konkret erbracht wurden und welche nicht2. 2. Access-Provider-Verträge Bei einem Access-Provider-Vertrag geht es um den Zugang zum Internet. 692 Der Access Provider verpflichtet sich, einen solchen Zugang einzurichten und für die Dauer des Vertrages aufrechtzuerhalten3. Wird eine dieser Pflichten während der Vertragsdauer durch den Access 693 Provider verletzt, so ist er gemäß § 280 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Dies stellte der BGH in seiner Entscheidung vom 24.1.2013 fest4, in der er die Nutzbarkeit des Internet als ein Wirtschaftsgut qualifiziert und somit dem Kunden die Möglichkeit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs im Falle des Ausfalls des Internetzugangs eröffnet. Der Schadensersatz bemisst sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten, die für die Bereitstellung eines Internetanschlusses mit der vereinbarten Kapazität für den betreffenden Zeitraum angefallen wären, abzüglich der auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren5. a) Vertragstypologische Einordnung Die Einordnung des Access-Provider-Vertrages als Werk-, Dienst- oder 694 Mietvertrag ist streitig. Gegen eine Kategorisierung als Mietvertrag6 spricht, dass dem Access Provider damit eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung eines ständigen Zuganges aufgebürdet wird, die der Access Provider weder übernehmen will noch kann7. Aus technischen Gründen 1 BGH vom 28.7.2011 – VII ZR 223/10, Rz. 14; BGH vom 24.3.2011 – VII ZR 111/10, Rz. 12.; LG Düsseldorf vom 12.1.2011 – 23 S 27/10, Rz. 62. 2 BGH vom 28.7.2011 – VII ZR 223/10, Rz. 14.; BGH vom 27.1.2011 – VII ZR 133/10, Rz. 18 ff.; LG Düsseldorf vom 28.7.2011 – 7 O 311/10, Rz. 49, 51. 3 Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil II Rz. 13; Härting, CR 2001, 37, 38; Riehmer/Hessler, CR 2000, 170, 171; Wischmann, MMR 2000, 461. 4 BGH vom 24.1.2013 – III ZR 98/12 – Ausfall des Internetzugangs, Rz. 16 ff. 5 BGH vom 24.1.2013 – III ZR 98/12 – Ausfall des Internetzugangs, Rz. 22. 6 AG Meldorf vom 29.3.2011 – 81 C 1403/10, Rz. 6 ff.; Cichon, Internetverträge, Rz. 71 ff.; Sengpiel/Klett/Gottschalk in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 237. 7 Härting, CR 2001, 37, 38; Spindler, K&R 1999, 488, 490.
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kann ein jederzeitiger, hundertprozentiger Zugang nicht gewährleistet werden. Dies lässt sich schwer in Einklang mit dem Typus des Mietvertrages bringen, der stets impliziert, dass der Vermieter eine störungsfreie Nutzung jederzeit gewährleistet1. 695
Entscheidend spricht gegen die Einordnung eines Access-Provider-Vertrages als Mietvertrag zudem eine weitere Überlegung: Der Vermieter ist nach dem gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Sache während der Mietzeit zu gewähren. Mit der bloßen Nutzung des Rechners des Access Providers ist dem Kunden jedoch wenig geholfen. Es kommt dem Kunden vielmehr gerade auf den Zugang zu anderen Servern und die Inhalte anderer Anbieter an2.
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Befremdlich sind gelegentliche Versuche, Werkvertragsrecht auf AccessProvider-Verträge anzuwenden3. Die erkennbar begrenzten Leitungskapazitäten stehen mit der werkvertraglichen Erfolgshaftung (§ 631 BGB) nicht in Einklang. Es soll zudem der Entscheidung des Nutzers überlassen bleiben, ob er während der Vertragslaufzeit tatsächlich Gebrauch von dem Internetzugang macht4. Darüber hinaus wird es dem Willen der Parteien eines Access-Provider-Vertrages nicht gerecht, jeden einzelnen Zugriff des Vertragspartners auf das Internet als selbständigen Werkvertrag anzusehen5.
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Es bleibt nur eine Einordnung als Dienstvertrag übrig6. Der Dienst, den der Access Provider schuldet, ist die Eröffnung und Aufrechterhaltung des Zugangs in das World Wide Web. Der BGH hat sich dieser Auffassung angeschlossen und auf die Parallele zu Telefonieverträgen verwiesen7. b) Haftungsbeschränkungen
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Die größte Sorge der Access Provider bei der Ausarbeitung von Geschäftsbedingungen ist eine Haftungsbeschränkung für Netzausfälle8. Vielfach 1 Spindler, K&R 1999, 488, 492. 2 Härting/Müßig, K&R 2009, 233, 233; Wischmann, MMR 2000, 461, 463. 3 Spindler in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IV Rz. 83; Spindler, K&R 1999, 488, 490. 4 AG Meldorf vom 29.3.2011 – 81 C 1403/10, Rz. 9. 5 Sengpiel/Klett/Gottschalk in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 237; Härting, CR 2001, 37, 38; Härting/Müßig, K&R 2009, 233, 234; Wischmann, MMR 2000, 461, 465. 6 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 547; Härting, CR 2001, 37, 38; Jessen, ZUM 1998, 282, 287; Koch, BB 1996, 2049, 2057; Schuppert, CR 2000, 227, 229; Wischmann, MMR 2000, 461, 465; LG Hamburg vom 17.9.1996, CR 1997, 157. 7 BGH vom 11.11.2010 – III ZR 57/10- Vorzeitige Kündigung eines DSL-Vertrags, Rz. 9 ff.; BGH vom 23.3.2005, CR 2005, 816 f. mit Anm. Schuppert; vgl. auch Härting/Müßig, K&R 2009, 233 ff.; BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher. 8 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1052.
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III. Providervertrge
liest man daher in Provider-AGB den Satz, dass für Funktionsausfälle keine Haftung übernommen wird oder dass lediglich eine Erreichbarkeit des Internet zu einem bestimmten Prozentsatz (z.B. 98 %) geschuldet ist. Nach dem Postbank-Urteil des BGH1 verstoßen derartige Klauseln indes regelmäßig gegen § 309 Nr. 7 BGB2. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Sorge der Access Provider hinsichtlich einer Haftung für Netzausfälle tatsächlich berechtigt ist. Solange ausreichend Zugangskapazitäten geschaffen werden und somit der Internetzugriff nicht aus Gründen scheitert, die der Provider zu verantworten hat, fehlt es von vornherein an jeglicher Haftungsgrundlage. In Betracht kommt zwar theoretisch ein Anspruch aus den §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2 BGB3. Ohne eine Pflichtverletzung und ohne Verschulden des Providers scheidet eine Haftung jedoch aus. Die wenigen Fälle, in denen Zugangsschwierigkeiten tatsächlich aus 699 dem Verantwortungsbereich des Access Providers stammen, lassen sich durch eine allgemeine Beschränkung der Haftung des Providers auf grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des gemäß § 309 Nr. 7 BGB Zulässigen auffangen4. Der Markt der Access Provider ist ein hart umkämpfter und sehr dyna- 700 mischer Massenmarkt. Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen die Anbieter ihr Leistungsspektrum den sich ständig wandelnden technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten laufend anpassen. Daraus ergibt sich das Bedürfnis, die Vertragsbeziehungen zu den Kunden möglichst flexibel auszugestalten und Anpassungen bei den Leistungsangeboten, den Leistungskonditionen und auch bei den Preisvereinbarungen kurzfristig zu ermöglichen. Entsprechende Klauseln müssen sich allerdings an den strengen Anforderungen des § 308 Nr. 4 und 5 BGB sowie an § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB messen lassen5. c) Leistungsänderungsklauseln Wer Millionen von Standardverträgen mit Verbrauchern schließt, kann 701 nicht jeden einzelnen Kunden fragen, wenn sich einzelne Vertragsbedingungen ändern sollen. Dies gilt in besonderem Maße für die Leistungsspezifikationen.
1 BGH vom 12.12.2000, MMR 2001, 225 mit Anm. Struck = K&R 2001, 217 mit Anm. Härting; vgl. auch Härting/Schirmbacher, StuB 2001, 573. 2 LG Karlsruhe vom 12.1.2007, CR 2007, 396, 397; Spindler, CR 1999, 626 ff.; a.A. Hoeren; AGB bei Internet- und Softwareverträgen, E-Commerce-Verträge, Rz. 11. 3 Vgl. Schuppert, CR 2000, 227, 233; Wischmann, MMR 2000, 461, 465. 4 Vgl. Spindler in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IV Rz. 93; Spindler, CR 1999, 626, 631 f. 5 Vgl. Härting, BB 2007, 2648; BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36 = BB 2007, 2644.
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Nach § 308 Nr. 4 BGB ist es in Allgemeinen Geschäftbedingungen unzulässig, ein Recht des Verwenders zu vereinbaren, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
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Aus dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) leitet der BGH ab, dass es weder ausreicht, Änderungsklauseln unter den schlichten Vorbehalt der Zumutbarkeit zu stellen1, noch die Änderungsklausel – ohne nähere Konkretisierung – durchgreifen zu lassen, wenn für die Änderung ein „triftiger“ Grund vorliegt. Vielmehr bedarf es der konkreten – unmissverständlichen – Benennung von Gründen, die den Anbieter zu einer Leistungsänderung berechtigen sollen2. Bei der Gestaltung von Anpassungsklauseln muss man sich somit bemühen, vorausschauend Anforderungen für Anpassungsrechte des Verwenders zu definieren. Dabei ist es die Aufgabe des Vertragsgestalters, das Kriterium der Zumutbarkeit (§ 308 Nr. 4 BGB) mit Leben zu erfüllen und triftige Gründe3 konkret zu formulieren, die den Anbieter zur einseitigen Änderung von Vertragskonditionen berechtigen4.
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Zulässig sind nach Ansicht des BGH Klauseln, die dem Anbieter eine einseitige Anpassungsbefugnis gewähren, wenn sich die Marktverhältnisse erheblich ändern5. Die Anpassungsvoraussetzungen bedürfen dabei zwar der Konkretisierung, je komplexer und dynamischer der betroffene Markt jedoch ist, desto weniger streng sind die Anforderungen an die Formulierung6.
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Nach § 308 Nr. 4 BGB ist eine Klausel unwirksam, nach der der DSL-Provider lediglich die am Wohnort des Kunden maximal mögliche Bandbreite bereitstellen muss7. Dasselbe gilt für eine Klausel, die die angebotene Bandbreite als „Maximalbandbreite“ bezeichnet und – kleingedruckt – dahingehend „konkretisiert“, dass eine bestimmte Zugangsbandbreite und Übertragungszeit nicht geschuldet wird8. Wären derartige Klauseln wirksam, müsste der Kunde die vollen Gebühren für die bestellten Leistungen (volle Bandbreite) bezahlen, ohne dass diese tatsächlich zur Ver1 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 38; vgl. auch OLG Koblenz vom 30.9.2010 – 2 U 1388/09, Rz. 28; Roloff in Erman, § 308 Rz. 33; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, § 308 Nr. 4 Rz. 9 m.w.N. 2 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 37. 3 Vgl. BGH vom 23.6.2005, NJW 2005, 3420, 3421; LG Düsseldorf vom 28.12.2011 – 12 O 501/10. 4 LG Düsseldorf vom 28.12.2011 – 12 O 501/10; Härting, BB 2007, 2648, 2648. 5 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1054. 6 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 38; vgl. auch BGH vom 3.6.1998, NJW 1998, 3114, 3116. 7 LG Düsseldorf vom 28.12.2011 – 12 O 501/10, Rz. 22 f.; AG Fürth vom 7.5.2009, MMR 2009, 872 (Ls.). 8 A.A. AG Oldenburg vom 16.3.2010, MMR 2010, 497 f.
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III. Providervertrge
fügung gestellt werden. Hinzu kommt das Risiko, dass der Kunde im Hinblick auf die versprochene Bandbreite unter Umständen Investitionen tätigen wird im Vertrauen darauf, dass der Provider in der Lage ist, die Leistung vertragsgemäß zu erbringen1. Will der Verwender den Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB gerecht wer- 706 den, so muss er die tatsächlichen Gründe, unter welchen die geschuldete Bandbreite geändert wird, eindeutig und detailliert in der Klausel benennen2. Diese muss somit für den Kunden sowohl transparent als auch inhaltlich hinreichend bestimmt sein. d) Preisanpassungsklauseln Besonders sensibel sind Preisanpassungsklauseln. Als Preisnebenabreden 707 unterliegen auch diese Klauseln der Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 2 BGB)3. Sie sind keineswegs per se unwirksam und können sogar im Interesse des Kunden liegen, da der Anbieter von Risikozuschlägen Abstand nehmen kann, wenn er vertraglich zur Erhöhung von Preisen berechtigt ist4. Die Anpassungsbefugnis muss allerdings nach Auffassung des BGH so formuliert werden, dass sie sich auf nachträgliche Kostenerhöhungen beschränkt und die Erzielung eines „zusätzlichen Gewinns“ ausschließt5. Räumt sich der Provider in einer AGB-Klausel die Befugnis ein, im Falle 708 einer Überschreitung des vereinbarten monatlichen Datenvolumens den Vertrag auf einen höheren Tarif umzustellen, so ist dies nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Es handelt sich um eine Preisnebenabrede, die der AGB-Kontrolle nicht entzogen ist. Eine automatische Umstellung des Tarifs stellt dabei eine unangemessene Benachteiligung des Kunden i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar6. e) Fingierte Erklärungen Vertragsänderungen lassen sich auch durch fingierte Erklärungen bewir- 709 ken. Eine Klausel, die das Schweigen des Kunden auf die Mitteilung von Änderungen als Zustimmung gelten lässt, ist wirksam, wenn dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen (§ 308 Nr. 5 BGB). Allerdings ist die 1 AG Fürth vom 7.5.2009, MMR 2009, 872 (Ls.). 2 LG Düsseldorf vom 28.12.2011 – 12 O 501/10, Rz. 22. 3 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 307 Rz. 47; BGH vom 21.9.2005, NJW-RR 2005, 1717. 4 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1057; Härting, BB 2007, 2648, 2648. 5 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 37; BGH vom 13.12.2006, NJW 2007, 1054, 1055 f. 6 Vgl. OLG Koblenz vom 30.9.2010 – 2 U 1388/09, Rz. 66 f.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
Grenze des Zulässigen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) überschritten, wenn sich ein solcher Änderungsmodus auch auf die vertraglichen Hauptleistungspflichten erstreckt1. Gestalterisch stellt sich die Aufgabe, die Zustimmungsfiktion so zu formulieren, dass sie sich eindeutig (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) weder auf die Hauptleistung des Anbieters noch auf das Entgelt bezieht2. 3. Host-Provider-Verträge 710
Um im Internet mit einer Website präsent zu sein, benötigt man Speicherplatz, den typischerweise ein Host Provider zur Verfügung stellt. Der Host Provider speichert die Website auf einem eigenen Server oder auf dem Server eines Dritten und sorgt dafür, dass die Website über das Internet abrufbar ist. a) Vertragstypologische Einordnung
711
Die Zusage einer Abrufbarkeit der Website „rund um die Uhr“ ähnelt der Verpflichtung des Access Providers, der die ständige Möglichkeit der Einwahl in das Internet verspricht. Die Gewährleistung der Abrufbarkeit stellt sich daher als dienstvertragliches Element dar3. Die Überlassung von Speicherplatz ist dagegen als mietvertragliche Verpflichtung zu qualifizieren4.
712
In seiner Entscheidung zu „Internet-System-Verträgen“ hat der BGH die Auffassung vertreten, der Host-Provider-Vertrag weise neben einigen dienst- und mietvertraglichen Elementen vor allem werkvertragliche Aspekte auf. Die Gewährleistung der Abrufbarkeit der Website im Internet habe werkvertraglichen Charakter. Liege hierin der Schwerpunkt des Vertrages, liege es nahe, insgesamt einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB anzunehmen5.
713
Die Ausführungen des BGH zum Host-Provider-Vertrag sind schwer nachvollziehbar, zumal der BGH betont, dass es an einer „Garantie“ des Providers für den jederzeitigen Zugriff über das Internet fehle, da der Pro1 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 38. 2 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1059; Härting, BB 2007, 2648, 2649. 3 Härting, CR 2001, 37, 39; Hilber/Rabus, CR 2010, 331, 332; Schuppert, CR 2000, 227, 229; Wulf, CR 2004, 43, 45; AG Berlin-Charlottenburg vom 11.1.2002, MMR 2002, 258 = ITRB 2002, 108. 4 Cichon, Internetverträge, Rz. 182 ff.; Härting, CR 2001, 37, 39; Koch, BB 1996, 2049, 2054 f.; Schuppert, CR 2000, 227, 228; Spindler, BB 1999, 2037, 2037; Wulf, CR 2004, 43, 45; a.A. Söbbing, MMR 2007, 479 f. 5 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch Redeker, IT-Recht, Rz. 1105; Söbbing, MMR 2007, 479, 480; so auch OLG Brandenburg vom 22.11.2011, Kart U 4/09, Rz. 50 f.
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III. Providervertrge
vider wegen der technischen Gegebenheiten des Internet eine solche Garantie nicht übernehmen könne1. In der Vertragspraxis muss man jedoch von einer Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts ausgehen. b) Rechtswidrige Inhalte Eine große Sorge des Host Providers ist es, dass der Kunde den überlasse- 714 nen Speicherplatz für rechtswidrige (z.B. illegale pornographische oder extremistische) Inhalte nutzt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Host Provider durch § 10 TMG nur von einer Schadensersatzhaftung für Inhalte befreit2, von denen er keine Kenntnis hat, sowie im Falle grob fahrlässiger Unkenntnis. Auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche soll § 10 TMG zudem gar nicht erst anwendbar sein3. Daher ist es zumindest zweckmäßig, den Kunden ausdrücklich versichern zu lassen, dass er keine rechtswidrigen Inhalte auf seine Website aufnehmen wird. Darüber hinaus sollte für den Fall, dass der Kunde gegen die Unterlassungsverpflichtung verstößt, ausdrücklich ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund geregelt werden. Zusätzlich bietet es sich an, umfassende Freistellungsvereinbarungen in den Providervertrag aufzunehmen für den Fall, dass Dritte den Host Provider wegen rechtswidriger Inhalte in Anspruch nehmen. 4. Mail-Account-Verträge Zu den Festlegungen, die in einem E-Mail-Account-Vertrag getroffen wer- 715 den sollten, gehört – ähnlich wie beim Host-Providing – die Haftung für rechtswidrige Inhalte, die in Form von Mails abgespeichert und/oder versendet werden. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind daneben Festlegungen zum Umfang des Speicherplatzes, den der Account umfasst, und eine Regelung der Voraussetzungen, unter denen der Provider zur Löschung von Mails – etwa bei Erschöpfung des Speicherplatzes – berechtigt ist. Wird im Rahmen eines Vertragsverhältnisses von einem Vertragspartner 716 für den anderen ein E-Mail-Account angelegt, entspricht es den vertraglichen Nebenpflichten, von einer Löschung des Accounts nach Beendigung des Vertragsverhältnisses so lange abzusehen, bis klar ist, dass die andere Partei an den auf dem Account gespeicherten Mails kein Interesse mehr hat4. Um Streit zu vermeiden, empfiehlt es sich, vertragliche Regelungen für die Löschungsbefugnisse des Providers zu treffen.
1 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 2 Vgl. Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil O Rz. 286. 3 Vgl. Härting, CR 2001, 271, 275 ff.; siehe Rz. 2131 ff. 4 OLG Dresden vom 5.9.2012 – 4 W 961/12, Rz. 10.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
a) Vertragstypologische Einordnung 717
Wie bei dem Host-Provider-Vertrag bestehen die Leistungen des Anbieters von E-Mail-Accounts aus zwei verschiedenartigen Elementen. Einerseits stellt der Anbieter von Mail-Accounts Speicherplatz für Mails zur Verfügung. Andererseits trägt der Anbieter dafür Sorge, dass Mails auch tatsächlich versendet und abgerufen werden können1. Dementsprechend ist der E-Mail-Account-Vertrag ein gemischter Vertrag, auf den sowohl Miet- als auch Dienstvertragsrecht anzuwenden ist, je nachdem, um welche der Vertragspflichten des Providers es im Einzelfall geht2. Aus der BGH-Entscheidung zu Internet-System-Verträgen dürfte sich allerdings ergeben, dass der BGH3 auch für den Mail-Account-Vertrag von der Anwendung des Werkvertragsrechts ausgehen dürfte. Dies ist in der Vertragspraxis zu berücksichtigen. b) Löschung von Spam- und Viren-Mails
718
Spam- und Viren-Mails sind eine lästige Plage. Um der Flut unerwünschter Mails einigermaßen Herr zu werden, ist der Einsatz von Filtersoftware für die Provider unerlässlich. Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies die Herausforderung einer „wasserdichten“ Absicherung der Provider gegen den Vorwurf einer Straftat nach § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB4.
719
Ebenso wie für das Telefonat gilt auch für die E-Mail das Telekommunikationsgeheimnis. Für die Provider von E-Mail-Accounts ergibt sich daraus die Aufgabe, die Anforderungen des § 88 TKG zu beachten. E-Mails dürfen beim Provider grundsätzlich weder „mitgelesen“ noch abgefangen werden.
720
Verstöße gegen das Telekommunikationsgeheimnis sind in § 206 StGB strafrechtlich sanktioniert. Schwierigkeiten bereitet dabei vor allem der Tatbestand des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der erfüllt ist, wenn ein Inhaber oder Beschäftigter eines Post- oder Telekommunikationsunternehmens unbefugt eine ihm zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt. Ob und inwieweit diese Norm auf E-Mail-Korrespondenz überhaupt anwendbar ist, ist streitig5. Bei der Vertragsgestaltung muss man jedoch – unter dem Gesichtspunkt des „sichersten Wegs“ – davon ausgehen, dass die Strafnorm auf E-Mails Anwendung finden kann. Daher bedarf es der 1 Vgl. Härting, CR 2001, 37, 40 f. 2 Schneider, Verträge über Internet-Access, S. 215; Spindler in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IV Rz. 141 ff.; a.A. Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 575. 3 Vgl. BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 4 Härting, ITRB 2007, 242, 242; vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.1.2005, CR 2005, 288. 5 Vgl. Fischer, StGB, § 206 Rz. 13; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 612 f.; Härting, ITRB 2007, 242, 242; Härting, CR 2007, 311, 315.
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III. Providervertrge
Aufnahme von Klauseln, die den Provider gegen strafrechtliche Vorwürfe absichern, wenn er Software einsetzt, um Spam-Mails und Mails mit Viren oder anderer Schadsoftware auszufiltern. § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass es sich bei der Mail um eine 721 „zur Übermittlung anvertraute Sendung“ handelt, die der Provider unbefugt unterdrückt. Da es jedenfalls einer unbefugten Unterdrückung bedarf, schließt das Einverständnis des Absenders mit der Unterdrückung der Mail von vornherein den Strafvorwurf aus1. Der Inhaber eines MailAccounts ist Herr seiner Mails. Er kann entscheiden, welche Nachrichten überhaupt von seinem Account versendet (oder ausgefiltert) werden sollen. Und er kann frei darüber entscheiden, ob und inwieweit eingehende Mails in einem automatisierten Verfahren gelöscht werden sollen, ohne ihm zuvor zur Kenntnis zu gelangen2. Das Herrschaftsrecht des Empfängers über die bei ihm eingehenden 722 Mails bedeutet nicht, dass der Provider per se verpflichtet ist, für den Account-Inhaber jegliche eingehende Mail abrufbar zu halten. Vielmehr unterliegt die Reichweite der Beförderungspflicht der freien vertraglichen Vereinbarung3. § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt eine zivilrechtliche Beförderungspflicht vo- 723 raus; der verstärkende Schutz der Beförderungspflicht ist zugleich das Schutzanliegen der Norm4. Daher empfiehlt es sich, bei der Formulierung einer Klausel zu Spam- und Viren-Mails ausdrücklich auf die Beförderungspflicht Bezug zu nehmen und diese für die fraglichen Mails vollständig auszuschließen. Der Ausschluss sollte sich auf alle Verdachtsfälle erstrecken, um eine möglichst breitflächige Ausfilterung zu legitimieren5. Aus Sicht des Providers ist es ratsam, das Recht zum Einsatz von Filter- 724 software zu regeln, ohne zugleich eine Verpflichtung zu begründen. Eine Verpflichtung zur Filterung liegt nicht im Interesse des Providers, da anderenfalls bei Mails, die Schadsoftware transportieren, vertragliche Schadensersatzansprüche (§ 280 Abs. 1 BGB) drohen6. Û Praxistipp: Um gar nicht erst die Frage eines konkludenten oder mut- 725 maßlichen Einverständnisses des Kunden thematisieren zu müssen, empfiehlt es sich, in die Vertragsbedingungen des Providers eine Klau-
1 Spindler/Ernst, CR 2004, 437 439; Härting, ITRB 2007, 242, 242; Härting, CR 2007, 311, 315. 2 Härting, ITRB 2007, 242, 243. 3 Härting, ITRB 2007, 242, 243; Kitz, CR 2005, 450, 453. 4 Härting, ITRB 2007, 242, 242; Härting, CR 2007, 311, 316. 5 Härting, ITRB 2007, 242, 242. 6 Härting, ITRB 2007, 242, 242.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
sel aufzunehmen, die das Einverständnis des Kunden mit dem Einsatz von Filtersoftware klar zum Ausdruck bringt1: „Der Provider ist zur Befçrderung von E-Mails nicht verpflichtet, wenn der Verdacht besteht, dass die E-Mails virenbehaftet sind oder sonstige Schadsoftware gleich welcher Art (z.B. Trojaner) enthalten. Eine Befçrderungspflicht besteht ebenso wenig bei Mails, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich um Werbe-Mails handelt, die dem bzw. den Empfngern ohne deren Einverstndnis bermittelt werden (Spam-Mails). Um Viren-Mails und Spam-Mails zu erkennen und von der Befçrderung auszuschließen, ist der Provider berechtigt, geeignete Filtersoftware zum Einsatz zu bringen. Eine Verpflichtung zum Einsatz derartiger Software besteht nicht.“
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Klauseln über den Ausschluss der Beförderung von Spam- und VirenMails halten einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand2. Im Ausfiltern von Mails, die den Empfänger schädigen oder belästigen können, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Dies schon deshalb, weil der Provider ein schutzwürdiges Interesse daran hat, keinen Tatbeitrag zu rechtswidrigen Handlungen zu leisten3.
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Vielfach finden sich in Nutzungsbedingungen für Mail-Accounts weitreichende Formulierungen, die jegliche Verantwortung des Providers dafür ausschließen wollen, dass versehentlich Mails ausgefiltert werden, die weder virenbehaftet sind noch unerwünschte Werbung enthalten. Derartige Klauseln müssen sich an § 309 Nr. 7 BGB messen lassen. Die Beförderungspflicht ist bei Verträgen über E-Mail-Accounts die Hauptpflicht des Providers. Schon aus diesem Grund halten Klauseln, die die Verantwortung des Providers für die „versehentliche“ Ausfilterung von E-Mails beschränken oder gar ausschließen, den Anforderungen des § 309 Nr. 7 BGB nicht stand4.
IV. Domainverträge 728
Beim Domainhandel geht es darum, dass der registrierte Domaininhaber seine Berechtigung an der Domain gegen Zahlung eines Entgelts auf einen neuen Inhaber überträgt (Domainkauf). Nicht ganz so weit verbreitet ist die Domainpacht: Der registrierte Domaininhaber gestattet dem Vertragspartner für eine bestimmte Zeitdauer die Nutzung der Domain, ohne dass die Domain auf den Nutzer übertragen wird5. Zu guter Letzt kann die Verwaltung von Domains Vertragsgegenstand sein (Domainservice).
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Härting, ITRB 2007, 242, 242. Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1063. Härting, ITRB 2007, 242, 243; Härting, CR 2007, 311 314 f. Härting, ITRB 2007, 242, 243. Vgl. zum Domain-Sharing: Viefhues, MMR 2000, 334.
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IV. Domainvertrge
1. Domainregistrierung Eine Domainnutzung setzt zwingend die Registrierung der Domain bei 729 einer der zentralen Vergabestellen (z.B. bei der DENIC e.G.) voraus1. Zwar besteht die Möglichkeit, die Registrierung einer Domain unmittelbar bei der DENIC oder einer anderen Vergabestelle vorzunehmen. In aller Regel wird die Registrierung indes durch den Host Provider erledigt. Bei der Registrierung handelt es sich um eine fremdnützige Tätigkeit des Providers, die als Werkvertrag (§ 631 BGB) anzusehen ist, die eine entgeltliche Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 Abs. 1 BGB zum Gegenstand hat2. Bei den Vergabestellen gilt das Prinzip des „First Come – First Served“ 730 (Prioritätsprinzip)3. Aus Sicht des Providers ist es daher notwendig, über dieses Prinzip aufzuklären und jegliche Gewähr dafür auszuschließen, dass die Registrierung tatsächlich erfolgen wird4. Hauptleistungspflicht des Anbieters ist es, die Domain auf den Kunden 731 anzumelden und anschließend zu verwalten. Dabei muss die Anmeldung in zwei Schritten erfolgen. Zunächst überprüft der Anbieter, ob die begehrte Domain bereits registriert wurde. Nur wenn dies nicht der Fall ist, obliegt es ihm, die Domain auch tatsächlich für den Kunden anzumelden5. Der Provider ist im Zweifel verpflichtet, den Kunden als Domaininhaber 732 eintragen zu lassen. Diese Verpflichtung erfüllt der Provider nicht bereits dadurch, dass er selbst Domaininhaber wird und dem Kunden die Domainnutzung ermöglicht6. Hat ein Provider vertraglich zugesichert, eine Domain innerhalb eines 733 Arbeitstages zu registrieren, so ist er dem Kunden unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er den Auftrag nur zögerlich bearbeitet, so dass zwischenzeitlich die gewünschte Domain an eine andere Person vergeben wird7. Aus Sicht des Kunden ist es bedeutsam, dass der Provider verpflichtet 734 wird, dafür Sorge zu tragen, dass die Registrierung während der gesamten 1 Vgl. BGH vom 25.10.2012, K&R 2013, 46 ff. mit Anm. Strömer; Marwitz, ZUM 2001, 398; siehe auch Rz. 1805 ff. 2 Cichon, Internetverträge, Rz. 352; Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VI Rz. 11; BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 3 BGH vom 25.10.2012 – VII ZR 146/11, Rz. 35. 4 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 468. 5 Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.5 Rz. 81. 6 Vgl. OLG München vom 5.12.2002, NJW-RR 2003, 1423 = MMR 2003, 795 = K&R 2003, 415; LG Hamburg vom 20.1.2009, MMR 2010, 244 (Ls.). 7 LG Görlitz vom 31.8.2004, CR 2005, 225 f.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
Vertragslaufzeit aufrechterhalten bleibt und Gebühren, die die Vergabestelle für die Registrierung erhebt, tatsächlich an diese gezahlt werden1. Wird die Zahlung der Gebühren versäumt, kann die Domain verloren gehen und erheblicher Schaden entstehen2. 735
Gleichfalls aus Sicht des Kunden ist der Fall des Providerwechsels3 regelungsbedürftig. Für .de-Domains gilt seit Februar 2010 das AuthInfo-Verfahren. Das Verfahren basiert auf der Übermittlung eines individuellen Providerwechsel-Passworts (sog. AuthInfo). Möchte ein Domaininhaber seinen Provider wechseln, veranlasst er bei seinem aktuellen Provider das Setzen eines individuellen Passwortes. Dieses wird verschlüsselt (sog. Hash), bei der DENIC hinterlegt und ist 30 Tage gültig. Nach Mitteilung des Klartextpasswortes durch den Domaininhaber an den neuen Provider, veranlasst dieser den Wechsel bei der DENIC unter Verwendung des Passwortes. Alternativ kann das Passwort auch direkt von dem neuen Provider bei der DENIC angefordert werden, welche dieses an den Domaininhaber sendet4.
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Um einen möglichst zügigen Providerwechsel zu erreichen, empfiehlt es sich aus Kundensicht, in den Vertrag mit dem Provider eine Verpflichtung aufzunehmen, einem AuthInfo-Verfahren jederzeit zuzustimmen und das Verschlüsselungsverfahren unverzüglich in der Form durchzuführen, wie es von der DENIC verlangt wird. Daneben sind Verpflichtungen zum sorgfältigen Umgang mit dem Passwort sinnvoll, damit nicht unberechtigte Dritte einen Providerwechsel durchführen. 2. Domainkauf
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Die Übertragung einer Domain erfolgt in mehreren Akten. Hierfür muss ein komplettes Schuldverhältnis in Form einer Vertragsübernahme übertragen werden5. Da die Domain kein körperlicher Gegenstand i.S.d. § 90 BGB, sondern ein Nutzungsrecht an einer bestimmten Internetadresse darstellt, erfolgt die Übertragung im Wege der Abtretung (§ 413 BGB i.V.m. § 398 BGB). Zwar ist im BGB nur die Abtretung einer einzelnen Forderung vorgesehen und eine komplette Vertragsübernahme ist nicht geregelt, dennoch können die Grundsätze der Abtretung auf die Vertragsübernahme angewendet werden6.
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Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.5 Rz. 82. LG Frankfurt a.M. vom 30.4.2004, CR 2004, 852 f. Vgl. Cichon, Internetverträge, Rz. 354. Vgl. DENIC, Informationen zum Providerwechsel mit individuellem Passwort (AuthInfo), abrufbar unter: http://www.denic.de/fileadmin/Domains/flyer_provi derwechsel_DE.pdf. 5 Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.4 Rz. 31. 6 Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.4 Rz. 31.
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IV. Domainvertrge
Die Hauptpflicht des Domainverkäufers ist es, sämtliche Erklärungen ab- 738 zugeben bzw. beizubringen, die nach den Bestimmungen der jeweiligen Vergabestelle zur Übertragung der Domain notwendig sind. Der Domainkauf ist ein Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 BGB. Daher gel- 739 ten für die Gewährleistung die Bestimmungen über den des Rechtsmangels (§ 435 BGB). 3. Domainpacht Von einer Domainpacht spricht man bei einer Domainüberlassung auf 740 Zeit. Der Domaininhaber gibt seine Registrierung nicht preis, sondern bleibt bei der Vergabestelle als Domaininhaber eingetragen und gestattet seinem Vertragspartner die Nutzung der Domain für eine bestimmte Zeitdauer. Eine Anwendung des Mietrechts kommt bei einer Domainpacht nicht in 741 Betracht, da einer Domain die Sachqualität fehlt (vgl. § 90 BGB)1. In Betracht kommt allenfalls eine Rechtspacht (vgl. § 581 Abs. 1 BGB)2. Im Hinblick auf die eigentliche Tätigkeit des „Verpächters“ liegt es jedoch näher, die zeitweise Domainüberlassung als Dienstvertrag anzusehen. Der Domaininhaber schuldet die Weiterleitung der Domain an die IPAdresse des Kunden. Diese Verpflichtung ist dem Wesen nach tätigkeitsbezogen und hat mit einer „Fruchtziehung“ gemäß § 581 Abs. 1 Satz 1 BGB wenig gemein. Wenn in einem Vertrag über die Verpachtung der Domain medizin.de „ei- 742 ne Gewinnbeteiligung von 15 % auf alle mit medizin.de erzielten Umsätze“ vereinbart wird, folgt hieraus keine Verpflichtung des Pächters, möglichst hohe Umsätze zu erzielen. Zur Vereinbarung von Gebrauchs- und Betriebspflichten bedarf es einer besonderen Vereinbarung. Wenn der Verpächter somit Mindestumsätze sicherstellen möchte, ist es notwendig, entsprechende Vereinbarungen in den Vertrag aufzunehmen3. 4. Domainservice Nicht selten treten bei der Registrierung und Verwaltung von Domains 743 Treuhänder in Erscheinung, und zwar als Domaininhaber oder auch als Admin-C, die für die Verwaltung der Website verantwortlich sind4. Die
1 Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VI Rz. 12; Härting, CR 2001, 37, 41. 2 Vgl. Cichon, Internetverträge, Rz. 372; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 492; OLG Köln vom 13.5.2002, CR 2002, 832 = MMR 2003, 191 mit Anm. Runte. 3 LG Nürnberg-Fürth vom 16.10.2008, CR 2009, 123. 4 Siehe Rz. 2042 ff.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
Registrierung bzw. Verwaltung von Domains ist eine Dienstleistung, die sich als „Domainservice“ bezeichnen lässt. 744
Neben dem Vertrag mit einem Treuhänder oder einem Admin-C über die Registrierung und Verwaltung einer Domain haben sich weitere Modelle herausgebildet. Dazu gehören etwa Verträge über das Domain-Parking oder über die Bewertung einer Domain1.
745
Für den Admin-C bestehen bei einer treuhänderischen Verwaltung einer Domain erhebliche Haftungsrisiken, da immer wieder versucht wird, den Admin-C als Störer für rechtswidrige Inhalte verantwortlich zu machen, die über die Domain abrufbar sind2, oder gar haftbar zu machen für Rechtsverstöße durch E-Mails, die von einem Account der Domain versendet wird, für die der Admin-C verantwortlich ist3.
746 Û Praxistipp: Wer als Admin-C die Verantwortung für eine Domain übernimmt, ist gut beraten, den Vertragspartner (d.h. den Domaininhaber) zur Unterlassung jedweder Spam-Mails zu verpflichten. Eine „Don’t Spam“-Klausel kann beispielsweise lauten4: „Der Domaininhaber verpflichtet sich, die Domain nicht zur Versendung von unerwnschten Werbe-Mails zu nutzen. Als Werbe-Mail gilt jede Mail, die – schwerpunktmßig oder auch nur nebenbei – Mitteilungen enthlt, die den Empfnger auf gewerbliche Angebote von Waren oder Dienstleistungen gleich welcher Art hinweisen. Dies gilt auch fr E-Mails, die nicht ausdrcklich werben, jedoch so ausgestaltet sind, dass sie aus Sicht des Empfngers – jedenfalls nebenbei – werbenden Charakter haben. Die Versendung von Werbe-Mails gleich welcher Art ist dem Domaininhaber nur gestattet, wenn er vorab die ausdrckliche Zustimmung des jeweiligen Empfngers ber den Empfang der Mail eingeholt hat. Der Domaininhaber wird alle Personen, denen er die Einrichtung von E-MailAccounts unter der vertragsgegenstndlichen Domain und/oder die Nutzung derartiger Accounts gestattet, zur Einhaltung der sich aus den vorstehenden Abstzen ergebenden Pflichten ausdrcklich verpflichten.“
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Bei der Gestaltung von Domainverträgen kann auch Regelungsbedarf für die Frage bestehen, wer für namens- und kennzeichenverletzende Domainnamen haftet. Haftungsrisiken können für den Domaininhaber selbst dann entstehen, wenn er die Domain im Auftrag eines Dritten registriert hat und der Auftraggeber ein Kennzeichen- oder Namensrecht an dem Domainnamen innehat5.
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Vgl. Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.5 Rz. 33 ff. Siehe Rz. 2210 ff. Härting, ITRB 2005, 282, 282; LG Berlin vom 26.9.2005 – 16 O 718/05. Härting, ITRB 2005, 282. Reinholz, ITRB 2008, 69.
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V. ASP-Vertrge und Cloud Computing
Nach der Auffassung, die der BGH in seiner Entscheidung zu grundke.de 748 vertreten hat, verletzt die Auftragsregistrierung einer Domain Namensoder Kennzeichenrechte eines Dritten nicht, wenn der Auftraggeber über gleichgewichtige Namens- oder Kennzeichenrechte am Domainnamen verfügt1. Allerdings muss für andere Namensträger bzw. Kennzeichenrechtsinhaber die Chance bestehen, eine Auftragsregistrierung festzustellen. Hierfür reicht es nach Ansicht des BGH aus, dass der Auftraggeber unter dem Domainnamen einen Internetauftritt unterhält2. Û Praxistipp: Aus Sicht des Dienstleisters empfiehlt sich eine Vertrags- 749 klausel, die den Kunden verpflichtet, alsbald einen eigenen Internetauftritt unter der Domain einzurichten3: „Der Kunde verpflichtet sich, alsbald – sptestens aber einen Monat – nach Registrierung der Domain durch den Treuhnder einen eigenen Internetauftritt unter der Domain einzurichten und dauerhaft abrufbar zu halten.“
V. ASP-Verträge und Cloud Computing 1. Application Service Providing Mit ASP (Application Service Providing) bezeichnet man die entgeltliche 750 Bereitstellung von Softwareanwendungen für den Kunden zur OnlineNutzung über das Internet oder andere Netze4. Da es bei ASP-Verträgen darum geht, dem Kunden eine Sache (Software) 751 auf Zeit zur Nutzung zu überlassen, ist auf diese Verträge kein Dienstvertragsrecht, sondern Mietrecht (§§ 535 ff. BGB) anwendbar5. Der Anwendbarkeit von Mietrecht steht dabei nicht entgegen, dass der Kunde keinen Besitz an der Software bzw. an Datenträgern erlangt, da der Mietvertrag keine Besitzverschaffung, sondern lediglich eine Gebrauchsüberlassung voraussetzt. Ist – wie beim ASP-Vertrag – eine Besitzverschaffung für den vertragsgemäßen Gebrauch nicht erforderlich, genügt es für die Gebrauchsgewährung, wenn dem Mieter der Zugang zur Mietsache verschafft wird, der auch online erfolgen kann6. 1 BGH vom 8.2.2007 – grundke.de, CR 2007, 590 = ITRB 2007, 224; vgl. Reinholz, ITRB 2008, 69; siehe Rz. 2044. 2 BGH vom 8.2.2007 – grundke.de, CR 2007, 590 = ITRB 2007, 224; vgl. Reinholz, ITRB 2008, 69. 3 Reinholz, ITRB 2008, 69, 70. 4 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch Redeker, ITRB 2008, 65 ff. 5 BGH vom 15.11.2006, CR 2007, 75 = NJW 2007, 2394; OLG Hamburg vom 15.12.2011 – 4 U 85/11, Rz. 22; a.A. Redeker, IT-Recht, Rz. 1129 ff. 6 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher; BGH vom 15.11.2006, NJW 2007, 2394 f.
189
D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
752
Der Anwendung von Mietvertragsrecht steht nicht entgegen, dass in dem ASP-Vertrag üblicherweise weitere Leistungen wie Programmpflege, Programmupdates, Datensicherung, Hotlineservice und Einweisung in die Software vereinbart werden, die anderen Vertragstypen (Dienst- oder Werkvertrag) zugeordnet werden können. Insoweit handelt es sich bei dem ASP-Vertrag um einen zusammengesetzten Vertrag, bei dem jeder Vertragsteil nach dem Recht des auf ihn zutreffenden Vertragstypus zu beurteilen ist, soweit dies nicht im Widerspruch zum Gesamtvertrag steht1.
753
Will der Kunde die vereinbarte Vergütung wegen der Mangelhaftigkeit der zum Gebrauch überlassenen Software mindern, so trägt er die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein eines Mangels2. 2. Cloud Computing
754
Cloud Computing ist ein Vertriebsmodell von IT-Anwendungen, bei dem der Nutzer jederzeit online auf Ressourcen und Daten zugreifen kann, ohne mit Soft- und Hardwarekosten belastet zu werden3. Es handelt sich um einen Oberbegriff für vielfältige Dienste4.
755
Cloud-Computing-Dienste lassen sich in vier Unterkategorien aufteilen. Bei Infrastructure as a service (IaaS) werden dem Kunden Rechenleistung, Datenspeicher und Kommunikationsleistungen als Gesamtpaket zur Verfügung gestellt.5 Mit Platform as a Service (PaaS) werden Computerplattformen (z.B. Software-Entwicklungsplattformen) zur Verfügung gestellt6. Wird dem Kunden dagegen eine Software zur Nutzung bereitgestellt, so handelt es sich um Software as a service (SaaS)7 – sehr ähnlich und kaum abgrenzbar zum Application Service Providing (ASP). Von Hardware as a service (HaaS) spricht man, wenn dem Kunden Hardware zur Nutzung überlassen wird8.
756
Cloud-Computing-Verträge sind – ebenso wie ASP-Verträge – im Normalfall als Mietvertrag i.S.d. § 535 BGB anzusehen. Der Anbieter schuldet nicht nur Dienste wie den Transport von Daten und Ressourcen. Vielmehr werden dem Kunden Ressourcen und Daten gegen Entgelt zur Nutzung (§ 535 BGB) überlassen9.
1 BGH vom 15.11.2006, CR 2007, 75, 76 = NJW 2007, 2394; vgl. auch BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 1336, 1337. 2 OLG Hamburg vom 15.12.2011, U 85/11, Rz. 45 ff. 3 Sujecki, K&R 2012, 312. 4 Wicker, MMR 2012, 783. 5 Sujecki, K&R 2012, 313; Wicker, MMR 2012, 783, 785. 6 Sujecki, K&R 2012, 313. 7 Wicker, MMR 2012, 783. 8 Wicker, MMR 2012, 783. 9 Vgl. BGH vom 4.3.2010 – III ZR 79/09, Rz. 19; Wicker, MMR 2012, 785.
190
VI. Werbevertrge
VI. Werbeverträge Im Internet gibt es seit jeher vielfältige Formen der Werbung1. Im Mittel- 757 punkt stand dabei zunächst die Verlinkung. Der Betreiber einer Website verpflichtete sich gegenüber dem Werbenden dazu, einen funktionstüchtigen Link zu dessen Website zu installieren2. In den letzten Jahren hat sich der Schwerpunkt der Online-Werbung stark in den Bereich der Suchmaschinen-Optimierung verlagert. Auch Newsletter sind ein wichtiges Werbemittel. 1. Verlinkung Eine Verpflichtung zur Verlinkung kann verbunden sein mit der Ver- 758 pflichtung, für den Werbenden einen Banner zu gestalten. Soweit es um die Gestaltung eines Werbebanners geht, handelt es sich um Webdesign, auf das Kaufrecht (§§ 651, 434 ff. BGB) anwendbar ist3. Ob Werbeverträge im Übrigen als Werkverträge oder als Dienstverträge4 anzusehen sind, ist streitig. Bei Verträgen über Online-Werbung sprechen Parallelen zu „Offline-Werbeverträgen“ – Plakatwerbung und ähnliche Werbeformen – für eine Einordnung als Werkvertrag. Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum 759 Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob die Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird. Bei der Plakatwerbung verhält es sich so, dass ein bestimmtes Arbeitsergebnis als geschuldete Leistung vereinbart wird: Der Auftragnehmer verpflichtet sich, an geeigneten Standorten Plakate des Auftraggebers anzubringen. Der dauernde Aushang der Plakate während der Vertragszeit ist der vertragsgemäß geschuldete Erfolg. Dabei kommt es nicht auf die einzelne Tätigkeit des Unternehmers, sondern auf die einheitliche und fortdauernde planmäßig erzielte Werbewirkung an5. Nichts anderes gilt, wenn sich der Auftragnehmer verpflichtet, die Wer- 760 bespots des Auftraggebers auf einer Videowand an einem Bahnhofsvorplatz mit einer bestimmten Wiederholungsfrequenz zu zeigen. Die Parteien haben ein bestimmtes Arbeitsergebnis vereinbart: die Präsentation von Werbevideos an einer bestimmten Stelle für den vertraglich festgelegten Zeitraum. Es handelt sich aus diesem Grunde nicht um einen Dienstvertrag, sondern um einen Werkvertrag.
1 2 3 4
Vgl. Leupold/Bräutigam/Pfeiffer, WRP 2000, 575, 579 ff. Härting, CR 2001, 37, 42. Siehe Rz. 639 ff. So noch in der 3. Auflage, Rn. 428; vgl. auch Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IX Rz. 3; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rz. 648. 5 BGH vom 19.6.1984, NJW 1984, 2406 ff.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
761
Auch bei Verträgen über Online-Werbung steht es einer Einordnung als Werkvertrag nicht entgegen, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweist und dass dem Kunden kein körperlicher Gegenstand als „Werkleistung“ übereignet wird. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu1.
762
Zu den Eckpunkten eines Internet-Werbevertrages gehört es, die genaue Ausgestaltung der Werbung und/oder des Links zu definieren und Festlegungen zu treffen, an welcher Stelle einer Website Werbung geschaltet werden soll2. Häufig bedarf es einer Vereinbarung der Zielseite, auf die ein Link führen soll, und einer Definition der Zeiten, zu denen die Werbung abrufbar sein soll.
763
Für die Vergütung von Werbung im Internet gibt es unterschiedliche Modelle. Teilweise wird eine zeitbezogene Pauschalvergütung vereinbart, teilweise richtet sich Vergütung nach der Anzahl der Mausklicks, durch die ein Link aktiviert wird (z.B. 0,10 Euro pro Mausklick). Auch Mischformen (Grundvergütung zuzüglich Zahlung per Klick) sind üblich.
764
Der Betreiber einer Website, auf die per Link Werbung eingebettet werden soll, hat ein Interesse daran, dass über den Link keine rechtswidrigen Inhalte abrufbar sind, für die er haftbar gemacht werden kann3. Um Risiken zu minimieren, empfiehlt es sich, den Werbetreibenden ausdrücklich versichern zu lassen, dass auf der Zielseite keine rechtswidrigen Inhalte abgespeichert werden. Als Sanktion für eine Verletzung dieser Verpflichtung kommt ein außerordentliches Kündigungsrecht des Website-Betreibers ebenso in Betracht wie eine Berechtigung, den Link mit sofortiger Wirkung stillzulegen. Zudem sollte man an die Formulierung einer Klausel zur Freistellung des Website-Betreibers von Ansprüchen Dritter denken. 2. Suchmaschinen-Optimierung
765
Bei der Suchmaschinen-Optimierung handelt es sich um den Versuch, eine Website bei der Eingabe bestimmter Suchworte (Keywords) möglichst weit nach oben in die Ergebnisliste von Google und anderen Suchmaschinen zu bringen4. Im Normalfall ist kein bestimmter Erfolg – im Sinne einer konkret definierten Platzierung – geschuldet, sondern ledig-
1 Vgl. BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 f. mit Anm. Schirmbacher. 2 Vgl. Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IX Rz. 11 ff. 3 Plaß, WRP 2000, 599, 599 ff. 4 Schirmbacher, Online-Marketing und Recht, S. 227.
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VII. Plattformvertrge und Nutzungsbedingungen
lich die Bemühung des Dienstleisters, eine möglichst hohe Positionierung zu erreichen. Dies spricht für die Anwendung des Dienstvertragsrechts (§§ 611 ff. BGB). 3. Newsletter Beim Vertrieb von Waren und Dienstleistungen über das Netz ist die 766 Möglichkeit einer gezielten Werbung an besonders interessierte Kundengruppen von erheblicher Bedeutung. Newsletter, die per E-Mail versendet werden, sind dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Spezialisierte Dienstleister haben sich darauf spezialisiert, Newsletter im Auftrag von Werbetreibenden zu versenden. Bei Verträgen über den Versand von Newslettern handelt es sich im Re- 767 gelfall um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung gemäß § 675 BGB1. Der Dienstleister verpflichtet sich – gegen Vergütung – zur regelmäßigen Versendung von Newslettern an die Empfänger, deren Mailadressen mit Hilfe eines Formulars gesammelt werden, das in die Website des Kunden integriert ist. Unabhängig davon, ob die Mailadressen zunächst auf den internen Ser- 768 vern des Unternehmers gespeichert und sodann an den Dienstleister weitergegeben, oder aber online sofort nach der Eingabe in das Formular an den Dienstleister weitergeleitet werden, ist stets der Kunde und nicht der Dienstleister als Daten erhebende (verantwortliche) Stelle (§ 3 Abs. 7 BDSG) anzusehen2. Der Kunde hat gegen den Dienstleister einen Anspruch auf Herausgabe der Adressen gemäß §§ 675, 667 1. Alt. BGB3.
VII. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen Für den bloßen Besuch einer Internetplattform bedarf es keiner rechts- 769 geschäftlichen Erklärung. Allerdings hat der Betreiber der Plattform ein „virtuelles Hausrecht“4. Ebenso wie der Betreiber eines Einkaufszentrums mit mehreren Geschäften, kann der Plattformbetreiber in Nutzungsbedingungen festlegen, wer zum Besuch der Plattform berechtigt ist. Unerwünschte User, die den Besuch der Webseite zu rechtswidrigen Handlungen nutzen, lassen sich auf diese Art und Weise aus dem Nutzerkreis ausschließen.
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OLG Düsseldorf vom 27.9.2012 – I-6 U 241/11, Rz. 21, 23. OLG Düsseldorf vom 27.9.2012 – I-6 U 241/11, Rz. 27. OLG Düsseldorf vom 27.9.2012 – I-6 U 241/11, Rz. 21, 23, 27. Maume, MMR 2007, 620 ff.; OLG Köln vom 25.8.2000, MMR 2001, 52.; LG München I vom 25.10.2006, CR 2007, 264 f. mit Anm. Redeker; siehe auch Rz. 1452 ff.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
1. Nutzungsverträge 770
Internetauktionen, Social Networks, Diskussionsforen: Eine Vielzahl von Plattformen verlangt für die Nutzung von Diensten eine Registrierung des Nutzers. Bei der Registrierung wird in aller Regel eine Erklärung des Nutzers über die Anerkennung der Nutzungsbedingungen verlangt1.
771
Mit dem Verlangen nach einer Registrierung bringt der Plattformbetreiber zum Ausdruck, dass er die Nutzung der Plattform von bindenden Erklärungen des Nutzers abhängig macht. Die im Zusammenhang mit einer Registrierung abgegebenen Erklärungen bringen daher einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck, so dass die Nutzungsbedingungen des Anbieters Bestandteil eines Plattformvertrages werden. Verträge dieser Art werden beispielsweise bei Download-Plattformen2 oder auch bei Auktions-Plattformen3 geschlossen. Ähnliches gilt für Diskussionsforen4. 2. Einbeziehung von Nutzungsbedingungen
772
Wenn Nutzungsbedingungen – etwa bei einem Social Network – Bestandteil eines Vertrages werden sollen, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB). Ihre Einbeziehung richtet sich nach § 305 Abs. 2 BGB, sofern es sich bei den Nutzern nicht um Unternehmer handelt (§ 310 Abs. 1 BGB).
773
Der Betreiber muss den Verbraucher bei der Registrierung ausdrücklich auf die Nutzungsbedingungen hinweisen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB)5. Dafür ist es ausreichend, wenn die Nutzungsbedingungen über einen Hyperlink aufzurufen sind6. Dieser muss deutlich gestaltet und formuliert sein und sollte sich auf der gleichen Seite befinden, über die der Registrierungsvorgang eingeleitet wird7.
774
Weiterhin muss die Möglichkeit bestehen, dass der Nutzer in zumutbarer Weise vom Inhalt der Nutzungsbedingungen Kenntnis nehmen kann (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Dazu empfiehlt es sich, den Hyperlink direkt auf die Nutzungsbedingungen zu führen und „Linkketten“ zu vermeiden8.
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Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. Vgl. Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186; siehe Rz. 480 ff. Siehe Rz. 460 ff. Vgl. Maume, MMR 2007, 620, 621; LG München I vom 25.10.2006, CR 2007, 264, 265 mit Anm. Redeker. Solmecke/Dam, MMR 2012, 71, 72. Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1043. Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1045; Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41.
194
VII. Plattformvertrge und Nutzungsbedingungen
Besondere Schwierigkeiten wirft die Gestaltung von Nutzungsbedingun- 775 gen bei Smartphone-Apps auf, mit Hilfe derer der Nutzer die Plattform nutzen kann. Bei einer beschränkten Bildschirmoberfläche eines Endgerätes kann dem Nutzer insbesondere eine kleine Schriftgröße oder ein langes und häufiges Scrollen nicht zugemutet werden1. Der Nutzer muss den Nutzungsbedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB zu- 776 stimmen. Eine solche Zustimmung kann auch stillschweigend erfolgen2. Auch wenn die Einbeziehungsvoraussetzungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB 777 erfüllt sind, werden einzelne Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil, wenn sie überraschend sind. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Eindruck erweckt wird, dass die Registrierung kostenlos ist, sich in den Nutzungsbedingungen jedoch Hinweise auf eine Entgeltpflicht finden3. Darüber hinaus können auch Klauseln als überraschend bezeichnet werden, die dem Betreiber die Rechte zur wirtschaftlichen Verwertung der Inhalte, zeitlich unbegrenzte Rechtseinräumung und unbeschränkte Weitergabe an Dritte gestatten4. 3. Transparenzgebot Bei der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB ist im Hinblick auf die Nut- 778 zungsbedingungen insbesondere das Transparenzgebot zu beachten (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Bedingungen müssen für den Durchschnittsnutzer mühelos lesbar sein und ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit aufweisen. Problematisch sind daher beispielsweise Nutzungsbedingungen, die auf fremdem Recht basieren und dadurch häufig Unklarheiten mit sich bringen, da sie zu wenig an die Begrifflichkeiten und Besonderheiten des deutschen Rechts und der deutschen Sprache angepasst sind5. Häufiger Kritikpunkt an Nutzungsbedingungen ist deren Umfang. Aus 779 dem Transparenzgebot lässt sich ableiten, dass die Nutzungsbedingungen nicht übertrieben langatmig gefasst sein dürfen, da dies eine Lektüre unzumutbar erschwert.6 4. Rechtsverstöße Bei der Nutzung von Social Networks und anderen Plattformen hat der 780 Anbieter ein Interesse an Vorsorge gegen Rechtsverletzungen, die Nutzer über die Plattform begehen. 1 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1047; Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. 2 Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. 3 Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41; Solmecke/Dam, MMR 2012, 71, 72. 4 Schwenke, WRP 2013, 38. 5 Schwenke, WRP 2013, 37, 38; Solmecke/Dam, MMR 2012, 71, 72. 6 Vgl. Härting in Niebling (Hrsg.), Anwaltkommentar AGB-Recht, Rz. 1045 ff.; Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41.
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
781
Der Nutzer sollte ausdrücklich dazu angehalten werden, sich bei der Plattformnutzung an das geltende Recht zu halten. Darüber hinaus ist jede Formulierung zu vermeiden, die den Eindruck erwecken könnte, dass sich der Plattformbetreiber den Inhalt der Nutzer zu eigen macht.1
782
In Missbrauchsfällen sollte dem Betreiber das Recht eingeräumt werden, einzelnen Inhalt zu sperren, bzw. den Nutzungsvertrag zu kündigen2. Diese Sanktionen lassen sich um Freistellungsklauseln ergänzen. 5. Nutzungsrechte
783
Üblich ist es zudem, dass der Plattformbetreiber ein unbeschränktes, unwiderrufliches und auf Dritte übertragbares Nutzungsrecht an Inhalten eingeräumt erhält, die der Nutzer auf die Plattform lädt. Dies ist insbesondere im Hinblick auf § 16 UrhG und § 19a UrhG erforderlich, d.h. für die Speicherung auf dem Server und für die Abrufbarkeit im Internet3. Üblich (und umstritten) sind Klauseln, die den Betreiber ausdrücklich berechtigen, Inhalt auch nach Beendigung des Nutzungsvertrages auf der Plattform zu verbreiten4. 6. Haftungsbeschränkung
784
Nach dem Postbank-Urteil des BGH5, verstoßen Klauseln gegen § 309 Nr. 7 BGB, die die Verantwortlichkeit des Betreibers für die störungsfreie Funktionsfähigkeit der Plattform nur zu einem bestimmten Prozentsatz begründen. Ratsam und unbedenklich ist jedoch ein klarstellender Hinweis, dass eine Verantwortung für Störungen nicht übernommen wird, deren Gründe außerhalb des Einflussbereiches des Betreibers liegen.6 Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit kann zudem in den Grenzen des § 309 Nr. 7 BGB beschränkt werden.
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BGH vom 12.11.2009 – I ZR 166/07, marions-kochbuch.de, Rz. 23, 26, 27, 32. Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41. BGH vom 12.12.2000 – XI ZR 138/00 – Postbank, Rz. 20. Härting/Schätzle, ITRB 2011, 40, 41.
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E. Fernabsatzrecht
I. Anwendungsbereich. . . . . . . . . 1. Unternehmer und Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbraucher (§ 13 BGB) . . . . b) Unternehmer (§ 14 BGB) . . c) „Dual Use“. . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten bei Ebay. . . 2. Waren oder Dienstleistungen 3. Vertragsschluss per Fernkommunikationsmittel . . . . . . . . . . 4. Vertriebs- oder Dienstleistungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahmen (§ 312b Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fernunterrichts- und Teilzeit-Wohnrechte-Verträge . b) Versicherungsverträge. . . . . c) Bau- und Immobilienverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs . . . . . . . . . e) Touristische Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Warenautomaten; öffentliche Fernsprecher . . . . . . . . 6. Besonderheiten bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . II. Informationspflichten . . . . . . . 1. Vorvertragliche Informationspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtzeitigkeit . . . . . . . . . . . b) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Klarheit und Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inhalt der Pflichtangaben . . aa) Informationen zum Unternehmer . . . . . . . . . bb) Wesentliche Merkmale des Produkts und Vertragsschlusses . . . . . . . . cc) Leistungsvorbehalte und Mindestlaufzeit. . . dd) Preisangaben . . . . . . . . . ee) Liefer- und Versandkosten. . . . . . . . . . . . . . . . ff) Liefer- und Zahlungsbedingungen . . . . . . . . . . gg) Widerrufs- und Rückgaberecht . . . . . . . . . . . . .
Rz. 787
Rz.
791 792 795 801 805 814 816 2. 822 829 831 834 836
3. 4.
838
5.
842 848 850 852 856 859 865 878 883 885 892 898 901 903 909 911
hh) Fernkommunikationskosten; Gültigkeitsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Besondere Informationspflichten für Finanzdienstleistungen. . e) Pflichtangaben beim E-Commerce . . . . . . . . . . . . . f) Verhältnis zum AGBRecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . a) Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hervorhebung . . . . . . . . . . . . d) Ausnahme gemäß Art. 246 § 2 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . Übersendung einer Urkunde . Informationspflichten im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312d BGB) . . . . . . . . . . 1. Gesetzliches Widerrufsrecht . a) Beginn der Widerrufsfrist . . aa) Erfüllung der nachvertraglichen Informationspflichten . . . . . . . . . . bb) Widerrufsbelehrung . . . (1) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Musterbelehrung. . . . . . (4) Einzelfragen . . . . . . . . . . cc) Eingang der Ware beim Verbraucher . . . . . . . . . . b) Ende der Widerrufsfrist . . . . aa) Normalfristen . . . . . . . . bb) „Ewiges“ Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erlöschen bei Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sammelausnahme: § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sonderanfertigungen . . (2) Ungeeignetheit für eine Rücksendung . . . .
925 928 935 937 938 941 946 953 957 962 965 978 979 980 984 986 988 989 990 993 997 1001 1008 1009 1014 1018 1020 1022 1023 1026
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E. Fernabsatzrecht
(3) Verderbliche Waren . . . bb) Entsiegelte Datenträger. . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitungsabonnements. dd) Wett- und Lotteriegeschäfte . . . . . . . . . . . . . ee) Versteigerungen. . . . . . . ff) Spekulative Verträge . . gg) Telekommunikative Dienste. . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliches Widerrufsrecht . 3. Ausübung des Widerrufsrechts und Widerrufsfolgen . . a) Widerrufserklärung . . . . . . . b) Rückgewähr . . . . . . . . . . . . . .
785
Rz. 1034 1042 1053 1056 1059 1065 1070 1072 1075 1075 1077
c) Rücksendekosten . . . . . . . . . d) Hinsendekosten . . . . . . . . . . e) Einschränkungen des Widerrufsrechts. . . . . . . . . . . f) Wertersatz. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nutzungsersatz bei Waren . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nutzungsersatz bei Dienstleistungen. . . . . . cc) Verschlechterung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . 4. Rückgaberecht . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1080 1088 1090 1092 1093 1098 1103 1106 1114
E-Commerce ist der Vertrieb von Waren und Dienstleistungen im Fernabsatz. Das Fernabsatzrecht ist daher vielfach auf Online-Verträge anwendbar. Geregelt ist das Fernabsatzrecht in den §§ 312b ff. BGB. Û Verbraucherrechterichtlinie
786
Am 14.6.2013 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz1 zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie2 beschlossen. Es tritt am 13.6.2014 in Kraft und reicht von kleinen Wortänderungen bis hin zu grundlegenden Neuregelungen von Normen der sog. „besonderen Vertriebsformen“ (§§ 312 ff. BGB).
I. Anwendungsbereich 787
Der Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts wird in § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB definiert. Das Fernabsatzrecht gilt für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über Waren oder Dienstleistungen (einschließlich Finanzdienstleistungen), soweit der Vertragsschluss ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt. Eine Ausnahme gilt, wenn der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wird. Û Verbraucherrechterichtlinie
788
§ 312b Abs. 1 Satz BGB entspricht dem neuen § 312c Abs. 1 BGB. Fernabsatzverträge sind danach Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss aus1 Gesetzesentwurf BT-Drs. 17/12637. 2 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011.
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I. Anwendungsbereich
schließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Neu an dieser Definition ist vor allem die Klarstellung, dass das Fern- 789 absatzrecht keine Anwendung findet, wenn die Vertragsverhandlungen nicht aus der Ferne, sondern im Ladenlokal oder anderweitig mit persönlichem Kontakt geführt worden sind.
Übersicht:
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Fernabsatzvertrag – Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher; – Vertrag über Waren oder Dienstleistungen; – Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln; – Ausnahme: Fehlen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebsoder Dienstleistungssystems; – § 312b Abs. 3 BGB: Bereichsausnahmen.
1. Unternehmer und Verbraucher Das Fernabsatzrecht ist Verbraucherschutzrecht; es gilt daher nur im Ver- 791 hältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher. Der Privatverkauf ist vom Fernabsatzrecht ebenso wenig erfasst wie Verträge zwischen Unternehmern. a) Verbraucher (§ 13 BGB) Gemäß § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein 792 Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann1. Der Verbraucherschutz setzt demnach voraus, dass eine natürliche Person zu privaten Zwecken einen Vertrag schließt2. Û Verbraucherrechterichtlinie
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Verbraucher ist nach neuem Recht jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB n.F.). 1 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 21 ff.; Elßner/Schirmbacher, VuR 2003, 247 ff. 2 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 23; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2050.
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E. Fernabsatzrecht
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Damit wird klargestellt, dass es in Fällen, in denen gemischte Zwecke vorliegen, auf eine Schwerpunktsbetrachtung ankommt. Im Zweifel handelt ein Vertragspartner als Verbraucher. b) Unternehmer (§ 14 BGB)
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Unternehmer ist nach der Definition des § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft1, die bei dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dieser Definition unterfallen juristische Personen des öffentlichen Rechts ebenso wie Kapital- und Personenhandelsgesellschaften sowie Freiberufler2. Dasselbe gilt für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die gewerblich oder selbständig (frei)beruflich tätig werden3.
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Unter einer gewerblichen Tätigkeit gemäß § 14 Abs. 1 BGB versteht man das dauerhafte, entgeltliche und planmäßige Anbieten von Waren oder Dienstleistungen am Markt4. Ein dauerhaft-planmäßiges Auftreten am Markt reicht für eine unternehmerische Tätigkeit auch dann aus, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt5. Im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes kann es bei der Auslegung des § 14 Abs. 1 BGB nur auf objektive Kriterien ankommen. Welche Absichten ein Anbieter am Markt verfolgt, ist aus Sicht des schutzbedürftigen Verbrauchers unerheblich6.
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Für ein unternehmerisches Handeln reicht es aus, wenn das Rechtsgeschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen wird. Auch der Existenzgründer ist Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB. Es besteht kein Anlass, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit entschieden hat und Geschäfte abschließt, die diese Tätigkeit vorbereiten7.
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Auch derjenige, der lediglich ein Kleingewerbe betreibt, ist ein Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB. Dabei kommt es nicht darauf an, ob mit dem Gewerbe tatsächlich Gewinn erzielt wird, erst recht nicht darauf, ob die
1 Kritisch Flume, ZIP 2000, 1427, 1428; Hensen, ZIP 2000, 1151. 2 Härting, FernAbsG, Einl. Rz. 59 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312b Rz. 13. 3 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 14 Rz. 3. 4 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 14 Rz. 2; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3377 f.; Meyer, K&R 2007, 572 f. 5 BGH vom 29.3.2006, NJW 2006, 2250, 2251; Fischer, WRP 2008, 193, 195; Meyer, K&R 2007, 572, 577; Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 376. 6 BGH vom 29.3.2006, NJW 2006, 2250, 2251. 7 BGH vom 24.2.2005, K&R 2005, 326; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3377.
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I. Anwendungsbereich
Einkünfte aus dem Kleingewerbe geeignet sind, den Lebensunterhalt des Gewerbetreibenden zu decken1. Die Beweislast2 für die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners 799 liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft3. Nicht jedes Geschäft, das ein Unternehmer tätigt, erfolgt im Rahmen sei- 800 ner gewerblichen bzw. selbständigen beruflichen Tätigkeit. Die Rechtsanwältin, die einen Satellitenempfänger bestellt, handelt daher als Verbraucherin, wenn die Empfangsanlage in ihren Privaträumen installiert werden soll4. c) „Dual Use“ Die Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Handeln fällt 801 bei Gegenständen schwer, die für beide Zwecke nutzbar sind („Dual Use“) und richtet sich danach, welcher Zweck bei Vertragsschluss erkennbar im Vordergrund stand5. Maßgeblich ist eine objektive Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Erklärungen der Parteien und der sonstigen Umstände bei Vertragsschluss. Subjektive Vorstellungen des Käufers, die für den Verkäufer nicht erkennbar sind, spielen keine Rolle6. Aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formulierung des zweiten 802 Halbsatzes der Vorschrift des § 13 BGB wird deutlich, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden sind. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist7. Für ein unternehmerisches Handeln reicht nach Auffassung des BGH bei 803 einer Rechtsanwältin die Angabe einer beruflichen Rechnungs-, Lieferund E-Mail-Adresse nicht aus8. Ebenso wenig soll es bei einem Autokauf für ein Handeln als Unternehmer genügen, wenn der Käufer eine Teilflä1 LG Arnsberg vom 22.12.2011 – 9 O 12/11, Rz. 3. 2 Vgl. Fischer, WRP 2008, 193, 195. 3 AG Gemünden a.M. vom 13.1.2004 – 10 C 1212/03, JurPC Web-Dok. 95/2006; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378. 4 AG Siegburg vom 23.2.2005, NJW-RR 2005, 1583. 5 Vgl. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378. 6 OLG Karlsruhe vom 6.10.2011 – 9 U 8/11, Rz. 25. 7 BGH vom 30.9.2009, K&R 2010, 37, 38 f. mit Anm. Buchmann = MMR 2010, 92 f. mit Anm. Föhlisch. 8 BGH vom 30.9.2009, K&R 2010, 37, 38 f. mit Anm. Buchmann = MMR 2010, 92 f. mit Anm. Föhlisch; a.A. LG Hamburg vom 16.12.2008, CR 2009, 261, 262 (Vorinstanz).
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E. Fernabsatzrecht
che des Fahrzeugs für einen Werbeaufkleber nutzt und hiermit Gewinn erzielt1. 804
Bei einem gemischt genutzten Fahrzeug kommt es für die Verbrauchereigenschaft darauf an, ob die Nutzung als Firmenfahrzeug überwiegt. Nur dann liegt kein Handeln als Verbraucher vor2. d) Besonderheiten bei Ebay
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Die Internetauktions-Plattform Ebay hat sich als Sprungbrett in eine gewerbliche Tätigkeit erwiesen. Dabei ist die Abgrenzung zwischen (noch) privater und (schon) gewerblicher Tätigkeit schwierig3.
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Als Leitlinie lässt sich der Maßstab anlegen, ob ein gelegentlicher Verkauf privater Gegenstände oder eine beständige Nutzung von Ebay als Verkaufsplattform vorliegt4. Wer hin und wieder seinen privaten Keller ausräumt und die „Fundstücke“ bei Ebay versteigert, handelt sporadisch und nicht planmäßig, auch wenn er noch so viele Gegenstände versteigert5. Wer dagegen über einen längeren Zeitraum Marmelade kocht und über Ebay versteigert, handelt planmäßig-gewerblich, auch wenn die Umsätze bescheiden sind.
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Wer sich selbst als Unternehmer bezeichnet, muss es sich gefallen lassen, dass Regelungen angewendet werden, die für Unternehmer gelten. Daher gilt für den Ebay-Powerseller eine tatsächliche Vermutung unternehmerischen Handelns6. Diese Vermutung wird indes nur durch den Powerseller-Status begründet, nicht bereits dadurch, dass ein Ebay-Nutzer die von Ebay festgelegten Powerseller-Kriterien erfüllt. Nicht die EbayNutzungsbedingungen sind für den Unternehmerstatus maßgebend7, sondern ausschließlich das Auftreten des Anbieters als Powerseller, da dies gegenüber dem Verbraucher ein dauerhaft-planmäßiges und somit unternehmerisches Handeln zum Ausdruck bringt. 1 LG Köln vom 15.5.2008 – 37 O 1054/07; LG Wuppertal vom 5.11.2008 – 3 O 220/08. 2 Vgl. LG Wuppertal vom 24.6.2008 – 5 O 13/08. 3 Vgl. LG Hof vom 29.8.2003, CR 2003, 854 = VuR 2004, 109; LG Schweinfurt vom 30.12.2003, WRP 2004, 654; AG Gemünden a.M. vom 13.1.2004 – 10 C 1212/03. 4 Vgl. Meyer, K&R 2007, 572, 574 ff. 5 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 15. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, CR 2006, 689, 690; OLG Koblenz vom 17.10.2005, NJW 2006, 1438; OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005, 1006; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 7 A.A. LG Coburg vom 19.10.2006, CR 2007, 191 = MMR 2007, 399, 400 = K&R 2007, 106, 107; AG Bad Kissingen vom 4.4.2005, NJW 2005, 2463; Fischer, WRP 2008, 193, 196.
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I. Anwendungsbereich
Ist der Versteigerer kein Powerseller und bestehen die Angebote des Ver- 808 steigerers auch nicht vorwiegend aus Neuware, so kommt es bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BGB auf andere, schwächere Indizien an. Derartige Kriterien sind eine hohe Anzahl von Angeboten1, ein längerer Zeitraum der kontinuierlichen Nutzung von Ebay für Verkaufsangebote2, die Anzahl von Bewertungen3, die Verwendung unternehmenstypischer Hilfsmittel wie Allgemeiner Geschäftsbedingungen4, die Einrichtung eines Ebay-Shops5 sowie der Ankauf von Ware zum Weiterverkauf6. Umgekehrt lassen indes ein Überwiegen der Ankäufe über die Verkäufe und ein damit verbundener Nettoverlust nicht auf ein Handeln als Verbraucher schließen7. Wer bei Ebay innerhalb weniger Wochen 18 Schmuckstücke, acht Hand- 809 taschen, vier Sonnenbrillen und drei Paar Schuhe zum Verkauf anbietet und mehr als 25 Bewertungen von Käufern erhalten hat, handelt als Unternehmer8. Das „Aufräumen eines Kleiderschrankes“ reicht für eine unternehmeri- 810 sche Tätigkeit nicht aus. Von einem solchen „Aufräumen“ kann indes nach Auffassung des LG Hannover nicht die Rede sein, wenn eine Vielzahl neuer Bekleidungsstücke bei Ebay versteigert wird9. Das Angebot neuer Ware ist ein Indiz für ein planmäßiges Handeln des Versteigerers10, das die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BGB erfüllt. Wenn der Versteigerer sich hingegen darauf beschränkt, Gegenstände zu verkaufen, die „im Haushalt nicht mehr benötigt“ werden, spricht dies gegen ein unternehmerisches Tätigwerden11.
1 OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005, 1006; LG Berlin vom 5.9.2006, MMR 2007, 401; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 3 OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, CR 2006, 689, 690; LG Hanau vom 28.9.2006, MMR 2007, 339; AG Wernigerode vom 22.2.2007, MMR 2007, 402, 403. 4 Vgl. OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005; LG Coburg vom 19.10.2006, CR 2007, 191, 192 = MMR 2007, 399, 400 = K&R 2007, 106, 107; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585. 6 OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005, 1006; LG Berlin vom 5.9.2006, MMR 2007, 401; LG Hanau vom 28.9.2006, MMR 2007, 339; LG München I vom 7.4.2009, MMR 2009, 504 (Ls.). 7 A.A. LG Coburg vom 19.10.2006, CR 2007, 191, 192 = MMR 2007, 399, 400 = K&R 2007, 106, 107. 8 BGH vom 4.12.2008, CR 2009, 538, 539 = K&R 2009, 467, 469 – Ohrclips. 9 LG Hannover vom 15.4.2005, WRP 2005, 1194. 10 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 22.12.2004, NJW 2005, 1438; LG Berlin vom 5.9.2006, MMR 2007, 401. 11 A.A. AG Bad Kissingen vom 4.4.2005, NJW 2005, 2463.
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E. Fernabsatzrecht
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Wer „tonnenweise Hardware“ anbietet, bringt damit die Absicht nicht nur gelegentlichen Handelns zum Ausdruck1. Die private Sphäre wird zudem verlassen, wenn zahlreiche gleichartige Waren in kürzeren zeitlichen Abständen gekauft oder verkauft werden2. Daher findet § 14 Abs. 1 BGB Anwendung.
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Ist ein Verkäufer in den „Gelben Seiten“ als gewerblicher Händler eingetragen, kann er sich bei Verkäufen über eine Internetplattform nicht darauf berufen, nur Privatverkäufe zu tätigen, sofern die Verkäufe im Zusammenhang mit seinem eingetragenen Geschäft stehen.3.
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Auch wenn Waren angeboten werden, die aus einer privaten Sammlung stammen, können die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BGB vorliegen. Verkäufe aus einem privaten Bestand sind zwar grundsätzlich dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen. Wenn jedoch eine kontinuierliche Verkaufstätigkeit über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr vorliegt und eine Sammlung verkauft wird, die weit über 100 000 Stück umfasst, wird die Grenze zu einem planmäßigen, auf eine gewisse Dauer angelegten Anbieten entgeltlicher Leistungen überschritten4. 2. Waren oder Dienstleistungen
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Das Fernabsatzrecht gilt für Warenlieferungen und für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen. Der Begriff der Dienstleistung ist dabei weit zu verstehen und umfasst neben Dienstverträgen auch beispielsweise Werkverträge, Geschäftsbesorgungs- und Mietverträge5, nicht aber Bürgschaften6.
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Auch Finanzdienstleistungen sind vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts erfasst. Gemäß § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB sind Finanzdienstleistungen Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersvorsorge von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Da Versicherungsverträge in § 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts ausgenommen werden, ist deren Erwähnung befremdlich7.
1 2 3 4 5
OLG Hamburg vom 27.2.2007, WRP 2008, 522 (Ls.). LG Leipzig vom 18.10.2005, WRP 2006, 617. OLG Hamm vom 18.3.2010 – 4 U 177/09, Rz. 16 f. OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 30; vgl. auch Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1274; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917. 6 OLG Dresden vom 30.1.2009 – 8 U 1540/08. 7 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 40; Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1778.
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I. Anwendungsbereich
3. Vertragsschluss per Fernkommunikationsmittel Das prägende Merkmal eines Fernabsatzvertrages ist die ausschließliche 816 Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Anbahnung und Abschluss des Vertrages. Fernkommunikationsmittel sind nach § 312b Abs. 2 BGB alle Kommuni- 817 kationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können. Als Beispiele führt das Gesetz Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telefaxe, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste auf. Der Beispielskatalog des § 312b Abs. 2 BGB ist nicht abschließend zu verstehen1. Ein Fernabsatzvertrag liegt nur vor, wenn der Vertrag unter ausschließ- 818 licher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird. Dies bedeutet zunächst, dass die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen unter Abwesenden abgegeben wurden. Nach einhelliger Meinung muss jedoch das Zustandekommen des Vertrages in die Betrachtungen mit einbezogen werden2. Die Regeln über Fernabsatzgeschäfte sind daher nicht anwendbar, wenn im Verlauf des vertragsrechtlichen Kontinuums von der Anbahnung des Vertrages bis zum Vertragsschluss ein direkter Kontakt zwischen den vor Ort gleichzeitig körperlich anwesenden Vertragsparteien stattgefunden hat. Ob ein Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunika- 819 tionsmitteln geschlossen worden ist, ist eine Frage, die einer wertenden Betrachtung unterliegt. Dabei ist der Sinn und Zweck des Fernabsatzrechts zu berücksichtigen, der darin liegt, den Verbraucher vor Nachteilen zu schützen, die daraus resultieren, dass er vor Vertragsschluss weder die vom Vertragspartner angebotene Ware oder Dienstleistung noch den Vertragspartner selbst sehen und prüfen konnte3. Bestand im Zuge der Vertragsanbahnung eine solche Möglichkeit, so liegt auch dann kein Fernabsatzgeschäft vor, wenn die Vertragserklärungen per E-Mail oder auf andere Weise im Wege der Fernkommunikation ausgetauscht wurden4. 1 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 31; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1420; Lorenz, JuS 2000, 833, 838; Tonner, BB 2000, 1413, 1416; Wegner, NJ 2000, 407. 2 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 69; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 31; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rz. 61; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312b Rz. 42; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312b Rz. 46; Grünberg in Palandt, § 312b Rz. 8; vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/2658, S. 30 f. 3 Erwägungsgrund 14 FARL; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 15 f.; vgl. auch Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rz. 302; Dickie, JCP 21 (1998), 217, 217 f. 4 Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 69; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rz. 61; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312b Rz. 42; Micklitz/Schirmbacher in
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E. Fernabsatzrecht
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Dem Abschluss eines Fernabsatzvertrages steht nicht entgegen, dass der Verbraucher geraume Zeit vor Vertragsschluss das Ladenlokal des Verkäufers aufgesucht hat. Um die §§ 312b ff. BGB auszuschließen, ist entscheidend, ob sich der Verbraucher während des Anbahnungskontakts über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände informiert hat und der Vertrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem persönlichen Kontakt zustande gekommen ist. Liegen zwischen dem Vertragsabschluss per E-Mail und dem persönlichem Kontakt mehr als eineinhalb Monate, ist ein unmittelbar zeitlicher Zusammenhang nicht mehr gegeben1.
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Umgekehrt lässt sich das Fernabsatzrecht nicht dadurch umgehen, dass die gesamte Vertragsanbahnung aus der Ferne erfolgt, der Vertragsschluss jedoch so organisiert wird, dass die Vertragserklärung für den Unternehmer erst zeitgleich mit der Warenlieferung abgegeben wird2. Eine entsprechende Konstruktion haben Unternehmer vereinzelt gewählt, um dem Fernabsatzrecht zu entgehen. Der Postbedienstete, der die Ware (z.B. das Mobiltelefon) auslieferte, wurde vom Unternehmer bevollmächtigt, die vertragliche Annahmeerklärung abzugeben. Dies eröffnete das Argument, es fehle an einem Fernabsatzvertrag, da die Annahme nicht aus der Ferne, sondern unter Anwesenden erklärt werde3. Bei wertender Betrachtung kann die Verzögerung des Vertragsschlusses, die ausschließlich der Umgehung des Fernabsatzrechts dienen soll, nichts daran ändern, dass aus Sicht des Verbrauchers Vertragsanbahnung und Vertragsschluss aus der Distanz erfolgen. Der Postbedienstete ist mangels jeglichen Spielraums bei der Abgabe der Willenserklärung als bloßer Erklärungsbote anzusehen. Er ist nicht befugt und in aller Regel auch nicht in der Lage, den Kunden der Beklagten über die Vertragsleistung Auskunft zu geben. Auch die Übermittlung einer Vertragserklärung durch einen solchen Boten erfüllt die Voraussetzungen eines ausschließlich per Fernkommunikationsmittel geschlossenen Vertrages4. 4. Vertriebs- oder Dienstleistungssystem
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Das Fernabsatzrecht ist nicht anwendbar, wenn der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleis-
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Spindler/Schuster, § 312b Rz. 44; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312b Rz. 53; Grüneberg in Palandt, § 312b Rz. 8; Marx, WRP 2000, 1227, 1229; Riehm, Jura 2000, 505, 508; vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/2658, S. 30 f. AG Frankfurt a.M. vom 6.6.2011 – 31 C 2577/10, Rz. 22. OLG Schleswig vom 28.8.2003, NJW 2004, 231 = CR 2004, 300; a.A. LG Flensburg vom 16.11.2001 – 4 O 128/01. Vgl. OLG Schleswig vom 28.8.2003, NJW 2004, 231 = CR 2004, 300; LG Flensburg vom 16.11.2001 – 4 O 128/01. BGH vom 21.10.2004, NJW 2004, 3699, 3700; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 33; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1337.
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I. Anwendungsbereich
tungssystems geschlossen wird. Das Gesetz möchte hierdurch ausschließen, dass einen Unternehmer die harten Rechtsfolgen des Fernabsatzrechts treffen, wenn er nur sporadisch Bestellungen per Fernkommunikation entgegennimmt1. Im Zweifel hat der Unternehmer zu beweisen, dass kein für den Fern- 823 absatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorliegt2. Zur Abgrenzung zwischen „gelegentlichen“ und „systematischen“ Dis- 824 tanzgeschäften ist darauf abzustellen, ob der Unternehmer innerhalb seines Betriebs einen eigenen Vertriebskanal für den Fernabsatz eingerichtet hat3. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer Fernkommunikationsmittel wie z.B. Kataloge, Rundfunkwerbung oder Handzettel zur Massenwerbung nutzt und zugleich Verbraucher dazu auffordert, im Wege der Fernkommunikation Bestellungen vorzunehmen4. Wirbt der Unternehmer mit der Möglichkeit der Bestellung per E-Mail oder Internet, spricht dies für das Bestehen eines Fernabsatzsystems gemäß § 312b Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz BGB5. Dabei muss nicht nur irgendein Fernabsatzsystem bestehen, sondern eines, das auf das jeweilige Fernkommunikationsmittel ausgerichtet ist. Wer z.B. grundsätzlich nur am Telefon kontrahiert, braucht das Fernabsatzrecht nicht zu beachten, wenn er ausnahmsweise eine E-Mail-Bestellung entgegennimmt6. Werden Waren und Dienstleistungen über Internetplattformen wie Ebay 825 oder auch mobile.de angeboten, so reicht die einmalige bzw. sporadische Nutzung der Plattform noch nicht aus, um ein „systematisches“ Handeln des Unternehmers zu bejahen. Wenn indes ein Kraftfahrzeughändler pro Jahr 10 bis 20 Fahrzeuge über eine Online-Plattform anbietet, genügt dies zur Annahme eines planmäßig genutzten Vertriebskanals7. Die Nutzung eines Vertriebskanals wie Ebay führt nur dann zur Anwen- 826 dung des Fernabsatzrechts, wenn sich die Angebote des Unternehmers nicht nur an andere Unternehmer, sondern auch an Verbraucher (§ 13 BGB) richten. Der Unternehmer hat daher grundsätzlich die Möglichkeit, das Fernabsatzrecht dadurch auszuschließen, dass er nur mit ande-
1 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 30; Bülow/ Artz, NJW 2000, 2049, 2053; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1421. 2 Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 88 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rz. 80. 3 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 75; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 35; Neises, NZM 2000, 889, 891. 4 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 75; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 918; Piepenbrock/Schmitz, K&R 2000, 378, 379. 5 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 79; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 35; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1420 f.; Lorenz, JuS 2000, 833, 838; Meents, CR 2000, 610, 611. 6 Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 86. 7 LG Stendal vom 23.1.2007 – 22 S 138/06.
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E. Fernabsatzrecht
ren Unternehmern kontrahiert. Der Verbraucher, der unter Vorspiegelung unternehmerischen Handelns in einem solchen Fall Bestellungen tätigt, kann sich auf die Schutzbestimmungen des Fernabsatzrechts nicht berufen (§ 242 BGB: venire contra factum proprium)1. 827
Eine formularmäßige Bestätigung des Kunden, nicht Unternehmer zu sein, mag für einen Ausschluss von Verbrauchern aus dem Kundenkreis nicht genügen2. Zu weit geht es jedoch, vom Unternehmer, der seinen Kundenkreis einschränken möchte, die Anforderung von Nachweisen über die Unternehmereigenschaft der Kunden zu verlangen3.
828 Û Praxistipp: Wer als Unternehmer Verbraucher aus seinem Kundenkreis ausschließen und dadurch die Anwendung des Fernabsatzrechts vermeiden möchte, sollte entsprechende Hinweise klar und unmissverständlich und in hervorgehobener Weise auf seine Website aufnehmen.
5. Ausnahmen (§ 312b Abs. 3 BGB) 829
§ 312b Abs. 3 BGB enthält höchst unterschiedliche Ausnahmefälle, in denen das Fernabsatzrecht nicht anwendbar ist4. Dies gilt vor allem bei Geschäften, bei denen die Erfüllung von Informationspflichten und die Einräumung eines Widerrufsrechts nicht praktikabel oder für den Unternehmer unzumutbar sind5. Û Verbraucherrechterichtlinie
830
Vollständig neu ist die Ausnahme für Behandlungsverträge nach § 630a BGB (§ 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB n.F.). a) Fernunterrichts- und Teilzeit-Wohnrechte-Verträge
831
Nicht unter das Fernabsatzrecht fallen Verträge, die in den Anwendungsbereich anderer Verbraucherschutzgesetze fallen, die ein höheres oder gleichwertiges Schutzniveau bieten. Dies ist bei Fernunterrichtsverträgen (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB) und Teilzeit-Wohnrechte-Geschäften (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 2 BGB) der Fall.
1 Vgl. BGH vom 22.12.2004, NJW 2005, 1045 ff.; OLG Hamm vom 28.2.2008, K&R 2008, 379, 380 = MMR 2008, 469, 470 ff. 2 Vgl. OLG Hamm vom 28.2.2008, K&R 2008, 379, 380 f. = MMR 2008, 469, 470 ff. 3 A.A. OLG Hamm vom 20.9.2011 – 4 U 73/11, Rz. 31; Kastner/Tews, WRP 2005, 1335, 1338. 4 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 37 ff. 5 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312b Rz. 69.
208
I. Anwendungsbereich
Û Verbraucherrechterichtlinie Die Ausnahme für Fernunterrichtsverträge entfällt. In § 3 Abs. 2 und 832 § 4 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) werden Verweisungen aufgenommen, die klarstellen, dass das Fernabsatzrecht Anwendung findet. Die Ausnahme für Teilzeit-Wohnrechte-Geschäfte gilt nahezu unver- 833 ändert fort (§ 312 Abs. 2 Nr. 6 BGB n.F.). b) Versicherungsverträge Nach § 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB gelten die Vorschriften über Fernabsatzver- 834 träge nicht für Versicherungsverträge und deren Vermittlung. Der Fernabsatz von Versicherungen ist allerdings im Wesentlichen identischen Regelungen unterworfen, die in den §§ 7 ff. VVG Platz gefunden haben. Û Verbraucherrechterichtlinie Die Ausnahme für Versicherungsverträge gilt nach § 312 Abs. 6 n.F. 835 im Wesentlichen unverändert fort. c) Bau- und Immobilienverträge Gemäß § 312b Abs. 3 Nr. 4 BGB sind Bau-1 und Immobilienverträge vom 836 Fernabsatzrecht ausgenommen, wobei die Immobilienfinanzierung nicht unter die Ausnahmebestimmung fällt2. Û Verbraucherrechterichtlinie Ausnahmen für Bau- und Immobilienverträge finden sich in § 312b 837 Nr. 2 und 3 BGB n.F. Neu ist die Ausnahme für erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden in § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F. Die übrigen Änderungen dürften im Wesentlichen redaktionell bedingt sein. d) Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs Die Ausnahme des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt für die Lieferung von Ge- 838 tränken, Lebensmitteln und anderen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, Aufenthaltsort oder Arbeitsplatz eines Verbrauchers im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden. Gemeint sind somit die Geschäfte fliegender Händler3. Prototy1 Kritisch Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 41; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 918; Riehm, Jura 2000, 505, 509. 2 Vgl. EuGH vom 13.12.2001, NJW 2002, 281 = EuZW 2002, 84 mit Anm. Reich/ Rörig – Heininger; Rott, VuR 2002, 49, 49 ff. 3 BT-Drucks. 14/2658, S. 33; vgl. auch Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 126; Roth, JZ 2000, 1013, 1016; kritisch Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 925.
209
E. Fernabsatzrecht
pen der Ausnahmevorschrift sind die Pizzalieferung1 und der Lieferdienst eines Getränkemarktes2. 839
Um eine sinnwidrige Aushöhlung des Fernabsatzrechts zu vermeiden, ist der Begriff des Haushaltsgegenstandes des täglichen Bedarfs mit Augenmaß auszulegen. Angesichts der Gleichstellung der Haushaltsgegenstände mit Lebensmitteln und Getränken kommen nur verbrauchbare Güter in Betracht3. Eine Digitalkamera ist daher nicht von § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB erfasst4.
840
Auch Zeitschriftenabonnements fallen nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB, da es sich bei Zeitschriften nicht um Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs handelt5. Zudem liegt keine „Lieferung im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten“ vor, wenn der Verlag nicht selbst die Lieferung vornimmt6. Û Verbraucherrechterichtlinie
841
Die Ausnahme für Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs findet sich unverändert in § 312 Abs. 2 Nr. 8 BGB n.F. e) Touristische Dienstleistungen
842
Die Fernabsatzrichtlinie erlaubt eine Ausnahme für primär touristische Dienstleistungen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinienausnahme nahezu wortgleich in das deutsche Recht übernommen (§ 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB)7. Nicht anwendbar ist das Fernabsatzrecht danach auf Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Unterhaltung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen.
843
Aus dem Sinn und Zweck der Norm sowie den Begründungserwägungen des Gesetzgebers ergibt sich, dass mit Unterbringung nur die vorübergehende touristische Unterbringung, nicht aber andere Wohnraum-Miet-
1 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312b Rz. 78; Bodewig, DZWir 1997, 447, 450; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 918; Wendehorst, DStR 2000, 1311, 1314. 2 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312b Rz. 80. 3 Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 130; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 925. 4 LG Kleve vom 22.11.2002, CR 2003, 773 = NJW-RR 2003, 196 = MMR 2003, 424. 5 BGH vom 9.6.2011 – I ZR 17/10 – Computer-Bild, Rz. 6; OLG Hamburg vom 17.12.2009 – 3 U 55/09, Rz. 53. 6 BGH vom 9.6.2011 – I ZR 17/10 – Computer-Bild, Rz. 6; OLG Hamburg vom 17.12.2009 – 3 U 55/09, Rz. 57. 7 Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 33.
210
I. Anwendungsbereich
verträge gemeint sind. Beförderung ist jede Form des organisierten Transportes1. Dabei ist es unerheblich, ob der Verbraucher transportiert wird oder selbst die Steuerung übernimmt. Auch Automietverträge fallen unter die Ausnahme, da die Unternehmen bei solchen Verträgen Vorkehrungen für die Erbringung der vereinbarten Leistung zu dem bei der Bestellung festgelegten Zeitpunkt treffen müssen und folglich im Stornierungsfall die gleichen Nachteile haben wie andere Unternehmen aus dem Beförderungssektor2. Besonders konturlos ist der Begriff der Freizeitveranstaltungen. Er erfasst 844 beispielsweise die Online-Bestellung von Konzertkarten3 oder den Kauf einer Eintrittskarte für eine Kinovorstellung über das Telefon4 oder das Internet. Internet-Ticketagenturen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts. Die Ausnahme gilt nicht nur für den Ticketverkauf durch den Veranstalter, sondern auch für den Kauf beim Händler5. Ebenso wie beim Veranstalter besteht auch beim Händler das Bedürfnis, ein Widerrufsrecht und umfangreiche Informationspflichten auszuschließen, wenn es sich um eine Eintrittskarte für eine termingebundene Veranstaltung handelt. Voraussetzung für die Anwendung des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB ist stets 845 die Vereinbarung eines genauen Zeitpunkts oder Zeitraums für die Erbringung der Dienstleistungen. Hieran fehlt es, wenn ein Gutschein für die eintägige Anmietung eines Ferraris ausgestellt und eine Einlösung des Gutscheins innerhalb eines Jahres vereinbart wird, der genaue Zeitpunkt der Anmietung jedoch offen ist6. Auch das Angebot eines Online-Kurses zur Vorbereitung auf die theoreti- 846 sche Prüfung für den Sportbootführerschein fällt nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB, da keine Leistungserbringung zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegt7. Bei einem Deutsche Bahn-Ticket mit einer Gültigkeitsdauer von nahezu drei Monaten handelt es sich dagegen nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. um eine Dienstleistung mit Vereinbarung eines genauen Zeitraums für die Leistungserbringung, so dass kein Fernabsatzrecht gelten soll8.
1 2 3 4 5
Härting, FernAbsG, § 1 Rz. 149. EuGH vom 10.3.2005, NJW 2005, 3055, 3056. Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427, 429. Vgl. AG München vom 2.12.2005, MMR 2007, 743. AG München vom 2.12.2005, ITRB 2008, 83 f. (Stadler); a.A. AG Wernigerode vom 22.2.2007, MMR 2007, 402, 403. 6 AG Hamburg vom 7.6.2006 – 644 C 100/06. 7 OLG Hamm vom 21.2.2013 – I-4 U 135/12, Rz. 24 ff.; LG Bielefeld vom 5.6.2012 – 15 O 49/12, Rz. 14 (Vorinstanz). 8 OLG Frankfurt a.M. vom 15.4.2010 – 6 U 49/09.
211
E. Fernabsatzrecht
Û Verbraucherrechterichtlinie 847
Nach § 312 Abs. 2 Nr. 5 BGB n.F. sind Verträge über die Beförderung von Personen insgesamt von der Anwendung des Fernabsatzrechts ausgenommen. Dasselbe gilt nach § 312 Abs. 2 Nr. 4 lit. a BGB n.F. für Verträge über Pauschalreisen (Reiseleistungen nach § 651a BGB), wenn diese im Fernabsatz geschlossen werden. Für andere Verträge, für die derzeit noch § 312b bs. 3 Nr. 6 BGB gilt, gibt es in Zukunft lediglich eine Ausnahme vom Widerrufsrecht (§ 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BGB n.F.). f) Warenautomaten; öffentliche Fernsprecher
848
Gemäß § 312b Abs. 3 Nr. 7 lit. a BGB sind Verträge aus dem Anwendungsbereich der §§ 312b ff. BGB ausgenommen, die unter Verwendung von Warenautomaten oder automatisierten Geschäftsräumen geschlossen werden. § 312b Abs. 3 Nr. 7 lit. b BGB enthält eine entsprechende Ausnahme für Verträge mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln, die auf Grund der Benutzung von öffentlichen Fernsprechern geschlossen werden, soweit die Verträge die Benutzung von „öffentlichen Fernsprechern“ zum Gegenstand haben. Diese Vorschrift betrifft die Nutzung von öffentlichen Telefonzellen und Internetterminals; sie ist weder auf Downloads aus dem Internet1 noch auf Verträge über den Zugang zum Internet2 anwendbar. Û Verbraucherrechterichtlinie
849
Die Ausnahmen nach § 312b Abs. 3 Nr. 7 BGB gelten gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 9 und 10 BGB n.F. weitgehend unverändert fort. § 312 Abs. 2 Nr. 11 n.F. klammert zudem Verträge zur Nutzung einer einzelnen von einem Verbraucher hergestellten Telefon-, Internet- oder Telefaxverbindung (Call-by-Call) aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts aus. 6. Besonderheiten bei Dauerschuldverhältnissen
850
Insbesondere Finanzdienstleistungsverträge sind häufig Dauerschuldverhältnisse. Werden Transaktionen auf Grundlage solcher Dauerschuldverbindungen vorgenommen, wäre es unzweckmäßig, dem Dienstleister bei jeder einzelnen Transaktion Informationspflichten aufzuerlegen und dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einzuräumen. § 312b Abs. 4 BGB sieht daher vor, dass das Fernabsatzrecht nur für den Grundvertrag gelten soll
1 Vgl. LG Hamburg vom 21.12.2000, CR 2001, 475, 476. 2 Vgl. LG Hamburg vom 21.12.2000, CR 2001, 475, 476; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312b Rz. 88, Rz. 142.
212
II. Informationspflichten
und nicht für einzelne Transaktionen, die im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses vorgenommen werden1. Û Verbraucherrechterichtlinie Nach § 312 Abs. 5 BGB n.F. bleibt die Ausnahme für Dauerschuldver- 851 hältnisse unverändert bestehen, gilt jedoch nur noch für Finanzdienstleistungen.
II. Informationspflichten Die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten sind in § 312c BGB 852 i.V.m. Art. 246 §§ 1 und 2 EGBGB geregelt und überschneiden sich zum Teil mit den Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 EGBGB). Zu unterscheiden sind vor- und nachvertragliche Informationspflichten (Art. 246 § 1 bzw. § 2 EGBGB)2. Die vorvertragliche Information soll es dem Verbraucher ermöglichen, ei- 853 ne informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu treffen3. Zu diesem Zweck bedarf es grundsätzlich keiner bestimmten Form. Entscheidend ist, dass dem Verbraucher die Angaben zur Verfügung stehen und er sie für seine Vertragsentscheidung nutzen kann. Ob diese lediglich mündlich, auf einer Website, per SMS oder schwarz auf weiß gedruckt vorliegen, spielt keine Rolle. Eine Ausnahme gilt für Finanzdienstleistungen: Dort sind vorvertragliche Informationen in Textform zu erbringen (Art. 246 § 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB). Die nachvertragliche Information dient in erster Linie der dauerhaften 854 Verfügbarkeit der Information im Falle von Auseinandersetzungen nach dem Vertragsschluss. Nicht zuletzt aus Beweisgründen soll Klarheit darüber bestehen, mit wem über welches Produkt kontrahiert wurde und welche Rechte dem Verbraucher zustehen. Vor diesem Hintergrund ist es essentiell, dass die Informationen nicht flüchtig, sondern dauerhaft zur Verfügung stehen. Daher ist für die nachvertraglichen Informationen Textform (§ 126b BGB) vorgeschrieben.
1 Vgl. für die Richtlinie: Reich in Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, § 24 Rz. 17; Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 810; Koch/Maurer, WM 2002, 2443, 2481, 2490; Riesenhuber, WM 1999, 1441, 1443. 2 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 23.1.2003, MMR 2003, 403. 3 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38; vgl. auch Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rz. 306.
213
E. Fernabsatzrecht
Û Verbraucherrechterichtlinie 855
Neu sind Ausnahmen und Erleichterungen bei den Informationspflichten bei Verträgen über soziale Dienstleistungen und bei Verträgen über die Vermietung von Wohnraum (§ 312 Abs. 4 BGB n.F.). 1. Vorvertragliche Informationspflichten
856
§ 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB verpflichtet den Unternehmer zur vorvertraglichen Information des Verbrauchers. Hierbei ist es unerheblich, ob zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich ein Vertrag zustande kommt1. Die Verpflichtungen, die sich aus Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB ergeben, hat der Unternehmer ohne Rücksicht auf einen späteren Vertragsabschluss bei jeder Art der Vertragsanbahnung im Fernabsatz einzuhalten. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB reglementiert die Verbraucherwerbung2 und ist daher materiell dem Wettbewerbsrecht zuzuordnen. Û Verbraucherrechterichtlinie
857
858
Die vorvertraglichen Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen ergeben sich mit Wirkung zum 13.6.2014 aus § 312d Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. Art. 246a EGBGB n.F. bzw. (für Fernabsatzverträge) aus § 312d Abs. 2 BGB n.F. i.V.m. Art. 246b EGBGB n.F. Umfang und Inhalt der Informationspflichten bleiben im Wesentlichen gleich.
Übersicht: Vorvertragliche Information (§ 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 EGBGB) – Wann: – rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers; – bei Telefongesprächen bereits zu Beginn des Gesprächs (§ 312c Abs. 2 BGB). – Wie – in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise; – klar und verständlich; – nur bei Finanzdienstleistungen in Textform. – Was – die Einzelheiten des Vertrages gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB: – Identität des Unternehmers; 1 LG Magdeburg vom 29.8.2002, NJW-RR 2003, 409. 2 Härting, CR 2000, 691, 691 ff.; Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 150.
214
II. Informationspflichten
– öffentliches Unternehmensregister nebst Registernummer; – Identität eines Vertreters im Wohnsitzstaat des Verbrauchers; – Identität von gewerblich tätigen Personen, mit denen der Verbraucher zu tun haben wird, und die Eigenschaft, in der diese Person gegenüber dem Verbraucher tätig wird; – ladungsfähige Anschrift des Unternehmers; – ladungsfähige Anschrift der gewerblich tätigen Person, mit denen der Verbraucher zu tun haben wird; – bei juristischen Personen der Name eines Vertretungsberechtigten; – wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung; – Art und Weise, wie der Vertrag zustande kommt; – bei Dauerschuldverhältnissen die Mindestlaufzeit; – etwaige Leistungsvorbehalte; – Endpreis; – zusätzlich anfallende Steuern; – zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten; – Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung, Lieferung und Erfüllung; – Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts; – Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts; – besondere Fernkommunikationskosten; – Gültigkeitsdauer befristeter Angebote; – den geschäftlichen Zweck des Vertrages; – bei Finanzdienstleistungen zusätzlich: – die Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmers; – die für seine Zulassung zuständige Aufsichtsbehörde; – besondere mit der Finanzdienstleistung verbundene Risiken; – einen Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind; – die vertraglichen Kündigungsbedingungen; – den Mitgliedstaat, dessen Recht die Vertragsbeziehung zugrunde liegt; – die Vertragsklausel über das anwendbare Recht und das zuständige Gericht;
215
E. Fernabsatzrecht
– die Sprachen, in denen die Vertragsbedingungen und Vorabinformationen mitgeteilt werden; – Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren; – das Bestehen von Garantie- und Entschädigungsfonds.
a) Rechtzeitigkeit 859
Werbung ist vielfach der Initialzünder für Fernabsatzverträge. Sind in dieser Werbung bereits sämtliche Verbraucherinformationen gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB enthalten, kommt der Unternehmer seinen Informationspflichten zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach1.
860
Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB soll dem Verbraucher die Möglichkeit geben, eine informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu treffen, ohne durch kurze Überlegungsfristen unter Druck gesetzt zu werden2. Daher hat die Belehrung rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erfolgen.
861
Ungenügend ist es, wenn der Verbraucher erst dann Informationen erhält, wenn er die unterhalb des jeweiligen Produkts befindliche Schaltfläche anklickt, auf der neben dem Symbol eines Einkaufswagens „bestellen“ steht. Dies lässt für einen durchschnittlichen Verbraucher den Schluss zu, dass er sich bereits mit dem Anklicken der Schaltfläche rechtlich bindet und die nachfolgenden Angaben lediglich der Abwicklung der verbindlichen Bestellung dienen3.
862
Für eine rechtzeitige Information des Verbrauchers genügt es, dass dem Verbraucher die Pflichtangaben telefonisch vor Entgegennahme einer Bestellung mitgeteilt werden. Dem Verbraucher steht es in einem solchen Fall frei, von einer Bestellung Abstand zu nehmen. Der durchschnittlich informierte, aufgeklärte und aufmerksame Verbraucher wird durch einen derartigen Ablauf nicht unzumutbar unter Druck gesetzt4.
863
Die vollständige Aufnahme aller Pflichtangaben in die Werbung ist in vielen Fällen zwar ratsam, aber keineswegs notwendig, um die Anforderungen des § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB zu erfüllen. Daher bedarf es auch keiner vollständigen Mitteilung aller durch
1 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38. 2 OLG Hamburg vom 23.12.2004, MMR 2005, 318, 319; vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38. 3 LG Bonn vom 15.7.2009, WRP 2009, 1314 (Ls.). 4 OLG Hamburg vom 23.12.2004, MMR 2005, 318, 319; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1339.
216
II. Informationspflichten
Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB vorgeschriebenen Angaben in Sponsored Links oder in der Radiowerbung1. Û Verbraucherrechterichtlinie Nach Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB n.F. bleibt es dabei, dass dem Ver- 864 braucher die vorvertraglichen Pflichtangaben rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung zur Verfügung stehen müssen. b) Form Der Unternehmer ist gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB verpflichtet, den 865 Verbraucher in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zu informieren. Damit ist nicht der Inhalt der Information gemeint, für den das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit gilt2, sondern die äußere Form der Pflichtangaben. Auf Websites genügt die Abrufbarkeit einer Internetseite mit den Pflicht- 866 angaben über einen Hyperlink, da die Benutzung von Links zum Abruf von Informationen dem gängigen Aufbau von Websites entspricht, die jedem Internetnutzer bekannt ist3. Bei der Beschriftung des Links ist zu beachten, dass keine irreführende Bezeichnung gewählt wird4. Aus dem Link bzw. der Beschreibung muss sich zweifelsfrei ergeben, dass und ggf. welche Informationen sich auf der verlinkten Seite befinden5. Die Pflichtangaben müssen sich – bei der Verwendung von Hyperlinks – 867 nicht direkt auf der verlinkten Seite befinden6. Nicht zu beanstanden ist es, wenn der Internetnutzer über einen mit „Kontakt“ bezeichneten Link zu einem weiteren Link geführt wird, der mit „Impressum“ (vgl. § 5
1 OLG Hamburg vom 23.12.2004, MMR 2005, 318, 319; OLG Hamburg vom 16.11.2005, CR 2006, 209; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1338. 2 Siehe Rz. 878 ff. 3 EuGH vom 5.7.2012 – C-49/11, Rz. 25 ff.; Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rz. 287; Dilger, Verbraucherschutz, S. 76; Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 63; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 65; Wendehorst in MünchKommBGB, § 312c Rz. 83; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Günther, ITRB 2002, 9, 10; Härting, CR 2000, 691, 693; Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415, 417; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1422; Mankowski, CR 2001, 767, 771 f.; Ott, WRP 2003, 945, 955; Schafft, K&R 2002, 45; Steins, WM 2002, 56; a.A. Arnold, CR 1997, 526, 530; OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001, CR 2001, 782 mit Anm. Vehslage = MMR 2001, 529 mit Anm. Steins = K&R 2002, 43 mit Anm. Schafft = ITRB 2002, 54 (Niclas). 4 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, NJW-RR 2007, 482 = MMR 2007, 322; OLG Hamm vom 16.6.2009, K&R 2009, 813 f.; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379. 5 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 33. 6 OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53.
217
E. Fernabsatzrecht
TMG)1 gekennzeichnet ist und über den die Pflichtangaben (zum Anbieter) erreichbar sind2. 868
Ausreichend ist die Bereitstellung von Pflichtangaben auf einer „Mich“Seite von Ebay, da der Ebay-Nutzer die Angaben an dieser Stelle erwarten darf3.
869
Der Verbraucher muss die Informationen nicht tatsächlich zur Kenntnis nehmen4. Eine Zwangsführung derart, dass der Verbraucher die Lektüre der Informationen bestätigen muss, ist nicht erforderlich5.
870
Die Seite, auf der die Pflichtangaben zusammengestellt sind, muss übersichtlich, und die Informationen müssen unmittelbar erkennbar sein. Sind die Angaben im unteren Teil der Bestellseite versteckt oder nur nach mehrmaligem Scrollen – teilweise oder vollständig – sichtbar, fehlt es an einer mediengerechten Information des Verbrauchers6. Die Notwendigkeit des Scrollens verletzt indes nicht per se die Anforderungen des Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB; es kommt vielmehr auf die Größe des Scrollkastens und die Ausgestaltung im Einzelfall an7.
1 Siehe Rz. 1534 ff. 2 BGH vom 20.7.2006, CR 2006, 850, 851. 3 KG vom 11.5.2007, MMR 2007, 791 = K&R 2007, 406; LG Traunstein vom 18.5.2005, ZUM 2005, 663, 664; Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 434; a.A. OLG Hamm vom 14.4.2005, CR 2005, 666; LG Berlin vom 9.10.2007 – 137 C 293/07; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379; vgl. auch OLG Hamm vom 4.8.2009, MMR 2010, 29 f.; LG Bochum vom 30.11.2005 – 13 O 147/05. 4 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 32; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Mankowski, CR 2001, 767, 771 f.; a.A. wohl OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001, CR 2001, 782 mit Anm. Vehslage = MDR 2001, 744 = MMR 2001, 529 mit Anm. Steins = K&R 2002, 43 mit Anm. Schafft = ITRB 2002, 54 (Niclas). 5 Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 63; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 65; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 83; Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rz. 287; Dilger, Verbraucherschutz, S. 76; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Günther, ITRB 2002, 9, 10; Härting, CR 2000, 691, 693; Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415, 417; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1422; Mankowski, CR 2001, 767, 771 f.; Ott, WRP 2003, 945, 955; Schafft, K&R 2002, 45; Steins, WM 2002, 56; BGH vom 20.7.2006, NJW 2006, 3633; a.A. Arnold, CR 1997, 526, 530; OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001, CR 2001, 782 mit Anm. Vehslage = MMR 2001, 529 mit Anm. Steins = K&R 2002, 43 mit Anm. Schafft = ITRB 2002, 54 (Niclas); offen gelassen in OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, NJWRR 2007, 482 = MMR 2007, 322. 6 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 83; Mankowski, CR 2001, 767, 770 f.; anders: Wilmer in Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, Teil 2 VII, Rz. 13; Ott, WRP 2003, 945, 954; zu § 6 TDG: OLG Brandenburg vom 13.6.2006, MDR 2007, 43; OLG Frankfurt a.M. vom 9.5.2007, CR 2008, 124 f. = K&R 2007, 417; OLG München vom 12.2.2004, CR 2004, 843 = MMR 2004, 321; LG Itzehoe vom 4.12.2006 – 5 O 118/06. 7 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 84; Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 434.
218
II. Informationspflichten
Befinden sich bei einer Internetwerbung wesentliche Informationen auf 871 einer Bildschirmseite und wird der Kaufinteressierte animiert, durch Einloggen bei Amazon („1-click ®“) sofort eine Bestellung in einem Amazon-Shop vorzunehmen, so ist es nicht ausreichend, wenn Pflichtangaben auf einer separaten Seite oder erst am Ende der Eingangsseite zu finden und nur durch Scrollen erreichbar sind1. Aus Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ergibt sich der Umkehrschluss, 872 dass die Pflichtangaben dem Verbraucher als Bestandteil längerer Allgemeiner Geschäftsbedingungen mitgeteilt werden können und keiner besonderen Hervorhebung bedürfen2. Û Praxistipp: Um den Anforderungen des Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB ge- 873 recht zu werden, empfiehlt es sich, die allgemeinen Pflichtangaben auf einer Seite zusammenzufassen und an möglichst auffälliger Stelle einen Hyperlink auf diese Seite zu setzen. Der Hyperlink kann beispielsweise mit „Pflichtangaben nach dem Fernabsatzrecht“ bezeichnet werden – oder mit „Impressum und Pflichtangaben“, wenn die Anforderungen des § 5 TMG gleichzeitig erfüllt werden sollen. Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB schreibt für die vorvertragliche In- 874 formation bei Finanzdienstleistungsverträgen grundsätzlich Textform3 vor. Dies bedeutet, dass Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen einer vorvertraglichen Kommunikation per E-Mail, Telefax oder herkömmlicher Post bedürfen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Vertrag auf Verlangen des Verbrauchers telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen wird, das die Mitteilung in Textform vor Vertragsschluss nicht gestattet. In diesem Fall genügt vorvertraglich die formfreie Unterrichtung. Û Verbraucherrechterichtlinie Nach Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB n.F. bleibt es dabei, dass dem 875 Verbraucher die vorvertraglichen Pflichtangaben in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zur Verfügung zu stellen sind. Art. 246a § 3 EGBGB n.F. schafft Erleichterungen für den Fall, dass der 876 Vertragsschluss über ein Kommunikationsmittel erfolgt, das nur begrenzten Raum und begrenzte Zeit für Informationen bietet, wie dies etwa bei Mobiltelefonen und beim Teleshopping der Fall ist. Der Unternehmer hat bei einer solchen Begrenzung die Möglichkeit, sich auf einige Kerninformationen zu beschränken (Art. 246a § 3 Satz 1 EGBGB n.F.) und dem Verbraucher alle anderen Informationen auf andere Wei-
1 OLG Bremen vom 5.10.2012 – 2 U 49/12, Rz. 26. 2 KG vom 18.7.2006, NJW 2006, 3215, 3216. 3 Siehe Rz. 506 f.
219
E. Fernabsatzrecht
se (z.B. über eine Website) zugänglich zu machen (Art. 246a § 3 Satz 1 EGBGB n.F.). 877
Bei Finanzdienstleistungen gilt nach Art. 246b § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB n.F. künftig die grundsätzliche Verpflichtung, dem Verbraucher die Pflichtangaben auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. c) Klarheit und Verständlichkeit
878
Sprachlich gilt das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit. Verbraucherinformationen sind so abzufassen, dass der Unternehmer vernünftigerweise erwarten kann, dass der Verbraucher die Informationen versteht1.
879
Inwieweit fremdsprachige Belehrungen diesen Anforderungen genügen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls: Wendet sich der Unternehmer in englischer Sprache per Internet an Verbraucher, kann man von dem Internetnutzer englische Sprachkenntnisse erwarten2. Ist die Verhandlungssprache allerdings deutsch, fehlt es an einer transparenten Information, wenn die Informationen lediglich in einer Fremdsprache angeboten werden3.
880
Die Pflichtangaben sind so zu formulieren, dass der rechtsunkundige Durchschnittsbürger in der Lage ist, die Angaben ohne Einholung von Rechtsrat zu verstehen4. Das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit wird daher nicht gewahrt bei der Verwendung juristischer Fachbegriffe, deren Bedeutung dem Laien unbekannt sind. Zulässig ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „wichtiger Grund“ oder „angemessene Frist“, da die Bedeutung derartiger Begriffe für den juristischen Laien nachvollziehbar ist5. Der Hinweis auf den Einsatz der Textform ist dagegen erklärungsbedürftig6.
881
Das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit gilt nur für die Angaben, zu denen der Unternehmer nach Art. 246 § 1 EGBGB verpflichtet ist. Nicht zu den Pflichtangaben zählt der persönliche Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts. Der Unternehmer hat daher nicht dafür einzustehen, 1 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38. 2 Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rz. 294; Dilger, Verbraucherschutz, S. 78; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 87; a.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 63 f.; Roth, JZ 2000, 1013, 1016. 3 Grüneberg in Palandt, Art. 246 § 1 EGBGB Rz. 4; Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 67; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312c Rz. 34. 4 Vgl. BGH vom 24.11.1988, NJW 1989, 222; BGH vom 24.3.1999, NJW 1999, 2279, 2280; BGH vom 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; BGH vom 9.5.2001, NJW 2001, 2014, 2016; Grüneberg in Palandt, § 307 Rz. 17; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312c Rz. 30. 5 Vgl. BGH vom 2.2.1994, NJW 1994, 1004, 1005; Grüneberg in Palandt, § 307 Rz. 22. 6 LG München I vom 19.2.2004 – 2 O 15288/03.
220
II. Informationspflichten
dass ein Verbraucher sich irrtümlich nicht für einen Verbraucher und damit für nicht widerrufsberechtigt hält1. Û Verbraucherrechterichtlinie Gemäß Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB n.F. bleibt es bei dem Gebot der 882 Klarheit und Verständlichkeit. d) Inhalt der Pflichtangaben Bis Juni 20102 waren die Pflichtangaben in der – jederzeit leicht zu än- 883 dernden3 – Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) geregelt4. Jetzt finden sich die Regelungen in Art. 246 EGBGB. Û Verbraucherrechterichtlinie Der Katalog der Pflichtangaben in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB 884 n.F. ist weiter als der Katalog des Art. 246 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB. Neu sind Angaben zu gesetzlichen Mängelhaftungsrechten bei Waren (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 EGBGB n.F.), zu Garantien und Kundendienstleistungen (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB n.F.), zu einschlägigen Verhaltenskodizes (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EGBGB n.F.), zu Sicherheiten, die der Unternehmer verlangen kann (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 EGBGB n.F.), zur Funktionsweise digitaler Inhalte sowie zu wesentlichen Beschränkungen der Interoperabilität und Kompatibilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 und 15 EGBGB n.F.), und zu außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 16 EGBGB n.F.). aa) Informationen zum Unternehmer Art. 246 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet den Unternehmer zur 885 Kundgabe seiner Identität. Hierzu gehört auch der Vorname5. Zudem hat der Unternehmer das öffentliche Unternehmensregister nebst zugehöriger Registernummer mitzuteilen, soweit er in ein solches Register eingetragen ist6. Diese Verpflichtung, die sich für Telemedien auch aus § 5 1 BGH vom 9.11.2011 – I ZR 123/10 – Überschrift zur Widerrufsbelehrung, Rz. 26 f.; a.A. LG Kiel vom 9.7.2010 – 14 O 22/10, Rz. 19. 2 Gesetz vom 29. Juli 2009 zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsrecht- und Rückgaberecht, BGBl. I 2009, S. 2355. 3 Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 274. 4 Gesetz vom 26. November 2001 zur Modernisierung des Schuldrechts, BGBl. I 2001, S. 3138, 3177. 5 KG vom 13.2.2007, MMR 2007, 440 = K&R 2007, 212. 6 Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811.
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E. Fernabsatzrecht
Abs. 1 Nr. 4 TMG ergibt1, zielt auf die leichtere Auffindbarkeit von Unternehmen2. 886
Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB verlangt zudem die Information des Verbrauchers über den geschäftlichen Zweck einer Kontaktaufnahme. Aus der Kommunikation mit dem Verbraucher muss die geschäftliche Absicht des Unternehmers deutlich werden. Einer ausdrücklichen Information bedarf es allerdings nicht. Ausreichend ist, wenn sich der geschäftliche Charakter der Kommunikation aus der Kommunikation selbst ergibt.
887
Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB gilt auch für Internetauktionen. Daher ist die – zu § 6 TDG (jetzt: § 5 TMG) ergangene – Entscheidung des OLG Oldenburg3 unrichtig, wonach ein Ebay-Händler über seine Händlereigenschaft nicht aufzuklären habe.
888
Nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ist die Identität eines Vertreters bzw. Beauftragten des Unternehmers in dem Mitgliedstaat anzugeben, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat4. Eine Verpflichtung des Unternehmers, einen Vertreter oder Beauftragten im Wohnsitzstaat des Verbrauchers zu benennen, ist hiermit jedoch nicht verbunden5.
889
Nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB ist die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers sowie jede andere Anschrift anzugeben, die für die Vertragsabwicklung zwischen dem Unternehmer, dem Vertreter oder Beauftragten und dem Verbraucher maßgeblich ist6. Die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers ist die Postadresse, an die eine Klage gemäß den §§ 166 ff. ZPO zugestellt werden kann7. Die bloße Angabe eines Postfachs reicht daher aus8.
890
In Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB wird klargestellt, dass bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder -gruppen auch über den Namen eines Vertretungsberechtigten zu informieren ist9. 1 Siehe Rz. 1531. 2 Begründung des RegE, S. 52 unter Hinweis auf die mögliche Einführung eines elektronischen Handelsregisters und den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspflichten bestimmter Gesellschaftsformen vom 3.6.2002, ABl. EG C 227 E, S. 377; vgl. Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rz. 54. 3 OLG Oldenburg vom 20.1.2003, CR 2003, 374 = NJW-RR 2003, 1091. 4 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. 5 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. 6 Vgl. Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rz. 52. 7 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 169; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 20. 8 Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 182 Rz. 11; Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 169; Stöber in Zöller, § 182 Rz. 11; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 20; BVerwG vom 13.4.1999, NJW 1999, 2608, 2609 f. 9 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811.
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II. Informationspflichten
Û Verbraucherrechterichtlinie Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 EGBGB n.F. bleibt es – 891 mit einigen Präzisierungen – bei der Verpflichtung zu Informationen über die Identität des Unternehmers. Anzugeben ist nicht mehr die ladungsfähige Anschrift, sondern die Geschäftsanschrift. bb) Wesentliche Merkmale des Produkts und Vertragsschlusses Nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB muss über die „wesentlichen 892 Merkmale“ der Ware oder Dienstleistung und das „Wie“ des Zustandekommens des Vertrages informiert werden. Für die Frage, welche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung wesent- 893 lich sind, kommt es auf die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers an. Subjektive Einschätzungen und Erwartungen einzelner Verbraucher können keine Rolle spielen. Der Fernabsatz ist ein Massengeschäft, für dessen Ausgestaltung objektive Maßstäbe gelten müssen1. In Anknüpfung an die Rechtsprechung des EuGH zu irreführenden Wer- 894 beangaben2 ist auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. Es kommt darauf an, ob ein bestimmtes Leistungsmerkmal für die Entschließung eines verständigen Durchschnittsverbrauchers über den Vertragsschluss von nicht ganz nebensächlicher Bedeutung ist3. Gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB ist der Verbraucher auch darüber 895 zu informieren, wie der Vertrag zustande kommt. Der Unternehmer muss dem Verbraucher Klarheit darüber verschaffen, ob die Werbung, auf Grund derer der Verbraucher seine Bestellung abgibt, lediglich als invitatio ad offerendum oder bereits als bindendes Angebot aufzufassen sein soll. Bei dem Verbraucher darf zudem kein Zweifel darüber aufkommen, ob seine Bestellung bindend ist4. Û Verbraucherrechterichtlinie Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB n.F. bleibt es bei der 896 Verpflichtung zur Angabe der wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen mit der (neuen) Einschränkung, dass sich der
1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 81. 2 EuGH vom 16.7.1998, NJW 1998, 3183 – Gut Springenheide; EuGH vom 28.1.1999, NJW 1999, 2430 – Sektkellerei Kessler; EuGH vom 13.1.2000, NJW 2000, 1173 – Lifting. 3 Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 82 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 16; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 22; Härting, CR 2000, 691, 694; zu Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. a FARLFDL: Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rz. 55. 4 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312c Rz. 76.
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E. Fernabsatzrecht
Umfang der Angaben danach richtet, was bei dem eingesetzten Kommunikationsmittel als angemessen zu erachten ist. 897
Die Verpflichtung zur Information des Verbrauchers über die Modalitäten des Zustandekommens eines Vertrages entfällt nach neuem Recht. cc) Leistungsvorbehalte und Mindestlaufzeit
898
Aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EGBGB ergibt sich die Verpflichtung zum Hinweis auf etwaige Leistungsvorbehalte und (bei Dauerschuldverhältnissen) auf die Mindestlaufzeit des Vertrages1. Û Verbraucherrechterichtlinie
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Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EGBGB n.F. wird der Unternehmer (bei Dauerschuldverhältnissen) zur Angabe der Laufzeit des Vertrages bzw. (bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen) zur Information über die Kündigungsbedingungen verpflichtet.
900
Eine ausdrückliche Verpflichtung zum Hinweis auf Leistungsvorbehalte gibt es nach neuem Recht nicht. Allerdings verpflichtet Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EGBGB n.F. zur Information über die Leistungsbedingungen. Hiervon dürften etwaige Leistungsvorbehalte erfasst sein. dd) Preisangaben
901
Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB überschneidet sich weitgehend mit der Preisangabenverordnung (PAngV)2 und verpflichtet den Unternehmer zur Information über den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller damit verbundenen Preisbestandteile sowie alle über den Unternehmer abgeführten Steuern3. Anzugeben sind alle Entgelte, die als Bestandteile des Endpreises aufgefasst werden, nicht dagegen zusätzliche Kosten für zusätzliche Leistungen4.
902
Für den Verkauf eines Grundwerks mit Ergänzungslieferungen soll nach Ansicht des LG Bonn die Angabe eines Seitenpreises für die weiteren Lieferungen unter Angabe des voraussichtlichen jährlichen Lieferumfangs nicht ausreichen5. Dies widerspricht der in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB enthaltenen Einschränkung, dass – wenn kein genauer Preis angegeben werden kann – es genügt, eine Berechnungsgrundlage anzuge1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 93 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 21 ff.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 26 ff. 2 Neugefasst durch Gesetz vom 18.10.2002, BGBl. I 2002, S. 4197. 3 Vgl. dazu BGH vom 4.10.2007, NJW 2008, 1595 = K&R 2008, 372 – Umsatzsteuerhinweis. 4 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 119; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312c Rz. 87. 5 LG Bonn vom 17.1.2002, VuR 2002, 257.
224
II. Informationspflichten
ben, die dem Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht1. Allerdings ergibt sich aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB eine Pflicht des Unternehmers, auf eine außergewöhnlich lange Übertragungszeit eines Telefaxes beim kostenpflichtigen Faxabruf hinzuweisen2. ee) Liefer- und Versandkosten Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB sieht die Angabe zusätzlich anfallender 903 Liefer- und Versandkosten sowie von Steuern vor, die nicht über den Unternehmer abgeführt werden. Liefer- und Versandkosten sind insbesondere dann gesondert anzugeben, 904 wenn der Verbraucher die Wahl zwischen Selbstabholung und Versendung der Ware hat3. Die Angabe der Versandkosten auf einer „BestellÜbersicht“ ist zwar nicht zwingend geboten4. Wenn die Versandkosten indes nur – „versteckt“ – in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu finden sind, kann dies (jedenfalls) gegen § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV verstoßen5. Die Verpflichtung, Versandkosten vor der Bestellung genau zu beziffern, 905 besteht nach Ansicht des LG Frankfurt a.M. auch dann, wenn die Höhe der für die Versendung der Ware anfallenden Kosten je nach Umfang und Versandart im Einzelfall differiert6. Bei der Preisangabe besteht zwar die Möglichkeit der Angabe einer Berechnungsgrundlage statt eines Gesamtpreises (vgl. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB). Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB sieht indes eine entsprechende Möglichkeit – anders als § 1 Abs. 2 Satz 3 PAngV7 – nicht vor. Dies ist ein typisches Beispiel für die Unstimmigkeiten und die fehlende inhaltliche Abstimmung der Bestimmungen der EGBGB und der PAngV. Können die Versandkosten vorab nicht präzise angegeben werden, stellt 906 die Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB (und ggf. aus § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV) einen Bagatellverstoß dar, der die Voraussetzungen des § 3 UWG nicht erfüllt8. Û Verbraucherrechterichtlinie Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB n.F. fasst die Verpflichtungen 907 zur Angabe des Gesamtpreises und zusätzlicher Liefer- und Versandkosten ohne ersichtliche inhaltliche Änderung zusammen. 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 13.2.2002, WRP 2002, 1309. OLG Frankfurt a.M. vom 23.1.2003, MMR 2003, 403, 404 zu § 3 UWG a.F. Vgl. Schirmbacher, CR 2002, 643. BGH vom 5.10.2005, NJW 2006, 211, 212. Vgl. LG Hamburg vom 27.10.2005, MMR 2006, 420. LG Frankfurt a.M. vom 13.2.2002, WRP 2002, 1309. Siehe Rz. 1493. KG vom 7.9.2007, NJW-RR 2008, 352, 353.
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E. Fernabsatzrecht
908
Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB n.F. enthält eine Regelung über Preisinformationen bei Dauerschuldverhältnissen. Die Preisangabepflicht bezieht sich auf die Gesamtkosten pro Abrechnungszeitraum. Bei Berechnung von Festbeträgen sind die monatlichen Gesamtkosten anzugeben. ff) Liefer- und Zahlungsbedingungen
909
Informationspflichten bestehen nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB auch für die Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie für Fälligkeiten1. Û Verbraucherrechterichtlinie
910
Die Verpflichtung zur Information über Liefer- und Zahlungsbedingungen wird in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EGBGB n.F. präzisiert und um eine Verpflichtung zu Angaben über ein etwaiges Beschwerdeverfahren ergänzt. gg) Widerrufs- und Rückgaberecht
911
Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet den Unternehmer zur Information über das Widerrufs- und Rückgaberecht. Die Informationspflicht erstreckt sich auch auf die Bedingungen und die Einzelheiten der Ausübung sowie auf die Rechtsfolgen des Widerrufs- oder Rückgaberechts.
912
Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs- oder Rückgaberechts genügt eine zusammenfassende, sich auf die wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien konzentrierende Darstellung. Eine in alle Einzelheiten gehende Belehrung ist vorvertraglich nicht erforderlich2.
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Eine Belehrungspflicht besteht auch im Falle des Nichtbestehens eines Widerrufsrechts. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn eine der Ausnahmevorschriften des § 312d Abs. 4 BGB greift.
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In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt ist muss darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB kein Widerrufsrecht besteht3.
915
Ein Unternehmer ist nicht verpflichtet, für jeden angebotenen Artikel gesondert anzugeben, ob dem Verbraucher insoweit ein Widerrufsrecht zusteht. Vielmehr kann die Belehrung über das Nichtbestehen eines Wider1 Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 124 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 39 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312c Rz. 90 ff.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 36 ff. 2 KG vom 25.3.2008, MMR 2009, 63. 3 BGH vom 9.6.2011 – I ZR 17/10 – Computer-Bild, Rz. 12.
226
II. Informationspflichten
rufsrechts sich auf die Wiedergabe der Ausnahmevorschriften im Gesetzestext beschränken. Es ist zwar nach Auffassung des BGH nicht von der Hand zu weisen, dass Auslegungszweifel über die gesetzlichen Ausschlusstatbestände bestehen. Diese würden aber nicht dadurch beseitigt, dass der Händler im Einzelfall den jeweiligen Fernabsatzvertrag einem Ausschlusstatbestand zuordnet und darauf hinweist, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht. Vielmehr würden dem Verbraucher weniger Informationen zur Verfügung gestellt, als wenn der Wortlaut des Gesetzes wiedergegeben wird. Denn die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes ermöglicht es dem Verbraucher, sich eine abweichende Meinung zu bilden und entsprechend zu reagieren1. Wird die vorvertragliche Information nicht in Textform2 vorgenommen, 916 darf die durch Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB vorgeschriebene Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mit der eigentlichen (nachvertraglichen) Widerrufsbelehrung (§ 360 BGB) verwechselt werden. Daher ist es irreführend und unzutreffend, wenn dem Verbraucher vorvertraglich ohne Einhaltung der Textform mitgeteilt wird, die Widerrufsfrist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, da der Hinweis fehlt, dass es für den Fristbeginn zusätzlich des Erhalts der Ware bedarf (§ 312d Abs. 2 BGB)3. Allerdings handelt es sich um einen Bagatellverstoß, der die Voraussetzungen eines erheblichen Wettbewerbsverstoßes (§ 3 UWG) nicht erfüllt4. Ungenügend ist nach Auffassung des BGH die Formulierung, dass die 917 Frist „frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung“ beginnt5. Es sei zu beachten, dass der mit der Einräumung des Widerrufsrechts beabsichtigte Schutz des Verbrauchers eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung erfordere6. Die Belehrung erwecke jedoch den Eindruck, sie sei bereits dann erfolgt, wenn sie lediglich vom Verbraucher zur Kenntnis ge-
1 BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 991 f. = ZGS 2010, 136; vgl. Härting/ Schätzle, ZGS 2010, 168, 171. 2 Siehe Rz. 941 ff. 3 KG vom 18.7.2006, CR 2006, 680, 682 = K&R 2006, 415, 418; OLG Düsseldorf vom 30.10.2007, VuR 2008, 55, 58; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 332 f. = MMR 2007, 185 = K&R 2007, 104, 106; OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117 = K&R 2007, 655, 656; OLG Hamm vom 15.3.2007, CR 2007, 387 = MMR 2007, 377, 378 = K&R 2007, 324, 325; OLG Hamm vom 12.3.2009, VuR 2009, 353 f.; OLG München vom 26.6.2008, K&R 2008, 620, 621 = MMR 2008, 677, 678; OLG Naumburg vom 13.7.2007, CR 2008, 247, 250; LG Bielefeld vom 5.11.2008, MMR 2008, 364 (Ls.); LG Köln vom 20.3.2007, CR 2008, 130. 4 OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 117, 118 = K&R 2007, 655, 656; LG Berlin vom 24.5.2007, MMR 2007, 734, 236 = ITRB 2008, 82 (Stadler). 5 A.A. OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 716. 6 BGH vom 10.3.2009, NJW 2009, 3572, 3573 = ZGS 2009, 333.
227
E. Fernabsatzrecht
nommen wurde, ohne dass sie ihm entsprechend den gesetzlichen Anforderungen in Textform mitgeteilt worden ist1. 918
Ausreichend ist die Information über den Fristbeginn „frühestens mit Erhalt der Ware und einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung“2.
919
Mehr als zweifelhaft erscheint es, ob vorvertraglich ein Hinweis darauf erforderlich ist, dass die Frist für den Widerruf gemäß § 187 BGB erst am Tage nach Erhalt von Ware und Widerrufsbelehrung beginnt.3 Selbst wenn man einen solchen Hinweis für erforderlich erachten würde, stellt das Fehlen eines solchen Hinweises keinen erheblichen Wettbewerbsverstoß dar (§ 3 UWG)4.
920
Eine wortgleiche Übernahme der Formulierungen aus den Musterbelehrungen gemäß den Anlagen 1 und 2 zum EBGBG reicht für die vorvertragliche Belehrung nicht aus5, da die Muster auf die nachvertragliche Information zugeschnitten sind und nicht der vorvertraglichen Belehrung des Verbrauchers dienen6. Û Verbraucherrechterichtlinie
921
Durch Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB n.F. werden die Verpflichtungen zur Information des Verbrauchers über das Widerrufsrecht erheblich erweitert.
922
Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB n.F. ist dem Verbraucher bereits vorvertraglich das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 des EGBGB n.F. zur Verfügung zu stellen. Werden dem Verbraucher die Rücksendekosten auferlegt, bedarf es einer präzisen Information über die Kosten (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB n.F.). Bei Dienstleistungs- und Energieverträgen gilt zudem eine detaillierte Belehrungspflicht über die Wertersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 8 BGB n.F. (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB n.F.).
923
Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB n.F. stellt klar, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur vorvertraglichen Information des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht durch Übermittlung der zutreffend 1 BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 990 = ZGS 2010, 136; vgl. Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168, 170 f. 2 LG Braunschweig vom 6.11.2007, ITRB 2008, 104 f. (Stadler); vgl. BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 990 = ZGS 2010, 136; Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168, 171. 3 Vgl. Buchmann, K&R 2008, 12, 14. 4 Vgl. OLG Hamm vom 18.10.2007, MMR 2008, 176, 177. 5 A.A. Föhlisch, MMR 2007, 139, 140; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 718. 6 LG Berlin vom 2.8.2007, CR 2008, 54, 55; vgl. auch Föhlisch, MMR 2007, 139, 140; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 333 = MMR 2007, 185, 186 = K&R 2007, 104, 106.
228
II. Informationspflichten
ausgefüllten Muster-Widerrufsbelehrung (in Textform) gemäß Anlage 1 des EGBGB n.F. erfüllen kann. Die Verpflichtung zur Information des Verbrauchers über das Nicht- 924 bestehen eines Widerrufsrechts bleibt nach neuem Recht bestehen und wird um eine Verpflichtung über die Voraussetzungen des Fortfalls eines Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 3, 4 und 6 sowie § 356 Abs. 4 und 5 BGB n.F. ergänzt (Art. 246 § 1 Abs. 3 EGBGB n.F.). hh) Fernkommunikationskosten; Gültigkeitsdauer Zu informieren ist auch über alle spezifischen, zusätzlichen Fernkom- 925 munikationskosten, soweit sie durch den Unternehmer in Rechnung gestellt werden1, sowie über die Gültigkeitsdauer eines befristeten Angebots (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 11 und 12 EGBGB)2. Û Verbraucherrechterichtlinie Die Verpflichtung zur Angabe zusätzlicher Fernkommunikationskos- 926 ten besteht – in präzisierter Form – fort (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EGBGB n.F.) An die Stelle von Pflichtangaben zur Gültigkeitsdauer eines befriste- 927 ten Angebots tritt nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB n.F. die Verpflichtung zur Angabe einer etwaigen Mindestdauer der Verpflichtungen, die der Verbraucher mit dem Vertrag eingeht. ii) Besondere Informationspflichten für Finanzdienstleistungen In Art. 246 § 1 Abs. 2 EGBGB sind Informationen zusammengefasst, die 928 ausschließlich für Finanzdienstleistungen gelten. Hierzu zählt die Angabe der Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmens (Nr. 1). Da es der Anbieter weitgehend in der Hand hat, sein Hauptgeschäft zu definieren, ist der Informationswert für den Kunden gering3. Einen Hinweis auf spezielle mit der Finanzdienstleistung verbundene Ri- 929 siken verlangt Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB. Danach ist gegebenenfalls auf den Umstand hinzuweisen, dass sich die Finanzdienstleistung auf Finanzinstrumente bezieht, die wegen ihrer spezifischen Merkmale oder der durchzuführenden Vorgänge mit speziellen Risiken behaftet sind, oder deren Preis Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt, 1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 135 ff.; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 153; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 46 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312c Rz. 95; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 44 ff. 2 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 140 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 49 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312c Rz. 96 f.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 47 f. 3 Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1779.
229
E. Fernabsatzrecht
auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat. Außerdem hat eine Belehrung dahingehend zu erfolgen, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind1. 930
Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB schreibt Angaben über die Kündigungsbedingungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen vor. Dies bezieht sich sowohl auf Kündigungsrechte des Verbrauchers als auch auf Möglichkeiten des Anbieters, den Vertrag einseitig zu beenden. Gemeint sind sowohl außerordentliche als auch ordentliche Kündigungen.
931
In Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 4 und 5 EGBGB sind Hinweispflichten auf das anwendbare Recht und das zuständige Gericht vorgesehen2. Allerdings entfalten diese Mitteilungen keine Rechtswirkungen hinsichtlich des tatsächlich anwendbaren Rechts und des tatsächlichen Gerichtsstandes3. Anzugeben sind der Gerichtsstand und das Recht, das nach (zutreffender oder auch unzutreffender) Ansicht des Anbieters einschlägig ist4.
932
Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 6 EGBGB greift das Sprachenproblem5 auf. Zum einen soll der Verbraucher darüber informiert werden, in welcher Sprache die Vertragsbedingungen und die vorvertraglichen Informationen mitgeteilt werden6. Zum anderen soll der Anbieter sich ausdrücklich verpflichten, für die Dauer des Vertrages nur die genannten Sprachen zu verwenden. Hierdurch soll es dem Finanzdienstleister verwehrt werden, zwar vorvertraglich mit dem Verbraucher in deutscher Sprache zu kommunizieren, den Vertrag dann jedoch in einer Sprache abzuwickeln, derer der Verbraucher nicht mächtig ist7.
933
Um außergerichtliche Rechtsbehelfe8, Garantiefonds und Entschädigungsregeln geht es in Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 7 und 8 EGBGB. Û Verbraucherrechterichtlinie Die Verpflichtungen zur vorvertraglichen Information des Verbrauchers bei Finanzdienstleistungen sind in Art. 246b § 1 EGBGB n.F. zusammengefasst. Die Angaben entsprechen nahezu wortgleich dem bisherigen Art. 246 § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB. Die Änderungen, die für die Informationen im Fernabsatz außerhalb von Finanzdienstleistungen vorgenommen werden (Art. 246a EGBGB n.F.), gelten für Finanzdienstleistungen – mit wenigen Ausnahmen – nicht.
934
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. Vgl. Heiss, IPRax 2003, 100, 102 f. Heiss, IPRax 2003, 100, 102. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 812. Vgl. allgemein Micklitz, ZEuP 2003, 635 ff.; Rott, ZVglRWiss 98 (1999), 382 ff. Kritisch Heiss, IPRax 2003, 100, 103 f. Micklitz/Schirmbacher, EUREDIA 2003, 457, 477 f. Vgl. Ehrhardt-Rauch, VuR 2003, 341, 343; Felke/Jordans, WM 2004, 166, 171.
230
II. Informationspflichten
e) Pflichtangaben beim E-Commerce Wird ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen, ist der 935 Unternehmer gemäß § 312g Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Verbraucher einige Pflichtangaben klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, soweit es sich nicht um einen Vertrag über Finanzdienstleistungen handelt (§ 312g Abs. 2 Satz 2 BGB). Dies betrifft die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, gegebenenfalls die Mindestlaufzeit des Vertrags, den Gesamtpreis sowie Liefer- und Versandkosten (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4, 1. Halbsatz, Nr. 5, 7 und 8 EGBGB). Der richtige Ort für diese Informationen ist die Seite am Ende des Bestellvorgangs, die die Daten der Bestellung zusammenfasst und den Bestellbutton enthält1. Û Verbraucherrechterichtlinie Die Verpflichtung zur vorvertraglichen Information des Verbrauchers 936 im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312g Abs. 2 BGB besteht – weitgehend unverändert – fort. f) Verhältnis zum AGB-Recht Das Kammergericht vertritt die Auffassung, dass eine Verletzung der vor- 937 vertraglichen Informationspflichten schon dann vorliegt, wenn der Verbraucher zwar zutreffend über den Vertragsinhalt informiert wird, der angebotene Vertrag jedoch Klauseln enthält, die gegen das AGB-Recht verstoßen (§§ 307 ff. BGB). Die mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 und § 309 Nr. 2a BGB nicht in Einklang stehende Formulierung „Teillieferungen und Teilabrechnungen sind zulässig“ verstoße daher auch gegen Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB2. Diese Argumentation ist indes nicht überzeugend, da das Anliegen der vorvertraglichen Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 1 BGB keineswegs darin liegt, den Abschluss von Verträgen zu gewährleisten, die inhaltlich den Wirksamkeitserfordernissen des AGBRechts entsprechen. 2. Nachvertragliche Informationspflichten Nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB ist der Unter- 938 nehmer verpflichtet, dem Verbraucher die Informationen spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages, bei Waren spätestens bei Lieferung, bei Finanzdienstleistungen aber schon vor Vertragsschluss in Textform zukommen zu lassen. § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB soll sicherstellen, dass sich der Verbraucher nach Vertrags-
1 Bergt, NJW 2012, 3541, 3541. 2 Vgl. KG vom 3.4.2007, NJW 2007, 2266, 2268; KG vom 25.1.2008, WRP 2008, 383 (Ls.).
231
E. Fernabsatzrecht
schluss jederzeit über seine wesentlichen vertraglichen Rechte informieren kann. Û Verbraucherrechterichtlinie 939
Die Verpflichtungen des Unternehmers zur nachvertraglichen Information beschränken sich nach § 312f Abs. 2 BGB n.F. auf eine Verpflichtung, dem Verbraucher einen dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen mit einer Bestätigung des Vertragsinhalts einschließlich aller Pflichtangaben gemäß Art. 246a EGBGB n.F. Die Verpflichtung ist innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss, spätestens aber bei der Lieferung der Ware oder vor Beginn der Ausführung der Dienstleistung zu erfüllen (§ 312f Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.).
940
Bei Verträgen über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden (digitale Daten), ist auf der Bestätigung des Vertrags festzuhalten, dass der Verbraucher dem Vertrag ausdrücklich zugestimmt und bestätigt hat, dass er davon Kenntnis genommen hat, dass er sein Widerrufsrecht verliert, sobald der Unternehmer mit der ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt (§ 312f Abs. 3 i.V.m. § 356 Abs. 5 BGB n.F.). a) Textform
941
Für die Textform ist es gemäß § 126b BGB ausreichend, dass die Erklärung in einer Weise abgegeben wird, die zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignet ist, sofern die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht wird. Dies bedeutet, dass eine Belehrung des Verbrauchers per E-Mail erfolgen kann1.
942
Werden die Pflichtangaben auf einer Website zum Download oder Ausdruck bereit gehalten, ist zu differenzieren: Wenn der Verbraucher im konkreten Fall tatsächlich die Angaben auf seinen Rechner herunterlädt oder die Pflichtangaben ausdruckt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine Mitteilung in Textform vorliegt, die den Anforderungen des Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB genügt2. Solange allerdings kein Download
1 Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 40; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2055; Härting, K&R 2001, 310, 312 f.; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1423; Klein/Härting, ITRB 2013, 134; Meents, CR 2000, 610, 612; Roth, JZ 2000, 1013, 1017. 2 KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 332 = MMR 2007, 185, 186 = K&R 2007, 104, 105; OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 715; K&R 2007, 655, 656; OLG Hamburg vom 24.8.2006, CR 2006, 854, 855 = OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117; Klein/Härting, ITRB 2013, 134.
232
II. Informationspflichten
und kein Ausdruck erfolgen, soll es an einer pflichtgemäßen nachvertraglichen Belehrung fehlen1. Der Download war in früheren Zeiten ein mühsamer Vorgang, so dass es 943 richtig war, für eine Belehrung auf „dauerhaftem Datenträger“ (§ 361a Abs. 3 BGB a.F.) mehr zu verlangen als eine bloße Bildschirmanzeige2. Heutzutage kann der Download jedoch – ebenso wie ein Seitenausdruck – schnell und leicht erfolgen. Hinzu kommt, dass § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB den Unternehmer dazu verpflichtet, dem Vertragspartner die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Daher ist es nicht mehr ohne Weiteres einsichtig, weshalb die Möglichkeit des Downloads bzw. eines Seitenausdrucks nicht genügen soll, um die nachvertraglichen Belehrungspflichten zu erfüllen3. In seiner „Holzhocker“-Entscheidung hat der BGH dennoch den Stand- 944 punkt vertreten, die FARL gebe vor, dass die dem Verbraucher nachvertraglich zu erteilenden Informationen nicht nur vom Unternehmer in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise abgegeben werden, sondern auch dem Verbraucher in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise zugehen. Die bloße Möglichkeit des Downloads reiche somit nicht aus4. Die – jedem Unternehmer zu empfehlende – Belehrung des Verbrauchers 945 per E-Mail unterscheidet sich letztlich nur graduell von einer Belehrung per Bildschirmanzeige: Auch bei der Übersendung einer E-Mail ist es keineswegs sicher, dass der Empfänger die Mail tatsächlich abruft und auf 1 Buchmann, K&R 2007, 14, 16; Klein/Härting, ITRB 2013, 134; Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 377; KG vom 18.7.2006, CR 2006, 680, 681 = K&R 2006, 415, 417; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 332 = MMR 2007, 185, 185 = K&R 2007, 104, 105; OLG Hamburg vom 24.8.2006, K&R 2006, 526, 527; OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 715; OLG Stuttgart vom 4.2.2008, MMR 2008, 616, 617; LG Hanau vom 12.6.2007 – 5 O 34/07, MIR 2007, Dok. 255; LG Heilbronn vom 23.4.2007, CR 2008, 129, 129 = MMR 2007, 536, 536; LG Kleve vom 2.3.2007, MMR 2007, 332; AG Wuppertal vom 1.12.2008, ITRB 2009, 176 f. (Hüsch); a.A. LG Flensburg vom 23.8.2006, CR 2007, 112, 113 = MMR 2006, 686, 687; LG Paderborn vom 28.11.2006, CR 2007, 465 = MMR 2007, 191. 2 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/7052, S. 195; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 113; LG Heilbronn vom 23.4.2007, CR 2008, 129, 129 = MMR 2007, 535, 536; zu § 361a Abs. 3 BGB a.F.: Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2055; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1279; Fuchs, EWiR 2001, 549, 550; Härting, K&R 2001, 310, 312; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1423; Marx, WRP 2000, 1227, 1231; Roth, JZ 2000, 1013, 1017; LG Kleve vom 22.11.2002, CR 2003, 773 = NJW-RR 2003, 196 = MMR 2003, 424; a.A. Gaertner/Gierschmann, DB 2000, 1601, 1602; OLG München vom 25.1.2001, MMR 2001, 536, 537. 3 Vgl. LG Flensburg vom 23.8.2006, CR 2007, 112, 113 = MMR 2006, 686, 687; LG Paderborn vom 28.11.2006, CR 2007, 465 = MMR 2007, 191. 4 BGH vom 29.4.2010 – I ZR 66/08 – Holzhocker, Rz. 17 ff.
233
E. Fernabsatzrecht
seinem Rechner speichert. Dass der Unternehmer keine Vorkehrungen treffen muss, um eine Abspeicherung der Belehrungsmail durch den Verbraucher zu gewährleisten, versteht sich von selbst. Weshalb entsprechendes nicht gelten soll für eine nachvertragliche Belehrung auf einer Bildschirmseite, leuchtet nicht ein. b) Inhalt 946
Nach Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGBGB ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher nach Vertragsschluss sämtliche Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Textform zukommen zu lassen1. Ergänzt wird diese Verpflichtung um konkrete Angaben, die sich aus Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 EGBGB ergeben.
947
Zu den nachvertraglichen Pflichtangaben gehören gemäß Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGBGB sämtliche Informationen, die in Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB aufgeführt sind.
948
Bei Dauerschuldverhältnissen, die für längere Zeit als ein Jahr oder für unbestimmte Zeit geschlossen werden, sind nach Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. a EGBGB die Kündigungsbedingungen anzugeben2. Dauerschuldverhältnisse sind Schuldverhältnisse, aus denen ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen.3 Hierzu zählen Mietund Dienstverträge ebenso wie Sukzessivlieferungsverträge, Darlehensverträge, Wartungsverträge, Providerverträge4 und Telekommunikationsverträge. Wesentliche Merkmale dieser Verträge sind die zeitliche Dimension und die ständige Pflichtenanspannung beider Parteien5.
949
Bei Finanzdienstleistungen ergibt sich die Verpflichtung zur Angabe der Kündigungsbedingungen – unabhängig von der Laufzeit des Vertrages – bereits aus Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB.
950
Gemäß Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. b EGBGB bedarf es nachvertraglich einer Information über den Kundendienst und über Gewährleistungs- und Garantiebedingungen. Dabei ist es nicht die Aufgabe des Unternehmers, den Verbraucher über den genauen Inhalt gesetzlicher Bestimmungen aufzuklären. Der Unternehmer ist nur verpflichtet, den Verbraucher über vertragliche Gewährleistungs- und Garantiebedingungen aufzuklären, die von gesetzlichen Bestimmungen abweichen6. Dies ist 1 Vgl. Grünberg in Palandt, Art. 246 § 2 EGBGB Rz. 6 f.; MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 89; Saenger in Erman, 312c Rz. 39. 2 Siehe Rz. 930 f. 3 Grüneberg in Palandt, § 314 Rz. 2. 4 AG Ulm vom 29.10.1999, EWiR 2000, 273, 273 mit Anm. Hoeren. 5 Grüneberg in Palandt, § 314 Rz. 2. 6 BGH vom 4.10.2007, NJW 2008, 1595, 1597 = K&R 2008, 372, 375; Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 177; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 93; Fuchs, ZIP 2000,
234
II. Informationspflichten
beispielsweise der Fall bei einem Gewährleistungsausschluss, aber auch bei Garantieerklärungen des Unternehmers (vgl. § 443 BGB). Wenn der Fernabsatzvertrag keine vom Gesetz abweichenden Gewährleistungsvorschriften und auch keine Bestimmungen über eine Garantie des Unternehmers enthält, besteht im Hinblick auf Gewährleistungs- und Garantiebedingungen keine Belehrungspflicht1. Unter Kundendienst i.S.d. Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. b EGBGB 951 sind Leistungen des Unternehmers zur Betreuung des Kunden nach Vertragsschluss bzw. – bei Dauerschuldverhältnissen – während der Vertragsdauer zu verstehen, zu denen sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet hat2. Der Begriff des Kundendienstes umfasst insbesondere Schulungs-, Wartungs-, Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Reparaturverpflichtungen des Unternehmers3. Aus Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. b EGBGB ist keine umfassende 952 Aufklärungspflicht des Unternehmers über sämtliche Serviceleistungen abzuleiten, die der Unternehmer anbietet. Vielmehr beschränkt sich die Hinweispflicht des Unternehmers auf den Kundendienst, den der Unternehmer auf Grund des geschlossenen Vertrages schuldet4. Bei einem Wartungsvertrag bedeutet dies beispielsweise eine Angabe der geschuldeten Wartungsleistungen sowie Informationen zur Erreichbarkeit der Mitarbeiter, die für die Wartungsleistungen zuständig sind. Nicht zu den Pflichtangaben über den Kundendienst gehören allgemeine Angaben zu Serviceleistungen des Unternehmers (z.B. Service-Hotlines), die der Unternehmer gegen ein zusätzliches Entgelt anbietet. c) Hervorhebung Gemäß Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB können die Pflichtangaben Be- 953 standteil längerer Vertragsbestimmungen und Geschäftsbedingungen sein. Allerdings besteht in einem solchen Fall die Verpflichtung zur Hervorhebung und deutlichen Gestaltung einzelner Informationen5. Die Verpflichtung zur Hervorhebung und deutlichen Gestaltung gilt für die ladungsfähige Anschrift, die Widerrufsbelehrung, die Kündigungsbedingungen sowie für die Informationen zum Kundendienst und zu den Gewährleistungs- und Garantiebedingungen. Die Hervorhebung einzelner Angaben soll gewährleisten, dass der Ver- 954 braucher auch bei flüchtiger Lektüre des Textes besonders bedeutsame
1 2 3 4 5
1273, 1279; Härting, CR 1999, 507, 510; zweifelnd: Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 34; a.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 66. A.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 66. Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 65. Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 178. A.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 65. Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, NJW-RR 2007, 482, 483 = MMR 2007, 322, 323; LG Paderborn vom 24.4.2006, NJW-RR 2007, 499, 500.
235
E. Fernabsatzrecht
Angaben wahrnehmen wird. Das weitere Erfordernis einer deutlich gestalteten Form soll sicherstellen, dass die Pflichtangaben sich nicht nur von einem längeren Text deutlich abheben, sondern auch ohne Mühe lesbar sind. 955
Zur Bestimmung der gestalterischen Anforderungen an die Angaben gemäß Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ist an die Rechtsprechung zum Begriff der drucktechnisch deutlichen Gestaltung des früheren § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG und des früheren § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG anzuknüpfen1. Es bedarf demnach einer Herausstellung der Pflichtangaben durch die Verwendung einer anderen Farbe, größerer Buchstaben, eines anderen Schrifttyps, durch Fettdruck oder durch deutliche Unterstreichungen2. Die Pflichtangaben sind in nicht zu übersehender Weise zu gestalten3, und es darf gestalterisch nicht von den Pflichtangaben abgelenkt werden4. Ein allzu dezenter Rahmen und eine nur minimal größere Schrifttype reichen zur Hervorhebung nicht aus5.
956
Die Informationen gemäß Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB müssen für den Durchschnittsverbraucher einfach auffindbar sein. Werden die Informationen dem Verbraucher zwar groß und deutlich, aber auf der Rückseite eines Vertragsformulars mitgeteilt, fehlt es an einer hinreichend deutlichen Belehrung6. d) Ausnahme gemäß Art. 246 § 2 Abs. 2 EGBGB
957
Die nachvertraglichen Informationspflichten gelten – anders als die vorvertraglichen Pflichten (Art. 246 § 1 EGBGB) – nicht für Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erbracht werden, sofern diese Leistungen in einem Mal erfolgen und über den Betreiber der Fernkommunikationsmittel abgerechnet werden (Art. 246 § 2 Abs. 2 EGBGB)7.
958
Eine Dienstleistung, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erbracht wird, ist beispielsweise die Nutzung einer Online-
1 Vgl. BGH vom 25.4.1996, NJW 1996, 1964, 1965 m.w.N. 2 Vgl BGH vom 25.4.1996, NJW 1996, 1964, 1965; OLG München vom 23.8.2001, NJW-RR 2002, 399, 400; Härting, FernAbsG, § 2 Rz. 193; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 119 f. 3 Vgl. OLG München vom 23.8.2001, NJW-RR 2002, 399, 400; Grüneberg in Palandt, § 355 Rz. 16. 4 BGH vom 4.7.2002, NJW 2002, 3396, 3398; zum alten Recht: BGH vom 25.4.1996, NJW 1996, 1964, 1965. 5 OLG Schleswig vom 25.10.2007, MDR 2008, 254 f. 6 Vgl. BGH vom 14.1.1987, NJW 1987, 2431, 2432. 7 Vgl. Saenger in Erman, § 312c Rz. 46; Grüneberg in Palandt, § 312c Rz. 10; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312c Rz. 190.
236
II. Informationspflichten
Datenbank, nicht jedoch der Download von Software, Musik, Videos oder Textbeiträgen, da es sich hierbei um Warenlieferungen handelt1. Die Befreiung von den nachvertraglichen Informationspflichten setzt ei- 959 ne Abrechnung der Leistungen über den Betreiber der Fernkommunikationsmittel voraus. Für Online-Dienste bedeutet dies, dass es darauf ankommt, ob eine Abrechnung über den Anbieter des Online-Dienstes selbst erfolgt. Dies wird man immer dann bejahen können, wenn der Anbieter das Entgelt für seine Dienstleistung sofort per Abbuchung, Kreditkarte oder über eine Mehrwertnummer einzieht2. Erkennbarer Sinn der Ausnahmebestimmung ist es, bei einem Massengeschäft mit einmaligem Leistungsaustausch umfangreiche individuelle Belehrungen für entbehrlich zu erklären. Dies spricht für eine weite Normauslegung, bei der es unerheblich ist, ob sich der Betreiber des Online-Dienstes bei der Abrechnung der Hilfe Dritter (Banken, Kreditinstitute, Telekommunikationsunternehmen) bedienen muss3. Die Ausnahme von den Informationspflichten gilt nur für Dienstleistun- 960 gen, die in einem Mal erfolgen. Daher bleibt Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB anwendbar auf Verträge, bei denen der Unternehmer zwar Dienstleistungen über das Internet erbringt, seine Leistungen jedoch dem Verbraucher nicht einmalig, sondern zur ständigen Nutzung anbietet4. Dies ist beispielsweise bei einem Vertrag der Fall, der gegen ein monatliches Entgelt den ständigen Zugriff auf eine Online-Datenbank ermöglicht. Gemäß Art. 246 § 2 Abs. 2 Satz 2 EGBGB muss der Verbraucher auch bei 961 unmittelbarer Inanspruchnahme von Dienstleistungen über Fernkommunikationsmittel die Möglichkeit haben, sich über die Anschrift der Niederlassung des Unternehmers zu informieren, bei der er Beanstandungen vorbringen kann. Um die Voraussetzungen des Art. 246 § 2 Abs. 2 Satz 2 EGBGB zu erfüllen, genügt ein Link zu einer Seite mit Angaben zu einer Beschwerdestelle5. 3. Übersendung einer Urkunde Bei Finanzdienstleistungen kann der Verbraucher während der Laufzeit 962 des Vertrages gemäß § 312c Abs. 3 BGB jederzeit verlangen, dass der Unternehmer ihm die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer Urkunde zur Verfügung stellt. Erforderlich ist keine Schriftform gemäß § 126 BGB6. Allerdings ist eine 1 2 3 4
A.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 127; siehe auch Rz. 483. A.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 94. Vgl. Härting, Recht der Mehrwertdienste, Rz. 139. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rz. 128; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 93. 5 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312c Rz. 95. 6 Saenger in Erman, § 312c Rz. 52; Grüneberg in Palandt, § 312c Rz. 4; Micklitz/ Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312c Rz. 196 ff.
237
E. Fernabsatzrecht
Urkunde zu verwenden, so dass an einer Übersendung der Vertragsbestimmungen auf Papier kein Weg vorbei führt. 963
Die Verpflichtung aus § 312c Abs. 3 BGB bedeutet, dass der Unternehmer einem entsprechenden Verlangen des Verbrauchers zwischen Vertragsschluss und Vertragsbeendigung nachzukommen hat1. Diese Pflicht endet also erst in dem Zeitpunkt, in dem auch der Vertrag beendet ist. Eine Aufbewahrungspflicht über das Ende des Vertrages hinaus besteht nicht. Û Verbraucherrechterichtlinie
964
Die Regelung des § 312c Abs. 3 BGB wird in Art. 246b § 2 Abs. 2 EGBGB n.F. übernommen mit der Klarstellung, dass eine Übersendung in Papierform erforderlich ist. 4. Informationspflichten im E-Commerce
965
§ 312g BGB regelt die Verpflichtungen des Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr. Hierdurch wurde Art. 10 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie2 umgesetzt3.
966
Der Anwendungsbereich des § 312g BGB ist einerseits enger und andererseits weiter als § 312b BGB4. Anders als § 312b BGB gilt § 312g BGB nicht nur gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB), sondern auch im Geschäftsverkehr mit anderen Unternehmern (§ 14 BGB)5. Allerdings findet § 312g BGB nicht auf jeden Fernabsatzvertrag Anwendung, sondern nur dann, wenn bei der Geschäftsanbahnung Telemedien (vgl. § 1 Abs. 1 TMG) eingesetzt werden6. Kein elektronischer Geschäftsverkehr liegt vor, wenn der Vertragsschluss per individueller Kommunikation erfolgt, wie dies insbesondere bei einem Vertragsschluss per E-Mail der Fall ist7 (§ 312g Abs. 5 Satz 1 BGB).
967
Nach § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB hat der Unternehmer dem Kunden im elektronischen Geschäftsverkehr angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, damit der Kunde Eingabefehler erkennen und berichtigen kann8. Zudem schreibt § 312g 1 Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1781. 2 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 3 Vgl. Glatt, ZUM 2001, 390, 390 ff. 4 Härting, MDR 2002, 61, 63; Micklitz, EuZW 2001, 133, 133 ff.; Micklitz, VuR 2001, 71, 71 ff.; Rott, VuR 2001, 78, 79. 5 Vgl. Hassemer, MMR 2001, 635, 635 f.; Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 6 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 170 f. 7 Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e Rz. 24; Gierschmann, DB 2000, 1315, 1318. 8 Vgl. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e Rz. 28; Grigoleit, WM 2001, 597, 601; Hassemer, MMR 2001, 635, 636.
238
II. Informationspflichten
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB vor, dass der Kunde vor Vertragsschluss über die Art und Weise zu belehren ist, in der die Verpflichtung gemäß § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB umgesetzt wird1. Û Praxistipp: Um den Anforderungen des § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB 968 zu genügen, empfiehlt es sich, die Bestellmaske eines Internetshops so einzurichten, dass alle Bestellangaben zusammengefasst auf dem Bildschirm zur Bestätigung erscheinen, bevor der Bestellbutton endgültig betätigt wird. Hierdurch erhält der Kunde die Möglichkeit, seine Angaben im Hinblick auf etwaige Tippfehler noch einmal zu kontrollieren. Die Art und Weise, wie Eingabefehler erkannt und berichtigt werden können, sollte möglichst präzise beschrieben werden oder so eingängig sein, dass jedermann dies ohne Weiteres erkennen kann. Nach Eingang einer jeden Bestellung ist der Unternehmer zu einer unver- 969 züglichen Bestätigung der Bestellung verpflichtet (§ 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB). In der Praxis erfolgt die Bestätigung zumeist per automatisierte E-Mail. Bei der Formulierung einer (automatisierten) Bestätigungsmail ist Vorsicht geboten, um zu vermeiden, dass die Mail (ungewollt) als Annahmeerklärung zu verstehen ist2. Vertragsbestimmungen einschließlich Allgemeiner Geschäftsbedingun- 970 gen müssen bei Vertragsschluss abruf- und speicherbar sein (§ 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB). Dies gilt indes nur, wenn und soweit ausformulierte Vertragsbestimmungen existieren. Eine Verpflichtung zur Erstellung von Geschäftsbedingungen begründet § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB nicht. Û Praxistipp: Soweit auf einer Website Vertragsklauseln und/oder All- 971 gemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden, ist darauf zu achten, dass die Klauseln (auch) zum Download bereitgehalten werden. § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 1 EGBGB verpflich- 972 tet den Unternehmer zur Belehrung des Kunden über die einzelnen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen. Dies bedeutet, dass dem Kunden vor Benutzung der Bestellmaske mitzuteilen ist, wie das Bestellsystem funktioniert. Art. 246 § 3 Nr. 1 EGBGB überschneidet sich mit der Verpflichtung ge- 973 mäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, den Verbraucher darüber zu informieren, „wie“ der Vertrag zustande kommt. Belehrungspflichten, die einander ähneln, stehen somit – auch an dieser Stelle – unverbunden nebeneinander3.
1 Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 2 Siehe Rz. 445 f. 3 Vgl. Grünberg in Palandt, § 312g Rz. 4.
239
E. Fernabsatzrecht
974
Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB sieht eine Belehrung darüber vor, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist1. Während § 312g Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB den Unternehmer verpflichtet, den Vertragstext bei Vertragsschluss verfügbar zu halten, geht es bei Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB um die Zeit nach Vertragsschluss2. Aus Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB ergibt sich keine Pflicht, den Vertragstext über den Vertragsschluss hinaus zu speichern3. Wenn es an einer solchen Speicherung fehlt, ist der Kunde hierüber lediglich zu belehren.
975
Art. 246 § 3 Nr. 4 EGBGB ergänzt die Informationspflichten des Unternehmers um eine Verpflichtung, den Verbraucher über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen zu unterrichten4. Der Unternehmer muss dem Kunden mitteilen, ob er Bestellungen auch in anderen Sprachen als in Deutsch entgegennimmt. Ob mit derartig kleinlichen Informationspflichten dem Verbraucher wirklich gedient ist, darf bezweifelt werden5. Einer Information: „Die einzige für den Vertragsschluss zur Verfügung stehende Sprache ist Deutsch“ bedarf es jedenfalls nicht6.
976
Art. 246 § 3 Nr. 5 EGBGB verpflichtet zur Information über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie über die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken7. Û Verbraucherrechterichtlinie
977
Die Regelungen des § 312g Abs. 1 BGB und des Art. 246 § 3 EGBGB gelten nach § 312i Abs. 1 BGB n.F. und Art. 246c EGBGB n.F. unverändert fort. 5. Sanktionen
978
Der Unternehmer, der die Informationspflichten verletzt, die sich aus den §§ 312c und 312g BGB ergeben, hat wettbewerbsrechtliche Abmah-
1 Vgl. Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 2 Dies übersieht Grigoleit, WM 2001, 597, 602. 3 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312e Rz. 87; Härting, MDR 2002, 61, 63; Spindler, ZUM 1999, 775, 790 für den Richtlinienentwurf; a.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e Rz. 37; Grigoleit, WM 2001, 597, 602; vgl. auch Roth, ITRB 2002, 248, 249. 4 Vgl. Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 5 Vgl. Grigoleit, WM 2001, 597, 603; weniger kritisch Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312e Rz. 92 f. 6 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312e Rz. 93. 7 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 171; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e Rz. 40 f.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312e Rz. 94 f.; Grigoleit, WM 2001, 597, 603 f.
240
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
nungen1 durch die Konkurrenz und die Inanspruchnahme durch Verbraucherschutzverbände bzw. Wettbewerbsvereine (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UklaG) zu befürchten. Denkbar sind auch Schadensersatzansprüche des (potenziellen oder tatsächlichen) Vertragspartners aus den §§ 280, 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 BGB2.
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312d BGB) Neben den Informationspflichten aus Art. 246 § 1 und 2 EGBGB ist das 979 Widerrufsrecht des Verbrauchers das zweite Schutzinstrument des Fernabsatzrechts. Das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht ist in § 312d BGB geregelt, wobei diese Rechte in den §§ 355 ff. BGB näher ausgestaltet sind3. 1. Gesetzliches Widerrufsrecht Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ergibt sich aus § 312d BGB. Zweck 980 dieses Rechts ist es, die Informationsdefizite auszugleichen, die darauf beruhen, dass der Verbraucher bei Vertragsschluss die Ware bzw. Dienstleistung nicht in Augenschein nehmen und prüfen kann4. Ein Widerrufsrecht besteht auch bei Verträgen, die wegen Sittenwidrig- 981 keit oder wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sind (§ 134 BGB und § 138 BGB). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Verbraucher auf Grund der Nichtigkeit eines Vertrages nicht zum Widerruf berechtigt sein soll. Das begriffslogische Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne widerrufen werden, berücksichtigt nicht, dass in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass auch nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden können (sog. Doppelwirkungen im Recht)5. Die Ausübung des Widerrufsrechts bedarf keiner Begründung (§ 355 982 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es besteht somit keine Notwendigkeit für den Verbraucher, den Widerruf in irgendeiner Weise zu rechtfertigen.
1 Zur Abmahnung allgemein: Reinholz, ITRB 2009, 180 ff. 2 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, 173; Grüneberg in Palandt, § 312c Rz. 5; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312c Rz. 215 ff.; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1156. 3 Vgl. Mankowski, WM 2001, 793 ff. und 833 ff. 4 Vgl. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rz. 6; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 1; Grundmann, CML Rev. 39 (2002), 269, 276; Rekaiti/van den Bergh, JCP 23 (2000), 371, 380; Roth, JZ 2001, 475, 481. 5 BGH vom 25.11.2009, NJW 2010, 610, 611 mit Anm. Möller; vgl. Schirmbacher, BB 2010, 273.
241
E. Fernabsatzrecht
Û Verbraucherrechterichtlinie 983
Die Grundregelungen für das Widerrufsrecht bleiben in § 312g Abs. 1 und § 355 BGB n.F. weitgehend unverändert bestehen. a) Beginn der Widerrufsfrist
984
Übersicht: Beginn der Widerrufsfrist nur bei: – Erfüllung der nachvertraglichen Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB (§ 312d Abs. 2 BGB) und – Widerrufsbelehrung gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und – im E-Commerce bei Erfüllung der Pflichten aus § 312g Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 312g Abs. 6 Satz 2 BGB) und – bei Waren: erst nach Eingang der Waren beim Empfänger (§ 312d Abs. 2 BGB).
985
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB)1. Die Frist beginnt allerdings erst mit Erteilung einer Widerrufsbelehrung (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB) und – zusätzlich (§ 312d Abs. 2 BGB) – der Erfüllung der Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB (ggf. auch gemäß § 312g Abs. 1 Satz 1 BGB)2. Bei Warenlieferungen ist für den Fristbeginn zudem der Eingang der Ware beim Empfänger erforderlich, wobei bei Sukzessivlieferungsverträgen über gleichartige Waren auf die erste Teillieferung abzustellen ist. Bei Dienstleistungen tritt der Fristbeginn nicht vor dem Vertragsschluss ein (§ 312d Abs. 2 BGB)3. aa) Erfüllung der nachvertraglichen Informationspflichten
986
Der Beginn der Widerrufsfrist ist so lange gehemmt, wie der Unternehmer seinen nachvertraglichen Informationspflichten nicht nachkommt (§ 312d Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 2 und § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB). Die Reichweite der Informationspflichten richtet sich nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltendem Recht4.
1 Zur Länge der Frist und zum Fristbeginn ausführlich: Mankowski, JZ 2001, 745, 746 ff. 2 Kritisch zum „Ungetüm“ Belehrung: Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1089. 3 Vgl. Härting, VuR 2001, 11, 12. 4 Ebnet, NJW 2011, 1031.
242
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Û Verbraucherrechterichtlinie Nach neuem Recht gibt es keine nachvertraglichen Informations- 987 pflichten mehr. Nur noch die Widerrufsbelehrung ist Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist. bb) Widerrufsbelehrung Die nachvertraglichen Informationen gemäß Art. 246 § 2 und § 1 Abs. 1 988 und 2 EGBGB ergänzen die Widerrufsbelehrung, die § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB vorschreibt. Trotz vielfältiger Überschneidungen sind die Pflichtangaben zum Widerruf gemäß § 360 Abs. 1 BGB nicht vollständig in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB enthalten. Umgekehrt enthält Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB Informationen, die durch § 360 Abs. 1 BGB nicht abgedeckt sind. Die Belehrungspflichten können dennoch durch eine einzige Belehrung erfüllt werden, einer Doppelbelehrung bedarf es nicht1. (1) Form Die Widerrufsbelehrung muss in Textform erteilt werden (§ 355 Abs. 2 989 Satz 1 BGB) und deutlich gestaltet sein (§ 360 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei der Beurteilung der Frage, ob die Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet ist, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Verbraucher belehrt wird. Die Belehrung auf der Rückseite einer Urkunde, die der Verbraucher ohne Weiteres zur Kenntnis nehmen kann, kann daher den gesetzlichen Gestaltungsanforderungen genügen2. (2) Inhalt Die Widerrufsbelehrung muss nach § 360 Abs. 1 BGB dem Verbraucher, 990 entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels, seine wesentlichen Rechte deutlich machen und einen Hinweis auf das Widerrufsrecht enthalten sowie darauf, dass der Widerruf keiner Begründung bedarf und in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist erklärt werden kann (§ 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB). Darüber hinaus sind dem Verbraucher der Name und die ladungsfähige Anschrift desjenigen mitzuteilen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist (§ 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB). Erforderlich ist zudem ein Hinweis auf die Dauer und den Beginn der Widerrufsfrist sowie darauf, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung oder der Sache genügt (§ 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BGB). 1 Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 37; Domke, BB 2007, 341, 342; Günther, ITRB 2002, 9, 12; Mankowski, CR 2001, 767, 773; Grüneberg in Palandt, § 312d Rz. 5, Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312d Rz. 53; anders wohl Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 265. 2 BGH vom 31.10.2002, NJW-RR 2003, 1481 = WRP 2003, 266 = MDR 2003, 404.
243
E. Fernabsatzrecht
991
Eine Widerrufsbelehrung ist nur dann ordnungsgemäß, wenn sie für den Verbraucher eindeutig klarstellt, welche einzelnen Bedingungen für die Ausübung des Rechts gelten und welche Folgen die Ausübung des Rechts hat. Es dürfen somit keine unterschiedlichen Belehrungen gleichzeitig erteilt werden, weil der Verbraucher dadurch irritiert wird und letztlich nicht weiß, welche der Belehrungen richtig ist und gelten soll1.
992
Nur vollständig zutreffende Belehrungen lösen den Ablauf der Widerrufsfrist aus. Wer die Ausübung des Widerrufsrechts von der Rücksendung der Ware im originalverpackten Zustand abhängig macht, setzt die Frist nicht in Gang2. Auch irreführende Zusätze können die Wirkung der Widerrufsbelehrung verhindern3. Eine Irreführungsgefahr kann bestehen bei Angabe einer Telefonnummer des Widerrufsempfängers, wenn nicht deutlich wird, dass ein telefonischer Widerruf (bzw. eine telefonische Ausübung des Rückgaberechts gemäß § 356 BGB) zur Rechtsausübung nicht ausreicht4. (3) Musterbelehrung
993
Die dem Verbraucher gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB mitzuteilende Widerrufsbelehrung genügt nach § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB und den §§ 312d und 355 BGB sowie Art. 246 § 1 und 2 EGBGB, wenn das Muster der Anlage 1 des EGBGB verwendet wird. Das Belehrungsmuster, das dem EGBGB seit Juni 2010 als Anlage 1 beigefügt ist5, dient dazu, die Widerrufsbelehrung zu erleichtern6. Das Muster ist als Hilfestellung gedacht bei dem Versuch, das Dickicht der Belehrungspflichten zu durchdringen7, das den §§ 312d und 355 BGB sowie Art. 246 § 1 und 2 EGBGB zugrunde liegt, und alle Anforderungen abzudecken, die sich aus diesen Vorschriften ergeben8.
994
Auf die Muster-Widerrufsbelehrung darf ein Unternehmer gemäß § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB vertrauen, wenn die Belehrung vollständig übernom-
1 2 3 4 5
6 7 8
OLG Hamm vom 24.5.2012 – I-4 U 48/12, Rz. 46. Vgl. LG Arnsberg vom 25.3.2004, WRP 2004, 792; siehe Rz. 984 ff. Vgl. BGH vom 4.7.2002, NJW 2002, 3396 = WRP 2002, 1263. Vgl. KG vom 7.9.2007, NJW-RR 2008, 352, 353; OLG Hamm vom 2.7.2009, K&R 2009, 727, 728; LG Lübeck vom 22.4.2008, MMR 2008, 554, 555. Gesetz vom 29. Juli 2009 zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsrecht- und Rückgaberecht, BGBl. I 2009, S. 2355, 2389 ff.; vgl. auch Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1091. Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/7052, S. 208; Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1089. Vgl. Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1088. Vgl. auch Bodendiek, MDR 2003, 1 ff.; Marx/Bäuml, WRP 2004, 162 ff.; Masuch, NJW 2002, 2931 f.
244
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
men wird1. Änderungen lassen die Wirkungen des § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB entfallen, wenn sich die Änderungen nicht auf Format und Schriftgröße sowie auf Zusätze wie die Firma oder ein Unternehmenskennzeichen beschränken (§ 360 Abs. 3 Satz 3 BGB)2. Ergänzungen der Muster-Widerrufsbelehrung sind als zulässig anzuse- 995 hen, wenn sie den Inhalt der Belehrung verdeutlichen. Nicht hierzu zählen jedoch Erklärungen, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und die deshalb von ihr ablenken3. Wird eine Widerrufsbelehrung, die der Musterbelehrung nach Anlage 1 996 des EGBGB entspricht, mit den Worten „Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht:“ eingeleitet, dient der Zusatz ausschließlich der (zulässigen) Verdeutlichung der Belehrung4. (4) Einzelfragen Eine Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen des § 360 997 Abs. 1 BGB, wenn sie den Hinweis enthält, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen; er vermag lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnt, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Dabei wird der Verbraucher im Unklaren gelassen, welche etwaigen weiteren Umstände dies sind5. Die Angabe einer Postfachadresse als Widerrufsadresse genügt den Anfor- 998 derungen an eine Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht gemäß § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BGB. Der Begriff der „ladungsfähigen Anschrift“ ist nach dem Sinn und Zweck der Norm auszulegen. Der Umstand, dass der Verbraucher bei bloßer Angabe einer Postfachadresse seine Widerrufserklärung regelmäßig nicht selbst in den Hausbriefkasten des Widerrufsempfängers einwerfen kann, steht dem mit der Ein1 BGH vom 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, Rz. 10; BGH vom 1.3.2012 – III ZR 83/11, Rz. 17; BGH vom 28.6.2011 – XI ZR 349/10, Rz. 36; BGH vom 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, Rz. 15; Föhlisch, MMR 2007, 139, 142; Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1088; OLG Düsseldorf vom 30.10.2007, VuR 2008, 55, 58; OLG München vom 26.6.2008, K&R 2008, 620, 622 = MMR 2008, 677, 678; OLG Stuttgart vom 4.2.2008, MMR 2008, 616, 617. 2 Vgl. BGH vom 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, Rz. 17; LG Kiel vom 25.3.2009, MMR 2009, 723 (Ls.); LG Stuttgart vom 30.9.2005, MMR 2006, 341, 342. 3 BGH vom 9.11.2011 – I ZR 123/10 – Überschrift zur Widerrufsbelehrung, Rz. 24. 4 BGH vom 9.11.2011 – I ZR 123/10 – Überschrift zur Widerrufsbelehrung, Rz. 23 ff. 5 BGH vom 1.3.2012 – III ZR 83/11, Rz. 15.
245
E. Fernabsatzrecht
räumung des Widerrufsrechts bezweckten Verbraucherschutz nicht entgegen, zumal für den Verbraucher (auch) bei Angabe einer Postfachanschrift als Widerrufsadresse die Möglichkeit besteht, seine Widerrufserklärung durch Einwurfeinschreiben an den Unternehmer zu übersenden1. 999
Es bedarf nicht nur einer Belehrung des Verbrauchers über seine Pflichten im Widerrufsfall, sondern auch über seine Rechte, insbesondere über das Recht, vom Unternehmer die Rückgewähr erbrachter Leistungen und die Herausgabe gezogener Nutzungen zu verlangen2. Û Verbraucherrechterichtlinie
1000
Die Widerrufsbelehrung ist nach neuem Recht umfassend in Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB n.F. geregelt. Nur noch die Grundbelehrung nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB n.F. ist eine Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist (§ 356 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.). cc) Eingang der Ware beim Verbraucher
1001
Bei Warenlieferungen beginnt die Frist nicht, bis die Ware bei dem Verbraucher eingegangen ist (§ 312d Abs. 2 BGB). Der Unternehmer soll es nicht durch verzögerte Lieferung in der Hand haben, die Prüfung der Ware durch den Verbraucher dadurch zu umgehen, dass er die Ware erst nach Ablauf der Widerrufsfrist versendet3.
1002
Wird die Ware an einen Nachbarn oder einen sonstigen Dritten ausgeliefert, beginnt mit der Auslieferung nur dann die Widerrufsfrist, wenn der Verbraucher den Dritten zur der Entgegennahme der Sendung bevollmächtigt bzw. ermächtigt hatte. Handelt der Dritte dagegen eigenmächtig, beginnt die Frist erst, wenn der Verbraucher Besitz an der Ware erlangt4.
1003
Besteht die vereinbarte Lieferung aus mehreren Teilen, beginnt die Widerrufsfrist erst mit Eingang des letzten Teils, so dass auch bei unvollständigen Lieferungen die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Dies gilt allerdings nur, wenn die einzelnen Lieferungen Bestandteil einer als zusammengehörig verkauften Sache sind (so etwa bei Zubehör zu einem Laptop)5. Besteht eine Bestellung dagegen aus verschiedenen Einzelpos1 BGH vom 25.1.2012 – VIII ZR 95/11, Rz. 13. 2 BGH vom 12.4.2007, CR 2007, 529, 530 = WRP 2007, 794, 795 = MMR 2007, 514, 515; vgl. Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 435 f.; Witt, NJW 2007, 3759 ff. 3 Vgl. Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 8. 4 AG Winsen vom 28.6.2012 – C 1812/11, Rz. 5 ff. 5 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 75 ff.; Roth, JZ 2000, 1013, 1018; Schirmbacher, CR 2002, 642; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638, 639 = ITRB 2002, 261 (Intveen); a.A. Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1424.
246
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
ten, die nicht zusammen gehören (Beispiel: mehrere Kleidungsstücke), so lösen die Einzellieferungen – ordnungsgemäße Belehrung vorausgesetzt – jeweils separate Widerrufsfristen aus1. Eine Sonderregelung gilt nach § 312d Abs. 2 BGB für die wiederkehrende 1004 Lieferung gleichartiger Waren. In diesen Fällen beginnt die Widerrufsfrist frühestens am Tage der ersten Teillieferung. Standardbeispiel ist die Lieferung eines mehrbändigen Lexikons2. Û Verbraucherrechterichtlinie Auch nach neuem Recht ist die Warenlieferung eine Voraussetzung 1005 des Beginns der Widerrufsfrist beim Verbrauchsgüterkauf. § 356 Abs. 2 BGB n.F. sieht einige Präzisierungen vor und stellt insbesondere klar, dass der Zugang der Ware bei einem Dritten als Lieferung gilt, wenn der Dritte vom Verbraucher „benannt“ worden ist. Bei einem Kauf auf Probe (§ 455 BGB) soll die Widerrufsfrist jedenfalls 1006 nicht vor Ablauf der Billigungsfrist beginnen. Dies folgt nach Ansicht des BGH daraus, dass das Widerrufsrecht als besonderes Rücktrittsrecht zu verstehen ist, das den gesamten Vertrag zu Fall bringt und deshalb schon denklogisch einen nicht mehr einseitig beeinflussbaren Vertragsschluss voraussetzt. Bei einem Kauf auf Probe sei dies der Zeitpunkt des Ablaufs der Billigungsfrist, so dass dem Verbraucher in einer solchen Konstellation ab diesem Zeitpunkt das Widerrufsrecht zustehe. Zudem hätten § 455 BGB und die §§ 312d, 355 BGB unterschiedliche Ziele, was einen Parallellauf der Fristen ausschlösse3. Û Praxistipp: Angesichts der BGH-Rechtsprechung ist von der Verein- 1007 barung eines Kaufs auf Probe gemäß § 455 BGB im Fernabsatz abzuraten. Dem Unternehmer droht eine Addition von Billigungs- und Widerrufsfrist. b) Ende der Widerrufsfrist
Übersicht:
1008
Ende der Widerrufsfrist – zwei Wochen nach Fristbeginn oder – einen Monat nach Fristbeginn (bei Widerrufsbelehrung nach Vertragsschluss, § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB) oder
1 Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 268 f. 2 Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 33; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 79. 3 BGH vom 17.3.2004, BB 2004, 1246.
247
E. Fernabsatzrecht
– sechs Monate nach Vertragsschluss bzw. Warenlieferung (bei fehlerhafter oder unterlassener nachvertraglicher Informationen gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB, siehe zudem § 312g Abs. 3 Satz 2 BGB) oder – bei vollständiger Erfüllung eines Vertrages über eine Dienstleistung, wenn die Erfüllung auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgte (§ 312d Abs. 3 BGB) oder – mit Entsiegelung eines Datenträgers z.B. CD, Video, DVD (§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB) oder – kein Fristablauf („ewige Widerrufsfrist“) bei fehlender oder mangelhafter Widerrufsbelehrung nach § 360 Abs. 1 BGB (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB).
aa) Normalfristen 1009
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, wenn der Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehrt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) und verlängert sich auf einen Monat, wenn die Belehrung erst nach Vertragsschluss erfolgt (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB).
1010
Eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung steht einer solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher vorvertraglich gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Damit steht fest, dass es möglich ist, auf Ebay Fernabsatzverträge mit einer Widerrufsfrist von 14 Tagen abzuschließen1.
1011
Das OLG Hamm entschied, dass eine Widerrufsbelehrung bei einem Angebot auf der Internetauktionsplattform Ebay auch dann unverzüglich nach Vertragsschluss gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB erteilt wird, wenn die Übermittlung zwar nicht unmittelbar nach dem Abschluss des Vertrags durch Abgabe des Höchstgebots, wohl aber unmittelbar im Anschluss an das 49 Stunden später eingetretene Auktionsende erfolgt2. Daraus lässt sich schließen, dass nicht der Zeitpunkt der Abgabe des Höchstgebots, sondern der des Endes einer Auktion für die Unverzüglichkeit maßgeblich ist3. Dies erscheint sachgerecht, da ein Vertragsschluss mit dem Höchstbietenden erst nach dem Ablauf der Auktionszeit feststeht. Die Konstellation ist mit einem Kauf auf Probe vergleichbar, bei dem der BGH für den Beginn der Widerrufsfrist gleichfalls auf den Zeitpunkt abgestellt hat, zu dem der Vertragsschluss endgültig feststeht4.
1 2 3 4
Vgl. Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1091 f. OLG Hamm vom 20.1.2012 – 4 U 145/11, Rz. 52. Hupka, NJW 2012, 1122 f. BGH vom 17.3.2004, BB 2004, 1246; siehe oben Rz. 1006.
248
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Problematisch ist § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. bei Finanzdienstleistun- 1012 gen, da die FARLFDL für Nachbelehrungen keine Verlängerung der Frist auf einen Monat vorsieht. Im Hinblick auf das Vollharmonisierungsgebot der FARLFDL stellt sich daher die Frage, ob § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. bei Finanzdienstleistungen – richtlinienkonform – außer Acht gelassen werden darf mit der Folge einer zweiwöchigen Widerrufsfrist (auch) bei Nachbelehrungen1. Û Verbraucherrechterichtlinie Nach neuem Recht beträgt die Widerrufsfrist auch bei einer verspäte- 1013 ten Belehrung nur 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB n.F.). bb) „Ewiges“ Widerrufsrecht Gemäß § 312d Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht vor 1014 vollständiger Erfüllung der Informationspflichten nach Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 EGBGB. Auch wenn der Unternehmer bei einem Fernabsatzvertrag die Pflichten verletzt, die sich aus § 312g Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, beginnt die Widerrufsfrist nach § 312g Abs. 6 Satz 2 BGB nicht vor Erfüllung der Pflichten2. Damit stünde dem Verbraucher bei jedem noch so geringen Verstoß gegen die umfangreichen Verpflichtungen aus § 312c Abs. 2 BGB und § 312g Abs. 1 Satz 1 BGB ein „ewiges“ Widerrufsrecht zu, das allein den Beschränkungen der Verwirkung unterworfen wäre. Um diese harsche Folge zu vermeiden, bestimmt § 355 Abs. 4 Satz 1 BGB, 1015 dass das Widerrufsrecht spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss erlischt. Angestoßen von der Heininger-Entscheidung des EuGH3, hat der Gesetzgeber diese Bestimmung abgeschwächt und eine Ausnahme vom Erlöschen des Widerrufsrechts eingeführt für den Fall, dass der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB)4. In diesem Fall kann der Verbraucher noch Jahre nach Vertragsschluss den Vertrag widerrufen. Für Finanzdienstleistungsverträge hat der Gesetzgeber das „ewige“ Wi- 1016 derrufsrecht ausgedehnt. Gemäß § 355 Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz BGB erlischt das Widerrufsrecht bei Finanzdienstleistungen auch sechs Monate nach Vertragsschluss nicht, wenn der Unternehmer seinen Mitteilungs-
1 Vgl. Domke, BB 2007, 341, 342. 2 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, 173; Schneider, K&R 2001, 344, 348. 3 EuGH vom 13.12.2001, NJW 2002, 281 = EuZW 2002, 84 mit Anm. Reich/Rörig – Heininger; vgl. Rott, VuR 2002, 49 ff. 4 Art. 25 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsänderungsgesetz – OLGVertrÄndG) vom 23.7.2002, BGBl. I 2002, S. 2856; vgl. Ebnet, NJW 2011, 1029; Schirmbacher, CR 2006, 673, 674 f.
249
E. Fernabsatzrecht
pflichten nach Art. 246 § 2 EGBGB nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Û Verbraucherrechterichtlinie 1017
Ein „ewiges Widerrufsrecht“ gibt es nach neuem Recht nur noch bei Finanzdienstleistungen (vgl. § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB n.F.). Bei allen anderen Verträgen erlischt das Widerrufsrecht bei unterlassener oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss und Warenlieferung (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F.). cc) Erlöschen bei Dienstleistungen
1018
Auch auf Verträge über Dienstleistungen ist § 355 Abs. 2 BGB anwendbar, so dass eine Widerrufsfrist von 14 Tagen gilt, die sich unter den Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 BGB verlängern kann. Allerdings erlischt das Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 3 BGB, wenn der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist beiderseitig voll erfüllt worden ist1. Dies bedeutet insbesondere, dass es der Verbraucher durch Nichtleistung in der Hand hat, das vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts zu verhindern. Û Verbraucherrechterichtlinie
1019
Nach § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB n.F. erlischt das Widerrufsrecht bei Dienstleistungen, wenn der Unternehmer die Dienstleistungen vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert. Nur bei Finanzdienstleistungen ist es für das Erlöschen des Widerrufsrechts erforderlich, dass der Vertrag auch vom Verbraucher vollständig erfüllt wurde (§ 356 Abs. 4 Satz 2 BGB n.F.). c) Ausnahmen vom Widerrufsrecht
1020
§ 312d Abs. 4 BGB enthält einen abschließenden Katalog von Ausnahmeregelungen vom Widerrufsrecht2. Weitergehende Ausnahmen sind nicht vorgesehen, so dass beispielsweise auch bei Sonderaktionen, Restposten und sonstiger preisreduzierter Ware ein Widerrufsrecht des Verbrauchers gilt3.
1 Vgl. AG Montabaur vom 4.6.2012 – 19 C 366/11. 2 Vgl. Arnold, CR 1997, 526, 531. 3 LG Waldshut-Tiengen vom 7.7.2003, WRP 2003, 1148.
250
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Übersicht:
1021
§ 312d Abs. 4 BGB – Verträge über Waren, die auf Grund von Kundenspezifikationen angefertigt werden oder sich nicht für eine Rücksendung eignen (§ 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB); – Verträge über versiegelte Datenträger (unechte Ausnahme, da bis zur Entsiegelung ein Widerrufsrecht besteht, § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB); – Verträge über Zeitungen und Zeitschriften (§ 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB); – Verträge über Wett- und Lotterie-Dienstleistungen (§ 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB); – Verträge, die per Auktion zustande kommen (§ 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB); – Verträge über Warenlieferungen oder Finanzdienstleistungen, deren Preis vom Unternehmer nicht beeinflussbaren Schwankungen unterliegt (§ 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB); – Verträge über die Erbringung telekommunikationsgestützter Dienste, die auf Veranlassung des Verbrauchers unmittelbar per Telefon oder Telefax in einem Mal erbracht werden, sofern es sich nicht um Finanzdienstleistungen handelt (§ 312d Abs. 4 Nr. 7 BGB).
aa) Sammelausnahme: § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB Nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen 1022 zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ein Widerrufsrecht ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Ware sich auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung eignet oder schnell verderben kann oder wenn ihr Verfallsdatum bei einer Rücksendung überschritten würde. (1) Sonderanfertigungen Eine Lieferung von Waren nach Kundenspezifikation liegt vor bei Werk- 1023 lieferungsverträgen gemäß § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die vom Verbraucher bestellte Ware erst nach Vertragsschluss auf Grund der Anweisungen des Verbrauchers hergestellt werden kann1. Unter den Begriff der Ware fallen alle beweglichen Güter, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können2.
1 Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 68. 2 Meier, NJW 2011, 2397.
251
E. Fernabsatzrecht
1024
Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation i.S.d. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB ist nicht bereits dann zu bejahen, wenn der Kunde die Ausstattung der Ware unter mehreren Varianten auswählt1. Vielmehr muss es sich um eine Ware handeln, die kein standardisiertes Massenprodukt ist und für die der Unternehmer nicht ohne Weiteres einen anderen Abnehmer finden kann2. Da es nur in einem solchen Fall gerechtfertigt ist, das Widerrufsrecht auszuschließen, greift die Ausnahme nicht bei Waren, die im Baukastensystem angeboten werden wie beispielsweise bei Notebooks (Built-to-order-Verfahren), deren Komponenten der Kunde selbst zusammenstellen kann3. Entscheidend ist stets, ob sich die Ware ohne größeren Kostennachteil nach der Rücksendung wieder auseinanderbauen und erneut verkaufen lässt4.
1025
Kaum zu unterscheiden von der Anfertigung nach Kundenspezifikation ist der weitere in § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB aufgeführte Fall von Waren, die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind5. Auch ein solcher Fall ist nur denkbar, wenn die Waren nach den individuellen Vorgaben des Verbrauchers hergestellt werden6. (2) Ungeeignetheit für eine Rücksendung
1026
Eine Ware ist nicht schon dann für eine Rücksendung ungeeignet gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB, wenn Transportschwierigkeiten bestehen7. Leicht zerbrechliche Waren, die dem Verbraucher mittels Fernabsatzes übersandt werden, können vom Verbraucher auf gleiche Weise zurückgesendet werden. Dies gilt beispielsweise für Möbelstücke, die in Einzelteilen geliefert und vom Verbraucher zusammengebaut werden8, oder
1 Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 68; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 274. 2 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 21; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 274; LG Stendal vom 23.1.2007 – 22 S 138/06; a.A. Waldenberger, K&R 1999, 345, 351. 3 Fischer, DB 2003, 1103, 1104 f.; Wendehorst, EWiR § 3 FernAbsG 1/03, 711, 712; BGH vom 19.3.2003, NJW 2003, 1665 = DB 2003, 1109 = VuR 2003, 353; OLG Dresden vom 23.8.2001, CR 2002, 180 = MDR 2002, 79 = ITRB 2002, 27; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261 (Intveen); AG Köpenick vom 25.8.2010 – 6 C 369/09, Rz. 10. 4 BGH vom 19.3.2003, NJW 2003, 1665 = DB 2003, 1109 = VuR 2003, 353; OLG Dresden vom 23.8.2001, CR 2002, 180 = MDR 2002, 79 = ITRB 2002, 27; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261 (Intveen); vgl. auch Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 27; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 23; Fischer, DB 2003, 1103, 1104 f. 5 Vgl. Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 274. 6 Vgl. Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 71; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 22. 7 Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 72. 8 Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 28.
252
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
auch für Kontaktlinsen und Kontaktlinsenpflegemittel1. Dass die Rücksendung für den Verbraucher mit Aufwand verbunden oder eine Rücksendung in Originalverpackung2 unmöglich ist, rechtfertigt es nicht, zu Lasten des Verbrauchers das Widerrufsrecht auszuschließen. Keine Ausnahme gilt auch für Textilien, die sich trotz etwaiger Ge- 1027 brauchsspuren ohne Weiteres für eine Rücksendung eignen. Eine Widerrufsbelehrung, die das Widerrufsrecht für „getragene und mit Gebrauchsspuren versehene Unterwäsche“ ausschließt, ist unzutreffend3. Bei Arzneimitteln kann sich ein Ausschluss des Widerrufsrechts daraus 1028 ergeben, dass das Arzneimittelrecht den Weiterverkauf zurückgegebener Arzneien vielfach verbietet. Insoweit erscheint die Annahme sachgerecht, dass Arzneimittel gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB zur Rücksendung „ungeeignet“ sind4. Ähnliches gilt für angebrochene Kosmetika5 und erotische „Hygieneartikel“6. Zu weit geht es allerdings, wenn es in einer Widerrufsbelehrung heißt, Kosmetika würden nur „in einem unbenutzten Zustand“ zurückgenommen, da unklar bleibt, was unter einer „Benutzung“ zu verstehen ist7. Beim Download von Computerprogrammen und digitalen Inhalten wie 1029 Musik, Spielen oder Klingeltönen8 besteht kein Widerrufsrecht, da eine Rücksendung unmöglich ist9. Lädt der Verbraucher Daten auf seine Computerfestplatte herunter, so ist er zu einer Rückgabe dieser Daten außerstande10. Er könnte dem Unternehmer zwar eine Kopie der Daten übermitteln und die heruntergeladenen Daten sodann löschen. Eine Rücksendung ist indes ausgeschlossen11.
1 OLG Hamburg vom 20.12.2006, WRP 2007, 1121; vgl. auch Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 117, 121 f. 2 Siehe Rz. 1086. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, MMR 2007, 322, 323. 4 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379; Mand, NJW 2008, 190, 191 f.; a.A. AG Köln vom 31.5.2007, NJW 2008, 236. 5 A.A. OLG Köln vom 27.4.2010 – 6 W 43/10. 6 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379. 7 OLG Köln vom 27.4.2010 – 6 W 43/10. 8 AG Mitte vom 8.7.2010 – 106 C 26/10, Rz. 14. 9 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 74; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 275; offen bei Wendehorst in MünchKommBGB, § 312d Rz. 27; zweifelnd auch Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rz. 73; a.A. Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 29. 10 Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 74; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 275; Härting, VuR 2001, 11, 14; a.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rz. 73; Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 29; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 928. 11 Härting, VuR 2001, 11, 14; Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44.
253
E. Fernabsatzrecht
1030
Auch beim Kauf einer Persönlichkeitsanalyse, die im Rahmen einer Online-Partnerschaftsvermittlung als PDF-Datei übermittelt wird, ist eine Rückübersendung ausgeschlossen, da der Käufer dem Verkäufer allenfalls eine Kopie übermitteln und die „Originaldatei“ löschen kann1.
1031
Zur Rücksendung ungeeignet ist Heizöl, wenn das Heizöl durch die Vermischung mit anderem Heizöl im Tank des Verbrauchers die nach den einschlägigen DIN-Normen erforderlichen Eigenschaften verliert2. Daneben kommt eine Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB in Betracht, da der Preis von Heizöl auf dem Finanzmarkt erheblichen Schwankungen unterliegt3.
1032
Für einen Vertrag zur Lieferung von Strom und Gas legte der BGH dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob die FARL eine Ausnahme von dem Widerrufsrecht vorschreibt. Nach dem Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB komme es für die Feststellung, ob eine Ware für eine Rücksendung geeignet ist, auf deren Beschaffenheit an. Bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas, die nach den üblichen Versorgungsverträgen mit Verbrauchern nicht zur Speicherung, sondern zum sofortigen Verbrauch bestimmt seien, scheide eine Rücksendung derselben Ware durch den Verbraucher aus. Dies spreche dafür, sie auf Grund ihrer Beschaffenheit als zur Rücksendung nicht geeignet anzusehen4.
1033
Zu einer Entscheidung durch den EuGH kam es nicht, da sich das Verfahren – mutmaßlich auf Grund einer Einigung der Parteien – erledigte5. (3) Verderbliche Waren
1034
Außer leicht verderblichen Lebensmitteln können auch andere verderbliche Verbrauchsgüter unter den Ausnahmetatbestand des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB fallen6. Ein Beispiel sind Schnittblumen7, die eine Rückübersendung an den Unternehmer in aller Regel nicht überleben würden.
1035
Keine leichte Verderblichkeit ist bei wurzelnackten lebenden Bäumen anzunehmen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Käufer die Bäume nach der Lieferung nicht einpflanzt, so dass sie absterben8.
1 A.A. LG Hamburg vom 31.1.2012 – 312 O 93/11, Rz. 65 ff.; vgl. auch Meier, NJW 2011, 2397. 2 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/2920, S. 4 und die Erwiderung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2920, S. 13. 3 LG Duisburg vom 22.5.2007, MMR 2008, 356; siehe Rz. 1065 f. 4 BGH vom 18.3.2009, WRP 2009, 735, 736. 5 EuGH vom 22.4.2010 – C-146/09. 6 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 30. 7 Gößmann, MMR 1998, 88, 90. 8 OLG Celle vom 4.12.2012 – 2 U 154/12, Rz. 9 f.
254
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Û Verbraucherrechterichtlinie Die Ausnahmefälle des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB werden durch § 312g 1036 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BGB n.F. präzisiert und erweitert. Nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F. ist das Widerrufsrecht bei 1037 Verträgen ausgeschlossen, die nicht vorgefertigt und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind (Sonderanfertigungen). Gemäß § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F. besteht auch weiterhin ein 1038 Ausschluss des Widerrufsrechts bei leicht verderblichen Waren. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 n.F. BGB ist neu und nimmt Verträge über 1039 die Lieferung von versiegelten Waren vom Widerrufsrecht aus, wenn die Waren aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt würde. Neu ist auch § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB n.F. Danach gibt es kein 1040 Widerrufsrecht bei Waren, die nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt werden (z.B. Heizöl). Für digitale Inhalte (Download) trifft § 356 Abs. 5 n.F. eine Sonderrege- 1041 lung. Danach erlischt das Widerrufsrecht, sobald der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrages begonnen hat, nachdem der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrages vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrages sein Widerrufsrecht verliert. bb) Entsiegelte Datenträger Nach § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen 1042 über die Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind. § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB schützt Urheberrechte1. Würde man ein Wider- 1043 rufsrecht des Verbrauchers bei der Lieferung bespielter Ton- und Bildträger sowie Software unbeschränkt zulassen, würde dies die unkontrollierte Anfertigung von Raubkopien ermöglichen. Der Verbraucher könnte die Ton-, Bild- bzw. Datenträger in aller Ruhe vervielfältigen und sodann an den Unternehmer zurücksenden.
1 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 921; Micklitz, ZEuP 1999, 875, 887.
255
E. Fernabsatzrecht
1044
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers hängt davon ab, ob der Unternehmer den jeweiligen Datenträger versiegelt geliefert hat. Sieht der Unternehmer von einer Versiegelung ab, so bleibt dem Verbraucher das Widerrufsrecht mit sämtlichen Missbrauchsmöglichkeiten erhalten1. Bei der Lieferung eines versiegelten Datenträgers sorgt § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB dagegen für eine befriedigende Lösung, indem das Schicksal des Widerrufsrechts in die Hand des Verbrauchers gelegt wird, der mit der Entsiegelung des Datenträgers das Widerrufsrecht verliert2.
1045
Anwendbar ist § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB nur, wenn tatsächlich eine physische Versiegelung gebrochen wird. Passwortschutz kann allenfalls dann als eine solche Sperre angesehen werden, wenn ein Passwort gerade zum Urheberrechtsschutz (und nicht beispielsweise nur zur Sicherheit des berechtigten Benutzers des Computers) eingerichtet wurde3.
1046
Von einer Versiegelung kann nur bei einer gewissen Festigkeit der Verbindung zwischen Ware und Umhüllung die Rede sein. Der bloße Verschluss einer CD- oder DVD-Hülle mit handelsüblichen Klebestreifen4 reicht für eine Versiegelung ebenso wenig aus wie eine schlichte Cellophanhülle, da einer solchen Verpackung die Prüf- und Besinnungsfunktion fehlt5.
1047
Wird Hard- und Software zusammen verkauft, kann sich der Unternehmer trotz Versiegelung nicht auf einen Ausschluss des Widerrufsrechts für das Gesamtpaket berufen6.
1048
Die Entsiegelung lässt das Widerrufsrecht nur entfallen, wenn sie vom Verbraucher selbst oder auf dessen Veranlassung vorgenommen wird. Eine undifferenzierte Belehrung des Verbrauchers darüber, dass kein Widerrufsrecht bestehe, wenn „die gelieferten Datenträger vom Kunden oder einem Dritten entsiegelt worden sind“, ist daher unzutreffend7.
1049
§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB lässt sich nicht erstrecken auf andere, in der Ausnahmebestimmung nicht genannte Waren (z.B. elektrische Geräte8, Kontaktlinsen9 oder Bücher), die in Schutzverpackungen geliefert werden. 1 Vgl. Arnold, CR 1997, 526, 531 f.; Härting, CR 1999, 507, 510. 2 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44. 3 LG Frankfurt a.M. vom 18.12.2002, CR 2003, 412 = ITRB 2003, 170; Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 33; Günther, ITRB 2002, 9, 12. 4 Vgl. LG Dortmund vom 26.10.2006 – 16 O 55/06. 5 OLG Hamm vom 30.3.2010, K&R 2010, 411, 412 mit Anm. Dehißelles. 6 AG Aachen vom 28.6.2004 – 80 C 238/04; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380. 7 LG Hamburg vom 14.10.2005 – 406 O 166/05; vgl. Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 376. 8 LG Düsseldorf vom 17.5.2006, WRP 2006, 1270, 1271. 9 OLG Hamburg vom 20.12.2006, WRP 2007, 1121.
256
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Systematisch ist § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB eine verunglückte Norm, da 1050 das Widerrufsrecht bei der Lieferung versiegelter Datenträger gerade nicht ausgeschlossen ist, sondern lediglich erlischt, sobald es zur Entsiegelung kommt1. § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB regelt daher – ähnlich wie § 312d Abs. 3 BGB – den Fall des Erlöschens eines Widerrufsrechts und nicht den Fall eines Ausschlusses2. Û Praxistipp: Der Unterschied zwischen § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB und 1051 den „echten“ Ausnahmen vom Widerrufsrecht zeigt sich bei der Widerrufsbelehrung. Während der Verbraucher beispielsweise bei Zeitungsabonnements wegen § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB nicht über ein Widerrufsrecht belehrt werden braucht, ist eine Widerrufsbelehrung bei der Lieferung versiegelter Datenträger unabdingbar. Die Belehrung muss dann einen Satz zum Erlöschen bei Entsiegelung enthalten: „Das Widerrufsrecht erlischt bei Entsiegelung der Verpackung.“ Û Verbraucherrechterichtlinie Die Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB wird durch § 312g 1052 Nr. 6 BGB n.F. weitgehend unverändert übernommen. cc) Zeitungsabonnements § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB sieht eine Ausnahme vom Widerrufsrecht für 1053 Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten vor, sofern es sich nicht um eine telefonische Bestellung handelt. Ein Vertrag über die Lieferung eines Kino(jahres)kalenders erfüllt die Vo- 1054 raussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB nicht3. Û Verbraucherrechterichtlinie Die Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB wird durch § 312g 1055 Nr. 7 BGB n.F. geändert. Die Ausnahme gilt zukünftig auch für telefonische Bestellungen. Gleichzeitig werden Abonnement-Verträge insgesamt von dem Ausschluss nicht mehr erfasst. dd) Wett- und Lotteriegeschäfte Das spekulative Element ist für Wett- und Lotteriegeschäfte kennzeich- 1056 nend. Ein Widerrufsrecht würde diese Geschäfte mit Unsicherheiten belasten und die Abwicklung von Wetten und Lotterien erheblich erschweren. Dies erklärt den Ausschluss des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen zur Erbringung von Wett- und Lotterie-Dienstleistungen
1 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 34. 2 Vgl. Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1425. 3 OLG Hamburg vom 27.3.2003, NJW 2004, 1114, 1115.
257
E. Fernabsatzrecht
(§ 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB)1. Die Ausnahme gilt allerdings nicht für den telefonischen Vertragsschluss. 1057
Nicht unter § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB fallen Verträge mit Internet-Lottotippgemeinschaften. Bei diesen Verträgen handelt es sich nicht um Verträge über eine Wett- oder Lotteriedienstleistung, sondern um Geschäftsbesorgungsverträge2. Û Verbraucherrechterichtlinie
1058
Die Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB wird durch § 312g Nr. 12 BGB n.F. weitgehend unverändert übernommen. ee) Versteigerungen
1059
Gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen bei Verträgen, die in der Form von Versteigerungen geschlossen werden. Dieser Norm liegt die Absicht zugrunde, dem Ersteigerer bei Internetauktions-Plattformen wie Ebay kein Widerrufsrecht zu gewähren, um die Versteigerung von Waren im Internet nicht unangemessen zu behindern3.
1060
Als das Fernabsatzrecht im Jahre 2000 in Kraft trat, entsprach es einer weitverbreiteten Auffassung, dass Internetauktionen Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB sind. Erst seit dem ebenso überzeugenden wie grundlegenden Ricardo-Urteil des BGH4 hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Verträge bei Internetauktionen in aller Regel nicht durch Zuschlag, sondern durch Angebot und Annahme zustande kommen5. Eine Versteigerung gemäß § 156 BGB liegt nur bei „Live-Auktionen“ vor, bei denen tatsächlich durch den Internetanbieter per Zuschlag bestimmt wird, wer Vertragpartner des Einlieferers wird6.
1061
§ 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB verweist ausdrücklich auf § 156 BGB. Aus dieser Verweisung hat der BGH geschlossen, dass das Widerrufsrecht bei typischen Internetauktionen nicht ausgeschlossen ist und Unternehmer, die als „Powerseller“ Onlineauktionen zum Warenvertrieb nutzen, den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehren müssen7. 1 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 38. 2 OLG Karlsruhe vom 27.3.2002, CR 2002, 682, 683. 3 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 33; vgl. auch Fuchs in Spindler, Vertragsrecht der Internetprovider, Rz. 318; Rüßmann/Reich, K&R 2000, 116, 117; Stögmüller, K&R 1999, 391, 395. 4 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363. 5 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 43; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 279; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1424; vgl. Wiebe in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Rz. 21 ff.; Czeguhn, ITRB 2001, 295, 295 f.; anders offenbar AG Bad Hersfeld vom 22.3.2004, MMR 2004, 500 mit Anm. Trinks. 6 Siehe Rz. 467 ff. 7 BGH vom 3.11.2004, CR 2005, 53; LG Dortmund vom 22.12.2005, WRP 2006, 780; LG Hof vom 26.4.2002, CR 2002, 844 = MMR 2002, 760 = K&R 2002, 614;
258
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Wer – wie der BGH – ein Widerrufsrecht des Ersteigerers bejaht, kann 1062 sich zwar auf den Wortlaut der Norm berufen. Die Entstehungsgeschichte und der erkennbare Zweck der Ausnahme sprechen jedoch für eine korrigierende Auslegung des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB1. Die Ausnahme ist ersichtlich auf typische Internetauktionen zugeschnitten, nichts anderes als diese Auktionen hatte der Gesetzgeber im Sinn. Der Verweis auf § 156 BGB ist ein Redaktionsversehen2. Bedenklich weit geht es, wenn man es sogar für irreführend gemäß § 5 1063 UWG erachtet, wenn der Verbraucher – dem Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB folgend – belehrt wird, dass ihm bei Verträgen, die in Form von Versteigerungen geschlossen werden, kein Widerrufsrecht zusteht3. Û Verbraucherrechterichtlinie Für Versteigerungen gilt mit § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BGB n.F. eine 1064 vollständig neu formulierte Ausnahmeregelung, die nicht mehr auf § 156 BGB Bezug nimmt und stattdessen darauf abstellt, dass dem Verbraucher die Möglichkeit der persönlichen Anwesenheit gegeben wird. Damit dürfte für alle Online-Versteigerungen künftig ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehen. ff) Spekulative Verträge Durch § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB werden Verträge über die Lieferung von 1065 Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen vom Widerrufsrecht ausgenommen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Die Ausnahme entspricht wörtlich Art. 6 Abs. 2 lit. a FARLFDL. Beispiele sind Aktien, sonstige Wertpapiere, Devisen, Derivate und Geldmarktinstrumente4. Durch § 312d
1 2 3 4
LG Offenburg vom 8.10.2002 – 1 S 89/02; AG Kehl vom 19.4.2002, NJW-RR 2003, 1060; AG Schwäbisch Gmünd vom 23.7.2002, ITRB 2003, 239; a.A. AG Bad Hersfeld vom 22.3.2004, MMR 2004, 500 mit Anm. Trinks; AG OsterholzScharmbeck vom 23.8.2002, ITRB 2003, 239; offen: AG Menden vom 10.11.2003, MMR 2004, 502; vgl. auch Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rz. 110; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rz. 90 ff.; Tonner in Micklitz/ Tonner, Vertriebsrecht, § 312d Rz. 36; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 43; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 279; Czeguhn, ITRB 2001, 295, 296; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1424; Lorenz, JuS 2000, 833, 840; Piepenbrock/ Schmitz, K&R 2000, 378, 384; LG Hof vom 26.4.2002, CR 2002, 844 = MMR 2002, 760 = K&R 2002, 614; a.A. Heiderhoff, MMR 2001, 640, 642; Meents, CR 2000, 610, 614. Vgl. Heiderhoff, MMR 2001, 640, 642; Meents, CR 2000, 610, 614. A.A. Trinks, MMR 2004, 500, 501. OLG München vom 31.1.2008, WRP 2008, 1396 (Ls.).; vgl. auch BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 991 = ZGS 2010, 136; Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168, 171. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/2946, S. 45.
259
E. Fernabsatzrecht
Abs. 4 Nr. 6 BGB soll verhindert werden, dass der Verbraucher die Widerrufsfrist dazu nutzt, auf Kosten des Unternehmers zu spekulieren1. 1066
Auch der Handel mit Edelmetallen oder Heizöl2 ist von § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB erfasst, da es sich hierbei um Waren handelt, deren Preis täglichen Schwankungen unterliegt. Dies gilt gerade auch für den Fall, dass ein Festpreis vereinbart ist, da der Festpreis dem Verbraucher überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet, auf einen Preisanstieg zu spekulieren3. § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB soll verhindern, dass der Verbraucher zu einem (vermeintlich) günstigen Preis kauft und das Widerrufsrecht dazu nutzt, sich für den Fall eines Preisverfalls von den Folgen eines für ihn nachteiligen Geschäfts zu befreien.
1067
Der Ausschluss des Widerrufsrechts gilt auch beim Kauf von Zertifikaten4. Mit dem (schwankenden) Preis, auf den § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB Bezug nimmt, ist nicht nur der unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis gemeint, sondern auch der den Marktpreis mittelbar beeinflussende Basiswert, der seinerseits Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Dies lässt sich schon daraus schließen, dass Derivate ausdrücklich in dem Beispielskatalog des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB erwähnt werden5. Û Verbraucherrechterichtlinie
1068
Die Regelung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB gilt nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB n.F. unverändert fort.
1069
Neu ist § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB n.F., der für Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke einen Ausschluss des Widerrufsrechts vorsieht, wenn die Getränke frühestens 30 Tage nach dem Vertragsschluss geliefert werden können und ihr aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat. gg) Telekommunikative Dienste
1070
Nach § 312d Abs. 4 Nr. 7 BGB gilt eine Ausnahme für bestimmte telefonische Dienstleistungen und für bestimmte Formen des Faxabrufs6. Die Ausnahme betrifft Verträge über die Erbringung telekommunikations-
1 2 3 4
Domke, BB 2007, 341, 341. LG Duisburg vom 22.5.2007, MMR 2008, 356. A.A. LG Wuppertal vom 26.4.2012 – 9 S 205/10, Rz. 9. BGH vom 27.11.2012 – XI ZR 439/11, Rz. 22; OLG Karlsruhe vom 13.9.2011 – 17 U 104/10, Rz. 24, 27, 34. 5 BGH vom 27.11.2012 – XI ZR 439/11, Rz. 22. 6 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rz. 283.
260
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
gestützter Dienste, die auf Veranlassung des Verbrauchers unmittelbar per Telefon oder Telefax in einem Mal erbracht werden, und klammert Finanzdienstleistungen vollständig aus. Û Verbraucherrechterichtlinie Eine Ausschlussnorm für telekommunikative Dienste sieht § 312g 1071 Abs. 2 BGB n.F. nicht vor. 2. Vertragliches Widerrufsrecht Schon aus § 312i BGB ergibt sich, dass Vereinbarungen, die von den Vor- 1072 schriften der §§ 312b ff. BGB zum Vorteil des Verbrauchers abweichen, ohne Weiteres wirksam sind1. Daher steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, wenn in einem Fernabsatzvertrag ein solches Widerrufsrecht vereinbart wird, obwohl die Voraussetzungen eines gesetzlichen Widerrufsrechts nicht erfüllt sind. Wenn daher ein Unternehmer in Unkenntnis eines gesetzlichen Ausschlussgrundes ein Widerrufsrecht des Verbrauchers in den Fernabsatzvertrag aufnimmt, kann er sich nicht auf § 312d Abs. 4 BGB berufen. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Unternehmer eine Widerrufsbelehrung verwendet, aus der sich nicht ergibt, dass das Widerrufsrecht nur für Verbraucher gelten soll. Durch eine solche Belehrung wird auch Kunden, die keine Verbraucher sind, ein (vertragliches) Widerrufsrecht eingeräumt2. Einer Widerrufsbelehrung ist grundsätzlich eine konstitutive Wirkung 1073 im Hinblick auf die Einräumung eines Widerrufrechts zuzusprechen in Fällen, in denen gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Privatautonomie3. Verwendet daher eine Bank gegenüber einem Sicherungsgeber eine Widerrufsbelehrung, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, liegt darin die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts4. Die Formulierung „Sie können Ihre Erklärung innerhalb von zwei Wo- 1074 chen widerrufen“ kann vom Vertragspartner nicht anders verstanden werden, als dass er auch dann den Vertrag widerrufen kann, wenn die Voraussetzungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht vorliegen5.
1 Grüneberg in Palandt, § 312i Rz. 2; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312g Rz. 6. 2 AG Cloppenburg vom 2.10.2012 – 21 C 193/12, Rz. 31. 3 Ebnet, NJW 2011, 1030 f. 4 OLG Nürnberg vom 10.1.2012 – 14 U 1314/11, Rz. 27 ff. 5 Ebnet, NJW 2011, 1031.
261
E. Fernabsatzrecht
3. Ausübung des Widerrufsrechts und Widerrufsfolgen a) Widerrufserklärung 1075
Die Widerrufserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Textform1 oder durch Rücksendung der Sache gegenüber dem Unternehmer (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB) abzugeben ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Wort „Widerruf“ ausdrücklich verwendet wird. Allerdings muss dem Erklärungsempfänger erkennbar werden, dass das konkrete Vertragsverhältnis beendet werden soll2. Der Widerruf ist ein Gestaltungsrecht3 und daher grundsätzlich unwiderruflich4 und bedingungsfeindlich5. Beweispflichtig für den Zugang des Widerrufs ist der Verbraucher6. Û Verbraucherrechterichtlinie
1076
Für die Ausübung des Widerrufsrechts sieht § 355 Abs. 1 BGB n.F. nicht mehr ausdrücklich vor, dass das Recht durch Rücksendung der Sache ausgeübt werden kann. Dies schließt es indes nicht aus, die Rücksendung als Widerrufserklärung zu verstehen. b) Rückgewähr
1077
Im Übrigen finden auf die Ausübung des Widerrufsrechts und die Rechtsfolgen des Widerrufs die Vorschriften der §§ 346 ff. BGB entsprechende Anwendung (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Widerrufsrecht ist somit weitgehend an das vertragliche Rücktrittsrecht angeglichen worden.
1078
Wird das Widerrufsrecht ausgeübt, sind die Parteien gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Vertrag wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt7, wobei die Rückgewährverpflichtungen von den Parteien Zug um Zug zu erfüllen sind (§ 348 BGB). Eine AGB-Klausel, die so formuliert ist, dass der Eindruck entsteht, der Rückzahlungsanspruch
1 Siehe Rz. 506 f. 2 AG Schopfheim vom 19.3.2008, MMR 2008, 427. 3 Grüneberger in Palandt, § 355 Rz. 3; Wolf/Neuner, AT, § 43 Rz. 20; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rz. 19; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 4; Boemke, AcP 197 (1997), 161, 178; Bülow, ZIP 1999, 1293; Gernhuber, WM 1998, 1797, 1800; Windel, JuS 1996, 812, 815; a.A. BGH vom 14.1.1991, NJW 1991, 1052, 1053 f. = MDR 1991, 413; BGH vom 16.10.1995, NJW 1996, 57, 58 f. = MDR 1996, 247 f. 4 Ellenberger in Palandt, Überbl v § 104 Rz. 17; vgl. LAG Düsseldorf vom 16.1.1975, DB 1975, 1081. 5 Ellenberger in Palandt, Überbl v § 104 Rz. 17. 6 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312d Rz. 67. 7 Grüneberg in Palandt, Einf v § 346 Rz. 6; Gaier in MünchKomm-BGB, vor § 346 Rz. 35 ff.
262
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
(§ 346 Abs. 1 BGB) werde auf einen Gutschriftanspruch beschränkt, verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)1. Û Verbraucherrechterichtlinie Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen nach § 355 1079 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. unverzüglich zurückzugewähren, wobei nach § 357 Abs. 1 BGB n.F. eine Höchstfrist von 14 Tagen gilt. c) Rücksendekosten Gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Verbraucher zur Rücksendung ge- 1080 lieferter Waren auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet. Allerdings dürfen dem Verbraucher bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40 Euro die regelmäßigen Rücksendekosten vertraglich – auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen2 – auferlegt werden (§ 357 Abs. 2 Satz 3 BGB). Die 40 Euro-Grenze orientiert sich ersichtlich am Verhältnis der Rück- 1081 sendekosten zum Bestellwert. Je geringer der Bestellwert, desto wahrscheinlicher lässt sich der Verbraucher durch die Rücksendekosten von einem Widerruf abhalten. Daher kommt es bei einer Bestellung, die aus mehreren Artikeln besteht, auf den Gesamtpreis an und nicht auf den Preis einer einzelnen Ware3. Eine Klausel, wonach der Käufer nach einem Widerruf „die Kosten der 1082 Rücksendung“ zu tragen hat, genügt nicht den Anforderungen des § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB, da lediglich die regelmäßigen Rücksendekosten auf den Verbraucher abgewälzt werden dürfen4. Keine Rücksendekosten i.S.d. § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB (und damit nicht 1083 auf den Verbraucher abwälzbar) sind „Kosten des Widerrufs“5. Die Belehrung über die Widerrufsfolgen stellt keine vertragliche Verein- 1084 barung i.S.d. § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB dar. Es genügt daher nicht, wenn der Verbraucher ausschließlich in der Widerrufsbelehrung auf eine Verpflichtung zur Tragung von Rücksendekosten hingewiesen wird, da er dann nicht mit Gewissheit feststellen kann, dass eine Vereinbarung gelten soll, die von dem gesetzlichen Normalfall abweicht6. Bei gegentei1 2 3 4 5 6
BGH vom 5.10.2005, NJW 2006, 211, 213. Vgl. OLG München vom 7.2.2012 – 29 W 212/12, Rz. 4. A.A. AG Augsburg vom 14.12.2012 – 17 C 4362/12. OLG Brandenburg vom 22.2.2011 – 6 U 80/10, Rz. 26. Vgl. LG Stuttgart vom 30.9.2005, MMR 2006, 341, 342. OLG Hamburg vom 17.2.2010, MMR 2010, 320, 321 mit Anm. Föhlisch; OLG Hamm vom 5.1.2010, K&R 2010, 354 f.; OLG Hamm vom 2.3.2010 – 4 U 180/09, Rz. 27 f.; OLG Hamm vom 30.3.2010, K&R 2010, 411, 412 mit Anm. Dehißelles; OLG Koblenz vom 8.3.2010, CR 2010, 392, 393; LG Cottbus vom
263
E. Fernabsatzrecht
liger Annahme würde man zudem eine Inhaltskontrolle gemäß den §§ 305 ff. BGB umgehen1. 1085 Û Praxistipp: Der Hinweis auf den Wertersatz gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB) ist zweckmäßigerweise mit in die nachvertraglichen Informationen aufzunehmen, die der Unternehmer dem Verbraucher gemäß § 312c Abs. 3 BGB zukommen lassen muss.
Für eine Überwälzung von Rücksendekosten nach § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB reicht die einseitig-nachvertragliche Belehrung dagegen nicht aus. Es bedarf vielmehr einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Dies sollte bei der Abfassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Internetshops und vergleichbaren Online-Angeboten bedacht werden. 1086
Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung einer Kostentragungspflicht gemäß § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB ist dem Verbraucher eine unfreie Rücksendung gestattet; eine Vorschusspflicht für die Rücksendekosten besteht nicht2. Dennoch darf der Unternehmer in seinen Geschäftsbedingungen um eine Verauslagung der Rücksendekosten – zur Vermeidung eines Strafportos – bitten3. Unzulässig sind indes die Klauseln „Unfrei versandte Rücksendungen werden nicht angenommen“4 und „Wichtiger Hinweis: Bitte senden Sie uns die Ware in der Originalverpackung zurück, legen Sie den beigefügten Rücksendeschein ausgefüllt dazu und verwenden Sie für die Rücksendung den Retourenaufkleber (nur für Artikel dieser Lieferung)“5. Gleiches gilt für eine Belehrung, die eine Rückerstattung auf den niedrigsten Satz beschränkt6. Û Verbraucherrechterichtlinie Nach § 357 Abs. 6 Satz 1 BGB n.F. wird es zur Regel, dass der Verbraucher die Rücksendekosten trägt. Diese Verpflichtung gilt, sofern der Unternehmer den Verbraucher auf die Kostentragungspflicht in der Widerrufsbelehrung hingewiesen hat (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB n.F.).
1087
1 2 3 4 5 6
3.8.2011 – 11 O 73/11, Rz. 31; LG Dortmund vom 26.3.2009 – 16 O 46/09; a.A. LG Frankfurt a. M. vom 4.12.2009, K&R 2010, 208 f. OLG Hamm vom 2.3.2010 – 4 U 180/09, Rz. 27. Vgl. OLG Hamburg vom 14.2.2007, CR 2007, 455, 456 = MMR 2007, 530, 531; OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117 = K&R 2007, 655, 656. OLG Hamburg vom 20.4.2007, CR 2008, 183 = MMR 2008, 57, 58; OLG München vom 7.2.2012 – 29 W 212/12, Rz. 5; vgl. auch Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1343. OLG Hamburg vom 24.1.2008, CR 2008, 196, 197; LG Münster vom 4.4.2007, MMR 2008, 130; vgl. auch Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1341 f.; a.A. Becker/ Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380 f. OLG Hamm vom 10.12.2004, NJW-RR 2005, 1582 f.; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1342; vgl. auch Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 436. OLG Hamburg vom 5.7.2007, ITRB 2008, 129 (Stadler).
264
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
d) Hinsendekosten Die FARL gebietet es, § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 1 Satz 1 und 1088 § 346 Abs. 1 BGB so auszulegen, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Hinsendekosten nicht auferlegen darf, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht1. Dies hat der EuGH entschieden2. Vorangegangen war ein Vorlagebeschluss des BGH3. Der Unternehmer hat für den Fall des Widerrufs weder einen Anspruch auf Erstattung der Versandkosten noch einen Anspruch auf Erhebung einer Versandkostenpauschale4. Û Verbraucherrechterichtlinie Die Kosten für eine Standardlieferung trägt im Falle des Widerrufs 1089 nach § 357 Abs. 2 BGB n.F. stets der Unternehmer. Etwas anderes gilt, wenn dem zusätzliche Kosten entstanden sind, weil sich der Verbraucher für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.). e) Einschränkungen des Widerrufsrechts Die Ausübung des Widerrufsrechts darf an keine weiteren als die gesetz- 1090 lichen Voraussetzungen geknüpft werden. Unwirksam ist daher beispielsweise auch ein Ausschluss des Rückgaberechts für benutzte oder beschädigte Ware5. Eine Widerrufsbelehrung, die das Widerrufsrecht für „getragene und mit Gebrauchsspuren versehene Unterwäsche“ ausschließt, ist unzutreffend6. Eine unzulässige Einschränkung des Widerrufs- (bzw. Rückgabe)rechts 1091 liegt auch vor, wenn die Ausübung des Rechts von der Rücksendung der Ware „in der Originalverpackung“ abhängig gemacht wird7.
1 2 3 4
BGH vom 7.7.2010 – VIII ZR 268/07. EuGH vom 15.4.2010, NJW 2010, 1941 ff. = K&R 2010, 394 f. mit Anm. Ultsch. BGH vom 1.10.2008, NJW 2009, 66 ff. BGH vom 7.7.2010 – VIII ZR 268/07, Rz. 8, 14 mit Anm. Schirmbacher BB 2010, 2199; vgl. Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1340; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261; OLG Karlsruhe vom 5.9.2007, CR 2008, 118, 119 f. = K&R 2007, 586, 588; LG Karlsruhe vom 19.12.2005, MMR 2006, 245; a.A. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380. 5 LG Düsseldorf vom 17.5.2006, WRP 2006, 1270, 1271; LG Regensburg vom 15.3.2007, WRP 2007, 1020; Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 117, 122. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, MMR 2007, 322, 323. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 10.11.2005, CR 2006, 195, 196; OLG Hamburg vom 20.12.2006, WRP 2007, 1121; OLG Hamm vom 10.12.2004, NJW-RR 2005, 1582; LG Coburg vom 9.3.2006, CR 2007, 59, 60 = K&R 2006, 533, 534; LG Düsseldorf vom 17.5.2006, WRP 2006, 1270, 1271; LG Frankfurt a.M. vom 9.3.2005, CR 2006, 210; LG Frankfurt a.M. vom 21.7.2006, CR 2007, 267, 268; LG Konstanz vom 5.5.2006, WRP 2006, 1156; LG Stuttgart vom 29.5.2006, WRP 2006, 1156;
265
E. Fernabsatzrecht
f) Wertersatz 1092
Wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, nachdem er die Ware bereits genutzt bzw. Dienstleistung in Anspruch genommen hat, stellt sich die Frage eines Anspruchs des Unternehmers auf Wertersatz. Bei Warenlieferungen ist zu unterscheiden zwischen dem Ersatz des Wertes der gezogenen Nutzungen (§ 346 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) und dem Wertersatz für eine Verschlechterung der Waren (§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB). aa) Nutzungsersatz bei Waren
1093
Abweichend von § 357 Abs. 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB hat der Verbraucher Wertersatz für Nutzungen zu leisten, soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht (§ 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB). Dies allerdings gilt nur, wenn der Verbraucher zuvor vom Unternehmer auf diese Rechtsfolge hingewiesen und nach § 360 Abs. 1 BGB über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist oder von beidem anderweitig Kenntnis erlangt hat (§ 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB)1.
1094
§ 312e Abs. 1 BGB enthält selbst keine Anspruchsgrundlage, sondern eine Einschränkung des Anspruchs aus § 357 Abs. 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 312e Abs. 1 BGB trägt der Unternehmer die Beweislast.2
1095
§ 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB schreibt für den Hinweis auf die Rechtsfolge – anders als § 357 Abs. 3 BGB – keine Form vor. Daher ist es dem Unternehmer frei überlassen, auf welche Weise er seiner Hinweispflicht nachkommt3.
1096
Anders als § 357 Abs. 3 BGB ist der Hinweis auf die Nutzungsfolgen auch nicht schon vor Vertragsschluss zu erteilen. Ausreichend ist es, wenn der Verbraucher vor Beginn der Nutzung auf die Ersatzpflicht hingewiesen wird4.
1097
Der Wertersatz wird nach der sog. Wertverzehrstheorie berechnet5. Danach wird auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung durch den Verbraucher im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer abgestellt und das Ergebnis mit dem Kaufpreis multipliziert6.
1 2 3 4 5 6
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3381; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1340 f.; Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 117, 121. Vgl. Wendehorst, NJW 2011, 2552. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 6. Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 11. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 11. Bundesregierung, BT-Drucks. 17/5097, S. 16. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 13.
266
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
bb) Nutzungsersatz bei Dienstleistungen Im Falle des Widerrufs eines Vertrages über eine Dienstleistung hat der 1098 Unternehmer gemäß § 312e Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Wertersatz, wenn der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. Auch diese Norm enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern eine Ein- 1099 schränkung des Anspruchs aus § 357 Abs. 1 i.V.m. § 346 Abs. 11. Die Beweislast liegt ebenfalls bei dem Unternehmer. Bei gemischten Verträgen, bei denen zusätzlich zur Erbringung der 1100 Dienstleistung eine Ware geliefert wird, soll nach den Gesetzesmaterialien ein etwaiger Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz für die Nutzung der Ware regelmäßig von § 312e Abs. 2 BGB mit umfasst sein2. Besteht die Dienstleistung in der Nutzung einer Online-Datenbank, be- 1101 ginnt die Ausführung der Dienstleistung nicht schon mit der Freischaltung der Zugriffsmöglichkeit, sondern frühestens mit dem ersten Einloggen des Kunden3. Wenn der Verbraucher per Internet entgeltlich Content nutzt – beispielweise eine Datenbank –, so beginnt mit dem Abschluss des Vertrages zugleich die Vertragserfüllung durch den Unternehmer4. Der Wertersatz berechnet sich in den Fällen des § 312e Abs. 2 BGB nach 1102 der vereinbarten Gegenleistung (§ 346 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz BGB). Soweit die Dienstleistung erst teilweise erbracht worden ist, ist ein entsprechender Anteil der Gegenleistung zu entrichten.5 cc) Verschlechterung der Ware Abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB hat der Verbraucher Wert- 1103 ersatz für eine Verschlechterung der Sache zu leisten, soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB). Dies allerdings gilt nur, wenn der Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB)6. Die Höhe der Wertminderung hängt stark von dem Produkt ab. Während 1104 etwa Getränke oder Unterwäsche so gut wie unverkäuflich sind, nach1 2 3 4 5 6
Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 20. Bundesregierung, BT-Drucks. 17/5097, S. 13. LG Mannheim vom 12.5.2009, CR 2009, 818, 820 mit Anm. Mankowski. Vgl. Härting, FernAbsG, § 3 Rz. 50; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 927. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 28. Vgl. Wendehorst, NJW 2011, 2552.
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E. Fernabsatzrecht
dem sie in Gebrauch genommen worden sind, merkt man DVD-Playern und Vasen vielfach nicht an, dass sie bereits intensiv genutzt worden sind1. 1105
Wenn ein Rasierer durch Ingebrauchnahme wertlos geworden ist, entspricht der vom Verbraucher zu leistende Wertersatz dem Wert des Rasierers2. dd) Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise
1106
Bei einer Warenlieferung ist der Verbraucher stets zur Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise berechtigt, ohne befürchten zu müssen, zum Wertersatz verpflichtet zu sein (§ 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB und § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB).
1107
Die Abgrenzung zwischen der Prüfung einerseits und der Ingebrauchnahme und Nutzung andererseits bereitet vielfach Schwierigkeiten und bedarf einer Einzelfallbetrachtung. Um die Entscheidung zu erleichtern, ist es hilfreich, Parallelen zu der Situation im Ladengeschäft zu ziehen3. Da die Lage des im Fernabsatz einkaufenden Verbrauchers der des Kunden im stationären Handel möglichst angeglichen werden soll, müssen dem Verbraucher dieselben Prüfmöglichkeiten eingeräumt werden wie in einem stationären Laden, jedoch keine darüber hinausgehenden Vorteile4.
1108
Beispiele für eine Nutzung, die keine Wertersatzpflicht auslöst, sind das Anschließen und Ausprobieren eines Notebooks, das Anziehen von Kleidung zu Hause vor dem Spiegel und das Durchblättern eines Buches unter Lektüre einzelner Seiten. Ersatzpflichtig sind dagegen die Nutzung des Notebooks für das Schreiben einer Seminararbeit, das Tragen der Kleidung auf einer Party oder auch die komplette Lektüre des Buches.5
1109
Der Aufbau eines Möbelstücks löst noch keine Ersatzpflicht aus. Kauft daher ein Verbraucher im Fernabsatz ein Wasserbett, schuldet er im Falle des Widerrufs keinen Ersatz für die Wertminderung, die dadurch eintritt, dass der Verbraucher die Matratze zu Prüfzwecken mit Wasser befüllt6.
1110
Beim Kauf eines Katalysators besteht kein Wertersatzanspruch, wenn der Käufer den Katalysator einbaut und zu einer Probefahrt aufbricht. Dies gilt auch dann, wenn der Katalysator nach der Probefahrt und dem Wiederausbau deutliche Gebrauchs- und Einbauspüren aufweist und daher wertlos ist7. 1 2 3 4 5 6 7
Schirmbacher, BB 2009, 2165, 2166 f. AG Backnang vom 17.6.2009, K&R 2009, 747. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 7; Föhlisch, NJW 2011, 32. Buchmann/Föhlisch, K&R 2011, 434. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312e Rz. 7. BGH vom 3.11.2010 – VIII ZR 337/09, Rz. 19 ff. AG Lichtenberg vom 24.10.2012 – 21 C 30/12, Rz. 8.
268
III. Widerrufs- und Rckgaberecht (§ 312d BGB)
Û Verbraucherrechterichtlinie Wertersatz für Nutzungen steht dem Unternehmer nach § 357 Abs. 8 1111 BGB n.F. nur noch bei Verträgen über Dienstleistungen und bei Verträgen über die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom in nicht bestimmten Mengen oder nicht begrenztem Volumen und bei Verträgen über die Lieferung von Fernwärme zu nach vorheriger Belehrung gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB n.F. Für die Nutzung digitaler Inhalte schließt § 357 Abs. 9 BGB n.F. einen 1112 Wertersatzanspruch aus. Für Wertersatz bei der Verschlechterung der Ware hält § 357 Abs. 7 1113 BGB n.F. an der Regelung fest, dass der Wertverlust zu ersetzen ist, soweit er nicht auf eine Prüfung der Waren zurückzuführen ist. Dies gilt nur bei entsprechender Belehrung des Verbrauchers gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB. 4. Rückgaberecht Nach § 312d Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Unternehmer bei Warenlieferun- 1114 gen berechtigt, dem Verbraucher anstelle des Widerrufsrechts ein Rückgaberecht nach § 356 BGB einzuräumen. Gemäß § 356 Abs. 1 Satz 1 BGB kann das Widerrufsrecht durch ein Rück- 1115 gaberecht nur ersetzt werden, wenn der Vertragsschluss auf Grund eines „Verkaufsprospekts“ erfolgt. Dies knüpft an das frühere Versandhandelsprivileg der § 8 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG und § 5 Abs. 4 Satz 2 HWiG an. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung der §§ 355 ff. BGB entschieden, das Rückgaberecht zu einem einheitlichen Rechtsinstitut zu verfestigen, das – jedenfalls partiell – eine Alternative zu einem Widerrufsrecht darstellt1. Als Verkaufsprospekt ist jede geordnete Präsentation von Waren anzuse- 1116 hen2. Eine derartige Präsentation kann dem Verbraucher in gedruckter Form, per Telefax, auf einer CD-ROM oder einem anderen elektronischen Datenträger oder auch per E-Mail zur Verfügung gestellt werden. Einer Übermittlung des Verkaufsprospekts in Textform (§ 126b BGB) bedarf es nicht3. Auch Internetangebote sind als „Verkaufsprospekte“ anzusehen4. Hierfür 1117 spricht die äußere und funktionale Ähnlichkeit zwischen gedruckten Prospekten und Warenangeboten, die online zu finden sind. Ebenso wie gedruckte Prospekte bieten Websites umfangreiche Informationen über die Waren, die dem Verbraucher angeboten werden. Die Informations1 2 3 4
Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 48. Härting, FernAbsG, Anh. § 3 Rz. 97; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rz. 99. Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 437. Vgl. LG Nürnberg-Fürth vom 19.12.2007, WRP 2008, 525, 526.
269
E. Fernabsatzrecht
dichte ist bei einer Website keine andere als bei einem klassischen Katalog, so dass Abgrenzungen willkürlich erscheinen würden1. 1118
Eine Anwendung des § 8 VerbrKrG a.F. auf Websites wurde vielfach mit der Begründung abgelehnt, dass eine Präsentation im Internet im Vergleich zu einem Katalog „flüchtig“ sei2. Diese „Flüchtigkeit“ nimmt § 356 BGB jedoch ausdrücklich hin, da das Gesetz nur für die Belehrung des Verbrauchers, nicht aber für den Verkaufsprospekt Textform verlangt (§ 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 360 Abs. 2 BGB)3.
1119
Aus der Sicht des Unternehmers liegt der Vorteil eines Rückgaberechts darin, dass der Verbraucher von seinem Vertragslösungsrecht im Normalfall keinen Gebrauch machen kann, ohne zugleich die Kaufsache zurückzugeben (§ 356 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dem Unternehmer bleibt es somit erspart, nach Widerruf des Vertrages noch Mühe darauf verwenden zu müssen, die Kaufsache zurückzuerlangen4.
1120
Gemäß § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 360 Abs. 2 BGB ist der Verbraucher über das Rückgaberecht auf der Website in deutlich gestalteter Weise zu belehren. Darüber hinaus ist der Verbraucher beim Vertragsschluss nochmals in Textform über das Rückgaberecht zu informieren (Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB).
1121
Für die Rückgabebelehrung gilt § 360 Abs. 2 BGB. Die Belehrungspflichten können durch Verwendung des Musters gemäß Anlage 2 des EGBGB erfüllt werden (§ 360 Abs. 3 Satz 2 BGB).
1122
Für die Rechtsfolgen des Rückgaberechts gilt gegenüber dem Widerrufsrecht nur eine wesentliche Besonderheit. Die Kosten der Rücksendung dürfen dem Verbraucher bei der Ausübung des Rückgaberechts vertraglich nicht auferlegt werden (vgl. § 357 Abs. 4 i.V.m. § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB). Û Verbraucherrechterichtlinie
1123
Ein Rückgaberecht als Alternative zum Widerrufsrecht sieht das neue Recht nicht vor.
1 Mausch in MünchKomm-BGB, § 356 Rz. 12; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 281; Köhler, NJW 1998, 185, 188; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2369 f. 2 Vgl. Borges, ZIP 1999, 130, 134; Hoeren/Oberscheidt, VuR 1999, 371, 378. 3 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/3195, S. 33. 4 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 34.
270
F. Urheberrecht
I. Schutzgegenstände . . . . . . . . . . 1. Schutz von Inhalten . . . . . . . . . a) Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Musik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fotos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zeichnungen, Karten, Pläne, Tabellen . . . . . . . . . . . 2. Schutz von Sammelwerken und Datenbanken . . . . . . . . . . . a) Sammelwerke und Datenbankwerke . . . . . . . . . . . . . . . b) Datenbanken . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispielsfälle . . . . . . . . . 3. Schutz von Software . . . . . . . . . II. Rechte des Urhebers . . . . . . . . . 1. Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Urheberpersönlichkeitsrechte a) Urheberbezeichnung . . . . . . b) Erstveröffentlichung . . . . . . c) Entstellung, Beeinträchtigung, Verfremdung . . . . . . . . 3. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . a) Öffentliche Zugänglichmachung (Upload) . . . . . . . . b) Vervielfältigung (Download) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vervielfältigungsrecht . bb) Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einräumung des Vervielfältigungsrechts . . . dd) Einwilligung des Urhebers . . . . . . . . . . . . . ee) Kopierschutz . . . . . . . . . c) Nutzung fremder Datenbankwerke . . . . . . . . . . . . . . . d) Nutzung fremder Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz wesentlicher Teile einer Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz unwesentlicher Teile einer Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1132 1133 1136 1151 1156 1162 1164 1166 1169 1169 1173 1174 1182 1186 1190 1191 1196 1197 1204 1206 1212 1214 1227 1227 1234
Rz. cc) Inhaltliche Übernahme von Daten. . . . . . . . . 4. Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . a) Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte . . . . . b) Internetnutzung als Werkart . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neuregelung durch § 31a UrhG . . . . . . . . . . . bb) Übergangsregelung für Altverträge (§ 137l UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Begriff der Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bekanntheit der Internetnutzung . . . . . . . . . . . c) Zweckübertragungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bearbeitung und freie Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Linking, Framing, Embedded Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berichterstattung über Tagesereignisse . . . . . . . . . . . . . 2. Zitatrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pressespiegel . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Privatkopie . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privilegierung . . . . . . . . . . . . b) Tauschbörsen . . . . . . . . . . . . . c) Online-Videorekorder . . . . . d) Download von StreamingPlattformen . . . . . . . . . . . . . . e) Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1278 1282 1283 1286 1288 1292 1294 1295 1297 1303 1310 1315 1316 1320 1330 1343 1345 1350 1353 1358 1360
1238 1242 1247 1258 1260 1261
IV. Durchsetzung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beseitigung und Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatz und Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abmahnung und Abmahngebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskünfte des Verletzers . . b) Auskünfte des Providers und anderer Dritter . . . . . . .
1361 1363 1365 1380 1385 1386 1390
1267
271
F. Urheberrecht
1124
Johannes Gutenberg erfand die Druckerpresse im 15. Jahrhundert. Und es dauerte mehr als 300 Jahre, bis im späten 18. Jahrhundert die ersten Anfänge des Urheberrechts entstanden.1
1125
Im Zeitalter der Druckerpresse war das Kopieren ziemlich aufwendig. Erst durch die digitale Informationstechnik ist das Kopieren kinderleicht geworden. Digitale Informationen sind ohne nennenswerten Aufwand unendlich oft und ohne jedweden Qualitätsverlust replizierbar.
1126
Das „Recht zur Kopie“, das „Copyright“ ist der Dreh- und Angelpunkt des Urheberrechts – dies nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Nach geltendem Urheberecht ist die Kopie grundsätzlich verboten und bedarf einer Erlaubnis des Urhebers.
1127
Das Kopierverbot lässt sich im Zeitalter der digitalen Kopie nicht mehr umfassend durchsetzen. Verzweifelte Versuche der Musikindustrie, die Verbreitung von Kopien durch Digital Rights Management (DRM)2 und durch massenhafte Abmahnungen3 einzudämmen, wirken wie ein letztes Aufbäumen gegen eine Entwicklung, die sich nicht aufhalten lässt.
1128
Das Internet ist nichts anderes als eine riesige Kopiermaschine. Ob Texte, Grafiken, Bilder, Videos oder Musik: Im Internet dreht sich alles um die Verbreitung und Kopierung von Inhalten unterschiedlichster Ausprägung.
1129
Aus der Sicht des Urhebers bietet das Internet große Chancen und erhebliche Risiken. Schnell und millionenfach baut das Internet Brücken vom Urheber zum Nutzer. So einfach der Nutzer über das Netz erreichbar ist, so unkontrollierbar ist die Vervielfältigung von Inhalten.
1130
Das Urheberrecht hat bislang keine überzeugende Antwort auf die Herausforderungen des Internet gefunden. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass es im 22. Jahrhundert kein Kopierverbot in der heutigen Form mehr geben wird. Dies muss keineswegs bedeuten, dass das Urheberrecht vollständig obsolet wird. Vielmehr ist zu hoffen, dass es bei der sozialen Achtung des Werts geistiger Arbeit bleibt. Ein neues, internettaugliches Urheberrecht wird indes neue Schutzinstrumentarien entwickeln müssen, die an die Stelle des Kopierverbots treten. Diskussionen um eine „Kultur-Flatrate“4 könnten ein erster Schritt sein zu einer Rundumerneuerung, die das Urheberrecht dringend benötigt.
1 2 3 4
Wandtke in Wandtke, Urheberrecht, Rz. 12. Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, § 17 Rz. 33. Schirmbacher, Online-Marketing und Recht, S. 445. Vgl. Spindler, Rechtliche und Ökonomische Machbarkeit der Kulturflatrate, Gutachten erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion „Bündnis90/Die Grünen“ vom März 2013.
272
I. Schutzgegenstnde
Solange das Urheberrecht in seiner Grundstruktur dem Leitbild der Dru- 1131 ckerpresse verhaftet bleibt, gilt die Herausforderung, alte Regeln auf eine Wirklichkeit anzuwenden, die diesen Regeln weit voraus ist.
I. Schutzgegenstände Durch das Urheberrecht sind Inhalte vielfältiger Art geschützt. Spezi- 1132 fische Regeln gibt es zudem zum Schutz von Datenbanken und Sammelwerken sowie zum Schutz von Software. Der Webauftritt als solcher ist dagegen nur lückenhaft geschützt. 1. Schutz von Inhalten Für den Schutz von Inhalten ist § 2 UrhG maßgebend. Schutzvorausset- 1133 zung ist stets das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG). Die Reichweite des Schutzes hängt von der Werkart ab, der die Inhalte zuzuordnen sind (§ 2 Abs. 1 UrhG)1. Nicht jeder Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Damit Inhalte als per- 1134 sönliche geistige Schöpfung und somit gemäß § 2 Abs. 2 UrhG als Werk qualifiziert werden können, müssen sie von einem Menschen geschaffen sein, individuelle Züge tragen und sich dadurch von anderen Werken unterscheiden. Es bedarf einer gewissen Gestaltungshöhe2. Das umstrittene3 Erfordernis der Gestaltungshöhe dient der Abgrenzung 1135 schutzwürdiger Produkte menschlicher Kreativität von bloßen Ergebnissen menschlichen Fleißes. Es gilt ein unterschiedlicher Maßstab je nach Schutzgegenstand4. a) Texte Texte können Sprachwerke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sein. Dies setzt 1136 voraus, dass die Texte Raum für eine individuelle Gestaltung lassen und keine Form der Darstellung vorliegt, die sich aus der Natur der Sache er-
1 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 2; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 25. 2 Vgl. A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rz. 20, 30; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rz. 73 f.; Rehbinder, Urheberrecht, Rz. 152. 3 Vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 24; BGH vom 9.5.1985 – Inkasso-Programm, BGHZ 94, 279, 287; BGH vom 14.6.1993, BGHZ 123, 208, 211. 4 A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rz. 30; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 29 f.
273
F. Urheberrecht
gibt oder durch Zweckmäßigkeit oder sachliche Notwendigkeiten vorgegeben ist1. 1137
Als Sprachwerke geschützt können literarische Texte sein, aber auch alle Arten von Beschreibungen2, Bedienungsanleitungen, Kochrezepte, Werbeslogans, Nachrichtenbeiträge, Interviewäußerungen3, Vertragstexte, Formulare, Geschäftsbedingungen, Rätsel und Spiele. Die Schutzfähigkeit kann sich aus der sprachlichen Form oder auch aus dem Inhalt ergeben4. Ist der Inhalt durch sachliche Notwendigkeiten vorgegeben – wie beispielsweise bei einem Wetterbericht – kann sich der Schutz allein aus der (individuellen) Form ableiten. Bei literarischen Texten ergibt sich der urheberrechtliche Schutz dagegen bereits aus dem Inhalt, ohne dass es weiterer Anforderungen an die Form der Darstellung bedarf. Karl Valentins „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut“ ist urheberrechtlich geschützt5.
1138
Zu verneinen ist die Schutzfähigkeit stets, wenn weder die Form noch der Inhalt eines Textes individuelle Züge tragen. Dies kommt bei werbemäßigen Beschreibungen in Betracht, wie sie häufig auf Websites vorkommen6. Derartige Beschreibungen sind nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine individuelle schöpferische Tätigkeit erkennen lassen. Ausgenommen bleiben Anordnungen, die durch Zweckmäßigkeit, Logik oder sachliche Erfordernisse vorgegeben sind7. Die für einen urheberrechtlichen Schutz notwendige Gestaltungshöhe kann sich bei einem Internetauftritt daraus ergeben, dass eine Website sprachlich so geschickt gestaltet ist, dass sie an der Spitze der Google-Suchergebnisse erscheint (Suchmaschinenoptimierung)8.
1139
Zeitungsartikel und Zeitschriftenartikel stellen – ebenso wie Pressemitteilungen9 – in der Regel persönliche geistige Schöpfungen dar10. Die vielfältigen Möglichkeiten, ein Thema darzustellen, und die fast unerschöpf1 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 84; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 48. 2 Vgl. OLG Köln vom 30.9.2011 – 6 U 82/11. 3 LG Hamburg vom 27.5.2011 – 308 O 343/09, Rz. 24 ff. 4 Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rz. 13; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 28. 5 LG München I vom 4.8.2011 – 7 O 8226/11. 6 Vgl. Schack, MMR 2001, 9, 10. 7 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 84; LG Berlin vom 26.1.2006, ZUM-RD2006, 573 ff. 8 OLG Rostock vom 27.6.2007, CR 2007, 737, 738 = ITRB 2007, 249 (Wolff); LG Köln vom 12.8.2009, MMR 2010, 110 f. 9 Vgl. LG Hamburg vom 31.1.2007, ZUM 2007, 871, 872 = ITRB 2007, 180 f. (Stadler). 10 Vgl Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 118; BGH vom 16.1.1997, GRUR 1997, 459, 460 f. – CB-infobank I, KG vom 30.4.2004, MMR 2004, 540, 541; LG München I vom14.4.2011 – 7 O 4277/11, Rz. 33 ff.
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I. Schutzgegenstnde
liche Vielzahl der Ausdrucksmöglichkeiten führen dazu, dass ein solcher Artikel nahezu unvermeidlich die Individualprägung seines Autors erhält. Die Texte von Nachrichtenagenturen weisen typischerweise wenig indi- 1140 viduelle Charakteristika auf; ein ausgeprägter persönlicher Schreibstil ist hier in der Regel ebenso unerwünscht wie eine markante rhetorische Gestaltung. Dennoch sind auch Nachrichtentexte in der Regel urheberrechtsschutzfähig. Grund dafür ist, dass die vielfältigen Möglichkeiten, ein Thema darzustellen, nahezu unvermeidlich zu einer individuellen Prägung des Artikels führen1. Eine Grenze der Schutzfähigkeit ist erst dort zu ziehen, wo es sich um kurze Artikel rein tatsächlichen Inhalts handelt, etwa um kurze Meldungen oder Informationen, bei denen die Darstellung im Bereich des Routinemäßigen bleibt2. Ein aus elf Wörtern bestehender Auszug eines Presseartikels kann allerdings bereits schutzfähig sein3. Vertragsmuster und Allgemeine Geschäftsbedingungen können Schrift- 1141 werke darstellen, sofern die Form und Art der Sammlung, die Einteilung des dargebotenen Stoffes und die Art der Darstellung individuelle schöpferische Züge trägt, die über eine bloß handwerks- oder routinemäßig erbrachte Leistung deutlich hinausgehen und das Vertragsmuster in seiner konkreten Gestaltung aus der Masse des Alltäglichen herausheben4. Für die Schutzfähigkeit eines Vertragsmusters sprechen die vorgenomme- 1142 ne Stoffsammlung und eine folgerichtige und übersichtliche Anordnung, die den Parteien und Dritten im Konfliktfall einen schnellen Überblick über die Regelungsbereiche verschafft. Zudem kommt es darauf an, ob der Verfasser den Stoff in eine unmissverständliche sprachliche Form kleidet, die einerseits einer juristischen Überprüfung standhält, andererseits aber auch den Benutzern als juristischen Laien wenigstens so weit verständlich bleibt, als dass sie die eingegangenen Rechte und Pflichten erkennen können. Dies alles spricht für eine individuelle schöpferische Leistung, die eine rein handwerksmäßige Leistung deutlich überragt. Dabei steht der Rückgriff auf übliche Formulierungen in einzelnen Klauseln oder auf eine gebräuchliche Anordnung der Beurteilung als urheberschutzfähiges Werk nicht entgegen5.
1 OLG Karlsruhe vom 10.8.2011 – 6 U 78/10, Rz. 17. 2 Strömer, Online-Recht, S. 212; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 118; KG vom 30.4.2004, MMR 2004, 540, 541; LG München I vom 15.11.2006, CR 2007, 465, 466. 3 EuGH vom 16.7.2009, K&R 2009, 707, 709 – Elektronischer Pressespiegel. 4 Vgl. BGH vom 10.10.1991, GRUR 1993, 34, 36 – Bedienungsanleitung; OLG Köln vom 27.2.2009, K&R 2009, 488, 489; LG Berlin vom 4.8.2005, CR 2005, 894, 895. 5 LG Berlin vom 4.8.2005, CR 2005, 894, 895.
275
F. Urheberrecht
1143
Zu weit geht es, wenn es das OLG Brandenburg für den urheberrechtlichen Schutz von Vertragswerken nicht genügen lässt, dass die Verträge „individuell, zweckmäßig und möglicherweise sogar gelungen“ sind und verlangt, dass es sich um „Spitzen- bzw. Ausnahmeprodukte“ handeln muss1. Nach diesem Maßstab wären Gebrauchstexte in aller Regel dem Schutz des Urheberrechts entzogen, ohne dass ersichtlich ist, weshalb die Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG für diese Werkgruppe derart restriktiv sein soll.
1144
Auch Geschäftsbriefe sind grundsätzlich als Sprachwerke schutzfähig. Bei Geschäftsbriefen findet der erforderliche schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne Weiteres auch – wie bei literarischen Werken – in der von der Gedankenformung und -führung geprägten sprachlichen Gestaltung des dargebotenen Inhalts2. Die Frage, ob ein Geschäftsbrief eine hinreichende schöpferische Eigentümlichkeit hat, bemisst sich nach dem geistigschöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, gegebenenfalls im Gesamtvergleich mit vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials3.
1145
Nichtamtliche Leitsätze gerichtlicher Entscheidungen können als Bearbeitungen der Entscheidungen gemäß § 3 UrhG selbständig geschützt sein4.
1146
Bei hinreichender schöpferischer Eigentümlichkeit kann ein Anwaltsschriftsatz zwar als Schriftwerk geschützt sein. Es bedarf hierfür jedoch eines deutlichen Überragens des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials5. Die Abfassung eines Anwaltsschreibens als „presserechtliches Warnschreiben“ reicht hierzu für sich allein nicht aus6. 1 OLG Brandenburg vom 16.3.2010 – 6 U 50/09. 2 Vgl. BGH vom 21.11.1980, GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; BGH vom 27.2.1981, GRUR 1981, 520, 521 – Fragensammlung; BGH vom 29.3.1984, GRUR 1984, 659, 660 – Ausschreibungsunterlagen; BGH vom 9.5.1985, BGHZ 94, 276, 285 – Inkasso-Programm; BGH vom 17.4.1986, GRUR 1986, 739, 740 – Anwaltsschriftsatz; LG München I vom 12.7.2007, ITRB 2007, 181 (Wolff). 3 Vgl. BGH vom 9.5.1985, BGHZ 94, 276, 285 – Inkasso-Programm; LG München I vom 12.7.2007 = ITRB 2007, 181 (Wolff). 4 BGH vom 21.11.2001, BGHZ 116, 136 ff. – Leitsätze; OLG Köln vom 28.8.2008, K&R 2008, 691 f. 5 BGH vom 17.4.1986, GRUR 1986, 739, 740 – Anwaltsschriftsatz; OLG München vom 16.10.2007, ZUM 2008, 991, 992. 6 OLG München vom 16.10.2007, ZUM 2008, 991, 992.
276
I. Schutzgegenstnde
Ein Anwaltsschriftsatz verliert als Teil eines amtlichen Werks (§ 5 UrhG) 1147 seine Schutzfähigkeit, wenn er durch Bezugnahme und feste Verbindung Bestandteil einer gerichtlichen Entscheidung wird1. Bei entsprechender Schöpfungshöhe können auch Filmbeschreibungen 1148 nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt sein2. Dasselbe gilt für Texte zur Beschreibung von Fernsehsendungen3, für die im Übrigen nicht die Privilegierung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) gilt4. Nach Auffassung des LG Hamburg sind Interviewfragen urheberrechtlich 1149 geschützt, wenn sie einen gewissen Grad von Individualität aufweisen. Dem Interviewten sei es daher nicht gestattet, ohne Erlaubnis des Interviewers die Fragen zu veröffentlichen5. Bei wissenschaftlichen und technischen Schriftwerken (zum Beispiel ei- 1150 nem Verkehrswertgutachten für ein Grundstück) kann die persönliche geistige Schöpfung nicht mit dem schöpferischen Gehalt des wissenschaftlichen oder technischen Inhalts der Darstellung begründet werden. Das wissenschaftliche oder technische Gedankengut eines Werkes kann nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke kann ihre Grundlage allein in der Form der Darstellung finden6. b) Musik Musik kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG geschützt sein. Dies setzt eine 1151 Komposition voraus, die auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit beruht7. Der Einsatz von Computern bei der Schöpfung der Musik schließt den urheberrechtlichen Schutz zwar nicht aus. Wird indes die Klangfolge von einem Computer vollständig vorgegeben, fehlt es an einer menschlichen Schöpfung8. Bei Musikwerken liegt die schöpferische Eigentümlichkeit in ihrer in- 1152 dividuellen ästhetischen Ausdruckskraft. Für den individuellen ästheti-
1 2 3 4 5 6 7
LG Köln vom 7.7.2010 – 28 O 721/09. LG Köln vom 23.9.2009, ZUM 2010, 369 ff. LG Leipzig vom 22.5.2009, K&R 2009, 663, 665. OLG Dresden vom 15.12.2009, K&R 2010, 420, 421 f. LG Hamburg vom 8.11.2012 – 308 O 388/12. KG vom 11.5.2011 – 24 U 28/11, Rz. 6. Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 121; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 70. 8 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 69; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rz. 122; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 127; Czychowski in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rz. 65.
277
F. Urheberrecht
schen Gehalt gelten allerdings keine hohen Anforderungen. Auf den künstlerischen Wert kommt es nicht an1. 1153
Zwar sind weder der „Sound“ noch akustische Signale oder einzelne Töne oder Akkorde geschützt2; jedoch können auch kurze Tonfolgen geschützt sein. Demgegenüber genießen akustische Signale, Pausenzeichen oder dem Bereich der Werbung zuzuordnende Erkennungszeichen in der Regel keinen Urheberrechtsschutz. Mit zunehmender Länge, wie z.B. bei manchen Handy-Klingeltönen, können allerdings auch derartige Hörzeichen urheberrechtlich schutzfähig sein3.
1154
Als urheberrechtliches Werk geschützt ist ein Musikstück, das im Wege des Samplings aus einzelnen Bestandteilen anderer Musikstücke entstanden ist, sofern die Zusammenstellung der einzelnen Bestandteile individuelle Züge trägt4.
1155
Nicht um den urheberrechtlichen Schutz des Samplings, sondern um den Schutz des Urhebers gegen Sampling ging es der Band „Kraftwerk“ in ihrer Klage gegen Moses Pelham. Der BGH entschied, dass das Entnehmen von Rhythmussequenzen im Wege des Samplings einen Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht des Herstellers eines Tonträgers (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG) darstellen kann5. Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers6. Sampling stellt keine freie Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG dar, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonaufnahme selbst einzuspielen7. c) Design
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§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG schützt Werke der bildenden Kunst, wobei der Begriff der bildenden Kunst Werke der Gebrauchskunst, d.h. Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung8, ausdrücklich mit umfasst. Zu den Werken der bildenden Kunst, die urheberrechtlich geschützt sind, gehören beispielsweise zwei- oder dreidimensionale Figuren, aber auch grafisch gestaltete Bildschirmschoner sowie sonstige Gra-
1 LG Köln vom 14.7.2010 – 28 O 128/08, Rz. 27. 2 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 125; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 71 m.w.N. 3 LG Köln vom 14.7.2010 – 28 O 128/08, Rz. 27. 4 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 69; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 125; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 71. 5 BGH vom 13.12.2012 – I ZR 182/11 – Metall gegen Metall II, Rz. 11. 6 BGH vom 13.12.2012 – I ZR 182/11 – Metall gegen Metall II, Rz. 18. 7 BGH vom 13.12.2012 – I ZR 182/11 – Metall gegen Metall II, Rz. 18. 8 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 158.
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I. Schutzgegenstnde
fiken und Layoutelemente, sofern die von § 2 Abs. 2 UrhG geforderte Gestaltungshöhe erreicht wird1. Bei der Bestimmung der Anforderungen an die Gestaltungshöhe gilt für 1157 angewandte Kunst ein strenger Maßstab2. Die „kleine Münze“ wird bei der Gebrauchskunst urheberrechtlich nicht geschützt3. Zu beachten ist das Stufenverhältnis zum Geschmacksmusterrecht: Die handwerkliche und industrielle Formgebung wird primär durch das Geschmacksmusterrecht geschützt. Nur wenn sich eine Leistung der Gebrauchskunst aus der Masse des Alltäglichen abhebt und von der Individualität des Künstlers geprägt ist, greift § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG4. Bei Designleistungen ist ein deutliches Überragen der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung des rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen erforderlich5. Die hohen Hürden für den urheberrechtlichen Schutz angewandter Kunst 1158 bringen es mit sich, dass Ausdrucksformen der Gebrauchsgrafik regelmäßig nicht durch das Urheberrecht geschützt sind. Dies gilt ganz allgemein für die Werbegrafik6, aber auch beispielsweise für das Layout einzelner Internetseiten sowie für Laufschriften, animierte Icons und ähnliche Gestaltungselemente einer Website7. Eine Bilddatei, die den dreidimensionalen Entwurf eines Messestands 1159 zeigt, erfüllt die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG nicht, wenn der Entwurf typische Anforderungen an das Design eines Messestands auf technisch angemessene und handwerklich überzeugende Weise umsetzt, ohne dabei besondere, das Durchschnittskönnen eines mit dem Fachgebiet vertrauten Designers überragende Kreativität erkennen zu lassen8. Auch ein virtuelles Modell des Kölner Doms, das für die Plattform „Second Life“ erstellt worden war, war nach Auffassung des LG Köln als Werk der angewandten Kunst nicht schutzfähig9. Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht10 sind wesensverwandt. Letz- 1160 teres schützt Muster und Modelle als geistige Schöpfungen allerdings auf einem niedrigeren Niveau als das Urheberrecht, weil Geschmacksmuster 1 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 72. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 29.2.2012 – 5 U 10/10, Rz. 34; OLG Hamburg vom 17.10.2012 – 5 U 166/11, Rz. 19. 3 Schulze in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rz. 108. 4 OLG Celle vom 8.3.2012 – 13 W 17/12, Rz. 14; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rz. 164; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 159. 5 BGH vom 22.6.1995, ZUM 1995, 790, 791; KG vom 19.11.2004, CR 2005, 672, 672 mit Anm. Klawitter; vgl, auch Härting/Kuon, ITRB 2006, 266, 266. 6 Vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 102. 7 Vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 104. 8 OLG Köln vom 20.3.2009, CR 2010, 223, 224 = ITRB 2010, 127 (Wolff). 9 LG Köln vom 22.4.2008, CR 2008, 463 ff.; a.A. Büchner, K&R 2008, 425. 10 Härting/Kuon, ITRB 2006, 266, 266.
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F. Urheberrecht
keine persönlichen geistigen Schöpfungen, sondern lediglich neu und eigenartig sein müssen (§ 2 GeschmMG). Das Geschmacksmuster ist ein industrielles Schutzrecht zur gewerblichen Verwertung des Designs. Ein deutsches Geschmacksmuster entsteht mit Eintragung in das Musterregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (§ 27 Abs. 1 GeschmMG). Nach der EG-Verordnung zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGVO) vom 12.12.20011 kann Schutz auch für nicht eingetragene Muster erlangt werden2. 1161
Um einen Schutz als Geschmacksmusterrecht zu erlangen, muss ein Design neu und eigenartig sein. Neuheit bedeutet, dass kein anderes identisches Muster vorbesteht, während Eigenart dann gegeben ist, wenn sich der Gesamteindruck des Musters, den es bei einem informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes veröffentlichtes oder eingetragenes Muster oder Modell bei diesem Benutzer erweckt3. d) Fotos
1162
Soweit auf einer Website Fotos verwendet werden, kommt ein Schutz als Lichtbildwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder Lichtbild (§ 72 UrhG) in Betracht. Handelt es sich um Fotos, die durch eine schöpferische Leistung entstanden sind (§ 2 Abs. 2 UrhG), sind die Schutzvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG erfüllt. Fehlt es an einem schöpferischen Akt, besteht ergänzender Leistungsschutz nach § 72 UrhG. Da § 72 UrhG das Lichtbild dem Lichtbildwerk weitestgehend gleichstellt4, hat die Unterscheidung zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern keine nennenswerte praktische Bedeutung5.
1163
Für den Schutz von Fotos nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 und § 72 UrhG kommt es nicht auf die Herstellungsform an. Das Aufnahmeverfahren ist ebenso unerheblich wie das Trägermaterial. Erzeugnisse, die ähnlich wie herkömmliche Lichtbildwerke bzw. Lichtbilder hergestellt werden (z.B. digital erzeugte Fotos), werden den Lichtbildwerken bzw. Lichtbildern in § 2 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 72 UrhG ausdrücklich gleichgestellt6. Es muss sich nicht um Bilder handeln, die unter Benutzung „strahlender Energie“ er-
1 EG-Verordnung Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. 2 Vgl. KG vom 19.11.2004, CR 2005, 672 f. mit Anm. Klawitter. 3 Härting/Kuon, ITRB 2006, 266, 266.; Koschtial, GRURInt 2003, 973, 974. 4 Vgl. Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 182; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rz. 112. 5 Hullen, ITRB 2008, 156, 157. 6 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 78; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 180; Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rz. 128.
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I. Schutzgegenstnde
zeugt wurden1, so dass auch eine Bildbearbeitung am Computer nichts an der Schutzfähigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 72 UrhG ändert2. e) Videos Für Filmwerke i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und 88 ff. UrhG sowie für Laufbil- 1164 der i.S.d. § 95 UrhG gilt Ähnliches wie für Lichtbildwerke bzw. Lichtbilder. Unabhängig von der Art der Herstellung sind Videos als Filmwerke i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und 88 ff. UrhG geschützt, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten. Fehlt es an den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG, findet die Schutznorm des § 95 UrhG Anwendung. § 95 UrhG stellt einfache Laufbilder ohne schöpferischen Inhalt den urheberrechtlich geschützten Filmwerken weitgehend gleich3. Der Schutz als Filmwerk bzw. Laufbild gilt unabhängig von deren Art 1165 und Inhalt, so dass beispielsweise auch kurze Musikvideoclips, computeranimierte Sequenzen, Live-Übertragungen und Werbefilme schutzfähig sind4. Auch Computerspiele5 sind – je nach Gestaltungshöhe – als Filmwerke oder Laufbilder geschützt6. f) Zeichnungen, Karten, Pläne, Tabellen Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art wie Zeichnungen, 1166 Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen werden durch § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt. Hierzu zählen unter anderem kartografische Gestaltungen (z.B. Stadtpläne)7. Kartografische Gestaltungen können selbst dann, wenn sie in der Ge- 1167 samtkonzeption (insbesondere bei der Gestaltung des Kartenbildes) keine schöpferischen Züge aufweisen (wie z.B. bei der Erarbeitung eines einzelnen topografischen Kartenblatts nach einem vorbekannten Muster), urheberrechtlich schutzfähig sein. Auch bei einer Bindung an vorgegebene Zeichenschlüssel und Musterblätter kann dem Entwurfsbearbeiter oder Kartografen ein für die Erreichung des Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle kartografische Leistungen bleiben. Die Anforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit sind bei kartogra1 2 3 4
A.A. OLG Köln vom 20.3.2009, CR 2010, 223 ff. A.A. OLG Hamm vom 24.8.2004, MMR 2005, 106, 107 = K&R 2005, 141, 143. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 95 Rz. 1 f. Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 186; Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rz. 162. 5 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rz. 188; vgl. LG München I vom 17.2.2004, ZUM-RD 2004, 373 ff. – Moorhuhn. 6 Vgl. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 81. 7 Vgl. BGH vom 23.6.2005, WRP 2005, 1173, 1176 – Karten-Grundsubstanz; OLG Hamburg vom 28.4.2006, K&R 2006, 528, 528; AG München vom 31.3.2010 – 161 C 15642/09.
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F. Urheberrecht
fischen Gestaltungen gering; bei der Beurteilung, ob die Mindestanforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt sind, wird ein großzügiger Maßstab angewendet1. Allerdings folgt aus einem geringen Maß an Eigentümlichkeit auch ein entsprechend enger Schutzumfang für das betreffende Werk2. 1168
Eine grafische Bildschirmoberfläche kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt sein. Bei der Beurteilung ist insbesondere die Anordnung oder spezifische Konfiguration aller Komponenten zu berücksichtigen, aus denen sich die Oberfläche zusammensetzt3. 2. Schutz von Sammelwerken und Datenbanken a) Sammelwerke und Datenbankwerke
1169
Ein Sammelwerk (§ 4 Abs. 1 UrhG) ist eine Sammlung von Werken, Daten oder unabhängigen Elementen, die auf Grund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Hierzu zählen beispielweise wissenschaftliche Sammlungen4, Lexika5, Festschriften6, Rezeptsammlungen7 und Liederbücher8.
1170
Ein Datenbankwerk ist ein Sammelwerk, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind (§ 4 Abs. 2 UrhG).
1171
Für einen Schutz als Datenbankwerk genügt es, dass die Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers ist. Es reicht aus, dass die Sammlung in ihrer Struktur, die durch Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank geschaffen worden ist, einen individuellen Charakter hat9.
1 BGH vom 20.11.1986, GRUR 1987, 360, 361 – Werbepläne; BGH vom 2.7.1987 – I ZR 232/85, GRUR 1988, 33, 35 = WRP 1988, 233, 234 – Topografische Landeskarten; BGH vom 23.6.2005, WRP 2005, 1173, 1176 – Karten-Grundsubstanz; BGH vom 28.5.1998, BGHZ 139, 68, 73 – Stadtplanwerk. 2 BGH vom 23.6.2005, WRP 2005, 1173, 1176 – Karten-Grundsubstanz; vgl. BGH vom 2.7.1987, GRUR 1988, 33, 35 = WRP 1988, 233, 234 – Topografische Landeskarten. 3 Vgl. EuGH vom 22.12.2010 – C-393/09, Rz. 48.; OLG Hamburg vom 29.2.2012 – 5 U 10/10, Rz. 36 ff.; Marly, GRUR 2011, 204 ff. 4 OLG Hamm vom 26.2.2008, CR 2008, 517 ff. 5 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 4 UrhG Rz. 7. 6 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 4 UrhG Rz. 7. 7 LG Frankfurt a.M. vom 28.3.2012 – 2-06 O 387/11. 8 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 4 UrhG Rz. 7. 9 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 465, 467 – Gedichttitelliste I; vgl. auch Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 4 Rz. 12, 19; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz. 289; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 4 Rz. 37 ff.; von Lewinski in Walter, Europäisches Urheberrecht, Datenbank-RL Art. 3 Rz. 8 f.; Marquardt in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 4 UrhG Rz. 11.
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I. Schutzgegenstnde
Spielpläne einer Mannschaftssportmeisterschaft genießen in aller Regel 1172 keinen Schutz nach § 4 Abs. 2 UrhG1. Bei der Spielansetzung, die ohnehin größtenteils computergestützt erfolgt, sind bestimmte Kriterien wie z.B. die Anzahl der Heim- und Auswärtsspiele, das abwechselnde Heimrecht der Teams, die TV-Übertragungszeiten, Kollisionen mit Terminen in Europäischen und internationalen Cup-Wettbewerben und die Wünsche der Vereine zu berücksichtigen. Fleiß und Sachkunde, die damit zweifellos notwendig sind, um die Spielpaarungen festzulegen, reichen aber für einen Urheberschutz nicht aus. Die Zusammenstellung folgt reinen Zweckmäßigkeitserwägungen. Dabei wird dem Datenbankhersteller bei der Auswahl und Anordnung der Daten zwar eine geistige Leistung, aber keine Kreativität abverlangt. Die Struktur der Datenbank, auf die es allein ankommt, ist nicht Ausdruck individuellen Schaffens, sondern Ergebnis einer rein handwerklichen Tätigkeit.2 b) Datenbanken Anstelle oder neben § 4 Abs. 2 UrhG kann der Leistungsschutz als (ein- 1173 fache) Datenbank gemäß §§ 87a ff. UrhG treten3. Dieser Schutz setzt keine persönliche geistige Schöpfung voraus4 und greift ein, wenn der Datenbankhersteller zur Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Inhalte eine nach Art und Umfang wesentliche Investition getätigt hat (§ 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG). aa) Schutzvoraussetzungen Eine systematische oder methodische Anordnung liegt vor, wenn nicht 1174 lediglich ungeordnet Daten zusammengestellt werden, wie dies beispielsweise bei einer einfachen Preisliste der Fall ist. Entscheidend ist die Wiederauffindbarkeit einzelner Datenbankelemente durch ein Abfragetool5. Die darüber hinaus von § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG geforderte Zugänglichkeit der einzelnen Daten bedeutet, dass sich die Datensammlung auf einem festen Träger befinden und ein technisches oder anderes Mittel vorhanden sein muss, das es ermöglicht, jedes in der Sammlung enthaltene Element aufzufinden6.
1 Vgl. EuGH vom 1.3.2012 – C-604/10 – Football Dataco mit Anm. Reinholz, K&R 2012, 338 f. 2 Reinholz, K&R 2012, 338, 339; vgl. auch Heermann/John, K&R 2011, 753, 756; Reinholz, GRUR-Prax, 2011, 438, 441; a.A. Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50. 3 Eingefügt durch Art. 7 IuKDG in Umsetzung der Richtlinie Nr. 96/9 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 4 Vgl. Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, Vor §§ 87a ff. Rz. 28. 5 Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 87a Rz. 19. 6 Vgl. EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 255 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 = K&R 2005, 515, 516 – Marktstudien.
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F. Urheberrecht
1175
Mit dem Erfordernis einer nach Art oder Umfang wesentlichen Investition zur Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Elemente hat § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG die in Art. 7 Abs. 1 der EG-Datenbankrichtlinie angeführte Schutzvoraussetzung übernommen. Die Richtlinie sollte Investitionen in „Datenspeicher- und Datenverarbeitungs“-Systeme fördern und schützen, die zur Entwicklung des Informationsmarktes in einem Rahmen beitragen, der durch eine exponentielle Zunahme der Daten geprägt ist, die jedes Jahr in allen Tätigkeitsbereichen erzeugt und verarbeitet werden1.
1176
An die Wesentlichkeit der Investition sind keine hohen Anforderungen zu stellen2. Die Datenbankrichtlinie verfolgt das Ziel, einen Schutz zu schaffen, der einen Anreiz zur Einrichtung von Systemen zu Speicherung und Verarbeitung vorhandener Informationen bietet. Es reicht daher aus, wenn bei objektiver Betrachtung keine ganz unbedeutenden Aufwendungen und keine von jedermann leicht aufzubringenden Investitionen erforderlich waren, um die Datenbank zu erstellen; nicht notwendig sind Investitionen von substantiellem Gewicht3.
1177
Als wesentlich zu berücksichtigen sind zunächst die Investitionen, die der Erstellung der Datenbank als solche dienen4. Zu den mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investitionen zählen auch diejenigen Mittel, die zur Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Überprüfung und Zusammenstellung in der Datenbank eingesetzt werden.
1178
Zu den zu berücksichtigenden Investitionen gehören auch Mittel, die der Kontrolle der Richtigkeit der ermittelten Elemente bei der Erstellung der Datenbank und während des Zeitraums des Betriebs dieser Datenbank gewidmet werden, um die Verlässlichkeit der in der Datenbank enthaltenen Informationen sicherzustellen5. Dasselbe gilt für die Kosten für Pflege und Wartung, die zu den Aufwendungen für die aktualisierende Über1 Vgl. Richtlinie Nr. 96/9 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 2 Vgl. auch Krekel, WRP 2011, 436, 438. 3 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 14 ff.; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 31; KG vom 21.3.2012 – 24 U 130/10, Rz. 29. 4 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 247 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 252, 253 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 256 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 – Marktstudien; BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 – HIT BILANZ. 5 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 247 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 252, 253 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 256 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 – Marktstudien; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 21; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 527 f.; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369.
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I. Schutzgegenstnde
prüfung der Datenbank zählen, sowie für die Kosten der beim Aufbau und für den Zugang verwendeten Computerprogramme, bei denen es sich um ein für die Darstellung des Datenbankinhalts unerlässliches, wenngleich von der elektronischen Datenbank selbst zu unterscheidendes Hilfsmittel handelt1. Der Begriff der mit der Darstellung des Inhalts der Datenbank verbunde- 1179 nen Investitionen bezieht sich auf die Mittel, mit denen diese Datenbank ihre Funktion der Informationsverarbeitung verliehen werden soll. Dies umfasst alle Mittel, die der systematischen oder methodischen Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Elemente und der Organisation der individuellen Zugänglichkeit dieser Elemente gewidmet sind2. Insbesondere geht es dabei um Aufwendungen für die Aufbereitung und Erschließung des Datenbankinhaltes durch die Erstellung von Tabellen, Abstracts, Thesauri, Indizes und Abfragesystemen, die erst die für eine Datenbank charakteristische Einzelzugänglichkeit ihrer Elemente ermöglichen, sowie um Kosten des Erwerbs der zur Datenbanknutzung erforderlichen Computerprogramme und um Kosten der Herstellung eines Datenbankträgers und der Datenaufbereitung einschließlich der Optimierung der Abfragesysteme3. Schutzgegenstand des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die Zusammenstel- 1180 lung von Elementen, ohne dass sich dieser Schutz auf die Elemente (Inhalte) selbst erstreckt. Daher kommt es für die Feststellung einer „wesentlicher Investition“ nicht auf die Mittel an, die aufgewandt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt der Datenbank besteht4. Datenbankhersteller ist, wer die Initiative zur Erstellung der Datenbank 1181 ergriffen und das Risiko getragen hat, das mit einer in personeller, technischer oder finanzieller Hinsicht erheblichen Investition in den Aufbau, die Überprüfung oder die Präsentation des Inhalts einer Datenbank verbunden ist5. 1 Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 87a Rz. 45; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369 f. 2 OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. 3 OLG Düsseldorf vom 7.8.2008, ZUM-RD2008, 598 ff. 4 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 247 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 252, 253 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 256 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 – Marktstudien; BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 – HIT BILANZ; BGH vom 25.3.2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut, Rz. 18; vgl. auch KG vom 21.3.2012 – 24 U 130/10, Rz. 29; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 527; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369; Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 87a Rz. 45; Deutsch, GRUR 2009, 1027, 1029; Sendrowski, GRUR 2005, 369, 371. 5 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 26; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 32; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528.
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F. Urheberrecht
bb) Beispielsfälle 1182
Bei der Anwendung des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG neigt die Rechtsprechung zu einem großzügigen Maßstab und hat beispielsweise bei Suchmaschinen1 Online-Anzeigenmärkten2, Internet-Nachrichtendiensten3, aber auch bei Gedichtsammlungen4, Chart-Listen5, Bodenrichtwertsammlungen6, bei der Sammlung von Ausschreibungsunterlagen7 und Autobahnmautdaten8, der Sammlung von Flugwetterinformationen9, der Sammlung europäischer Zolltarife10, den Angebots- und Bewertungsdatenbanken des Online-Auktionshauses Ebay11, einem Bewertungssystem für Zahnarztleistungen12 und sogar bei Linklisten13 den Schutz als Datenbank bejaht. Wenn hausnummerngenaue Adressdaten in einer Datenbank mit den jeweiligen Kartenausschnitten verknüpft werden, liegen die Voraussetzungen des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG vor14. Nach Auffassung des LG München I stellt zudem jedes Kartenblatt der topografischen Karten eines Bundeslandes für sich genommen eine Datenbank i.S.v. § 87a Abs. 1 UrhG dar15.
1183
In seiner Entscheidung „Elektronischer Zolltarif“ hat der BGH es zur Bejahung „wesentlicher Investitionen“ ausreichen lassen, dass die Klägerin für die Programmwartung, ständige Überprüfung und Einbringung von Daten sowie die Verbesserung der Darstellung, Personalkosten in Höhe von insgesamt rund 900 000 Euro aufgewendet hatte16.
1184
Lange Zeit unklar war, ob die §§ 87a ff. UrhG auch für Datenbanken gelten, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden und daher als amtliche Sammlungen nach § 5 Abs. 2
1 LG Berlin vom 8.10.1998, MMR 2000, 120; Hoeren, MMR Beilage 8/2001, 2, 3. 2 BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 27 ff.; LG Berlin vom 8.10.1998, AfP 1998, 649; LG Köln vom 2.12.1998, AfP 1999, 95. 3 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406; LG München I vom 18.9.2001, MMR 2002, 58. 4 LG Köln vom 2.5.2001, ZUM 2001, 714, 715. 5 BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 f. – HIT BILANZ. 6 BGH vom 20.7.2006, WRP 2007, 88, 89 – Bodenrichtwertsammlung. 7 BGH vom 28.9.2006, MMR 2007, 374, 375 – Sächsischer Ausschreibungsdienst. 8 BGH vom 25.3.2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut, Rz. 13 ff. 9 OLG Köln vom 15.12.2006, CR 2007, 802, 804 = ITRB 2007, 205 (Schiedermair). 10 BGH vom 30.4.2009, CR 2009, 735 ff. – Elektronischer Zolltarif. 11 LG Berlin vom 22.12.2005, CR 2006, 515, 516 f. = ZUM 2005, 343, 344 f.; LG Berlin vom 27.10.2005, MMR 2006, 46 f. 12 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 14 ff. 13 LG Köln vom 25.8.1999, CR 2000, 400; AG Rostock vom 20.2.2001, CR 2001, 786. 14 KG vom 21.3.2012 – 24 U 130/10, Rz. 30. 15 LG München I vom 9.11.2005, CR 2007, 60 f. = GRUR 2006, 225, 226. 16 BGH vom 30.4.2009, CR 2009, 735, 736 – Elektronischer Zolltarif.
286
I. Schutzgegenstnde
UrhG grundsätzlich dem Urheberrechtsschutz entzogen sind1. Der EuGH hat dies bejaht unter Hinweis darauf, dass es nach Art. 7 Abs. 4 der EGDatenbankrichtlinie2 der Datenbankschutz unabhängig davon gilt, ob die Datenbank und/oder ihr Inhalt für einen Schutz durch das Urheberrecht in Betracht kommen3. Bei umfangreichen Sammlungen von Hyperlinks ist zu differenzieren: 1185 Werden die Links in geordneter Form und in verschiedenen Kategorien präsentiert, ist die Anforderung einer methodischen bzw. systematischen Anordnung des Stoffes erfüllt. Werden bei „Linkseiten“ lediglich ungeordnet Hyperlinks zu anderen Websites aufgelistet, genügt dies nicht den urheberrechtlichen Anforderungen4. Für einen Schutz als Datenbank i.S.d. §§ 87a ff. UrhG ist zudem auch bei einer Linkliste erforderlich, dass deren Herstellung eine wesentliche Investition erfordert hat5. 3. Schutz von Software Für Software gelten die urheberrechtlichen Sonderbestimmungen für 1186 Computerprogramme gemäß §§ 69a ff. UrhG. Der Schutz setzt voraus, dass das Programm Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers ist (§ 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG). Qualitative und ästhetische Gesichtspunkte sind für die Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen unerheblich (§ 69a Abs. 3 Satz 2 UrhG)6; auch die „Kleine Münze“ ist urheberrechtlich geschützt7 UrhG. Um die Erfordernisse des § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG zu erfüllen, darf sich 1187 die Programmstruktur nicht notwendig aus der Aufgabenstellung ergeben, und das Programm muss das Ergebnis einer freien Auswahl zwischen verschiedenen Formeln und Abläufen sein und sich nicht in der bloßen mechanisch-technischen Fortführung des Vorbekannten erschöpfen8. Eine überdurchschnittliche Eigenleistung ist nicht zu verlangen9.
1 Vgl. BGH vom 28.9.2006, MMR 2007, 374 ff. – Sächsischer Ausschreibungsdienst; vgl. auch BGH vom 20.7.2006, WRP 2007, 88 ff. – Bodenrichtwertsammlung. 2 Richtlinie Nr. 96/9 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 3 EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 323 – Datenbank-Entnahme. 4 Köhler, ZUM 1999, 548, 552; OLG München vom 21.11.2002, CR 2003, 564. 5 Vgl. OLG München vom 10.10.2002, MMR 2003, 593, 594; Kindler, K&R 2000, 265, 271; Zahrt, K&R 2001, 66, 70. 6 Vgl. OLG Hamburg vom 22.2.2001, CR 2001, 704, 705; Rehbinder, Urheberrecht, Rz. 153. 7 Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 69a Rz. 19; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69a Rz. 33. 8 Schack, MMR 2001, 9, 13; OLG Frankfurt a.M. vom 6.11.1984, CR 1986, 13, 18. 9 BGH vom 4.6.1993, BGHZ 123, 208, 211; BGH vom 14.7.1993, NJW 1993, 3136, 3137.
287
F. Urheberrecht
1188
Versteht man unter einem Computerprogramm jede programmierte Befehlskette, die einen Computer zur Ausführung bestimmter Funktionen veranlasst1, kann kein Zweifel bestehen, dass der Quellcode diese Anforderungen erfüllen kann2. Insbesondere bei einfachen HTML-Quellcodes fehlt es jedoch an einer eigenen geistigen Schöpfung i.S.d. § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG, so dass diese Codes urheberrechtlich nicht geschützt sind3. Anders kann es sich bei Programmierungen verhalten, die Java oder PHP verwenden4. Die Schutzfähigkeit lässt sich nicht alleine mit der Benutzung einer bestimmten Programmiersprache oder bestimmter Programme begründen, sondern ist daran zu messen, inwieweit das erstellte Programm keine ganz einfache Gestaltung aufweist bzw. inwieweit es sich von anderen Programmen unterscheidet5.
1189
Nach § 69a Abs. 2 Satz 1 UrhG gilt der Softwareschutz für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Begrifflich liegt es nicht fern, die Bildschirmoberfläche, die durch einen urheberrechtlich geschützten Quellcode generiert wird, als Ausdrucksform des Quellcodes anzusehen6. Nach Auffassung des EuGH ist die grafische Oberfläche allerdings nicht mehr als eine Schnittstelle, die eine Kommunikation zwischen dem Computerprogramm und dem Benutzer ermöglicht7. Sie ist jedenfalls ein integraler Bestandteil des Programms und keine eigenständige Ausdrucksform8. Ein Schutz gemäß § 69a Abs. 2 Satz 1 UrhG scheidet aus9.
1 Vgl. Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 69a Rz. 2. 2 Vgl. Czychowski in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 69a Rz. 5; Redeker, ITRecht, Rz. 6; a.A. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69a Rz. 18 m.w.N. 3 Vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69a Rz. 18; OLG Rostock vom 27.6.2007, CR 2007, 737, 737; ITRB 2007, 249 (Wolff). 4 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 6; Schneider in Schneider, Handbuch des EDVRechts, Teil C Rz. 8; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69a Rz. 18. 5 OLG Hamburg vom 29.2.2012 – 5 U 10/10, Rz. 29. 6 OLG Karlsruhe vom 13.6.1994, CR 1994, 607, 610; Redeker, IT-Recht Rz. 6; Cichon, ZUM 1998, 897, 899; Koch, GRUR 1995, 459; a.A. OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 3; OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2005, CR 2006, 198, 199 = MMR 2005, 705, 706; OLG Karlsruhe vom 14.4.2010, K&R 2010, 414, 415 mit Anm. Otto = GRUR-RR 2010, 234 ff.; LG Köln vom 15.6.2005, MMR 2006, 52, 55 f. = ZUM 2005, 910, 914 f.; AG Erfurt vom 10.11.2006, ZUM-RD 2007, 504 ff.; Köhler, ZUM 1999, 548; Schack, MMR 2001, 9, 12. 7 EuGH vom 22.12.2010 – C-393/09, Rz. 38 ff.; a.A. Barnitzke/Möller/Nordmeyer, CR 2011, 277, 279. 8 Vgl. Barnitzke/Möller/Nordmeyer, CR 2011, 277, 279. 9 EuGH vom 22.12.2010 – C-393/09, Rz. 38 ff.; OLG Karlsruhe vom 14.4.2010, K&R 2010, 414, 415 mit Anm. Otto = GRUR-RR 2010, 234 ff.; Barnitzke/Möller/ Nordmeyer, CR 2011, 277, 279; a.A. Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530; OLG Karlsruhe vom 13.6.1994, CR 1994, 607.
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II. Rechte des Urhebers
II. Rechte des Urhebers Ob Texte, Musik, Fotos oder Videos: Digitale Inhalte verbreiten sich über 1190 das Netz schnell und unkontrolliert. Hierdurch können Urheberrechte in vielfältiger Weise verletzt werden. 1. Urheber Der Schöpfer des Werkes ist Urheber (§ 7 UrhG) und damit originärer In- 1191 haber aller Urheberrechte. Wirken an der Schöpfung eines Werkes mehrere Personen mit, so sind sie gemäß § 8 Abs. 1 UrhG Miturheber. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 UrhG stehen Miturhebern die Urheberrechte zur gesamten Hand zu. Originärer Inhaber von Urheberrechten ist auch der Arbeitnehmer oder 1192 Beamte, der ein Werk im Rahmen seines Arbeits- oder Dienstverhältnisses schafft (§ 43 UrhG). Aus dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis ergibt sich indes regelmäßig, dass das Arbeitsergebnis dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zusteht. Der Arbeitnehmer bzw. Beamte ist daher arbeitsbzw. beamtenrechtlich verpflichtet, dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn umfassende Nutzungsrechte an den Werken einzuräumen, die im Rahmen des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses geschaffen werden1. Wenn mehrere Personen an der Schöpfung eines einheitlichen Werkes 1193 mitgewirkt haben, besteht Miturheberschaft2. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Grafiker und Programmierer bei der Entwicklung des Designs einer Website eng zusammenwirken. Der Quellcode und das Design der Website sind dann das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Werkschöpfung. Die an der Schöpfung beteiligten Personen sind Miturheber gemäß § 8 UrhG3. Ist streitig, wer Urheber eines Werkes ist, gilt die Vermutung des § 10 1194 UrhG. Danach stehen die Urheberrechte im Zweifel demjenigen zu, der auf dem Werk bzw. auf einem Vervielfältigungsstück des Werkes in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Dies gilt auch im Internet4, da Werke im Netz stets Vervielfältigungsstücke darstellen5. Es ist daher in der Regel ratsam, einen Copyrightvermerk zu verwenden. Für die Frage der Urheberschaft eines Fotografen spricht ein erster An- 1195 schein, wenn er einer Person, die diese Fotos später auf ihrer Website 1 Vgl. Rojahn in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 43 Rz. 2, 6. 2 BGH vom 14.6.1993, BGHZ 123, 208. 3 Vgl. Ernst in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.1 Rz. 27 f. 4 LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2008, CR 2008, 534, 534; LG Nürnberg-Fürth vom 14.1.2011 – 4 HK O 9301/10, Rz. 45 ff. 5 A.A. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 10 Rz. 6; LG München I vom 14.1.2009, MMR 2009, 274.
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F. Urheberrecht
nutzt, die entsprechenden Dateien zuvor auf einem Speichermedium übergeben hat1. Nach Auffassung des OLG Hamm ist § 10 Abs. 1 UrhG auch auf Fotos anwendbar, die in einer Dissertation abgedruckt sind, um eine Aussage zu belegen2. 2. Urheberpersönlichkeitsrechte 1196
Zu den Urheberpersönlichkeitsrechten, die vertraglich zwar eingeschränkt, nicht jedoch (unter Lebenden) übertragen werden können (§ 29 Abs. 1 UrhG), gehören das Namensnennungsrecht (§ 13 UrhG), das Recht des Urhebers, darüber zu entscheiden, ob und wie sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll (Veröffentlichungsrecht, § 12 UrhG), sowie das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG). a) Urheberbezeichnung
1197
Nach § 13 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen wird und welche Bezeichnung zu verwenden ist3. Dieses Bestimmungsrecht gilt auch im Internet4.
1198 Û Praxistipp: Sowohl bei der Website insgesamt als auch bei einzelnen Inhalten (Texten, Fotos, Datenbanken usw.) sollte der jeweilige Urheber im Hinblick auf § 10 UrhG und § 13 UrhG darauf bestehen, seine Urheberschaft – beispielsweise durch das weltweit übliche „©“ – kenntlich zu machen5. 1199
Das Namensnennungsrecht ist vertraglich einschränkbar6. Ohne Weiteres wirksam sind Vereinbarungen, durch die der Urheber auf sein Recht zur Namensnennung verzichtet. Ein solcher Verzicht kann auch konkludent erklärt werden und sich beispielsweise aus einem branchenüblichen Verzicht auf die Namensnennung ableiten7.
1200
Eine Verletzung des Namensnennungsrechts liegt vor, wenn Dritte ein Werk zugänglich machen, ohne dass die Urheberbezeichnung erkennbar wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Copyrightvermerk 1 LG München I vom 21.5.2008, MMR 2008, 622, 623 mit Anm. Knopp. 2 OLG Hamm vom 7.6.2011 – I-4 U 208/10, Rz. 30 ff. 3 Vgl. Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rz. 10 ff. 4 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch – Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rz. 14 ff.; Bechtold, ZUM 1997, 427, 432. 5 Strömer, Online-Recht, S. 208 f.; Koch, NJW-CoR 1997, 298, 299. 6 Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 13 Rz. 12; Dietz in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 13 Rz. 9. 7 Vgl. Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 13 Rz. 12; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 13 Rz. 24.
290
II. Rechte des Urhebers
auf einer Internetseite angebracht wird und auf diese Seite ein Deeplink gesetzt wird, über den die Seite unter Ausblendung des Copyrightvermerks aufgerufen werden kann1. Entsprechendes gilt beim Framing, wenn der Urhebervermerk weggeschnitten wird2. Werden nicht alle Seiten einer Website mit Copyrightvermerken ver- 1201 sehen, kann dies als Einverständnis mit einer Abrufbarkeit einzelner Seiten ohne Copyrightvermerk und somit als partieller Verzicht auf das Namensnennungsrecht zu werten sein für den Fall, dass ein Deeplink auf diese Seite gesetzt oder die Seite per Framing in eine fremde Website einbezogen wird3. Ein (partielles) Weglassen des Copyrightvermerks ist im Hinblick auf 1202 § 13 UrhG unproblematisch, wenn der Betreiber der Website zugleich Urheber ist. Ist der Betreiber der Website lediglich Inhaber urheberrechtlicher Nutzungsrechte, darf er eine Fortlassung des Urhebervermerkes – sei es auch nur bei Deeplinks und Frames – nur zulassen, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit dem Urheber getroffen worden ist. Û Praxistipp: In Verträge, die ein Website-Betreiber mit Webdesignern 1203 und Content-Providern schließt, sollten klare und detaillierte Regelungen zu Copyrightvermerken aufgenommen werden. Ob und wie Copyrightvermerke auf die Website aufzunehmen sind, bedarf der Festlegung. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, ob technische Vorsorge gegen Deeplinks und Framing zu treffen ist. Eine urheberfreundliche Regelung kann in einem Webdesignvertrag lauten: „Der Auftraggeber verpflichtet sich, jede einzelne Seite der Website mit einem Copyrightvermerk zu versehen, der wie folgt lautet: _______________. Der Copyrightvermerk ist auf jeder einzelnen Seite der Website mit dem Hinweis zu verbinden, dass die Setzung eines Links (einfacher Hyperlink oder Deeplink) auf die Seite und die Einbeziehung der Seite in eine fremde Website durch Framing nur gestattet ist, wenn auch der Copyrightvermerk ber den Link bzw. das Frame abrufbar ist.“
b) Erstveröffentlichung § 12 UrhG behält dem Urheber das Recht vor, über die Erstveröffent- 1204 lichung des Werkes zu entscheiden. Eine Einstellung in das Internet stellt eine solche Veröffentlichung dar4. Über das Internet wird das Werk einer Vielzahl von Personen i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG zugänglich gemacht5. 1 Schack, MMR 2001, 9, 14; Schulze, ZUM 2000, 432, 437. 2 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rz. 39. 3 Vgl. Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rz. 37. 4 Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 349; Dietz in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 12 Rz. 17. 5 Strömer, Online-Recht, S. 214 f.
291
F. Urheberrecht
Eine erstmalige Veröffentlichung im Internet bedarf demnach der Zustimmung des Urhebers. 1205
Bei einer urheberrechtlich geschützten Kirchenglocke erfüllt schon die Verbreitung von Abbildungen der Glocke im Internet den Tatbestand des § 12 UrhG1. c) Entstellung, Beeinträchtigung, Verfremdung
1206
§ 14 UrhG schützt das Integritätsinteresse des Urhebers und gibt ihm das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
1207
Eine Beeinträchtigung des Werkes liegt beispielsweise vor, wenn das Design einer Website verfremdet wird. Eine solche Verfremdung stellt einen direkten Eingriff in das Werk dar und kann berechtigte Interessen des Urhebers gefährden.
1208
Ob eine Verfremdung zulässig ist, ergibt sich aus einer Interessenabwägung. Dabei stehen sich das Bestands- und Integritätsinteresse des Urhebers und das Nutzungs- bzw. Gebrauchsinteresse des Werknutzers gegenüber2. Je stärker die Gestaltungshöhe des Werkes und der Eingriff sind, desto gewichtiger müssen die Gebrauchsinteressen des Werknutzers sein, um eine Beeinträchtigung des Werkes zu rechtfertigen3.
1209
Ein Eingriff in das Integritätsinteresse des Urhebers kann darin liegen, dass das Werk in ein Umfeld eingebettet wird, das die Wirkung des Werkes beeinträchtigt4. Eine Abwägung zwischen Integritäts- und Gebrauchsinteresse ist daher auch erforderlich bei der Schaltung von Werbung auf urheberrechtlich geschützten Websites5 oder bei der Verknüpfung urheberrechtlich geschützter Inhalte mit anderen Inhalten, die auf das Werk zurückwirken, wie dies beispielsweise bei der Einbettung von Inhalten in ein pornografisches oder extremistisches Umfeld der Fall ist6.
1210
Eine Interessenabwägung ist nicht erforderlich, wenn Eingriffsbefugnisse vertraglich eindeutig geregelt sind. § 39 Abs. 1 UrhG lässt vertragliche Einschränkungen des Entstellungsverbots ohne Weiteres zu7. 1 2 3 4
LG Leipzig vom 11.8.2006, ZUM 2006, 883, 885. Dietz/Peukert in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 14 Rz. 28. Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rz. 41. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 107; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 14 Rz. 3. 5 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rz. 58; Apel/Steden, WRP 2001, 112, 117. 6 Vgl. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 351; Schack, MMR 2001, 9, 14. 7 Vgl. Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 39 Rz. 5.
292
II. Rechte des Urhebers
Û Praxistipp: In Verträge, die ein Website-Betreiber mit Webdesignern 1211 und Content-Providern schließt, sollten klare und detaillierte Regelungen zu Änderungsbefugnissen und allen Umfeldfragen (insbesondere Werbung) aufgenommen werden1. Eine urheberfreundliche Regelung kann in einem Content-ProviderVertrag lauten: „Der Vertragspartner ist zu nderungen des Content nur berechtigt, soweit die nderungen der Korrektur orthografischer und hnlicher Fehler dienen. Zudem verpflichtet sich der Vertragspartner, auf der Internetseite, auf der der vertragsgegenstndliche Content verçffentlicht wird, keine Werbung gleich welcher Art zu schalten, ohne dass der Provider vorab zugestimmt hat. Auf der gesamten Website wird dem Vertragspartner zudem verboten, pornografische oder extremistische Inhalte gleich welcher Art zu verçffentlichen oder Hyperlinks aufzunehmen, die zu derartigen Inhalten fhren.“
Weniger urheberfreundlich ist folgende Regelung: „Der Vertragspartner ist zu nderungen des Content nach freiem Ermessen berechtigt. Darber hinaus ist der Vertragspartner – gleichfalls nach freiem Ermessen – berechtigt, ber das inhaltliche und gestalterische Umfeld der Website – einschließlich Hyperlinks – zu entscheiden.“
3. Verwertungsrechte Die §§ 15 ff. UrhG regeln die Verwertungsrechte des Urhebers und legen 1212 fest, inwieweit der Urheber das Recht hat, sein Werk zu nutzen und Dritte von der Nutzung des Werkes auszuschließen. Die Verwertungsrechte sind die wichtigste Grundlage dafür, dass der Urheber aus seinem Werk wirtschaftlichen Nutzen ziehen kann2. Um die §§ 15 ff. UrhG differenziert anwenden zu können, bedarf es einer 1213 klaren Unterscheidung zwischen der Einspeisung in das Internet einerseits (Upload) und den Vervielfältigungshandlungen beim Abruf von Internetseiten andererseits (Download). Besonderheiten gelten schließlich für Datenbanken und Datenbankwerke. a) Öffentliche Zugänglichmachung (Upload) Nach der Generalklausel des § 15 UrhG hat der Urheber das ausschließ- 1214 liche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten (§ 15 Abs. 1 UrhG) und das Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (§ 15 Abs. 2 UrhG). Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ist als 1215 „Upload-Recht“ durch § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UrhG dem Recht der („un-
1 Siehe Rz. 644 f. 2 v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 15 Rz. 2; Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 15 Rz. 1.
293
F. Urheberrecht
körperlichen“) öffentlichen Wiedergabe zugeordnet worden1. In § 69c Nr. 4 UrhG findet sich eine entsprechende Norm für die öffentliche Zugänglichmachung von Computerprogrammen – beispielsweise im Rahmen eines ASP-Vertrages2. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist abzugrenzen vom Senderecht. Nach § 20 UrhG ist dies das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen3. 1216
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es den Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Die umständliche Definition lässt sich auf einen einfachen Kern zurückführen: Das Recht zur Publikation im Internet gehört nach § 19a UrhG zu den ausschließlichen Verwertungsrechten des Urhebers4.
1217
Ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. § 19a UrhG liegt vor, wenn Inhalte in einer solchen Weise in das Netz eingestellt werden, dass sie auf einem Server gespeichert sind und Dritten der Zugriff auf die gespeicherten Inhalte möglich ist5. Hierfür reicht es nicht aus, ein Werk auf einem Server bereitzuhalten, der mit dem Internet verbunden ist. Es bedarf vielmehr einer Freischaltung, die Online-Nutzern einen Abruf ermöglicht6.
1218
Für ein öffentliches Zugänglichmachen gemäß § 19a UrhG reicht es aus, wenn Inhalte durch Eingabe einer URL erreichbar sind. Eine Verlinkung mit einer Website ist nicht erforderlich. Zwar erfordert § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG für die öffentliche Widergabe, dass die Widergabe für die Öffentlichkeit „bestimmt“ sein muss. Hierfür reicht es jedoch aus, dass Inhalte objektiv für Mitglieder der Öffentlichkeit auffindbar sind7.
1219
Aus § 15 i.V.m. § 19a UrhG lässt sich ableiten, dass es der Zustimmung des Urhebers bedarf, wenn urheberrechtlich geschützte Werke auf einer Website verwendet werden sollen. Ohne eine solche Zustimmung ist die Einspeisung in das Internet – das Upload8 – rechtswidrig9. § 52 Abs. 3 UrhG stellt dies klar, indem die Zulässigkeit jeglicher öffentlichen Zu1 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 1; Czychowski, NJW 2003, 2409, 2410; Klett, K&R 2004, 257. 2 Vgl. OLG München vom 7.2.2008, CR 2009, 500, 501 f. 3 Vgl. zum Begriff des Senderechts: Gounalakis, ZUM 2009, 447 ff. 4 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 3. 5 LG Hamburg vom 5.9.2003, MMR 2004, 558, 560. 6 Vgl. OLG Hamburg vom 14.3.2012 – 5 U 87/09, Rz. 91 ff. 7 KG vom 28.4.2010 – 24 W 40/10, Rz. 2; OLG Hamburg vom 9.4.2008, MMR 2009, 133, 134; OLG Hamburg vom 8.2.2010, K&R 2010, 355; OLG Karlsruhe vom 12.9.2012 – 6 U 58/11, Rz. 22. 8 Vgl. LG Hamburg vom 5.9.2003, MMR 2004, 558, 560. 9 Vgl. LG München vom 30.3.2000, MMR 2000, 431.
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II. Rechte des Urhebers
gänglichmachung unter die Voraussetzung einer Einwilligung des Berechtigten gestellt wird1. Bei Musiktauschbörsen ist der Tatbestand des § 19a UrhG erfüllt, sobald 1220 ein Musikstück auf einen Server geladen ist, der Dritten den Zugriff auf die Datei über das Internet ermöglicht2. Zur Öffentlichkeit i.S.d. § 19a UrhG gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist (§ 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG). „Öffentlichkeit“ ist zu bejahen, wenn eine Mehrzahl von Personen Zu- 1221 griff erlangt (§ 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG). Drei Personen reichen hierfür nicht aus3. Erforderlich ist vielmehr eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und eine größere Zahl von Personen, die neben- und nacheinander Zugang zum selben Werk erhalten4. Auf einen Erwerbszweck kommt es nicht an5. Beim Streaming (z.B. Music On Demand6) sind die Voraussetzungen des 1222 § 19a UrhG erfüllt, da es für ein Zugänglichmachen nicht erforderlich ist, dass Dateien auf den Rechner des Nutzers heruntergeladen werden7. § 19a UrhG ist systematisch eingerahmt von den Vortrags-, Aufführungsund Vorführungsrechten (§ 19 UrhG) und dem Senderecht (§ 20 UrhG). In allen Fällen geht es um Formen der öffentlichen Wiedergabe, ohne dass dem Rezipienten der Verwertungshandlung etwas verbleiben muss8. Nicht unter § 19a UrhG, sondern unter § 20 UrhG fällt das Live-Streaming, da es an einer Zugänglichkeit „zu Zeiten ihrer Wahl“ fehlt9. Vielmehr erfolgt die Übertragung einmalig zu ganz bestimmten Zeiten, ähnlich wie bei der klassischen Sendung10. Auch für die zeitgleiche und unveränderte Weitersendung von Fernseh- 1223 sendungen über das Internet (IPTV) kommt § 19a UrhG nicht in Betracht, da die Zeit der Nutzung nicht vom Willen des Nutzers abhängt11. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. AG Charlottenburg vom 17.11.2003, CR 2004, 859, 860. Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1416. A.A. Schapiro, ZUM 2008, 273, 274 ff. EuGH vom 7.3.2013 – C-607/11, Rz. 32 f. EuGH vom 7.3.2013 – C-607/11, Rz. 42. OLG Stuttgart vom 21.1.2008, MMR 2008, 474, 475; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 25. OLG Hamburg vom 7.7.2005, MMR 2006, 173, 174 = ZUM 2005, 749, 750; OLG Hamburg vom11.2.2009, MMR 2009, 560, 560; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 34; Hullen, ITRB 2008, 230, 231. OLG Hamburg vom 25.7.2008, ZUM 2009, 575, 577. Vgl. auch Koch, GRUR 2010, 574, 576. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 34; Büscher/Müller, GRUR 2009, 558 f. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 35.
295
F. Urheberrecht
Es handelt sich vielmehr um eine Ausübung des Senderechts gemäß § 20 UrhG. § 20b UrhG (Kabelweitersendung) gilt nicht1. 1224
Nicht von § 19a UrhG erfasst ist nach Auffassung des BGH das Angebot von „Online-Videorekordern“. Wenn ein Anbieter Fernsehsendungen auf den „persönlichen Videorekordern“ der Kunden abspeichere, mache er die Sendungen damit zwar i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. UrhG insoweit zugänglich, als die Kunden die Sendungen dann von jedem Ort und zu jeder Zeit abrufen können. Es fehle jedoch an einem Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da jede einzelne Aufzeichnung nur jedem einzelnen Kunden zugänglich sei2.
1225
Bis zu den Entscheidungen des BGH hatte es der ganz überwiegenden Auffassung entsprochen, dass § 19a UrhG auf „Online-Videorekorder“ anwendbar ist und das sukzessive Zugänglichmachen mittels eines Zugangscodes für ein „öffentliches Zugänglichmachen“ ausreicht3.
1226
Der BGH misst die Zulässigkeit von „Online-Videorekordern“ am Senderecht (§ 20 UrhG)4. Die Weiterleitung des Sendesignals von der Satellitenantenne als Empfangsgerät zum „persönlichen Videorekorder“ als Aufnahmevorrichtung stellt nach Auffassung des BGH ein Weitersenden gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. UrhG bzw. eine Sendung i.S.d. § 20 UrhG dar. Ob ein „öffentliches“ Weitersenden vorliege, hänge in jedem konkreten Einzelfall davon ab, wie viele Kunden Vervielfältigungen bestimmter Sendungen aus dem Programm des klagenden Sendeunternehmens bestellt und erhalten haben und ob Sendungen des Rechteinhabers danach einer Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind5. b) Vervielfältigung (Download) aa) Vervielfältigungsrecht
1227
§ 16 UrhG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UrhG regelt das Vervielfältigungsrecht des Urhebers. Dieses Recht umfasst nach § 16 Abs. 1 UrhG jede Herstellung von Vervielfältigungsstücken, gleichviel, ob vorübergehend oder 1 LG Hamburg vom 8.4.2009, ZUM 2009, 582 ff. 2 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 575 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3514 mit Anm. Rössel – shift.tv. 3 OLG Köln vom 9.9.2005, K&R 2005, 570, 570; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 610, 611; LG Leipzig vom 12.5.2006, ZUM 2006, 763, 766 = K&R 2006, 426, 427; LG Leipzig vom 19.5.2005, CR 2006, 784, 785 = K&R 2006, 426, 427; LG München I vom 19.5.2005, CR 2006, 787, 789 = ZUM 2006, 583, 585; a.A. OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 = ZUM 2007, 203, 204. 4 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 577 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3517 mit Anm. Rössel – shift.tv.; vgl. auch Niemann, CR 2009, 661 ff. 5 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 576 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3515 mit Anm. Rössel – shift.tv.
296
II. Rechte des Urhebers
dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. Soweit es daher bei der Nutzung des Internet – auch nur vorübergehend – zu Kopiervorgängen kommt, ist jeweils der Tatbestand einer urheberrechtlich relevanten Vervielfältigung erfüllt1. Sind allerdings nur einzelne Teile eines Ganzen (z.B. einzelne Datenpakete und Sequenzen eines Streams) auf einem Endgerät gespeichert, liegt darin keine Vervielfältigungshandlung i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhG, wenn die einzelnen Fragmente selbst keinen urheberrechtlichen Schutz genießen2. Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet 1228 ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Unerheblich sind dabei die Vervielfältigungstechnik sowie die Art und Anzahl der Zwischenschritte, die zur Wahrnehmung notwendig sind3. Bei dem Abruf einer Internetseite entsteht in jedem Fall eine Datenkopie 1229 im Arbeitsspeicher des Internetnutzers. Seit der Neufassung im Jahre 20034 sind vorübergehende Kopiervorgänge von § 16 Abs. 1 UrhG ausdrücklich erfasst. Nach § 69c Nr. 1 UrhG umfassen die Verwertungsrechte des Urhebers ei- 1230 nes schutzfähigen Computerprogramms die Vervielfältigung des Programms „mit jedem Mittel und in jeder Form“. Hierzu zählen insbesondere Vervielfältigungen im Zusammenhang mit dem „Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms“, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall eine physische Kopie des Programms hergestellt wird. Der Download eines Computerprogramms stellt eine Vervielfältigung gemäß § 69c Nr. 1 UrhG dar5. Keine Vervielfältigung ist das Lesen einer Seite auf dem Bildschirm. Der 1231 bloße „Konsum“ des Werkes stellt – wie auch außerhalb des Internet – keine urheberrechtlich relevante Nutzung dar6.
1 Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rz. 13; OLG München vom 10.5.2007, MMR 2007, 525, 527 mit Anm. Gausling = K&R 2007, 418, 420. 2 EuGH vom 4.10.2011 – C-403/08 u. C-429/08, Rz. 159; Eichelberger, K&R 2012, 393, 394; Koch, ITRB 2011, 266, 267. 3 BGH vom 4.10.1990, GRUR 1991, 449, 453 – Betriebssystem; OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 f. = ZUM 2007, 203, 204; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 2007, 610, 611; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 16 Rz. 6 f.; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 16 Rz. 5 und 9 ff. 4 Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, BGBl. 2003, Teil 1 Nr. 46, S. 1774 ff. 5 Vgl. Czychowski in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 69c Rz. 10; Loewenheim, FS Piper, 709, 718; Bosak, CR 2001, 176, 181; OLG Hamburg vom 22.2.2001, CR 2001, 704, 705; LG Berlin vom 24.7.2001 – 16 O 98/99; LG Braunschweig vom 8.7.2003, MMR 2003, 755. 6 BGH vom 4.10.1998, BGHZ 112, 264, 278; Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rz. 13.
297
F. Urheberrecht
1232
Bei der Verwendung urheberrechtlich geschützter Bilder und Grafiken als „Thumbnails“ in einer Bildersuchmaschine liegen sowohl Vervielfältigungshandlungen als auch ein öffentliches Zugänglichmachen vor1.
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Ob Laden in den Arbeitsspeicher oder Speichern auf die eigene Festplatte: Bei jedem einzelnen Vervielfältigungsvorgang stellt sich zunächst die Frage, ob die Vervielfältigung (ausnahmsweise) erlaubnisfrei ist. Ist dies nicht der Fall, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Kopie darauf an, ob eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Zustimmung des Urhebers vorliegt. bb) Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen
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Erlaubnisfrei sind nach § 44a UrhG „flüchtige“ oder „begleitende“ Vervielfältigungshandlungen, die allein der technischen Übertragung im Internet dienen und keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben, soweit die Übertragung einer rechtmäßigen Nutzung des Werkes dient. Das Laden in den Zwischenspeicher des Computers beim Abruf einer Seite oder das Caching sind daher nach § 44a UrhG regelmäßig erlaubnisfrei2.
1235
Der Zweck des § 44a UrhG liegt darin, Festlegungen, die nach der weiten Fassung des Vervielfältigungsbegriffs rechtlich als Vervielfältigung zu qualifizieren sind, von der Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers freizustellen. Dies gilt insbesondere für die Speicherung auf Netzwerk-Servern oder in Arbeitsspeichern, die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, sondern das effiziente Funktionieren der Übertragungssysteme ermöglichen soll3.
1236
Die Schrankenregelung des § 44a UrhG gilt lediglich für die Verwertung des Werks in körperlicher Form (§ 15 Abs. 1 sowie § 16 Abs. 1 und 2 UrhG), nicht jedoch für einen Eingriff in das Recht auf Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Auf die Bildersuche („Thumbnails“) ist § 44a UrhG schon aus diesem Grund nicht anwendbar4. 1 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 917 ff. = MMR 2010, 475, 476 ff. mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I; BGH vom 19.10.2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II, Rz. 13; LG Hamburg vom 5.9.2003, MMR 2004, 558, 561; LG Hamburg vom 22.2.2006, MMR 2006, 697, 698; LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2009, 47, 48 f. mit Anm. Kleinemenke; a.A. LG Erfurt vom 15.3.2007, CR 2007, 391, 392 f. mit Anm. Berberich = K&R 2007, 325, 32f f. mit Anm. Roggenkamp; vgl. auch Leistner/Stang, CR 2008, 499, 502; Ott, ZUM 2009, 345 f.; OLG Jena vom 27.2.2008, MMR 2008, 408, 409 mit Anm. Schack; LG Bielefeld vom 8.11.2005, CR 2006, 350 mit Anm. Wimmers/Schulz. Ott, ZUM 2009, 345 f. 2 v. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 44a Rz. 3 f.; Klett, K&R 2004, 257, 258. 3 OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 f. = ZUM 2007, 203, 204; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 44a Rz. 1. 4 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 918 f. = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I; BGH vom 19.10.2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder
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II. Rechte des Urhebers
Das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs eines Pres- 1237 seartikels erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 44a UrhG, da es an der Voraussetzung einer „Flüchtigkeit“ fehlt1. § 44a UrhG legitimiert auch weder das Streaming2 noch das Angebot von „Online-Videorekordern“3. cc) Einräumung des Vervielfältigungsrechts Soweit § 44a UrhG oder andere Normen (z.B. § 69d UrhG) einen Kopier- 1238 vorgang nicht bereits erlaubnisfrei stellen, stellt sich die Frage, ob der Urheber dem Nutzer ein entsprechendes Nutzungsrecht eingeräumt hat. Das Recht, ein Werk auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen (§ 31 1239 Abs. 1 UrhG), kann einem Dritten durch eine ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung des Berechtigten eingeräumt werden. Die Erklärung muss einen entsprechenden Rechtsbindungswillen erkennen lassen. Unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände muss die Erklärung unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass der Erklärende einem Dritten ein bestimmtes (dingliches oder schuldrechtliches) Nutzungsrecht einräumen will4. Das Einstellen von Inhalten in das Internet bringt es mit sich, dass diese 1240 Inhalte von anderen Internetnutzern angesehen werden können und auch auf übliche Weise – beispielsweise per Suchmaschine – gefunden werden sollen. Hierin liegt insoweit die Einräumung eines Vervielfältigungsrechts, als Vervielfältigungen zum Finden und Lesen der Inhalte notwendig sind5. Das Hochladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes auf eine In- 1241 ternetseite lässt sich nicht generell als Angebot der Einräumung eines (dinglichen) Vervielfältigungsrechts an jeden potenziellen Internetnutzer werten6. So besteht beispielsweise kein unzweideutiger Wille, einem Suchmaschinenbetreiber das Recht einzuräumen, Bilder, die eine Such-
1 2 3 4 5 6
II, Rz. 14; vgl. auch LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2009, 47, 52 mit Anm. Kleinemenke; a.A. Heymann/Nolte, K&R 2009, 759, 764; siehe auch Rz. 1239 ff. EuGH vom 16.7.2009, K&R 2009, 707, 709 f. – Elektronischer Pressespiegel. OLG Hamburg vom 7.7.2005, MMR 2006, 173, 175; OLG Hamburg vom 25.7.2008, ZUM 2009, 575, 577; vgl. auch LG Hamburg vom 21.2.2007, K&R 2007, 484, 485 = ZUM 2007, 869, 870 f. (Vorinstanz). OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 f. = ZUM 2007, 203, 204; LG Braunschweig vom 7.6.2006, K&R 2006, 362, 364. BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 f. = MMR 2010, 475, 478 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I. BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 920 = MMR 2010, 475, 478 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I; vgl. auch LG Hamburg vom 12.4.2011 – 310 O 201/10, Rz. 19. A.A. OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 184, 186; Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 375; Bechtold, ZUM 1997, 427, 430.
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F. Urheberrecht
maschine im Zusammenhang mit bestimmten Wörtern findet, verkleinert anzuzeigen („Thumbnails“)1. dd) Einwilligung des Urhebers 1242
Ein rechtswidriger Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse ist nicht nur dann zu verneinen, wenn der Berechtigte durch Einräumung entsprechender Nutzungsrechte über sein Recht verfügt oder dem Nutzer die entsprechende Werknutzung schuldrechtlich gestattet hat. Daneben besteht vielmehr auch die Möglichkeit, dass die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht wegen Vorliegens einer schlichten Einwilligung des Berechtigten ausgeschlossen ist. Die Einwilligung in die Urheberrechtsverletzung unterscheidet sich von der (dinglichen) Übertragung von Nutzungsrechten und der schuldrechtlichen Gestattung dadurch, dass sie zwar als Erlaubnis zur Rechtmäßigkeit der Handlung führt, der Einwilligungsempfänger aber weder ein dingliches Recht noch einen schuldrechtlichen Anspruch oder ein sonstiges gegen den Rechtsinhaber durchsetzbares Recht erwirbt. Sie erfordert daher auch keine auf den Eintritt einer solchen Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung2.
1243
Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen. Da es auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ankommt, ist es ohne Bedeutung, ob der Berechtigte weiß, welche Nutzungshandlungen im Einzelnen mit der üblichen Suche durch eine Suchmaschine verbunden sind. In dem Einstellen von Abbildungen in das Internet, ohne diese gegen das Auffinden durch Suchmaschinen zu sichern, liegt daher nach Auffassung des BGH eine Einwilligung in die Wiedergabe der Werke in Vorschaubildern einer Suchmaschine („Thumbnails“)3.
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Eine Einwilligung kann mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (§ 183 Satz 1 BGB). Wenn eine Einwilligung in die Auffindbarkeit durch 1 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 920 = MMR 2010, 475, 478 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I. 2 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 920 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I; BGH vom 19.10.2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II, Rz. 17. 3 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 921 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I; BGH vom 19.10.2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II, Rz. 18; LG Erfurt vom 15.3.2007, CR 2007, 391, 392 mit Anm. Berberich = K&R 2007, 325, 326 f. mit Anm. Roggenkamp; LG Hamburg vom 16.6.2010 – 325 O 448/09; a.A. OLG Jena vom 27.2.2008, MMR 408, 411 mit Anm. Schack; LG Hamburg vom 22.2.2006, MMR 2006, 697, 698 f.; LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2009, 47, 51 mit Anm. Kleinemenke; vgl. auch Heymann/Nolte, K&R 2009, 759, 761 f.; Leistner/Stang, CR 2008, 499, 504 ff.; Ott, ZUM 2009, 345, 346 f.
300
II. Rechte des Urhebers
eine Suchmaschine widerrufen wird, ohne dass Vorkehrungen gegen eine solche Auffindbarkeit getroffen werden, liegt in dem Widerruf allerdings eine Verwahrung, die unter dem Gesichtspunkt einer protestatio facto contraria unbeachtlich ist1. Eine Einwilligung in die Wiedergabe von „Thumbnails“ kommt nach 1245 Ansicht des BGH sogar in Betracht, wenn es um Suchtreffer, die von einem Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden sind. Es sei allgemein bekannt, dass Suchmaschinen nicht danach unterscheiden können, ob ein aufgefundenes Bild von einem Berechtigten oder einem Nichtberechtigten hochgeladen worden ist. Deshalb könne der Betreiber einer Suchmaschine eine Einwilligung in die Wiedergabe von Abbildungen nur dahin verstehen, dass sie sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen des Werkes oder der Fotografie erstreckt, die nicht vom Berechtigten oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt worden sind2. Die vom BGH befürwortete Legitimation eines „Thumbnails“ trotz feh- 1246 lender Berechtigung der Nutzung des Bildes ist nicht mehr als eine (weitreichende) Fernwirkung einer vom Berechtigten (in anderen Fällen) erteilten Einwilligung und kein Freifahrtschein für eine zügellose Verbreitung von Bildern im Netz. Wenn der Berechtigte niemandem gegenüber eine Zustimmung zur Verbreitung eines Bildes im Netz erteilt hat, besteht auch auf der Grundlage der großzügigen Rechtsauffassung des BGH ein Unterlassungsanspruch gegen den Suchmaschinenbetreiber. ee) Kopierschutz Um eine unentgeltliche oder doch jedenfalls unkontrollierte Vervielfälti- 1247 gung eines im Internet abrufbaren Werkes zu verhindern, kommt der Urheber bzw. Rechteinhaber schon aus praktischen Gründen nicht umhin, die entsprechende Internetseite mit Zugangshindernissen gegen einen unbefugten Zugang zu sichern. Durch die Zugangssicherung bringt der Berechtigte mit hinreichender Deutlichkeit seinen Willen zum Ausdruck, zu einer Rechtsübertragung gemäß § 31 UrhG nur bei Erfüllung der jeweils aufgestellten Bedingungen bereit zu sein3. Der Abruf einer derartig geschützten Seite unter Umgehung der Zugangshindernisse ist als rechtswidrige Verletzung des Vervielfältigungsrechts des Urhebers zu werten, gegen die der Inhaber der Urheberrechte nach den §§ 97 ff. UrhG vorgehen kann4.
1 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 921 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder I; vgl. auch LG Hamburg vom 12.4.2011 – 310 O 201/10, Rz. 10. 2 BGH vom 19.10.2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II, Rz. 28. 3 Vgl. BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408; Lapp, ITRB 2004, 114, 115. 4 Lippert, CR 2001, 478, 481; vgl. dazu Rz. 1361.
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F. Urheberrecht
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Durch technische Maßnahmen lassen sich elektronische Dokumente gegen eine Vervielfältigung schützen. Derartige Schutzvorkehrungen sind durch § 95a Abs. 1 UrhG gegen eine Umgehung geschützt. Das Umgehungsverbot erstreckt sich nach § 95a Abs. 3 UrhG auf die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, den Verkauf, die Vermietung, die Werbung und den gewerblichen Zwecken dienenden Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die der Umgehung von Schutzvorkehrungen dienen1. § 95b UrhG schränkt das Verbot zugunsten einiger nach den §§ 45 ff. UrhG privilegierter Nutzungen ein.
1249
§ 95a Abs. 3 UrhG ist ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB2, so dass eine schuldhafte Verletzung der Norm den Verletzer zum Schadensersatz verpflichtet. Auch Ansprüche aus den §§ 97 ff. UrhG können bestehen3.
1250
An der Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme fehlt es, wenn ein Nutzer bei bestehendem digitalem Kopierschutz eine analoge Kopie zieht4. Der Umstand, dass eine technische Schutzmaßnahme vorgenommen worden ist, macht nicht jede Umgehung oder Überwindung des Schutzes rechtswidrig. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine konkrete Art der Nutzung vorliegt, die der Berechtigte durch wirksame technische Maßnahmen unterbinden wollte5.
1251
Wenn eine Spielekonsole so programmiert ist, dass sie nur i.V.m. Originalspielen des Konsolenherstellers genutzt werden kann, liegt in der Programmierung eine technische Schutzmaßnahme, die die Voraussetzungen des § 95a Abs. 2 UrhG erfüllt. Wird die Programmierung „geknackt“, kann der Berechtigte hiergegen nach § 95a UrhG vorgehen6.
1252
Eine gemäß § 95a Abs. 3 UrhG verbotene Werbung liegt bei dem Angebot einer Brenner-Software im Rahmen einer Online-Auktion vor7. Der Begriff der Werbung umfasst jegliche Äußerung mit dem Ziel, den Absatz der verbotenen Umgehungsmittel zu fördern. Ein Handeln zu gewerb-
1 Klett, K&R 2004, 257, 259. 2 BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 3565, 3566 – Clone-CD; LG München I vom 14.10.2009, CR 2010, 76, 77. 3 Wandtke/Ost in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 95b Rz. 88 m.w.N.; Arnold, NJW 2008, 3545, 3546. 4 LG Frankfurt a.M. vom 31.5.2006, CR 2006, 816, 817 = MMR 2006, 766, 767 mit Anm. Arlt. 5 OLG Hamburg vom 20.2.2008, CR 2010, 125, 127. 6 LG München I vom 13.3.2008, MMR 2008, 839, 841; LG München I vom 14.10.2009, CR 2010, 76, 77, a.A. Schröder, MMR 2013, 80, 82. 7 LG Köln vom 23.11.2005, CR 2006, 702, 705. = MMR 2006, 412, 415 mit Anm. Lindhorst.
302
II. Rechte des Urhebers
lichen Zwecken ist nicht erforderlich, ein privates und einmaliges Verkaufsangebot genügt1. Das Herunterladen von Hackersoftware auf einen PC erfüllt den Tat- 1253 bestand des verbotenen Besitzes von Umgehungsmitteln nach § 95a Abs. 3 UrhG2. Seit etlichen Jahren sind Stream-Downloader3 im Internet als frei zugäng- 1254 liche und als kostenlose Software erhältlich. Es sind Programme, die es dem Nutzer ermöglichen, die Inhalte von Portalen wie YouTube oder MyVideo mit einem einfachen Klick herunterzuladen. Durch die StreamDownloader können die Nutzer die Videos (oder nach Wunsch nur deren Tonspur) dauerhaft auf ihrer Festplatte speichern. Die Stream-Downloader ermöglichen es zumeist, die gewünschten Vi- 1255 deos und Musiktitel in verschiedenen Formaten abzuspeichern, so dass der User gleich das richtige Format für seinen mp3-Player, Tablet oder Smartphone hat. Dies erhöht die Attraktivität der Software. Allein der Umstand, dass YouTube und andere Streaming-Plattformen 1256 das Herunterladen von Videos standardmäßig nicht ermöglichen, lässt noch nicht auf technische Schutzmaßnahmen i.S.d. § 95a UrhG schließen4. Allein die Bereitstellung als Stream ohne Download-Funktion ist als Schutzmaßnahme jedenfalls ungeeignet und wirkungslos, da jeder Nutzer ohne besondere Fähigkeiten die kurzzeitige Speicherung der gestreamten Videos durch eine einfache Kopie der Datenpakete dauerhaft auf seinem Rechner umgehen kann5. Sollten Streaming-Plattformen dazu übergehen, Verschlüsselungstech- 1257 niken zu entwickeln, die das Herunterladen von Videos und Musik gezielt erschweren, wird es in jedem Einzelfall darauf ankommen, ob es sich um Techniken handelt, die dem Durchschnittsnutzer die Möglichkeit des Downloads nehmen6. Ob es schon entsprechende Technologien gibt, die die Voraussetzungen des § 95a UrhG erfüllen, ist nicht bekannt. Dass es schon derzeit „kniffelig“ sein kann, einen Download vorzunehmen, reicht nicht aus, um von einer wirksamen technischen Schutzmaßnahme ausgehen zu können7. 1 BGH vom 14.10.2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD, Rz. 15; BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 3565, 3566 f. – Clone-CD; vgl. auch Arnold, NJW 2008, 3545 ff. 2 OLG Celle vom 27.1.2010, MMR 2010, 347, 348. 3 Vgl. Härting/Thiess, WRP 2012, 1068 ff.; Janisch/Lachenmann, MMR 2013, 213 ff.; Redlich, K&R 2012, 713 ff. 4 Vgl. auch Koch, GRUR 2010, 574, 578. 5 Härting/Thiess, WRP 2012, 1068, 1070; Janisch/Lachenmann, MMR 2013, 213, 214 f.; Redlich, K&R 2012, 713, 716 f. 6 Janisch/Lachenmann, MMR 2013, 213, 214 f. 7 A.A. LG München I vom 26.7.2012 – 7 O 10502/12, CR 2012, 56, 57 = K&R 2012, 835, 836.
303
F. Urheberrecht
c) Nutzung fremder Datenbankwerke 1258
Eine Verletzung des Urheberrechts an einem Datenbankwerk durch Vervielfältigung kann nur angenommen werden, wenn das beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffs enthält, die das Datenbankwerk als eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 4 UrhG ausweisen. Nur wenn die Kombination der übernommenen Elemente besondere Strukturen in deren Auslese und Anordnung aufweist und darin das Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes erkennen lässt, kann eine Beeinträchtigung des Urheberrechts an dem Datenbankwerk i.S.d. § 4 Abs. 2 UrhG angenommen werden.
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Wenn keine vollständige Übernahme vorliegt, kommt eine Urheberrechtsverletzung (§ 16 UrhG) nur in Betracht, wenn auch der entlehnte Teil den Schutzvoraussetzungen für ein Sammelwerk genügt. Dies ist bei einer Gedichttitelliste der Fall, wenn in einem Teilbereich älterer Gedichte knapp 98 % der Liste mit Gedichten übereinstimmen, die in der Gedichttitelliste aufgeführt sind, die nach § 4 Abs. 2 UrhG geschützt ist. Der übernommene Teil ist so weitgehend Ausdruck der individuellen Auswahlkonzeption des Urhebers, dass er einen gemäß § 4 Abs. 2 UrhG selbständig schutzfähigen Teil des Datenbankwerkes darstellt1. d) Nutzung fremder Datenbanken
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Datenbanken sind gegen eine vollständige oder teilweise Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe durch § 87b Abs. 1 UrhG geschützt. Dies gilt für die die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von wesentlichen Teilen einer Datenbank (§ 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG). Gleichgestellt ist die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von unwesentlichen Teilen, wenn diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen (§ 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG)2. aa) Schutz wesentlicher Teile einer Datenbank
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§ 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG schützt die Datenbank gegen eine vollständige Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe und gegen eine Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von wesentlichen Teilen einer Datenbank.
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Der Begriff der Vervielfältigung entspricht demjenigen der „Entnahme“ in Art. 7 Abs. 2 lit. a der EG-Datenbankrichtlinie. „Entnahme“ bedeutet 1 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 465, 467 f. – Gedichttitelliste I. 2 LG München I vom 18.9.2001, MMR 2002, 58, 59; LG Köln vom 2.5.2001, ZUM 2001, 714, 716.
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II. Rechte des Urhebers
danach die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts einer Datenbank auf einen anderen Datenträger, ungeachtet der dafür verwendeten Mittel und der Form der Entnahme. Erfasst ist jede unerlaubte Aneignung. Es ist unerheblich, ob die Übertragung durch ein (physisches) Kopieren oder auf andere Weise erfolgt. Die Entnahme oder Vervielfältigung muss nicht unmittelbar von der Ursprungsdatenbank aus erfolgen, sondern kann auch indirekt über eine andere unzulässige Quelle vorgenommen werden1. Maßgeblich für den Begriff des „Vervielfältigens“ ist, dass er sich auf jede 1263 Handlung bezieht, die darin besteht, sich ohne die Zustimmung der Person, die die Datenbank erstellt hat, die Ergebnisse ihrer Investition anzueignen oder sie öffentlich verfügbar zu machen und ihr damit die Einkünfte zu entziehen, die es ihr ermöglichen sollen, die Kosten dieser Investition zu amortisieren2. Nach der – weit auszulegenden – Begriffsbestimmung in Art. 7 Abs. 2 1264 lit. b Satz 1 EG-Datenbankrichtlinie bedeutet „Weiterverwendung“ jede Form öffentlicher Verbreitung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts der Datenbank durch die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, durch Vermietung, durch Online-Übermittlung oder durch andere Formen der Übermittlung3. Die öffentliche Wiedergabe i.S.d. § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG entspricht somit der öffentlichen Verbreitung durch Online-Übermittlung oder durch andere Formen der Übermittlung. Bei richtlinienkonformer Auslegung ist jedoch über die öffentliche Zugänglichmachung der Datenbank (§ 19a UrhG) hinaus auch das Überlassen einzelner Datensätze an einzelne Nutzer erfasst, wenn diese Nutzer in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden. Dies gilt jedenfalls für Datenbanken, deren typische Verwertung darin besteht, dass deren Nutzern nur die jeweils sie selbst betreffenden Datensätze zugänglich gemacht werden4. Auf die Übernahme der Anordnung der Daten in einer der Datenbank des 1265 Herstellers entsprechenden Gestaltung kommt es nicht an. Die andersartige Anordnung der entnommenen Daten durch den Verwender hat nicht zur Folge, dass diese ihre Eigenschaft als wesentlicher Teil der Datenbank verlieren5. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Verwender sich die Daten durch einen unmittelbaren Zugang zur Datenbank des 1 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 39; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 38. 2 Vgl. EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 248 – BHB-Pferdewetten; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 f. = K&R 2005, 515, 516 f. – Marktstudien; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. 3 Reinholz, K&R 2013, 171, 172; EuGH vom 18.10.2012 – C-173/11 – Football Dataco u.a./Sportradar, Rz. 20. 4 BGH vom 25.3.2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut, Rz. 35 ff. 5 Sendrowski, GRUR 2005, 369, 374; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 251 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 322 – Daten-
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F. Urheberrecht
Herstellers verschafft1. Unerheblich ist zudem, ob die Vervielfältigung „ständig“ oder „vorübergehend“ erfolgt (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a der EGDatenbankrichtlinie2). 1266
Ob ein „wesentlicher Teil“ einer Datenbank entnommen oder weiterverwendet wurde, ist – quantitativ – nach dem Verhältnis des Volumens der genutzten Daten zu dem gesamten Inhalt der Datenbank zu beurteilen3. Auch ein quantitativ geringer Teil kann zudem die Entnahme bzw. Weiterverwendung eines „wesentlichen Teils“ der Datenbank bedeuten, wenn es sich um einen Teil handelt, der – qualitativ – eine erhebliche menschliche, technische oder finanzielle Investition verkörpert4. bb) Schutz unwesentlicher Teile einer Datenbank
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Nach § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG ist der Datenbankhersteller gegen die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank geschützt, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen.
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§ 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG geht auf Art. 7 Abs. 5 der EG-Datenbankrichtlinie zurück und soll eine Umgehung des Verbots des § 87 Abs. 1 Satz 1 UrhG verhindern. Ziel der Vorschrift ist es, eine wiederholte und systematische Entnahme und/oder Weiterverwendung unwesentlicher Teile des Inhalts einer Datenbank zu verhindern, die durch ihre kumulative Wirkung die Investition des Datenbankherstellers schwerwiegend beeinträchtigen würde. Die Vorschrift verbietet folglich Entnahmehandlungen, die durch ihren wiederholten und systematischen Charakter darauf hinauslaufen würden, ohne Genehmigung der Person, die diese Datenbank
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bank-Entnahme; BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1270 – HIT BILANZ; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 – HIT BILANZ; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 39; vgl. EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 248 u. 250 – BHB-Pferdewetten. Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken; EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 321 – Datenbank-Entnahme. EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 322 f. – Datenbank-Entnnahme; BGH vom 25.3.2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut, Rz. 29; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 299; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 42; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528; OLG Köln vom 14.11.2008, K&R 2009, 52, 53; vgl. Hermann/Dehißelles, K&R 2009, 23. 24. EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 323 – Datenbank-Entnahme; BGH vom 25.3.2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut, Rz. 29; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 39; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 53; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 529.
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II. Rechte des Urhebers
erstellt hat, die Datenbank in ihrer Gesamtheit oder zumindest zu einem wesentlichen Teil wieder zu erstellen, sei es zur Erstellung einer anderen Datenbank oder zur Ausübung einer anderen Tätigkeit1. Mit „Handlungen …, die einer normalen Nutzung … (einer) Datenbank 1269 entgegenstehen oder die berechtigten Interessen des Herstellers der Datenbank unzumutbar beeinträchtigen“ sind letztlich Verhaltensweisen gemeint, die darauf gerichtet sind, durch die kumulative Wirkung von Entnahmehandlungen die Gesamtheit oder einen wesentlichen Teil des Inhalts der durch das Schutzrecht sui generis geschützten Datenbank wieder zu erstellen, und die dadurch die Investition des Datenbankherstellers schwerwiegend beeinträchtigen2. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne oder mehrere Nutzer einen in der 1270 Summe wesentlichen Teil der Datenbank der Antragstellerin entnehmen bzw. vervielfältigen3. Anderenfalls verbliebe § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG neben § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG kein eigenständiger Anwendungsbereich4. Die Wesentlichkeitsgrenze ist bei einer größeren Datenbank mit Bewer- 1271 tungen von Zahnärzten überschritten, wenn ein Konkurrent Zahnärzte dazu anstiftet, Bewertungen in die eigene Datenbank zu übertragen. Ein solches Verhalten ist darauf gerichtet, einen wesentlichen Teil der von Patienten vorgenommenen Bewertungen zu übernehmen, auch wenn die entsprechenden Bemühungen erst am Anfang stehen5. Wer – wie die meisten Zeitungsverlage – Verzeichnisse mit neuesten 1272 Nachrichten ins Netz stellt, wird nicht unzumutbar beeinträchtigt durch Suchmaschinen, die die Nachrichtenseiten durchforsten6. Ein solches Aufspüren von Nachrichten gehört zu dem Wesen jeder Suchmaschine und läuft dem Zweck der Nachrichtenseiten nicht zuwider7. Eine unzumutbare Beeinträchtigung berechtigter Interessen (§ 87b Abs. 1 1273 Satz 2 UrhG) wurde vielfach bejaht bei einem gezielten, regelmäßigen „automatischen Abziehen“ von Daten einer Datenbank8. Der Betreiber 1 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244 ff. – BHB-Pferdewetten; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 35; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 58. 2 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244 ff. – BHB-Pferdewetten; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 35; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 58. 3 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 35; Herrmann/Dehißelles, K&R 2009, 23, 25; a.A. OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. 4 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 35. 5 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II, Rz. 36. 6 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3410. 7 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 13.4.2000, MMR 2000, 488, 489; OLG Köln vom 27.10.2000, CR 2001, 708. 8 LG München I vom 18.9.2001, MMR 2002, 58, 59.
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eines Online-Kleinanzeigenmarktes brauchte es nach Auffassung des LG Berlin1 nicht hinzunehmen, wenn ein Konkurrent über seine Website den Abruf der Kleinanzeigen aus der eigenen Datenbank ermöglicht. Ebenso wenig war es dem Betreiber eines Wetterdienstes nach Ansicht des OLG Köln2 erlaubt, sich durch falsche Angaben bei der Anmeldung auf der Website eines Konkurrenten den Zugang zu Flugwetterinformationen zu erschleichen, um die Daten systematisch und in großem Umfang in das eigene elektronische System aufzunehmen. Ebay konnte vor dem LG Berlin3 aus § 87b Abs. 1 UrhG erfolgreich dagegen vorgehen, dass ein Unternehmen die Ebay-Angebotsdatenbank systematisch dazu nutzt, Kunden eine „Konkurrenzbeobachtungsanalyse“ anzubieten. Für eine nach § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG unzulässige Nutzung einer fremden Datenbank reichte es nach Auffassung des LG Köln4 bereits aus, dass fremde Internet-Verzeichnisse systematisch zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil durchforstet werden. 1274
Wenn ein Unternehmen Flugtickets im Wege des Screen Scraping vermittelt, liegt darin nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M.5 und des OLG Hamburg6 keine unzulässige Nutzung nach § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG. Die Nutzung von Datensätzen einzelner Flugverbindungen halten sich im Rahmen einer normalen Auswertung der Datenbank; die berechtigten Interessen der Flugunternehmen würden nicht unzumutbar beeinträchtigt. Im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Nutzung ein berechtigtes Bedürfnis der Verbraucher befriedige, kostengünstige Angebote aufzufinden, und den Flugunternehmen damit letztlich auch Kunden zuzuführen. Unter diesen Umständen könne dem Anliegen des klägerischen Flugunternehmens, seine Kunden ausschließlich über die Nutzung ihrer eigenen Internetseite zum etwaigen Vertragsschluss zu führen, kein höheres Gewicht beigemessen werden.
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Auf derselben Linie liegt es, wenn das OLG Hamburg eine unzumutbare Beeinträchtigung verneint beim Vertrieb einer Software, die es ermöglicht, in einem automatisierten Verfahren in sehr kurzen Zeitabständen Suchanfragen bei mehreren Internet-Automobilbörsen gleichzeitig durchzuführen und dem Nutzer Suchergebnisse anzeigt, ohne dass der Nutzer die Websites der Automobilbörsen aufsuchen muss7.
1 LG Berlin vom 18.10.1998, AfP 1998, 649. 2 OLG Köln vom 15.12.2006, CR 2007, 802, 804 f. = ITRB 2007, 205, 206 (Stadler). 3 LG Berlin vom 22.12.2005, CR 2006, 515 = ZUM 2006, 343 ff. 4 LG Köln vom 8.5.2002, MMR 2002, 689, 690. 5 OLG Frankfurt vom 5.3.2009, CR 2009, 390 f.; a.A. Kahler/Helbig, WRP 2012, 48, 53. 6 OLG Hamburg vom 24.10.2012 – 5 U 38/10 mit Anm. Schmid/Schulte-Braucks, ITRB 2013, 77 ff. 7 OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528 ff.
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Dass § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG eine eng auszulegende Ausnahmevor- 1276 schrift ist1, wird bisweilen übersehen. Gegen eine vorschnelle Bejahung eines rechtswidrigen Eingriffs beim „Abziehen von Daten“ spricht, dass das Schutzrecht des Datenbankherstellers nicht Handlungen umfasst, mit denen eine Datenbank abgefragt wird. Zwar kann sich der Datenbankhersteller ein ausschließliches Recht auf Zugang zu seiner Datenbank vorbehalten; er kann den Zugang zur Datenbank auf bestimmte Personen beschränken oder von besonderen Voraussetzungen – beispielsweise finanzieller Art – abhängig machen. Macht er deren Inhalt jedoch Dritten – und sei es gegen Entgelt – zugänglich, dann erlaubt sein Schutzrecht ihm nicht, sich den Abfragen dieser Datenbank durch Dritte zu Informationszwecken entgegenzustellen. Erst wenn für die Darstellung des Inhalts der Datenbank auf dem Bildschirm die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils dieses Inhalts auf einen anderen Datenträger erforderlich ist, kann die betreffende Abfrage von der Genehmigung des Inhabers des Schutzrechts abhängig gemacht werden2. Für den Datenbankhersteller bietet § 87b Abs. 1 UrhG im Ergebnis – 1277 auch für das „Screen Scraping“3 – keine Handhabe, gegen eine ungewollte Nutzung der Datenbank durch Konkurrenten vorzugehen, wenn die Datenbank frei nutzbar und online abrufbar ist. Dies führt zu der Notwendigkeit, auf technischem Weg oder über Registrierungsverfahren und Nutzungsbedingungen Beschränkungen zu formulieren, um ein „Schmarotzen“ zu unterbinden4. cc) Inhaltliche Übernahme von Daten Lange Zeit war unklar, ob auch die in der Datenbank befindlichen Daten 1278 durch die §§ 87a ff. UrhG geschützt sind und eine ausschließlich inhaltliche Übernahme einer Datenbank die Voraussetzungen des § 87b UrhG erfüllen kann5. Nachdem der BGH diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte6, hat sich der EuGH dafür ausgesprochen, den Begriff der „Entnahme“ weit auszulegen und es genügen zu lassen, dass Daten aus einer Datenbank in eine andere Datenbank – „manuell“ über1 Vgl. OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528 ff. 2 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244 ff. – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.10.2008, GRUR 2008, 1077 ff. – Directmedia Publishing; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse, Rz. 64. 3 A.A. Kahler/Helbig, WRP 2012, 48, 53. 4 Vgl. Fusbahn, IPRB 2012, 114, 117; Jung, K&R 2011, 710, 711. 5 Vgl. Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 87b Rz. 12; Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 87b Rz. 41 ff.; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 87b Rz. 9; Loewenheim in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 43 Rz. 18; von Lewinski in Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, Art. 7 Datenbank-RL Rz. 19; Gaster in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.6 Rz. 134 f. 6 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 468 ff. – Gedichttitelliste II.
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nommen werden, ohne dass es zu einem elektronischen Vervielfältigungsvorgang („copy and paste“) kommt1. Dies überzeugt jedenfalls insoweit, als anderenfalls die Fälle des „Abtippens“ und des „Copy and Paste“ unterschiedlich zu behandeln wären, obwohl vielfach kaum zu klären sein wird, wie die „Entnahme“ von Datenbankteilen tatsächlich erfolgt ist2. 1279
In dem BGH-Fall ging es um das Projekt „Klassikerwortschatz“ der Universität Freiburg, das zur Veröffentlichung der „Freiburger Anthologie“ geführt hatte, einer Sammlung von Gedichten aus der Zeit zwischen 1720 und 1933. Als Grundlage der Anthologie hatte ein Freiburger Professor eine Liste von Gedichttiteln erarbeitet, die unter der Überschrift „Die 1100 wichtigsten Gedichte der deutschen Literatur zwischen 1730 und 1900“ im Internet veröffentlicht worden war3.
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Die Beklagte vertrieb eine CD-ROM „1000 Gedichte, die jeder haben muss“, die im Jahr 2002 erschien. Von den Gedichten auf der CD-ROM stammten 876 aus der Zeit zwischen 1720 und 1900; hiervon waren 856 (knapp 98 %) auch in der Gedichttitelliste des Projekts „Klassikerwortschatz“ benannt. Bei der Zusammenstellung der Gedichte für ihre CDROM hatte sich die Beklagte an dieser Liste orientiert. Sie hatte einige der dort angeführten Gedichte weggelassen, einige wenige hinzugefügt und im Übrigen die von dem Freiburger Professor getroffene Auswahl jeweils kritisch überprüft. Die Gedichttexte selbst hatte die Beklagte eigenem digitalem Material entnommen4.
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Nachdem der EuGH entschieden hatte, dass eine derartige „manuelle“ Übernahme als Entnahme gemäß Art. 7 der EG-Datenbankrichtlinie und damit als Vervielfältigung i.S.d § 87b Abs. 1 UrhG anzusehen sein kann, blieb dem BGH zu prüfen, ob die Beklagte einen in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teil des Inhalts der geschützten Datenbank übernommen hatte. Der BGH bejahte dies und verwies darauf, dass die besondere Leistung, die sich in der „Freiburger Anthologie“ verkörperte, in der nach einem objektiven Verfahren vorgenommenen Auswahl einer bestimmten Zahl von Gedichten aus einem deutlich größeren Gesamtbestand lag. Hierzu sei es erforderlich gewesen, die Titel der einzelnen Gedichte zu vereinheitlichen und das Entstehungsdatum zu ermitteln. Die Beklagte habe mit ihrer Auswahl von Gedichten einen sehr großen Teil der Titelauswahl fast unverändert übernommen und damit den Tatbestand des § 87b Abs. 1 UrhG erfüllt5. 1 EuGH vom 9.10.2008, CR 2009, 4 ff. mit Anm. Milbradt/Hülsewig; vgl. Herrmann/Dehißelles, K&R 2009, 23, 24. 2 Milbradt/Hülsewig, CR 2009, 7, 8; vgl. LG Köln vom 6.2.2008, MMR 2008, 418 ff. 3 BGH vom 13.8.2009, NJW 2010, 778 f. – Gedichttitelliste III. 4 BGH vom 13.8.2009, NJW 2010, 778 f. – Gedichttitelliste III. 5 BGH vom 13.8.2009, NJW 2010, 778, 779 – Gedichttitelliste III.
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4. Nutzungsrechte Wer urheberrechtlich geschützte Werke nutzen möchte, bedarf hierzu ei- 1282 nes Nutzungsrechts, das ihm der Urheber gemäß den §§ 31 ff. UrhG einräumen kann. Übertragbar sind nur Nutzungsrechte, nicht jedoch das Urheber(persönlichkeits)recht selbst (§ 29 Abs. 1 UrhG)1. a) Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG besteht die Möglichkeit, ein urheber- 1283 rechtliches Nutzungsrecht als einfaches oder als ausschließliches Recht einzuräumen. Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber gemäß § 31 Abs. 2 UrhG, das Werk neben dem Urheber und anderen Berechtigten zu nutzen2. Dagegen ermöglicht das ausschließliche Nutzungsrecht dem Vertragspartner, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen einschließlich des Urhebers zu nutzen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 UrhG)3. Die Reichweite einer Rechtseinräumung ist vertraglich frei bestimmbar. Nutzungsrechte können beliebigen räumlichen, zeitlichen oder inhaltlichen Beschränkungen unterworfen werden (§ 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG)4. Die Befugnis des Urhebers zur Lizenzvergabe nach § 31 Abs. 1 UrhG be- 1284 schränkt sich auf Nutzungen, die nach der Verkehrsauffassung hinreichend klar abgrenzbar und wirtschaftlich-technisch als einheitliche und selbständig erscheinende Nutzungsarten anzusehen sind. Daher ist eine Aufspaltung von Online-Nutzungsrechten in Vervielfältigungsrechte nach § 16 UrhG und das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG unzulässig. Die öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG ist ohne Vervielfältigungsvorgänge wirtschaftlich-technisch nicht realisierbar.5. Eine unzulässige Aufspaltung liegt auch vor, wenn ein Recht zur „Verwertung von Musikaufnahmen in dezentralen Computernetzwerken“ neben dem Recht auf öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG kreiert wird6. Wird vertraglich vereinbart, dass ein 20-sekündiger Musikjingle für einen 1285 Fernseh-Werbespot benutzt werden darf, umfasst dies nach Auffassung des LG Köln7 nicht die Ausstrahlung des Spots im Internet. Die Nutzung des Internet als Informations- und Unterhaltungsmedium stehe neben 1 Schricker/Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 29 Rz. 4; Block in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 29 Rz. 1 f. 2 Vgl. Schricker in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 31 Rz. 15; Wandtke/ Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rz. 28. 3 Vgl. Schricker in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 31 Rz. 11; Wandtke/ Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rz. 27. 4 Vgl. Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rz. 4 ff. 5 LG München I vom 25.6.2009, K&R 2009, 658, 659 f. mit Anm. von Albrecht; vgl. auch Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 12 f.; a.A. Jani, ZUM 2009, 722 ff. 6 Jänich/Eichelberger, MMR 2008, 576 ff. 7 LG Köln vom 14.7.2010 – 28 O 128/08, Rz. 39.
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und in Konkurrenz zum Angebot der Fernsehsender. Daher handele es sich um eine selbständige und von der Fernseh-Auswertung abspaltbare Nutzungsart. Ob eine solche Aufspaltung angesichts der zunehmenden Konvergenz von Fernsehen und Internet in Zukunft noch vertretbar sein wird, bleibt abzuwarten. b) Internetnutzung als Werkart 1286
Die Einspeisung eines Werkes in das Internet ist immer noch eine vergleichsweise neue Art der Werknutzung. Daher stellt sich gelegentlich wieder die Frage, ob „alte“ Nutzungsrechte, die der Urheber beispielsweise einem Verlag eingeräumt hat, auch die Befugnis umfassen, das Werk in das Internet einzuspeisen.
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Der durch den „Zweiten Korb“1 Anfang 2008 abgeschaffte § 31 Abs. 4 UrhG regelte den Fall, dass nach der vertraglichen Einräumung von Nutzungsrechten neue Nutzungsarten bekannt werden. Für derartige neue Nutzungsarten galt die Rechseinräumung nicht, da die Einräumung von Nutzungsrechten für bei Vertragsschluss noch nicht bekannte Nutzungsarten unwirksam war. aa) Neuregelung durch § 31a UrhG
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An die Stelle des früheren § 31 Abs. 4 UrhG ist § 31a UrhG getreten. Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG ist ein Vertrag über die Einräumung von Rechten für unbekannte Nutzungsarten zwar wirksam, bedarf jedoch der Schriftform, sofern der Urheber nicht unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumt2.
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Die Rechtseinräumung nach § 31a Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG ist widerruflich. Allerdings erlischt das Widerrufsrecht nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Vertragspartner an den Urheber eine Mitteilung über die beabsichtigte Aufnahme der neuen Art der Werknutzung unter der ihm zuletzt bekannten Anschrift abgesendet hat (§ 31a Abs. 1 Satz 3 UrhG). Ferner erlischt das Widerrufsrecht, wenn sich die Parteien nach Bekanntwerden der neuen Nutzungsart auf eine Vergütung nach § 32c Abs. 1 UrhG geeinigt haben (§ 31a Abs. 2 UrhG)3.
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Nach § 32c Abs. 1 Satz 1 UrhG hat der Urheber einen Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung, wenn der Vertragspartner eine neue Art der Werknutzung nach § 31a UrhG aufnimmt4. Der Vertragspartner hat den Urheber über die Aufnahme der neuen Art der Werknutzung un1 Vgl. Klett, K&R 2008, 1 ff.; Sprang/Ackermann, K&R 2008, 7 ff. 2 Vgl. Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31a Rz. 55 f.; Klöhn, K&R 2008, 77, 78. 3 Vgl. Klöhn, K&R 2008, 77, 78. 4 Vgl. Verweyen, ZUM 2008, 217 ff.
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II. Rechte des Urhebers
verzüglich zu unterrichten (§ 32c Abs. 1 Satz 3 UrhG). Sofern es an einer Vergütungsregel (§ 36 UrhG) fehlt, ist die Vergütung angemessen, die dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicherund redlicherweise zu leisten ist (§ 32c Abs. 1 Satz 2 UrhG i.V.m. § 32 Abs. 2 UrhG)1. Die Vergütung kann demnach auch sehr gering sein, wenn sich mit der neuen Nutzungsart zum Zeitpunkt der Aufnahme keine wesentlichen Einnahmen erzielen lassen2. Das strenge Verbot der Einräumung von Nutzungsrechten für unbekann- 1291 te Nutzungsarten (§ 31 Abs. 4 UrhG a.F.) galt als nicht mehr zeitgemäß3. Die Neuregelung durch § 31a UrhG bleibt indes urheberfreundlich, da sie zwar eine extensive Lizenzierung erlaubt („für alle bekannten und unbekannten Nutzungsarten“), aber dem Urheber durch das Widerrufsrecht die Möglichkeit gibt, an Erlösen zu partizipieren, die der Lizenznehmer durch neue Nutzungsarten erzielt4. bb) Übergangsregelung für Altverträge (§ 137l UrhG) Eine Übergangsregelung findet sich in § 137l Abs. 1 UrhG. Hat der Urhe- 1292 ber zwischen dem 1. Januar 1966 und dem 1. Januar 2008 einem anderen alle wesentlichen Nutzungsrechte ausschließlich sowie räumlich und zeitlich unbegrenzt eingeräumt, gelten nach der Übergangsnorm des § 137l Abs. 1 Satz 1 UrhG die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannten Nutzungsrechte als dem anderen ebenfalls eingeräumt, sofern der Urheber nicht der Nutzung widerspricht5. § 137l Abs. 1 UrhG dient der „Hebung der Archivschätze“6. Daher reicht 1293 ein einfaches Nutzungsrecht aus. Ein ausschließliches Nutzungsrecht lässt sich aus § 137l Abs. 1 UrhG nicht ableiten7. cc) Begriff der Nutzungsart Unter einer Nutzungsart ist jede nach der Verkehrsauffassung hinrei- 1294 chend klar abgegrenzte wirtschaftlich-technische Verwendungsform zu
1 Vgl. Paul in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.4 Rz. 70. 2 Klöhn, K&R 2008, 77, 78. 3 Klett, K&R 2008, 1, 1; Spindler, NJW 2008, 9, 9; Sprang/Ackermann, K&R 2008, 7, 9. 4 Klett, K&R 2008, 1, 2; Klöhn, K&R 2008, 77, 79. 5 Vgl. Czernik, GRUR 2009, 913 ff.; Schippan, ZUM 2008, 844, 846 ff. 6 Vgl. Klöhn, K&R 2008, 77, 81; Schmidt-Hern, ZUM 2008, 927, 927; Spindler, NJW 2008, 9, 10. 7 Klöhn, K&R 2008, 77, 83; Spindler, NJW 2008, 9, 10; a.A. Schmidt-Hern, ZUM 2008, 927 ff.
313
F. Urheberrecht
verstehen1. Die Einstufung der Internetnutzung als neue Nutzungsart hängt demnach entscheidend davon ab, ob nur eine neue technische Möglichkeit der Übertragung derselben Inhalte unter Beibehaltung der bekannten Nutzungsmöglichkeiten vorliegt oder ob eine quantitative Erweiterung oder qualitative Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten spürbar ist2. Sowohl aus Sicht des Endverbrauchers als auch aus Sicht des Urhebers war die Internetnutzung eine gänzlich neuartige Nutzungsart, für die es keinen Vorläufer gab. Daher ist die Verbreitung per Internet als eigenständige Nutzungsart i.S.d. § 31a UrhG anzusehen3. Sie ist nicht identisch mit einer (terrestrischen) Verbreitung per Fernsehen (vgl. § 20 UrhG)4. dd) Bekanntheit der Internetnutzung 1295
Für die Bestimmung des Zeitpunktes der Bekanntheit einer Nutzungsart gemäß § 31a UrhG kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Nutzungsart an. Der unter Umständen erheblich frühere Zeitpunkt des Vorhandenseins der technischen Voraussetzungen für eine solche Nutzung ist demgegenüber ohne Belang5. Daher kann eine Auslegung umfassender (alter) Lizenzklauseln gemäß § 31a UrhG nur dann zu dem Ergebnis führen, dass die Verbreitung über das Internet erfasst ist, wenn der betreffende Vertrag aus einer Zeit stammt, zu der das Internet bereits wirtschaftliche Bedeutung erlangt hatte. Dies ist seit ca. 1995 der Fall, so dass vor 1995 eine wirksame Übertragung von Nutzungsrechten für das Internet regelmäßig nicht erfolgen konnte6. Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg7 waren die Möglichkeiten einer privaten oder geschäftlichen
1 BGH vom 5.6.1985, BGHZ 95, 274, 283; BGH vom 8.11.1989, GRUR 1990, 669, 671; BGH vom 12.12.1991, GRUR 1992, 310, 311; BGH vom 4.7.1996, NJW 1997, 320, 322; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31 Rz. 10; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rz. 260. 2 Vgl. J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31 Rz. 10; LG München I vom 6.5.2009, ZUM 2009, 681, 685. 3 OLG Hamburg vom 11.5.2000, NJW-RR 2001, 123; LG Berlin vom 14.10.1999, K&R 2000, 249; LG München I vom 10.3.1999, CR 2000, 467; KG vom 24.7.2001, MMR 2002, 58; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31a Rz. 35; Haedicke, JURA 2000, 449, 452; Hoeren, CR 1995, 710, 713; Zahrt, K&R 2001, 65, 71. 4 Vgl. EuGH vom 7.3.2013 – C-607/11, Rz. 38 f. 5 BGH vom 11.10.1990, BGHZ 386, 10; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31a Rz. 24 f.; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rz. 269; Frohne, ZUM 2000, 810, 813; Reber, GRUR 1998, 792, 798. 6 Vgl. Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rz. 269; Strömer, OnlineRecht, S. 260; Frohne, ZUM 2000, 810, 813; Hoeren, CR 1995, 710, 714; Schwarz, ZUM 1997, 94, 95; OLG Hamburg vom 11.5.2000, NJW-RR 2001, 123; LG Berlin vom 14.10.1999, K&R 2000, 249; vgl. LG München I vom 13.9.2006, GRUR-RR 2007, 187, 189 = MMR 2007, 272; vgl. LG München I vom 10.3.1999, CR 2000, 467, 468. 7 Vgl. OLG Hamburg vom 24.2.2005, K&R 2006, 46, 47.
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II. Rechte des Urhebers
Nutzung des Internet im Jahre 1993 noch nicht in das Bewusstsein breiterer Bevölkerungsteile getreten. Für Altverträge vor 1995 gilt demnach, dass das Recht des Urhebers zur 1296 Internetnutzung des Werkes nicht (mit)übertragen werden konnte1 und somit Nutzungsrechte erst mit Inkrafttreten des § 137l Abs. 1 UrhG am 1. Januar 2008 entstehen konnten2. c) Zweckübertragungsgrundsatz Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht 1297 einzeln bezeichnet worden, so bestimmen sich die Nutzungsarten, auf die sich das Nutzungsrecht erstreckt, nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck (§ 31 Abs. 5 UrhG). Um Unsicherheiten auszuräumen, die sich aus der Anwendung des Zweckübertragungsgrundsatzes ergeben, empfiehlt sich eine klare vertragliche Definition der Nutzungsarten in der Lizenz3. Der Vertragszweck ist nicht einseitig nach den Vorstellungen des Erwer- 1298 bers, sondern im Wege der Auslegung unter objektiver Gesamtwürdigung aller Umstände nach Treu und Glauben unter Beachtung der Verkehrssitte zu ermitteln. Für die Ermittlung des Vertragszwecks ist entscheidend, was üblicherweise nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte zum Inhalt derartiger Verträge gemacht wird bzw. was branchenüblich ist. Maßgeblich ist dabei die Überlegung, dass der Berechtigte dem Nutzer im Zweifel keine weitergehenden Rechte einzuräumen bereit ist, als dies zur Verwirklichung des von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzten Vertragszwecks erforderlich ist4. Ist einem Autor die ständige Praxis des Verlages bekannt, Zeitungsbeiträ- 1299 ge auch auf einer bestimmten Website zu veröffentlichen, spricht dies dafür, dass eine solche Nutzung von der Rechtseinräumung erfasst ist. Dies gilt auch für die Einstellung der Beiträge in ein Online-Archiv5. Seitdem Online-Medien über (faktisch) unbegrenzten Speicherplatz verfügen, ist es üblich geworden, Beiträge nicht mehr zu löschen, wenn sie nicht mehr aktuell sind. Die unbegrenzte Archivierung ist üblich, und die Grenzen zwischen „Aktualität“ und Archivierung werden zunehmend fließend.
1 Endter, NJW 1996, 975, 976; Hoeren, CR 1995, 710, 713; Sasse/Waldhausen, ZUM 2000, 837, 841; Schulze, ZUM 2000, 432, 444. 2 Vgl. Schippan, ZUM 2008, 844, 847. 3 Vgl. Grützmacher in Lehmann/Meents, Kap. 18 Rz. 78; Klöhn, K&R 2008, 77, 79 f. 4 LG Köln vom 14.7.2010 – 28 O 128/08, Rz. 37. 5 A.A. OLG Brandenburg vom 28.8.2012 – 6 U 78/11, Rz. 67, ITRB 2012, 246f (Rössel).
315
F. Urheberrecht
1300
Außerhalb des Vertragszwecks liegt es, wenn gedruckte Fachaufsätze auf etlichen Websites in gekürzter Form zum Download angeboten werden. Dies ist nicht von § 31 Abs. 5 UrhG gedeckt1.
1301
Wenn ein Fotostudio im Auftrag eines Kunden Portraitfotos fertigt und dem Kunden diese Fotos nebst einer CD mit den Bilddateien übergibt, ist damit nach § 31 Abs. 5 UrhG noch nicht die Einräumung eines Rechts zur Veröffentlichung der Fotos im Internet verbunden2.
1302
Der Vertragszweck des für eine Unfallgeschädigte zur Vorlage bei der geschädigten Versicherung erstellten Kfz-Sachverständigengutachtens umfasst ohne ausdrückliche Einwilligung nicht die Befugnis der Versicherung, die in Papierform übergebenen Lichtbilder des Fahrzeugs zu digitalisieren und ins Internet in eine Restwertbörse einzustellen3. Entsprechendes gilt, wenn ein Wertermittlungsgutachten, das für ein gerichtliches Verfahren zur Zwangsversteigerung einer Wohnung erstellt wurde, in einem Internetportal veröffentlicht werden soll4. 5. Bearbeitung und freie Benutzung
1303
Nach § 23 Satz 1 UrhG dürfen Bearbeitungen und andere Umgestaltungen eines Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht oder verwendet werden. Werden daher Texte, Musik oder andere urheberrechtlich geschützte Werke in geänderter Form ins Netz gestellt, bedarf dies der vorherigen Zustimmung des Urhebers.
1304
Die bloße Digitalisierung eines Textes stellt keine Bearbeitung, sondern eine Vervielfältigung dar, da es an einer inhaltlichen Veränderung des (Sprach-)Werkes fehlt5. Anders zu beurteilen kann die Umformatierung von Bild- oder Musikdateien sein, bei der es stets auch zu – wenn auch geringfügigen – inhaltlichen Änderungen kommt.
1305
§ 23 UrhG schützt den Urheber nur gegen die Verwertung einer Bearbeitung, nicht jedoch gegen die Bearbeitung selbst, die jedermann erlaubt ist6. Einen Schutz gegen die Bearbeitung gibt es nur bei Software (§ 69c Nr. 2 UrhG). 1 LG Hamburg vom 12.2.2010 – 308 O 619/08. 2 LG Köln vom 20.12.2006, MMR 2007, 465 f. mit Anm. Nennen. 3 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 927 ff.; OLG Hamburg vom 2.4.2008, GRURRR 2008, 378 ff. 4 LG Hamburg vom 15.5.2008, ZUM-RD 2010, 80 ff. 5 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 132; Völker in Ensthaler/Weidert, Handbuch Urheberrecht und Internet, S. 172; Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 16 Rz. 2; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 23 Rz. 7; Schulze, ZUM 2000, 432, 439. 6 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 23 Rz. 1; a.A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, §§ 23 Rz. 2.
316
II. Rechte des Urhebers
Im Gegensatz zur Verwertung einer Bearbeitung bedarf die Verwertung 1306 eines selbständigen Werkes, das in freier Benutzung des Werkes geschaffen worden ist, keiner Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes (§ 24 Abs. 1 UrhG)1. Voraussetzung für eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG ist ein eigenes Werkschaffen durch den Nutzer, wobei es für die Abgrenzung zwischen freier Benutzung nach § 24 UrhG und unfreier Bearbeitung nach § 23 UrhG entscheidend darauf ankommt, ob angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werkes verblassen2. Auf die Abgrenzung zwischen § 23 UrhG und § 24 UrhG kommt es an, 1307 wenn im Internet kurze Zusammenfassungen (Abstracts) von Beiträgen aus Printmedien veröffentlicht werden. Für eine freie Benutzung des Originals gemäß § 24 Abs. 1 UrhG spricht es, wenn die Originalbeiträge in den Abstracts stark komprimiert werden und der Gedankengang des Originals modifiziert wird. Dass Passagen des Originals wörtlich übernommen werden, schließt eine freie Benutzung nicht aus, wenn sich die wörtlichen Übernahmen auf einzelne Worte oder Wortfolgen von wenigen Begriffen beschränken und wenn die Übernahmen teilweise auf Grund ihres deskriptiven Charakters kaum vermeidbar waren und der Abstract-Verfasser von einem – durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten – Bestreben nach möglichst hoher inhaltlicher Authentizität seines Artikels geleitet wird3. Genießt ein Schriftwerk allein auf Grund seiner sprachlichen Gestaltung 1308 Urheberrechtsschutz, so stellt eine inhaltliche Zusammenfassung grundsätzlich eine urheberrechtlich unbedenkliche freie Benutzung dieses Schriftwerks i.S.d. § 24 Abs. 1 UrhG dar. Enthält eine solche Zusammenfassung auch Formulierungen, auf denen die schöpferische Eigenart des Schriftwerks beruht, ist zu prüfen, ob eine abhängige Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt. Für diese Prüfung kommt es darauf an, ob die Zusammenfassung trotz dieser Übereinstimmungen in der Gesamtschau einen so großen äußeren Abstand zum Schriftwerk einhält, dass sie als ein selbständiges neues Werk anzusehen ist4. Dass sich der Leser eines „Abstracts“ möglicherweise die Lektüre der 1309 dort besprochenen Werke sparen wird, ist unerheblich5. Für die Beurteilung, ob eine abhängige Bearbeitung vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das neue Werk dazu geeignet oder bestimmt ist, das ältere Werk zu er1 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007, NJW 2008, 770, 771. 2 BGH vom 11.3.1993, GRUR 1994, 191, 193 – Asterix-Persiflagen; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 12/08 – Perlentaucher, Rz. 33; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 13/08 – Notiz zur SZ, Rz. 33; OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007, NJW 2008, 770, 771; OLG Hamburg vom 17.10.2012 – 5 U 166/11, Rz. 22. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007, NJW 2008, 770, 771 f. 4 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 12/08 – Perlentaucher, Rz. 37; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 13/08 – Notiz zur SZ, Rz. 37. 5 A.A. Sajuntz, NJW 2011, 729, 730.
317
F. Urheberrecht
setzen. Dieses Kriterium besagt nichts über die schöpferische Selbständigkeit des neuen Werkes gegenüber dem älteren Werk, die nach der gesetzlichen Regelung für die Abgrenzung zwischen abhängiger Bearbeitung und freier Benutzung allein maßgeblich ist1. 6. Linking, Framing, Embedded Content 1310
Die urheberrechtliche Relevanz des Linking und Framing war lange streitig. Vielfach wurde vertreten, das Setzen eines Hyperlinks zumindest in Form eines Deeplinks auf urheberrechtlich geschützte Websites stelle eine urheberrechtliche Nutzungshandlung dar2. Erst recht sei dies bei der Verwendung von Frames der Fall3.
1311
In der Paperboy-Entscheidung hat der BGH mit überzeugender Begründung den Gegenstandpunkt vertreten und für Deeplinks eine urheberrechtliche Nutzungshandlung verneint4. Die bloße Linksetzung lässt sich weder als öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG noch gemäß § 16 UrhG als Vervielfältigung eines Werkes ansehen. Hyperlinks auf urheberrechtlich geschützte Seiten erleichtern zwar den Zugriff auf das Werk und damit dessen Vervielfältigung. Es handelt sich dabei jedoch lediglich um einen Verweis auf die Seiten, ohne dass der Linksetzende selbst das Werk öffentlich zugänglich macht (§ 19a UrhG) oder vervielfältigt (§ 16 UrhG)5.
1312
In seiner Session-ID-Entscheidung hat der BGH einen anderen Standpunkt vertreten für den Fall, dass durch einen Link technische Zugriffssperren umgangen werden, die den Zugang zu dem geschützten Werk erschweren. Bediene sich der Rechteinhaber derartiger Schutzmaßnahmen, um den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greife das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahmen einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein6.
1313
Für das Framing kann nichts anderes gelten als für die Linksetzung. Das Framing erleichtert den Zugriff auf ein Werk, das bereits öffentlich zugänglich ist (§ 19a UrhG). Zugleich trägt das Framing zu Vervielfältigungshandlungen Dritter bei, ohne selbst eine Vervielfältigung zu bein1 BGH vom 1.12.2010 – I ZR 12/08 – Perlentaucher, Rz. 45; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 13/08 – Notiz zur SZ, Rz. 50. 2 Bechtold, ZUM 1997, 427, 433; Schack, MMR 2001, 9, 14; Völker/Lührig, K&R 2000, 20, 26; LG Köln vom 2.5.2001, ZUM 2001, 714, 716. 3 Ernst, K&R 1998, 536, 539; Kochinke/Tröndle, CR 1999, 190, 193; OLG Hamburg vom 22.2.2001, CR 2001, 704. 4 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406 ff. = BGH-R 2003, 1294 ff. mit Anm. Elßner; vgl. Heydn, NJW 2004, 1361; Plaß, WRP 2001, 195, 202. 5 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3409. 6 BGH vom 29.4.2010 – I ZR 39/08 – Session-ID, Rz. 27.
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III. Schranken des Urheberrechts
halten. Wettbewerbsrechtlich sind dem Framing zwar Grenzen gesetzt; urheberrechtlich ist das Framing jedoch ebenso wenig relevant wie die Verwendung von Links1. Dies gilt jedenfalls, wenn es an Zugriffssperren2 auf die per Frame eingebundenen Seiten fehlt. Embedded Content (z.B. die Einbeziehung von YouTube-Videos auf die ei- 1314 gene Website) ist nach Auffassung des OLG Düsseldorf3 anders zu beurteilen. Embedded Content unterscheide sich von Links dadurch, dass (urheberrechtlich geschützte) Inhalte zum unmittelbaren Abruf bereit gehalten werden. Die Einbettung fremder Inhalte bedürfe daher der Zustimmung des Berechtigten.
III. Schranken des Urheberrechts Die §§ 44a ff. UrhG setzen den Rechten des Urhebers Schranken, die 1315 auch für die Internetnutzung gelten. 1. Berichterstattung über Tagesereignisse Nach § 50 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche 1316 Wiedergabe von Werken, die im Verlauf von Tagesereignissen wahrnehmbar werden, zulässig im Rahmen der Berichterstattung über ein solches Ereignis. Dies legitimiert beispielsweise die Verbreitung von Fotos eines Kunstwerks, wenn über die Eröffnung einer Ausstellung berichtet wird4. Die Schrankenregelung des § 50 UrhG dient der Meinungs- und Presse- 1317 freiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmungen noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber jedoch möglich und zumutbar, vor dem Abdruck oder der Sendung des Berichts die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen. Der Betreiber eines elektronischen Pro1 Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rz. 20; Ott, WRP 2008, 393, 410; Sosnitza, CR 2001, 693, 700; OLG Köln vom 14.9.2012 – 6 U 73/12, Rz. 8; a.A. KG vom 21.3.2012 – 24 U 130/10, Rz. 24; LG München I vom 10.1.2007, CR 2007, 810, 811 = MMR 2007, 260, 261 f. mit Anm. Ott. 2 Vgl. BGH vom 29.4.2010 – I ZR 39/08 – Session-ID. 3 OLG Düsseldorf vom 8.11.2011 – I-20 U 42/11, Rz. 23 f. 4 Vgl. AG München vom 13.8.2010 – 161 C 7783/10, Rz. 10.
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F. Urheberrecht
grammführers darf daher Text- und Bildbeiträge zu Fernsehsendungen nicht ohne Zustimmung der Fernesehsender vervielfältigen und im Internet verbreiten1. 1318
Unter einem Tagesereignis ist jedes aktuelle Geschehen zu verstehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, wobei ein Geschehen so lange aktuell ist, wie ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird. Nach Auffassung des BGH rechtfertigt § 50 UrhG nicht die dauerhafte Veröffentlichung von Fotos einer Kunstausstellung in einem Online-Archiv2.
1319
Der BGH verfolgt somit im Urheberrecht eine Linie, die in einem problematischen Spannungsverhältnis steht zu seiner Ansicht, dass sich aus dem Persönlichkeitsrecht grundsätzlich keine Löschungsansprüche gegenüber archivierten Beiträgen ableiten lassen3. Es sei dem Betreiber eines Online-Archivs zumutbar, sein Online-Archiv so zu gestalten, dass Abbildungen nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne – möglicherweise automatisch – gelöscht werden. Zudem könne der Betreiber jeglichen Überprüfungsaufwand dadurch vermeiden, dass er die Berichte von vornherein ohne Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke ins Online-Archiv übernimmt. Dafür, dass er die Abbildungen längere Zeit in seinem Online-Archiv zugänglich macht, könne er sich darüber hinaus die entsprechenden Nutzungsrechte einräumen lassen gegen Zahlung einer angemessenen Nutzungsvergütung4. 2. Zitatrecht
1320
Die Mischung fremder und eigener Inhalte ist ein typisches Merkmal der Kommunikation im Multimedia-Zeitalter. Werden dabei Auszüge urheberrechtlich geschützter Werke übernommen, stellt sich die Frage, ob sich der Übernehmende auf das Zitatrecht gemäß § 51 UrhG berufen kann.
1321
Das Zitatrecht eröffnet die erlaubnisfreie Möglichkeit, veröffentlichte Werke5 in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufzunehmen (§ 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG) und Stellen eines veröffentlichten Werkes (Kleinzitate) in ein selbständiges Sprachwerk einzustellen (§ 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG) sowie einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in ein selbständiges Musikwerk einzubinden (§ 51 Satz 2 Nr. 3 UrhG)6. 1 BGH vom 27.3.2012, KZR 108/10, – Elektronischer Programmführer, Rz. 23. 2 BGH vom 5.10.2010 – I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv, Rz. 11; vgl. BVerfG vom 17.11.2011 – 1 BvR 1145/11. 3 Vgl. Rz. 27 ff. 4 BGH vom 5.10.2010 – I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv, Rz. 16. 5 Vgl. Bisges, GRUR 2009, 730, 731; Klett, K&R 2008, 1, 3. 6 Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 51 Rz. 1.
320
III. Schranken des Urheberrechts
Die in § 51 Satz 2 UrhG genannten Zitatweisen haben Beispielcharakter. 1322 Der durch den „Zweiten Korb“ erweiterte § 51 Satz 1 UrhG erlaubt allgemein die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Durch § 51 Satz 1 UrhG werden unter anderem Filmzitate und Zitate aus Multimediawerken erfasst1. § 51 UrhG legitimiert nicht die weitverbreiteten Versuche, das Fehlen 1323 eigener Kreativität durch die Übernahme fremden geistigen Eigentums auszugleichen2. „Sampling“ ist als integraler Bestandteil einer eigenen schöpferischen Leistung gestattet, aber von § 51 UrhG nicht gedeckt, wenn es entweder an einem eigenen Werk gänzlich fehlt3 oder durch „Großzitate“ die Grenze des für das eigene Werk Gebotenen überschritten wird4. Für den Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwi- 1324 schen den verwendeten fremden Werken und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen5. Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Werks nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen6. In welchem Umfang zitiert werden darf, hängt stets von einer Gesamt- 1325 abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ab. Dabei ist auch der Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, der im Zuge einer öffentlichen Auseinandersetzung längere Zitate rechtfertigen kann7. Wenn Bilder von Kunstwerken lediglich zu Illustrationszwecken ver- 1326 wendet werden, fehlt es an einem hinreichenden Zitatzweck. Dies gilt auch dann, wenn sich Online-Beiträge nicht näher mit den abgebildeten Kunstwerken auseinandersetzen, aber über Kunstausstellungen berichten, auf denen – unter anderem – die abgebildeten Kunstwerke zu sehen
1 Klett, K&R 2008, 1, 3; Spindler, NJW 2008, 9, 15. 2 Raue/Hegemann in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.3 Rz. 109. 3 Vgl. BGH vom 20.12.2007, K&R 2008, 442, 446 – TV-Total. 4 Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 51 Rz. 44; vgl. Rehbinder, Urheberrecht, Rz. 488 ff. 5 BGH vom 5.10.2010 – I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv, Rz. 22; Bisges, GRUR 2009, 730, 731. 6 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 7 Vgl. LG Hamburg vom 27.5.2011 – 308 O 343/09, Rz. 28 f.
321
F. Urheberrecht
sind. Es fehlt an einer hinreichenden Verbindung zwischen den abgebildeten Kunstwerken und eigenen Gedanken des Zitierenden1. 1327
Ebenso wenig von § 51 UrhG gedeckt sind „Thumbnails“ als Ergebnisse einer Bildersuche2. Die Darstellung der Vorschaubilder in der Trefferliste einer Bildersuchmaschine dient dazu, das Werk um seiner selbst willen als Vorschaubild der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen. Vorschaubilder werden in einem automatisierten Verfahren in die Trefferliste eingefügt, ohne dass dieser Vorgang als solcher der geistigen Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen soll. Die von der Suchmaschine generierte Trefferliste ist lediglich Hilfsmittel zum möglichen Auffinden von Inhalten im Internet3.
1328
Das Zitatrecht besteht nur im Umfang des zu dem erlaubten Zweck Gebotenen. Verbreitet daher ein Hochschullehrer zu Lehrzwecken Zitate aus urheberrechtlich geschützten Texten, ist dies nur zulässig, wenn Maßnahmen der Zugangs- oder Nutzungsbeschränkung getroffen werden4.
1329
Berufen kann sich der Zitierende auf das Zitatrecht nur, wenn er den Urheber des Zitats deutlich kenntlich gemacht hat (§ 63 Abs. 1 Satz 1 UrhG). 3. Pressespiegel
1330
Gemäß § 49 Abs. 2 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Nachrichten tatsächlichen Inhalts zulässig. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist. Wenn ein Text sich nicht auf die reine Mitteilung von Nachrichten beschränkt, sondern daneben erläuternde oder belehrende Kommentierungen, Betrachtungen oder Ergänzungen enthält, ist § 49 Abs. 2 UrhG nicht anwendbar5.
1331
Soweit es um „Tagesereignisse“ geht, ist nach § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Rundfunkkommentaren und Zeitungsartikeln sowie mit ihnen im Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen6, wenn die Kommentare, Artikel oder Abbildungen politische, wirtschaftliche oder religiöse Fragen 1 BGH vom 5.10.2010 – I ZR 127/09 – Kunstaustellung im Online-Archiv, Rz. 23. 2 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder; LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2008, 47, 52 mit Anm. Kleinemenke; a.A. Heymann/Nolte, K&R 2009, 759, 764; vgl. auch Ott, ZUM 2009, 345, 347; siehe auch Rz. 1239 ff. 3 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 4 LG München I vom 19.1.2005, ZUM 2005, 407, 409 f. 5 OLG Karlsruhe vom 10.8.2011 – 6 U 78/10, Rz. 14. 6 Vgl. Klett, K&R 2008, 1, 3; Spindler, NJW 2008, 9, 15.
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III. Schranken des Urheberrechts
betreffen und nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen sind. Die unentgeltliche Nutzung derartiger Artikel und Kommentare ist allerdings nur dann zulässig, wenn sie sich auf den Abdruck von kurzen Auszügen beschränkt (§ 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Auch wenn sich § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG auf „Zeitungen und andere le- 1332 diglich Tagesinteressen dienende Informationsblätter“ bezieht, kann die Norm auch auf Zeitschriften angewendet werden, die wöchentlich oder monatlich erscheinen, sofern die Zeitschriften in erster Linie über aktuelle politische oder wirtschaftliche Sachverhalte berichten1. Der BGH hat in seiner Pressespiegel-Entscheidung2 die Anwendbarkeit 1333 des § 49 Abs. 1 UrhG auf elektronische Pressespiegel3 bejaht und sich zugleich um eine Grenzziehung bemüht. § 49 Abs. 1 UrhG legitimiert danach die Erstellung elektronischer Pressespiegel zum betriebs- oder behördeninternen Gebrauch, dies aber auch nur, wenn sie in einer Form zugänglich gemacht werden, die sich im Falle der Speicherung nicht zu einer Volltextrecherche eignet4. Elektronische Pressespiegel, die nicht ausschließlich zum betriebs- oder 1334 behördeninternen Gebrauch erstellt werden, sind nach Auffassung des BGH nicht von § 49 Abs. 1 UrhG erfasst. Wer somit per Online-Dienst einen solchen Pressespiegel verbreitet, bedarf hierzu der Zustimmung aller Verlage, deren Erzeugnisse in den Pressespiegel einfließen5. Die vom BGH befürwortete Beschränkung des § 49 Abs. 1 UrhG auf „in- 1335 terne“ Pressespiegel ist sachgerecht und betont die Interessen des Urhebers, da sich anders ein Missbrauch der Privilegnorm nicht vermeiden lässt6. Wäre es jedermann ohne Weiteres gestattet, Zeitungsbeiträge zusammenzustellen und als Pressespiegel online zu verbreiten, könnte den Zeitungsverlagen ohne großen Aufwand erheblicher Schaden zugefügt werden7. Weniger überzeugend ist es, wenn der BGH zwischen „Grafikdatei“ und 1336 „Faksimile“ auf der einen und einer „Volltexterfassung“ auf der anderen 1 BGH vom 27.1.2005, MMR 2005, 601, 602 – Wirtschaftswoche mit Anm. Obergfell. 2 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827 ff. 3 Vgl. OLG Hamburg vom 6.4.2000, CR 2000, 658; Biener, MMR 1999, 691, 695; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 95; Dreier, GRUR 1997, 859, 864 f.; Katzenberger, GRUR Int. 1993, 895, 910; Kröger, CR 2000, 827; Niemann, CR 2002, 817, 827; vgl. auch Bundesregierung, BT-Drucks. 10/436, S. 9 für Btx; EuGH vom 16.7.2009, K&R 2009, 707 ff. – Elektronischer Pressespiegel. 4 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831. 5 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831; ebenso KG vom 30.4.2004, MMR 2004, 540, 542. 6 Vgl. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 166; Czychowski, NJW 2003, 118, 120. 7 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831.
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F. Urheberrecht
Seite differenziert. Die .jpg-Datei soll erlaubt, die .doc-Datei dagegen verboten sein1. Auch wenn das Anliegen, das hinter dieser Differenzierung steht, achtenswert ist, gibt der BGH selbst zu bedenken, dass die Umwandlung einer Grafik- in eine Textdatei alles andere als schwierig ist. Der Missbrauchsschutz, der durch die vom BGH befürwortete Beschränkung auf Grafikdateien bewirkt werden soll, steht somit nur auf dem Papier2. Da sich zudem in § 49 Abs. 1 UrhG kein Anknüpfungspunkt für eine solche Unterscheidung finden lässt, sollte man es bei einer bloßen Differenzierung zwischen „internen“ und „externen“ Pressespiegeln belassen, ohne zwischen Dateiformaten zu unterscheiden3. 1337
Nicht ganz unbedenklich ist das Spannungsverhältnis zwischen der Pressespiegel4- und der Paperboy-Entscheidung5 des BGH. Die große Zurückhaltung, die der BGH bei elektronischen Pressespiegeln an den Tag legt, geht angesichts des Paperboy-Urteils ins Leere, wenn ein elektronischer Pressedienst fremde Beiträge nicht übernimmt, sondern lediglich Links auf diese Beiträge setzt, da es in einem solchen Fall nach der (überzeugenden) Auffassung des BGH bereits an einer urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlung fehlt6.
1338
Nach § 87f Abs. 1 Satz 1 UrhG hat der Presseverleger das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ohne die Paperboy-Entscheidung des BGH wäre es zu der Einführung eines solchen (umstrittenen7) Rechts nicht gekommen.
1339
Das Leistungsschutzrecht gilt für die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und nicht überwiegend der Eigenwerbung dient (§ 87f Abs. 2 Satz 1 UrhG). Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen (§ 87f Abs. 2 Satz 2 UrhG).
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Von dem Leistungsschutzrecht umfasst sind damit nicht nur Beiträge Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch Beiträge, die in Blogs und anderen Online-Publikationen erscheinen, sofern es sich 1 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831. 2 Vgl. Berger, CR 2004, 360, 366. 3 Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 200 f.; Kröger, CR 2000, 663; a.A. Berger, CR 2004, 360, 366; Niemann, CR 2002, 817, 827. 4 BGH vom 11.7.2002, CR 2002 827 ff. 5 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406 ff. = BGH-R 2003, 1924 ff. mit Anm. Elßner. 6 Siehe Rz. 2199 ff. 7 Vgl. Ensthaler/Blanz, GRUR 2012, 1104 ff.; Kühne, CR 2013, 169 ff.; Ott, K&R 2012, 556 ff.; Wimmers, CR 2012, 663 ff.
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III. Schranken des Urheberrechts
um Publikationen handelt, in denen es regelmäßig („periodisch“) zu Veröffentlichungen kommt. Das Leistungsschutzrecht gilt für die Dauer eines Jahres nach Veröffentlichung (§ 87g Abs. 2 UrhG). Nach § 87g Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz UrhG gilt das Leistungsschutz- 1341 recht nicht für die Zugänglichmachung „einzelne(r) Wörter oder kleinste(r) Textausschnitte“. Wie groß ein Textausschnitt – etwa bei einem Aggregator wie Google News – noch sein darf, um als „kleinst“ zu gelten, ist unklar. Zulässig ist eine öffentliche Zugänglichmachung auch, wenn sie nicht 1342 durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten (§ 87g Abs. 4 Satz 1 UrhG). Presseverleger sind somit nur gegen eine durch Algorithmen gesteuerte „automatische“ Einbeziehung von Inhalten in einen fremden Dienst geschützt, nicht jedoch gegen deren inhaltliche Aufbereitung, wie dies beispielsweise bei einem „Pressespiegel“ geschieht. 4. Privatkopie Der Streit um die Privatkopie gehört zu den Glaubensfragen des Internet. 1343 In kaum einem anderen Bereich wurde und wird so zäh zwischen den Rechteinhabern und den Befürwortern der freien Netzkommunikation gerungen.
Übersicht:
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Privatkopien: – „natürliche Person“: Juristische Personen sind zur Anfertigung von Privatkopien nicht befugt. – „auf beliebigen Trägern“: jedes Speichermedium. – „keine Erwerbszwecke“: Eine Kopie ist nur „privat“, wenn jede kommerzielle Absicht fehlt. – „keine offensichtlich rechtswidrige hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage“: Dem Kopierenden darf weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein, dass die Vorlage rechtswidrig ist.
a) Privilegierung Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die Herstellung „einzelner Vervielfäl- 1345 tigungsstücke“ eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch erlaubnisfrei. Dasselbe gilt für die Herstellung von „Vervielfältigungsstücken“ zum sonstigen eigenen (nicht-privaten) Gebrauch nach
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F. Urheberrecht
Maßgabe des § 53 Abs. 2 bis 4 UrhG. „Vervielfältigungsstücke“, die gemäß § 53 Abs. 1 bis 4 UrhG auf zulässige Weise erlaubnisfrei hergestellt worden sind, dürfen gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG weder verbreitet noch zur öffentlichen Wiedergabe genutzt werden. Einige Ausnahmen der erlaubnisfreien Privatkopie enthält § 53 Abs. 7 UrhG. Für Computerprogramme gelten Spezialvorschriften1. 1346
§ 53 UrhG gilt für den „Gebrauch auf beliebigen Trägern“2. An der Anwendbarkeit auf elektronische Kopien kann demnach kein Zweifel bestehen3.
1347
Der einfache Abruf einer Internetseite ist kein Fall des § 53 UrhG, da sich der Abrufende – jedenfalls im Normalfall – auf eine Einwilligung des Urhebers bzw. auf ein Vervielfältigungsrecht berufen kann, das ihm der Urheber (konkludent) eingeräumt hat4. Liegen ein Nutzungsrecht oder eine Einwilligung vor, so ist die Frage bedeutungslos, ob die Nutzung auch gemäß § 53 UrhG hätte erfolgen können5.
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§ 53 UrhG ist relevant bei dem Herunterladen von Texten, Musik- oder Videoclips oder anderen Dateien aus dem Internet6. Zwei bedeutsame Einschränkungen sind dann zu beachten: Zum einen darf die Anfertigung der Kopie weder unmittelbar noch mittelbar zu Erwerbszwecken erfolgen. Zum anderen darf keine Vorlage verwendet werden, die offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde.
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§ 53 UrhG begründet keine Befugnis, digitalisierte Werke zu kopieren, die im Rahmen des § 52b UrhG7 an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven bereitgehalten werden8. Die Norm stellt eine veränderte Nachfolgevorschrift für den ab 2015 nicht mehr anwendbaren § 52a UrhG dar9. § 52a UrhG erlaubt derzeit noch die Zugänglichmachung kleinerer Teile eines Werks für Unterricht und Forschung10.
1 Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rz. 8. 2 Vgl. Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003, BGBl. I 2003, S. 1774. 3 Vgl. Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rz. 12. 4 Vgl. OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 184, 186; LG Hamburg vom 12.7.2000, CR 2000, 776, 777; Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 357. 5 Vgl. BGH vom 6.12.2007, CR 2008, 211, 213. 6 A.A. Meschede, K&R 2008, 585, 587. 7 Krit. zur Einführung von § 52b UrhG vgl. Sprang/Ackermann, K&R 2008, 7, 8. 8 LG Frankfurt a.M. vom 13.5.2009, K&R 2009, 512, 513 f. mit Anm. Jani; a.A. Kianfar, GRUR 2012, 691, 696. 9 Vgl. Lorenz, ZRP 2008, 261 ff. 10 Vgl. OLG Stuttgart vom 4.4.2012 – 4 U 171/11.
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III. Schranken des Urheberrechts
b) Tauschbörsen An der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Vorlage scheitert jeder Ver- 1350 such, das Herunterladen von Musik und Filmen in Tauschbörsen zu legitimieren1. Seit 2008 steht die Vorlage, die offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht (d.h. ins Internet gestellt) wurde, der offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage ausdrücklich gleich2. Tauschbörsen sind wegen der illegalen Kopien reizvoll, die kostenlos auf 1351 den eigenen Rechner heruntergeladen und kopiert werden können. Jedem Nutzer ist klar, dass ein erheblicher Teil der Musik und Filme rechtswidrig angeboten wird. Wenn dem Nutzer im Einzelfall die Rechtswidrigkeit nicht bekannt sein sollte, so beruht dies im Normalfall auf grober Fahrlässigkeit3. Dies reicht aus, um die „Offensichtlichkeit“ der Rechtswidrigkeit zu bejahen (vgl. § 932 Abs. 2 BGB). Ebenso klar ist die Bewertung des Heraufladens von Musik im Rahmen 1352 eines Tauschangebots: Wenn die Vorlage nicht bereits selbst eine Raubkopie ist4, ist der Vorgang des Heraufladens zwar noch privat, dient jedoch ersichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung5. Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG dürfen Privatkopien weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden6. c) Online-Videorekorder Ob und inwieweit § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG für „Online-Videorekorder“ 1353 gilt, die den zeitversetzten Abruf von Fernsehsendungen ermöglichen, ist unklar. Die Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG deckt nur die eigenverantwortliche Herstellung ab7 und ist von der Vorstellung geprägt, dass derjenige, der die Privilegierung in Anspruch nimmt, die Kopien zum Zwecke des privaten Gebrauchs selbständig ohne Einschaltung eines 1 Vgl. Czychowski, NJW 2003, 2409, 2411; Meschede, K&R 2008, 585, 585. 2 Vgl. Klett, K&R 2008, 1, 4; Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1417; Spindler, NJW 2008, 9, 11. 3 Gutmann, MMR 2003, 706, 707; a.A. Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rz. 16. 4 Vgl. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rz. 163. 5 Vgl. Ernst in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.1 Rz. 77; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rz. 23. 6 Vgl. BGH vom 5.10.2010 – I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv, Rz. 20; Schapiro, ZUM 2008, 273, 277 ff. 7 BGH vom 16.1.1997, GRUR 1997, 459, 462 – CB-Infobank I; OLG Dresden vom 5.12.2006, ZUM 2007, 385, 386 = ITRB 2007, 230 f. (Rössel); OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 459 = ZUM 2007, 203, 205; OLG Köln vom 9.9.2005, K&R 2005, 570, 571; LG Braunschweig vom 7.6.2006, K&R 2006, 362, 364 ff.; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 2007, 610, 611; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 2008, 610, 612; LG Leipzig vom 12.5.2006, CR 2006, 784, 785 f. = K&R 2006, 426, 427; LG München I vom 19.5.2005, CR 2006, 787, 788 = ZUM 2006, 583, 584.
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F. Urheberrecht
Dritten herstellt. Ob eine solche „eigenverantwortliche Herstellung“ den technischen Gegebenheiten der Angebote von „Online-Videorekordern“ entspricht, ist unklar1. 1354
Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG umfasst die Befugnis zur Privatkopie auch die Herstellung von Vervielfältigungsstücken durch Dritte, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt. Die Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG greift bei „Online-Videorekordern“ in aller Regel nicht ein, da die Angebote zumeist auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind und es daher an einer Unentgeltlichkeit fehlt2.
1355
Nach Ansicht des BGH kommt es bei der Bestimmung des Herstellers einer Vervielfältigung auf eine technische Betrachtung an. Hersteller der Vervielfältigung sei derjenige, der die körperliche Festlegung der Kopie technisch bewerkstelligt. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, selbst wenn diese von Dritten zur Verfügung gestellt werden3.
1356
Letztlich verbleibt es somit einer Einzelfallprüfung, wer die körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt4. Dies gilt auch für einen Onlineservice, der es dem Nutzer ermöglicht, Webradioprogramme nach einzelnen Titeln zu durchsuchen, um diese Titel sodann als mp3-Dateien herunterzuladen (Webradiorekorder)5. Ist der Nutzer Hersteller, ist die Vervielfältigung durch § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG legitimiert.
1357
Hat der Hersteller Kopien im Auftrag eines anderen für dessen privaten Gebrauch angefertigt, ist die Herstellung der Vervielfältigungsstücke dem Auftraggeber gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG als Vervielfältigungshandlung zuzurechnen mit der Folge, dass es auf die „Unentgeltlichkeit“ ankommt. Eine solche Zurechnung erfordert eine normative Bewertung. 1 Vgl. BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 575 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3513 f. mit Anm. Rössel – shift.tv; vgl. zu den Auswirkungen der Entscheidungen: Graf Fringuelli/Nink, CR 2008, 791 ff.; Hilber/Litzka, ZUM 2009, 730 ff.; Niemann, CR 2009, 661 ff. 2 Vgl. BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 577 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3517 mit Anm. Rössel – shift.tv; OLG Dresden vom 5.12.2006, ZUM 2007, 385, 386 = ITRB 2007, 230 f. (Rössel); OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 461 = ZUM 2007, 203, 206; LG Braunschweig vom 7.6.2006, K&R 2006, 362, 364; LG Leipzig vom 12.5.2006, K&R 2006, 426, 427 = ZUM 2006, 763, 766; vgl. Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 53 Rz. 32; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 53 Rz. 16. 3 BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3513 – safe.tv; vgl. auch OLG Dresden vom 12.7.2011 – 14 U 801/07, Rz. 28. 4 Vgl. OLG Dresden vom 12.7.2011 – 14 U 801/07, MMR 2011, 610, 611 f.; LG München I vom 9.8.2012 – 7 O 26557/11, CR 2013, 53, 55. 5 Vgl. KG vom 28.3.2012 – 24 U 20/11, Rz. 20 ff.
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III. Schranken des Urheberrechts
Wenn der Hersteller sich darauf beschränkt, „an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts“ zu treten und als „notwendiges Werkzeug“ des anderen tätig zu werden, ist die Vervielfältigung dem Auftraggeber zuzurechnen. Erschließt sich dagegen dem Hersteller eine urheberrechtlich relevante Nutzung in einem Ausmaß und einer Intensität, die sich mit den Erwägungen nicht mehr vereinbaren lässt, die eine Privilegierung des Privatgebrauchs rechtfertigen, ist die Vervielfältigung dem Hersteller zuzuordnen1, der sich dann weder auf § 53 Abs. 1 Satz 1 noch auf § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG stützen kann. d) Download von Streaming-Plattformen Fälle der offensichtlichen Rechtswidrigkeit dürften bei YouTube und an- 1358 deren Streaming-Plattformen selten sein.2 Auf den Plattformen werden legal verbreitete Videos neben rechtswidrigen Videos angeboten, ohne dass der Rechtsverstoß für den Nutzer erkennbar ist. Ein Indiz für die Rechtwidrigkeit einer Vorlage mag ein dubioser Account sein, von dem aus das Video hochgeladen ist. Die Accounts können jedoch so frei und anonym gestaltet werden, dass sie im Normalfall keine ernsthaften Rückschlüsse auf die Intentionen des Einstellers und seine Berechtigung zulassen.3 Im Ergebnis wird sich der Nutzer bei dem Download auf seine Festplatte in aller Regel auf § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG berufen können. Ein einseitig erklärtes „Downloadverbot“4 genügt nicht, um das Privat- 1359 kopienprivileg rechtswirksam auszuhebeln. Die bloße Abrufbarkeit von Nutzungsbedingungen, in denen ein Downloadverbot niedergelegt ist, stellt bereits keinen Antrag i.S.d. § 145 BGB des Plattformbetreibers gegenüber jedermann dar, der das Portal besucht oder darauf befindliche Videos abruft5. Der Wille, sich rechtlich zu binden, muss objektiv erkennbar sein. Dies ist bei unentgeltlichen Online-Angeboten, die jedermann zugänglich sind, nicht der Fall. Aus Sicht des Nutzers stellt die bloße Inanspruchnahme eines Internetangebots zudem keine rechtsgeschäftlich relevante Handlung dar. Insoweit unterscheidet sich die Nutzung der Plattform www.youtube.com nicht von dem Anhören bzw. Ansehen frei empfangbarer Rundfunk- und Fernsehprogramme, das erkennbar auch nicht auf das Begründen eines Vertragsverhältnisses zwischen Hörer bzw. Zuschauer und Sender gerichtet ist.6
1 Vgl. BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3513 – safe.tv. 2 Vgl. Härting/Thiess, WRP 2012, 1068, 1069; Janisch/Lachenmann, MMR 2013, 213, 216. 3 Vianello, CR 2010, 728, 731. 4 Vgl. Janisch/Lachenmann, MMR 2013, 213, 216; Redlich, K&R 2012, 713, 715. 5 Spindler, in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl. 2004, Teil IV Rn. 31 f.; Redlich, K&R 2012, 713, 715. 6 Cichon, Internetverträge, 2. Aufl. 2005, § 6 Rz. 693; Redlich, K&R 2012, 713, 715.
329
F. Urheberrecht
e) Archive 1360
Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zur Aufnahme in ein eigenes Archiv herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird. Diese Voraussetzung ist bei einem frei zugänglichen Online-Archiv nicht erfüllt, da sich bei einem solchen Archiv die Nutzung nicht auf den internen Gebrauch beschränkt1.
IV. Durchsetzung des Urheberrechts 1361
1362
Die Sanktionsnormen der §§ 97 ff. UrhG regeln die Ansprüche des Inhabers von Urheberrechten in Fällen der Rechtsverletzung.
Übersicht: Ansprüche des Rechteinhabers: – Beseitigungsanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG): Der Anspruch richtet sich insbesondere auf Entfernung rechtswidriger Inhalte von einer Website. – Unterlassungsanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG): Der Anspruch besteht bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs setzt im Regelfall eine Abmahnung (§ 97a Abs. 1 Satz 1 UrhG) voraus. – Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UrhG): Der Anspruch setzt fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Verletzers voraus. Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich – nach Wahl des Verletzten – entweder nach dem tatsächlich entstandenen Schaden oder nach dem Gewinn, den der Verletzer erzielt hat, oder nach einer fiktiven Lizenzgebühr. – Schmerzensgeldanspruch (§ 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG): Der Anspruch erfasst immaterielle Schäden und besteht, wenn und soweit eine Entschädigung der Billigkeit entspricht. – Aufwendungsersatzanspruch (§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG): Der Anspruch richtet sich auf Ersatz der durch eine berechtigte Abmahnung entstandenen Kosten und ist auf 100 Euro beschränkt, sofern ein einfacher Fall und eine geringfügige Rechtsverletzung vorliegen (§ 97a Abs. 2 UrhG). – Auskunftsanspruch (§ 101 UrhG): Der Anspruch dient in erster Linie der Ermittlung der Identität des Verletzers und richtet sich insbesonde1 BGH vom 5.10.2010 – I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv, Rz. 20.
330
IV. Durchsetzung des Urheberrechts
re gegen Access-Provider (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG). Die Provider dürfen Telekommunikations-Verbindungsdaten (IP-Adressen) nur auf Grund einer richterlichen Anordnung preisgeben (§ 101 Abs. 9 UrhG).
1. Beseitigung und Unterlassung Der Beseitigungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG bedeutet bei 1363 Urheberrechtsverletzungen im Internet insbesondere, dass der Verletzte verlangen kann, dass Inhalte von einer Website entfernt werden, die Urheberrechte verletzen. Falls Wiederholungsgefahr besteht, kann der Verletzte darüber hinaus verlangen, dass der Verletzer gleichartige Verletzungshandlungen in Zukunft unterlässt. Ein Unterlassungsanspruch setzt gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG nicht 1364 zwingend voraus, dass eine Urheberrechtsverletzung bereits begangen worden ist. Ausreichend ist vielmehr eine Erstbegehungsgefahr1. 2. Schadensersatz und Schmerzensgeld Ein Schadensersatzanspruch besteht nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG bei 1365 vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln des Verletzers. In seiner Entscheidung zu CAD-Software, die im Internet zum Herunterladen bereit gestellt wurde, betonte der BGH, dass besonders hohe Sorgfaltsanforderungen gelten, wenn eine solche Bereitstellung erfolgt. Eine derartige Verhaltensweise führe zu einer hochgradigen Gefährdung der Verwertungsrechte des Urhebers, weil ein ohne Einschränkungen im Internet zum Download bereitgestelltes Computerprogramm jederzeit von jedermann heruntergeladen und weiterverbreitet werden könne. Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm ins Internet einstelle, dürfe sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte einverstanden ist. Er müsse vielmehr zuvor sorgfältig prüfen, ob der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat2. Bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Güter haben sich alle Be- 1366 teiligten mit der allgemeinüblichen Sorgfalt über Existenz und Umfang urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse zu informieren. Zu einer pflichtgemäßen Sorgfalt gehört auch die Prüfung der Rechtekette3. Bei Minderjährigen bestimmt sich Schadensersatzhaftung nach § 828 1367 Abs. 3 BGB. Es kommt daher auf die Einsichtsfähigkeit an, von der nach
1 Vgl. Kitz, NJW 2008, 2374, 2374. 2 BGH vom 20.5.2009, NJW 2009, 3509, 3510 – CAD-Software. 3 OLG Hamm vom 24.6.2008, ZUM 2009, 159, 161.
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F. Urheberrecht
Auffassung des AG Hannover auszugehen ist, wenn ein 17-Jähriger „mit professioneller Aufmachung“ bei Ebay in Erscheinung tritt1. 1368
Die drei Varianten der urheberrechtlichen Schadensersatzberechnung2 wurden bei der Umsetzung der Enforcement-Richtline3 in § 97 UrhG kodifiziert. Bei der Bemessung des Schadenersatzes kann statt des konkreten Schadens auch der Gewinn, den der Verletzte durch die Rechtsverletzung erzielt hat, als Grundlage für die Anspruchshöhe berücksichtigt werden (Gewinnabschöpfung, § 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG). Als dritte Variante der Schadenersatzberechnung sieht § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG die Berechnung einer fiktiven Lizenzgebühr vor. § 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG gewährt dem Verletzten schließlich ein Schmerzensgeld, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
1369
Die in § 97 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UrhG geregelten Berechnungsarten sind bereits seit langer Zeit gewohnheitsrechtlich anerkannt4. Der Verletzte ist in der Wahl der Berechnungsmethode frei5. Allerdings gilt das Verquickungsverbot: Die Berechnungsarten stehen in einem Ausschließlichkeitsverhältnis und können nicht nebeneinander angewendet werden6.
1370
Am gebräuchlichsten und in der Regel auch einfachsten ist die Bemessung des Schadens im Weg der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG). Grundsatz dabei ist, dass derjenige, der ein Werk ohne Erlaubnis des Berechtigten nutzt, nicht besser gestellt werden soll als derjenige, der eine entsprechende Lizenz einholt7.
1371
Bei der Lizenzanalogie handelt es sich um die Fiktion eines Lizenzvertrags mit Wirkung für die Vergangenheit8. Unerheblich ist dabei, ob der Rechteinhaber eine Lizenz überhaupt hätte erteilen können. Dies gilt insbesondere, wenn der Rechteinhaber bereits vor der Verletzungshandlung exklusive Nutzungsrechte an Dritte vergeben hat. Die Fiktion des Lizenzvertrags hat zudem zur Folge, dass die subjektive Bereitschaft des Rechteinhabers zum Abschluss eines Lizenzvertrags unerheblich ist. Der
1 AG Hannover vom 3.6.2008, GRUR-RR 2009, 94 f. 2 Dreier in Dreier/Schulze, § 97 Rz. 58; Hullen, ITRB 2008, 156 f., 157; OLG Brandenburg vom 15.5.2009, ZUM 2010, 56 ff. 3 Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. 4 Vgl. BGH vom. 8.5.1956, BGHZ 20, 345, 353; vgl. Hullen, ITRB 2008, 156, 157; Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1418. 5 Kitz, NJW 2008, 2374, 2374. 6 Vgl. Hullen, ITRB 2008, 156, 157. 7 Vgl. OLG Düsseldorf vom 9.5.2006, NJW-RR 2007, 486, 487; AG Charlottenburg vom 8.3.2006, CR 2006, 712, 712 mit Anm. Fischer; AG Charlottenburg vom 11.4.2005, ZUM 2005, 578, 579 f.; AG Hamburg vom 28.3.2006, ZUM 2006, 586, 589; vgl. Hullen, ITRB 2008, 156, 157; entwicklungsoffen für eine kumulative Betrachtung: Kitz, NJW 2008, 2374, 2374. 8 Vgl. AG München vom 31.3.2010 – 161 C 15642/09.
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IV. Durchsetzung des Urheberrechts
Verletzer kann also nicht einwenden, dass der Rechteinhaber von Anfang an nicht zum Abschluss eines Lizenzvertrags bereit war1. Die Lizenzanalogie kann nur indes dann zu einem Vergütungsanspruch 1372 führen, wenn eine Vergütung für die vorgenommene Nutzung üblich ist. Lässt sich dies – etwa bei einer Veröffentlichung von Fotos (auch) in einem E-Paper – nicht feststellen, scheidet ein (Mehr-)Vergütungsanspruch aus2. Als Lizenzgebühr angemessen ist nach der Auffassung des BGH die Ge- 1373 bühr, die bei einer vertraglichen Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte3. Die Gerichte orientieren sich bei der Bemessung an den Tarifen der Vergütungsgemeinschaften, die kollektiv die Rechte ihrer Mitglieder wahrnehmen. Die Tarife müssen jedoch Marktgeltung erlangt haben, d.h. allgemein am Markt anerkannt sein. Dies ist der Fall bei den Tarifen der GEMA4, GVL, VG Wort und VG Bild-Kunst5. Bei der Verletzung von Bildrechten werden vielfach die Empfehlungen 1374 der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) zugrunde gelegt6. Diese orientieren sich an den verschiedenen Nutzungsarten (redaktionelle Nutzung, Nutzung für Marketingzwecke usw.), an den verwendeten Medien (Tageszeitung, Online-Nachrichten usw.) und an weiteren Faktoren, wie z.B. der Auflage des Mediums und der Größe des Bildes sowie der Dauer der Nutzung. Eine rechtliche Bindung besteht nicht, im Einzelfall kann eine abweichende Bemessung der Höhe des Schadensersatzes geboten sein7. Die MFM-Empfehlungen geben einen brauchbaren Überblick darüber, 1375 wie sich in der Praxis unterschiedliche Nutzungsarten und -intensitäten quantifizieren lassen bzw. in Relation zueinander verhalten können. Da-
1 2 3 4
Hullen, ITRB 2008, 156, 158. Vgl. OLG Düsseldorf vom 13.7.2010 – I-20 U 235/08, ITRB 2011, 32 (Wolff). BGH vom 6.10.2005, NJW 2006, 615, 616 – Pressefotos. Vgl. LG Düsseldorf vom 24.11.2010 – 12 O 521/09, Rz. 20 ff.; LG Hamburg vom 8.10.2010 – 308 O 710/09. 5 Hullen, ITRB 2008, 156, 158; vgl. LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2008, CR 2008, 534, 535. 6 OLG Düsseldorf vom 1.11.1997, NJW-RR 1999, 194, 194; OLG Düsseldorf vom 9.5.2006, NJW-RR 2007, 486, 487; OLG Düsseldorf vom 8.11.2011 – I-20 U 42/11, Rz. 19; OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677, 679; LG Düsseldorf vom 19.3.2008, ZUM-RD 2008, 556 ff.; LG Düsseldorf vom 1.4.2009, MMR 2009, 652 (Ls.); LG Mannheim vom 14.7.2006, NJOZ 2007, 4365, 4369; LG München I vom 17.5.2006 – 21 O 12175/04; AG Hamburg vom 28.3.2006, ZUM 2006, 586, 589; AG Hamburg vom 27.9.2010 – 36A C 375/10, Rz. 33 f. 7 Hullen, ITRB 2008, 156, 158; BGH vom 6.10.2005, NJW 2006, 615, 616 – Pressefotos; AG Hamburg vom 28.3.2006, ZUM 2006, 586, 589.
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F. Urheberrecht
her können die MFM-Empfehlungen ein maßgebliches Kriterium bei einer Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO sein1. 1376
Die MFM-Empfehlungen dürfen jedoch nicht schematisch und unreflektiert herangezogen werden2. Vielmehr bedarf es stets der Überlegung, ob eine Orientierung an branchenüblichen Vergütungen angemessen erscheint. Bei der einmaligen Nutzung von Produktfotos für einen privaten ebay-Verkauf fehlt es an einer hinreichenden Parallele.3 Entsprechendes gilt, wenn der Verletzte hinsichtlich der betroffenen Fotos zeitnah zu der Verletzungshandlung einen Lizenzvertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat; in diesem Fall kann in der Regel die hierbei vereinbarte Vergütung zugrunde gelegt werden, und auf die MFM-Empfehlungen kommt es nicht an4.
1377
Bei einem unterlassenen Urhebervermerk spricht die Rechtsprechung teilweise einen 100 %-Zuschlag zum üblichen Honorar als Teil der fiktiven Lizenz zu5. Ein Zuschlag, der allein wegen der rechtswidrigen Nutzung zu zahlen ist, lässt sich indes schwer mit dem Gedanken der Lizenzanalogie vereinbaren6. Auch ein Zuschlag von 50 %7 lässt sich nicht überzeugend begründen.
1378
Bei dem Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns geht es nicht um den Ersatz des konkret entstandenen Schadens (vgl. § 249 Abs. 1 BGB), sondern um einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der Rechtsinhaber erlitten hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG eine Alternative zum Ersatz des konkret entstandenen Schadens darstellt (§ 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG). Die Herausgabe des Verletzergewinns 1 OLG Brandenburg vom 3.2.2009, K&R 2009, 271, 272; OLG Brandenburg vom 15.5.2009, ZUM 2010, 56 ff.; OLG Hamburg vom 21.5.2008 – 5 U 75/07 – YACHT II; OLG Hamburg vom 2.9.2009, MMR 2010, 196, 197 mit Anm. Möller.; LG Düsseldorf vom 24.10.2012 – 23 S 386/11, Rz. 8; AG Köln vom 21.4.2011 – 137 C 691/10; AG Köln vom 24.5.2012 – 137 C 53/12. 2 Vgl. AG Hamburg-Mitte vom 27.9.2010 – 36A C 375/09. 3 OLG Braunschweig vom 8.2.2012 – 2 U 7/11, Rz. 47; LG Düsseldorf vom 24.10.2012 – 23 S 66/12, Rz. 11 ff. 4 LG Kassel vom 4.11.2010 – 1 O 772/10, Rz. 18. 5 Vgl. OLG Brandenburg vom 3.2.2009, K&R 2009, 271, 272; OLG Brandenburg vom 15.5.2009, ZUM 2010, 56 ff.; OLG Düsseldorf vom 9.5.2006, GRUR-RR 2006, 393, 394 ff.; OLG Düsseldorf vom 8.11.2011 – I-20 U 42/11, Rz. 19; LG Berlin vom 7.9.1995, ZUM 1998, 673, 674; LG Düsseldorf vom 19.3.2008, ZUM-RD 2008, 556 ff.; LG Düsseldorf vom 24.10.2012 – 23 S 386/11, Rz. 11; LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2008, CR 2008, 534, 535; LG München I vom 18.9.2008, MMR 2009, 137 mit Anm. Kaufmann. 6 Vgl. Kitz, NJW 2008, 2374, 2375; OLG Hamburg vom 2.9.2009, MMR 2010, 196, 197 mit Anm. Möller; LG Kassel vom 4.11.2010 – 1 O 772/10, Rz. 19; LG Köln vom 23.9.2009, ZUM 2010, 369 ff.; AG Köln vom 21.4.2011 – 137 C 691/10; AG Köln vom 24.5.2012 – 137 C 53/12; für eine doppelte Lizenzanalogie de lege ferenda: Heymann, CR 2008, 568, 575. 7 Vgl. KG vom 21.3.2012 – 24 U 130/10, Rz. 48.
334
IV. Durchsetzung des Urheberrechts
folgt der Erwägung, dass es unbillig wäre, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht1. Der Verletzergewinn, den der Betreiber eines Nachrichtenportals bzw. ei- 1379 nes Nachrichtensenders mit der Veröffentlichung eines Videos unter Verletzung von Urheberrechten erzielt, bemisst sich nach den erzielten Werbeeinnahmen2. Ob die Werbeinnahmen auch dann angefallen wären, wenn statt des streitigen Videos andere Nachrichten gezeigt worden wären, ist unerheblich, da § 249 Satz 1 BGB nicht anwendbar ist. 3. Abmahnung und Abmahngebühren Bei der Umsetzung der Enforcement-Richtline3 wurde § 97a UrhG neu 1380 eingeführt, der den Verletzten im Regelfall zur Abmahnung verpflichtet, bevor ein Unterlassungsanspruch gerichtlich durchgesetzt wird (§ 97a Abs. 1 Satz 1 UrhG). Für berechtigte Abmahnungen sieht § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG einen Anspruch auf Aufwendungsersatz vor4. Bei unberechtigten oder unwirksamen Abmahnungen besteht ein umgekehrter Ersatzanspruch des Abgemahnten gegen den Abmahner nach § 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG. Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise Name oder Firma 1381 des Verletzten anzugeben, die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen, Zahlungsansprüche aufzuschlüsseln und anzugeben, inwieweit die in der Abmahnung vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht (§ 97a Abs. 2 Satz 1 UrhG). Abmahnungen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind ebenso unwirksam wie Unterlassungserklärungen, die auf Grund einer Abmahnung abgegeben worden sind, die die Anforderungen des § 97a Abs. 2 Satz 1 UrhG nicht erfüllt (§ 97a Abs. 2 Satz 2 und 3 UrhG). § 97a Abs. 2 UrhG begrenzte bislang den Aufwendungsersatzanspruch 1382 für (erstmalige) anwaltliche Abmahngebühren auf 100 Euro, sofern es sich um einen einfach gelagerten Fall und eine unerhebliche Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handelt. Damit sollen exorbitante Gebührenansprüche verhindert werden, wenn sich die Rechtsverletzung beispielsweise darauf beschränkt, dass ein Liedtext oder ein Stadtplanausschnitt auf einer privaten Homepage veröffentlicht wird5. 1 Vgl. BGH vom 25.3.2010 – I ZR 122/08 – Werbung eines Nachrichtensenders, Rz. 21 ff. mit Anm. Härting, K&R 2010, 808 f. 2 BGH vom 25.3.2010 – I ZR 122/08 – Werbung eines Nachrichtensenders, Rz. 21 ff. mit Anm. Härting, K&R 2010, 808 f. 3 Vgl. Klett, K&R 2009, 438, 439. 4 Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 85 f.; Hoeren, CR 2009, 378, 378. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 48 zu § 97a UrhG; vgl. Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 86 ff.; Heymann, CR 2008, 568, 575; Hoeren, CR 2009, 378 f.; Kitz, NJW 2008, 2374, 2377; Solmecke/Kost, K&R 2009, 772, 773.
335
F. Urheberrecht
1383
An einem einfach gelagerten Fall fehlt es, wenn der Verletzer die Rechtsverletzung bestreitet mit der Folge, dass auf Seiten des Verletzten umfangreiche Nachforschungen notwendig werden1. Wenn CDs bei Ebay als „Bootlegs“ angeboten werden, fehlt es an einer lediglich unerheblichen Rechtsverletzung sowie an einem Handeln außerhalb des geschäftlichen Verkehrs2.
1384
Mit Inkrafttreten des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken3 tritt die Deckelung auf 100 Euro außer Kraft. Stattdessen gilt nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG i.V.m. § 49 Abs. 1 UrhG für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ein Regelstreitwert von lediglich 1000 Euro, wenn der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die nicht bereits vertraglich oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung zur Unterlassung verpflichtet ist und nicht im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat. 4. Auskunft
1385
Die Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche wird im Internet vielfach durch die Anonymität der Verletzer erschwert. Durch die Enforcement-Richtlinie4 sind daher die Auskunftsansprüche des Rechteinhabers erheblich erweitert worden5 und haben zu zahlreichen gerichtlichen Verfahren geführt6. Zu unterscheiden sind dabei Auskunftsansprüche gegen den Verletzer (§ 101 Abs. 1 UrhG) und Auskunftsansprüche gegen Dritte (§ 101 Abs. 2 UrhG)7. a) Auskünfte des Verletzers
1386
Der Auskunftsanspruch gemäß § 101 Abs. 1 UrhG richtet sich ausschließlich gegen den Verletzer und setzt Urheberrechtsverletzungen „in gewerblichem Ausmaß“ voraus.
1387
Das gewerbliche Ausmaß kann sich aus der Schwere sowie Anzahl der Rechtsverletzungen ergeben8. Eine schwere Rechtsverletzung liegt beispielsweise vor, wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder Hörbuch vor oder unmittelbar 1 2 3 4 5 6 7 8
AG Frankfurt a.M. vom 1.3.2011 – 31 C 3239/10-74. LG Hamburg vom 30.4.2010 – 308 S 12/09, Rz. 22 f. Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 27.6.2013, BT-Drs. 17/13057. Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Vgl. Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1418 f.; vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG, S. 38 zu § 140b PatG. Vgl. Jüngel/Geißler, MMR 2008, 791; Klett, K&R 2009, 438, 443; Solmecke/ Kost, K&R 2009, 772 f. Vgl. BGH vom 19.4.2012 – I ZB 80/11 – Alles kann besser werden, Rz. 13 ff. Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG; dazu Kitz, NJW 2008, 2374, 2375.
336
IV. Durchsetzung des Urheberrechts
nach seiner Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird1. Beim Download eines vollständigen Musikalbums scheitert eine Anwendung des § 101 Abs. 1 UrhG nicht bereits daran, dass der Wortsinn des Begriffs eines „gewerblichen Ausmaßes“ überschritten ist2. Ein „gewerbliches Ausmaß“ ist jedenfalls nicht schon deshalb zu verneinen, weil es sich um das Album eines Künstlers handelt, das in Deutschland nur eine Woche lang auf Platz drei der Charts platziert war3. Die Verkaufszahlen lassen keinen Rückschluss auf den wirtschaftlichen Wert eines Musikalbums zu. Der Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ ist allerdings dahin auszule- 1388 gen, dass eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen muss. Bei der Verbreitung illegaler Kopien (z.B. über Tauschbörsen) muss daher ein Umfang erreicht werden, der über das hinausgeht, was einer Nutzung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch entsprechen würde4. Ein einmaliges Herunter- oder Hochladen von Dateien kann für sich al- 1389 leine kein „gewerbliches Ausmaß“ begründen, und zwar auch dann nicht, wenn dies in einer Tauschbörse geschieht. Allerdings kann auch bei einem einmaligen Down- oder Upload die Schwelle zum „gewerblichen Ausmaß“ überschritten werden, wenn eine besonders schwere Rechtsverletzung vorliegt. Dies ist beispielsweise der Fall beim Download einer Software mit einem Marktwert von über 400 Euro5. Bei einem Pornofilm mag ein „gewerbliches Ausmaß“ zu verneinen sein, wenn der Download erst nach der „heißen Verkaufsphase“ für Neuheiten von etwa sechs Monaten erfolgt6. Zu bejahen ist das „gewerbliche Ausmaß“ dagegen, wenn ein Computerspiel über eine Tauschbörse in der Verkaufsphase zum Download angeboten wird7, oder bei dem Angebot eines Hörbuchs oder eines Kinofilms innerhalb der Verwertungsphase8, nicht jedoch bei einem teilweisen Hochladen eines älteren Kinofilms auf YouTube9. Haltlos ist es dagegen, wenn das LG Frankenthal für einen Auskunftsanspruch „eine Anzahl von etwa 3000 Musikstücken oder 200 Filmen“ verlangt10. 1 Vgl. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 16/8783, 50. 2 OLG Köln vom 21.10.2008, CR 2009, 107 ff.; OLG Schleswig vom 5.2.2010 – 6 W 26/09; LG Oldenburg vom 15.9.2008, MMR 2008, 832 f.; LG Köln vom 2.9.2008, MMR 2008, 761 f. mit Anm. Solmecke; a.A. OLG Oldenburg vom 1.12.2008, CR 2009, 104, 105. 3 LG Hamburg vom 11.3.2009, CR 2009, 656, 657; a.A. LG Kiel vom 6.5.2009, MMR 2009, 643, 644. 4 OLG Zweibrücken vom 27.10.2008, CR 2009, 31 ff.; OLG Zweibrücken vom 2.2.2009, MMR 2009, 702; vgl. auch Solmecke/Kost, K&R 2009, 772 f. 5 OLG Zweibrücken vom 2.2.2009, MMR 2009, 702. 6 Vgl. LG Köln vom 30.4.2009, MMR 2009, 645, 646. 7 LG Hamburg vom 11.3.2009, CR 2009, 656 ff. 8 OLG Köln vom 4.6.2009, MMR 2010, 422; OLG Köln vom 27.12.2010 – 6 W 155/10, Rz. 7 ff. 9 OLG München vom 17.11.2011 – 29 U 3496/11, Rz. 52 ff. 10 LG Frankenthal vom 15.9.2008, MMR 2008, 830 ff.
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F. Urheberrecht
b) Auskünfte des Providers und anderer Dritter 1390
In Fällen „offensichtlicher Rechtswidrigkeit“ besteht nach § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG auch eine Auskunftspflicht von Personen, die in gewerblichem Ausmaß rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in Besitz hatten (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UrhG), rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch genommen (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UrhG) oder für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG) oder an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb offensichtlich rechtswidriger Vervielfältigungsstücke, sonstiger Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt waren (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UrhG).
1391
Mit den Dienstleistern gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG sind vor allem die Access Provider gemeint1. Auch Host Provider wie YouTube2 oder der Sharehoster Rapidshare3 können jedoch die Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG erfüllen und damit auskunftspflichtig werden. Der Auskunftsanspruch richtet sich auf Informationen zu IPAdressen, die beim Provider vorhanden sind. Ein Anspruch, diese Informationen gespeichert zu halten, besteht indes nicht4.
1392
Auskunftspflichtig ist der Provider nur, wenn sowohl ein Rechtsverstoß als auch die Zuordnung zu einer bestimmten IP-Adresse „offensichtlich“ sind. Hieran kann es fehlen, wenn kein aussagekräftiger Beweis für eine Zuordnung erbracht wird5 oder Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von IP-Adressen auf technische Fehler schließen lassen6.
1393
Nach Inkrafttreten des § 101 UrhG bestand zunächst weitgehend Einigkeit darüber, dass ein Auskunftsanspruch gegen den Provider gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG nur besteht, wenn durch die Herstellung oder Verbreitung von Vervielfältigungsstücken das Urheberrecht oder ein anderes nach dem UrhG geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt wurde7. Dabei wurde übersehen, dass § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG einen eigenständigen Auskunftsanspruch gegen Dritte begründet und nicht lediglich einen Anspruch, der den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 1 UrhG flankiert. Daher ist es verfehlt, § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
1 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG; vgl. Heymann, CR 2008, 568, 569; Kitz, NJW 2008, 2374, 2375; Kuper, ITRB 2009, 12, 13; Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1419. 2 OLG München vom 17.11.2011 – 29 U 3496/11. 3 OLG Köln vom 25.3.2011 – 6 U 87/10, Rz. 16. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 12.11.2009 – 11 W 41/09, Rz. 29 ff.; OLG Hamm vom 2.11.2010 – I-4 W 119/10, Rz. 2. 5 OLG Köln vom 20.1.2012 – 6 W 242/11, Rz. 3. 6 OLG Köln vom 10.2.2011 – 6 W 5/11. 7 Vgl. OLG München vom 17.11.2011 – 29 U 3496/11, Rz. 49; Bierekoven, ITRB 2009, 158 ff.; Jüngel/Geißler; MMR 2008, 787 ff.; Kitz, NJW 2008, 2374, 2375; Mantz, K&R 2009, 21 f.; Wilhelmi, ZUM 2008, 942 ff.
338
IV. Durchsetzung des Urheberrechts
UrhG dahingehend einzuschränken, dass eine Auskunftspflicht des Providers nur bei Rechtsverletzungen „in gewerblichem Ausmaß“ besteht. Ausreichend ist vielmehr, dass der Provider seine Dienstleistungen gewerblich erbringt1, wie dies in aller Regel der Fall ist. Ist zur Auskunfterteilung die Verwendung von Verkehrsdaten gemäß § 3 1394 Nr. 30 TKG erforderlich, setzt der Auskunftsanspruch eine richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten voraus (§ 101 Abs. 9 UrhG). Dies gilt insbesondere in Tauschbörsenfällen, wenn der Access-Provider Auskunft darüber erteilen soll, welcher seiner Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte, dynamisch vergebene IP-Adresse genutzt hat2. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nach § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG auf den Namen und die Anschrift des Kunden. Hierzu kann auch eine E-Mail-Adresse zählen3. Nicht von der Auskunftspflicht erfasst sind dagegen Bank- und Telefondaten4. Für die richterliche Anordnung ist gemäß § 101 Abs. 9 Satz 2 UrhG aus- 1395 schließlich das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat5. Auskunftsberechtigter ist neben dem Urheber auch der Inhaber aus- 1396 schließlicher Nutzungsrechte6. Dieser bleibt selbst dann aktivlegitimiert, wenn er einem Dritten Lizenzrechte exklusiv eingeräumt hat, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse verfolgt. Ein solches ist etwa gegeben, wenn er an dem Lizenzgewinn prozentual beteiligt ist7. Der am erstinstanzlichen Auskunftsverfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG 1397 nicht beteiligte, vom Provider nach richterlicher Gestattung benannte Anschlussinhaber, ist nicht berechtigt, den Gestattungsbeschluss nach § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG anzufechten8. Allein der Provider ist zur Beschwerde berechtigt.
1 Vgl. BGH vom 19.4.2012 – I ZB 80/11 – Alles kann besser werden, Rz. 10 ff.; BGH vom 25.10.2012 – I ZB 13/12 – Two Worlds II, Rz. 10 ff.; vgl. auch LG Bielefeld vom 5.8.2009 – 4 OH 385/09, Rz. 6. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG, S. 39 zu § 140b PatG; vgl. Czychowski/Nordemann, NJW 2008, 1571, 1577; Heymann, CR 2008, 568, 571; Hoffmann, MMR 2009, 655 ff.; Jüngel/Geißler, MMR 2008, 787, 790; Kitz, NJW 2008, 2374, 2376; Kuper, ITRB 2009, 12, 14 f. 3 OLG Köln vom 25.3.2011 – 6 U 87/10, Rz. 33. 4 OLG Köln vom 25.3.2011 – 6 U 87/10, Rz. 31. 5 Vgl. OLG Düsseldorf vom 8.1.2009, MMR 2009, 186, 188; dazu Hoffmann, MMR 2009, 655, 656. 6 Bohne in Wandtke/Bullinger, § 101 Rz. 6. 7 OLG Köln vom 8.2.2010, MMR 2010, 487 f. 8 OLG Köln vom 5.5.2009, MMR 2009, 547, 548; vgl. auch Hoffmann, MMR 2009, 655, 656 f.
339
G. Wettbewerbsrecht Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1398 1. Schutzzwecke des UWG . . . . . 1399 2. Geschäftliche Handlungen . . . 1403 II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs . . . . . 1410 1. Die Fallgruppen des § 1 UWG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . 1411 2. Die Beispiele des § 4 UWG . . . 1417 a) Kundenfang . . . . . . . . . . . . . . 1419 aa) Verschleierung von Werbung . . . . . . . . . . . . . 1420 bb) Preisausschreiben und Gewinnspiele . . . . . . . . . 1428 cc) Unsachgemäße Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . 1436 dd) Sonstige Fälle . . . . . . . . . 1439 b) Behinderung . . . . . . . . . . . . . . 1442 aa) Verunglimpfung . . . . . . 1448 bb) Virtuelles Hausrecht . . 1452 cc) Vertragsbruch . . . . . . . . . 1455 dd) Online-Spiele . . . . . . . . . 1457 c) Ausbeutung . . . . . . . . . . . . . . 1463 d) Rechtsbruch . . . . . . . . . . . . . . 1466 aa) Kennzeichnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1467 bb) Preisangaben . . . . . . . . . 1471 (1) Werbung und Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1476 (2) Endpreis . . . . . . . . . . . . . . 1479 (3) Letztverbraucher . . . . . . 1485 (4) Liefer- und Versandkosten; Umsatzsteuer; sonstige Preisbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1489 (5) Angebote „auf Bildschirmen“ und Versteigerungen . . . . . . . . . . 1494 (6) Grundpreis . . . . . . . . . . . 1497 (7) Gestaltung der Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . 1500 (8) Preissuchmaschinen . . 1512 (9) Bagatellfälle . . . . . . . . . . 1515 cc) Impressumspflicht . . . . 1519 (1) Telemedien . . . . . . . . . . . 1520 (2) Pflichtangaben . . . . . . . . 1526 (3) Einbindung des Impressums . . . . . . . . . . . . . . . . . 1534 (4) Sanktionen . . . . . . . . . . . 1539
Rz. dd) Anwaltliches Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . (2) Sachlichkeitsgebot und „Berufsbezogenheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Werbung um ein Einzelmandat . . . . . . . . . . . . (4) Provisionsverbot . . . . . . ee) Glücksspiele. . . . . . . . . . ff) Jugendschutz . . . . . . . . . gg) Datenschutz . . . . . . . . . . hh) AGB-Recht . . . . . . . . . . . ii) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . 3. Irreführungsverbot (§§ 5 und 5a UWG) . . . . . . . . . . a) Irreführende Angaben . . . . . b) Durchschnittsverbraucher . c) Gegenstand der Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Irreführung über das Produkt . . . . . . . . . . . . . . bb) Irreführung über den Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Blickfangwerbung . . . . . dd) Werbung mit Mondpreisen . . . . . . . . . . . . . . . ee) Irreführung über das Unternehmen. . . . . . . . . ff) Irreführung über Lieferzeiten . . . . . . . . . . . d) Irreführung durch Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 3 UWG – Auffangtatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhaltenskodex . . . . . . . . . . b) Gütezeichen . . . . . . . . . . . . . . c) Kurze Verfügbarkeit . . . . . . . d) Vertragssprache . . . . . . . . . . . e) Gesetzlich bestehende Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gewerblicher Charakter . . . g) Unbestellte Waren und Dienstleistungen . . . . . . . . .
1541 1543 1547 1557 1560 1561 1564 1571 1575 1578 1587 1588 1590 1596 1597 1607 1614 1619 1620 1627 1632 1638 1645 1645 1646 1648 1650 1653 1656 1658 1660
341
G. Wettbewerbsrecht Rz. 2. § 3 Abs. 2 UWG – Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1661 3. § 3 Abs. 1 UWG – Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1663 IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen . . . . . . . . . 1. Metatags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gattungsbegriffe . . . . . . . . . . b) Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . c) Benutzung fremder Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verletzung des Namensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hidden Content . . . . . . . . . . . . . 3. Keyword Advertising . . . . . . . . a) Gattungsbegriffe . . . . . . . . . . b) Gezielte Behinderung . . . . . c) Benutzung fremder Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verletzung des Namensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Doorwaypages . . . . . . . . . . . . . . V. E-Mail-Werbung . . . . . . . . . . . . 1. Absender und Betreffzeile . . . . a) Hintergrund und Ziel der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Absichtliches Verschleiern oder Verheimlichen . . . . . . . 2. Spamming . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wettbewerbsrecht . . . . . . . .
aa) Opt-In . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Werbung . . . . . . . . . . . . . cc) Individuelle Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einwilligung in AGB . . ee) Double-Opt-In . . . . . . . . ff) Laufende Geschäftsbeziehungen . . . . . . . . . . b) Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansprüche des Empfängers . . . . . . . . . . . bb) Ansprüche des Providers . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . aa) Empfehlungsmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) E-Cards. . . . . . . . . . . . . . . cc) Fall „Hotmail“ . . . . . . . .
1665 1668 1669 1671 1673 1678 1679 1682 1686 1688 1689 1700 1701 1704 1704 1705 1708 1712 1716
VI. 1. 2. 3. 4. 5.
Rz. 1723 1728 1734 1739 1747 1755 1759 1760 1769 1771 1771 1773 1774
Online-Werbung . . . . . . . . . . . . Links und Frames . . . . . . . . . . . Bannerwerbung . . . . . . . . . . . . . Pop-Ups und Pop-Unders . . . . Kontextsensitive Werbung . . . Spyware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1775 1775 1779 1780 1783 1785
VII. Besondere Vertriebsformen . . 1. Online-Auktionen . . . . . . . . . . 2. Umgekehrte Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Powershopping . . . . . . . . . . . . . .
1786 1786 1791 1793
I. Grundlagen 1398
Wer Waren und Dienstleistungen auf dem Markt anbietet, hat die Grundregeln lauteren Wettbewerbsverhaltens zu beachten, die im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)1 verankert sind. 1. Schutzzwecke des UWG
1399
Zweck des UWG ist der Schutz der Konkurrenten und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb (§ 1 Satz 1 UWG). Daneben schützt das UWG das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 Satz 2 UWG).
1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.7.2010, BGBl. I 2004, S. 254.
342
I. Grundlagen
Übersicht:
1400
Schutzzwecke des UWG (§ 1 UWG): – Verbraucherschutz: Schutz der Verbraucher vor unlauterem Wettbewerb; – Chancengleichheit im Wettbewerb: Schutz der Konkurrenten vor unlauterem Wettbewerb; – Funktionstüchtigkeit des Marktes: Schutz des Gemeininteresses an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Wettbewerbsrecht erlegt der unternehmerischen Betätigung Be- 1401 schränkungen auf, um gleiche Chancen aller Wettbewerber am Markt zu gewährleisten und es der Marktgegenseite zu ermöglichen, Marktentscheidungen zu treffen, die sich insbesondere an der Art und Qualität der Leistungen orientieren, die die Wettbewerber anbieten1. Der „unverfälschte“ Wettbewerb ist das Ideal, das dem UWG zugrunde liegt. „Unverfälscht“ ist der Wettbewerb, wenn Unternehmen auf unlautere Methoden verzichten und so einen freien Wettbewerb ermöglichen2. Für die Frage, ob eine Wettbewerbshandlung unlauter ist, wurde früher 1402 danach differenziert, ob die beanstandete Handlung als Versuch zu werten ist, durch Leistung zu überzeugen (Leistungswettbewerb), oder ob die Handlung den Zweck verfolgt, den Leistungswettbewerb durch einen nicht leistungsbezogenen Vorteil zu verzerren (unlauterer Nichtleistungswettbewerb)3. Diese Differenzierung wird inzwischen als zu eng und missverständlich angesehen, da sie bestimmte Erscheinungsformen des Wettbewerbs nicht erfassen kann4. Die Qualität und Preiswürdigkeit der eigenen Leistung ist aber nach wie vor das Kernelement des Schutzes aus § 3 Abs. 1 UWG5. 2. Geschäftliche Handlungen Die Regeln des UWG gelten nur für „geschäftliche Handlungen“. Nach 1403 § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG versteht man unter einer „geschäftlichen Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, während oder nach einem Geschäftsab1 Ohly in Piper/Ohly, UWG, Einf A Rz. 20. 2 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 Rz. 43. 3 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5 Rz. 21; BGH vom 18.12.1968, BGHZ 51, 236, 242 – Stuttgarter Wochenblatt I; BGH vom 30.11.1995, GRUR 1996, 363, 364 – Saustarke Angebote; BGH vom 26.3.1998, GRUR 1998, 1037, 1038 – Schmuck-Set. 4 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 Rz. 44, vgl. Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 3 Rz. 31. 5 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5 Rz. 43.
343
G. Wettbewerbsrecht
schluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. 1404
Der Begriff der geschäftlichen Handlung dient dazu, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht abzugrenzen. Deshalb ist das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs“ funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern1.
1405
Zu den geschäftlichen Handlungen können auch Handlungen nach dem Vertragsschluss zählen2. Das gesamte unternehmerische Verhalten während des vertraglichen Kontinuums – von der ersten Werbung bis zur Vertragsdurchführung – ist den Regelungen des UWG unterworfen3.
1406
Die Handlung muss allerdings objektiv mit dem Produktabsatz oder dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen zusammenhängen4. Dies ist bei allen Handlungen der Fall, die irgendwie geeignet sein können, den Absatz von Waren zu fördern. Die Vertragsdurchführung selbst hat einen solchen objektiven Zusammenhang, wenn tatsächlich (weitere) geschäftliche Entscheidungen der Kunden herbeigeführt werden sollen5.
1407
Eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Kunden im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt. So ist die Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses eine geschäftliche Handlung, weil diese Vereinbarung unabhängig von ihrer Durchsetzbarkeit geeignet ist, dem Unternehmer Kosten zu ersparen, indem er Kunden davon abhält, Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Der Unternehmer kann dadurch in die Lage versetzt werden, günstigere Preise zu kalkulieren und so seinen Warenabsatz zu fördern. Ebenso liegt eine geschäftliche Handlung vor, wenn ein Unternehmen seinen Kunden durch sein Verhalten im Rahmen der Vertragsdurchführung daran hindert, zukünftig Dienstleistungen eines Wettbewerbers in Anspruch zu nehmen. Dagegen kann eine mangelhafte oder sonst nicht vertragsgemä1 BGH vom 10.1.2013 – I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rz. 17. 2 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433; BGH vom 11.1.2007, NJW 2007, 3002, 3003 – Irreführender Kontoauszug. 3 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rz. 31; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 4 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rz. 45; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 5 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rz. 80; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433.
344
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
ße Leistung eines Unternehmers als solche zwar vertragliche Rechte des Kunden begründen; sie stellt aber keinen lauterkeitsrechtlichen Verstoß dar. Denn die Schlechtleistung ist für sich genommen nicht objektiv darauf gerichtet, den Kunden von der Geltendmachung solcher Rechte abzuhalten1. Die Grenze zu einer geschäftlichen Handlung wird bei einer Schlechtleis- 1408 tung überschritten sein, wenn der Unternehmer mit der fraglichen Handlung auf eine Übervorteilung des Kunden abzielt und von vornherein nicht gewillt ist, sich an seine Ankündigungen zu halten. In diesem Fall dient die Täuschung über die Schlechtleistung dem Abschluss des Vertrages; sie wird als Mittel im Wettbewerb um Kunden eingesetzt2.
Übersicht:
1409
Systematik des UWG: – Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG): Verbot unlauteren Wettbewerbs; – Schwarze Liste (§ 3 Abs. 3 UWG): konkrete Verbote unlauteren Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern; – Auffangklausel (§ 3 Abs. 2 UWG): allgemeines Verbot unlauteren Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern; – Beispiele (§ 4 UWG): Fallgruppen unlauteren Wettbewerbs; – Irreführungsverbot (§§ 5 und 5a UWG): Unterfall des § 3 UWG; – Vergleichende Werbung (§ 6 UWG); – Unzumutbare Belästigungen (§ 7 UWG): Sonderregelungen für das Spamming in § 7 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowie in § 7 Abs. 3 UWG.
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs Die §§ 4 bis 6 UWG enthalten eine Vielzahl von Beispielen unlauterer 1410 und somit unzulässiger Wettbewerbshandlungen. Im Wesentlichen wird durch diese Beispiele das Fallrecht kodifiziert, das die Rechtsprechung bis 2004 zu den Generalklauseln der §§ 1 und 3 UWG a.F. entwickelt hatte.
1 BGH vom 10.1.2013 – I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rz. 26; Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rz. 81; Köhler, WRP 2009, 109, 111; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433; a.A. Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1017. 2 BGH vom 10.1.2013 – I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rz. 37.
345
G. Wettbewerbsrecht
1. Die Fallgruppen des § 1 UWG a.F. 1411
§ 1 UWG a.F. erklärte sittenwidrige Wettbewerbshandlungen für unzulässig. Der wettbewerbsrechtliche Begriff der Sittenwidrigkeit wurde sodann durch die Rechtsprechung konkretisiert, indem eine Vielzahl von Fallgruppen gebildet wurde, die sich immer weiter ausdifferenzierten. Die wichtigsten dieser Fallgruppen waren:
1412
„Kundenfang“1 durch Irreführung über die Ware oder über das Unternehmen, durch Nötigung oder unzumutbare Belästigung („Anreißen“) des Kunden, durch die Gewährung besonderer unentgeltlicher Vorteile, durch Missbrauch von Autorität, durch Ausnutzung sozialer Hilfsbereitschaft oder durch das Einspannen von Laienwerbern;
1413
„Behinderung“2 des Konkurrenten, beispielsweise durch Betriebsstörungen, durch von Schädigungs- bzw. Vernichtungsabsicht getragener („ruinöser“) Preisunterbietung, durch Boykott und Diskriminierung oder durch Geschäftsehrverletzung;
1414
„Ausbeutung“3 der Leistungen eines Konkurrenten durch „sklavische Nachahmung“ bestimmter Leistungen oder fremder Werbung, durch Ausbeutung fremden (guten) Rufs („Anlehnung“) oder durch das planmäßige Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern eines Konkurrenten („Ausspannen“);
1415
„Rechtsbruch“4 durch planmäßigen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, durch Verletzung eigener vertraglicher Verpflichtungen oder durch Verleitung anderer zum Vertragsbruch bzw. durch die Ausnutzung fremden Vertragsbruches, sofern der Gewerbetreibende auf diese Weise einen Wettbewerbsvorsprung erreichen möchte;
1416
„Marktstörung“5, d.h. die Gefährdung des Marktes bzw. des Wettbewerbs als Institution, etwa bei der Gratisverteilung von Presseerzeugnissen6 1 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rz. 20.25; Ohly in Piper/ Ohly, UWG, § 4.10 Rz. 45. 2 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rz. 10.4 ff.; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.10 Rz. 1 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 1443 ff. 3 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26 Aufl. § 4 Rz. 9.51, 9.66; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.9 Rz. 45 ff., 64 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 1427 ff. 4 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rz. 11.1 ff.; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.11 Rz. 1 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 20 Rz. 1 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 1301 ff. 5 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rz. 12.1 ff.; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.10 Rz. 95 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 19 Rz. 1 ff. 6 BGH vom 18.12.1968, BGHZ 51, 236, 242 – Stuttgarter Wochenblatt I; vgl. allerdings BGH vom 20.11.2003, WRP 2004, 896 – 20 Minuten Köln; BGH vom
346
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
oder durch Gewährung von Herstellerprämien an Einzelhändler bzw. durch die vom Einzelhändler ausgesprochene Forderung von „Eintrittsgeldern“ für die Aufnahme eines Produkts in das eigene Sortiment. 2. Die Beispiele des § 4 UWG Ein Großteil dieser Fallgruppen findet sich in § 4 UWG n.F. Die Norm ist 1417 als Auflistung von Beispielen unlauterer Wettbewerbshandlungen konzipiert.
Übersicht:
1418
Beispiele unlauteren Wettbewerbs: – Kundenfang: unsachlicher Einfluss auf den Kunden (§ 4 Nr. 1 UWG); Ausnutzung subjektiver Schwächen des Verbrauchers (§ 4 Nr. 2 UWG)1; getarnte Werbung (§ 4 Nr. 3 UWG); Verschleierung von Teilnahmebedingungen bei Verkaufsförderungsmaßnahmen und Gewinnspielen (§ 4 Nr. 4 und 5 UWG); übermäßige aleatorische Anreize (§ 4 Nr. 6 UWG); – Behinderung: Herabsetzung und Verunglimpfung (§ 4 Nr. 7 UWG); Anschwärzung und geschäftliche Verleumdung (§ 4 Nr. 8 UWG); gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG); – Ausbeutung: unlautere Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen (§ 4 Nr. 9 UWG); – Rechtsbruch: Verstoß gegen Normen, die (auch) wettbewerbsbezogen sind (§ 4 Nr. 11 UWG).
a) Kundenfang Fälle unlauteren „Kundenfangs“ sind in § 4 Nr. 1 bis 6 UWG geregelt. 1419 Verboten sind danach die Ausübung von Druck und der sonstige „unangemessene Einfluss“ auf den Kunden (§ 4 Nr. 1 UWG) ebenso wie die Ausnutzung von Gebrechen, Alter, geschäftlicher Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit, Angst und Zwangslagen des Verbrauchers (§ 4 Nr. 2 UWG). Unlauterer Kundenfang liegt zudem in der Verschleierung von Werbung (§ 4 Nr. 3 UWG) und der Verschleierung der Bedingungen von Verkaufsförderungsmaßnahmen, Preisausschreiben und Gewinnspielen (§ 4 Nr. 4 und 5 UWG). Zu guter Letzt gilt das Verbot, die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig zu machen (§ 4 Nr. 6 UWG), wobei § 4 Nr. 6 UWG einschrän20.11.2003, WRP 2004, 746 – Zeitung zum Sonntag; Ruess/Tellmann, WRP 2003, 665 ff. 1 Vgl. Benz, WRP 2003, 1160 ff.
347
G. Wettbewerbsrecht
kend auszulegen ist und nicht angewendet werden kann, wenn keine Verbraucherinteressen ersichtlich sind, die durch die konkrete Werbemaßnahme beeinträchtigt werden1. aa) Verschleierung von Werbung 1420
Unter dem Gesichtspunkt der Verschleierung von Werbung verlangt § 4 Nr. 3 UWG ebenso wie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV eine Trennung zwischen allgemein-informierenden Inhalten einer Internetseite und Werbung2. § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 11 der UWG-Anlage verbietet zudem gegenüber Verbrauchern den Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung). Jede Form der Schleichwerbung3 ist unzulässig.
1421
Es ist wettbewerbswidrig, eine Werbemaßnahme so zu tarnen, dass sie für den Umworbenen nicht als Werbung erkennbar ist4. Für die Beurteilung der Erkennbarkeit ist der optische Gesamteindruck der Website entscheidend5.
1422
Werbeanzeigen, die auf der Internetseite einer Suchmaschine platziert werden, müssen deutlich als Werbung gekennzeichnet und von der restlichen Seite abgehoben werden6. Wird Werbung in einem allgemeinen Informations- bzw. Serviceangebot untergebracht, so ist die Kennzeichnung als Werbung in deutlicher Form notwendig, und zwar unabhängig davon, ob der Werbehinweis in der Form eines Hyperlinks ausgestaltet ist7 oder nicht. Notwendig ist im Normalfall eine optische Trennung der Werbung oder die Einfügung eines Wortes wie „Anzeige“8.
1 Vgl. EuGH vom 14.1.2010, WRP 2010, 232 ff.; BGH vom 5.6.2008, WRP 2008, 1175 ff. – Millionen-Chance (Vorlagebeschluss). 2 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 3.41; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 172 f.; Koch, Internet-Recht, S. 509 ff., 577 f.; Hoeren, MMR 2004, 643 ff.; Pierson, K&R 2006, 489, 492. 3 Zur Abgrenzung zur Produktplatzierung vgl. Härting/Schätzle, IPRB 2010, 19, 20. 4 Vgl. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 12 Rz. 59; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 4.3 Rz. 2; BGH vom 10.7.1981, GRUR 1981, 835, 835 f.; BGH vom 7.7.1994, GRUR 1994, 821, 821 ff. – Preisrätselgewinnauslobung I; BGH vom 7.7.1994, GRUR 1994, 823, 823 ff. – Preisrätselgewinnauslobung II; BGH vom 6.7.1995, GRUR 1995, 744, 745 ff. – Feuer, Eis & Dynamit I. 5 KG vom 24.1.2012 – 5 W 10/12, Rz. 3 mit Anm. Czernik, MMR 2012, 316 f. 6 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 3.41. 7 Wollf in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 11 Rz. 37; KG vom 30.6.2006, MMR 2006, 680 f. 8 Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 167; vgl. auch Pierson, K&R 2006, 547, 551.
348
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
An die Deutlichkeit der Kennzeichnung können höhere Anforderung zu 1423 stellen sein, wenn der angesprochene Adressatenkreis eine schwächere Aufmerksamkeits- und Lesekompetenz hat, wie dies bei Kindern der Fall ist1. Wenn eine aus bewegten Bildern bestehende Werbung mitten auf einer Unterseite „Spiele“ und nicht am Rand in Form von Bannerwerbung erscheint, kann es bei einer Website, die sich an Kinder richtet, nicht genügen, dass in dem unteren Rand der Anzeige das Wort „Werbung“ steht2. Eine ausreichende Abgrenzung zwischen „Werbung“ und „redaktionel- 1424 len“ Teil ist bei Bannerwerbung am Rand oder Seitenende stets gegeben, da jeder Internetnutzer – auch im Kindesalter – daran gewöhnt ist, dass es eine Trennung von (redaktionellen) Inhalten im optischen Zentrum eines Internetauftritts und Bannerwerbung in dessen Randbereichen gibt3. Ein Hyperlink, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine 1425 Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer erkennbar wird, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird4. Den Anforderungen des § 4 Nr. 3 UWG genügt daher ein auffällig gelb unterlegter Hyperlink mit dem Symbol eines Einkaufswagens, dem Wort Shopping und einem Werbeslogan5. Unzureichend ist ein Link mit der Bezeichnung „Prominente Sparfüchse nehmen das Volks-Sparen unter die Lupe“6. Werden redaktionelle Hyperlinks und damit verlinkte Webseiten, die 1426 ebenfalls in Form redaktioneller Beiträge aufgemacht sind, nicht in ausreichender Form als Werbung gekennzeichnet, liegt hierin ein Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG7. Eine verschleierte Werbung liegt auch darin, Wikipedia-Artikel bewusst 1427 falsch abzuändern und dadurch die eigenen Absatzmöglichkeiten zu fördern. Die angesprochenen Verkehrskreise erwarten bei einem WikipediaEintrag keine Werbung, sondern die Ergebnisse neutraler Recherchen Dritter. Dass Wikipedia-Nutzern vielfach bewusst ist, dass Einträge bei Wikipedia fehlerhaft sein können, ändert nichts an dieser Bewertung8. bb) Preisausschreiben und Gewinnspiele Nach § 4 Nr. 5 UWG ist es unlauter, bei Preisausschreiben oder Gewinn- 1428 spielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig anzugeben. 1 2 3 4 5 6 7 8
KG vom 15.1.2013 – 5 U 84/12, Rz. 5. KG vom 15.1.2013 – 5 U 84/12, Rz. 5 f. KG vom 24.1.2012 – 5 W 10/12, Rz. 1 mit Anm. Czernik, MMR 2012, 316 f. LG Berlin vom 26.7.2005, MMR 2005, 778, 779. KG vom 8.6.2007, WRP 2007, 1392 (Ls.). KG vom 30.6.2006, MMR 2006, 680, 680 f. OLG München vom 10.12.2009, WRP 2010, 671, 672. OLG München vom 10.5.2012 – 29 U 515/12, Rz. 12.
349
G. Wettbewerbsrecht
1429
Unter den Teilnahmebedingungen sind die Voraussetzungen zu verstehen, die der Interessent erfüllen muss, um an dem beworbenen Gewinnspiel teilnehmen zu können. Der Begriff der Teilnahmebedingungen ist weit zu verstehen und bezieht sich nicht nur auf die Teilnahmeberechtigung, sondern auch auf die Modalitäten der Teilnahme. Zu den Modalitäten der Teilnahme zählen alle Angaben, die der Interessent benötigt, um eine „informierte geschäftliche Entscheidung“ über die Teilnahme treffen zu können. Dementsprechend muss der Werbende auch darüber informieren, wie die Gewinner ermittelt und benachrichtigt (schriftlich, telefonisch, im Rahmen eines öffentlichen Aushangs) werden1.
1430
Kann bei der Teilnahme an einem Gewinnspiel die Telefonnummer „zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante Angebote […] aus dem Abonnementbereich“ angegeben werden, liegt darin eine unklare und nicht eindeutige Teilnahmebedingung2. Dafür spricht, dass beim Adressaten der Eindruck entstehen kann, es könne für ihn bei einer Teilnahme an dem Gewinnspiel möglicherweise günstiger sein, die Telefonnummer mitzuteilen3.
1431
Eine Einverständniserklärung zur Nutzung persönlicher Daten ist nach Auffassung des Kammergerichts4 nicht als Teilnahmebedingung anzusehen, wenn erkennbar ist, dass das Einverständnis keine Vorraussetzung für die Teilnahme darstellt.
1432
Die von dem Veranstalter bezweckte Anlockwirkung wird bereits durch die Werbung für das Gewinnspiel erreicht. Der mit § 4 Nr. 5 UWG verfolgte Schutzzweck gebietet es daher, auch die Werbung für ein Gewinnspiel in den Anwendungsbereich einzubeziehen und zu fordern, die Teilnahmebedingungen bereits bei der Werbung mitzuteilen5.
1433
§ 4 Nr. 5 UWG soll verhindern, dass in intransparenter Weise unangemessene Bedingungen für die Teilnahme am Gewinnspiel gestellt werden. Grundsätzlich sind dem Interessenten daher die Teilnahmebedingungen in einer Weise mitzuteilen, die ihm Gelegenheit gibt, die Bedingungen in Ruhe zu studieren. Beim Ausfüllen von Gewinnspielkarten hat der Interessent die notwendige Überlegungszeit, nicht jedoch bei Abgabe einer Teilnahmeerklärung über das Telefon, auch wenn die Informationen über eine Bandansage erfolgen6.
1 BGH vom 14.4.2011 – I ZR 50/09 – Einwilligungserklärung für Werbeanrufe, Rz. 18 mit Anm. Lang, K&R 2011, 511 ff. 2 BGH vom 14.4.2011 – I ZR 50/09 – Einwilligungserklärung für Werbeanrufe, Rz. 19 mit Anm. Lang, K&R 2011, 511 ff. 3 BGH vom 14.4.2011 – I ZR 50/09 – Einwilligungserklärung für Werbeanrufe, Rz. 19 mit Anm. Lang, K&R 2011, 511 ff. 4 KG vom 26.8.2010 – 23 U 34/10, Rz. 14 f. mit Anm. Voigt, K&R 2011, 270 f. 5 BGH vom 10.1.2008, WRP 2009, 1069, 1070 – Urlaubsgewinnspiel. 6 Reinholz, GRUR-Prax 2010, 16, 16.
350
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Bei Fernsehwerbung für ein Gewinnspiel reicht es aus, dass auf eine Web- 1434 site verwiesen wird, die die Teilnahmebedingungen enthält, da das Fernsehen für ausführliche Informationen aus medienimmanenten Gründen ungeeignet ist. Dies gilt jedenfalls, wenn die Teilnahme des Verbrauchers an dem Gewinnspiel auf Grund der Fernsehwerbung noch nicht ohne Weiteres – etwa auf Grund der Angabe einer Rufnummer – möglich ist1. Websites und E-Mails sind weniger flüchtige Medien als das Fernsehen, 1435 weshalb es dort erforderlich ist, die Teilnahmebedingungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werbung, – etwa über einen Link – abrufbereit zu halten2. cc) Unsachgemäße Beeinflussung Die massive Geltendmachung von (zweifelhaften) Erfüllungsansprüchen 1436 kann nach § 4 Nr. 1 UWG unlauter sein, wenn es zu einer massiven Einschüchterung kommt und die (vermeintlichen) Schuldner ohne Rücksicht auf die Berechtigung der gestellten Forderungen zahlen, um von weiterem Druck verschont zu bleiben. Es reicht allerdings nicht aus, dass die Forderung auf einem Vertrag beruht, der seinerseits unter Verwendung unlauterer Geschäftspraktiken zustande gekommen ist3. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 UWG sind erfüllt, wenn es in einer 1437 Rechnung heißt, die falsche Angabe des Geburtsdatums sei ein Betrugsdelikt, und man behalte sich eine Strafanzeige vor4. Ein Fall der unangemessenen Beeinflussung des Kunden (§ 4 Nr. 1 UWG) 1438 liegt nach Auffassung des OLG Köln vor, wenn ein Internetanbieter die Teilnahme des Verbrauchers an einer Verlosung von Eintrittskarten von der Erklärung abhängig macht, dass der Verbraucher mit der Weitergabe von persönlichen Daten an Drittunternehmen und mit Werbeanrufen einverstanden ist.5. dd) Sonstige Fälle Nach § 4 Nr. 2 UWG handelt unlauter, wer Wettbewerbshandlungen vor- 1439 nimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen. Diese Voraussetzungen liegen vor bei einer Website, die sich an Kinder zwischen 3 und 12 Jahren wendet, wenn die Kinder aufgefordert werden, personenbezogene Daten preiszugeben, ohne dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 BDSG vor1 2 3 4 5
BGH vom 9.7.2009, NJW 2010, 616 ff. – FIFA-WM-Gewinnspiel. Reinholz, GRUR-Prax 2010, 16, 16. Vgl. LG Düsseldorf vom 28.8.2009 – 38 O 34/09. Vgl. LG Mannheim vom 12.5.2009, MMR 2009, 568 ff. OLG Köln vom 12.9.2007, K&R 2008, 48, 50.
351
G. Wettbewerbsrecht
liegen1. Eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Jugendlichen ist nach Auffassung des OLG Hamm anzunehmen, wenn Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren zur Überlassung von Kontaktdaten gegen ein „Entgelt“ (ein Werbegeschenk oder die Teilnahme an einem Gewinnspiel) aufgefordert werden2. 1440
Nach § 4 Nr. 4 UWG ist es unlauter, bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig anzugeben. Wirbt daher ein Lebensmitteldiscounter auf einer mit „billiger“ gekennzeichneten Seite seines Internetauftritts mit reduzierten Preisen, so muss er auf eine zeitliche Beschränkung der Preisreduzierung klar und deutlich hinweisen. Versteckte Hinweise auf verschiedenen Unterseiten reichen nicht aus3.
1441
Wird für ein Produkt der Firma Danone im Fernsehen mit einer „Geldzurück-Garantie“ geworben, kann es ausreichen, für die genauen Teilnahmebedingungen auf die Website danone.de zu verweisen, wenn die Teilnahmebedingungen keine überraschenden Einschränkungen der „Garantie“ enthalten4. b) Behinderung
1442
Fälle der unlauteren Behinderung sind in § 4 Nr. 7, 8 und 10 UWG geregelt. Während § 4 Nr. 10 UWG generalklauselartig die gezielte Behinderung von Mitbewerbern untersagt5, enthält § 4 Nr. 7 UWG das Verbot der Herabsetzung und Verunglimpfung von Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen bzw. geschäftlichen Verhältnissen eines Konkurrenten. § 4 Nr. 8 UWG untersagt die Anschwärzung und geschäftliche Verleumdung des Mitbewerbers6.
1443
Die Abgrenzung zwischen einer erlaubten und einer unlauteren, gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) erfordert eine Betrachtung der Umstände des Einzelfalls, bei der die sich gegenüberstehenden Interessen der beteiligten Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen sind7.
1444
Als gezielt ist eine Behinderung anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers gerichtet 1 2 3 4 5 6 7
OLG Frankfurt a.M. vom 30.6.2005, NJW-RR 2005, 1280, 1281 f. OLG Hamm vom 20.9.2012 – 4 U 85/12, Rz. 59. OLG Stuttgart vom 8.2.2007, MMR 2007, 385 f. BGH vom 11.3.2009, NJW 2010, 612, 615 f. – Geld-zurück-Garantie II. Vgl. Omsels, WRP 2004, 137 ff. Vgl. OLG Hamburg vom 3.7.2003, CR 2004, 540. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 10.11.
352
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
ist. Bei einem Kundenfang oder jedenfalls einer Umleitung von Kundenströmen muss demnach im Vordergrund stehen, mögliche Kunden vom Wettbewerber abzulenken. Wird nur beabsichtigt, Kunden zu sich hin zu lenken, ist das bloße Folge des Leistungswettbewerbs und reicht für eine gezielte Behinderung nicht aus1. Das Ausspannen und Abfangen von Kunden ist nur wettbewerbswidrig, 1445 wenn besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers ist gegeben, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Eine solche unangemessene Einwirkung auf den Kunden liegt nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn sich der Abfangende zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen, aufzudrängen2. Maßgeblich ist eine Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen. 1446 Die behindernde Maßnahme muss ihrer Art nach darauf gerichtet sein, den Mitbewerber an seiner wettbewerblichen Entfaltung zu hindern3. Bei der Bewertung spielt auch eine Rolle, ob der Handelnde seine Ziele mit weniger einschneidenden Wirkungen erreichen könnte4. Eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG liegt vor, wenn Inter- 1447 netnutzern die (kostenpflichtige) Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft angeboten wird zur Nutzung von Breitband-Internetanschlüssen anderer Nutzer, die Flatrate-Kunden von Breitband-Anbietern sind5. Die Betreiber der Gemeinschaft machen den Breitband-Anbietern auf unfaire Weise Konkurrenz, indem sie sich für ihr Geschäftsmodell der kostenfreien Teilhabe an Internetzugängen bedienen, die die Konkurrenten ihren Kunden gegen ein erkennbar anders kalkuliertes Entgelt zur Verfügung stellen. Statt mit eigenen technischen oder organisatorischen Leistungen auf der Vorleistung eines Dritten aufzubauen, um sie marktkonform fortzuentwickeln, nutzen die Betreiber eine von den Konkurrenten unter anderen Voraussetzungen geschaffene Infrastruktur „schmarotzend“ aus,
1 OLG Hamm vom 21.12.2010 – 4 U 142/10, Rz. 29; vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 10.11. 2 BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 330 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; KG vom 9.9.2008, MMR 2009, 47, 48 = CR 2009, 113, 117 ff.; KG vom 26.9.2008, MMR 2009, 69 (Ls.); OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, K&R 2008, 309, 310 f. mit Anm. Mann; LG Düsseldorf vom 14.1.2009, MMR 2009, 290 (Ls.). 3 OLG Hamm vom 21.12.2010 – 4 U 142/10, Rz. 29. 4 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 10.11; LG Essen vom 26.3.2009, CR 2009, 395 ff. = ITRB 2009, 149 (Schwartmann); vgl. auch Harte-Bavendamm/HenningBodewig, UWG, § 4 Nr. 10 Rz. 15. 5 OLG Köln vom 5.6.2009, CR 2009, 576 ff.
353
G. Wettbewerbsrecht
um sich mit einem eigenen kommerziellen Angebot am Markt zu etablieren. aa) Verunglimpfung 1448
Ein Fall der wettbewerbswidrigen Verunglimpfung (§ 4 Nr. 7 UWG) liegt vor, wenn Schmähkritik über die Leistungen eines Konkurrenten verbreitet wird.
1449
Wird das Produkt eines Wettbewerbers im Internet als ein „hoffnungslos überteuerter Schrotthaufen“ beschrieben1, so erfüllt dies den Tatbestand des § 4 Nr. 7 UWG. Dasselbe gilt, wenn ein redaktioneller Beitrag auf einer Verkaufsplattform veröffentlicht wird, in dem Konkurrenten als „schwarze Schafe“ im Bereich des Matratzenhandels angeprangert werden2. Der Tatbestand des § 4 Nr. 7 UWG kann auch erfüllt sein, wenn ein Unternehmen im Internet ungeschwärzte Urteile publiziert, um einem Mitbewerber irreführende Werbung und vorsätzliche Täuschung vorzuwerfen3.
1450
Wird in einem Newsletter behauptet, „dass sich immer noch merkwürdige Anbieter auf dem Markt befinden“ und wird dies durch zwei Links zu Artikeln eines Dritten unterfüttert, so liegt darin eine Verunglimpfung von Mitbewerbern, die in den Artikeln namentlich genannt werden, ohne dass konkrete Umstände genannt werden, die den Vorwurf des Betrugs belegen, der in den Artikeln erhoben wird4.
1451
Ein Blog ist „Tatort“ für eine wettbewerbswidrige Verunglimpfung, wenn dort herabsetzende Äußerungen über einen Konkurrenten verbreitet werden („An dieser Stelle fällt mir nur ein Wort ein: LÜGE. Anders kann man diese Texte der Firma F.de nicht begreifen. Kann sich nicht einmal ein Anwalt dieser offensichtlichen Falschaussage annehmen? Denn es ist kaum zu glauben, dass diese Aussage ein Einzelfall ist.“)5. bb) Virtuelles Hausrecht
1452
Der Betreiber einer Website hat das Recht, in „Nutzungsbedingungen“ festzulegen, welche Art der Nutzung seiner Website zulässig sein soll. Für die Ausgestaltung der „Nutzungsbedingungen“ hat sich der Begriff des „virtuellen Hausrechts“ eingebürgert6. Maßnahmen, die auf eine
1 2 3 4 5 6
Vgl. LG München I vom 17.10.1996, CR 1997, 155. OLG Hamm vom 28.1.2010, MMR 2010, 330, 331. OLG Hamm vom 7.2.2008, MMR 2008, 750 ff. BGH vom 19.5.2011 – I ZR 147/09, Rz. 37. OLG Hamm vom 23.10.2007, MMR 2008, 737 f. Vgl. Maume, MMR 2007, 620 ff.
354
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Missachtung von Nutzungsbedingungen bzw. des „Hausrechts“ abzielen, können den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG erfüllen1. In einem „Screen Scraping“ kann eine gezielte Behinderung in Form des 1453 „Schleichbezuges“ liegen. Dies ist zu bejahen, wenn die Website eines Flugunternehmens systematisch und automatisiert von einem Anbieter von Pauschalreisen durchsucht wird. Hat das Flugunternehmen in den Nutzungsbedingungen seiner Website ein solches „Screen Scraping“ untersagt, so erfüllt der Pauschalreiseanbieter den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG, wenn er sich über dieses Verbot hinwegsetzt2. Hierzu bedarf es keines Nachweises, dass es auf Grund des „Screen Scrapings“ zu Störungen der Funktionsfähigkeit der betroffenen Website kommt3. Der Betreiber einer Website darf einem Konkurrenten den Zugriff auf sei- 1454 ne Seiten verwehren durch eine IP-Sperrung, um übermäßige Seitenaufrufe zu verhindern. Testaufrufe der Seiten durch Konkurrenten hat der Website-Betreiber zwar grundsätzlich zu dulden4, dies jedoch nur bis zur Grenze einer Betriebsstörung5. cc) Vertragsbruch Aus der jüngeren Rechtsprechung des BGH lässt sich ableiten, dass eine 1455 Verleitung zum Vertragsbruch nur noch im Ausnahmefall die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG erfüllt6. Eine unlautere Behinderung setzt danach voraus, dass gezielt und bewusst darauf hingewirkt wird, dass ein anderer eine ihm obliegende Vertragspflicht verletzt. Es bedarf einer Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht. Unlauter ist die Beeinträchtigung erst dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigte Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können7. 1 OLG Hamburg vom 28.5.2009, CR 2009, 609, 610 f.; a.A. OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009, CR 2009, 390, 390. 2 OLG Hamburg vom 28.5.2009, CR 2009, 609, 610 f.; a.A. OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009, CR 2009, 390, 390. 3 A.A. OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009, CR 2009, 390, 390. 4 Vgl. LG Hamburg vom 13.7.2006, NJW-RR 2007, 252 = CR 2007, 120. 5 OLG Hamburg vom 18.4.2007, NJW 2007, 3361 f. = CR 2007, 597 f. = MMR 2008, 58 f.; OLG Hamm vom 23.10.2007, MMR 2008, 175 f.; OLG Hamm vom 10.6.2008, CR 2009, 121 ff. = K&R 2009, 48, 49 ff. 6 BGH vom 11.9.2008 – I ZR 74/06, BGHZ 178, 63 ff. – bundesligakarten.de; BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10, CR 2011, 757 ff. – Automobil-Onlinenbörse. 7 BGH vom 11.1.2007 – I ZR 96/04, BGHZ 171, 73 ff. – Außendienstmitarbeiter; BGH vom 7.10.2009 – I ZR 150/07, WRP 2010, 644 ff. – Rufumleitung.
355
G. Wettbewerbsrecht
1456
Das Ausnutzen fremden Vertragsbruchs erfüllt nur dann den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG, wenn besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Hierzu reicht ein systematisches und planmäßiges Vorgehen für sich allein nicht aus, da ein solches Vorgehen im Wesen des Wettbewerbs liegt1. dd) Online-Spiele
1457
Untersagt der Anbieter eines Online-Spiels den Spielern vertraglich die Nutzung jeglicher „Schummelprogramme“, so liegt die Vermutung nahe, dass die Hersteller von „Cheats“ mit ihrem Angebot die potentiellen User zu einem Bruch ihrer vertraglichen Verpflichtungen motivieren könnten. Hieraus wird gelegentlich – vorschnell – eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG abgeleitet2.
1458
Die Entwicklung und der Vertrieb von „Cheats“ verfolgen nicht den Zweck, die Spieleanbieter an ihrer Entfaltung am Markt zu hindern oder sie gar aus dem Markt zu drängen bzw. ihre Leistungsfähigkeit auf dem Markt zu beschränken. Das Gegenteil ist der Fall: Die „Cheat“-Software baut auf den betroffenen Spielen auf, die Anbieter der Software sind auf den Bestand und Erfolg der Spiele angewiesen. „Cheats“ erfüllen die Funktion eines Zubehörs zum Spiel. Wie jeder Zubehörhändler haben die Anbieter ein natürliches Interesse am Erfolg des zugrunde liegenden Spieles. Schon dies spricht gegen die Annahme einer (unlauteren) Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG3.
1459
Ein weiterer wettbewerbsrechtlicher Verstoß könnte in der Ausnutzung des Vertragsbruches der Spielenden gesehen werden. Denn der Einsatz von „Cheat“-Software verstößt regelmäßig gegen die Nutzungsbedingungen der Spiele. Um bei einer Ausnutzung eines fremden Vertragsbruchs einen Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG zu bejahen, müssen zu dem Vertragsbruch Umstände hinzutreten, aus denen sich eine Unlauterkeit ableiten lässt4. Dies wiederum ist auf den Gedanken zurück zu führen, dass die schuldrechtlichen Bindungen zwischen dem Spielbetreiber und seinem Vertragspartner (Spieler) im Allgemeinen keine rechtlichen Wirkungen gegenüber Dritten („Cheat“-Anbietern) entfalten5. Eine Drittwirkung würde es zu einer Verdinglichung schuldrechtlicher Verpflichtungen führen, die dem Wettbewerbsrecht fremd ist6.
1 BGH vom 11.9.2008, WRP 2009, 177, 180 f. – bundesligakarten.de; vgl. auch LG Hamburg vom 5.3.2010, MMR 2010, 410 ff. mit Anm. Neuhöfer/Schmidt. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 17.10.2012 – 5 U 168/11, Rz. 30 f.; LG Hamburg vom 30.6.2011 – 327 O 741/10 – Runes of Magic Trading (Vorinstanz); LG Hamburg vom 19.7.2012 – 312 O 322/12, Rz. 78 ff. 3 Härting/Bielajew, IPRB 2012, 13, 14. 4 BGH vom 11.1.2007 – I ZR 96/04, BGHZ 171, 73 ff. – Außendienstmitarbeiter. 5 Härting/Bielajew, IPRB 2012, 13, 14. 6 BGH vom 11.9.2008 – I ZR 74/06, BGHZ 178, 63 ff. – bundesligakarten.de.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Die wohl entscheidende Frage lautet, ob sich eine unlautere Behinderung 1460 gemäß § 4 Nr. 10 UWG aus dem Umstand ableiten lässt, dass „Cheats“ in das innere Spielsystem eingreifen und somit grundlegende Spielregeln sowie Prinzipien der Fairness, Gerechtigkeit und Chancengleichheit verletzen1. Es mag stimmen, dass die Spielregeln, wenn sie vertraglich vereinbart 1461 wurden, eine rechtliche Bindungswirkung zwischen den Teilnehmern des Spiels entfalten, gegenüber Dritten wirken diese Spielregeln indes nicht. Selbst bei der Nutzung einer Software, die eine Störung von Betriebsabläufen zur Folge hat, ist ein Verstoß nach § 4 Nr. 10 UWG zu verneinen, solange es nicht zu einer unzumutbaren technischen Beeinträchtigung kommt2. Von einer technischen Beeinträchtigung von Betriebsabläufen kann bei den „Cheats“ keine Rede sein3. Das LG Hamburg hat ein unlauteres „Einschieben in eine fremde Serie“ 1462 gemäß § 4 Nr. 9 lit. b UWG in einem Fall bejaht, in dem ein kostenlos angebotener „Cheat“ dazu diente, eine kostenpflichtige Zusatzfunktion eines Spiels zu ersetzen4. Dabei hat das Gericht jedoch übersehen, dass der BGH eine unlautere Rufausbeutung gemäß § 4 Nr. 9 lit. b UWG bei einem „Einschieben in eine fremde Serie“ allenfalls noch zeitlich befristet bejaht5. Ein pauschaler „Zubehörschutz“ gegen „Cheats“ lässt sich aus § 4 Nr. 9 lit. b UWG jedenfalls nicht ableiten6. c) Ausbeutung Um Fälle der „Ausbeutung“ geht es in § 4 Nr. 9 UWG. Unlauter ist dem- 1463 nach die Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers, wenn die Nachahmung zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung führt (§ 4 Nr. 9 lit. a UWG), die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (§ 4 Nr. 9 lit. b UWG)7 oder wenn die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse und Unterlagen unredlich erlangt worden sind (§ 4 Nr. 9 lit. c UWG). Unabhängig von der Urheberrechtsfähigkeit der Inhalte einer Website8 1464 kann es daher unzulässig sein, die Inhalte einer fremden Website nachzuahmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, die Inhalte seien tatsächlich von dem Dritten erstellt worden. Die unmittelbare Übernahme von 1 2 3 4 5
Vgl. LG Hamburg vom 30.6.2011 – 327 O 741/10 – Runes of Magic Trading. BGH vom 22.6.2011 – I ZR 159/10, CR 2011, 757 ff. – Automobil-Onlinebörse. Härting/Bielajew, IPRB 2012, 13, 14. LG Hamburg vom 9.7.2009 – 308 O 332/09, CR 2009, 356 f. Vgl. BGH vom 2.12.2004 – I ZR 30/02, BGHZ 161, 204 ff. – Klemmbausteine III. 6 Härting/Bielajew, IPRB 2012, 13, 14. 7 Vgl. OLG Hamm vom 29.1.2009, MMR 2009, 774, 775. 8 Vgl. Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529; siehe Rz. 1133 ff.
357
G. Wettbewerbsrecht
Ergebnissen der Arbeit Dritter kann eine unlautere Wettbewerbshandlung sein1. 1465
Werden auf einer Webseite kurze Filmausschnitte von Amateur- und Jugendfußballspielen gezeigt, die von den Nutzern der Seite hochgeladen werden, so liegt darin keine unmittelbare Übernahme des Leistungsergebnisses eines Dritten und somit auch keine unzulässige Nachahmung i.S.d. § 4 Nr. 9 UWG2. Vielmehr handelt es sich um eine an das Fußballspiel anknüpfende Leistung, die sich grundlegend von der Leistung abgrenzt, die der Verband erbringt, der das Spiel ausrichtet3. Da die Vorstellung der Güte oder Qualität der Leistung des Sportverbands nicht auf die Kurzausschnitte übertragen wird, fehlt es auch an einer Rufausnutzung nach § 4 Nr. 9 lit. b, 1. Alt. UWG4. d) Rechtsbruch
1466
Um „Rechtsbruch“ geht es in § 4 Nr. 11 UWG. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die jedenfalls auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der verletzten Norm, die der BGH bereits nach früherem Recht verlangte5, ist in die Regelung des § 4 Nr. 11 UWG eingeflossen. aa) Kennzeichnungspflichten
1467
Wettbewerbsbezug liegt vor bei der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (EnVKV) und der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) Dies gilt insbesondere für die Kennzeichnungspflichten im Fernabsatz (§ 5 EnVKV6 und § 5 Pkw-EnVKV7).
1468
§ 1 Abs. 1 Textilkennzeichengesetz (TextilKennzG) schreibt für das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Textilerzeugnissen eine Angabe über Art und Gewichtsanteil der verwendeten textilen Rohstoffe vor und hat
1 2 3 4 5
Vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 9.21 f. BGH vom 28.10.2010 – I ZR 60/09 – Hartplatzhelden, Rz. 16. BGH vom 28.10.2010 – I ZR 60/09 – Hartplatzhelden, Rz. 16. BGH vom 28.10.2010 – I ZR 60/09 – Hartplatzhelden, Rz. 18. BGH vom 11.5.2000, BGHZ 144, 255, 264 = NJW 2000, 3351, 3354 = GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen; BGH vom 25.4.2002, BGHZ 150, 343, 347 f. = NJW 2002, 2645, 2646 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten; BGH vom 26.9.2002, NJW 2003, 586, 587 = GRUR 2003, 164, 165 = WRP 2003, 262 – Altautoverwertung. 6 Vgl. OLG Dresden vom 24.11.2009, MMR 2010, 465; OLG Hamm vom 11.3.2008, MMR 2009, 69 (Ls.). 7 Vgl. BGH vom,4.2.2010 – I ZR 66/09 – Gallardo Spyder, Rz. 16; OLG Köln vom 3.6.2009, MMR 2010, 103; OLG Stuttgart vom 27.11.2008, NJW-RR 2009, 917, 919; OLG Stuttgart vom 27.11.2008, NJW-RR 2009, 913, 916 f.
358
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Wettbewerbsbezug1. Ebenso fällt § 8 Abs. 1 Satz 2 Altölverordnung (AltölV) in den Anwendungsbereich von § 4 Nr. 11 UWG2. Die Norm begründet eine Hinweispflicht auf Annahmestellen zur kostenlosen Altölrücknahme. Auch das Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestim- 1469 mung (EinhZeitG) hat Wettbewerbsbezug. Werden daher Computerbildschirme in einem Internetshop mit Größenangaben in Zoll angeboten, ohne dass die cm-Maße genannt werden, so ist der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG erfüllt3. Nicht jeder Verstoß gegen Kennzeichnungspflichten ist wettbewerbswid- 1470 rig. Nicht selten fehlt es an der nach § 3 Abs. 1 UWG erforderlichen spürbaren Beeinträchtigung von Wettbewerbsbelangen4. bb) Preisangaben Verstöße gegen die Preisangabenverordnung (PAngV)5 sind gemäß § 4 1471 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig6. Dies gilt insbesondere für den Fernabsatz, für den in § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG die Angabe des Endpreises und der Lieferkosten als wesentliche Informationen bezeichnet werden, die dem Verbraucher mitzuteilen sind. Für Flugreisen gilt ergänzend Art. 23 der EG-Verordnung über gemein- 1472 same Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (LuftVO)7. Flugpreise, die für Flugdienste von einem Flughafen eines EU-Mitgliedsstaates angeboten oder veröffentlicht werden, müssen den Endpreis ausweisen einschließlich des Flugpreises und aller anfallenden Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und vorhersehbar sind (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 LuftVO). Fakultative Zusatzkos-
1 LG Frankenthal vom 14.2.2008, MMR 2009, 144 (Ls.). 2 OLG Hamburg vom 2.6.2010 – 5 W 59/10. 3 OLG Hamm vom 10.5.2010 – 4 W 48/10, Rz. 2; LG Bochum vom 30.3.2010, K&R 2010, 430, 431 (Vorinstanz). 4 Vgl. OLG Hamm vom 10.5.2010 – 4 W 48/10, Rz. 3; LG Bochum vom 30.3.2010, K&R 2010, 430, 431 (Vorinstanz). 5 Preisangabenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.10.2002, BGBl. I 2002, S. 4197, zuletzt geändert durch § 20 Abs. 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004, BGBl. I 2004, S. 1420. 6 BGH vom 25.2.1999, GRUR 1999, 762, 763 = WRP 1999, 845, 846 – Herabgesetzte Schlussverkaufspreise; BGH vom 5.7.2001, GRUR 2001, 1166, 1168 – Fernflugpreise; BGH vom 3.7.2003, CR 2003, 816, 817 mit Anm. Schirmbacher = WRP 2003, 1347, 1349 – Telefonischer Auskunftsdienst; BGH vom 15.1.2004, WRP 2004, 490, 491 = NJW-RR 2004, 906, 907 – FrühlingsgeFlüge; BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192, 193 – Versandkosten bei Froogle; BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 372 – Kamerakauf im Internet mit Anm. Reinholz, GRUR – Prax 2010, 90. 7 Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vom 24.9.2008, Amtsblatt der EU L 293/3.
359
G. Wettbewerbsrecht
ten sind auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitzuteilen; die Annahme der fakultativen Zusatzkosten1 durch den Kunden hat auf „Opt-in“-Basis zu erfolgen (Art. 23 Abs. 1 Satz 4 LuftVO)2. 1473
§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV schreibt die Angabe der Endpreise vor, wenn gegenüber Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen angeboten werden. Dasselbe gilt für den Fall, dass ein Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt.
Übersicht:
1474
Preisangabenverordnung (PAngV): – Anwendungsbereich: Angebote des Unternehmers an Letztverbraucher und Werbung, sofern in der Werbung Preise genannt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV). – Endpreise: Es sind stets die Endpreise anzugeben einschließlich aller Preisbestandteile (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV). – Fernabsatz: Im Fernabsatz bedarf es neben der Angabe eines Endpreises der Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV) sowie der Angabe, dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV). – Gestaltung der Preisangaben: Preisklarheit und Preiswahrheit; die Pflichtangaben müssen dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen und gut wahrnehmbar gestaltet sein (§ 1 Abs. 6 PAngV). – Bagatellklausel: Bei geringfügigen Verstößen gegen die PAngV fehlt es an einem erheblichen Wettbewerbsverstoß, so dass der Tatbestand des § 3 Abs. 1 UWG nicht erfüllt ist. Û Verbraucherrechterichtlinie: Durch das Gesetz3 zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie4, das am 13.6.2014 in Kraft tritt, wird der Begriff des „Endpreises“ durch den Begriff „Gesamtpreis“ ersetzt, ohne dass damit inhaltliche Änderungen verbunden sind.
1475
1 2 3 4
Vgl. LG Dresden vom 5.10.2012 – 42 HK O 299/11, Rz. 35 ff. EuGH vom 19.7.2012 – C-112/11, Rz. 14. Gesetzesentwurf BT-Drs. 17/12637. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011.
360
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
(1) Werbung und Angebote Die PAngV gilt für Angebote des Unternehmers und für Werbung, sofern 1476 in der Werbung Preise genannt werden. Wenn der Unternehmer unter Angabe von Preisen wirbt, muss er grundsätzlich vollständige Angaben machen1. Eine Werbung unter Angabe von Preisen liegt vor, wenn ein Einzelpreis oder ein bestimmter Preisbestandteil angegeben wird2. Das eingesetzte Medium spielt dabei keine Rolle. Auch die Werbung in E-MailNewslettern muss sich an den Anforderungen der PAngV messen lassen3. Der Begriff des Angebots ist weiter als der eines Angebots nach § 145 1477 BGB4. Ausreichend ist, wenn der Kunde rechtlich zwar noch unverbindlich, tatsächlich aber schon gezielt im Hinblick auf den Kauf einer Ware angesprochen wird. Die Ankündigung muss ihrem Inhalt nach folglich so konkret gefasst sein, dass sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne Weiteres zulässt5. Im E-Commerce ist demnach zu beachten, dass Warenpräsentationen 1478 mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit preisangaberechtlich als Angebote anzusehen sind und daher stets einer Preisangabe bedürfen. Für eine Anzeige, die ohne Preisangaben für eine Marke wirbt, gilt die PAngV dagegen nicht6. (2) Endpreis § 1 Abs. 1 PAngV sieht – auch für das Internet – eine Pflicht zur Angabe 1479 des Endpreises vor. Die Endpreisangabe soll verhindern, dass der Letztverbraucher selbst den zu zahlenden Preis ermitteln muss. Endpreis ist das tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt7. Anzugeben ist daher der Gesamtpreis inklusive aller Steuern, Gebühren und Zuschläge8. Ein Anbieter, der im Internet Flugreisen anbietet, muss in den beworbe- 1480 nen Endpreis alle Preisbestandteile einrechnen, die er selbst festlegt. Eine „Service Charge“ und ein „Treibstoffzuschlag“ dürfen daher nicht geson-
1 BGH vom 8.10.1998, GRUR 1999, 264, 267 – Handy für 0,00 DM; BGH vom 26.2.2009, CR 2009, 746, 747 – Dr. Clauder’s Hufpflege. 2 Vgl. OLG Düsseldorf vom 20.4.2004, GRUR-RR 2005, 87, 88; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754, 754. 3 Vgl. BGH vom 10.12.2009 – I ZR 149/07. 4 BGH GRUR 1980, 304, 304 f. – Effektiver Jahreszins bei Kreditangeboten; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223. 5 BGH GRUR 1980, 304, 304 f. – Effektiver Jahreszins bei Kreditangeboten; vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 PAngV Rz. 5; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223. 6 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223. 7 BGH GRUR 1983, 665, 666 – qm-Preisangaben. 8 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223.
361
G. Wettbewerbsrecht
dert ausgewiesen werden1. Dasselbe gilt für Kreditkartengebühren, wenn dem Verbraucher keine echte kostenfreie Zahlungsalternative geboten wird2, sowie für Flughafengebühren und Steuern, die von dem Flugziel und der Flugroute abhängen3. 1481
Die Verpflichtung zur Bildung eines Endpreises entfällt, wenn ein solcher Endpreis wegen der Zeit- und Verbrauchsabhängigkeit einzelner Preiskomponenten nicht gebildet werden kann4. Kann ein Endpreis nicht gebildet werden, so sind die Kosten auf andere Weise hinreichend deutlich kenntlich zu machen5; die einzelnen Preisbestandteile6 sind anzugeben7.
1482
Nicht erforderlich ist eine Preisangabe für Zusatzprodukte, die nicht notwendig mit erworben werden müssen (z.B. Verbrauchsmaterialien oder Zubehör). Anders verhält es sich jedoch, wenn mit dem Erwerb des angebotenen oder beworbenen Produkts zugleich eine Entscheidung oder eine nicht ohne Weiteres abzuändernde Vorentscheidung im Hinblick auf ein anderes Produkt des Anbieters oder Werbenden verbunden ist. In einem solchen Fall ist der Anbietende oder Werbende verpflichtet, die für dieses andere Produkt entstehenden Kosten deutlich kenntlich zu machen
1483
Setzt die Inanspruchnahme einer Internet-Flatrate einen Kabelanschluss voraus, müssen jedenfalls Verbraucher, die im Zeitpunkt der Werbung einen Kabelanschluss noch nicht haben, diesen erst beauftragen und eine Installationspauschale und monatliche Gebühren zahlen. Wer für eine Flatrate Preise angibt, muss auf die Zusatzkosten für den Kabelanschluss hinweisen8.
1484
Zu weit geht es, wenn das OLG Schleswig9 einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV bereits darin sieht, dass für Hotelzimmerpreise eine Preisspanne „von … bis …“ angegeben wird, obwohl es sich bei den Preisen jeweils um die Endpreise (ohne Zuschläge) handelt. Vertretbar erscheint es dagegen, Kfz-Überführungskosten aus dem Ausland als Preis-
1 KG vom 4.1.2012 – 24 U 90/10, Rz. 41; OLG Frankfurt a.M. vom 14.2.2008 – 6 U 75/07; LG Leipzig vom 19.3.2010, WRP 2010, 959, 961; a.A. OLG Köln vom 23.3.2007, MMR 2007, 792, 792. 2 KG vom 9.12.2011 – 5 U 147/10, Rz. 27 ff.; LG Berlin vom 3.8.2005, WRP 2005, 2569 f. 3 BGH vom 3.4.2003, NJW 2003, 3055, 3056 – Internet-Reservierungssystem; BGH vom 29.4.2010 – I ZR 23/08 – Costa del Sol, Rz. 15; OLG Köln vom 29.10.2004, MMR 2005, 251 f. 4 BGH vom 10.12.2009 – I ZR 149/07 – Sondernewsletter, Rz. 33; BGH vom 29.4.2010 – I ZR 23/08 – Costa del Sol, Rz. 18. 5 BGH vom 10.12.2009 – I ZR 149/07 – Sondernewsletter, Rz. 33. 6 BGH vom 17.7.2008 – I ZR 139/05 – Telefonieren für 0 Cent!, Rz. 18. 7 KG vom 26.1.2012 – 23 W 2/12, Rz. 27. 8 BGH vom 10.12.2009 – I ZR 149/07 – Sondernewsletter, Rz. 30. 9 OLG Schleswig vom 8.5.2007, WRP 2007, 1127 ff.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
bestandteil anzusehen, der in den Endpreis einzurechnen ist1. Ob dies auch dann gelten kann, wenn eine Selbstabholung (fakultativ) angeboten wird2, ist zweifelhaft. (3) Letztverbraucher Die Bestimmungen der PAngV gelten nur für Angebote und Werbung ge- 1485 genüber Letztverbrauchern. Allerdings finden die Vorschriften der PAngV keine Anwendung auf Angebote oder Werbung gegenüber Letztverbrauchern, die die Ware oder Leistung in ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen oder in ihrer behördlichen oder dienstlichen Tätigkeit verwenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV). Ob sich ein Angebot (auch) an Letztverbraucher richtet, bestimmt sich 1486 nach der Auffassung der Verkehrskreise, an die das Angebot gerichtet ist. Ob der Anbieter tatsächlich nur an Händler, nicht jedoch an Privatkunden verkaufen möchte, ist ohne Belang, wenn das Angebot jedenfalls den Eindruck erweckt, (auch) an Privatkunden gerichtet zu sein3. Angebote im Internet lassen sich schwerlich auf einen ausschließlich ge- 1487 werblichen Kundenkreis einschränken, da sich der Zugang privater Interessenten weder ausschließen noch zuverlässig kontrollieren lässt. Daher wird man nur dann die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV anwenden können, wenn sich die angebotenen Waren oder Dienstleistungen entweder ausschließlich zu gewerblichen Zwecken nutzen lassen – wie beispielsweise bei der Vermietung von Büroräumen4 – oder bei der Preisgestaltung zwischen gewerblichen Interessenten und privaten Kunden ausdrücklich unterschieden wird. Im letztgenannten Fall beschränkt sich die Bindung an die PAngV auf die Angabe der Preise für den privaten Letztverbraucher5. Der Verbraucher, der unter Vorspiegelung unternehmerischen Handelns 1488 Bestellungen tätigt, kann sich nicht auf die Schutzbestimmungen der PAngV berufen (§ 242 BGB: venire contra factum proprium)6. (4) Liefer- und Versandkosten; Umsatzsteuer; sonstige Preisbestandteile Für den Fernabsatz trifft § 1 Abs. 2 PAngV eine Sonderregelung. Danach 1489 bedarf es neben der Angabe eines Endpreises der Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV) sowie der Angabe, 1 Vgl. KG vom 4.9.2012 – 5 U 103/11, Rz. 16; OLG Düsseldorf vom 11.9.2007, WRP 2009, 104; LG Krefeld vom 4.9.2007, MMR 2008, 125 f. 2 Vgl. LG Krefeld vom 4.9.2007, MMR 2008, 125 f. 3 OLG Karlsruhe vom 21.5.2008, GRUR-RR 2009, 147 ff. 4 BGH vom 1.7.1993, GRUR 1993, 984 f. – Geschäftsraumwerbung. 5 OLG Karlsruhe vom 11.3.1998, CR 1998, 361, 361 f. mit Anm. Strömer. 6 Vgl. BGH vom 22.12.2004, NJW 2005, 1045 ff.; OLG Hamm vom 28.2.2008, MMR 2008, 469, 470; siehe auch Rz. 826.
363
G. Wettbewerbsrecht
dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV). 1490
Dem Wortlaut nach gilt § 1 Abs. 2 PAngV nur für Angebote an den Letztverbraucher, wird aber erweiternd dahingehend ausgelegt, dass die Anforderungen auch dann gelten, wenn gegenüber Verbrauchern mit Preisangaben geworben wird1.
1491
Soweit die vorherige Angabe der Liefer- und Versandosten nicht möglich ist, sind die Grundlagen der Berechnung anzugeben (§ 1 Abs. 2 Satz 3 PAngV). Ob dies auch für Versandkosten ins Ausland gilt2, ist zweifelhaft.
1492
Wenn ein Onlineshop für Lieferungen auf deutsche Inseln erhöhte Versandkosten berechnet, sind diese Kosten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV anzugeben3. Beim Versandhandel mit Möbeln genügen jedoch Versandkostenangaben pro Kubikmeter nicht, wenn eine konkrete Bezifferung der Kosten möglich ist4.
1493
Wenn keine zusätzlichen Versandkosten anfallen, so ist auf den kostenlosen Versand hinzuweisen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV), wobei die Sinnhaftigkeit einer solchen Angabe zweifelhaft ist5. (5) Angebote „auf Bildschirmen“ und Versteigerungen
1494
§ 4 Abs. 4 PAngV schreibt für Waren, die „auf Bildschirmen angeboten“ werden, eine Preisauszeichnung unmittelbar bei den Abbildungen oder Beschreibungen der Waren oder in Preisverzeichnissen vor. Dies gilt nur für die Preisangaben, nicht jedoch für die Angaben zur Umsatzsteuer und sonstigen Preisbestandteilen sowie zu Liefer- und Versandkosten gemäß § 1 Abs. 2 PAngV6.
1495
Für alle „wesentlichen Leistungen“ ist die Erstellung eines Preisverzeichnisses (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PAngV) und dessen Bereithaltung auf der Website (§ 5 Abs. 1 Satz 3 PAngV) erforderlich. Zudem müssen gemäß § 5 Abs. 1 1 BGH vom 4.10.2007, GRUR 2008, 532, 534 – Umsatzsteuerhinweis; BGH vom 16.7.2009, GRUR 2010, 251, 252 – Versandkosten bei Froogle; BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 373 – Kamerakauf im Internet mit Anm. Reinholz, GRUR-Prax 2010, 90; OLG Hamburg vom 23.12.2004, GRUR-RR 2005, 236, 238; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754, 754; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 224. 2 OLG Hamm vom 17.11.2009 – 4 U 148/09. 3 Vgl. OLG Hamm vom 1.2.2011 – 4 U 196/10, Rz. 71 ff. 4 OLG Hamm vom 2.7.2009, MMR 2009, 850. 5 Vgl. Schirmbacher, CR 2003, 817, 818. 6 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754, 755; LG Hamburg vom 27.10.2005, MMR 2006, 420.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Satz 4 PAngV sämtliche Leistungen, die nach Einheiten berechnet werden, mit einer gesonderten Anzeige über den fortlaufenden Nutzungspreis versehen werden. Bei Internetauktionen hat der Verkäufer wenig Einfluss auf die Preis- 1496 transparenz während des Bietvorgangs. Dies ist indes im Hinblick auf die PAngV ohne Bedeutung, da die PAngV gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 PAngV nicht auf Versteigerungen anwendbar ist. Anders als in § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB1 fehlt in § 9 Abs. 1 Nr. 5 PAngV eine Bezugnahme auf § 156 BGB, so dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass die PAngV nicht für Internetauktionen gilt2. (6) Grundpreis Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in 1497 sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet oder für derartige Produkte mit Preisangaben wirbt, ist gemäß § 2 Abs. 1 PAngV zur Angabe des Grundpreises verpflichtet. Die Verpflichtung zur Grundpreisangabe bezweckt eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich für den Verbraucher3. Bei dem Grundpreis handelt es sich um den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile. Der Grundpreis ist in unmittelbarer Nähe des Endpreises anzugeben. Der 1498 BGH hat es daher für unzureichend erachtet, wenn der Grundpreis bei einer Internetwerbung in der allgemeinen Produktbeschreibung zu finden war, die nur durch ein Anklicken des Produkts erreichbar war. § 2 Abs. 1 PAngV ist nach Auffassung des BGH so zu verstehen, dass Endpreis und Grundpreis auf einen Blick wahrnehmbar sein müssen4. Nach § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV gilt die Verpflichtung zur Angabe des 1499 Grundpreises nicht für Waren, die im Rahmen einer Dienstleistung angeboten werden. Die Ausnahme ist auf Gaststätten zugeschnitten, gilt jedoch nicht für einen Pizza-Lieferdienst5.
1 Siehe Rz. 1056 ff. 2 Vgl. Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3, Rz. 29 ff.; Bullinger, WRP 2000, 253, 255 f.; Ernst, CR 2000, 304, 311; Hollerbach, DB 2000, 2001, 2005; Huppertz, MMR 2000, 65, 68; LG Hof vom 26.1.2007, K&R 2007, 223, 224. 3 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 PAngV Rz. 1; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 224. 4 BGH vom 26.2.2009, CR 2009, 746, 747 f. – Dr. Clauder’s Hufpflege. 5 BGH vom 28.6.2012 – I ZR 110/11 – Traum-Kombi, Rz. 13.
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G. Wettbewerbsrecht
(7) Gestaltung der Preisangaben 1500
Die durch die PAngV vorgeschriebenen Hinweise müssen sich an den Anforderungen von Preisklarheit und -wahrheit messen lassen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV)1. Die Pflichtangaben müssen nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar gestaltet sein. Dies richtet sich nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und somit nach dem Eindruck, den der Verkehr den Angaben entnimmt2, wobei im E-Commerce auf den durchschnittlichen Nutzer im Internet abzustellen ist3.
1501
Für die Preisangaben können Hyperlinks verwendet werden, solange der jeweilige Link klar als Verweis auf die Preisangaben gekennzeichnet ist4. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn eine besonders herausgehobene Preisangabe („Tickets ab 19,90 Euro“) durch einen hinreichend deutlich wahrnehmbaren Sternchenhinweis ergänzt wird, der der Preisangabe zuzuordnen ist, und der Sternchenhinweis zu einem Fußzeilentext führt, der ergänzende Preisangaben zu zusätzlichen Gebühren enthält5. Unzulässig ist es dagegen, eine Preisangabe „0,00 Euro“ mit einem Sternchenhinweis zu versehen, bei dem sich erst aus der Fußzeile ergibt, dass ein Preis von 39,99 Euro gilt6.
1502
Bei der Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV) genügt der Hinweis „zzgl. Versandkosten“ neben der Werbung für das einzelne Produkt7, wenn die Kosten leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer gesonderten Seite angegeben werden, die noch vor Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss8. Es reicht aus, dem Verbraucher die Informationen gemäß § 1 Abs. 2 PAngV spätestens bis zu dem Zeitpunkt zu geben, zu dem sich sei1 Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 1 PAngV, Rn. 46; Hullen, BB 2008, 76, 76. 2 Hullen, BB 2008, 76, 76; BGH vom 17.10.1980, GRUR 1981, 140, 141 – Flughafengebühr; BGH vom 14.11.1996, GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot. 3 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Hamburg vom 12.8.2004, CR 2005, 128, 129; LG Bonn vom 22.12.2009, MMR 2010, 180 f. 4 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Köln vom 7.5.2004, MMR 2004, 617 f. = ITRB 2004, 196 f. (Günther); LG Hanau vom 7.12.2007, MMR 2008, 488 f. 5 OLG Hamburg vom 25.3.2010, WRP 2010, 795 (Ls.). 6 LG Koblenz vom 30.10.2012 – 1 HK O 177/11, Rz. 22 ff. 7 Vgl. BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 373 – Kamerakauf im Internet mit Anm. Reinholz, GRUR – Prax 2010, 90; vgl. Reinholz, GRUR-Prax 2010, 90. 8 Hullen, BB 2008, 76, 77; BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Frankfurt a.M. vom 12.5.2004, CR 2005, 343 f.; a.A. OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439; vgl. auch OLG Hamburg vom 24.2.2005, CR 2006, 127, 129; OLG Hamburg vom 3.2.2005, CR 2005, 366, 367.
366
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
ne Kaufentscheidung auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung konkretisiert1. Dem Durchschnittskäufer ist bekannt, dass Liefer- bzw. Versandkosten 1503 oftmals erst auf weiteren, nachfolgenden Seiten aufgeführt sind. Dass dies von einer Vielzahl von Internethändler so gehandhabt wird, liegt unter anderem darin begründet, dass Liefer- und Versandkosten in Relation zu den bestellten Waren sinken. Wer mehr bestellt, zahlt weniger Versandkosten. Zudem kann der Besteller vielfach Einfluss auf die Kosten nehmen, je nachdem wie schnell und sicher der Versand erfolgen soll und welchen Transporteur er auswählt. Mit der Angabe der Liefer- und Versandkosten direkt neben der beworbenen Ware wäre dem Kunden somit oftmals nicht gedient2. Nicht ausreichend ist es, die Angaben zu Liefer- bzw. Versandkosten un- 1504 ter Menüpunkten wie „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ oder „Service“ bereitzuhalten, wenn der Bestellvorgang keine Zwangsführung über die entsprechenden Seiten umfasst3. Unzureichend ist es auch, wenn Angaben erst über zwei Links abgerufen werden können, die nicht deutlich bezeichnet sind4. Überspannt werden die Anforderungen dagegen, wenn der in den Bestellvorgang eingebundene Hinweis „AGB Hier finden Sie unsere Liefer- und Zahlungsbedingungen. Zu den AGB …“ nicht für ausreichend erachtet wird5. Im Falle eines Mindermengenzuschlages genügt es nicht, wenn über den 1505 Zuschlag nur durch das Anklicken des Wortes „Versandkosten“ in einem Sternchenhinweistext aufgeklärt wird. Der Verbraucher vermutet hinter dem Schlagwort „Versandkosten“ keinen Zuschlag, der sich nicht unmittelbar auf die durch den Versand entstehenden Kosten bezieht6. Zur Erfüllung der Anforderungen des § 1 Abs. 6 PAngV reicht es nicht 1506 aus, die Pflichtangaben gemäß § 1 Abs. 2 PAngV erst nach Einlegen der Ware in den Warenkorb auf dem Bildschirm erscheinen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Käufer bereits zum Vertragsschluss entschlossen. Die Belehrung muss bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen, nämlich dann, wenn sich der Käufer „mit dem Angebot näher befasst“7. 1 OLG Hamburg vom 16.1.2008, MMR 2008, 681, 682. 2 Hullen, BB 2008, 76, 77; BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 373 – Kamerakauf im Internet mit Anm. Reinholz, GRUR – Prax 2010, 90; vgl. auch Reinholz, GRUR-Prax 2010, 90. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463; OLG Hamburg vom 12.8.2004, CR 2005, 128, 129. 4 OLG Köln vom 7.5.2004, MMR 2004, 617, 618. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463. 6 OLG Hamm vom 28.6.2012 – 4 U 69/12, Rz. 47; Buchmann, K&R 2012, 90, 92. 7 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; vgl. auch KG vom 27.2.2009, NJW-RR 2009, 1344, 1345; OLG Köln vom 6.8.2004, CR 2005, 536 = MMR 2005,
367
G. Wettbewerbsrecht
1507
Bei der Buchung von Flugreisen dürfen Kreditkartengebühren nicht erst kurz vor dem Ende des Buchungsvorgangs hinzugerechnet werden, wenn nicht frühzeitig auf die Kreditkartengebühren hingewiesen wird1.
1508
Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV liegt bei „Abo-Fallen“2 vor, wenn sich die Kostenpflichtigkeit eines Angebots nur aus dem Kleingedruckten ergibt3. Unzureichend ist es auch, wenn sich die nach § 1 Abs. 2 PAngV erforderlichen Angaben am unteren Ende der Internetseite befinden und nur durch Herabscrollen sichtbar werden4.
1509
Bei komplizierten Tarifstrukturen – wie sie etwa bei Mobilfunkverträgen üblich sind – darf der Hinweis auf die einzelnen Preisbestandteile in der Fülle anderer Informationen nicht untergehen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Anbieter grundsätzlich keiner Verpflichtung unterliegen, ihr Tarifsystem einfach und übersichtlich zu gestalten. Wird ein stark differenzierendes Tarifsystem eingesetzt, muss es dem Werbenden im Interesse der Wahrnehmbarkeit und Übersichtlichkeit der wesentlichen Informationen und damit im Interesse der Preisklarheit freistehen, die verbrauchsabhängigen (variablen) Preise durch Hinweis auf die Vergütungssätze vereinfacht darzustellen. Andererseits dürfen Informationen, die für die Einschätzung der mit dem Vertrag einhergehenden wirtschaftlichen Belastungen von Bedeutung sind, auf keinen Fall fehlen5.
1510
Eine strenge Beurteilung gilt nach Auffassung des BGH bei der Angabe des Grundpreises (§ 2 Abs. 1 PAngV). Der Grundpreis müsse stets – ohne Verlinkung – gemeinsam mit dem Endpreis und „auf einen Blick“ wahrnehmbar sein, da die Verpflichtung des Unternehmers zur Angabe des Grundpreises im Bewusstsein des Verbrauchers weit weniger verankert sei als die Üblichkeit zusätzlich anfallender Versandkosten6. Dies gilt nach Auffassung des OLG Hamburg auch für „Sofort-Kauf“-Angebote auf Ebay7.
1511 Û Praxistipp: Portalbetreiber und Unternehmen, die Internetshops für Dritte bereithalten, sind immer wieder daran zu erinnern, dass bei jeder Preisangabe auf den Umsatzsteuerhinweis zu achten ist. Es spricht
1 2 3 4 5 6 7
110; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754; a.A. LG Hamburg vom 27.10.2005, MMR 2006, 420. KG vom 1.6.2011 – 24 U 111/10, Rz. 77. Siehe Rz. 621. Vgl. Blasek, GRUR 2010, 396, 398; OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008, K&R 2009, 197 ff. = MMR 2009, 341 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 20.5.2010 – 6 U 33/09; LG Hanau vom 7.12.2007, MMR 2008, 488 f. OLG Hamburg vom 20.5.2008, CR 2009, 683 f. BGH vom 8.10.1998 – I ZR 187/97 – Handy für 0,00 DM, Rz. 20. BGH vom 26.2.2009, CR 2009, 746, 748 – Dr. Clauder’s Hufpflege. OLG Hamburg vom 10.10.2012 – 5 U 274/11, Rz. 48.
368
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
nichts dagegen, dies durch in geeigneter Weise gestaltete Links klarzustellen. Ungenügend ist es dagegen, die Hinweise erst zu geben, wenn die Ware bereits in den Warenkorb gelegt wurde1. (8) Preissuchmaschinen Bedenklich weit geht es, wenn der BGH meint, die Bewerbung eines Prei- 1512 ses in einer Preissuchmaschine müsse bereits den Hinweis auf die Lieferund Versandkosten umfassen2. Nach Auffassung des BGH soll es nicht ausreichen, die Informationen gemäß § 1 Abs. 2 PAngV über einen Link zugänglich zu machen, der auf der Shopseite zu finden ist, über die der Kaufinteressent gelangt, nachdem er die Preissuchmaschine bedient hat. Der BGH hat entscheidend darauf abgestellt, dass der Verbraucher in 1513 Preisvergleichslisten auf einen Blick erkennen können müsse, ob der angegebene Preis die Versandkosten enthalte oder nicht. Nicht ausreichend sei es, wenn der Interessent auf die zusätzlich anfallenden Versandkosten erst dann hingewiesen werde, wenn er sich mit einem bestimmten Angebot näher beschäftige3. Möchte ein Online-Händler die Preise für ein Produkt erhöhen, das er in 1514 einer Preissuchmaschine bewirbt, so darf er die Preiserhöhung nach Auffassung des BGH nicht vornehmen, bevor er sie nicht dem Betreiber der Preissuchmaschine angezeigt hat und dieser den neuen Preis auf der Preissuchplattform derart integriert hat, dass den Suchenden nur noch der erhöhte Preis angezeigt wird4. (9) Bagatellfälle Bei Verstößen gegen die PAngV ist stets zu erwägen, ob nicht ein bloßer 1515 Bagatellverstoß vorliegt, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 UWG („geeignet …, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen“) nicht erfüllt5. Die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises gemäß § 2 PAngV geht 1516 auf Art. 3 Abs. 4 der EU-Richtlinie zu Preisangaben6 zurück. Damit handelt es sich bei Grundpreisangaben um wesentliche Informationen 1 Schirmbacher, CR 2008, 449 f. 2 BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192 f. – Versandkosten bei Froogle; vgl. auch OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 754. 3 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 224; BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192 f. – Versandkosten bei Froogle. 4 BGH vom 11.3.2010 – I ZR 123/08 – Espressomaschine, Rz. 10 mit Anm. Härting/Schätzle, K&R 2010, 650 ff., BGH vom 18.3.2010 – I ZR 16/08 – Versandkosten bei Froogle II, Rz. 32 f.; Reinholz, GRUR-Prax 2010, 488, Härting/Schätzle, K&R 2010, 650, 652. 5 Vgl. Heermann, GRUR 2004, 94, 95 ff. 6 Richtlinie 98/6/EG, Amtsblatt Nr. L 080 vom 18.3.1998 S. 27 ff.
369
G. Wettbewerbsrecht
gemäß § 5a Abs. 4 UWG, so dass die Annahme eines Bagatellverstoßes nicht in Betracht kommt1. 1517
Kein bloßer Bagatellverstoß liegt auch bei fehlenden oder fehlerhaften Angaben zu den Liefer- und Versandkosten vor, da bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV die Möglichkeit eines Preisvergleichs erheblich erschwert wird2. Dasselbe gilt bei fehlenden Angaben von KfzÜberführungskosten aus dem Ausland3.
1518
Es fehlt an einem spürbaren Wettbewerbsverstoß, wenn in einem deutschsprachigen Internetangebot nur die inländischen Versandkosten angegeben werden4. Ein bloßer Bagatellverstoß ist auch zu bejahen, wenn lediglich der Hinweis „inklusive Mehrwertsteuer“ vergessen wird (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV)5. Denn § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV ist insofern befremdlich, als lange Zeit streitig war, ob nicht die Angabe „inklusive Mehrwertsteuer“ unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Werbung mit Selbstverständlichkeiten wettbewerbswidrig ist6. cc) Impressumspflicht
1519
Die Impressumspflicht (§ 5 TMG und § 55 RStV) dient der Transparenz des Marktes und ist daher i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln7. (1) Telemedien
1520
Weitreichende Informationspflichten gelten für geschäftsmäßige Telemedien (§ 5 TMG). Ein geschäftsmäßiger Dienst liegt bei allen nachhaltigen, nicht nur gelegentlichen Tätigkeiten vor8. Mit der Einführung des TMG 1 Vgl. BGH vom 4.2.2010 – I ZR 66/09 – Gallardo Spyder, Rz. 20 f.; OLG Hamm vom 9.2.2012 – I-4 U 70/11, Rz. 15: OLG Köln vom 19.10.2012 – 6 U 46/12, Rz. 10 ff. mit Anm. Buchmann, K&R 2013, 122 ff.; a.A. OLG Hamm vom 10.12.2009, K&R 2010, 279. 2 Schlegel, MDR 2008, 417, 420; OLG Hamburg vom 3.2.2005, CR 2005, 366, 368; OLG Köln vom 6.8.2004, CR 2005, 536 = MMR 2005, 111, 112; OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439; OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463 f. 3 OLG Düsseldorf vom 11.9.2007, WRP 2008, 104; KG vom 4.9.2012 – 5 U 103/11, Rz. 18. 4 KG vom 7.9.2007, K&R 2007, 530, 531; KG vom 13.4.2010 – 5 W 62/10, Rz. 7; a.A. OLG Hamm vom 28.3.2007, MMR 2007, 663, 664. 5 Schlegel, MDR 2008, 417, 420; OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463; vgl. auch OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439; OLG Hamburg vom 14.2.2007, MMR 2007, 723, 724 f.; LG Bielefeld vom 2.6.2006, MMR 2006, 561, 562; LG Bonn vom 22.12.2009, MMR 2010, 180, 181. 6 Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rz. 7.110. 7 Schirmbacher, K&R 2006, 348, 349. 8 Brunst, MMR 2004, 8, 9; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; Ott, WRP 2003, 945; Woitke, NJW 2003, 871, 872.
370
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
ist allerdings eine Einschränkung dahingehend vorgenommen worden, dass es sich bei geschäftsmäßigen Diensten „in der Regel“ um Dienste handeln muss, die „gegen Entgelt“ angeboten werden1. Wer – wie ein Online-Fotodienst – das Internet für Dienstleistungen 1521 nutzt, wird allein durch diese Dienstleistungen noch nicht Anbieter eines Telemediendienstes2. Nur die Website des Dienstes fällt als Informationsdienst unter das TMG, nicht jedoch die Dienstleistung selbst. Der Anwendungsbereich des § 5 TMG ist nicht auf kostenpflichtige Tele- 1522 medien beschränkt. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass lediglich Internetangebote von privaten Anbietern und von Idealvereinen, mithin nicht-kommerzielle Angebote, aus dem Anwendungsbereich der Impressumspflicht ausgenommen sein sollen3. Somit ist die Norm dahingehend auszulegen, dass sämtliche kommerziellen Telemedien den Anforderungen des § 5 TMG unterliegen. Dies steht im Einklang mit § 1 TMG, wonach die Regelungen des TMG für alle Anbieter unabhängig davon gelten, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird4. § 5 TMG ist jedenfalls anwendbar, wenn bei dem Anbieter eine auf Dauer 1523 angelegte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht vorliegt5. Keiner Impressumspflicht unterliegt dagegen die werbefreie private Homepage6. Auch die Schaltung von Werbung begründet noch keine „Geschäftsmäßigkeit“, wenn sie lediglich dazu dient, die laufenden Kosten der Website (insbesondere die Providerkosten) zu decken7. Normadressat ist jeweils der Diensteanbieter, der nicht notwendig mit 1524 dem Betreiber der jeweiligen Website identisch ist. Bei Portalen wie Ebay und mobile.de gibt es eine Vielzahl von Diensteanbietern8. Dasselbe gilt, wenn unter verschiedenen Subdomains die Angebote verschiedener Anbieter bereit gehalten werden9 oder mehrere Unternehmen ihre Produkte in einem gemeinsamen Portal bewerben10. Maßgeblich ist jeweils, ob eine Einzelperson bzw. ein Unternehmen ein nachhaltiges Informationsund/oder Kommunikationsangebot bereithält. Bei einem einheitlich gestalteten Internetauftritt sind einzelne Anbieter, die im Rahmen dieses
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Ott, MMR 2007, 354, 355. OLG Frankfurt a.M. vom 15.6.2004, MMR 2004, 683, 684 f. mit Anm. Stopp. BT-Drucks. 16/3078, S. 14. OLG Hamburg vom 3.4.2007 – 3 W 64/07. OLG Düsseldorf vom 18.12.2007, MMR 2008, 682, 683. Roßnagel, NVwZ 2007, 743, 746. A.A. Ott, MMR 2007, 354, 355, vgl. aber Fn. 17. Vgl. OLG Düsseldorf vom 18.12.2007, MMR 2008, 682, 683; OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, WRP 2006, 1038, 1041; LG München I vom 3.2.2005, WRP 2005, 1042, 1044. 9 OLG Hamburg vom 9.9.2004, CR 2005, 294, 295. 10 LG Wiesbaden vom 27.7.2006, MMR 2006, 822, 823.
371
G. Wettbewerbsrecht
Auftritts in Erscheinung treten, eigenständige Dienstanbieter, wenn sie erkennbar über eine gewisse kommunikationsbezogene Eigenständigkeit verfügen1. 1525
Handelt es sich bei einem Telemedium nicht um einen kommerziellen Dienst, ist § 55 Abs. 1 RStV anwendbar2. Die Betreiber von Telemedien sind nach § 55 Abs. 1 RStV zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift sowie – bei juristischen Personen – zur Angabe des Namens und der Anschrift eines Vertretungsberechtigten verpflichtet, sofern die Telemedien nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen. § 55 Abs. 2 RStV sieht zusätzliche Pflichtangaben für journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote vor3. (2) Pflichtangaben
1526
Übersicht: Impressumspflicht: – Name und Anschrift des Betreibers der Website: bei allen Telemedien; – Name und Anschrift eines Vertretungsberechtigten: bei allen Telemedien, wenn der Dienst von einer juristischen Person betrieben wird; – E-Mail-Adresse und weitere (unmittelbare) Kontaktmöglichkeit: bei allen Telemedien; – Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde: bei allen Telemedien, die im Rahmen einer Tätigkeit betrieben werden, die der behördlichen Zulassung bedarf; – Angabe des zuständigen Handelsregisters, Vereinsregisters, Partnerschaftsregisters oder Genossenschaftsregisters: bei allen geschäftsmäßigen Telemedien, die von Kaufleuten oder eingetragenen Vereinen, Genossenschaften oder Partnerschaften betrieben werden; – Angabe der Berufsbezeichnung, des Staates, in dem die Berufsbezeichnung verliehen wurde, und der zuständigen Kammer: bei allen Telemedien, die von kammerangehörigen Freiberuflern betrieben werden; – Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie diese zugänglich sind: bei allen Telemedien, die von kammerangehörigen Freiberuflern betrieben werden; – Angabe der Umsatzsteueridentifikationsnummer: bei allen Telemedien, deren Betreiber über eine solche Nummer verfügt.
1 OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2007, CR 2007, 454, 455. 2 Vgl. Roßnagel, NVwZ 2007, 743, 746, vgl. Ott, MMR 2007, 354, 355 f. 3 Vgl. Rumyantsev, ZUM 2008, 33, 35.
372
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
– Angabe zur Liquidation („in Abwicklung“): bei Telemedien, die von Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung betrieben wurden, die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden. Zu den Pflichtangaben im Impressum gehören nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 1527 TMG Name und Anschrift des Diensteanbieters, und zwar sowohl der (ausgeschriebene) Vor- als auch der Nachname1. Die Identität des Diensteanbieters muss unzweideutig aus dem Impressum hervorgehen2. Anzugeben ist eine ladungsfähige Anschrift, an die i.S.d. § 166 ZPO zugestellt werden kann3. Nicht ausreichend ist daher die Angabe eines Postfachs4. Bei juristischen Personen schreibt § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG die Angabe des 1528 Namens eines Vertretungsberechtigten vor5. Da eine derartige Verpflichtung in Art. 5 ECRL6 nicht vorgesehen ist, ist § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG in dieser Hinsicht nicht als Marktverhaltesregelung gemäß § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Vertretungsberechtigten ist daher nicht wettbewerbswidrig7. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG sind Angaben erforderlich, die eine schnel- 1529 le elektronische Kontaktaufnahme und eine unmittelbare Kommunikation mit dem Anbieter ermöglichen, einschließlich der Angabe einer E-Mail-Adresse. Nach Auffassung des EuGH ist die Angabe einer Telefonnummer nicht notwendig. Erforderlich ist allerdings neben der Angabe einer E-Mail-Adresse die Eröffnung eines weiteren Kommunikationsweges, der beispielsweise in einer „elektronischen Anfragemaske“ liegen kann8. An der erforderlichen Angabe der E-Mail-Adresse fehlt es, wenn auf dem 1530 Bildschirm lediglich der Satz „Ich freu mich auf E-Mails“ zu sehen ist und der Satz als Link ausgestaltet ist, hinter dem sich die vollständige E-Mail-Adresse verbirgt9.
1 Vgl. KG vom 11.4.2008, MMR 2008, 541 ff.; OLG Düsseldorf vom 4.11.2008, MMR 2009, 266, 267. 2 Vgl. LG Düsseldorf vom 15.12.2006, WRP 2007, 474 (Ls.). 3 Brunst, MMR 2004, 8, 10; LG Frankfurt a.M. vom 28.3.2003, MMR 2003, 597, 598. 4 Brunst, MMR 2004, 8, 10; Schneider, MDR 2002, 1236. 5 Vgl. Brunst, MMR 2004, 8, 10; Hoß, CR 2003, 687, 688; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; OLG München vom 26.7.2001, NJW-RR 2002, 348 = K&R 2002, 256, 257. 6 E-Commerce-Richtlinie, siehe auch Rz. 2354. 7 KG vom 21.9.2012 – 5 W 204/12, Rz. 7; LG Düsseldorf vom 18.6.2013 – 20 U 145/12, Rz. 30. 8 EuGH vom 16.10.2008, NJW 2008, 3553 ff. = MMR 2009, 25 ff. mit Anm. Ott = K&R 2008, 670 ff. mit Anm. Schöttle. 9 OLG Naumburg vom 13.8.2010 – 1 U 28/10, Rz. 11.
373
G. Wettbewerbsrecht
1531
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TMG schreibt die Angabe einer etwaig zuständigen Aufsichtsbehörde und die Angabe des Handelsregisters, Vereinsregisters, Partnerschaftsregisters oder Genossenschaftsregisters nebst Registernummer vor, sofern eine Registereintragung besteht1. Diese Pflicht besteht auch für ausländische Gesellschaften2. § 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG verlangt zudem die Mitteilung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27a UStG)3, sofern der Dienstanbieter über eine solche Nummer verfügt.
1532
§ 5 Abs. 1 Nr. 5 TMG enthält Sondernormen für Telemedien, die von kammerangehörigen Berufsträgern betrieben werden4. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Zahnärzte und Architekten sind danach zur Angabe ihrer Kammer nebst Berufsbezeichnung verpflichtet. Darüber hinaus bedarf es der Mitteilung, in welchem Staat die Berufsbezeichnung verliehen wurde, und einer Bezeichnung der einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen nebst Angabe, wie diese zugänglich sind5. Die letztgenannte Verpflichtung lässt sich am einfachsten dadurch erfüllen, dass ein Link auf Websites gesetzt wird, auf denen die berufsrechtlichen Normen abrufbar sind6.
1533
Bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung bzw. Liquidation befinden, verlangt § 5 Abs. 1 Nr. 7 TMG die Angabe eines Liquidationsvermerks. (3) Einbindung des Impressums
1534
Für die Form des Impressums ist vorgeschrieben, dass die Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten sind7. Dies bedeutet, dass das Impressum für den durchschnittlichen Internetnutzer ohne Mühe zu finden sein muss8. Dies ist nicht der Fall, wenn das Impressum irreführend bezeichnet (z.B. „Backstage“9 oder „Angaben zum Datenschutz“) oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen10,
1 Vgl. Brunst, MMR 2004, 8, 11; Hoß, CR 2003, 687, 688; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013 f. 2 LG Frankfurt a.M. vom 28.3.2003, MMR 2003, 597, 598. 3 Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1015; Schneider, MDR 2002, 1236, 1237. 4 Vgl. Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1014 f. 5 Brunst, MMR 2004, 8, 11; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1015. 6 Vgl. zur externen Verlinkung im Impressum: Ott, MMR 2007, 354, 358. 7 Vgl. Ott, WRP 2003, 945, 946 ff. 8 Hoß, CR 2003, 687, 688; a.A. Woitke, NJW 2003, 871, 872. 9 OLG Hamburg vom 20.11.2002, CR 2003, 283 = MMR 2003, 105 mit Anm. Klute. 10 Hoß, CR 2003, 687, 688; LG Berlin vom 17.9.2002, CR 2003, 139, 140 = MMR 2003, 202, 203; LG Stuttgart vom 11.3.2003, NJW-RR 2004, 911, 912.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Nutzungsbedingungen oder auf FAQ-Seiten versteckt wird. Einer ausdrücklichen Bezeichnung „Impressum“ bedarf es jedoch nicht1. Es reicht nach der überzeugenden Auffassung des BGH aus, wenn das Im- 1535 pressum von jeder Unterseite der Website über zwei Klicks erreichbar ist2. Dabei ist es unschädlich, wenn der erste Link mit „Kontakt“ und erst der zweite Link mit „Impressum“ bezeichnet ist, da beide Bezeichnungen im Internet üblich sind für die Kennzeichnung der Seite mit Angaben zur Anbieterkennzeichnung3. Im Hinblick auf die Gepflogenheiten bei Ebay ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Impressum eines Powersellers auf der „Mich“-Seite zu finden ist4. Die Impressumspflicht gilt auch für geschäftsmäßige Diensteanbieter, 1536 die eine Seite in einem sozialen Netzwerk betreiben. Auch hier sollten die Impressumsangaben maximal zwei Klicks von der Hauptseite entfernt sein5. An einer unmittelbaren Erreichbarkeit fehlt es, wenn der Link zum Im- 1537 pressum erst nach längerem Scrollen auf dem Bildschirm erscheint6 oder wenn die Suche nach dem Impressum über eine ganze Kette von Links führt7. Problematisch kann es auch sein, wenn sich das Impressum nur mittels bestimmter Software anzeigen lässt, die der Durchschnittsnutzer nicht auf seinem PC installiert hat8. Dasselbe gilt, wenn sich die Pflichtangaben in einem versteckten Impressumslink finden und gleichzeitig ein hervorgehobener Link mit der Bezeichnung „Rechtliche Informationen des Verkäufers“ verwendet wird, der zu einer Seite mit unvollständigen Informationen führt9.
1 Hoß, CR 2003, 687, 689; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1015 f.; Ott, WRP 2003, 945, 949; Schneider, MDR 2002, 1236, 1237; OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53, 54 mit Anm. Schulte = MMR 2004, 36, 37. 2 BGH vom 20.7.2006, WRP 2006, 1507, 1510 – Anbieterkennzeichnung im Internet; vgl. auch Brunst, MMR 2004, 8, 11 f.; Ott, WRP 2003, 945, 947; OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53, 54 mit Anm. Schulte = NJW-RR 2004, 913 = MMR 2004, 36, 37. 3 BGH vom 20.7.2006, WRP 2006, 1507, 1509 f. – Anbieterkennzeichnung im Internet; vgl. auch Hoß, CR 2003, 687, 689; Ott, WRP 2003, 945, 949; Schulte, CR 2004, 55, 56; a.A. Woitke, NJW 2003, 871, 872; OLG Karlsruhe vom 27.3.2002, CR 2002, 682, 683 = GRUR 2002, 730. 4 KG vom 11.5.2007, CR 2007, 595, 596; LG Hamburg vom 11.5.2006, MMR 2007, 130, 131; LG Traunstein vom 18.5.2005, ZUM 2005, 663, 664. 5 Vgl. LG Düsseldorf vom 9.12.2011 – 38 O 103/11. 6 OLG München vom 12.2.2004, NJW-RR 2004, 1345. 7 Brunst, MMR 2004, 8, 12; Hoß, CR 2003, 687, 689; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1016; LG Düsseldorf vom 29.1.2003, CR 2003, 380, 381 = MMR 2003, 340, 341; vgl. auch OLG Hamm vom 17.11.2009 – 4 U 148/09; OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 321, 322 mit Anm. Ott = AfP 2004, 147. 8 Brunst, MMR 2004, 8, 10. 9 OLG Hamm vom 4.8.2009, MMR 2010, 29 f.
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G. Wettbewerbsrecht
1538 Û Praxistipp: Die Startseite einer Website sollte nach Möglichkeit – an auffälliger Stelle – mit einem Link zum Impressum versehen werden. Auf Nummer Sicher geht, wer diesen Link auch auf jeder einzelnen Seite der Website anbringt.
(4) Sanktionen 1539
Verstöße gegen die Impressumspflicht können mit Bußgeldern geahndet werden (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 TMG). Schwerer wiegt die Gefahr wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen. § 5 TMG ist (auch) dazu bestimmt, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln, so dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 UWG erfüllt sind1.
1540
Die Impressumspflicht geht auf Art. 5 ECRL2 und damit auf eine gemeinschaftsrechtliche Richtlinie für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing zurück (§ 5a Abs. 4 UWG). Angaben, die auf derartigen EU-Richtlinien beruhen, sind stets als „wesentlich“ anzusehen mit der Folge, dass eine Anwendung der Bagatellklausel (vgl. § 3 Abs. 1 UWG) nicht in Betracht kommt3. dd) Anwaltliches Berufsrecht
1541
Zu den Fällen des wettbewerbswidrigen „Rechtsbruchs“ (§ 4 Nr. 11 UWG) zählen auch Verstöße gegen das Recht der freien Berufe4. Ein Freiberufler, der bei der Gestaltung seines Internetauftritts die Grenzen der berufsrechtlichen Werbevorschriften überschreitet, handelt wettbewerbswidrig5.
1542
Für die Website einer Anwaltskanzlei ist § 43b BRAO zu beachten, der dem Rechtsanwalt für die Internetwerbung keine anderen Grenzen als
1 LG Berlin vom 14.7.2004, WRP 2004, 1198 (Ls.). 2 Vgl. Micklitz in Spindler/Schuster, § 5 TMG Rz. 1. 3 BGH vom 4.2.2010 – I ZR 66/09 – Gallardo Spyder, Rz. 21; KG vom 6.12.2011 – 5 U 144/10, Rz. 11 f. mit Anm. Rätze, MMR 2012, 241 f.; OLG Düsseldorf vom 4.11.2008, MMR 2009, 266, 267; OLG Hamm vom 13.3.2008, MMR 2008, 469; OLG Hamm vom 2.4.2009, MMR 2009, 552 f.; OLG Naumburg vom 13.8.2010 – 1 U 28/10, Rz. 13; LG Düsseldorf vom 18.6.2013 – 20 U 145/12, Rz. 33; a.A. OLG Brandenburg vom 17.9.2009, WRP 2009, 1420 (Ls.); OLG Koblenz vom 25.4.2006, CR 2006, 692, 693 f. = K&R 2006, 345, 346 f. mit Anm. Schirmbacher; LG Hamburg vom 14.8.2009, K&R 2009, 816; LG München I vom 3.9.2008, CR 2008, 62 (Ls.). 4 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 11.85 ff.; LG München I vom 15.11.2006, MMR 2007, 192. 5 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 155 f.; vgl. BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087; OLG Koblenz vom 13.2.1997, NJW 1997, 1932, 1933; LG NürnbergFürth vom 20.5.1998, DB 1998, 1404; LG Bremen vom 1.7.2004, NJW 2004, 2837.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
beispielsweise für die Gestaltung einer Kanzleibroschüre setzt1. Nach dieser Bestimmung ist Anwaltwerbung unter drei Voraussetzungen erlaubt: Die Werbung muss berufsbezogen und sachlich sein, zudem darf es sich nicht um Werbung um einen Auftrag im Einzelfall handeln2. (1) Verfassungskonforme Auslegung Bis heute gibt es ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen dem vom 1543 Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geprägten Satz: „Werbung ist Anwälten nicht grundsätzlich verboten, sondern erlaubt“3 und der Formulierung des § 43b BRAO als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Werbung ist dem Rechtsanwalt nach § 43b BRAO nur erlaubt, soweit sie 1544 über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Entgegen dem Wortlaut der Norm ist jedoch die Werbefreiheit die Regel (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt)4. Das BVerfG misst die Zulässigkeit von Werbebeschränkungen an Art. 12 1545 Abs. 1 GG. Jede Beschränkung bedarf danach der Rechtfertigung durch einen Gemeinwohlbelang, der im Schutz des Vertrauens des Rechtsuchenden in eine integre, nicht nur Gewinninteressen verpflichtete Anwaltschaft liegen kann5. Gerechtfertigt ist die Untersagung von Werbemaßnahmen nur dann, wenn die Werbung das Ansehen der gesamten Anwaltschaft in Misskredit ziehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine funktionierende Anwaltschaft insgesamt gefährden kann6. Legt man diesen Maßstab an Werbeaktivitäten von Anwälten im Internet 1546 an, so bleibt das Spektrum von Aktivitäten, die untersagt werden können, denkbar klein. Verboten werden können lediglich aufdringliche Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich
1 Hoeren, WRP 1997, 993, 993; Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1292; Schopen/Gumpp/ Schopen, NJW-CoR 1996, 112, 113; weitergehend: Westerwelle, WiB 1997, 297, 298. 2 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 11. 3 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10; BVerfG vom 1.12.1999, MDR 2000, 358 = JW 2000, 1635; BVerfG vom 12.9.2001, NJW 2001, 3324; ferner BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087, 2088; BGH vom 15.3.2001, NJW 2001, 2886, 2887 = MDR 2001, 1308, 1309. 4 Vgl. BVerfG vom 1.12.1999, NJW 2000, 1635 = MDR 2000, 358; BVerfG vom 12.9.2001, NJW 2001, 3324 = MMR 2002, 45; ferner BGH vom 27.1.2005, NJW 2005, 1644, 1644 f.; BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087, 2008; BGH vom 15.3.2001, NJW 2001, 2886, 2887 = MDR 2001, 1308, 1309. 5 Härting, K&R 2002, 561, 564; vgl. BVerfG vom 17.4.2000, NJW 2000, 3195 = MDR 2000, 730 m.w.N. 6 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 11.
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G. Wettbewerbsrecht
am Gewinn orientierten Verhaltens sind1. Selbst „reklamehaftes Anpreisen“ kann dem Anwalt nur dann verboten werden, wenn die „Anpreisung“ ganz und gar im Vordergrund steht und die Werbung mit der eigentlichen Leistung des Anwalts und dem Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandates nichts mehr zu tun hat2. (2) Sachlichkeitsgebot und „Berufsbezogenheit“ 1547
Das Sachlichkeitsgebot des § 43b BRAO entspricht im Kern dem Irreführungsverbot gemäß § 3 i.V.m. § 5 UWG3. Das Kriterium der „Berufsbezogenheit“ hat neben dem Sachlichkeitsgebot keinen fassbaren Bedeutungsgehalt und ist daher keine eigenständige Schranke4.
1548
Was lässt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 43b BRAO für die Zulässigkeit einzelner Werbemaßnahmen auf Kanzlei-Websites ableiten? Mehr oder minder dezente Hintergrundmusik, rasante Videosequenzen, frische Farben, kreative Logos und bunte Bilder: Zu welchen Gestaltungsmitteln ein Anwalt auf seiner Website greifen darf, wurde lange Zeit ebenso lustvoll wie ausführlich diskutiert5. Die einen wollten Musik und Filmsequenzen ebenso wie anderes „Unterhaltungsmaterial“ vollständig untersagen6. Die anderen hielten lediglich das „Einspielen von Sequenzen aus Kinofilmen“ für „unangemessen“7. Andere wiederum hörten gerne klassische Musik und nahmen Anstoß an „Stars aus dem Bereich der Unterhaltungsmusik“, soweit deren Musik über Hintergrundmusik hinausgeht8. Auch wurde vertreten, „das Foto eines Rechtsanwalts in der Art eines Bewerbungsfotos“ sei zulässig, eine „szenische Darstellung des Rechtsanwalts“ jedoch „standeswidrig“9.
1549
Da Geschmack der rechtlichen Bewertung entzogen ist, sind pauschale Verbote von Gestaltungselementen unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG10. Imagewerbung kann per se nicht sachlich oder unsachlich sein; aus dem Sachlichkeitsgebot lassen sich daher für die Imagewerbung keine handhabbaren, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG standhaltenden Differenzierungskriterien ableiten11. 1 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10; vgl. BVerfG vom 17.4.2000, NJW 2000, 3195 = MDR 2000, 730. 2 Vgl. BVerfG vom 4.8.2003, NJW 2003, 2816 = MDR 2003, 1263 m.w.N. 3 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 14.10.2004, NJW 2005, 1283, 1283. 4 Härting, AnwBl 2000, 343. 5 Vgl. Frank, K&R 2004, 175, 180; Hoß, AnwBl 2002, 377, 384; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484. 6 Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1292 f. 7 Frank, K&R 2004, 175, 180; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484. 8 Vgl. Frank, K&R 2004, 175, 180. 9 Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484. 10 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10. 11 Vgl. Härting, AnwBl 2000, 343, 346; BVerfG vom 17.4.2000, NJW 2000, 3195, 3196.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Ob eine (unsachliche) Irreführung im Einzelfall vorliegt, bestimmt sich 1550 nicht aus der Sichtweise eines vollkommen naiven, unbedarften Betrachters, sondern aus der Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers1. Der verständige Durchschnittsverbraucher kommt bei dem Werbeslogan „So kommen Sie zu Ihrem Recht!“ nicht auf die Idee, dass der Anwalt Erfolgsgarantien abgibt2. Zu Recht hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass der Rechtsuchende, der ein durchschnittliches Leseverständnis aufbringt, zwischen optimaler Mühewaltung und optimaler Interessenvertretung zu differenzieren vermag3. Dem Rechtsanwalt ist auch die (wahrheitsgemäße) Angabe von Speziali- 1551 sierungen erlaubt. Das Verbot der Angabe von Spezialisierungen gemäß § 7 BORA a.F. ist vom BVerfG als mit der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden4. Die Bezeichnung als „Spezialist“ darf jedoch nicht zu einer Verwechslung mit dem Titel „Fachanwalt“ führen5; die genauen Voraussetzungen sind nach wie vor streitig6. Unzulässig ist jedenfalls die Verwendung der Bezeichnung „Fachanwalt für Markenrecht“, da es einen solchen Titel nach § 1 Fachanwaltsordnung (FAO) nicht gibt7. Eine Kanzlei, die sich in ihrem Webauftritt als „Kanzlei Niedersachsen“ 1552 bezeichnet, verstößt nicht gegen das Sachlichkeitsgebot, da der durchschnittliche Verbraucher die Bezeichnung weder als irreführende Behauptung einer Spitzenstellung noch als Behauptung einer Verbindung zur niedersächsischen Staatskanzlei, sondern als geografische Herkunftsbezeichnung verstehen wird8. Aus dem Verbot der Angabe von Erfolgs- und Umsatzangaben in § 6 1553 Abs. 2 Satz 1 BORA wurde früher ein generelles Verbot derartiger Angaben auf Websites abgeleitet9. Zu Recht ist dieses pauschale Verbot von Werbung mit Erfolgs- und Umsatzzahlen in Zweifel gezogen worden, denn das Publikum ist nicht so naiv, dass es aus Erfolgsangaben Rück-
1 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 Rz. 30 ff. 2 Vgl. BVerfG vom 12.9.2001, NJW 2001, 3324, 3324 f.; Entsprechendes gilt nach AG Hamm vom 23.6.1999, AnwBl 1999, 557 – „Alles, was Recht ist“; OLG Köln vom 29.7.1998, NJW 1999, 63 – „Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgaben“; OLG Oldenburg vom 5.4.2001, NJW 2001, 2026 – „Wenn der Steuerfahnder 3 × klingelt“. 3 Härting/Steinbrecher, AnwBl2005, 10, 13; vgl. BVerfG vom 28.2.2003, BRAKMitt. 2003, 127, 128. 4 BverfG vom 28.7.2004 in NJW 2004, 2656. 5 Remmertz, NJW 2008, 266, 269. 6 Vgl. Remmertz, NJW 2008, 266, 267; OLG Nürnberg vom 20.3.2007, NJW 2007, 1984, 1985; OLG Stuttgart vom 24.1.2008, NJW 2008, 1326, 1327. 7 LG Frankfurt a.M. vom 13.1.2010, MMR 2010, 336. 8 OLG Celle vom 17.11.2011 – 13 U 168/11, Rz. 8, 10, 13. 9 Vgl. Dahns/Krauter, BRAK-Mitt. 2004, 2, 4; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1483.
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G. Wettbewerbsrecht
schlüsse auf die Qualifikation des Anwalts zieht1. Eine Gefahr für das Vertrauen in die Anwaltschaft stellen Erfolgs- und Umsatzangaben nicht dar2. 1554
Beharrlich diskutiert wurde lange Zeit auch die Zulässigkeit „fachfremder“ Angaben zur eigenen Person und die Zulässigkeit „fachfremder“ Links3. Die Angabe etwa einer Partei- oder Vereinszugehörigkeit oder ein Hyperlink auf die Website des örtlichen Gesangsvereins ist im wesentlichen Imagewerbung4. Derartige Werbemaßnahmen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG für geeignet zu halten, die Anwaltschaft in Misskredit zu bringen und das Vertrauen des Publikums in die Integrität der Anwaltschaft zu gefährden, ist verfehlt5. Für das persönliche Vertrauen eines Mandanten ist es keinesfalls schädlich, wenn er nicht nur die Tätigkeitsschwerpunkte eines Rechtsanwalts erfährt, sondern auch andere persönliche, „fachfremde“ Informationen6. Die gegenteilige Auffassung beschränkt in nicht hinnehmbarer Weise die Erwägungen des Rechtssuchenden bei der Auswahl eines Rechtsanwalts auf berufsbezogene Angaben7.
1555
Auch ein virtuelles Gästebuch ist erlaubt, solange die Eintragungen nicht irreführend i.S.d. § 3 i.V.m. § 5 UWG sind. Dass das ein oder andere „Lob“ eines Mandanten über die Leistungen des Rechtsanwalts, das sich in einem Gästebuch möglicherweise findet, das Ansehen der Anwaltschaft insgesamt gefährdet, kann man nicht ernstlich vertreten8. Ein generelles Verbot von „Gästebüchern“ wegen der Möglichkeit unsachlicher Drittwerbung9, schießt weit über das Ziel hinaus, zumal „Gästebücher“ auch als Diskussionsforen oder für kritische Bemerkungen genutzt werden können10.
1556
Berufsrechtlich nicht zu beanstanden ist Werbung des Rechtsanwalts auf fremden Seiten11. Die Gestaltung der Werbung nach den Kriterien der 1 Kleine-Cosack, BRAO, Anh. I 1 § 6 Rz. 4, Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 14. 2 Vgl. OLG Nürnberg vom 22.6.2004, NJW 2004, 2167, 2168 f. 3 Vgl. Bardenz, MDR 2001, 247, 253; Dahns/Krauter, BRAK-Mitt. 2004, 2, 4; Schulte/Schulte, MMR 2002, 585, 588; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484 f. 4 Vgl. BVerfG vom 4.8.2003, NJW 2003, 2816 = MDR 2003, 1263. 5 Härting/Steinbrecher, AnwBl2005, 10, 14. 6 Härting, AnwBl 2000, 343, 345; vgl. auch Hoß, AnwBl 2002, 377, 383; BVerfG vom 4.8.2003, NJW 2003, 2816 = MDR 2003, 1263. 7 A.A. Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1483. 8 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl2005, 10, 15. 9 Vgl. Schmittmann, MDR 1997, 601, 603; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1485; LG Nürnberg-Fürth vom 20.5.1998, DB 1998, 1404 ff. 10 Vgl. Römermann in Hartung, Berufs-/Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., vor § 6 BerufsO Rz. 239; Kleine-Cosack, Werberecht, Rz. 724 ff.; a.A. wohl v. Lewinski in Hartung, BORA/FAO, § 6 BORA Rz. 220 f. 11 Dahns/Krauter, BRAK-Mitt. 2004, 2, 4; vgl. Härting, AnwBl 2000, 343, 345; a.A. Schmittmann, MDR 1997, 601, 603; Schneider, MDR 2000, 133, 134.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Sachlichkeit zu beurteilen, ist ebenso falsch wie die Differenzierung danach, ob der Erscheinungsort „sachlich“ oder „unsachlich“ ist1. Auch hier kann im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot des § 43b BRAO nichts anderes gelten als bei anderen Werbeformen: Erlaubt ist alles, was nicht irreführend ist2. (3) Werbung um ein Einzelmandat Das Verbot der Werbung um einen Auftrag im Einzelfall wurde in der 1557 Vergangenheit vielfach restriktiv ausgelegt und führte beispielsweise zu der Diskussion, ob Rundschreiben an potenzielle Mandanten zulässig sind. Der BGH hat die Zulässigkeit von Anwalts-Rundschreiben zu Recht bejaht und betont, dass letztlich jede Werbung von der Hoffnung motiviert ist, neue Kunden bzw. Mandanten zu gewinnen3. Die Grenze zur Unzulässigkeit ist erst dann überschritten, wenn eine konkret bestehende Bedarfslage dazu ausgenutzt wird, dem (potenziellen) Mandanten Hilfe aufzudrängen, wie dies beispielsweise bei einer Mandatswerbung am Unfallort der Fall wäre4. Es ist unzutreffend, dem Rechtsanwalt die Einrichtung eines „Gäs- 1558 tebuchs“ mit der Begründung zu untersagen, ein solches „Gästebuch“ diene der Sammlung von Adressen potentieller Mandanten und ermögliche daher die Werbung um Einzelaufträge5. Die Sammlung von Adressen und deren Nutzung zum Zwecke von Werbemaßnahmen bedeutet noch keine Werbung um ein konkretes Einzelmandat. Ohne Weiteres zulässig ist dementsprechend auch die Bereithaltung von Vollmachten auf einer Kanzlei-Website zum Download6 oder auch die „Online-Rechtsberatung“ per Formular7. Ein Anwalt, der auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu einem 1559 Kostenvoranschlag eines Kollegen abgibt, würde nicht gegen das Verbot der Werbung um ein Einzelmandat verstoßen. Die berufsrechtlichen Wer-
1 Vgl. Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1487. 2 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 15. 3 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 11; BGH vom 15.3.2001, NJW 2001, 2886, 2887 = MDR 2001, 1308, 1309; vgl. auch LG München I vom 26.10.2006, CR 2007, 467, 470. 4 Vgl. BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087, 2089; vgl. OLG Hamburg vom 26.2.2004, NJW 2004, 1668, 1669; OLG Naumburg vom 10.7.2007, WRP 2007, 1502, 1503. 5 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10; Koch, AnwBl 1997, 422, 427; Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1293; Schmittmann, MDR 1997, 601, 603; a.A. Flechsig, ZUM 1997, 98, 100; LG Nürnberg-Fürth vom 20.5.1998, DB 1998, 1404; zum Gästebuch auf der Homepage eines Zahnarztes vgl. OLG Koblenz vom 13.2.1997, NJW 1997, 1932, 1933 f.; LG Trier vom 19.9.1996, WRP 1996, 1231, 1232 ff. 6 OLG München vom 20.12.2001, NJW 2002, 760, 761. 7 Vgl. OLG Braunschweig vom 12.9.2002, MMR 2003, 276.
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G. Wettbewerbsrecht
bebeschränkungen dürfen nicht dazu führen, dass das berechtigte Interesse des Mandanten an sachlich angemessener Information nicht befriedigt wird1. (4) Provisionsverbot 1560
Nicht zu beanstanden ist das Bereitstellen einer Internetplattform zur Vermittlung von Terminsvertretern. Wenn der Betreiber für die Vermittlung ein Entgelt verlangt, verstößt dies nicht gegen das Provisionsverbot gemäß § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO2. ee) Glücksspiele
1561
Wer ohne behördliche Erlaubnis ein Online-Glücksspiel veranstaltet, macht sich nicht nur strafbar (§ 284 StGB), sondern handelt auch wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG3. Dies gilt auch dann, wenn der Veranstalter Inhaber einer Erlaubnis eines anderen EU-Mitgliedstaates ist4. Das Herkunftslandprinzip ist auf Gewinnspiele nicht anwendbar (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG), und auch aus der europarechtlichen Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit lässt sich keine Notwendigkeit ableiten, behördliche Erlaubnisse anderer EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen5. Ein Internetverbot für Glücksspiele ist europarechtskonform, wenn dadurch die Eingrenzung der Spielsucht und der Schutz der Jugend bezweckt werden6.
1 Vgl. BVerfG vom 8.12.2010 – 1 BvR 1287/08 – Zahnarzt Preisvergleichsportal, Rz. 24 ff.; BGH vom 1.12.2010 – I ZR 55/08 – Zweite Zahnarztmeinung, Rz. 12. 2 OLG Karlsruhe vom 5.4.2013 – 4 U 18/13, Rz. 4. 3 Moritz/Hermann in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rz. 563; BGH vom 14.3.2002, NJW 2002, 2175, 2176 = MDR 2002, 1082 – Sportwetten; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten; BGH vom 14.2.2008, ZUM 2008, 594 ff.; OLG Hamburg vom 19.8.2004, CR 2004, 925, 926; OLG Hamburg vom 19.1.2005, CR 2005, 459 = MMR 2005, 471.; OLG Köln vom 24.4.2006, ZUM 2006, 648, 649; OLG Oldenburg vom 18.9.2008, CR 2009, 43 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 4.6.2009, MMR 2009, 577 (Ls.); LG Köln vom 7.4.2009, MMR 2009, 485 f., mit Anm. Liesching; LG Regensburg vom 15.2.2005, MMR 2005, 478. 4 Dietlein, CR 2004, 372, 375; Fritzemeyer/Rinderle, CR 2004, 367, 368; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten; OLG Hamburg vom 19.1.2005, CR 2005, 459, 460 = MMR 2005, 471; OLG Hamburg vom 19.8.2004, CR 2004, 925, 927; a.A. Hoeller/Bodemann, NJW 2004, 122, 125; VGH Hessen vom 9.2.2004, CR 2004, 370, 372 mit Anm. Dietlein. 5 EuGH vom 6.11.2003, NJW 2004, 139 = MMR 2004, 92 – Gambelli; EuGH vom 8.9.2010 – C-316/07 u.a – Markus Stoß u.a., Rz. 116, BGH vom 14.3.2002, NJW 2002, 2175, 2176 = MDR 2002, 1082 – Sportwetten; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten; vgl. Fritzemeyer/Rinderle, CR 2004, 367; a.A. Hoeller/Bodemann, NJW 2004, 122, 125; vgl. auch LG München I vom 27.10.2003, MMR 2004, 109. 6 EuGH vom 8.9.2010 – C-46/08 – Carmen Media, Rz. 111.
382
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2011 galten die (mit dem Grundgesetz und 1562 dem Europarecht vereinbarten1) rigiden Vorschriften des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV 2008). § 5 Abs. 4 GlüStV verbot die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel2. Auch bei legalem (öffentlichem) Glücksspiel (z.B. Lotto) war die Werbung im Internet nach § 5 Abs. 3 GlüStV verboten3. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 war jede Form des Online-Glücksspiels verboten. Seit dem 1.7.2012 gilt ein neuer Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2012), 1563 der weitestgehend dem GlüStV 2008 entspricht. Allerdings ist das Verbot der Online-Glücksspiele gelockert worden durch eine Öffnungsklausel (§ 4 Abs. 5 GlüStV 2012). Auch das Werbeverbot ist durch eine Öffnungsklausel ergänzt worden (§ 5 Abs. 3 GlüStV). ff) Jugendschutz Verstöße gegen Bestimmungen des Jugendschutzes begründen stets einen 1564 Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG. Dies gilt namentlich für das Jugendschutzgesetz (JuSchG) und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)4. Ein Verstoß gegen das Verbot des Versandhandels mit Bildträgern nach 1565 § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG ist unlauter5. Dasselbe gilt für den Verkauf von Tabakwaren an Jugendliche. § 10 Abs. 1 JuSchG verbietet die Abgabe von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche in der Öffentlichkeit. Hierunter fällt auch eine Abgabe im Fernabsatz6. Um Jugendschutz, Internet und Pornografie geht es in § 4 Abs. 2 Satz 2 1566 JMStV. Danach sind (unter anderem) pornografische Angebote im Internet nur zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass die Angebote ausschließlich Erwachsenen zugänglich sind. Mit dem JMStV haben die 16 Bundesländer für Internet-Pornografie den „Closed Shop“ eingeführt. Pornografie ja, aber nur in „geschlossenen Benutzergruppen“. Über die Anforderungen an „geschlossene Benutzergruppen“ wacht die 1567 Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM), die aus 12 Sachverständigen besteht (§ 14 Abs. 3 JMStV). An die KJM ist
1 BVerwG vom 1.6.2011 – 8 C 5.10, Rz. 18, 30 mit Anm. Voigt, MMR 2011, 848 f.; BGH vom 28.9.2011 – I ZR 92/09, Rz. 30, 33. 2 Vgl. LG Hamburg vom 5.3.2010 – 406 O 43/09. 3 Vgl. OLG Oldenburg vom 18.9.2008, CR 2009, 43, 44. 4 Liesching, K&R 2006, 394, 395; LG Leipzig vom 12.5.2006, K&R 2006, 426, 428; LG Wuppertal vom 19.10.2004 – 14 O 112/04; a.A. LG Düsseldorf vom 28.7.2004, MMR 2004, 764 f. mit Anm. Liesching. 5 OLG München vom 29.7.2004, MMR 2004, 755, 756 f. 6 A.A. LG Koblenz vom 13.8.2007, MMR 2007, 725 mit Anm. Liesching.
383
G. Wettbewerbsrecht
die gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder („Jugendschutz.net“) angebunden (§ 18 JMStV). Unter www.jugendschutz.net lässt sich nachlesen, welche Altersverifikationssysteme für geeignet erachtet werden, die strengen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV zu erfüllen. 1568
Kein anderes Altersverifikationssystem war so verbreitet wie ueber18.de. Zur Authentifizierung bedurfte es lediglich der Eingabe der Personaloder Reisepassnummer und der Postleitzahl des Ortes der Ausstellung des Ausweises. Ueber18.de gab dem Internetnutzer somit die Möglichkeit, in vollständiger Anonymität Webseiten mit nicht „jugendfreien“ Inhalten zu durchstöbern.
1569
Dass ueber18.de den Anforderungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV nicht genügte, entsprach bereits seit langer Zeit der ganz einhelligen Auffassung von Literatur und Rechtsprechung1. Der BGH schloss sich dieser Ansicht in seinem „ueber18.de“-Urteil an2. Der Anbieter von ueber18.de habe täterschaftlich einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV begangen, soweit über seine Website der Zugang zu pornographischen Internetangeboten ermöglicht wurde. Soweit es um den Vertrieb des Altersverifikationssystems ging, lag nach Auffassung des BGH eine vorsätzliche Teilnahme an den durch Dritte begangenen Wettbewerbsverstößen vor3.
1570
Mit der Neufassung des JMStV, über die sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer am 10.6.2010 einigten, wurden umfassende Neuregelungen im Hinblick auf Altersstufen, Jugendschutzprogramme sowie Impressums- und Kennzeichnungspflichten für Diensteanbieter geschaffen4. Die Novellierung scheiterte jedoch an einem ablehnenden Votum des nordrhein-westfälischen Landtags.
1 Vgl. nur Döring/Günter, MMR 2004, 231, 236 f.; Erdemir, CR 2005, 660 ff.; Liesching, K&R 2006, 394, 396; Liesching, MMR 2004, 481 f.; KG vom 26.4.2004, CR 2004, 619 ff.; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, CR 2004, 456 f.; OLG Düsseldorf vom 24.5.2005, CR 2005, 657 ff. mit Anm. Erdemir = MMR 2005, 611 ff.; OLG Hamburg vom 4.10.2005, MMR 2006, 238 f.; OLG Nürnberg vom 7.3.2005, MMR 2005, 464 ff.; LG Duisburg vom 30.8.2004, NJW-RR 2005, 478, 479; LG Saarbrücken vom 26.7.2005, MMR 2006, 250, 251 f.; a.A. LG Wuppertal vom 19.10.2004 – 14 O 112/04. 2 Vgl. Härting, BGH-R 2008, 699; BGH vom 18.10.2007, WRP 2008, 771 = MMR 2008, 400 – ueber18.de. 3 Vgl. BGH vom 18.10.2007, WRP 2008, 771, 776 = MMR 2008, 400, 404 f. – ueber18.de. 4 Vgl. Härting/Strubel, ITRB 2010, 183.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
gg) Datenschutz In Rechtsprechung und Literatur umstritten ist die Frage, ob Normen des 1571 Datenschutzrechtes, insbesondere die §§ 4, 28 ff. BDSG1 und § 13 Abs. 1 TMG2, Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG sind3. Im Fall des § 13 Abs. 1 TMG geht das Kammergericht davon aus, dass ei- 1572 ne wettbewerbsbezogene Schutzfunktion allenfalls insoweit vorhanden ist, als die Vorschrift den Verbraucher vor unerwünschter Werbung und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Privatsphäre schützen soll4. Soweit es keine Gefahr unerwünschter Werbung gebe, sei ein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 TMG nach § 4 Nr. 11 UWG nicht wettbewerbswidrig. Das OLG Hamburg hat dem widersprochen und die Wettbewerbsbezogenheit des § 13 Abs. 1 TMG daraus abgeleitet, dass die Norm Anforderungen der EU-Datenschutzrichtlinie (DSRL) umsetzt und es zu den Zwecken der DSRL gehört, im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs europaweit einheitliche Regeln für den Datenverkehr aufzustellen5. Auch das in § 4 Abs. 1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 1573 wird vielfach als Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens i.S.d. § 4 Abs. 11 UWG angesehen6. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn sich der Marktteilnehmer auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um die Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke zu rechtfertigen7. Die Gegenansicht beruft sich darauf, dass das Datenschutzrecht Ausfluss des Persönlichkeitsrechts sei, bei dem es um den Schutz von Individualrechtspositionen gehe und nicht um den Schutz in der Rolle als Marktteilnehmer8. In den letzten Jahren sind persönliche Daten zunehmend zu einem Wirt- 1574 schaftsgut geworden. Zugleich sind Verbraucher erheblich sensibler, wenn es um Datenschutz geht. Datenschutz ist ein Wettbewerbsfaktor
1 OLG Karlsruhe vom 9.5.2012 – 6 U 38/11, Rz. 32 mit Anm. Schneider, NJW 2012, 3315 f.; Linsenbach/Schiller, WRP 2013, 576, 580; a.A. OLG München vom 12.1.2012 – 29 U 3926/11, Rz. 26 mit Anm. Schröder, ZD 2012, 331 f. 2 KG vom 29.4.2011 – 5 W 88/11, Rz. 32 ff. 3 Härting/Strubel, IPRB 2011, 231, 231 f., Huppertz/Ohrmann, CR 2011, 449, 451 m.w.N. 4 KG vom 29.4.2011 – 5 W 88/11, Rz. 38. 5 OLG Hamburg vom 27.6.2013 – 3 U 26/12, Rz. 38. 6 OLG Köln vom 14.8.2009 – 6 U 70/09, Rz. 5; OLG Köln vom 19.11.2010 – 6 U 73/10, Rz. 13; OLG Karlsruhe vom 9.5.2012 – 6 U 38/11, Rz. 32 mit Anm. Schneider, NJW 2012, 3315 f.; a.A. OLG München vom 12.1.2012 – 29 U 3926/11, Rz. 26 mit Anm. Schröder, ZD 2012, 331 f. 7 OLG Köln vom 14.8.2009 – 6 U 70/09, Rz. 5; OLG Köln vom 19.11.2010 – 6 U 73/10, Rz. 13; OLG Karlsruhe vom 9.5.2012 – 6 U 38/11, Rz. 34 mit Anm. Schneider, NJW 2012, 3315 f. 8 OLG München vom 12.1.2012 – 29 U 3926/11, Rz. 26 mit Anm. Schröder, ZD 2012, 331 f.
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G. Wettbewerbsrecht
geworden, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die Auffassung durchsetzt, dass Verstöße gegen das Datenschutzrecht ausnahmslos als wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG anzusehen sind. hh) AGB-Recht 1575
Auch die Vorschriften zur Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) regeln nach Auffassung des BGH1 das Marktverhalten (§ 4 Nr. 11 UWG), indem sie Nachteile abwenden, die dem Wirtschaftsverkehr durch den nicht funktionierenden Konditionenwettbewerb drohen2. Entscheidend für eine Bewertung als Marktverhaltensregelungen sei jedoch, dass die Verwendung unwirksamer AGB einen Verstoß gegen die „berufliche Sorgfaltspflicht“ nach Art. 5 Abs. 2 UGPRichtlinie3 darstelle4.
1576
Der BGH hat mit seinen Entscheidungen zu den §§ 307 ff. BGB eine langjährige Streitfrage entschieden. Die Instanzgerichte hatten bei Verstößen gegen das AGB-Recht überwiegend einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG verneint und den Standpunkt vertreten, dass das AGB-Recht nicht die Funktion hat, das Marktverhalten zu regeln5.
1577
Ein Versandhändler, der in einer AGB-Klausel eine Lieferfrist für die Waren angibt und diese Angabe mit dem Zusatz „in der Regel“ einschränkt, verstößt gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 308 Nr. 1, 2. Alt. BGB6. ii) Einzelfälle
1578
§ 475 BGB ist die Grundnorm des Verbrauchsgüterkaufs und schränkt die Möglichkeiten des Unternehmers ein, zum Nachteil des Verbrauchers von den gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen des Kaufrechts abzuweichen. Als Umsetzungsnorm zur EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dient § 475 BGB unter anderem auch dem Abbau von Wettbewerbsverzer-
1 BGH vom 31.3.2010 – I ZR 34/08 – Gewährleistungsausschuss im Internet, Rz. 24, 29 mit Anm. Schirmbacher, BB 2010, 2780 f. BGH vom 31.5.2012 – I ZR 45/11 – Missbräuchliche Vertragsstrafe, Rz. 46. 2 Vgl. OLG Hamm vom 12.1.2012 – 4 U 107/11, Rz. 10; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rz. 11.156e; Grüneberg in Palandt, Überbl. v. § 305 Rz. 8. 3 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken. 4 OLG Hamm vom 12.1.2012 – 4 U 107/11, Rz. 10; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rz. 11.156e. 5 OLG Hamburg vom 13.11.2006, NJW 2007, 2264, 2265 = CR 2007, 455, 456 = ITRB 2007, 254 (Antoine); OLG Köln vom 30.3.2007, NJW 2007, 3647 = CR 2007, 799; OLG Köln vom 16.5.2008, MMR 2008, 540; a.A. KG vom 4.2.2005, MMR 2005, 466 f. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2011 – 6 W 55/11, Rz. 4; OLG Hamm vom 12.1.2012 – 4 U 107/11, Rz. 6, 11.
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rungen1 und ist daher als Marktverhaltensregel gemäß § 4 Nr. 11 UWG anzusehen2. § 477 BGB regelt die Anforderungen an Garantieerklärungen beim Ver- 1579 brauchsgüterkauf. Das OLG Hamburg3, das OLG Frankfurt a.M.4 und das OLG Hamm5 haben § 477 BGB als Marktverhaltensregel gemäß § 4 Nr. 11 UWG angesehen und zur Begründung darauf verwiesen, dass § 477 BGB „auch“ das Marktgeschehen im Interesse der Verbraucher regeln wolle. Nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB hat ein Unter- 1580 nehmer im Rahmen eines Fernabsatzvertrages den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung über das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie der Einzelheiten der Ausübung zu informieren. Auch hierbei handelt es sich um Marktverhaltensregeln gemäß § 4 Nr. 11 UWG6. Wettbewerbsbezug ist für das Arzneimittelgesetz (AMG) und die Arznei- 1581 mittelpreisverordnung (AMPVO) zu bejahen, an die Versandapotheken gebunden sind. Der Betreiber einer Versandapotheke begeht bei einer Verletzung der Bestimmungen des AMG und der AMPVO einen Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG7. Nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist eine Werbung für die Erken- 1582 nung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden unzulässig, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Wird im Internet eine solche Fernbehandlung beworben oder angeboten, so ist die wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG8. Eine Werbung mit dem Hinweis, dass in Foren über achtzig Fachärzte 1583 dem Interessenten kostenlos antworten, begründet die nicht unerhebliche Gefahr, dass Ratsuchende sich entschließen, zumindest vorläufig nur das Angebot des Forenbetreibers in Anspruch zu nehmen, und von einem sonst durchgeführten Arztbesuch abgehalten werden. Dies genügt nach 1 BGH vom 31.3.2010 – I ZR 34/08 – Gewährleistungsausschuss im Internet, Rz. 29 mit Anm. Schirmbacher, BB 2010, 2780 f.; BGH vom 19.5.2010 – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis; Rz. 23. 2 BGH vom 31.3.2010 – I ZR 34/08 – Gewährleistungsausschuss im Internet, Rz. 24, 29 mit Anm. Schirmbacher, BB 2010, 2780 f.; BGH vom 19.5.2010 – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis; Rz. 22. 3 OLG Hamburg vom 26.11.2009, MMR 2010, 400, 401. 4 OLG Frankfurt a. M. vom 4.7.2008, MMR 2008, 869 (Ls.). 5 OLG Hamm vom 13.8.2009, MMR 2010, 28; OLG Hamm vom 17.11.2009 – 4 U 148/09; OLG Hamm vom 14.2.2013 – 4 U 182/12, Rz. 23 ff. 6 OLG Hamm vom 13.10.2011 – 4 U 99/11, Rz. 24. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 29.11.2007, WRP 2008, 969, 971. 8 OLG München vom 2.8.2012 – 29 U 1471/12, Rz. 31 ff.
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G. Wettbewerbsrecht
Auffassung des OLG München für die Annahme eines Verstoßes gegen das Verbot der Fernbehandlung (§ 9 HWG)1. 1584
Einen Wettbewerbsverstoß (§ 4 Nr. 11 UWG) begeht auch der gewerbliche Verkäufer von Elektrogeräten, der nicht gemäß § 6 Abs. 2 ElektroG registriert ist2. Für den Wettbewerb ist es von erheblicher Bedeutung, dass sich alle Anbieter von Elektro- und Elektronikgeräten an die Registrierungspflicht halten3.
1585
Eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion ist zu bejahen bei dem Verbot des Verkaufs von Tabakwaren unter dem Packungspreis (Kleinverkaufspreis) gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 TabStG. Eine Versteigerung von Tabakwaren über Ebay ist daher wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG, wenn der Startpreis unter dem Kleinverkaufspreis liegt4.
1586
Nicht zu den Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG gehören die Nutzungsbedingungen einer Online-Plattform5. 3. Irreführungsverbot (§§ 5 und 5a UWG)
1587
§ 5 UWG ist durch die letzte UWG-Novelle komplett neu gefasst und durch den neuen § 5a UWG ergänzt worden, wobei schon der Titel des § 5 UWG darauf hinweist, dass nicht mehr nur die irreführende Werbung, sondern auch andere irreführende geschäftliche Handlungen als unlauter gelten sollen. Inhaltlich ergeben sich aus der Neufassung keine wesentlichen Neuerungen6. a) Irreführende Angaben
1588
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine Irreführung setzt regelmäßig voraus, dass mit konkreten „Angaben“ geworben wird. Hierunter werden Erklärungen objektiv nachprüfbaren Gehalts (d.h. Tatsachen) verstanden7. Es darf sich nicht um bloße Anpreisungen handeln, die erkennbar keine Tatsachenbehauptungen enthalten8.
1 2 3 4 5 6 7
OLG München vom 2.8.2012 – 29 U 1471/12, Rz. 43 ff. OLG Hamm vom 30.8.2012 – 4 U 59/12, Rz. 44. Vgl. OLG Hamm vom 30.8.2012 – 4 U 59/12, Rz. 44. OLG Frankfurt a.M. vom 2.6.2004, K&R 2004, 447, 448. OLG Hamm vom 21.12.2010 – 4 U 142/10, Rz. 26. Köhler, WRP 2009, 109, 114; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 436. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rz. 2.37; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rz. 87; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 152 ff. 8 Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rz. 2.43 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 14 Rz. 13 ff.; BGH vom 30.10.1963, GRUR 1964, 33, 35 – Bodenbeläge.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Irreführende Angaben können nicht nur in Worten enthalten sein, son- 1589 dern auch in bildlichen Darstellungen oder „Veranstaltungen“, die dazu geeignet sind, verbale Angaben zu ersetzen (§ 5 Abs. 3 UWG). b) Durchschnittsverbraucher Irreführend ist eine Angabe, wenn sie dazu geeignet ist, beim angespro- 1590 chenen Publikum, d.h. bei den durch die Wettbewerbshandlung angesprochenen Verkehrskreisen, eine unrichtige Vorstellung hervorzurufen und die Kauflust positiv zu beeinflussen1. Nicht erforderlich ist die Täuschung des überwiegenden Teils der umworbenen Kunden. Ausreichend ist vielmehr, dass es sich um einen nicht ganz unbeachtlichen Anteil handelt, wobei hierfür im Gegensatz zur alten Rechtsprechung eine Irreführungsquote von 10 bis 15 % im Hinblick auf das Leitbild des „Durchschnittsverbrauchers“ als zu gering anzusehen ist2. Richtet sich Werbung an Verbraucher, ist vom Leitbild des „Durch- 1591 schnittsverbrauchers“ auszugehen. Bei der Online-Werbung ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf denjenigen Verbraucher abzustellen, der sich der betreffenden Werbeangabe mit der situationsbedingten Aufmerksamkeit zuwendet3. Die „situationsbedingte Aufmerksamkeit“ des Internetnutzers geht 1592 nicht so weit, dass davon ausgegangen werden darf, dass der Nutzer in jedem Fall sämtliche Seiten eines Internetauftritts zur Kenntnis nehmen wird. Vielmehr wird der Kaufinteressent erfahrungsgemäß nur diejenigen Seiten aufrufen, die er zur Information über die gewünschte Ware benötigt oder zu der er auf dem Weg zum Vertragsschluss geführt wird. Für die Beurteilung einer Irreführungsgefahr bedeutet dies, dass Hinweise auf entlegenen Seiten, deren Kenntnisnahme nicht zu erwarten ist, außer Betracht bleiben4. Die Eignung einer Werbung, das Nachfrageverhalten zu beeinflussen, be- 1593 stimmt sich stets nach den Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise. Erweckt daher eine Kartenlegerin mit einer falschen Angabe die Vorstellung einer besonderen „Macht der Karten“, so kann dies als Irreführung anzusehen sein. Die Eigenschaft des – im Normalfall – maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers, „informiert und verständig“ zu sein, schließt es nicht aus, Vorstellungen ohne Realitätsgehalt zu berücksich1 Vgl. Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rz. 105, 107. 2 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 1 Rz. 33; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rz. 49 f., 149 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 149 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 14 Rz. 30.; zur alten Rechtsprechung Sack, WRP 2004, 521 ff.; BGH vom 6.4.1979, GRUR 1979, 716, 718 – Kontinent-Möbel; OLG Köln vom 26.11.1982, GRUR 1983, 385, 385 f. – Lübecker Marzipan II. 3 BGH vom 16.12.2004, CR 2005, 357, 358 – Epson-Tinte. 4 BGH vom 16.12.2004, CR 2005, 357, 359 – Epson-Tinte.
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G. Wettbewerbsrecht
tigen und damit die auf ihnen beruhenden Nachfragentscheidungen vor einer Beeinflussung durch Irreführungen zu schützen. Dies gilt umso mehr, als es dem Normalfall entspricht, dass Kaufentscheidungen durch Erwägungen beeinflusst werden, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen1. 1594
Bei einem englischsprachigen Internetangebot, das zudem noch über eine .com-Adresse abrufbar ist, kommt es allein auf eine Irreführungsgefahr in englischer Sprache an. Missverständnisse, die aus Übersetzungsproblemen resultieren, können eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführungsgefahr nicht begründen2.
1595
Wird mit einer „dreisten Lüge“ geworben, gilt ein strengerer Maßstab. Eine Irreführung kann in einem solchen Fall auch dann zu bejahen sein, wenn ein eher geringer Teil des angesprochenen Verkehrs getäuscht wird3. c) Gegenstand der Irreführung
1596
Als Gegenstand einer Irreführung kommen alle Angaben über die Merkmale einer Ware oder Dienstleistung in Betracht (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG) sowie Angaben über den Anlass des Verkaufs und den Preis sowie über die Liefer- bzw. Erfüllungsbedingungen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG). Des Weiteren kann sich die Irreführung auch auf die geschäftlichen Verhältnisse des Werbenden beziehen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG). Die Aufzählung in § 5 UWG ist an Art. 3 der EU-Irreführungsrichtlinie4 angelehnt und nicht als abschließend zu verstehen5. aa) Irreführung über das Produkt
1597
Zu den Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware bzw. Dienstleistung, die Gegenstand einer Irreführung sein können (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG), zählen Angaben über die Beschaffenheit eines Produkts, über seine – geographische oder betriebliche – Herkunft und über die Ergebnisse, die von der Verwendung des Produkts zu erwarten sind. Dasselbe gilt für die Verfügbarkeit, Risiken, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Kundendienst und Beschwerdeverfahren sowie für die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen.
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OLG Düsseldorf vom 9.9.2008, NJW 2009, 789, 791. OLG Köln vom 6.8.2004, CR 2005, 536 = MMR 2005, 110 f. OLG Frankfurt a.M. vom 26.3.2009, MMR 2009, 553, 554. Richtlinie 84/450/EWG des Rates über irreführende und vergleichende Werbung vom 10.9.1984, ABl. EG L 250 vom 19.9.1984, S. 17. 5 A.A. Link in Juris-PK UWG, § 5 Rz. 23.
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II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG liegt vor, wenn bei 1598 einem „SMS Privat-Chat“ der Eindruck erweckt wird, es bestünde die Möglichkeit des Kennenlernens anderer interessierter Singles, die Kurznachrichten in Wahrheit aber von professionellen Agenten beantwortet werden1. Dasselbe gilt für die Werbung mit „Last-Minute-Reisen“ für Reisen, die nicht erst „in letzter Minute“, sondern spätestens 14 Tage vor dem Abflug gebucht werden müssen2. Irreführend ist es auch, für die Errichtung von englischen Limited Companies mit dem Schlagwort „EUGmbH“ zu werben3. Ein Hotel, das im Internet mit „drei Sternen“ wirbt, ohne über eine ent- 1599 sprechende Klassifizierung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) zu verfügen, führt über die Art und Ausführung der beworbenen Dienstleistung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irre4. Eine Irreführung ist zu bejahen, wenn bei Ebay ein Waschbecken angebo- 1600 ten wird mit der blickfangmäßig hervorgehobenen Überschrift „Waschbecken Center, Katalog von Duravit“ und der Interessent erst in der Unterzeile erfährt, dass es sich keineswegs um ein Produkt des badenwürttembergischen Markenherstellers handelt, sondern dass er lediglich einen Duravit-Katalog „auf Wunsch kostenlos dazu“ erhält5. Irreführend ist es auch, wenn ein Online-Adressverzeichnis den Eindruck 1601 vermittelt, dass der Nutzer per Link direkt zu den Websites einzelner Hotels gelangt und tatsächlich eine Verlinkung zu einer Vermittlungsplattform erfolgt6. Wirbt ein Unternehmen online mit einem Kundenbewertungssystem, 1602 bei dem die positiven Bewertungen sofort angezeigt werden, während die neutralen und negativen Bewertungen zunächst einer Prüfung unterzogen werden, liegt darin eine Irreführung über Testergebnisse, da ein übertrieben positives Bild des Unternehmens entsteht7. Eine Irreführung über wesentliche Bestandteile eines Tests liegt vor bei 1603 der Werbung mit Kundenbewertungen, wenn die Kunden für die Abgabe ihrer Bewertung mit Rabatten für spätere Käufe entlohnt werden, ohne dass die aus der Anzeige der Kundenbewertungen hervorgeht8.
1 LG München I vom 11.10.2005, K&R 2005, 573 f. 2 OLG München vom 26.2.1998, NJW 1999, 65 = CR 1998, 300 = K&R 1998, 362 f. 3 LG Dresden vom 11.4.2007, NJW 2007, 88, 89 f. 4 LG Aurich vom 15.9.2009, WRP 2009, 1579 f. 5 LG Oldenburg vom 24.4.2008, WRP 2008, 985 f. 6 LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2013 – 3-08 O 197/12. 7 Vgl. OLG Düsseldorf vom 19.2.2013 – 20 U 55/12, Rz. 18, 20. 8 Vgl. OLG Hamm vom 23.11.2010 – 4 U 136/10, Rz. 70.
391
G. Wettbewerbsrecht
1604
Wirbt ein Unternehmen für den E-Postbrief mit dem Slogan „Ich nutze jetzt für alles den E-Postbrief“ liegt darin eine Irreführung der Verbraucher über die Verwendungsmöglichkeiten, da der falsche Eindruck erweckt wird, dass mit Hilfe eines E-Postbrief wirklich alles versendet werden kann, was sich mit der herkömmlichen Briefpost versenden lässt1. Zudem liegt nach Auffassung des OLG Köln in der Aussage, dass „alle“ ein Produkt oder eine Dienstleistung „wollen“, nicht nur eine (zulässige) reklamehafte Übertreibung, sondern eine Irreführung, wenn nur etwas mehr als 1 % der Gesamtbevölkerung dieses Produkt erworben bzw. diese Dienstleistung in Anspruch genommen haben2.
1605
Nicht irreführend ist es, wenn maßkonfektionierte Bekleidung als „Maßhemd“ bezeichnet wird, da der Begriff des „Maßhemdes“ nicht die Vorstellung eines maßgeschneiderten Hemdes erweckt3.
1606
Stellt der Verkäufer eines Gebrauchtfahrzeugs sein Angebot auf einer Online-Plattform in eine Suchrubrik mit einer geringeren als der tatsächlichen Laufleistung des Pkw ein, so handelt es sich dabei grundsätzlich um eine irreführende Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG über das angebotene Fahrzeug. Zur Irreführung des Publikums ist die unzutreffende Einordnung aber nicht geeignet, wenn die tatsächliche Laufleistung für einen durchschnittlich informierten und verständigen Leser bereits aus der Überschrift der Anzeige ohne Weiteres hervorgeht4. bb) Irreführung über den Preis
1607
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG sind irreführende Angaben unlauter, wenn sie den Anlass des Verkaufs, das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise betreffen, in der er berechnet wird. Dasselbe gilt für Angaben über die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird.
1608
Divergierende Preisankündigungen können als Irreführung über den Preis anzusehen sein. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer gleichzeitig in verschiedenen Werbeaussagen unterschiedliche Preise ankündigt, tatsächlich aber nur den höheren der beiden Preise verlangt5. Eine solche Irreführung liegt vor, wenn für ein Produkt im Online-Shop mit einem niedrigen Preis geworben und zugleich darauf hingewiesen wird, dass „dieses Produkt leider nicht online [gekauft werden kann]“, man aber überprüfen könne, ob es in einem Einrichtungshaus in der Umgebung 1 OLG Köln vom 15.7.2011 – 6 U 34/11, Rz. 18 mit Anm. Feldmann, MMR 2011, 745 ff. 2 Vgl. OLG Köln vom 15.7.2011 – 6 U 34/11, Rz. 22 f. mit Anm. Feldmann, MMR 2011, 745 ff. 3 KG vom 11.8.2009, MMR 2009, 799 (Ls.). 4 BGH vom 6.10.2011 – I ZR 42/10 – Falsche Suchrubrik, Rz. 17, 20. 5 Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rz. 7.17.
392
II. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
verfügbar ist, wenn das Produkt tatsächlich im Einrichtungshaus zu einem höheren Preis angeboten wird1. An dieser Bewertung ändert sich nichts, wenn sich auf der Online-Seite der Hinweis findet, dass sich die Preise in den Einrichtungshäusern von denen im Online-Shop unterscheiden können2. Eine Irreführung über die Art und Weise, wie ein Preis berechnet wird, 1609 liegt vor, wenn eine Konzertagentur einen Ticketpreis mit dem Hinweis angibt, der Preis enthalte „eine Buchungsgebühr von 2 Euro“, und hierdurch der unzutreffende Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine vom Veranstalter festgesetzte und von jedem Käufer zwingend zu zahlende Gebühr3. Bietet ein Unternehmer neben einem unversicherten Versand optional 1610 auch einen teureren versicherten Versand an, ohne den Verbraucher darauf aufmerksam zu machen, dass er als Verkäufer in jedem Fall die Versandgefahr trägt (§ 474 Abs. 2 BGB), so enthält dieses Angebot eine irreführende Aussage über einen Preisvorteil. Der Verbraucher geht ohne einen entsprechenden Hinweis davon aus, dass er die Option des teureren versicherten Versandes wählen muss, um nicht die Gefahr des Untergangs während des Transports zu tragen4. Wird mit befristeten Rabatten geworben, die dann später verlängert wer- 1611 den, so liegt darin stets eine Irreführung über einen Preisvorteil, wenn der Unternehmer schon bei Schaltung der Werbung die Absicht hatte, die Vergünstigung über die zeitliche Grenze hinaus zu gewährleisten5. Wird dagegen eine Rabattaktion auf Grund von Umständen verlängert, die erst nach Erscheinen der Werbung eingetreten sind, so fehlt es an einer Irreführung, wenn diese Umstände für den Unternehmer, nicht vorhersehbar waren und somit in die Planung des Rabattzeitraums hätten einfließen können6. Die Aussage „Wir garantieren den niedrigsten Preis“ enthält keine Ir- 1612 reführung über einen Preisvorteil, wenn der Händler einen günstigeren Preis nur gewährt, wenn das Vergleichsangebot von einem „autorisierten
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OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2011 – 6 U 231/09, Rz. 18. OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2011 – 6 U 231/09, Rz. 19. KG vom 27.2.2009, NJW-RR 2009, 1344, 1345. LG Bochum vom 10.2.2009, MMR 2009, 505 f.; LG Saarbrücken vom 15.9.2006, WRP 2007, 578 (Ls.); a.A. LG Hamburg vom 18.1.2007, MMR 2007, 461. 5 BGH vom 7.7.2011 – I ZR 173/09 – 10 % Geburtstags-Rabatt, Rz. 21; BGH vom 7.7.2011 – I ZR 181/10 – Frühlings-Special, Rz. 20; Schirmbacher, K&R 2012, 87, 88. 6 BGH vom 7.7.2011 – I ZR 173/09 – 10 % Geburtstags-Rabatt, Rz. 22; BGH vom 7.7.2011 – I ZR 181/10 – Frühlings-Special, Rz. 21; vgl. Schirmbacher, K&R 2012, 87, 88 ff.
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G. Wettbewerbsrecht
Händler“ und über eine „handelsübliche Menge“ abgegeben wird, und der Kunde auf diese Einschränkung hingewiesen wird1. 1613
Wer mit „besten Preisen“ wirbt, wirbt nicht irreführend, wenn jedenfalls „sehr gute Preise“ angeboten werden2. cc) Blickfangwerbung
1614
Eine Irreführung über den Preis liegt nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. vor, wenn der Anbieter von Flugreisen blickfangmäßig mit „OneWay-Preisen“ wirbt mit einem Sternchenzusatz, der auf beträchtliche Preiszuschläge („Service Charge“ und „Treibstoffzuschlag“) verweist3.
1615
Blickfangmäßige Angaben sind nicht isoliert zu betrachten, und hervorgehobene Herausstellungen müssen für sich genommen nicht wahr sein. Es kann vielmehr genügen, den Verbraucher durch einen klaren und unmissverständlichen Sternchenhinweis auf einschränkende Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des durch den Blickfang beworbenen Angebots hinzuweisen4.
1616
Die Grundsätze zur Blickfangwerbung sind auch auf Google-Anzeigen anwendbar. So wird die in einer solchen Anzeige verwendete Werbeaussage zur Lieferung „innerhalb 24 Stunden“ zwar vom verständigen Durchschnittsverbraucher für bare Münze genommen werden. Findet sich jedoch auf der Internetseite, die über die Anzeige erreichbar ist, der deutliche Hinweis, dass die Bestellung bis 16.45 Uhr erfolgen müsse, um eine Lieferung innerhalb 24 Stunden zu gewährleisten, räumt dies eine Irreführungsgefahr aus. Bei der Beurteilung, ob eine Irreführung vorliegt, ist der kaum trennbare Zusammenhang zu berücksichtigen zwischen der verknappten schlagwortartigen Werbung bei Google und der klarstellenden Aussage auf der verlinkten Internetseite5.
1617
Die auf einer Internetseite blickfangmäßig hervorgehobene Angabe „100 SMS gratis“ ist unvollständig und unzutreffend, wenn nicht zugleich mitgeteilt wird, dass die Inanspruchnahme der 100 SMS vom (kostenpflichtigen) Abschluss eines Vertrages abhängig gemacht wird. Nach Auffassung des OLG Hamburg ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG dennoch nicht erfüllt, wenn der Verbraucher vor Absenden der Re-
1 OLG Hamm vom 2.8.2011 – 4 U 93/11, Rz. 23. 2 OLG Hamm vom 4.6.2009, MMR 2009, 861, 862. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 14.2.2008 – 6 U 75/07; vgl. auch LG Stuttgart vom 15.5.2007, MMR 2007, 668, 670. 4 OLG Hamburg vom 25.3.2010, WRP 2010, 795 (Ls.); OLG Koblenz vom 18.3.2009, K&R 2009, 502, 503 = MMR 2009, 475 f.; vgl. auch OLG Stuttgart vom 20.8.2009, WRP 2009, 1580, 1583. 5 BGH vom 12.5.2011; I ZR 119/10 – Innerhalb 24 Stunden, Rz. 15; OLG Hamm vom 4.6.2009, MMR 2009, 861 f.
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gistrierung über den bevorstehenden Vertragsschluss ausreichend aufgeklärt wird1. Ob dies mit § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 21 des UWG-Anhangs vereinbar ist, ist fraglich. Laut Nr. 21 der „schwarzen Liste“ ist es unlauter, eine Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“ oder „kostenfrei“ anzubieten, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind. Wie deutlich ein Stern und ein aufklärender Hinweis gestaltet sein müs- 1618 sen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird in einer E-Mail ein längerer Titel hervorgehoben, der das Wort „kostenlos“ und einen Sternchenzusatz enthält, birgt dies auch für den situationsangemessen aufmerksamen Kunden, die Gefahr, den in kleiner Schrift gehaltenen Sternchenhinweis zu überlesen und zu übersehen, dass ein Probeabonnement angeboten wird, das zu Kosten führen kann2. dd) Werbung mit Mondpreisen Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UWG gilt die widerlegliche Vermutung, dass es ir- 1619 reführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der (alte) Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit verlangt wurde (Werbung mit Mondpreisen)3. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 UWG trifft den Werbenden die Beweislast für die zuvor verlangten Preise4. ee) Irreführung über das Unternehmen Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG sind irreführende Angaben unlauter, 1620 wenn sie die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers betreffen oder den Umfang von Verpflichtungen, die Befähigung, den Status, die Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen oder Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs. Ein Fall des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG kann bei der wahrheitswidrigen 1621 Alleinstellungs- oder Spitzenstellungswerbung5 vorliegen. Für die Beurteilung der Spitzensstellung eines Unternehmens kommt es auf die Vorstellung des durchschnittlich verständigen Verbrauchers an, der erfahrungsgemäß bei seiner Bewertung andere Markteilnehmer (nur) in Be-
1 OLG Hamburg vom 8.4.2009, MMR 2010, 185, 186. 2 OLG Koblenz vom 18.3.2009, K&R 2009, 502, 503 = MMR 2009, 475 f. 3 Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 273; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 16 Rz. 12. 4 Zu Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach altem Recht: BGH vom 28.6.1974, GRUR 1975, 78, 79 – Preisgegenüberstellung; anders für die Werbung mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen BGH vom 27.11.2003, WRP 2004, 343, 344 – Mondpreise? 5 Vgl. Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rz. 630 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 15 Rz. 60 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 290 ff.
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G. Wettbewerbsrecht
tracht zieht, wenn sie mit dem Unternehmen vergleichbar sind, das mit einer Spitzenstellung wirbt1. 1622
Wer damit wirbt, er sei „Europas größter Online-Dienst“, muss nicht nur die meisten Kunden haben, vielmehr müssen diese den Dienst auch am häufigsten und umfangreichsten nutzen2. Irreführend ist die Werbung mit der „Marktführerschaft“ eines Nachrichtenmagazins, wenn dies zwar hinsichtlich der Reichweite, nicht aber hinsichtlich der verkauften Auflage zutrifft3.
1623
Stellt ein Internetportal die „Spitzenmediziner Deutschlands“ vor, so liegt darin nicht schon dann eine Spitzenstellungswerbung, wenn die Mediziner für den Eintrag gezahlt haben, sondern erst, wenn die Mediziner nicht auf Grund von Kriterien beurteilt werden, die sie von einem Durchschnittsmediziner abhebt4.
1624
Eine Irreführung über Auszeichnungen und Ehrungen kann in der Werbung mit Empfehlungen oder Gütesiegeln von Dritten liegen, wenn die Empfehlung oder das Siegel nicht auf Grund einer objektiven Prüfung vergeben wird5 oder nur ein bestimmter Teil des Unternehmens geprüft wird, die Empfehlung oder das Siegel jedoch nicht darauf hinweisen6.
1625
Wird mit der Empfehlung bzw. dem Gütesiegel eines Privatunternehmens geworben, dass auf Grund seines Namens den Eindruck erweckt es handele sich um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht stehenden Einrichtung, so liegt eine Irreführung der Verbraucher vor, da Aussagen der öffentlichen Hand beim Publikum mehr Vertrauen genießen, als dies bei Privatunternehmen der Fall ist7.
1626
Irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG ist es, ein Fachgeschäft für Tiernahrung als „Tier-Apotheke“ zu bezeichnen, weil dies den unzutreffenden Eindruck erweckt, der Werbende betreibe eine Apotheke i.S.d. Apothekengesetzes8. Ebenso verstößt es gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG, wenn eine Detektei wahrheitswidrig mit Niederlassungen „ganz in Ihrer Nähe“ wirbt9.
1 BGH vom 8.3.2012 – I ZR 202/10 – Marktführer Sport, Rz. 25; Reinholz, GRURPrax 2012, 443. 2 BGH vom 17.6.2004, NJW-RR 2004, 1487 = MDR 2004, 1431 – Größter OnlineDienst. 3 BGH vom 2.10.2003, WRP 2004, 339, 341 – Marktführerschaft. 4 OLG Karlsruhe vom 7.5.2012 – 6 U 18/11, Rz. 48, 51. 5 OLG Dresden vom 3.7.2012 – 14 U 167/12, Rz. 10 f.; OLG Frankfurt a.M. vom 9.8.2012 – 6 U 91/12, Rz. 7, 10. 6 OLG Brandenburg vom 26.6.2012 – 6 U 34/11, Rz. 35. 7 OLG Brandenburg vom 26.6.2012 – 6 U 34/11, Rz. 31 f. 8 OLG Stuttgart vom 20.8.2009, WRP 2009, 1580, 1582 f. 9 LG Darmstadt vom 9.4.2009, WRP 2009, 1584, 1585.
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ff) Irreführung über Lieferzeiten Irreführende Angaben über Lieferzeiten und Liefermöglichkeiten können 1627 unter § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG oder unter das Lockangebotsverbot der Nr. 5 des UWG-Anhangs fallen1. Nach § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 5 des UWG-Anhangs ist es unlauter, 1628 wenn ein Unternehmer für ein Produkt zu einem bestimmten Preis wirbt, ohne darüber aufzuklären, dass er hinreichende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen (Lockangebote). Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist es zudem unlauter, den Verbraucher irreführende Auskünfte über die Lieferung zu erteilen. Anknüpfungspunkt für Nr. 5 des UWG-Anhangs ist die fehlende Infor- 1629 mation über die mangelnde Bevorratung2. Die Vorschrift stellt vor allem Online-Anbieter vor Schwierigkeiten, die Waren anbieten, die sie selbst nicht vorrätig haben3. Zwar lässt die Vorschrift eine Bereitstellung der Ware durch Dritte (insbesondere also den Lieferanten des Online-Händlers) ausdrücklich zu. Hat der Händler aber Grund zur Annahme, dass es Lieferschwierigkeiten geben kann, muss er dies in seinem Angebot an Verbraucher mitteilen4. Bei Angeboten im Internet erwartet der Verbraucher in der Regel, dass 1630 die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hat oder sie bei einem Dritten abrufen kann. Daher muss der Internethändler durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinweisen, wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen5. Es reicht aus, einen entsprechenden Hinweis auf eine gesonderte „Produktseite“ aufzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass der Kaufinteressent diese Seite aufruft, um Informationen über die gewünschte Ware zu erhalten, oder, wenn der Interessent auf dem Weg zum Vertragsschluss auf die „Produktseite“ geführt wird, durch einfache Verknüpfungen oder durch klare und unmissverständliche Hinweise6.
1 Vgl. OLG Hamm vom 17.3.2009, K&R 2009, 500, 502. 2 Lettl, WRP 2008, 155, 164; vgl. auch BGH vom 10.2.2011 – I ZR 183/09, Rz. 18; LG Koblenz vom 7.2.2006, WRP 2006, 1037, 1038. 3 Vgl. BGH vom 7.4.2005, K&R 2005, 373; OLG Hamm vom 17.3.2009 – 4 U 167/08. 4 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434 f. 5 BGH vom 7.4.2005, NJW 2005, 2229, 2230 – Internet-Versandhandel; LG Hamburg vom 12.5.2009 – 312 O 74/09; LG Koblenz vom 7.2.2006, WRP 2006, 1037 f. 6 BGH vom 7.4.2005, NJW 2005, 2229, 2231 – Internet-Versandhandel.
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Der bloße Hinweis „nachbestellt“ reicht für eine Aufklärung über längere Lieferfristen nicht aus1. Nicht ausreichend ist auch die Angabe „Lieferzeit auf Nachfrage“, wenn die zugleich in der Werbung versprochene sichere Liefermöglichkeit nicht besteht2. d) Irreführung durch Unterlassen
1632
Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist3.
1633
Nach Auffassung des BGH ist es ein Gebot der fachlichen Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 UWG), mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet wird, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Fehlt es daran, beeinträchtige dies die Möglichkeit des Verbrauchers, die testbezogene Werbung zu prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einzuordnen. Daher liege in der fehlenden Angabe einer Fundstelle ein Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG4. Ebenso sind dem Interessenten bei der Werbung mit einem Produkt als gewähltes „Produkt des Jahres“ Grundinformationen über den Veranstalter der Wahl und die Art und Auswahl der ausgezeichneten Produkte mitzuteilen, damit der Interessent für sich entscheiden kann, welchen Wert er der Werbeaussage beimisst5.
1634
Bietet ein Internet-Dienstleister einen kostenlosen Versicherungsvergleich an und bezeichnet er sich als „Ihr unabhängiger Versicherungsvergleich“, so stellt es eine Verletzung der Informationsverpflichtungen aus § 5a Abs. 2 UWG dar, wenn er verschweigt, dass er in seinen Vergleich nur Anbieter einbezieht, von denen er Provisionen erhält6.
1635
Soll ein Verbraucher bei Unterschriftsleistung an seiner Wohnungstür gegenüber dem Briefträger bei Entgegennahme einer „PostIdent-Sendung“ nicht etwa nur deren Empfang quittieren, sondern eine zum Vertragsschluss mit dem Absender führende Willenserklärung dokumentieren (wobei zugleich durch Ausweiskontrolle seine Identität festgestellt wird), dann ist dies eine „wesentliche Information“ i.S.d. § 5a Abs. 2 UWG, und ist der Verbraucher hierüber vor der Zusendung zu informieren. An 1 2 3 4
LG Osnabrück vom 1.9.2005, ITRB 2006, 134 (Antoine). OLG Hamm vom 17.3.2009, K&R 2009, 500, 501 f. Vgl. Schirmbacher, K&R 2008, 433, 437. BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 374 – Kamerakauf im Internet mit Anm. Reinholz, GRUR-Prax 2010, 90. 5 Vgl. OLG Hamm vom 30.8.2012 – 4 U 59/12, Rz. 51. 6 Vgl. OLG Hamburg vom 11.6.2008 – 5 U 95/07.
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die Deutlichkeit der Information sind hohe Anforderungen zu stellen. Denn die Vorgehensweise ist für den durchschnittlichen Verbraucher höchst ungewöhnlich, und er wird getäuscht, wenn er – mangels deutlicher vorheriger Aufklärung – glaubt, mit seiner Unterschrift lediglich zu quittieren, in Wirklichkeit aber kontrahiert1. Werden Packungen mit 100 Kondomen mit der Preisangabe „ab 3,95 Eu- 1636 ro“ beworben, ohne dass der Verbraucher darauf hingewiesen wird, dass die Bestellung auf eine Packung pro Einkauf limitiert ist, so liegt in der Abgabebeschränkung keine Information, die als „wesentlich“ gemäß § 5a Abs. 2 UWG anzusehen ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der verständige Verbraucher erwartet, mehr als eine Packung von 100 Kondomen zum Preis von 3,95 Euro bestellen zu können2. Wer bei Ebay ein Hotelzimmer in einem „Silvesterpaket“ anbietet, muss 1637 nicht darauf hinweisen, dass es sich um das letzte verfügbare Zimmer handelt3. 4. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG) Für die vergleichende Werbung gelten die Schranken des § 6 Abs. 2 UWG.
1638
Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar 1639 einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht (§ 6 Abs. 1 UWG). Es muss ein erkennbarer Bezug zu einem Mitbewerber oder dessen Produkten hergestellt werden4. Hierfür reicht eine Bezugnahme aus; eine namentliche Nennung von Mitbewerbern ist nicht erforderlich5. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist von einer weiten Definition auszugehen, die es ermöglicht, alle Arten der vergleichenden Werbung abzudecken6. Bei der Prüfung, ob für die Adressaten der Werbung eine Bezugnahme auf 1640 Mitbewerber erkennbar gemacht wird, sind alle Umstände der betreffenden Werbemaßnahme zu berücksichtigen. Die Bezugnahme kann sich daher beispielsweise auch aus der Angabe bestimmter Eigenschaften des beworbenen Produkts ergeben7.
1 2 3 4
KG vom 21.10.2011 – 5 U 93/11 – PostIdent-Special-Verfahren, Rz. 29 f. OLG Hamm vom 26.1.2010 – 4 U 141/09. LG Tübingen vom 12.5.2010 – 5 O 309/09. Vgl. EuGH vom 19.4.2007, GRUR 2007, 511, 513 f. – De Landtsheer/Comité Interprofessionnel, m.w.N. 5 Vgl. EuGH vom 18.6.2009 – C-487/07 L’Oréal/Bellure, Rz. 75. 6 Vgl. EuGH vom 25.10.2001, GRUR 2002, 354, 355 – Toshiba/Katun; EuGH vom 8.4.2003, GRUR 2003, 533, 535 – Pippig Augenoptik/Hartlauer; vgl. auch Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 97/55/EG. 7 BGH vom 5.2.1998, BGHZ 138, 55, 65 – Testpreis-Angebot = WRP 2002, 828. 831 – Hormonersatztherapie.
399
G. Wettbewerbsrecht
1641
Keine vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG liegt vor, wenn die Bezugnahme nicht durch eine in der betreffenden Werbemaßnahme enthaltene Äußerung erfolgt, sondern die angesprochenen Verkehrskreise allein auf Grund außerhalb der angegriffenen Werbung liegender Umstände eine Verbindung zwischen dem beworbenen Produkt und denjenigen von Mitbewerbern herstellen1. Eine Bezugnahme kann vorliegen bei einer Vergleichsliste, in der Markenprodukte einem „gleichwertigen“ Eigenprodukt des Online-Shops gegenübergestellt werden, wenn die Marken zwar nicht ausdrücklich genannt werden, für das angesprochene Publikum jedoch erkennbar sind2.
1642
Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist es unlauter, mit einem Vergleich zu werben, der nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis von Waren oder Dienstleistungen bezogen ist. Der Eigenschaftsbegriff ist weit auszulegen. Maßgeblich ist, ob der angesprochene Verkehr eine nützliche Information für eine Kaufentscheidung aus dem Vergleich ziehen kann3. Für die Frage, ob die Eigenschaft wesentlich und typisch ist, kann es darauf ankommen, an wen sich die Werbung richtet4.
1643
Unlauter gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist es, wenn eine „Steuerberaterrangliste“ publiziert wird und Steuerberatungskanzleien positiv herausgehoben werden, die über personelle und wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Institutsleiter verbunden sind, der für die Erstellung der Liste verantwortlich ist5.
1644
Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist es unlauter, die Wertschätzung des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. Dies ist der Fall, wenn das fremde Kennzeichen in der Werbung als „Eye Catcher“ verwendet wird, um Kaufinteressenten anzulocken6. Wenn bei Ebay ein Schmuckstück „im Cartier-Stil“ beworben wird, liegen diese Voraussetzungen gleichfalls vor7.
1 BGH vom 6.12.2007 – I ZR 169/04; vgl. auch BGH vom 25.4.2002, NJW 2002, 3399 = GRUR 2002, 982 – Die Steinzeit ist vorbei; BGH vom 19.5.2011 – I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter, Rz. 18 f., 22. 2 BGH vom 5.5.2011 – I ZR 157/09 – Creation Lamis, Rz. 29. 3 BGH vom 5.2.2004, WRP 2004, 739, 744 – Genealogie der Düfte. 4 BGH vom 5.2.2004, WRP 2004, 739, 745 – Genealogie der Düfte. 5 LG München I vom 24.10.2007, MMR 2008, 491, 492 f. 6 Vgl. KG vom 4.3.2005, CR 2005, 671 f. = MMR 2005, 315 f. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2004, NJW 2004, 3433, 3433.
400
III. § 3 UWG – Auffangtatbestnde
III. § 3 UWG – Auffangtatbestände 1. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste Gemäß § 3 Abs. 3 UWG sind die in dem UWG-Anhang aufgeführten ge- 1645 schäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig. a) Verhaltenskodex Unzulässig ist die unwahre Angabe eines Unternehmens, zu den Unter- 1646 zeichnern eines Verhaltenskodex zu gehören (Nr. 1 des UWG-Anhangs). Wer einem bestimmten Verhaltenskodex nicht angeschlossen ist, darf dies auch nicht behaupten1. Nicht unter Nr. 1 des UWG-Anhangs fällt eine Irreführung über den In- 1647 halt des Verhaltenskodex2. Das Gesetz spricht davon, dass der Unternehmer eine entsprechende Angabe macht. Daher genügt es nicht, wenn der Unternehmer nur unterschwellig oder zwischen den Zeilen zu erkennen gibt, einem bestimmten Verhaltenskodex unterworfen zu sein3. b) Gütezeichen Nach Nr. 2 des UWG-Anhangs ist es unzulässig, ein Gütezeichen zu ver- 1648 wenden, ohne die erforderliche Genehmigung dafür zu besitzen4. Dabei ist gleichgültig, ob es sich bei dem Gütezeichen um ein staatlich vergebenes Zeichen oder eine private Initiative handelt5. Unerheblich ist, ob das Unternehmen die Anforderungen für die Erteilung des Gütezeichens erfüllt oder gar ein Rechtsanspruch auf Erteilung des Zeichens besteht. Nur derjenige, dem die Verwendung genehmigt wurde, darf das Zeichen nutzen. Jede Werbung mit einem Gütezeichen muss in der Anmeldeoder Bearbeitungsphase unterbleiben. Gleiches gilt, wenn die Berechtigung der Verwendung des Zeichens – aus welchem Grund auch immer – erloschen ist6. Nicht unter Nr. 2 des UWG-Anhangs fällt die Verwendung von selbst ge- 1649 wählten oder frei erfundenen Gütezeichen7.
1 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 2 Scherer, NJW 2009, 324, 326. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 3 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rz. 1.4; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 4 Vgl. zum UWG a.F. (Verstoß gegen Nr. 2 der RL 2005/29/EG): LG Darmstadt vom 24.11.2008, MMR 2009, 277 ff. 5 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rz. 2.3; Schöttle, WRP 2009, 673, 674. 6 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 7 Vgl. LG Darmstadt vom 24.11.2008, MMR 2009, 277, 278; Hoeren, BB 2008, 1182, 1187; Scherer, NJW 2009, 324, 326; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433.
401
G. Wettbewerbsrecht
c) Kurze Verfügbarkeit 1650
Nach Nr. 7 der UWG-Anlage sind unwahre Angaben verboten über die zeitliche Verfügbarkeit bestimmter Waren oder Dienstleistungen mit dem Ziel, den Verbraucher zu einer sofortigen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Wird in einem Online-Shop beispielsweise mit der Aussage „Nur noch heute!“ geworben, obwohl dieselbe Ware auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu haben ist, verstößt dies gegen Nr. 7 der UWG-Anlage.
1651
Nr. 7 der UWG-Anlage ist nicht anwendbar, wenn der Verbraucher trotz der unwahren Angabe in der Lage ist, eine informierte Entscheidung zu treffen1. Wann dies der Fall ist, muss anhand der Art und des Wertes des Produktes sowie der Komplexität der Entscheidung im Einzelfall ermittelt werden2.
1652
Nicht unter Nr. 7 der UWG-Anlage fallen auch wahre Angaben über kurze Angebotszeiträume. Wird etwa in Angeboten zutreffend darauf hingewiesen, dass die Angebote maximal für 24 Stunden verfügbar sein werden, mag dies nur kurze Überlegungsfristen ergeben. Es fehlt jedoch an einem Verstoß gegen Nr. 7 der UWG-Anlage3. d) Vertragssprache
1653
Für die Online-Branche von besonderer Bedeutung ist Nr. 8 des UWGAnhangs. Danach ist es unzulässig, Kundendienstleistungen in einer anderen Sprache als derjenigen anzubieten, in der die Verhandlungen vor Abschluss des Geschäfts geführt worden sind, wenn die ursprünglich verwendete Sprache nicht Amtssprache des Mitgliedstaates ist, in dem der Unternehmer niedergelassen ist und sofern der Verbraucher vor dem Abschluss des Geschäfts über die spätere Einschränkung der Sprachwahl nicht aufgeklärt wurde.
1654
Hält ein in Frankreich ansässiger Internethändler eine deutschsprachige Version seines Online-Shops vor, handelt er unlauter, wenn spätere Kundendienstleistungen nur auf Französisch abgewickelt werden können. Richtet der Unternehmer daher beispielsweise eine Hotline für Verbraucherfragen ein, muss er diese auch in deutscher Sprache anbieten. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die geschuldete Leistung durch deutschsprachige Mitarbeiter erbracht wird (z.B. Lieferung, Montage etc.)4.
1 Hoeren, BB 2008, 1182, 1188; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435; Schöttle, WRP 2009, 673, 676. 2 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 3 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 4 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rz. 8.4; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433.
402
III. § 3 UWG – Auffangtatbestnde
Weil es auch bei Nr. 8 des UWG-Anhangs um die Bekämpfung von Irre- 1655 führungsgefahren geht, wird die Unzulässigkeit durch eine entsprechende Verbraucherinformation vor Vertragsschluss beseitigt. Diese Information muss für den Verbraucher klar und verständlich sein, so dass der Hinweis in der Sprache zu erfolgen hat, die bei der Vertragsanbahnung verwendet wurde1. e) Gesetzlich bestehende Rechte Nr. 10 der UWG-Anlage betrifft einen Unterfall der irreführenden Wer- 1656 bung mit Selbstverständlichkeiten – die Werbung mit gesetzlich bestehenden Rechten. Stellt ein Unternehmer beispielsweise die Einräumung eines Widerrufsrechts als eine Besonderheit seines Angebots heraus, liegt darin eine unzulässige Irreführung. Werden dagegen lediglich – gesetzlich vorgeschriebene – Hinweise auf die gesetzlichen Verbraucherrechte gegeben, ist dies nicht wettbewerbswidrig2. Die Voraussetzungen der Nr. 10 der UWG-Anlage sind bei einem Ebay- 1657 Shop nicht erfüllt, wenn darauf hingewiesen wird, dass eine Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer erstellt wird, da dies keineswegs „selbstverständlich“ ist, sondern bei Kleinbeträgen gemäß § 33 Nr. 4 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) entbehrlich sein kann3. f) Gewerblicher Charakter Nr. 23 der UWG-Anlage verbietet die unwahre Angabe oder das Erwe- 1658 cken des unzutreffenden Eindrucks, der Unternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Gewerbes oder Berufs tätig. Es geht um die Irreführung über den gewerblichen Charakter eines Angebots. Dies ist für die Kaufentscheidung wichtig, da Verbraucher grundsätzlich gewerblichen Angeboten einen anderen Stellenwert beimessen als nicht-gewerblichen Angeboten4. Dass Verbraucher und Unternehmer als Anbieter im Internet ohne Wei- 1659 teres in Konkurrenz zueinander treten können, ist bei Ebay-Angeboten besonders augenfällig. Nach Nr. 23 der UWG-Anlage ist es wettbewerbswidrig, wenn sich ein gewerblich tätiger Unternehmer als privater Verkäufer ausgibt oder zumindest diesen Eindruck erweckt5.
1 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 2 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rz. 10.1; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 3 LG Bremen vom 27.8.2009, MMR 2010, 97. 4 Scherer, NJW 2009, 324, 329; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 436. 5 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 436.
403
G. Wettbewerbsrecht
g) Unbestellte Waren und Dienstleistungen 1660
Nach Nr. 29 der UWG-Anlage unzulässig ist die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren oder Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbewahrung nicht bestellter Sachen. Diese Voraussetzungen liegen vor bei der Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren, bei der eine unbestellte, aber als bestellt dargestellte Ware zugesandt und deren Zusendung gegen Entgelt fortgesetzt wird, falls der Verbraucher nicht binnen einer Frist widerspricht. Die Zusendung unbestellter Waren fällt nicht unter Nr. 29 der UWG-Anlage, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers hat1. 2. § 3 Abs. 2 UWG – Verbraucherschutz
1661
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG sind geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zu beeinträchtigen2. Gemäß § 2 Nr. 7 UWG ist unter „fachlicher Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt zu verstehen, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält.
1662
Ob für § 3 Abs. 2 UWG neben den stets verbotenen Geschäftspraktiken der Schwarzen Liste gemäß § 3 Abs. 3 UWG und der Generalklausel nach § 3 Abs. 1 UWG noch viel Platz verbleibt, bleibt abzuwarten3. 3. § 3 Abs. 1 UWG – Generalklausel
1663
Unlautere geschäftliche Handlungen sind nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Das Erfordernis der Spürbarkeit bringt zum Ausdruck, dass Bagatellverstöße nicht als unlauter anzusehen sind4.
1664
Bei den Fällen unlauteren Wettbewerbshandelns, die in den §§ 4 bis 6 UWG geregelt sind, handelt es sich um Beispiele, die nicht abschließend
1 2 3 4
BGH vom 17.8.2011 – I ZR 134/10. Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 3 Rz. 48. Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 3 Rz. 125 ff.; Köhler in Köhler/Bornkamm, § 3 Rz. 120 ff.
404
IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen
zu verstehen sind1. § 3 Abs. 1 UWG kann daher unmittelbar anwendbar sein, wenn keiner der Tatbestände der §§ 4 bis 6 UWG erfüllt ist2.
IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen Die beste Unternehmenspräsentation im Internet ist nutzlos, wenn sie 1665 von den potenziellen Kunden nicht gefunden wird. Neben dem Domainnamen ist vor allem die Nennung in den Ergebnislisten von Suchmaschinen von Bedeutung für die Steigerung der Zugriffszahlen (Traffic) auf die Website. Es gibt verschiedene Typen von Suchmaschinen. Dabei können Suchka- 1666 taloge, bei denen die einzelnen Websites redaktionell sortiert sind, von den sonstigen Suchmaschinen unterschieden werden, die ständig unzählige Rechner das Internet nach neuen und/oder veränderten Inhalten durchsuchen lassen und indizieren (vor allem Google). Der Suchalgorithmus ist das bestgehütete Geheimnis der Betreiber sol- 1667 cher Suchmaschinen3. Maßgeblich für die Reihenfolge der Ergebnisse bei der Eingabe von Suchworten ist die „Relevanz“ einer Seite. Dabei spielen die Inhalte einer Seite die Hauptrolle. Wie häufig taucht das gesuchte Wort im Text, im Titel oder in der nicht ohne Weiteres sichtbaren Seitenbeschreibung der Website auf? Daneben spielt die Zahl und Qualität der Links, die auf die Seite verweisen, eine erhebliche Rolle. Auch die Bezeichnung dieser Links ist maßgeblich. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie für die Bewertung einer Seite herangezogen werden. Google gibt beispielsweise jeder Seite einen Pagerank zwischen 0 und 10, der sowohl bei der Ergebnisausgabe zu bestimmten Suchworten als auch bei der Einschätzung der Wertigkeit von Links eine Rolle spielt. 1. Metatags Als Metatags werden Seitenbeschreibungen bezeichnet, die nur im Quell- 1668 text der Website sichtbar sind. Der Ersteller der Seite hat es in der Hand, der Seite in den Metatags Titel, Schlüsselwörter und eine Kurzbeschreibung zuzuweisen4. Diese werden von den Suchmaschinen ausgewertet und fließen in die Bewertung der Suchergebnisse ein. Zwar hat die Bedeutung der Metatags in den letzten Jahren stark nachgelassen, doch hat es
1 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/1487, S. 17. 2 Vgl. BGH vom 12.7.2007, MMR 2007, 634, 635 ff.; OLG Nürnberg vom 7.6.2011 – 3 U 2521/10, Rz. 56. 3 Vgl. Rössel, CR 2003, 349. 4 Vgl. Chong, EIPR 1998, 275; Menke, WRP 1999, 982, 983; Thiele, ÖJZ 2001, 168, 169; Vidal, GRUR Int. 2003, 312, 313.
405
G. Wettbewerbsrecht
viele Streitigkeiten um die Verwendung bestimmter Begriffe in den Metatags gegeben1. a) Gattungsbegriffe 1669
Beliebt war es lange Zeit, in den Quelltext sachfremde Gattungsbegriffe zu integrieren. So hat ein Anbieter von Luxusreisen ein Interesse daran, auch dann auf den ersten Seiten der Suchmaschinen zu erscheinen, wenn nach Luxusautos gesucht wird. Dies kann ihn dazu veranlassen, entsprechende Begriffe in die Metatags aufzunehmen.
1670
Eine gezielte Behinderung der Konkurrenz (§ 4 Nr. 10 UWG) kommt in solchen Fällen nicht in Betracht. Ebenso wenig lässt sich ein übertriebenes Anlocken, gezielter Kundenfang oder eine Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG bejahen2. Eine unlautere Irreführung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG) ist jedenfalls nicht gegeben, wenn aus den Suchmaschinenergebnissen unmittelbar deutlich wird, dass es sich um artfremde Angebote handelt3. Zu Recht sieht das OLG Düsseldorf4 einen Unterschied zur Schaltung von Anzeigen in artfremden Rubriken herkömmlicher Zeitungen5. Mit einem (gut sortierten) Anzeigenmarkt lassen sich die Suchmaschinen, bei denen die Verbraucher keine homogene Ergebnisausgabe („Rubrikenreinheit“) erwarten, nicht vergleichen6. b) Irreführung
1671
Wer die Bezeichnung einer illegalen Dienstleistung als Suchbegriffe in eine Suchmaschine eingibt, kann nicht erwarten, als Ergebnis der Suche entsprechende Anbieter zu finden. Derartig illegale Tätigkeiten werden gemeinhin vor der Öffentlichkeit verborgen. Dies ist dem verständigen Internetnutzer auch bekannt7.
1672
Werden im Quelltext der Internetseite eines „akademischen Ghostwriters“ die Suchbegriffe „Diplomarbeit“ und „kaufen“ verwendet, erfüllt 1 Vgl. Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16, 17. 2 Rössel, CR 2003, 349, 350; Thiele, ÖJZ 2001, 168, 170 f.; OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 f. = WRP 2003, 104, 104 f.; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259; a.A. LG Düsseldorf vom 27.3.2002, MMR 2002, 557, 558. 3 OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 f. = WRP 2003, 104, 104 f.; a.A. Ernst, ITRB 2005, 91,91 f.; LG Düsseldorf vom 27.3.2002, MMR 2002, 557, 558; vgl. auch Härting/Schirmbacher, ITRB 2005; 16, 17; Pierson, K&R 2006, 547, 550; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259. 4 OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 = WRP 2003, 104, 105. 5 Vgl. BGH vom 25.4.1991, GRUR 1991, 772 – Anzeigenrubrik I; BGH vom 25.4.1991, GRUR 1991, 774, 775 – Anzeigenrubrik II. 6 OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 = WRP 2003, 104, 105; a.A. Ernst, WRP 2004, 278. 7 OLG Köln vom 23.2.2011 – 6 U 178/10, Rz. 9.
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IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen
dies nicht den Tatbestand einer Irreführung gemäß § 5 UWG. Der Wortkombination im Quelltext entnimmt das angesprochene Publikum kein illegales Angebot des Verkaufs von Diplomarbeiten1. c) Benutzung fremder Kennzeichen Bei der Verwendung fremder Kennzeichen in den Metatags lässt sich ein 1673 Unterlassungsanspruch nicht ohne Weiteres aus dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung herleiten2. Das Anhängen an den guten Ruf eines anderen ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig3. Nur wenn sich der Benutzer des fremden Kennzeichens durch die Programmierung der Metatags bei Suchmaschineneinträgen gezielt vor den Markeninhaber drängt, sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG (gezielte Behinderung) erfüllt4. Ob bei der Verwendung fremder Marken oder Kennzeichen in den Meta- 1674 tags eine Markenrechtsverletzung vorliegt, ist gelegentlich bezweifelt worden mit der Begründung, dass Metatags lediglich der Seitenbeschreibung dienen und nur im Quelltext der Seiten sichtbar seien5. Es fehle an einem kennzeichenmäßigen Gebrauch mit der Folge, dass keine Unterlassungsansprüche aus § 14 Abs. 5 MarkenG bestehen6.
1 OLG Köln vom 23.2.2011 – 6 U 178/10, Rz. 8 ff. 2 Kotthoff, K&R 1999, 157, 161; Varadinek, GRUR 2000, 279, 285; a.A. Ernst, WRP 2004, 278; Menke, WRP 1999, 982, 987 f.; LG Hamburg vom 13.9.1999, CR 2000, 121, 122 mit Anm. Ernst = MMR 2000, 46, 47. 3 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rz. 9.51, 9.53. 4 Vgl. Hartl, MMR 2007, 12, 14; Renner, WRP 2007, 49, 51 ff.; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, MMR 2004, 319, 321; Menke, WRP 1999, 982, 989 f.; Meyer, K&R 2007, 417, 418; a.A. Kaufmann, MMR 2005, 348, 350 f. 5 Kotthoff, K&R 1999, 157, 159 f.; Varadinek, GRUR 2000, 279, 282; differenzierend: Kur, CR 2000, 448, 452; Vidal, GRUR Int. 2003, 312, 317; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, MMR 2004, 319, 320; LG Hamburg vom 13.12.2005, MMR 2006, 337 ff.; a.A. Ernst, CR 2000, 122; Ernst, WRP 2004, 278; Menke, WRP 1999, 982, 984 ff.; Pellens, CR 2002, 136, 137; Rössel, CR 2003, 349, 350; Thiele, K&R 2001, 279, 280; OLG Karlsruhe vom 22.10.2003, CR 2003, 535, 535 f. = WRP 2004, 507, 508; OLG München vom 6.4.2000, CR 2000, 461, 462 = MMR 2000, 546, 547; LG Frankfurt a.M. vom 3.12.1999, CR 2000, 462, 463; LG Hamburg vom 13.9.1999, CR 2000, 121 mit Anm. Ernst = MMR 2000, 46; LG Mannheim vom 1.8.1997, MMR 1998, 217, 218 mit Anm. v. Gravenreuth = K&R 1998, 119, 120. 6 Kur, CR 2000, 448, 452 ff.; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, CR 2004, 936, 937 = MMR 2004, 319, 320; OLG Düsseldorf vom 14.2.2006, MMR 396, 397; a.A. Menke, WRP 1999, 982, 984 ff.; Thiele, K&R 2001, 279, 280; OLG Karlsruhe vom 22.10.2003, CR 2003, 535, 535 f. = WRP 2004, 507, 508; LG Frankfurt a.M. vom 3.12.1999, CR 2000, 462, 463; LG Hamburg vom 13.7.2001, CR 2002, 136 mit Anm. Pellens; LG München I vom 24.6.2004, MMR 2004, 689, 690 mit Anm. Pankoke = K&R 2004, 448 ff.
407
G. Wettbewerbsrecht
1675
In seiner „Impuls“-Entscheidung hat der BGH einen kennzeichenmäßigen Gebrauch und damit eine Markenrechtsverletzung mit der Begründung bejaht, dass der Nutzer, der einen Begriff in eine Suchmaschine eingibt, sich einer Einrichtung bedient, mit deren Hilfe er zahlreiche Internetseiten nach dem Begriff durchsuchen kann. Schließe die Suchmaschine den (unsichtbaren) Quelltext in die Suche ein, werden auch Seiten als Suchergebnis aufgelistet, die das Suchwort lediglich im Quelltext enthalten. Mit Hilfe des Suchworts („Impuls“) werde somit das Ergebnis des Auswahlverfahrens beeinflusst und der Nutzer auf die entsprechende Internetseite geführt. Damit diene das Suchwort dazu, den Nutzer auf das dort werbende Unternehmen und sein Angebot hinzuweisen. Dies reiche für einen kennzeichenmäßigen Gebrauch aus1.
1676
Auch wenn man der Auffassung des BGH folgt, fehlt es an einem kennzeichenmäßigen Gebrauch von Metatags, wenn sich aus der Trefferanzeige keine Hinweise auf eine Verbindung der Treffer mit dem Kennzeicheninhaber ergeben, sondern es sich ersichtlich um „Zufallstreffer“ handelt2. Der Internetnutzer ist darauf eingerichtet, dass sich nicht alle Treffer auf das von ihm gesuchte Ziel beziehen; dementsprechend sind die aus der Trefferliste ersichtlichen Kurzhinweise bei der Frage zu berücksichtigen, ob eine kennzeichenmäßige Benutzung und eine Verwechslungsgefahr vorliegt.
1677
Nicht übersehen werden darf, dass der Schutz einer Marke gegen Metatags nur so weit reicht wie der Schutzumfang der Marke. Nur wenn die Metatags für Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, die durch die Marke geschützt sind, kommt ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG in Betracht3. d) Verletzung des Namensrechts
1678
Die Argumentation des BGH zu Marken in Metatags lässt sich auf das Namensrecht übertragen. Folgerichtig muss eine namensmäßige Verwendung bei Aufnahme eines fremden Namens in die Metatags der eigenen Seiten bejaht werden, so dass die Benutzung des fremden Namens als Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB grundsätzlich unzulässig ist4. Allerdings kann beispielsweise die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) einen Namensgebrauch nach den Umständen des Einzelfalls rechtfertigen5.
1 BGH vom 18.5.2006, CR 2007, 103, 204 – Impuls. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 10.1.2008, GRUR-RR 2008, 292 f.; OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2009, MMR 2009, 401 f. 3 Vgl. LG München I vom 6.2.2007, K&R 2007, 219, 220 f. 4 OLG Celle vom 20.7.2006, MMR 2006, 817, 818; OLG München vom 9.2.2012 – 6 U 2488/12, Rz. 52; vgl. Ott, MMR 2008, 222, 224; Schirmbacher, ITRB 2007, 117, 118. 5 Vgl. OLG München vom 9.2.2012 – 6 U 2488/12, Rz. 54 ff.
408
IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen
2. Hidden Content Auch normaler Text kann für den Nutzer unsichtbar sein. Dies ist besi- 1679 pielsweise der Fall, wenn die Farbe der Schrift der Farbe des Hintergrundes entspricht (so genannter Hidden Content). In seiner „AIDOL“-Entscheidung1 hat der BGH eine kennzeichenmäßige 1680 Nutzung und damit einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG bei Nutzung eines fremden Kennzeichens in „Weiß-auf-Weiß-Schrift“ bejaht. Maßgeblich sei, dass das als Suchwort verwendete Zeichen dazu benutzt werde, das Ergebnis des Auswahlverfahrens zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu einer Internetseite zu führen, auf der er auf das dort werbende Unternehmen und dessen Angebot hingewiesen wird. Von „Hidden Content“ zu unterscheiden ist der Fall, dass eine Website 1681 so programmiert wird, dass sie – bei Problemen des Browsers – Texte anstelle von Bildern anzeigt. Derartige Texte sind zur sinnlichen Wahrnehmung bestimmt und unterliegen daher keinen anderen Regeln als andere Texte, die auf einer Website angezeigt werden2. 3. Keyword Advertising Keyword Advertising ist die Werbung mit Schlüsselwörtern, die User in 1682 Suchmaschinen eingeben. Bei der Eingabe der Keywords als Suchbegriff erscheint zusätzlich zu den normalen Suchergebnissen die Werbung desjenigen, der die Keywords gebucht hat. Auch Bannerwerbung, Interstitials (Werbeeinblendungen) und Pop-Up-Fenster lassen sich gezielt auf die Eingabe von Suchbegriffen schalten3. Google bezeichnet Keywords, die zu Werbezwecken verwendet werden, 1683 als AdWords. Unternehmen, die im Internet Produkte verkaufen möchten, kommen an Google-AdWords-Kampagnen kaum vorbei4. Weil es bei Google-AdWords eine Vielzahl von Funktionen und Optionen gibt, beauftragen Werbetreibende vielfach spezialisierte Agenturen mit AdWordsKampagnen5. Der Werbetreibende hat es bei Google in der Hand, die Keywords zu be- 1684 stimmen, bei deren Eingabe seine Werbung eingeblendet wird, wobei es 1 BGH vom 8.2.2007, CR 2007, 589, 589 – AIDOL; vgl. auch BGH vom 13.1.2011 – I ZR 46/08 – Impuls II, Rz. 25; OLG Celle vom 20.7.2006, MMR 2006, 817, 818; OLG München vom 9.2.2012 – 6 U 2488/12, Rz. 52; vgl. Ott, MMR 2008, 222, 224; Schirmbacher, ITRB 2007, 117, 118. 2 Vgl. OLG Düsseldorf vom 22.11.2011 – I-20 U 68/11, Rz. 15 f. 3 Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16, 18. 4 Vgl. Schirmbacher/Müßig, ITRB 2008, 207 f.; zur Situation in anderen Staaten: Schirmbacher/Reinholz, Convergence 2008, 141, 144 ff. 5 Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 165.
409
G. Wettbewerbsrecht
sowohl die Option gibt, bestimmte Suchbegriffe auszuschließen („ausschließende Keywords“), als auch die Möglichkeit, die gewählten Keywords auf ähnliche Begriffe („weitgehend passende Keywords“ und „passende Wortgruppe“)1 zu erstrecken. 1685
Das Trennungsgebot (§ 4 Nr. 3 UWG sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV) ist zu beachten2. Es ist unlauter, gekaufte Suchergebnisse unter die originären Ergebnisse zu mischen, ohne dass diese hinreichend deutlich abgegrenzt werden3. a) Gattungsbegriffe
1686
Die Verwendung von Gattungsbegriffen als Keywords ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden4. Hier gilt ähnliches wie für die Registrierung von Gattungsbegriffen als Domains. Wer sich einen Vorteil dadurch verschafft, dass er von der jedermann möglichen Verwendung attraktiver Begriffe zu Werbezwecken Gebrauch macht, handelt nicht unlauter.
1687
Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen sachfremde Gattungsbegriffe verwendet werden. Eine unlautere Irreführung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG) wird allerdings nur im Ausnahmefall5 in Betracht kommen, wenn aus den Trefferanzeigen nicht deutlich wird, dass es sich um artfremde Angebote handelt6. b) Gezielte Behinderung
1688
In der Schaltung von Keywords liegt für sich allein keine gezielte und somit gemäß § 4 Nr. 10 UWG wettbewerbswidrige Behinderung eines Konkurrenten, wenn Marken, Geschäftsbezeichnungen oder Namensbestandteile des Konkurrenten verwendet werden7. Erst recht lässt sich aus § 4 Nr. 10 UWG keine Verpflichtung ableiten, die Keywords so zu schal1 Vgl. www.adwords.google.de. 2 Siehe Rz. 1420 ff. 3 Vgl. Leupold/Bräutigam/Pfeiffer, WRP 2000, 575, 590; LG Hamburg vom 21.12.2004, MMR 2005, 629 f. 4 Ernst, ITRB 2005, 91, 92; Tietge, K&R 2007, 503, 504; OLG Karlsruhe vom 26.9.2007, CR 2008, 246 f.; LG Berlin vom 12.1.2001, K&R 2001, 171; LG Frankfurt a.M. vom 13.9.2000, MMR 2001, 560 = K&R 2001, 173. 5 A.A. Pierson, K&R 2006, 547, 548; vgl. auch Tietge, K&R 2007, 503, 504. 6 Siehe Rz. 1669. 7 Meyer, K&R 2006, 557, 562; BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 220 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; OLG Düsseldorf vom 23.1.2007, CR 2007, 256, 257 mit Anm. Renner; OLG Köln vom 31.8.2007, MMR 2008, 50 ff.; LG Hamburg vom 21.9.2004, CR 2004, 938, 939 f.; LG München I vom 26.10.2006, CR 2007, 467, 468; a.A. Ernst, ITRB 2005, 91, 92 f.; LG Berlin vom 12.1.2001, K&R 2001, 171 mit Anm. Michael; LG Leipzig vom 16.11.2006, MMR 2007, 265 f.; vgl. auch Dörre/Jüngst, K&R 2007, 239, 244 f.
410
IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen
ten, dass bei Eingabe des Kennnzeichens des Konkurrenten eine Einblendung der eigenen Werbung ausgeschlossen ist1. c) Benutzung fremder Kennzeichen Mit den Argumenten aus der „Impuls“-Entscheidung des BGH ließe sich 1689 auch bei Keywords eine kennzeichenmäßige Benutzung bejahen2. Schließlich dient die Einstellung des Werbeprogramms dergestalt, dass bei Eingabe eines fremden Kennzeichens die eigene Anzeige erscheinen soll, allein dem Zweck, das fremde Kennzeichen mit der eigenen Internetpräsentation in Verbindung zu bringen. In seiner „Google AdWords“-Entscheidung3, seiner Entscheidung zu „Ba- 1690 nanabay“ bzw. „Eis.de“4 und der Entscheidungen „BergSpechte“5 und „Interflora“6 hat der EuGH eine kennzeichenmäßige Nutzung für den 1 BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 220 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; KG vom 9.9.2008, MMR 2009, 47, 48 = CR 2009, 113, 117 ff.; KG vom 26.9.2008, MMR 2009, 69 (Ls.); OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, K&R 2008, 309, 310 f. mit Anm. Mann; OLG Karlsruhe vom 26.9.2007, CR 2008, 246, 247; 22.1.2009, LG Düsseldorf vom 14.1.2009, MMR 2009, 290 (Ls.); a.A. OLG Köln vom 8.6.2004, K&R 2006, 240, 242; OLG Stuttgart vom 9.8.2007, MMR 2007, 649, 650 f.; vgl. auch OLG Braunschweig vom 11.12.2006, MMR 2007, 249, 251 f.; LG Köln vom 21.11.2006, CR 2007, 747, 748 f. 2 OLG Braunschweig vom 12.7.2007, MMR 2007, 789 ff.; OLG Braunschweig vom 11.12.2006, MMR 2007, 249, 250 f.; OLG Braunschweig vom 5.12.2006, CR 2007, 177 ff.; OLG Braunschweig vom 16.12.2008, CR 2009, 334, 335 f.; OLG Dresden vom 9.1.2007, K&R 2007, 269, 270; OLG München vom 6.12.2007, CR 2008, 590, 591 = MMR 2008, 334, 335; OLG Stuttgart vom 9.8.2007, MMR 2007, 649, 650 f.; LG Berlin vom 21.11.2006, CR 2007, 747, 748; LG Braunschweig vom 28.12.2005, CR 2006, 281 f. mit Anm. Hüsch; LG Braunschweig vom 15.11.2006, CR 2007, 188, 189 ff. mit Anm. Hüsch; LG Braunschweig vom 30.1.2008, K&R 2008, 191, 191; LG Braunschweig vom 23.4.2008, CR 2008, 734, 735 mit Anm. Dietrich/Koops; LG Hamburg vom 14.11.2003 – 312 O 887/03; LG Köln vom 9.2.2007, MMR 2007, 736 f.; LG Leipzig vom 16.11.2006, MMR 2007, 265 f.; LG München I vom 2.12.2003, MMR 2004, 261 mit Anm. Bahr; a.A. Meyer, K&R 2006, 557, 561; Meyer, K&R 2007, 177, 179; Pierson, K&R 2006, 547, 548 f.; KG vom 9.9.2008, MMR 2009, 47 f. = CR 2009, 113, 114 ff.; KG vom 26.9.2008, MMR 2009, 69 (Ls.); OLG Düsseldorf vom 23.1.2007, CR 2007, 256, 257 mit Anm. Renner; OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, K&R 2008, 309 ff. mit Anm. Mann; OLG Köln vom 31.8.2007, MMR 2008, 50 ff.; OLG Köln vom 12.10.2007, MMR 2008, 477 f.; LG Düsseldorf vom 14.1.2009, MMR 2009, 290 (Ls.); LG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, MMR 2008, 767 f.; LG Hamburg vom 21.9.2004, CR 2004, 938, 939; LG Hamburg, vom 21.12.2004, MMR 2005, 629, 629; LG Leipzig vom 8.2.2005, MMR 2005, 622, 623; LG München I vom 26.10.2006, CR 2007, 467, 468; vgl. auch Dörre/ Jüngst, K&R 2007, 239, 241 ff.; Tietge, K&R 2007, 503, 504 ff.; Vidal, GRUR Int. 2003, 312, 322. 3 EuGH vom 23.3.2010, CR 2010, 318 ff. = MMR 2010, 315 ff. 4 EuGH vom 26.3.2010, CR 2010, 457 f. = K&R 2010, 397 ff. 5 EuGH vom 25.3.2010, CR 2010, 325 ff. = MMR 2010, 313 ff. 6 EuGH vom 22.9.2011 – C-323/09, Rz. 70.
411
G. Wettbewerbsrecht
Fall bejaht, dass der Werbende das Ziel verfolgt, die Internetnutzer über die Herkunft seiner Waren oder Dienstleistungen in die Irre zu führen, indem er sie zu der Annahme verleitet, dass sie vom Kennzeicheninhaber oder einem wirtschaftlich mit ihm verbundenen Unternehmen stammen. Die herkunftshinweisende Funktion des Kennzeichens werde indes nur dann beeinträchtigt, wenn die Trefferanzeigen so gestaltet sind, dass es zumindest schwer erkennbar ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber des Kennzeichens oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Ob die Nutzung eines fremden Kennzeichens als Keyword als kennzeichenmäßige Nutzung anzusehen ist, hängt demnach davon vom Inhalt und der Gestaltung der Trefferanzeigen ab. 1691
Wann genau die Schwelle zur kennzeichenmäßigen Nutzung überschritten sein soll, lässt der EuGH offen. Recht eindeutig ist die Rechtslage nur hinsichtlich der Verwendung des fremden Kennzeichens im Anzeigentext selbst. Wird das Kennzeichen in die Überschrift der Anzeige integriert, liegt eine kennzeichenmäßige Verwendung vor. Auch Verwechslungsgefahr dürfte regelmäßig gegeben sein, weil der unbefangene Nutzer erwarten wird, dass der Werbende gerade für die Waren oder Dienstleistungen wirbt, für die das Kennzeichen Schutz genießt. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die geschützten Waren bzw. Dienstleistungen nicht ähnlich sind1.
1692
Wird das Kennzeichen in der Anzeige nicht erwähnt und wird auch sonst keine Verbindung zu dem Kennzeicheninhaber hergestellt, liegt eine Kennzeichenrechtsverletzung nach dem Maßstab des EuGH fern. Insbesondere bei Anzeigen für Konkurrenzprodukte dürfte es an einer solchen Verbindung fehlen. Dies gilt umso mehr, wenn das eigene Kennzeichen des Werbetreibenden in der Anzeige herausgestellt wird2.
1693
Der BGH setzt die Vorgaben des EuGH konsequent um und zeichnet nicht – wie der ÖstOGH3 – das Bild eines naiven Internetnutzers4. Ist für den verständigen Internetnutzer klar erkennbar, dass es sich bei AdWords-Anzeigen nicht um reguläre Suchergebnisse, sondern um bezahlte Werbung handelt, kann in der Verwendung des Schlüsselworts nach Auffassung des BGH nicht von vornherein eine kennzeichenmäßige Benutzung gesehen werden. Vielmehr kommt es auf die konkrete Gestaltung der Anzeige an. Der Werbelink und die ihn begleitende Werbebotschaft dürfen weder suggerieren, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht, noch dürfen sie den
1 2 3 4
Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 167. Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 166. Vgl. ÖstOGH vom 21.6.2010 – 17 Ob 3/10f. Vgl. Röhl, NJW 2011, 3005, 3007.
412
IV. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen
normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer darüber im Unklaren lassen, ob eine solche Verbindung besteht1. Das Risiko von Unklarheiten des Verständnisses der Internetnutzer geht 1694 zu Lasten des Werbetreibenden2. Um eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion einer Marke durch Keyword-Advertising zu vermeiden, muss der Internetnutzer auf Grund des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft erkennen, dass der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter ist3. Û Praxistipp: Unternehmen, die Anzeigen buchen, die bei Eingabe eines 1695 Konkurrenzkennzeichens erscheinen sollen, ist daher zu empfehlen, ihr eigenes Kennzeichen in der Anzeige möglichst prominent herauszustellen. Dies dürfte einen Eingriff in die Herkunftsfunktion und eine Zuordnungsverwirrung ausschließen. Erscheint das Kennzeichen des Dritten in der Anzeige, muss für eine klare Abgrenzung gesorgt werden, um deutlich zu machen, dass keine wirtschaftliche Verbindung zum Kennzeicheninhaber besteht4. Hüten sollten sich Werbende vor der Verwendung der Funktion „dynamic keyword insertion“, die dafür sorgt, dass der eingegebene Suchbegriff automatisch in die Anzeige übernommen wird, um diese auffälliger zu gestalten5. Werbetreibenden, die Google-Kampagnen nicht selbst betreiben, sondern mit Agenturen zusammen arbeiten, sollten darauf bestehen, Einfluss auf die Keyword-Auswahl und insbesondere die Buchung von Kennzeichen nehmen zu können. Eine ausdrückliche Regelung dazu liegt auch im Interesse der Dienstleister, die je nach vertraglicher Grundlage gegebenenfalls gegenüber dem Auftraggeber für die Auswahl der Keywords einstehen müssen6. An einer Markenrechtsverletzung fehlt es, wenn keine Verwechslungs- 1696 gefahr besteht. „Plakat 24“ ist eine Marke mit schwacher Kennzeichnungskraft, so dass mangels Verwechslungsgefahr kein Unterlassungsanspruch gegen die Buchung von „Plakat 24-Stunden-Lieferung“ als AdWords besteht7. An einer Markenrechtsverletzung fehlt es auch, wenn eine beschreibende 1697 Angabe als Keyword gewählt wird („pcb“ als Akürzung des Begriffs „prin1 BGH vom 13.1.2011 – I ZR 46/08 – Impuls II, Rz. 26; BGH vom 13.1.2011 – I ZR 125/07 – Bananabay II, Rz. 28 ff.; BGH vom 13.12.2012 – I ZR 217/10 – MOST-Pralinen, Rz. 26 ff. 2 Hertneck, ITRB 2012, 40, 42. 3 Vgl. OLG Düsseldorf vom 18.4.2011 – I-20 W 2/11, Rz. 11. 4 Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 167 f. 5 Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 168. 6 Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 168. 7 OLG Dresden vom 30.8.2005, MMR 2006, 326 f. mit Anm. Hüsch.
413
G. Wettbewerbsrecht
ted circuit board“ – Leiterplatte) und daher § 23 Nr. 2 MarkenG die Benutzung legitimiert, ohne dass es auf eine markenmäßige Benutzung und auf die Gefahr einer Verwechslung mit der Marke („PCB POOL“) ankommt1. In anderen Fällen kann die Benutzung des Kennzeichens dadurch legitimiert sein, dass sie der Beschreibung der Bestimmung einer Ware oder Dienstleistung dient (§ 23 Nr. 3 MarkenG)2. 1698
An einer Kennzeichenrechtsverletzung fehlt es nach Auffassung des BGH, wenn die Eingabe des als Unternehmenskennzeichen geschützten Schlüsselworts (Beta Layout) dazu führt, dass eine Anzeige des Anmelders des Schlüsselworts eingeblendet wird, in der das Schlüsselwort selbst nicht verwendet wird3.
1699
Eine markenmäßige Benutzung eines Keywords liegt vor, wenn der Internetnutzer auf Grund des Textes des Suchergebnisses annehmen kann, bei dem werbenden Unternehmen auch Waren dieser Marke beziehen zu können4. d) Verletzung des Namensrechts
1700
Für das Namensrecht sollte bei der Schaltung von Keywords5 ähnliches gelten wie im Kennzeichenrecht. Die Schaltung von Keywords mit einem fremden Namen kann daher nur dann eine Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB darstellen, wenn Trefferanzeigen generiert werden, die den Eindruck erwecken, dass der Namensinhaber mit den geschalteten Anzeigen in Verbindung steht. 4. Doorwaypages
1701
Dass einige Suchmaschinen die Anzahl und Qualität der Verlinkungen auf andere Seiten als Kriterium bei der Bestimmung der „Relevanz“ der Seite heranziehen, hat dazu geführt, dass Websites geschaffen werden, deren alleiniger Inhalt Links auf andere Seiten sind. Solche Seiten werden als Doorwaypages (auch Brückenseiten oder Gatewaypages) bezeichnet6.
1702
Die „Relevanz“ einer Website ist objektiv nicht zu bestimmen. Dies spricht gegen die Annahme einer Irreführung (§ 5 UWG)7. Allerdings sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG erfüllt, wenn die Namen von 1 BGH vom 22.1.2009, CR 2009, 323, 325 f. mit Anm. Backu – pcb. 2 Vgl. LG Braunschweig vom 26.3.2008, MMR 2008, 291 (Ls.). 3 BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 220 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; vgl. auch OLG München vom 6.5.2008, MMR 2008, 541. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 9.12.2010 – 6 U 171/10, Rz. 4 f. 5 Vgl. Schirmbacher, ITRB 2007, 117, 118. 6 Vgl. Ernst, WRP 2004, 278, 280. 7 A.A. Ernst, ITRB 2005, 91, 93; Ernst, WRP 2004, 278, 281 vgl. auch Ott, MMR 2008, 222, 225.
414
V. E-Mail-Werbung
Konkurrenten und anderen Personen für die Suchmaschinenoptimierung eingesetzt werden und zugleich Tausende von leeren Seiten installiert werden, die nur für die Suchmaschine „sichtbar“ sind, um in den Suchlisten ein höheres Ranking zu erzielen und Internetnutzer auf die eigenen Seiten umzuleiten1. Wenn der Anbieter einer Filtersoftware im Rahmen eines Suchergebnis- 1703 ses angezeigte Seiten als „Spam“ markiert, da diese Seiten nachweisbar mit zahlreichen Doorwaypages beworben werden, erfüllt dies nicht den Tatbestand des § 4 Nr. 8 UWG (Anschwärzung und geschäftliche Verleumdung)2.
V. E-Mail-Werbung 1. Absender und Betreffzeile Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TMG dürfen in der Kopf- oder Betreffzeile von 1704 Werbemails („kommerzielle Kommunikation“) weder der Absender noch der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden. Ein Verschleiern oder Verheimlichen liegt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TMG vor, wenn die Kopf- und Betreffzeile absichtlich so gestaltet sind, dass der Empfänger vor Einsichtnahme in den Inhalt der Kommunikation keine oder irreführende Informationen über die tatsächliche Identität des Absenders oder den kommerziellen Charakter der Nachricht erhält. Nach § 16 Abs. 1 TMG handelt ordnungswidrig, wer absichtlich entgegen § 6 Abs. 2 TMG den Absender oder den kommerziellen Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht. a) Hintergrund und Ziel der Regelung § 6 Abs. 2 TMG soll der Bekämpfung von Verschleierungs- und Verheim- 1705 lichungshandlungen bei der E-Mail-Werbung dienen. Die Regelung soll diejenigen Anbieter erfassen, die den E-Mail-Versand durch gezielte Täuschungshandlungen besonders undurchsichtig gestalten. § 6 Abs. 2 TMG zielt auf E-Mails, bei denen es dem Empfänger erschwert wird, sich durch geeignete technische Maßnahmen vor unerwünschter Werbung zu schützen. Der Gesetzgeber hatte dabei insbesondere den Einsatz von Spam-Filtern vor Augen3. Den Inhalt der Betreffzeile kann der Versender selbst bestimmen. Der Ir- 1706 reführung des Empfängers ist damit Tür und Tor geöffnet. Von „Fehler in Ihrem Computer-System entdeckt“ über „Eine wichtige Nachricht Ihrer 1 OLG Hamm vom 18.6.2009, MMR 2010, 36, 37 f. 2 OLG Hamm vom 1.3.2007, CR 2007, 530, 531 ff. mit Anm. Ernst. 3 Vgl. Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 613 f.; BT-Drucks. 16/3078, S. 23; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58.
415
G. Wettbewerbsrecht
Bank“ zu „Nice to have met you again …“ und „Peter hat sich auch eine solche bestellt“: Betreffzeilen werden vielfach irreführend gestaltet, um den Empfänger zu veranlassen, sich die E-Mail genauer anzusehen1. 1707
Auch die Absenderangabe einer Mail lässt sich manipulieren2. Die Erkennbarkeit des Absenders ist für den Empfänger besonders wichtig. Es liegt auf der Hand, dass der Empfänger einer E-Mail eher bereit sein wird, sich mit der E-Mail genauer zu beschäftigen, wenn es sich um die E-Mail eines (vermeintlichen) Freundes oder Geschäftspartners handelt. Wird die Herkunft der Nachricht verheimlicht oder verschleiert, kann der Empfänger sein Verhalten nicht an die mit der E-Mail eventuell verbundenen Risiken anpassen3. b) Absichtliches Verschleiern oder Verheimlichen
1708
Suggerieren die Absenderangaben, die Nachricht stamme von einer offiziellen Stelle (z.B. „Staatsanwaltschaft München“), von einem Geschäftspartner oder aus dem Freundeskreis des Empfängers, liegt ein Verschleiern des Absenders i.S.d. § 6 Abs. 2 TMG vor. Das Verbot der Verheimlichung des Absenders erfasst dagegen Nachrichten, die überhaupt keine Angaben zur Identität des Versenders enthalten4.
1709
Ein Fall des Verschleierns oder Verheimlichens des Werbecharakters der Mail liegt bei irreführenden Aussagen in der Betreffzeile vor (z.B. „letzte Mahnung“, „Achtung, besonders dringend!“, „Ihr Strafverfahren Aktenzeichen XY“)5.
1710
§ 6 Abs. 2 TMG bezieht sich nicht auf Fälle, in denen Unternehmen versehentlich irreführende Angaben machen, weil sie sich vorher über die Anforderungen an Werbemails nicht hinreichend in Kenntnis gesetzt haben6. Erfasst werden lediglich Fälle, in denen es dem Versender gezielt auf eine Täuschung des Empfängers ankommt. Nur absichtliches Handeln von der Bußgeldnorm des § 16 Abs. 1 TMG erfasst7.
1711
Der Nachweis absichtlichen Handelns dürfte in aller Regel unmöglich sein. Wer mit einem Bußgeldverfahren konfrontiert ist, wird mannigfaltige, schwer zu widerlegende Begründungen dafür vorbringen, dass es zu „Missverständnissen“ bei der Gestaltung der Absenderzeile gekommen ist8. 1 2 3 4 5 6
Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. BT-Drucks. 16/3078, S. 24; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. BT-Drucks. 16/3078, S. 24; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58 f. BT-Drucks. 16/3078, S. 25; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58 f. Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590 593; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 614. 7 BT-Drucks. 16/3078, S. 25; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 59. 8 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 593; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58.
416
V. E-Mail-Werbung
2. Spamming
Übersicht:
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Spamming: – Wettbewerbsrecht: E-Mail-Werbung ist ohne vorheriges ausdrückliches Einverständnis des Empfängers wettbewerbswidrig (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). – Deliktsrecht: Der Empfänger hat Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB i.V.m. § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. in den Gewerbebetrieb). Als Spamming bezeichnet man das massenhafte Versenden von Werbe- 1713 E-Mails1. Jeder, der einen E-Mail-Account besitzt, kennt Spam: die Werbung per E-Mail für Finanzierungsangebote, Viagra und den neuesten Erotik-Chat. Die rasante Verbreitung der Direktwerbung per E-Mail liegt vor allem an 1714 den geringen Kosten. Die millionenfache Versendung von E-Mails kostet den Absender einen Bruchteil des Aufwandes einer Versendung von 100 herkömmlichen Werbebriefen. Hinzu treten die Möglichkeiten der Personalisierung und systematischen Werbung bei bestimmten Zielgruppen. Die Versender von Spam-Mails erwerben E-Mail-Adressen vielfach von 1715 professionellen Adresshändlern. Die Händler sammeln die Adressen mittels so genannter Harvester-Software aus dem Internet. Häufig werden die E-Mail-Adressen auch automatisch generiert2. a) Wettbewerbsrecht Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG ist es unzulässig, geschäftliche Handlungen 1716 vorzunehmen, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UWG). Ein Rechtsanwalt, der einer Anwaltskanzlei namens seines Mandanten 1717 eine „vorbeugende Unterwerfungserklärung“ übersendet, verstößt nach Auffassung des OLG Hamburg gegen das Verbot der unzumutbaren Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG, wenn sich das Anwaltsschreiben auf eine Vielzahl von Musiktiteln und Rechteinhabern bezieht und der 1 Strömer, Online-Recht, S. 158; Hoeren in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 114; Hoeren in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze, S. 35; vgl. Koch, Internet-Recht, S. 173; Leupold, WRP 1998, 270, Fn. 9; Schmittmann, DuD 1997, 636, 639; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17. 2 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 54.
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G. Wettbewerbsrecht
Empfänger sich veranlasst sehen muss, unter Aufbietung von personellen und sonstigen Ressourcen zu klären, ob die Unterwerfung ein mit den namentlich genannten oder auch nur über die genannten Werktitel ermittelbaren Rechteinhabern bestehendes Mandatsverhältnis betrifft1. 1718
Auch die Zusendung unbestellter Waren und die Erbringung unbestellter Dienstleistungen erfüllen den Tatbestand der unzumutbaren Belästigung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG)2.
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In § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist die unerwünschte Telefonwerbung („Cold Calling“3) geregelt. Als unzumutbare Belästigung und somit als unlauter gilt danach Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren ausdrückliche Einwilligung und gegenüber sonstigen Marktteilnehmern (Unternehmern) ohne deren zumindest mutmaßliches Einverständnis4.
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§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG untersagt die Faxwerbung, sofern es an einer Einwilligung des Adressaten fehlt5. Notwendig ist somit sowohl gegenüber Verbrauchern als auch bei anderen Empfängern (Unternehmern) deren vorherige Zustimmung (§ 183 BGB). Anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG lässt § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG das mutmaßliche Einverständnis des Empfängers nicht ausreichen6, so dass der Absender nicht umhin kommt, vor Versendung eines Werbefaxes die Adressaten ausdrücklich um ihr Einverständnis zu bitten.
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In einem obiter dictum hat der BGH zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG die Auffassung vertreten, es reiche nach wie vor das mutmaßliche Einverständnis des Empfängers zur Zulässigkeit von Faxwerbung aus7. Der BGH bleibt allerdings jegliche Begründung dieser mit dem Wortlaut der Norm unvereinbaren Ansicht schuldig.
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§ 7 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowie § 7 Abs. 3 UWG enthalten ausdrückliche Regelungen für das Spamming8. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine unzumutbare Belästigung und damit eine unlautere Handlung anzunehmen. Zudem ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG Werbung mit Nachrichten untersagt, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die 1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Hamburg vom 15.2.2012 – 3 W 92/11, Rz. 2 f. Vgl. OLG Koblenz vom 17.6.2009, MMR 2010, 38. Vgl. OLG Stuttgart vom 26.8.2008, CR 2008, 711 f. Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 159; LG Heidelberg vom 10.7.2008, MMR 2008, 763 f. Vgl. OLG Hamm vom 18.1.2005, CR 2006, 19, 20. OLG Stuttgart vom 22.3.2007, MMR 2008, 136 (Ls.). BGH vom 1.6.2006, NJW 2006, 3781, 3781 f. mit Anm. Ernst. Vgl. Härting/Eckart, ITRB 2004, 185.
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V. E-Mail-Werbung
der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Damit ist Art. 13 der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation1 umgesetzt worden2. aa) Opt-In Dem LG Traunstein kommt eine Vorreiterrolle zu, da von ihm die erste 1723 veröffentlichte Entscheidung zum Spamming stammt, in der das Gericht weitsichtig (schon 1997) den Gesichtspunkt des drohenden „Anschwellens“ der unerwünschten E-Mail-Werbung als tragenden Grund für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG a.F. anführte3. Bei der gemäß § 1 UWG a.F. notwendigen Gesamtwürdigung fiel ergänzend ins Gewicht, dass dem Empfänger einer Werbe-E-Mail zugemutet wird, die E-Mail durch zumindest flüchtige Lektüre als Werbung zu identifizieren und die als Werbung identifizierten E-Mails gegebenenfalls zu löschen. Auch die beim Empfänger anfallenden Übertragungskosten für den Abruf einer Werbe-E-Mail sprachen dafür, das Spamming als sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG a.F. anzusehen4. Nach einem anfänglichen Schlingerkurs entwickelte sich nach und nach 1724 Einigkeit über die Wettbewerbswidrigkeit unverlangter E-Mail-Werbung5. Diese Auffassung wurde vom BGH bestätigt, der den Versand von Spam-Mails als sittenwidrig und als Verstoß gegen § 1 UWG a.F. bewertete6. 1 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl. EG L 201 vom 31.7.2002, S. 37. 2 Vgl. Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 825 ff. 3 LG Traunstein vom 18.12.1997, NJW 1998, 1648 f.; vgl. Engels/Eimterbäumer, K&R 1998, 196, 200; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17, 21 f. 4 Vgl. Hoeren in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze, S. 45; Hoeren in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 115; Ernst, BB 1997, 1057, 1060; Hoeren, WRP 1997, 993, 995; Schmittmann, DuD 1997, 636, 639; Schmittmann, MMR 1998, 53, 54; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17, 20 f.; a.A. Funk, CR 1998, 411, 419; Leupold, WRP 1998, 270, 276 f. 5 Strömer, Online-Recht, S. 161; Hoeren in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze, S. 35, 46; Hoeren in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 111, 115; Waltl in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 185, 193 f.; Engels/Eimterbäumer, K&R 1998, 196, 200; Ernst, BB 1997, 1057, 1060; Hoeren, WRP 1997, 993, 995; Schmittmann, DuD 1997, 636, 639; Schmittmann, MMR 1998, 53, 54; Schrey, K&R 1998, 222, 223; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17, 20; Ultsch, DZWir 1997, 466, 470 f.; LG Ellwangen vom 27.8.1999, CR 2000, 188; LG Traunstein vom 18.12.1997, NJW 1998, 1648, 1648 f. = CR 1998, 171; differenzierend Leupold, WRP 1998, 270, 277; a.A. Funk, CR 1998, 411, 420; Reichelsdorfer, GRUR 1997, 191, 197. 6 BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = WRP 2004, 731 = MMR 2004, 386 mit Anm. Hoeren – E-Mail-Werbung.
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G. Wettbewerbsrecht
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§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt fest, was schon zuvor von der Rechtsprechung konstatiert worden war: Spamming ist wettbewerbswidrig. Zudem gilt in Deutschland zweifelsfrei die Opt-In-Regelung, also das Erfordernis eines vorherigen Einverständnisses. Dieses Erfordernis steht im Gegensatz zu der in den USA herrschenden Opt-Out-Variante, bei der dem Empfänger lediglich die Möglichkeit gegeben werden muss, sich nach dem Empfang der Werbesendung weitere Zusendungen zu verbitten. Einzelnen Stimmen, die entgegen dem klaren Trend in der Rechtsprechung ein Opt-Out auch in Deutschland befürworteten1, wurde durch § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG der Boden entzogen.
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Wettbewerbswidrig ist auch die unaufgeforderte Werbung per MobilfunkKurzmitteilung (SMS)2 oder per Bluetooth3. Nicht ohne Weiteres mit E-Mails vergleichbar sind Werbenachrichten, die über die vom Empfänger ohne Weiteres abschaltbare Net-Send-Funktion per Pop-Up-Fenster verbreitet werden4.
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Die Versendung einer Werbe-SMS an einen Mobiltelefonanschluss ist nach Auffassung des OLG Köln auch dann unzulässig, wenn sie für einen Familienangehörigen des Anschlussinhabers bestimmt sind, der dem Werbenden die Nummer des Anschlusses ohne Wissen und Wollen des Anschlussinhabers als Zustelladresse mitgeteilt hat5. bb) Werbung
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§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gilt nur für Werbung und somit für Mails, die darauf abzielen, Waren oder Dienstleistungen abzusetzen. Es reicht für eine Werbung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG aus, dass die E-Mail – neben Informationen – auch Werbung enthält6.
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Jede Werbung setzt voraus, dass es dem Werbenden um eine Geschäftsanbahnung bzw. um den Abschluss eines Vertrages geht. Daher wird § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht verletzt, wenn der Betreiber einer Internet-Datenbank ein Unternehmen per E-Mail um eine Bestätigung bittet, dass
1 Vgl. Ziem, MMR 2000, 129. 2 BGH vom 16.7.2008, BB 2008, 2426, 2429 mit Anm. Schirmbacher; LG Berlin vom 14.1.2003, CR 2003, 339, 339 f. mit Anm. Ayad; LG Hannover vom 21.6.2005, CR 2006, 529, 530 mit Anm. Müglich; vgl. auch Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 164; LG Bonn vom 19.7.2004, CR 2005, 198, 199 f.; AG Berlin-Mitte vom 12.1.2010 – 14 C 1016/09. 3 Vgl. Sassenberg/Berger, K&R 2007, 499 ff. 4 LG Berlin vom 13.5.2004, MMR 2004, 699 mit Anm. Berger; vgl. auch LG Köln vom 27.8.2008, MMR 2008, 833, 834 f. 5 OLG Köln vom 12.4.2011 – 6 W 99/11, Rz. 9 f. 6 Vgl. OLG Hamm vom 14.5.2009, MMR 2009, 769; LG Berlin vom 13.3.2007, MMR 2008, 136 (Ls.); a.A. Ernst/Seichter, MMR 2006, 779, 783.
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V. E-Mail-Werbung
ein bestimmter (kostenloser) Eintrag richtig ist, der das Unternehmen betrifft1. Zulässig ist der E-Mail-Versand durch eine Verlagsredaktion, wenn sie 1730 ausschließlich der Nachrichtenbeschaffung dient2. Als Werbung ist eine Mail anzusehen, in der der Absender die Schaltung 1731 eines Werbebanners anbietet, wenn die Bannerwerbung offenkundig von geschäftlichen Zwecken getragen ist3. Als Werbung ist auch die Umfrage eines Marktforschungsinstituts anzu- 1732 sehen, wenn es bei der Umfrage ausschließlich um die Zufriedenheit der Kunden mit den Dienstleistungen eines Unternehmens geht, mit dem Ziel, die Serviceleistungen des Unternehmens zu verbessern und dadurch den eigenen Kundenstamm zu erhalten4. Der Werbebegriff des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG umfasst auch eine Nachfrage 1733 des Werbenden nach Waren oder Dienstleistungen5. Für das Schutzbedürfnis des Empfängers stellt es keinen Unterschied dar, ob er unaufgefordert Angebote für Waren oder Dienstleistungen erhält oder ob ihm Anfragen zugehen, in denen beispielsweise Immobilien oder Antiquitäten nachgefragt werden6. Enthält eine Mail allerdings lediglich die Aufforderung, für ein Projekt aus dem Geschäftsbereich des Empfängers ein Angebot abzugeben, fehlt es am Werbecharakter7. cc) Individuelle Einwilligung Unproblematisch ist der E-Mail-Versand, wenn der Empfänger zuvor sein 1734 Einverständnis mit der Übersendung von Werbung per E-Mail gegenüber dem Versender ausdrücklich erklärt hat. Die Einwilligung kann in jeder geeigneten Weise erteilt werden, die dem Nutzer erlaubt, seinen Wunsch in spezifischer Weise, sachkundig und in freier Entscheidung zum Ausdruck zu bringen – beispielsweise durch das Markieren eines Feldes auf einer Internetseite8.
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A.A. LG Memmingen vom 23.12.2009 – 1 HK O 1751/09. LG München I vom 15.11.2006, MMR 2007, 120 f. A.A. OLG Düsseldorf vom 4.10.2005, MMR 2006, 171 ff. OLG Köln vom 12.12.2008, MMR 2009, 267, 268. Leible, K&R 2006, 485, 486. BGH vom 17.7.2008, WRP 2008, 1328, 1329 = K&R 2008, 603, 604 f. mit Anm. Wäßle – Faxanfrage im Autohandel; BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 2999, 3000 = WRP 2008, 1330, 1332 = MMR 2008, 662, 663 mit Anm. Schulze zur Wiesche – FC Troschenreuth. 7 Vgl. OLG Naumburg vom 30.9.2005, GRUR-RR 2006, 380. 8 BGH vom 17.7.2008, WRP 2008, 1328, 1330 = K&R 2008, 603, 604 mit Anm. Wäßle – Faxanfrage im Autohandel.
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G. Wettbewerbsrecht
1735
Entgegen dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG1 vertritt der BGH – ohne nähere Begründung den Standpunkt, dass ein konkludentes Einverständnis ausreicht2. Allerdings liegt ein konkludentes Einverständnis weder in der Veröffentlichung einer Telefaxnummer in einem allgemein zugänglichen Verzeichnis (bei Fax-Werbung)3, noch in der Angabe einer E-Mail-Adresse auf der Internetseite eines Unternehmens4. Erst recht reicht es nicht aus, dass Versender und Empfänger in der Vergangenheit einmal E-Mail-Kontakt gehabt hatten5.
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Wie bei der Faxwerbung lässt § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch bei der E-MailWerbung das mutmaßliche Einverständnis des Empfängers nicht ausreichen6. Dies bedeutet eine Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage, bei der das mutmaßliche Einverständnis genügte7.
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Die Zustimmung zur Zusendung von E-Mail-Werbung gilt nicht ewig. Erfolgt eine Zusendung erst anderthalb8 oder zwei Jahre9 nach Erteilung des Einverständnisses, ist in aller Regel davon auszugehen, dass das Einverständnis nach dem Willen des Empfängers nicht mehr fortgilt.
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Schon die einmalige, versehentliche Versendung einer Spam-Mail erfüllt den Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG10. Nach der Bejahung einer unzumutbaren Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 2 UWG ist die Frage eines Bagatellverstoßes nicht mehr zu prüfen11.
1 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 7 Rz. 179, Schirmbacher, K&R 2008, 433, 437. 2 BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 2999, 3000 = WRP 2008, 1330, 1332 = MMR 2008, 662, 664 mit Anm. Schulze zur Wiesche – FC Troschenreuth; BGH vom 10.12.2009 – I ZR 201/07, Rz. 9. 3 BGH vom 17.7.2008, WRP 2008, 1328, 1330 = K&R 2008, 603, 605 mit Anm. Wäßle – Faxanfrage im Autohandel. 4 BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 2999, 3000 = WRP 2008, 1330, 1332 = MMR 2008, 662, 664 mit Anm. Schulze zur Wiesche – FC Troschenreuth; BGH vom 10.12.2009 – I ZR 201/07, Rz. 9; OLG Hamm vom 25.10.2007, MMR 2008, 780 (Ls.); LG Kleve vom 9.3.2010, WRP 2010, 674, 675. 5 AG München vom 9.7.2009, K&R 2010, 71 f. 6 Ernst/Seichter, MMR 2006, 779, 782; Leible, K&R 2006, 485, 486 f.; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 608, 610; BGH vom 10.12.2009, MMR 2010, 183 f.; OLG Bamberg vom 27.9.2006, CR 2007, 262, 263 = MMR 2007, 392 f.; OLG Hamm vom 25.10.2007, MMR 2008, 780 (Ls.); OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 277. 7 BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = WRP 2004, 731 = MMR 2004, 386 mit Anm. Hoeren – E-Mail-Werbung. 8 Vgl. LG München I vom 8.4.2010 – 17 HK O 138/10, Rz. 21. 9 LG Berlin vom 2.7.2004, CR 2004, 941, 942 f. 10 LG Bonn vom 8.9.2009 – 11 O 56/09. 11 Vgl. BGH vom 10.12.2009, MMR 2010, 183, 184; OLG Stuttgart vom 23.1.2006, WRP 2006, 780; a.A. OLG Nürnberg vom 27.1.2006, WRP 2007, 201 f.
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V. E-Mail-Werbung
dd) Einwilligung in AGB Häufig wird eine Einwilligung des Werbeempfängers in Nutzungsbedin- 1739 gungen von Websites oder AGB von Internetanbietern eingebunden1. Dies ist besonders problematisch, wenn das Einverständnis nach Art einer „Generaleinwilligung“ weit gefasst ist und sich beispielsweise auf jegliche „Verwendung der Daten zu Werbezwecken und zur Weitergabe an Dritte“ bezieht2 oder die Einwilligung sogar auf Werbung durch „Unternehmen des Konzerns“ erstreckt3. Versteckte Einverständniserklärungen werden als überraschende Klau- 1740 seln gemäß § 305c Abs. 1 BGB gar nicht erst Vertragsbestandteil4. Dies gilt beispielsweise, wenn das Einverständnis eine Zustimmung zur Weitergabe der Daten an Dritte enthält und unter „Datenschutz“ in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen einer Plattform versteckt ist5. Bei der Telefonwerbung vertritt der BGH die Auffassung, dass vorformu- 1741 lierte Einwilligungen im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes nur innerhalb des jeweiligen Vertragszwecks zulässig sind (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB)6. Dies setzt voraus, dass der Verbraucher hinreichend auf die Möglichkeit von Werbeanrufen hingewiesen wird und weiß, auf welche Art von Werbemaßnahmen und auf welche Unternehmen sich seine Einwilligung bezieht (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB)7. In seiner „Payback“-Entscheidung hat der BGH für das Einverständnis ei- 1742 ne „gesonderte Erklärung“ des Users verlangt. Erwägungsgrund 17 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation8 fordere für das Einverständnis eine „spezifische Angabe“ des Nutzers. Hieran fehle es, wenn die Einwilligung in Textpassagen aufgenommen werde, die auch andere Erklärungen oder Hinweise enthalten. Der Nutzer müsse zumindest die Möglichkeit haben, ein bestimmtes Kästchen anzukreuzen oder sonst eine vergleichbar eindeutige Erklärung seiner Zustimmung abzugeben9.
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Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. Vgl. LG Stuttgart vom 15.5.2007, MMR 2007, 668, 669 f. Vgl. OLG Köln vom 23.11.2007, WRP 1130, 1131 f. Vgl. Härting, IPRB 2011, 13, 14; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. vgl. auch LG Berlin vom 14.1.2003, CR 2003, 339, 340 mit Anm. Ayad; LG Hamburg vom 14.2.2008, MMR 2008, 859 (Ls.); LG Heidelberg vom 11.12.2007, MMR 2008, 258. Vgl. BGH vom 27.10.2000, NJW 2000, 2677 = GRUR 2000, 818 – Telefonwerbung VI; Köhler in Köhler/Bornkamm, § 7 Rz. 186; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. BGH vom 25.10.2012 – I ZR 169/10 – Einwilligung in Werbeanrufe II, Rz. 25. Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002, ABl. EG L 201 vom 31.7.2002, S. 38. BGH vom 16.7.2008, BB 2008, 2426, 2428 f. mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch OLG Hamm vom 17.2.2011 – I-4 U 174/10, Rz. 62 ff.
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G. Wettbewerbsrecht
1743
Kein „Opt-In“, sondern ein unzulässiges „Opt-Out“ liegt vor, wenn die vorformulierte Einverständniserklärung „voreingestellt“ ist und der Kunde aus einer Checkbox den Haken entfernen muss, wenn er keine Werbung erhalten möchte. Diese Vorgehensweise entspricht nicht den Anforderungen an eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung. Denn es liegt nicht eine nach außen erkennbare Betätigung des Willens im Sinne einer Einwilligungserklärung vor, sondern nur ein bedeutungsloses passives (dem Schweigen vergleichbares) Nichterklären1.
1744
Auch wenn eine gesonderte Einwilligung – etwa durch Setzen eines Häkchens – erteilt wird, muss die Einwilligungserklärung deutlich formuliert und transparent sein, um den Anforderungen des § 305c Abs. 2 und des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen2. Dies stellt Unternehmen, die per E-Mail werben möchten, vor erhebliche Herausforderungen bei der Formulierung von Einwilligungserklärungen3.
1745
„Konturlos“ und unzureichend ist beispielsweise die Formulierung eines Einverständnisses, „dass … wie alle Teilnehmer touristische und nicht touristische Werbung von uns und unseren Partnern erhält“. Dasselbe gilt, wenn eine E-Mail-Adresse laut der vorformulierten Erklärung „nur von uns und unseren Geschäftspartnern für die Zusendung des 14-täglichen, kostenlosen Newsletters sowie von Verbraucher-Tipps und MarktInformationen“ genutzt werden soll4.
1746 Û Praxistipp: Unternehmen ist zu empfehlen, das Einverständnis des Users – ähnlich der AGB-Einbeziehung im Internet – deutlich sichtbar durch eine Checkbox auf der Website bei der Erhebung der E-MailAdresse einzuholen.
ee) Double-Opt-In 1747
Der Werbende hat das Einverständnis des Empfängers zu beweisen5. Dieser Beweis wird dem Werbenden nur gelingen, wenn er nachweisen kann, dass eine Einverständniserklärung tatsächlich vom Empfänger stammt.
1748
Bei der Bestellung eines Newsletters ist der Nachweis einer Eingabe der E-Mail-Adresse in ein Formular-Feld auf der Website des Versenders zum Beweis untauglich6. Die E-Mail-Adresse kann nämlich von jedermann in 1 OLG Jena vom 21.4.2010 – 2 U 88/10, Rz. 4. 2 Vgl. OLG Köln vom 29.4.2009, MMR 2009, 470, 471; Härting, IPRB 2011, 13, 14 f. 3 Vgl. Schirmbacher, BB 2008, 2430. 4 OLG Hamburg vom 29.7.2009 – 5 U 43/08; vgl. auch OLG Hamburg vom 4.3.2009, NJW-RR 2009, 1705 ff.; OLG Köln vom 29.4.2009, MMR 2009, 470. 5 BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = WRP 2004, 731 = MMR 2004, 386 mit Anm. Hoeren – E-Mail-Werbung. 6 Vgl. LG Berlin vom 19.9.2002, K&R 2002, 669; LG Essen vom 20.4.2009, NJWRR 2009, 1556, 1557; kritisch Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 819.
424
V. E-Mail-Werbung
das entsprechende Feld eingetragen worden sein. Eine sinnvolle Variante ist es dagegen, wenn sich für die Bestellung ein E-Mail-Fenster öffnet und der Kunde an den Newsletter-Versender eine (vorformulierte) E-Mail unter Verwendung seiner eigenen E-Mail-Adresse senden muss1. Weitgehend durchgesetzt hat sich das Double-Opt-In-Verfahren2: Die An- 1749 meldemail wird vom Versender des Newsletters mit einer Mail beantwortet, die um Bestätigung der Anmeldung bittet (Check-Mail). Nur bei „nochmaliger“ (d.h. „doppelter“) Anmeldung erfolgt tatsächlich ein Newsletter-Versand. Das Double-Opt-In-Verfahren schließt es nach Auffassung des BGH nicht 1750 aus, dass sich der Empfänger einer Werbemail auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im Double-Opt-In-Verfahren noch darauf berufen kann, dass er die unter dieser Adresse abgesendete Einwilligung nicht abgegeben hat – etwa mit der Begründung, bei der E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung versandt worden sei, handele es sich nicht um die seine; er habe auch keinen Zugang zu dieser Adresse. Dafür trägt er allerdings die Darlegungslast. Kann der Empfänger darlegen, dass die Bestätigung nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-Opt-In-Verfahren gewonnen wurde3. Wer das Double-Opt-In-Verfahren verwendet, sollte sicherstellen, dass in 1751 der Check-Mail noch keine Werbung für den angebotenen Dienst enthalten ist, da anderenfalls schon die Check-Mail als unerbetene Werbung zu qualifizieren sein kann4. Die Mail sollte weder Logos noch Hinweise auf Social-Media-Präsenzen noch andere Inhalte werbender Art enthalten5. Ohne werbliche Inhalte kann die Check-Mail nicht als Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG qualifiziert werden6. Das OLG München hat die Auffassung vertreten, dass eine Check-Mail 1752 auch ohne „Werbebotschaft“ unter das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG falle, und dies damit begründet, dass die Mail der „Absatzförderung“ diene7. Dies dehnt indes den Begriff der Werbung unzulässig weit aus, da jede Mail eines Unternehmers mit geschäftlichem Bezug als „absatzfördernd“ bezeichnet werden kann.
1 Vgl. BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655, 1657 = CR 2004, 445, 447 f. = WRP 2004, 731, 732 f. = MMR 2004, 386, 388 f. mit Anm. Hoeren. 2 Vgl. AG Düsseldorf vom 14.7.2009, MMR 2009, 872 (Ls.); AG Berlin-Mitte vom 11.6.2008, MMR 2009, 144 (Ls.). 3 BGH vom 10.2.2011 – I ZR 164/09 – Double-opt-in-Verfahren, Rz. 38. 4 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; KG vom 20.6.2002, CR 2003, 291, 292; vgl. auch LG Bonn vom 9.1.2007, K&R 2007, 225 ff. 5 Schirmbacher/Zeller, ITRB 2013, 41, 42. 6 Vgl. Ernst, WRP 2013, 160, 162; Schirmbacher, CR 2013, 44, 46. 7 OLG München vom 27.9.2012 – 29 U 1682/12, Rz. 52 f.
425
G. Wettbewerbsrecht
1753
Der vom OLG München entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass der Versender nicht nachweisen konnte, dass eine Registrierung für den Newsletter unter der streitigen E-Mail-Adresse erfolgt war. Hätte der Versender die Registrierung ausreichend dokumentiert, wäre das OLG München bei seiner Entscheidung möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen1.
1754
Einem Newsletter-Versender ist es nicht zumutbar, in jedem Einzelfall sicherzustellen, dass das Double-Opt-In-Verfahren nicht missbraucht wird. Einzelne Missbrauchsfälle begründen daher noch kein (wettbewerbs- oder deliktsrechtlich) rechtswidriges Handeln des Newsletter-Anbieters2. ff) Laufende Geschäftsbeziehungen
1755
Eine Ausnahme von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gilt für laufende Geschäftsbeziehungen3. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UWG kann ein Unternehmer die E-Mail-Adresse eines Kunden, die er im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat, zu Werbezwecken für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwenden. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG besteht diese Möglichkeit allerdings nur, wenn der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er die Verwendung jederzeit untersagen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen4.
1756
Die Ähnlichkeit (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG) muss sich auf die bereits gekauften Waren oder Dienstleistungen beziehen. Maßgeblich ist, ob die beworbenen Produkte dem gleichen typischen Verwendungszweck oder Bedarf des Kunden dienen5. Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn die Produkte austauschbar sind6.
1757
Weder aus den Richtlinienvorgaben7 noch aus § 7 Abs. 3 UWG lässt sich eine zeitliche Komponente herauslesen, die dazu führen würde, dass ein Geschäft, das der Kunde getätigt hat, nach einer gewissen Zeitdauer die Übersendung von Werbung trotz des Vorliegens aller Voraussetzungen 1 Vgl. Menke/Witte, K&R 2013, 25 ff. 2 Leible, K&R 2006, 485, 489; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 611; LG Berlin vom 23.1.2007, K&R 2007, 430 f.; LG München I vom 13.10.2009, K&R 2009, 824; AG München vom 30.11.2006, K&R 2007, 228. 3 Vgl. Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 827 f. 4 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 7 Rz. 202 ff.; vgl. auch Härting/Eckart, ITRB 2004, 185, 186. 5 Decker, GRUR 2011, 774, 780. 6 KG vom 18.3.2011 – 5 W 59/11, Rz. 3; OLG Jena vom 21.4.2010 – 2 U 88/10, Rz. 9. 7 Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002, ABl. EG L 201 vom 31.7.2002, S. 38.
426
V. E-Mail-Werbung
der Norm nicht mehr legitimiert. Solange der Kunde von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt die Versendung von Werbung per Mail unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG zulässig1. Û Praxistipp: Die Anforderungen des § 7 Abs. 3 UWG sind im Ergebnis 1758 so hoch, dass es für den Unternehmer nahezu den gleichen Aufwand bedeutet, bei Erhebung der E-Mail-Adressdaten des Kunden sogleich das Einverständnis mit der Werbung per E-Mail einzuholen2. Dies gilt umso mehr, als der Unternehmer beweispflichtig dafür ist, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG bei der Übersendung der Werbung vorlagen3. b) Deliktsrecht Neben Ansprüchen aus dem UWG kommen Unterlassungsansprüche ge- 1759 gen den Spammer aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht4. aa) Ansprüche des Empfängers Nach herrschender Meinung erfüllt das Spamming stets den Tatbestand 1760 des § 823 Abs. 1 BGB5. Wird Werbung an eine private E-Mail-Adresse versandt, ohne dass der Empfänger mit der E-Mail-Werbung einverstanden ist, erfüllt dies den Tatbestand eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht6. Handelt es sich um einen geschäftlich genutzten E-Mail-Anschluss, geht die Rechtsprechung ganz überwiegend von einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus7. 1 Vgl. Schulz, CR 2012, 686, 689. 2 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 143, 162, Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. 3 Vgl. LG Hamburg vom 4.8.2008, ITRB 2009, 31 f. (Intveen). 4 Vgl. Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 817. 5 KG vom 20.6.2002, KGReport Berlin 2002, 353; OLG Düsseldorf vom 22.9.2004, MMR 2004, 820 f.; OLG Koblenz vom 10.6.2003, CR 2003, 766 = MMR 2003, 590; OLG Bamberg vom 12.5.2005, CR 2006, 274, 275; KG vom 26.1.2007, MMR 2007, 386, 387; LG Berlin vom 16.5.2002, CR 2002, 606 = MMR 2002, 631; LG München vom 15.4.2003, CR 2003, 615; AG Bonn vom 13.5.2003, BRAKMitt. 2003, 244 (Ls.); AG Hamburg vom 4.3.2003 – 36a C 37/03; AG Leipzig vom 27.2.2003, CR 2003, 935 = MMR 2003, 610; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282. 6 KG vom 20.6.2002, KGReport Berlin 2002, 353; OLG Düsseldorf vom 22.9.2004, MMR 2004, 820 f.; OLG Bamberg vom 12.5.2005, CR 2006, 274, 275; KG vom 26.1.2007, MMR 2007, 386, 387; LG Berlin vom 1.6.2006, K&R 2007, 56; LG Berlin vom 19.9.2002, CR 2003, 219; LG Lübeck vom 10.7.2009, MMR 2009, 868; AG Charlottenburg vom 10.11.2006 – 220 C 170/06; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282. 7 BGH vom 20.5.2009, K&R 2009, 649, 650 f. – E-Mail-Werbung II; KG vom 8.1.2002, CR 2002, 721 = MMR 2002, 685; OLG Düsseldorf vom 22.9.2004,
427
G. Wettbewerbsrecht
1761
Übersicht: Bei den (gewerblichen) Empfängern bejaht die Rechtsprechung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB mit drei Argumenten1: – Beseitigungsaufwand: Dem Empfänger entstehen Kosten, indem er Arbeitszeit zum Aussortieren und Löschen unerwünschter E-Mails aufwenden muss. – Online-Gebühren: Durch das Herunterladen unerwünschter E-MailWerbung fallen bei dem Empfänger gegen dessen Willen Online-Gebühren an. – Überlaufen der Mail-Accounts: Bei massenweisem Spamming besteht die Gefahr, dass der Mail-Account des Empfängers „überläuft“ mit der Folge, dass er wichtige E-Mails nicht erhält.
1762
Trotz der vergleichsweise geringfügigen Belästigung, die von einer einzelnen E-Mail ausgeht, bejaht die Rechtsprechung bereits bei dem Versand einer einzigen E-Mail einen Eingriff in den Gewerbebetrieb2. Begründet wird dies mit der Ausuferungsgefahr, die dem Kommunikationsmittel E-Mail innewohnt und die vor allem darin liegt, dass sich mit geringen Kosten massenhaft E-Mails versenden lassen3.
1763
Diese Argumentation steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den herkömmlichen Anforderungen an einen betriebsbezogenen Eingriff, MMR 2004, 820 f.; OLG Bamberg vom 12.5.2005, CR 2006, 274, 275; OLG Düsseldorf vom 24.5.2006, MMR 2006, 681, 682 ff.; OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 275; KG vom 26.1.2007, MMR 2007, 386, 387; LG Berlin vom 16.5.2002, CR 2002, 606 = MMR 2002, 631; LG Berlin vom 26.8.2003, CR 2004, 544 = MMR 2004, 44; LG Essen vom 20.4.2009, NJW-RR 2009, 1556, 1557; LG Lübeck vom 10.7.2009, MMR 2009, 868; LG München vom 15.4.2003, CR 2003, 615; AG Bonn vom 13.5.2003, BRAK-Mitt. 2003, 244 (Ls.); AG Hamburg vom 18.8.2005, K&R 2006, 244; AG Hamburg vom 20.6.2005, NJW 2005, 3220, 3220; AG Hamburg vom 4.3.2003 – 36a C 37/03, AG Köln vom 7.9.2006, MMR 2006, 834; AG Leipzig vom 27.2.2003, MMR 2003, 610; AG Ludwigshafen vom 17.2.2006, MMR 2006, 421; AG Norden vom 28.1.2005 – 5 C 1103/04; a.A. AG München vom 24.11.2003, CR 2004, 379. 1 Vgl. KG vom 8.1.2002, MMR 2002, 685; LG Berlin vom 16.5.2002, MMR 2002, 631; LG München vom 15.4.2003, CR 2003, 615; AG Leipzig vom. 27.2.2003, MMR 2003, 610. 2 Leible, K&R 2006, 485, 488 f.; OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 324; OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 275; LG Berlin vom 26.8.2003, CR 2004, 544 = MMR 2004, 44; AG Hamburg vom 20.6.2005, NJW 2005, 3220 f.; a.A. AG Dresden vom 29.7.2005, NJW 2005, 2561, 2562; AG München vom 24.11.2003, CR 2004, 379. 3 Vgl. KG vom 8.1.2002, MMR 2002, 685; LG Berlin vom 16.5.2002, MMR 2002, 631; LG Berlin vom 26.8.2003, CR 2004, 544 = MMR 2004, 44; AG Leipzig vom 27.2.2003, MMR 2003, 610.
428
V. E-Mail-Werbung
die für den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB gelten. Danach muss ein Angriff auf die Grundlagen der unternehmerischen Betätigung vorliegen1. Eine bloße Belästigung reicht hierfür ebenso wenig aus wie eine lediglich mittelbare Beeinträchtigung des betroffenen Betriebes2. Von einer bloßen Belästigung kann jedenfalls dann nicht mehr die Rede 1764 sein, wenn über 3000 E-Mails mit gewerkschaftlichem Inhalt an die dienstlichen Accounts von Mitarbeitern eines Unternehmens ohne Einverständnis der Unternehmensleitung versandt werden3. Dasselbe gilt für die Übersendung von über 500 Mails durch ein Anti-Piracy-Unternehmen in einem Zeitraum von zwei Wochen4. Der BGH bejaht einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten 1765 Gewerbebetrieb mit der Begründung, dass unverlangt zugesandte E-MailWerbung regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens beeinträchtige. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails seien Arbeitsaufwand und Kosten verbunden. Der Arbeitsaufwand und die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail seien zwar im Normalfall gering. Anders falle die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handele oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen müsse. Wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig wäre, wäre mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers zu rechnen. Um ein „Umsichgreifen dieser Werbeart“ zu verhindern, müsse schon die einzelne Werbemail als „grundsätzlich rechtswidrig“ angesehen werden5. Für die (deliktsrechtliche) Zulässigkeit der Werbung per E-Mail genügte 1766 der Rechtsprechung nach früherem Recht ein mutmaßliches Einverständnis des Empfängers. In einer Entscheidung des LG Augsburg reichten beispielsweise 201 Sekunden Online-Zeit aus, die der spätere E-Mail Empfänger auf der Website des Versenders verbrachte, um die Werbung eines Datenbankbetreibers auf Grund eines mutmaßlichen Einverständnisses nicht mehr für rechtswidrig zu erachten6. Nach heutigem Recht spricht der Gesichtspunkt der Einheit der Rechts- 1767 ordnung dafür, dass die strengeren Maßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch im Deliktsrecht gelten mit der Folge, dass das mutmaßliche, Einverständnis für die Rechtmäßigkeit von E-Mail-Werbung nicht mehr ge-
1 2 3 4
Vgl. Sprau in Palandt, § 823 Rz. 126 f. Vgl. Sprau in Palandt, § 823 Rz. 128. Vgl. ArbG Frankfurt a.M. vom 12.4.2007, CR 2008, 195 ff. LG Flensburg vom 25.11.2005, MMR 2006, 181, 182 mit Anm. Berger und Kazemi. 5 BGH vom 20.5.2009, K&R 2009, 649, 650 f. – E-Mail-Werbung II. 6 LG Augsburg vom 4.5.1999, NJW 2000, 593.
429
G. Wettbewerbsrecht
nügt1. Dasselbe könnte für das – nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht mehr ausreichende – konkludente Einverständnis gelten. 1768
Der Empfänger einer Spam-Mail kann von dem Versender die Unterlassung weiterer unerwünschter E-Mail-Werbung verlangen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Anspruch gilt für Mails an die Adresse, an die bereits Werbung verschickt worden ist, aber auch für andere E-Mail-Adressen des Empfängers2. In Betracht kommt auch ein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Auskunft über gespeicherte (Adress-)Daten gemäß § 34 BDSG3. bb) Ansprüche des Providers
1769
Angesichts des Schadens, den die E-Mail-Flut bei den Providern verursacht, überrascht das weitgehende Fehlen gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Providern und Spammern. Dies umso mehr, als unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung verwendeten Kriterien zum Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Spamming alles dafür spricht, dass Unterlassungsansprüche der Provider gegen Spammer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB bestehen4.
1770
Beseitigungsaufwand entsteht nicht nur für den Empfänger der SpamMails, sondern auch für den Provider: Der Provider muss Personal einsetzen, um die Speicherung und Weiterleitung von Spam-Mails zu unterbinden. Zudem entstehen dem Provider Kosten für die Bereithaltung von Speicherplatz, Strom und sonstiger Infrastruktur. c) Sonderfälle aa) Empfehlungsmarketing
1771
Empfehlungsmarketing durch Nutzung einer „Tell-a-Friend“-Funktion5 bedeutet, dass dem Nutzer auf der Website eines Unternehmens die Möglichkeit gegeben wird, ein konkretes Produkt an einen Bekannten weiterzuempfehlen. Dazu muss der Nutzer lediglich die E-Mail-Adresse des Empfängers und in der Regel seine eigene E-Mail-Adresse in ein Formular eintragen und die Nachricht abschicken. Der Empfänger bekommt eine E-Mail mit dem Link zu der entsprechenden Website, wobei die Mail häufig auch Werbung für das jeweilige Unternehmen enthält.
1 Vgl. OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 277 f. 2 LG Berlin vom 16.10.2009, MMR 2010, 38 f. mit Anm. Kazemi. 3 LG Heidelberg vom 23.9.2009, MMR 2010, 66 (Ls.); AG Düsseldorf vom 14.7.2009, MMR 2009, 872 (Ls.). 4 Härting/Eckart, CR 2004, 119. 5 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 161 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; Weber/Meckbach, MMR 2007, 482 ff.
430
V. E-Mail-Werbung
Das Empfehlungsmarketing ist von der Rechtsprechung bislang unter- 1772 schiedlich beurteilt worden1. Es ist unbestreitbar, dass diese Form der Werbung letztlich dem Unternehmer zugutekommt, der die Infrastruktur für den Service zur Verfügung stellt. Auch ein Eingriff in die Privatsphäre des Empfängers liegt vor. Dieser ist jedoch letztlich privat initiiert und deshalb mit der unaufgeforderten Werbung durch ein Unternehmen nicht in jeder Hinsicht zu vergleichen2. Dies spricht dafür, die „Tella-Friend“-Funktion jedenfalls dann für mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG vereinbar zu halten, wenn die versendete Mitteilung den Initiator der E-Mail als Absender ausweist und keine zusätzliche Werbung für den Unternehmer enthält3. In seiner Entscheidung „Freundschaftswerbung im Internet“ hat der BGH alle materiellrechtlichen Fragen offen gelassen und der Revision aus prozessrechtlichen Gründen stattgegeben4. bb) E-Cards Ein ähnlich gelagertes Problem besteht bei dem Versand von Grußkarten 1773 per E-Mail über ein Webinterface5. Auf etlichen Websites wird ein solcher (kostenfreier) Service angeboten, und es lässt sich kaum vermeiden, dass die versandte E-Mail auch Werbung für den Anbieter des Service enthält. Aus diesem Grund sind solche Dienste wiederholt für unzulässig erachtet worden6. Diese Rechtsprechung ist indes mehr als fragwürdig, als das Argument einer Ausuferungsgefahr nicht greift, da der Versand der Grußkarten nur in sehr limitiertem Umfang manuell möglich ist7. cc) Fall „Hotmail“ Einen Unterlassungsanspruch von Microsoft gegen einen Spam-Mail-Ver- 1774 sender aus § 14 Abs. 5 MarkenG hat das OLG Karlsruhe bejaht, da für die
1 Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; LG Berlin vom 18.8.2009, GRUR-Prax 2010, 207 mit Anm. Schirmbacher = K&R 2009, 823 f.; LG Nürnberg vom 4.3.2004, MMR 2004, 840; LG München vom 28.11.2002, WRP 2003, 905. 2 Leible, K&R 2006, 485, 487; Rösler, WRP 2005, 438, 440; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56. 3 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 161; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 207, 207; Leible, K&R 2006, 485, 487 f.; Weber/Meckbach, MMR 2007, 482, 485; OLG Nürnberg vom 25.10.2005, CR 2006, 196, 197 f. 4 BGH vom 29.5.2008, K&R 2008, 742 ff. – Freundschaftswerbung im Internet. 5 OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 324 mit Anm. Heidrich; LG München I vom 5.11.2002, CR 2003, 209; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282; vgl. Ernst/Seichter, MMR 2006, 779 ff. 6 KG vom 22.6.2004, NJW-RR 2005, 51 f.; OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 324 mit Anm. Heidrich; LG München I vom 5.11.2002, CR 2003, 209; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282. 7 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; vgl. auch Leible, K&R 2006, 485, 488; Micklitz/ Schirmbacher, WRP 2006, 148, 161.
431
G. Wettbewerbsrecht
Spam-Mails „hotmail.de/hotmail.com“-Adressen verwendet wurden und Microsoft Inhaber der Marke „Hotmail“ ist1.
VI. Online-Werbung 1. Links und Frames 1775
Vereinzelt werden Hyperlinks unter dem Gesichtspunkt der Irreführung problematisiert2. Denkbar ist, dass sich aus dem Zusammenhang von Kontext und Verlinkung eine Irreführung der Nutzer ergibt. So kann etwa die Aufnahme von Nichtkunden in die Referenz(link)liste eines Unternehmens irreführend sein. Auch wenn Links falsch gekennzeichnet werden, kann eine Irreführungsgefahr bestehen.
1776
Keine Irreführung liegt in einem kommentarlosen Link auf die Seiten eines Branchenverbandes. Der User verbindet mit einem solchen Link nicht notwendig die (im konkreten Fall unzutreffende) Vorstellung, dass der Betreiber der Website Verbandsmitglied ist3.
1777
Bei dem Einsatz von Deeplinks und Frames kann eine Irreführung vorliegen, wenn in die eigene Website fremde Inhalte eingebunden werden und auf diese Weise der unzutreffende Eindruck erweckt wird, diese Inhalte stammten vom Anbieter selbst. Darüber hinaus kommt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot (§ 4 Nr. 3 UWG und Nr. 11 der UWG-Anlage sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV4) in Betracht, wenn etwa durch die Form der Einbindung von Frames die Grenzen zwischen den redaktionellen und werbenden Inhalten verschwimmen5.
1778
Eine Irreführung oder unlautere Leistungsübernahme durch den Verweis auf fremde Inhalte per Deeplink liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Herkunft der Inhalte hinreichend deutlich gemacht wird und diese im Internet frei zugänglich sind6.
1 OLG Karlsruhe vom 25.10.2006, CR 2007, 105 ff. mit Anm. Utz. 2 OLG Jena vom 14.5.2003, WRP 2003, 1141 = NJW-RR 2003, 1199 = MMR 2003, 531; LG Erfurt vom 28.11.2002, WRP 2003, 414; LG Hamburg vom 2.1.2001, CR 2001, 265 = EWiR § 1 UWG 7/01, 501 (Hoeren). 3 OLG Jena vom 14.5.2003, WRP 2003, 1141, 1142 = NJW-RR 2003, 1199 = MMR 2003, 531, 532; a.A. LG Erfurt vom 28.11.2002, WRP 2003, 414. 4 Siehe Rz. 1420 ff. 5 Vgl. Ernst/Seichter, CR 2011, 62, 64; Hoeren, MMR 2004, 643, 645; vgl. LG Berlin vom 26.7.2005, MMR 2005, 778, 779. 6 Joppich, CR 2003, 504, 509; Ott, WRP 2004, 52, 57; BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408 = CR 2003, 920, 921 f. – Paperboy; LG München I vom 1.3.2002, CR 2002, 452, 454 f.
432
VI. Online-Werbung
2. Bannerwerbung Bannerwerbung ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbe- 1779 sondere liegt keine unangemessene Belästigung des Users vor (vgl. § 4 Nr. 1 UWG), da der Internetnutzer an Bannerwerbung gewöhnt ist und akzeptiert, dass die Werbung kostenlose Internetangebote überhaupt erst ermöglicht1. Auch ein Verstoß gegen das Trennungsgebot (§ 4 Nr. 3 UWG und Nr. 11 der UWG-Anlage sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV2) kommt nicht in Betracht, da Banner im Normalfall als Werbung unschwer zu erkennen sind3. 3. Pop-Ups und Pop-Unders Jeder Internetnutzer weiß, dass Pop-Up-Fenster4 beim Surfen sehr lästig 1780 sein können. Dies gilt insbesondere für Fenster, die sich erst beim Schließen des geöffneten Browser-Fensters öffnen (so genannte Exit-Pop-Ups). Hieraus jedoch – wie das LG Düsseldorf meint – eine generelle Wettbewerbswidrigkeit von Exit-Pop-Up-Fenstern unter dem Gesichtspunkt einer übermäßigen Belästigung abzuleiten5, geht zu weit6. Pop-Up-Fenster gehören genauso wie die Bannerwerbung zu den Werbe- 1781 formen, die jeder Internetnutzer kennt und – jedenfalls in Maßen – hinnimmt. Davon, dass der Empfänger die Werbung erkennbar nicht wünscht (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG), kann keine Rede sein. Dies gilt umso mehr, als es ohne Weiteres möglich ist, das Öffnen von Pop-Up-Fenstern zu verhindern. Pop-Up-Blocker sind ihrerseits aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wie der Vergleich mit den (wettbewerbsrechtlich zulässigen) Werbeblockern für Fernsehprogramme7 zeigt. Für Pop-Unders (Pop-Down-Fenster), bei denen die Werbung in einem 1782 Fenster hinter dem geöffneten Fenster angezeigt wird, gilt nichts anderes als für Pop-Up-Werbung. Pop-Under- und Pop-Up-Werbung erfüllen weder den Tatbestand eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten
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LG Frankfurt a.M. vom 13.9.2000, K&R 2001, 173 = MMR 2001, 560. Siehe Rz. 1420 ff. Vgl. Pierson, K&R 2006, 489, 492 f. Vgl. Mankowski, K&R 2003, 526. LG Düsseldorf vom 26.3.2003, MMR 2003, 486. Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 752 f.; Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 166; Pierson, K&R 2006, 489, 494; a.A. Mankowski, K&R 2003, 526, 527; differenzierend: Leupold/Bräutigam/Pfeiffer, WRP 2000, 575, 591. 7 BGH vom 24.6.2004, NJW 2004, 3032 – Werbeblocker; KG vom 24.7.2001, MMR 2002, 483; LG Frankfurt a.M. vom 8.4.1999, MMR 1999, 613; OLG Frankfurt a.M. vom 23.9.1999, MMR 1999, 720.
433
G. Wettbewerbsrecht
Gewerbebetrieb1, noch verletzen sie in rechtswidriger Weise das Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB)2. 4. Kontextsensitive Werbung 1783
Kontextsensitive Werbung ist so programmiert, dass sie in Abhängigkeit davon eingeblendet wird, was redaktioneller Inhalt der angezeigten Seite ist. Geht es in einer Online-Zeitung etwa um Hobbyradsport, wird Werbung für Radsportartikel eingeblendet.
1784
Problematisch kann diese Art der Werbung unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden sein3, wenn beispielsweise in einem Bericht über den neuen BMW Bannerwerbung für Mercedes erscheint. Schon 1955 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass die gezielte Schaltung einer besonders auffälligen Anzeige im Telefonbuch auf der Seite mit dem Anfangsbuchstaben des Konkurrenten wettbewerbswidrig ist4. 5. Spyware
1785
Spyware-Programme werden von Internetnutzern oft unbewusst heruntergeladen und können Einfluss auf die im Internet angezeigten Inhalte nehmen. So lässt sich Spyware beispielsweise so einstellen, dass sich bei Aufruf der Website eines Unternehmens ein Pop-Up-Fenster mit Werbung für einen Konkurrenten öffnet. Wird die Software benutzt, um der Konkurrenz zu schaden, so ist darin eine gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) zu sehen5.
VII. Besondere Vertriebsformen 1. Online-Auktionen 1786
Gelegentlich wurden wettbewerbsrechtliche Bedenken geäußert gegen die Praxis, bei Internetauktionen hochwertige (Marken-)Waren zu einem Mindestgebot von 1 t anzubieten. Denkbar ist, diese Verkaufsstrategie unter dem Gesichtspunkt des Lockangebots6 als unzulässig anzusehen (§ 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 5 der UWG-Anlage)7.
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LG Berlin vom 13.5.2004, MMR 2004, 699 mit Anm. Berger. Siehe Rz. 1761. Vgl. LG Köln vom 12.3.2004, MMR 2004, 840 (Ls.). OLG Düsseldorf vom 18.10.1955, NJW 1956, 64. LG Köln vom 12.3.2004, MMR 2004, 840. Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 UWG Rz. 7.22 ff. Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rz. 25 f.
434
VII. Besondere Vertriebsformen
Dies übersieht jedoch die Besonderheiten, die bei Online-Auktionen be- 1787 stehen. Zum einen erkennt der durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Verbraucher ohne Weiteres, dass es bei einer Versteigerung in aller Regel nicht bei dem Anfangsgebot bleiben wird. Zum anderen fehlt es an der besonderen Lockwirkung des Mindestgebots. Viele der Ebay-Versteigerungen werden abgewickelt, ohne dass der Ersteigerer überhaupt auf die Website des Verkäufers gelangt. Der Kunde wird – anders als im Ladengeschäft – nicht auf andere Waren des Anbieters aufmerksam gemacht. Zutreffend ist der Irreführungsvorwurf, wenn die Auktion unter Angabe 1788 des Startpreises beworben wird, ohne dass deutlich darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Versteigerung handelt1. Wer etwa in einer Zeitschrift Anzeigen mit „Hochwertige Fernseher ab 1 t“ schaltet, handelt unlauter, wenn sich aus der Anzeige nicht zugleich ergibt, dass der genannte Preis lediglich der Startpreis ist2. Ein spezifisches Phänomen von Online-Versteigerungen sind Scheingebo- 1789 te. Dies sind Gebote auf eine konkrete Auktion, die der Anbieter selbst unter fremdem Namen abgibt oder durch Dritte abgeben lässt, um den Preis in die Höhe zu treiben oder um zu verhindern, dass die Ware zu dem bisher erzielten Preis veräußert wird. Ein solches Verhalten verstößt gegen die Nutzungsbedingungen vieler Versteigerungs-Plattformen (vgl. z.B. § 10 Abs. 6 Ebay-AGB). Falls sich systematische Scheingebote nachweisen lassen, liegt eine Täuschung durch irreführende Praktiken vor, die den Tatbestand des § 4 Nr. 1 UWG erfüllt. Ein weiteres wettbewerbsrechtliches Problem der Online-Auktionen stel- 1790 len Sniper-Programme dar. Diese Software wird von privaten Ersteigerern eingesetzt, um Sekunden vor Auktionsende noch ein (geringfügig) höheres Gebot automatisch abzugeben3. Bemühungen der Betreiber von Internetauktions-Plattformen, gegen die Anbieter und Händler solcher Software vorzugehen, waren wegen gezielter wettbewerbswidriger Behinderung (vgl. § 4 Nr. 10 UWG)4, unlauterem Verleiten zum Vertragsbruch5 oder eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß den §§ 823, 1004 BGB6 erfolgreich.
1 2 3 4
OLG Hamburg vom 5.7.2001, MMR 2001, 748 = K&R 2001, 596. Vgl. OLG Hamburg vom 5.7.2001, MMR 2001, 748 = K&R 2001, 596. Vgl. Leible/Sosnitza, CR 2003, 344, 344 f. LG Hamburg vom 16.7.2002, CR 2002, 763 = MMR 2002, 755 = ITRB 2002, 283 (Günther). 5 LG Berlin vom 11.2.2003, CR 2003, 857; LG Hamburg vom 16.7.2002, CR 2002, 763 = MMR 2002, 755 = ITRB 2002, 283 (Günther); a.A. Leible/Sosnitza, CR 2003, 344, 348. 6 LG Hamburg vom 27.2.2003, K&R 2003, 296, 298 f.; a.A. Leible/Sosnitza, CR 2003, 344, 348 f.
435
G. Wettbewerbsrecht
2. Umgekehrte Versteigerungen 1791
Gelegentlich findet man im Internet noch umgekehrte Versteigerungen (Reverse Auctions). Ein bestimmtes Produkt wird zum Verkauf angeboten zu einem Höchstpreis, der mit der Zeit immer weiter sinkt, bis sich ein Käufer gefunden hat1. Derartige Angebote leben von der Spiellust des Publikums, weswegen gelegentlich eingewendet wurde, es handele sich um einen übermäßigen und daher gemäß § 1 UWG a.F. unlauteren aleatorischen Anreiz2.
1792
Zu Recht hat der BGH den Versuchen, umgekehrte Versteigerungen im Internet wettbewerbsrechtlich pauschal zu untersagen, eine klare Absage erteilt3. Jedenfalls dann, wenn sich der Käufer mit dem „Zuschlag“ noch nicht bindet und noch frei über den Vertragsschluss entscheiden kann, liegt weder ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG a.F. noch ein unangemessen-unsachlicher Einfluss (§ 4 Nr. 1 UWG) vor4. 3. Powershopping
1793
Ein Beispiel dafür, dass ein Erfolg versprechendes Geschäftskonzept im Internet an den rechtlichen Rahmenbedingungen gescheitert ist, ist das so genannte Powershopping (auch Co- oder Community-Shopping). Auf meist unabhängigen Plattformen fanden sich hierbei virtuelle Einkaufgemeinschaften mit dem Ziel zusammen, durch Mengenrabatte den Preis der Ware zu senken5.
1 Vgl. Schafft, CR 2001, 393 ff. 2 Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rz. 51 f.; Ernst, CR 2000, 304, 312; OLG Hamburg vom 7.12.2000, CR 2001, 340, 340 f. = MMR 2001, 539, 540 = ITRB 2001, 100 (Rössel); OLG Hamburg vom 25.4.2002, CR 2002, 753, 754 mit Anm. Leible/Sosnitza = NJW-RR 2002, 1042, 1043. 3 BGH vom 13.3.2003, CR 2003, 517 mit Anm. Lindenberg = MMR 2003, 465 mit Anm. Leible/Sosnitza – Umgekehrte Versteigerung II; BGH vom 13.11.2003, CR 2004, 290 mit Anm. Leible/Sosnitza = WRP 2004, 345, 347 = MMR 2004, 160 – Umgekehrte Versteigerung im Internet. 4 Huppertz, MMR 2000, 65, 68; Lindenberg, CR 2003, 517, 519; Schafft, CR 2001, 393, 398; BGH vom 13.3.2003, CR 2003, 517 mit Anm. Lindenberg = MMR 2003, 465 mit Anm. Leible/Sosnitza – Umgekehrte Versteigerung II; BGH vom 13.11.2003, CR 2004, 290 mit Anm. Leible/Sosnitza = WRP 2004, 345, 347 = MMR 2004, 160 – Umgekehrte Versteigerung im Internet; OLG München vom 14.12.2000, CR 2001, 338, 339 = MMR 2001, 233, 234; a.A. Ernst in Spindler/ Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rz. 55; OLG Hamburg vom 7.12.2000, CR 2001, 340, 340 f. = MMR 2001, 539, 540 = ITRB 2001, 100 (Rössel); OLG Hamburg vom 25.4.2002, CR 2002, 753, 754 mit Anm. Leible/Sosnitza = NJW-RR 2002, 1042, 1043. 5 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen: Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 1 Rz. 23 ff.; Huppertz, MMR 2000, 329, 330; Menke, WRP 2000, 337, 337 f.; Steinbeck, WRP 2002, 604; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35.
436
VII. Besondere Vertriebsformen
Verschiedene Gerichte haben dieses Geschäftsmodell vor allem mit Blick 1794 auf das – zwischenzeitlich längst aufgehobene1 – Rabattgesetz für unzulässig erklärt2. Doch auch auf der Grundlage des geltenden Lauterkeitsrechts wurden Bedenken geäußert. Insbesondere in dem übertriebenen Anlocken von Kunden, verbunden mit der Gefahr der Ausnutzung der Spiellust der Verbraucher, liege unlauterer Wettbewerb3. Auch der Gesichtspunkt der Laienwerbung spreche gegen die Zulässigkeit des Geschäftsmodells4.
1 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Powershopping und Aufhebung des RabattG: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks. 14/3118, S. 2 ff. 2 OLG Hamburg vom 18.11.1999, NJW 2000, 2033, 2034 = CR 2000, 182, 182 f. = BB 2000, 115 = MMR 2000, 278 = K&R 2000, 135, 136; LG Hamburg vom 14.7.2000, CR 2000, 774, 774 f.; LG Nürnberg-Fürth vom 8.2.2000, MMR 2000, 640; offengelassen von LG Köln vom 10.10.2000, MMR 2001, 54; a.A. Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rz. 61; Ernst, CR 2000, 240, 240 f.; Huppertz, MMR 2000, 329, 331 f.; Menke, WRP 2000, 337, 341; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35, 38. 3 OLG Köln vom 1.6.2001, CR 2001, 545, 546 mit Anm. Leible/Sosnitza = MMR 2001, 523, 524 f.; LG Hamburg vom 14.7.2000, CR 2000, 774, 775; LG Köln vom 25.11.1999, CR 2000, 318, 318 f.; LG Köln vom 10.10.2000, MMR 2001, 54; LG Nürnberg-Fürth vom 8.2.2000, MMR 2000, 640; a.A. Huppertz, MMR 2000, 329, 332 f.; Leible/Sosnitza, CR 2001, 547, 548; Menke, WRP 2000, 337, 346; Steinbeck, WRP 2002, 604, 605 ff.; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35, 39; differenzierend Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rz. 64 ff.; Ernst, CR 2000, 240, 242. 4 LG Köln vom 25.11.1999, CR 2000, 318; zweifelnd Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rz. 67 f.; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35, 39.
437
H. Domainrecht Rz. I. Domainnamen . . . . . . . . . . . . . . 1797 II. 1. 2. 3.
Domainvergabe . . . . . . . . . . . . . ICANN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DENIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUrid. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1805 1805 1807 1814
III. 1. 2. 3.
Rechtsnatur der Domain . . . . . Kein absolutes Recht . . . . . . . . Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . Vollstreckungszugriff . . . . . . . .
1817 1818 1820 1822
IV. Domainstreit . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 826 BGB und § 4 Nr. 10 UWG – Domaingrabbing . . . . . a) Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . b) Ausschließliche Verkaufsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Benutzungswille und eigenes Interesse an der Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Indizien für bösgläubiges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 2. §§ 14, 15 MarkenG – Marken, Unternehmensbezeichnungen und Werktitel . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz der Marke . . . . . bb) Schutz von Unternehmenskennzeichen und Werktiteln. . . . . . . . . . . . b) Löschungs- und Unterlassungsansprüche. . . . . . . . . . . aa) Kennzeichenrechte. . . . bb) Kennzeichenmäßige Nutzung . . . . . . . . . . . . . (1) Kennzeichenfunktion der Domain . . . . . . . . . . . (2) Erlaubte Benutzung gemäß § 23 MarkenG. . . . cc) Nutzung im geschäftlichen Verkehr . . . . . . . . dd) Identität oder Verwechslungsgefahr . . . . . (1) Branchennähe . . . . . . . . (2) Räumliche Kollision . . (3) Bekanntheitsgrad . . . . . (4) Serienzeichen . . . . . . . . .
1825
3.
4. 1829 1831 1833 1836
5.
1840 1843
6.
1846 1847 1847 1852 1854 1856 1867 1867 1878 1883 1891 1894 1897 1900 1903
(5) Domainendungen . . . . . (6) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . § 12 BGB – Namensrechte . . . a) Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . aa) Träger des Namensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Namensanmaßung . . . . cc) Zuordnungsverwirrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Namensleugnung . . . . . ee) Subsidiarität zum Markenrecht . . . . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . Namens- und Kennzeichenrechte unter Gleichnamigen . a) Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . b) Rücksichtnahmegebot . . . . c) Registrierung und Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . Streit um Ortsbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §§ 3, 5 UWG – Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gattungsbegriffe . . . . . . . . . . b) Domains der Anwälte, Notare und Steuerberater . . . . . c) Tippfehler und Umlaute . . . d) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . 1. Anspruchsziele . . . . . . . . . . . . . a) Unterlassung . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung . . . . . . . . . . . . . . c) Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kennzeichenrecht . . . . . bb) Namensrecht . . . . . . . . . cc) Wettbewerbsrecht . . . . . d) Schadensersatz . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . a) Domaininhaber . . . . . . . . . . . b) Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . c) DENIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Störer . . . . . . . . . . . .
Rz. 1904 1909 1922 1922 1924 1929 1931 1933 1934 1940 1953 1954 1957 1964 1967 1971 1982 1984 1996 2008 2015 2019 2019 2022 2023 2025 2029 2035 2038 2040 2041 2041 2042 2046 2054
VI. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . 2056 1. Gerichtliches Verfahren . . . . . 2056 2. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 2061
439
H. Domainrecht
1795
Das Internet setzt sich aus einer Vielzahl unabhängiger Netzwerke zusammen, die wiederum aus Millionen von Rechnern bestehen. Den Datenaustausch zwischen diesen Rechnern ermöglicht das Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP)1. Um sich den Weg durch die Netzwerke zu bahnen, benötigt jeder Rechner eine Zieladresse – die IP-Adresse. Diese Adresse besteht aus Zahlen und ähnelt einer Telefonnummer. Um die Adressen benutzerfreundlich zu gestalten, lässt sich jede Adresse in einen Namen „übersetzen“ – den Domainnamen oder (gleichbedeutend) die Domain2.
1796
Aus der Identifikationsfunktion3 der Domains folgt, dass Internetadressen jeweils nur einmal vergeben werden können. Attraktive Domains sind ein knappes Gut, und der Handel mit Domains ist ein blühendes Geschäft.
I. Domainnamen 1797
Der Internetnutzer, der die Website des Bundesgerichtshofs aufrufen möchte, stellt durch Eingabe der Adresse bundesgerichtshof.de die Verbindung zu einem Rechner her, der die Daten für diese Homepage gespeichert hält. Dieser Rechner hat – gleich einer Hausnummer – eine IP-Adresse, die aus einer Zahlenkombination besteht (bei bundesgerichtshof.de z.B. 77.87.229.73). Die Zuordnung von Domainnamen zu IPAdressen erfolgt auf Name-Servern4. Befürchtungen, dass die Anzahl der möglichen IP-Adressen sich demnächst erschöpfen könnte, wird mit der Einführung einer neuen Version des Internetprotokolls (IPv6) begegnet5.
1798
Die Adresse setzt sich stets zusammen aus der Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain (TLD). Bei bundesgerichtshof.de ist .de die TLD und bundesgerichtshof die Second-Level-Domain.
1799
Unterhalb der Second-Level-Domain ist es möglich, beliebig viele Subdomains zu bilden. De.eurosport.yahoo.com ist ein Beispiel für die Bildung einer Third- und Fourth-Level-Domain. Diese Subdomains kann der Inhaber der Domain (yahoo.com) selbst bilden.
1800
Die Top-Level-Domain ist die Domainendung. Dabei wird zwischen generischen und geographischen Domains unterschieden. Zu den am häufigsten verwendeten generischen Domains gehören die Domains mit den
1 2 3 4
Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 5. Redeker, IT-Recht, Rz. 1214. Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 58 f. Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 6 ff.; Schneider, Handbuch des EDVRechts, Teil C Rz. 666 ff.; Lewinski, VerwArch 2007, 473, 474 f. 5 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 8.
440
II. Domainvergabe
Endungen .com (commercial), .org (gemeinnützige Organisationen), .net (Netzwerkprovider), .info (Informationsdienste); die alle unbeschränkt registrierbar sind. Weitere TLDs sind beispielsweise .int (internationale Organisationen), .mil (US-military), .gov (US-governmental), .edu (USeducational), .aero (Luftfahrtindustrie), .biz (für Anbieter gewerblicher Websites), .coop (für genossenschaftliche Unternehmen), .mobi (für mobile Endgeräte), .museum (für Museen); .name (für natürliche Personen) sowie .pro (für Freiberufler)1. Die geographischen TLDs (gTLDs) lassen sich jeweils einem Staat zuord- 1801 nen. So ist .de für Deutschland reserviert, .ch für die Schweiz, .at für Österreich, .fr für Frankreich und .uk für Großbritannien2. Eine Mischform zwischen geographischen und generischen Domains 1802 stellen TLDs wie .ag (Antigua), .tv (Tuvalu) und .ws (West-Samoa) dar. Dem Ursprung nach handelt es sich um geographische Domains. Die Regierungen der jeweiligen Staaten haben jedoch die Domains an amerikanische Unternehmen verkauft, die die Adressen als .aktiengesellschaft, .television und .website vermarkten3. Seit Anfang 2012 ist die unbegrenzte Registrierung individueller Top Le- 1803 vel Domains möglich. Internetadressen können theoretisch auf jede beliebige Endung schließen, so dass es Domainendungen wie .cocacola, .berlin oder .sport geben kann und wird. Ab dem 2. Quartal 2014 werden die neuen Top Level Domains freigegeben4. Daneben wird an der Einführung eines erweiterten Systems internationa- 1804 lisierter Domainnamen (IDN) gearbeitet, welches auch solche Zeichen zulässt, die nicht auf dem lateinischen Alphabet beruhen und nationale Besonderheiten berücksichtigt5.
II. Domainvergabe 1. ICANN Zuständig für die weltweite Koordinierung und Verwaltung von Domain- 1805 namen ist die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and
1 Vgl. für einen Überblick der derzeit bestehenden gTLDs: Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 10 ff.; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 16. 2 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 11. 3 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 18. 4 Vgl. Haug, ITRB 2012, 20 f.; Reinholz/Slowioczek, Clearinghouse-Verfahren der ICANN, HÄRTING-Paper, http://www.haerting.de/sites/default/files/down loads/clearinghouse_verfahren.pdf. 5 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 19; Kleinwächter, MMR 2/2009, XXIII, XXIII.
441
H. Domainrecht
Numbers), eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Kalifornien1. Der ICANN obliegt die technische Organisation des Domain-Name-Systems (DNS). Das Domain-Name-System beinhaltet die „Übersetzung“ von IPAdressen in Buchstabenkombinationen (Domains). 1806
Die ICANN hat die Vergabe der Domainnamen an so genannte Network Information Center (NIC) delegiert, die in jedem Land existieren. 2. DENIC
1807
Die zentrale Vergabestelle für Domainnamen mit der Top-Level-Domain .de ist die DENIC e.G. mit Sitz in Frankfurt a.M. Mitglied der DENIC ist eine Vielzahl von Providern. Die DENIC betreibt den Nameserverdienst für alle .de-Domains und unterhält ein zentrales Registrierungssystem für diese Domains2.
1808
Bei der Registrierung von Domainnamen verfährt die DENIC nach dem Prioritätsgrundsatz – „First Come, First Served“. Eine Prüfung angemeldeter Domainnamen auf mögliche Kennzeichenrechtsverletzungen erfolgt nicht3. Der Antragsteller muss der DENIC gegenüber versichern, durch die Registrierung keine Rechte Dritter zu verletzen, und sich verpflichten, etwaige kennzeichenrechtliche Konflikte zu beheben und die DENIC von Rechtsverfolgungskosten freizustellen4.
1809
Durch die Registrierung wird der Anmelder Domaininhaber. Eine Vorstufe zur Registrierung existiert nicht. Insbesondere gibt es keine Möglichkeit, bei der DENIC eine Domain zu „reservieren“.
1810
Die Registrierung der Domain führt zu keinerlei Verpflichtung, unter der Adresse auch tatsächlich eine Website zu betreiben5. Durch die Registrierung wird die Domain indes blockiert und ist nur für den Inhaber verfügbar.
1811
Bei der Registrierung hat der Domaininhaber stets eine natürliche Person anzugeben, die für die Verwaltung der Domain zuständig ist – den administrativen Kontakt (admin-c)6. Darüber hinaus bedarf es der Eintragung
1 Vgl. die Articles of incorporation des ICANN vom 28.1.1998, http://www.icann .org/general/articles.htm. 2 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 16 ff.; Beier in Lehmann/ Meents, Kap. 19 Rz. 31 ff. 3 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 21; Ernst, MMR 2002, 714, 718; Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 288. 4 Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rz. 16; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 18. 5 Schafft, GRUR 2003, 664 ff. 6 DENIC-Domainrichtlinien, VIII.
442
II. Domainvergabe
eines Providers, der für die Verbindung der Domain verantwortlich ist. Hierbei handelt es sich um den technischen Kontakt, den tech-c1. Seit dem 23.10.2009 vergibt die DENIC – anders als zuvor – auch ein- 1812 und zweistellige Domains (z.B. br.de) und reine Zifferndomains (z.B. 0815.de), Domains, die einem Kfz-Kennzeichen entsprechen (z.B. hro.de oder rz.de2) sowie Domains, die einer bereits bestehenden Top-Level-Domain entsprechen (z.B. com.de)3. Das OLG Frankfurt hatte zuvor die DENIC als Normadressaten des § 20 GWB bezeichnet4 und kartellrechtlich für verpflichtet erachtet, der Volkswagen AG die Nutzung der Domains vw.de zu ermöglichen5. Dass die DENIC nach dem Prioritätsprinzip verfährt und Inhaber von Na- 1813 mens- und Kennzeichenrechten nicht bevorzugt, ist nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. nicht diskriminierend und kartellrechtlich nicht zu beanstanden (§ 20 GWB)6. 3. EUrid Einige Besonderheiten gelten für die TLD .eu. Die .eu-Domains werden 1814 durch die EURid (European Registry of Internet Domain Names)7 als zentrale Vergabestelle verwaltet. Die Vergabe erfolgt nach dem Prinzip „First Come, First Served“. Einzelheiten regelt eine EU-Verordnung8, die von den nationalen Gerichten als unmittelbar geltendes Recht angewendet wird9. Die EU-Verordnung sah zwei Sunrise-Perioden vor. Die erste Sunrise-Pe- 1815 riode bevorzugte die Inhaber von registrierten nationalen Marken und Gemeinschaftsmarken, geographische Angaben sowie Namen öffentlicher Einrichtungen und öffentlicher Gebietskörperschaften. In der zwei-
1 DENIC-Domainrichtlinien, IX. 2 Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 7.1.2009, MMR 2009, 274 ff. mit Anm. Welzel – rz.de. 3 Vgl. Reinholz, ITRB 2010, 138 ff. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2007, MMR 2008, 614 ff. – 11880.de; OLG Frankfurt a.M. vom 29.4.2008, CR 2008, 656, 657 – vw.de; LG Frankfurt a.M. vom 20.5.2009, MMR 2009, 703 – x.de; vgl. auch Dingeldey, K&R 2008, 453 ff. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 29.4.2008, CR 2008, 656 ff. – vw.de. 6 LG Frankfurt a.M. vom 21.10.2009, MMR 2010, 254, 255 mit Anm. Welzel – tv.de. 7 www.eurid.org. 8 Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung. 9 OLG Düsseldorf vom 11.9.2007, MMR 2008, 107, 108 mit Anm. Goldberg = K&R 2008, 51, 52 – lastminute.eu; vgl. auch Eichelberger, K&R 2008, 410 ff.
443
H. Domainrecht
ten Sunrise-Phase kamen vor allem Handelsnamen, Geschäftsbezeichnungen, Familiennamen und Werktitel zum Zuge1. 1816
Bei Streitigkeiten um .eu-Domains besteht nach der EU-Verordnung die Möglichkeit eines Streitbeilegungsverfahrens (Alternative Dispute Resolution, ADR) beim Tschechischen Schiedsgericht. Dieses Verfahren, stellt eine Alternative zu einem aufwendigen gerichtlichen Verfahren dar, schließt ein solches aber nicht aus2.
III. Rechtsnatur der Domain 1817
Domains sind Wirtschaftsgüter. Sie haben einen in Geld messbaren Wert, sind veräußerbar und Gegenstand einer Vielzahl vertraglicher Transaktionen. 1. Kein absolutes Recht
1818
Dem Domainnamen kommt eine Kennzeichnungs- und Identifikationsfunktion zu3. Ebay.de, amazon.de, yahoo.de und google.de sind Beispiele für Domains, die originär als Domains überragende Bekanntheit erlangt haben. Dies legt die Überlegung nahe, den Domainschutz gleichrangig neben den Schutz absoluter Rechte – insbesondere das Namensrecht und das Markenrecht – zu stellen4.
1819
Gegen das Bestehen eines absoluten Rechts5 an einer Domain spricht das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage6. In der shell.de-Entscheidung7 hat der BGH zu Recht darauf hingewiesen, dass einer Annäherung des Domainrechts an das Markenrecht die Entscheidung des Gesetzgebers entgegensteht, das Domainrecht – anders als das Markenrecht – ungeregelt zu lassen. In der Entscheidung zu gewinn.de hat der BGH deutlich gemacht, dass der Inhaber eines Domainnamens kein absolutes Recht an
1 Jaeger-Lenz, WRP 2005, 1234, 1235 f.; Neubauer, K&R 2005, 343, 344 f. 2 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 83 ff.; Beier in Lehmann/ Meents, Kap. 19 Rz. 531 ff.; Bettinger, WRP 2006, 548; Eichelberger, K&R 2008, 410 ff.; Mietzel, MMR 2007, 282; Mietzel/Orth, MMR 2007, 757; Pothmann/ Guhn, K&R 2007, 69; Remmertz, CRi 2006, 161; Sobola, ITRB 2007, 259. 3 Fezer, Markengesetz, Einl. G Rz. 24; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rz. 38; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 58 f.; Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 290. 4 Vgl. Nordemann, NJW 1997, 1891, 1892. 5 Vgl. OLG Brandenburg vom 15.9.2010 – 3 U 164/09. 6 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 5 Rz. 38; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 53; Seifert, Recht der Domainnamen, S. 46; a.A. Fezer, Markengesetz, Einl. G Rz. 14; Koos, MMR 2004, 359, 360. 7 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de.
444
III. Rechtsnatur der Domain
dem Domainnamen und damit auch kein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB innehat1. 2. Grundrechtsschutz Fest steht, dass der Domainnutzung ein schuldrechtlicher Anspruch des 1820 Domaininhabers gegen die Vergabestelle zugrunde liegt2. Dieser Anspruch ist – wie jede einfache Forderung – durch Art. 14 GG grundrechtlich geschützt. Einen „Besitzstand“, der die Domain gegen Beeinträchtigungen durch Dritte schützt, schafft der Grundrechtsschutz jedoch nicht3. In einem Beschluss zu der Domain ad-acta.de4 hat das BVerfG den Eigen- 1821 tumsschutz der Domain betont und darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Nutzungsrecht an einer Domain um einen grundrechtlich geschützten Vermögenswert handelt, der dem Inhaber ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie Eigentum an einer Sache. Der EGMR stellte zudem klar, dass das Domainrecht auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – als Eigentumsposition – geschützt wird5. Dennoch erwirbt der Inhaber der Domain zivilrechtlich weder Eigentum an der Internetadresse noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain. 3. Vollstreckungszugriff Eine Domain unterliegt dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger des Do- 1822 maininhabers6. Der schuldrechtliche Anspruch des Domaininhabers gegen die Vergabe- 1823 stelle ist abtretbar, verpfändbar7 und auch pfändbar8. Die Inhaberschaft an der Domain gründet sich auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber gegenüber der DENIC oder einer anderen
1 BGH vom 18.1.2012 – I ZR 187/10 – gewinn.de, Rz. 23 f.; a.A. OLG Köln vom 17.3.2006, MMR 2006, 469 mit Anm. Utz – investment.de, vgl. auch LG Köln vom 4.8.2005, K&R 2005, 471, 472 (Vorinstanz). 2 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 16. 3 Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 608; a.A. Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287 ff. 4 BVerfG vom 24.11.2004, NJW 2005, 589 – ad-acta.de. 5 EGMR vom 18.9.2007, MMR 2008, 29 mit Anm. Kazemi. 6 Stöber in Zöller, § 857 Rz. 12c; Welzel, MMR 2001, 131; Viefhues, MMR 2000, 286; LG Düsseldorf vom 16.3.2001, CR 2001, 468; LG Essen vom 22.9.1999, CR 2000, 247; LG Mönchengladbach vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 439; LG Zwickau vom 12.8.2009, MMR 2010, 72; AG Langenfeld/Rhld. vom 21.12.2000, CR 2001, 477; a.A. LG München I vom 12.2.2001, CR 2001, 342 = MMR 2001, 319 = K&R 2001, 527. 7 OLG München vom 8.7.2004, K&R 2004, 496, 497 – sport.de. 8 Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 290;LG Düsseldorf vom 16.3.2001, CR 2001, 469. Frankfurt a.M. vom 9.5.2011 – 2-01 S 309/10.
445
H. Domainrecht
Vergabestelle als Drittschuldner zustehen1. Diese Ansprüche sind Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO2. 1824
Die Verwertung kann sodann durch Versteigerung3 oder auch durch Überweisung an Zahlung statt zu einem Schätzwert4 erfolgen. § 844 Abs. 1 ZPO eröffnet diese Möglichkeiten der Verwertung, sofern der Gläubiger einen entsprechenden Antrag stellt.
IV. Domainstreit 1825
Seit Beginn der kommerziellen Nutzung des Internet vor fast 20 Jahren hat es zahlreiche Gerichtsentscheidungen zum Domainrecht gegeben. Während es in der Anfangszeit meist darum ging, dass findige Domainhändler Internet-Domains reservierten, um sie gewinnbringend an Interessierte (meist die Kennzeichenrechtsinhaber) zu veräußern, sind die Domainstreitigkeiten inzwischen meist wesentlich diffiziler.
1826
Für erhebliche Klarheit haben Entscheidungen des BGH gesorgt. Nach den ersten Urteilen zu mitwohnzentrale.de5 und ambiente.de6, ergingen in rascher Folge Entscheidungen zu shell.de7, vossius.de8, rechtsanwaelte-notar.de9, presserecht.de10, maxem.de11, tauchschule-dortmund.de12, kurt-biedenkopf.de13 und ritter.de14. Später sind die Entscheidungen zu euro-telekom.de15, afilias.de16 sowie ahd.de17 in besonderer Weise her-
1 LG Zwickau vom 12.8.2009, MMR 2010, 72; AG Frankfurt a.M. vom 26.1.2009, MMR 2009, 709 f. mit Anm. Welzel – greencard-select.de. 2 BGH vom 5.7.2005, NJW 2005, 3353 f. = CR 2006, 50 f. = MMR 2005, 685 ff. m. Anm. Hoffmann = K&R 2005, 464 ff.; LG Mönchengladbach vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 439; vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 163 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rz. 716; Boecker, MDR 2007, 1234 ff. 3 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 170; LG Mönchengladbach vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 439. 4 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 168; BGH vom 5.7.2005, NJW 2005, 3353, 3354 = CR 2006, 50, 51 = MMR 2005, 685, 687 = K&R 2005, 464, 466. 5 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262 = CR 2002, 777 – mitwohnzentrale.de. 6 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671 – ambiente.de. 7 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 8 BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de. 9 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256 – rechtsanwaelte-notar.de. 10 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252 – presserecht.de. 11 BGH vom 26.6.2003, WRP 2003, 1215 – maxem.de. 12 BGH vom 20.11.2003 – I ZR 117/03 – tauchschule-dortmund.de. 13 BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769 – kurt-biedenkopf.de. 14 BGH vom 4.3.2004, GRUR 2004, 622 – ritter.de. 15 BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom. 16 BGH vom 24.4.2008, NJW 2008, 3716 = MMR 2008, 815 = K&R 2008, 735 mit Anm. Rössel. 17 BGH vom 19.2.2009, CR 2009, 748 = WRP 2009, 803 = K&R 2009, 473 mit Anm. Rössel.
446
IV. Domainstreit
vorzuheben. Diese Fälle zeigen einen großen Teil der Bandbreite domainrechtlicher Streitigkeiten1. Insgesamt ist es dem BGH gelungen, dem Domainrecht per Rechtsfort- 1827 bildung den Stempel aufzudrücken und ein stimmiges System zu entwickeln, das den Grundsatz der Priorität stark betont und für Rechtssicherheit sorgt.
Übersicht:
1828
Domainstreit – Domaingrabbing: Anspruch aus §§ 1004, 826 BGB (sowie § 3 UWG). – Markenrecht (§§ 14 und 15 MarkenG): Schutz von Marken, geschäftlichen Bezeichnungen und Werktiteln (Schutzlücken bei privaten Homepages sowie bei branchen- oder ortsferner Domainnutzung). – Namensrecht (§ 12 BGB): Schutz des Namens natürlicher und juristischer Personen, der sich auch auf Gemeinden und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erstreckt (Schutzlücke bei Gleichnamigkeit: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“). – Wettbewerbsrecht (§§ 3 und 5 UWG): Allein in der Domainregistrierung liegt niemals eine Irreführung (§ 5 UWG). Eine Irreführung kann allenfalls in den Inhalten liegen, die über die Domain abrufbar sind. Angesichts des Prioritätsgrundsatzes bieten Domains auch im Übrigen wenig Angriffsfläche im Wettbewerbsrecht. Anspruchsgegenstand: – Übertragung der Domain: Ein Anspruch auf Domainübertragung ist stets zu verneinen, da es keine Anspruchsnorm gibt, die einen solchen Anspruch begründen kann). – Löschung der Domain: Ein Löschungsanspruch ist nur gegeben, wenn jedwede Nutzung der Domain durch deren Inhaber Rechte Dritter verletzen würde („Schlechthinbenutzungsverbot“)2. – Nutzung der Domain: Bestimmte Arten der Domainnutzung können Gegenstand eines Unterlassungs- und/oder Beseitigungsanspruchs sein.
1. § 826 BGB und § 4 Nr. 10 UWG – Domaingrabbing Das Domaingrabbing war in der Anfangszeit des Internet weit verbreitet. 1829 Findige Geschäftsleute entdeckten frühzeitig das wirtschaftliche Potenzial von Domainnamen und registrierten attraktive Domains in der – oft berechtigten – Erwartung, zahlungskräftige Abnehmer zu finden. Ob 1 Vgl. auch Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606 ff. 2 Härting, ITRB 2008, 38, 39 ff.; Kazemi, MMR 2008, 31, 32.
447
H. Domainrecht
Rolls-Royce1, Zwilling2 oder Ufa3: Zahlreiche Inhaber von Kennzeichenrechten mussten die Gerichte bemühen, um an „ihre“ Domains zu gelangen. 1830
In der Gerichtspraxis hat das Domaingrabbing nach und nach an Bedeutung verloren. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Rechtsprechung das Domaingrabbing einhellig für sittenwidrig erachtet4. Der Domaingrabber sieht sich daher dem Risiko von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen aus den §§ 826, 1004 BGB ausgesetzt.5 Soweit ein Wettbewerbsverhältnis besteht, erfüllt das Domaingrabbing auch den Tatbestand des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 10 UWG6. a) Prioritätsprinzip
1831
Bei der Beurteilung, ob ein Fall des sittenwidrigen Domaingrabbing überhaupt vorliegt, ist das Prioritätsprinzip7 zu berücksichtigen. Jedermann steht es frei, Domains zu registrieren. Zu Recht hat beispielsweise das OLG Frankfurt a.M. darauf hingewiesen, dass sich allein aus einer großen Zahl registrierter Domains nicht auf ein sittenwidriges Handeln schließen lässt8.
1832
In der Entscheidung zu weltonline.de9 ließ der BGH die Bemühungen des Axel-Springer-Verlages um eine Untersagung der Domainnutzung scheitern. In der Registrierung der Domain sah der BGH keine sittenwidrige Schädigung des Zeitungsverlages (§ 826 BGB), da die Registrierung von Gattungsbegriffen grundsätzlich keinen rechtlichen Schranken unterworfen ist10. Rechte an dem vom Axel-Springer-Verlag geltend gemachten Titel weltonline.de (§ 5 Abs. 3 und § 15 Abs. 2 MarkenG) seien nur bei einer Verwendung der Domain als Werktitel betroffen, eine entsprechende 1 OLG München vom 12.8.1999, MMR 2000, 104 = K&R 1999, 569 – rollsroyce.de. 2 OLG Karlsruhe vom 24.6.1998, WRP 1998, 900 – zwilling.de. 3 OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de. 4 Sprau in Palandt, § 826 Rz. 46; OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; LG Düsseldorf vom 6.7.2001, CR 2002, 138 – literaturen.de. 5 Sprau in Palandt, § 826 Rz. 46; OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; LG Düsseldorf vom 6.7.2001, CR 2002, 138 – literaturen.de. 6 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rz. 135; Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 10.94; BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 mit Anm. Rössel – ahd.de; OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2001, CR 2001, 620; OLG Karlsruhe vom 24.6.1998, WRP 1998, 900 – zwilling.de; LG Hamburg vom 12.8.2008 – 312 O 64/08 – area45cycles.com. 7 Siehe Rz. 1954 ff. 8 OLG Frankfurt a.M. vom 12.9.2002, MMR 2002, 811, 812 = WRP 2002, 1452, 1455 – drogerie.de. 9 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893 ff. – weltonline.de. 10 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893, 894 – weltonline.de.
448
IV. Domainstreit
Nutzungsabsicht sei bei dem Domaininhaber indes nicht erkennbar. Eine Geltendmachung von Rechten aus bekannter Marke oder bekanntem Titel (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG) scheitere am fehlenden Nachweis einer geschäftlichen Nutzungsabsicht1. Namensrechtliche Ansprüche kämen nicht in Betracht, da es an einer Beeinträchtigung namensrechtlicher Befugnisse fehle2. b) Ausschließliche Verkaufsabsicht Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist überschritten, wenn die Registrierung 1833 von Domains in der ausschließlichen Absicht erfolgt, die Domains demjenigen zum Kauf anzubieten, der auf Grund von Namens- oder Kennzeichenrechten an der Domain interessiert ist3 Ein rechtsmissbräuchliches Handeln ist zu bejahen, wenn für die Registrierung einer bestimmten Domain gar kein anderer plausibler Grund erkennbar ist als der beabsichtigte Verkauf an einen (späteren) Namensträger (§ 12 BGB)4. Den Nachweis einer (ausschließlichen) Verkaufsabsicht muss derjenige 1834 führen, der Ansprüche aus den §§ 1004, 826 BGB und § 8 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 10 UWG geltend macht5. Am leichtesten fällt der Beweis, wenn die Domain von dem Inhaber nicht genutzt wird und ein Verkaufsangebot vorliegt. Û Praxistipp: Wer eine Domain zum Verkauf anbietet, sollte sich be- 1835 wusst sein, dass das Verkaufsangebot als Anhaltspunkt gewertet werden kann für ein wettbewerbs- und sittenwidriges „Domaingrabbing“. c) Benutzungswille und eigenes Interesse an der Domain Das OLG Hamburg hat eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 1836 UWG in einem Fall bejaht, in dem dem beklagten Domaininhaber „offensichtlich“ ein „eigenes Interesse“ an der Nutzung der Domain ahd.de fehlte. Das OLG Hamburg bejahte daher einen Löschungsanspruch des klagenden Inhabers der Geschäftsbezeichnung ahd6. Der BGH hat der Ansicht des OLG Hamburg widersprochen und zu 1837 Recht auf das Proritätsprinzip hingewiesen. Der Umstand, dass ein Unternehmen wegen der Registrierung eines Domainnamens durch einen Konkurrenten daran gehindert ist, den Domainnamen für das eigene Un1 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893, 895 – weltonline.de. 2 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893, 895 – weltonline.de. 3 Kiethe/Groeschke, WRP 2002, 27; BGH vom 23.11.2000, WRP 2001, 160 ff. – Classe E; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, MMR 2000, 424. 4 Vgl. OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195, 196 f. – stadtwerke-uetersen.de. 5 BGH vom 23.11.2000, WRP 2001, 160 ff. – Classe E. 6 OLG Hamburg vom 5.6.2006, CR 2007, 47, 49 f. – ahd.de; vgl. auch LG Hamburg vom 26.5.2005, MMR 2005, 781 (Vorinstanz); siehe auch Rz. 1607.
449
H. Domainrecht
ternehmen zu nutzen, ist Folge des Prioritätsprinzips. Die sich daraus ergebende Beeinträchtigung von wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten ist grundsätzlich hinzunehmen1. 1838
Ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 10 UWG ist nur dann zu bejahen, wenn die Domainregistrierung rechtsmissbräuchlich ist2. Hierfür reicht das bloße Fehlen eines ernsthaften Interesses, unter dem Domainnamen eigene Angebote oder Inhalte zu veröffentlichen, nicht aus. Zwar kann das Fehlen eines ernsthaften Benutzungswillens die Annahme nahelegen, der Domaininhaber wolle den Namen nur dazu verwenden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, in rechtsmissbräuchlicher Weise mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen. Für einen Benutzungswillen des Anmelders genügt aber die Absicht, den Domainnamen der Benutzung durch einen Dritten – im Wege der Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung – zuzuführen.
1839
Ein ausreichender Benutzungswille ist bei Agenturen gegeben, die im Rahmen einer bestehenden oder potentiellen Beratungsleistung Domains anmelden, um diese ihren Kunden für deren spezielle Vermarktungsbedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Für die Annahme eines berechtigten Interesses des Domaininhabers an dem Halten des Domainnamens reicht es aus, dass er diesen bei Gelegenheit an interessierte Dritte verkaufen oder ihnen zur entgeltlichen Nutzung überlassen möchte3. Einer allzu pauschalen Einordnung des professionellen Domainhandels als sitten- und wettbewerbswidrig hat der BGH damit Grenzen gesetzt4. d) Indizien für bösgläubiges Verhalten
1840
Gemäß Art. 21 Abs. 1b i.V.m. Abs. 3 der EU-Verordnung zu den eu.-Domains5 führt ein bösgläubiges Verhalten bei der Registrierung von .euDomains zu einem Widerruf des Domainnamens, sofern der Domainname mit einem anderen Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt. In einem Grundsatzurteil hat der EuGH sich mit den Umständen beschäftigt, die zu berücksichtigen sind, um ein solches bösgläubiges Verhalten festzustellen6. Bei der Entscheidung ging es zwar um die Registrierung von .eu-Domains während der ersten Sunrise-Periode, die Grundsätze dürften aber auch in späteren Fällen und bei anderen TLDs helfen. Es geht um eine ganze Reihe von Indizien, die nicht jeweils iso1 2 3 4 5
BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 mit Anm. Rössel – ahd.de. Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 48. Vgl. BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 f. mit Anm. Rössel – ahd.de. Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606, 610. Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung; siehe Rz. 1814 ff. 6 EuGH vom 3.6.2010 – C-569/08 – reifen.eu.
450
IV. Domainstreit
liert betrachtet werden dürfen, sondern im Wege einer Gesamtschau im Einzelfall geprüft werden müssen1. Zum einen sind die Umstände zu berücksichtigen, unter denen eine Mar- 1841 ke eingetragen wurde, die der Domainregistrierung zugrunde liegt. Das sind ausdrücklich2: – die Absicht, die Marke nicht auf dem Markt zu benutzen, für den der Schutz beantragt wurde, – die Gestaltung der Marke, vorliegend eine widersinnige Verwendung von Sonderzeichen, – die Tatsache, dass die Eintragung einer großen Zahl von anderen Marken erwirkt wurde, die Gattungsbegriffen entsprechen, und – die Tatsache, dass die Eintragung der Marke kurz vor Beginn der ersten Sunrise-Periode erwirkt wurde. Zum anderen sind die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Do- 1842 main selbst registriert wurde. Das sind3: – die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen zum Zweck der Anwendung der in Art. 11 der Verordnung festgelegten Übertragungsregeln, wonach bestimmt Zeichen aus dem Domainnamen entfernt werden, – die Registrierung in der ersten Sunrise-Periode auf der Grundlage einer Marke, die unter Umständen wie den bereits genannten erlangt wurde4, und – die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domainnamen eingereicht wurde, die Gattungsbegriffen entsprechen. e) Einzelfälle Eine ganz besondere Variante des Domaingrabbing sind Unternehmen, 1843 die sich gezielt Domains registrieren lassen, wenn diese von ihrem bisherigen Inhaber aufgegeben werden. Die Domains werden sodann für Werbeseiten genutzt in der Hoffnung, dass sich zahlreiche Besucher auf diese Seiten „verirren“, die unter der Domain noch den Internetauftritt des früheren Domaininhabers erwarten. Das OLG München sah hierin eine „Negativwerbung“ für den vormaligen Inhaber der Domain und bejahte eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG5. Auf § 826 BGB hat
1 2 3 4 5
Vgl. auch Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 48. EuGH vom 3.6.2010 – C-569/08 – reifen.eu. EuGH vom 3.6.2010 – C-569/08 – reifen.eu. Siehe Rz. 1841. OLG München vom 5.10.2006, MMR 2007, 115 – fwt-koeln.de; vgl. auch LG München I vom 4.4.2006, MMR 2006, 484 (Vorinstanz).
451
H. Domainrecht
das LG München I einen Unterlassungsanspruch in einem ähnlichen Fall gestützt, in dem es um feuerwehr-fehrbellin.de ging1. 1844
In einem ähnlichen Fall hat es das OLG Naumburg als sittenwidrig gemäß § 826 BGB erachtet, dass Domains dem Inhaber heimlich und mit Schädigungsvorsatz entzogen werden2.
1845
Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg3 liegt kein Fall des sittenwidrigen Domaingrabbing vor, wenn sich Kritiker eines Unternehmens für ihre „Meckerseiten“4 gleich mehrere Domains sichern. Aus dem (angeblichen) Fehlen eines „schützenswerten Interesses“ an den Domains lässt sich keineswegs auf ein vorsätzlich-sittenwidriges Schädigungsverhalten der Domaininhaber schließen. 2. §§ 14, 15 MarkenG – Marken, Unternehmensbezeichnungen und Werktitel
1846
Marken, Unternehmenskennzeichen und Werktitel sind durch das Markengesetz (MarkenG) geschützt. Aus den §§ 14 und 15 MarkenG können sich Ansprüche des Berechtigten gegen eine Nutzung des Kennzeichens als Domain ergeben5. a) Grundlagen aa) Schutz der Marke
1847
Der Begriff der Marke ist in § 3 Abs. 1 MarkenG definiert. Markenschutz können danach alle Zeichen genießen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen, sofern die Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Voraussetzung für die Markenfähigkeit eines Kennzeichens gemäß § 3 MarkenG ist demnach primär dessen Unterscheidungskraft6 (vgl. auch § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG7).
1 LG München I vom 21.3.2006, CR 2006, 494 und LG München I vom 4.7.2006, K&R 2006, 530 – feuerwehr-fehrbellin.de. 2 OLG Naumburg vom 24.6.2010 – 1 U 20/10, Rz. 16 ff. 3 OLG Hamburg vom 23.4.2004, MMR 2005, 117 – awd-aussteiger.us. 4 Siehe Rz. 1874 ff. 5 Redeker, IT-Recht, Rz. 1214 ff. 6 Fezer, Markengesetz, § 3 Rz. 316; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 3 Rz. 10; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rz. 1116; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, § 3 Rz. 4. 7 Zur Abgrenzung beider Normen vgl. Fezer, Markengesetz, § 3 Rz. 203.
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IV. Domainstreit
Der Markenschutz entsteht regelmäßig erst mit der Eintragung eines Zei- 1848 chens in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister (§ 4 Nr. 1 MarkenG), ausnahmsweise jedoch schon mit der Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb der maßgeblichen Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Wer Markenschutz genießt, kann Dritten die Benutzung eines mit der 1849 Marke identischen Zeichens untersagen, sofern diese das Zeichen für Waren oder Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr verwenden, die mit denjenigen identisch sind, auf die sich der Markenschutz erstreckt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Liegt keine vollständige Identität sowohl der Zeichen als auch der betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen vor, so kann der Markeninhaber von Dritten die Unterlassung der Benutzung eines Zeichens beanspruchen, wenn die jeweiligen Zeichen und Waren bzw. Dienstleistungen einander ähnlich sind und daher Verwechslungsgefahr besteht (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Bei Marken, die im Inland bekannt sind, besteht ein Unterlassungs- 1850 anspruch bereits dann, wenn ein Zeichen für eine beliebige Ware oder Dienstleistung verwendet wird, das der geschützten Marke ähnlich ist. Bekannte Marken sind somit auch dann geschützt, wenn keine Ähnlichkeiten zwischen den jeweils gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen bestehen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Ist eine Marke eingetragen, so bestehen die Ansprüche aus § 14 MarkenG 1851 unabhängig davon, ob Schutzhindernisse bestehen. Ist daher die Marke „Professional Nails“ im Markenregister des DPMA eingetragen, kann der beklagte Inhaber der Domain professional-nails.de nicht einwenden, dass es sich bei „Professional Nails“ um einen Gattungsbegriff handelt, den der Verkehr nicht als Herkunftshinweis versteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG)1. Im markenrechtlichen Verletzungsprozess ist der Verletzungsrichter an die Markeneintragung gebunden2. bb) Schutz von Unternehmenskennzeichen und Werktiteln Gemäß § 5 Abs. 1 MarkenG sind neben Marken auch geschäftliche Be- 1852 zeichnungen geschützt, sofern es sich um Unternehmenskennzeichen oder Werktitel handelt. Unternehmenskennzeichen sind nach § 5 Abs. 2 MarkenG Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäfts, eines Betriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Als Werktitel gelten gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschrif-
1 A.A. OLG Düsseldorf vom 28.11.2006, MMR 2007, 183 – professional-nails.de. 2 Fezer, Markengesetz, § 41 Rz. 10; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rz. 15; BGH vom 3.11.1999, NJW-RR 2000, 1485, 1486.
453
H. Domainrecht
ten, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. 1853
Die Schutzfähigkeit einer geschäftlichen Bezeichnung richtet sich ebenso wie die Schutzfähigkeit von Marken nach deren Unterscheidungskraft. § 15 MarkenG gewährt dem Inhaber einer Geschäftsbezeichnung einen Schutz, der dem Schutz des Markeninhabers gemäß § 14 MarkenG weitestgehend entspricht1. b) Löschungs- und Unterlassungsansprüche
1854
1855
Für den Schutz des Inhabers einer Marke oder Geschäftsbezeichnung gegen die Registrierung und/oder Nutzung einer Domain kommt es jeweils darauf an, ob die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 14 und 15 MarkenG erfüllt sind.
Übersicht: Löschungs- und/oder Unterlassungsanspruch aus Markenrecht, wenn: – die Zeichenfolge Kennzeichenschutz (Marke, geschäftliche Bezeichnung oder Werktitel) genießt; – eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliegt (bei Domainnutzung stets der Fall, nicht jedoch bei bloßer Domainregistrierung); – eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt und – Identität oder Verwechslungsgefahr (hinsichtlich des Kennzeichens und der Waren bzw. Dienstleistungen) besteht oder es sich um ein Kennzeichen mit überragender Bekanntheit handelt.
aa) Kennzeichenrechte 1856
1857
Kennzeichenrechte, aus denen sich Ansprüche gegen einen Domaininhaber herleiten lassen, können sich aus einer eingetragenen Marke (§ 4 MarkenG) oder aus einer geschäftlichen Bezeichnung (§ 5 MarkenG) ergeben
Übersicht: Kennzeichenrechte können erwachsen aus: – der Eintragung einer Marke (§ 4 MarkenG); – der Nutzung eines Unternehmenskennzeichens (§ 5 Abs. 2 MarkenG);
1 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 181 ff.
454
IV. Domainstreit
– der Benutzung eines Werktitels (§ 5 Abs. 3 MarkenG); – der Nutzung einer Domain (§ 5 MarkenG). Unternehmenskennzeichen und Werktitel sind nicht eintragungsfähig. 1858 Sie erhalten Schutz durch den kennzeichenmäßigen Gebrauch. Ein solcher Gebrauch kann auch darin liegen, dass ein Kennzeichen als Domain verwendet wird. Insbesondere bei Unternehmenskennzeichen stellt sich vielfach die Frage 1859 nach der Kennzeichnungskraft. So ist der zusammengesetzte Begriff „Literaturhaus“1 als Unternehmenskennzeichen ebenso wenig schutzfähig wie der Begriff „Hockeystore“2 oder die Bezeichnung „Flugplatz Speyer“3, da es an einer hinreichenden Kennzeichnungskraft fehlt. Anderes gilt nach Ansicht des OLG München für die Geschäftsbezeichnung „Flüssiggas Bayern“. Die Verbindung der beiden „farblosen“ Begriffe „Flüssiggas“ und „Bayern“ reichte den Münchener Richtern für einen Schutz als unterscheidungskräftiges Unternehmenskennzeichen gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG aus4. Ebenso entschieden das OLG Nürnberg5 und das LG Bochum6 in Fällen, in denen es um die Geschäftsbezeichnungen „Leihhaus Nürnberg“ und „Großmarkt Dortmund“ ging. Ausreichend kennzeichnungskräftig ist nach Auffassung des LG Frank- 1860 furt a.M. die Bezeichnung „fetenplaner.de“ für ein Event- und Veranstaltungsportal. Dabei stützte sich das Gericht – ohne nähere Erörterung – nicht auf den Werktitelschutz (§ 5 Abs. 3 MarkenG), sondern auf § 5 Abs. 2 MarkenG (Schutz des Unternehmenskennzeichens). „Fetenplaner“ habe in der „neueren Umgangssprache“ keinen klaren Bedeutungsgehalt und sei daher unterscheidungskräftig7. Eine Domain kann Gegenstand des Werktitelschutzes sein8. Wer unter 1861 der Bezeichnung „eifel-zeitung“ in der Schreibweise mit und ohne Bindestrich eine Internetzeitung verbreitet, kann dadurch Titelschutz erwerben, da der Verkehr in der als Domainnamen gewählten Bezeichnung ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen und nicht 1 BGH vom 16.12.2004, NJW 2005, 1503, 1504 = WRP 2005, 614, 615 – Literaturhaus. 2 LG Frankfurt a.M. vom 15.1.2003 – 2/6 O 374/02, JurPC Web-Dok. 161/2003 – hockeystore.de. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 3.2.2011 – 6 U 21/10 – flugplatz-speyer.de, Rz. 17. 4 OLG München vom 13.2.2003, MMR 2003, 397 – fluessiggas-bayern.de. 5 OLG Nürnberg vom 25.2.2002, MittdtschPatAnw 2004, 374 – leihhaus-nuernberg.de. 6 LG Bochum vom 10.12.2002 – 12 O 126/02, – grossmarkt-dortmund.de. 7 LG Frankfurt a.M. vom 22.4.2004, MMR 2005, 62, 63 – fetenplaner.de. 8 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 44 f.; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rz. 760 f.; Eichelberger, K&R 2009, 778 ff.
455
H. Domainrecht
nur eine Adressbezeichnung sieht1. Die – schwach unterscheidungskräftige – Domain oesterreich.de kann Werktitelschutz entfalten für ein Portal mit Informationen rund um Österreich2. 1862
Die Domain festivalplaner.de kann als Titel einer periodisch erscheinenden Publikation Werktitelschutz gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG genießen. An die Unterscheidungskraft eines Zeitungs- oder Zeitschriftentitels sind nur geringe Anforderungen zu stellen, weil periodische Druckschriften seit jeher unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden. Das Publikum hat sich an diesen Zustand gewöhnt und misst auch farblosen Titeln Unterscheidungskraft bei3.
1863
Die Benutzung eines Domainnamens führt nicht bereits per se zu einem Kennzeichenschutz. Vielmehr tritt ein solcher Schutz nur ein, wenn der Verkehr in der für die Domain gewählten Bezeichnung einen Herkunftsnachweis sieht4, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat5, da geschäftliche Bezeichnungen auch ohne Verkehrsgeltung geschützt sind. Weicht die Domain von den Bezeichnungen ab, die das Inhaberunternehmen für seinen Geschäftsbetrieb verwendet, so hat die Domain ausschließlich Adressfunktion mit der Folge, dass ein Kennzeichenschutz kraft Domainnutzung nicht in Betracht kommt6.
1864
Das OLG Hamburg verneinte den Kennzeichenschutz an der Bezeichnung Patmondial mit der zutreffenden Begründung, dass die Benutzung eines Domainnamens allein noch nicht zu einem Kennzeichenschutz führt. Ein solcher Schutz tritt nur ein, wenn der Verkehr unter der gewählten Bezeichnung einen Herkunftsnachweis versteht und nicht lediglich eine Adressbezeichnung7. Unter der Domain patmondial.de fanden sich keine Inhalte der Kanzlei. Sie wurde vielmehr benutzt, um unmittelbar auf eine andere Seite der Kanzlei umzuleiten. Eine Anzeige im URLFeld des Browsers erfolgte dann nicht mehr. Zudem fand sich auf der weitergeleiteten Seite lediglich der Hinweis „under construction“ neben den Kontaktdaten der Kanzleipartner. Damit war patmondial.de nicht mehr als eine technische Durchleitungsanschrift8.
1 BGH vom 18.6.2009, CR 2010, 112, 113 – EIFEL-ZEITUNG; vgl. Ellerbrock, ITRB 2010, 70, 71 f. 2 OLG München vom 20.10.2005, CR 2006, 414 – österreich.de. 3 OLG Köln vom 15.7.2010 – 6 W 93/10 – Festivalplaner, Rz. 9. 4 BGH vom 24.2.2005, CR 2006, 54, 56 = MMR 2005, 761, 762 – Seicom; BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 737 mit Anm. Rössel – afilias.de. 5 A.A. OLG Köln vom 7.5.2007, MMR 2008, 119, 120 – 4e.de. 6 Vgl. BGH vom 24.2.2005, CR 2006, 54 = MMR 2005, 761; BGH vom 22.7.2004, NJW 2005, 1198 = CR 2005, 284 = MMR 2005, 171 – soco.de. 7 OLG Hamburg vom 28.10.2010 – 3 U 206/08 – patmondial.de, Rz. 34. 8 OLG Hamburg vom 28.10.2010 – 3 U 206/08 – patmondial.de, Rz. 57.
456
IV. Domainstreit
Der BGH hat entschieden, dass der Werktitelschutz erst mit Aufnahme 1865 der Benutzung des Domainnamens als Titel entsteht. Hierzu muss ein weitgehend fertig gestelltes, unter dem Domainnamen erreichbares Werk vorhanden sein1. Die bloße Ankündigung eines solchen Werks auf einem Internetportal genügt nicht, da eine Vorverlagerung des Werktitelschutzes auf Grund einer Titelschutzanzeige voraussetzt, dass das Werk in branchenüblicher Weise öffentlich angekündigt wird2. Für eine öffentliche Titelankündigung an interessierte Mitbewerber reicht jedoch die bloße Angabe auf einer eigenen Internetseite der den Werktitelschutz beanspruchenden Partei nicht aus3. Û Praxistipp: Allein die – nachhaltige und andauernde – Nutzung einer 1866 Domain kann dazu führen, dass ein Domainname zum Herkunftsnachweis wird und ein „Domainrecht“ entsteht. Auf eine derartige Entwicklung sollte man sich allerdings bei Einrichtung eines Internetauftritts nicht verlassen. Marken, Geschäftsbezeichnungen und Werktitel können sich grundsätzlich auch gegen prioritätsältere DomainRegistrierungen durchsetzen4. Es ist daher ratsam, den Domainnamen ergänzend durch die Eintragung von Marken zu sichern. Der Domainname ist als solcher – einschließlich der TLD – eintragungsfähig, sofern die Eintragungsvoraussetzungen – insbesondere die Unterscheidungskraft – vorliegen5. bb) Kennzeichenmäßige Nutzung (1) Kennzeichenfunktion der Domain Domainnamen, die zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwen- 1867 deten Homepage führen, kommt in der Regel eine kennzeichnende Funktion zu6. Der Verkehr sieht in ihnen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter den Bezeichnungen im Internet angebotenen Waren oder Dienstleistungen7. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Domain-
1 BGH vom 14.5.2009, CR 2009, 801, 802 mit Anm. Hackbarth – airdsl; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. vom 5.8.2010 – 6 U 89/09; LG Hamburg vom 15.7.2010 – 315 O 70/10 – dildoparty.de, Rz. 38; Eichelberger, K&R 2009, 778, 779 f. 2 Vgl. Eichelberger, K&R 2009, 778, 779 f.; Hackbarth, CR 2009, 805 f.; BGH vom 22.6.1989, WRP 1990, 242, 244 – Titelschutzanzeige; BGH vom 15.1.1998, GRUR 1998, 1010, 1012 = WRP 1998, 877 – WINCAD. 3 BGH vom 14.5.2009, CR 2009, 801, 803 mit Anm. Hackbarth – airdsl; vgl. auch Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rz. 41; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rz. 760; Eichelberger, K&R 2009, 778, 779 f. 4 Vgl. OLG München vom 11.1.2001, CR 2001, 406 – kuecheonline.de. 5 Vgl. Reinholz/Schätzle, K&R 2008, 573, 575; EuG vom 12.12.2007, K&R 2008, 169, 170 – suchen.de. 6 OLG Hamburg vom 28.10.2010 – 3 U 206/08 – patmondial.de, Rz. 33.; LG Köln vom 3.9.2009 – 81 O 128/09 – joesnyder.de. 7 Vgl. OLG Köln vom 31.8.2007, CR 2008, 456, 457 – schutzengel.ws.
457
H. Domainrecht
namen ausnahmsweise eine reine Adressfunktion zukommt oder wenn er vom Verkehr nur als beschreibende Angabe verstanden wird1. 1868
Nach Ansicht des OLG Hamburg kann sogar der Aufnahme eines Kennzeichens in die URL als Subdomain (blog.bxxx.com/tag/dxxxgmbh) eine kennzeichnende Funktion zukommen. Zwar werde der Verkehr bei einer Subdomain noch eher als bei einer Domain annehmen, dass es sich um eine Adressenangabe für das Internet und nicht um einen Hinweis auf den Betreiber der Internetseite handelt. Zu beachten sei aber, dass diese Feinheiten des Aufbaus einer URL keineswegs allen Internetnutzern bekannt sind; es könne noch nicht einmal unterstellt werden, dass jedem Internetnutzer die Funktion der Anzeige einer URL im Browserfenster klar sei2.
1869
In einem ähnlichen Fall bediente sich die Inhaberin der Domain de.de einer Catch-All-Funktion, die dazu führte, dass Internetnutzer, die die Endung „.de“ versehentlich doppelt eingeben, automatisch auf die unter de.de abrufbare Website geleitet werden. Dort fanden sich u.a. Sponsored Links. Die Axel Springer AG klagte gegen die Domaininhaberin auf Unterlassung der Nutzung zahlreicher Titel der von ihr herausgegebenen Zeitschriften als Subdomain, z.B. computerbild.de.de oder sportbild.de.de. Die Beklagte wandte ein, sie nutze die kennzeichenrechtlich geschützten Bezeichnungen der Klägerin gar nicht, da sie nicht die Zeitschriftentitel von Axel-Springer, sondern nur de.de als Domain registriert habe und nicht sie selbst, sondern die Internetnutzer die Domains eingeben.
1870
Das Kammergericht bejahte zu Recht eine kennzeichenmäßige Nutzung. Aus Sicht des Verkehrs ist die Registrierung der Domain de.de nebst Catch-All-Funktion darauf angelegt, jedwede Anfragen der Nutzer nach kennzeichenrechtlich geschützten Domains in Folge einer Falscheingabe der TLD .de „einzufangen“ und die so eingegebenen Domainnamen zu nutzen, um den Suchenden zu einer Seite mit individuell zum Domainnamen passenden Werbelinks zu führen3.
1871
Der BGH hatte zu entscheiden, ob durch die Domain puremassageoil.com Rechte an der Marke „pjur“ verletzt werden. Der BGH stellte klar, dass Domainnamen, die wie die Domain puremassageoil.com zu einer aktiven, geschäftlich genutzten Website führen, in der Regel neben der Adressfunktion auch eine kennzeichnende Funktion haben4. Etwas anderes gelte nur dann, wenn einem Domainnamen ausnahmsweise nur eine Adressfunktion zukommt oder wenn er nur als beschreibende Angabe
1 2 3 4
BGH vom 14.5.2009, CR 2009, 801, 802 mit Anm. Hackbarth – airdsl. OLG Hamburg vom 2.3.2010 – 5 W 17/10, Rz. 11. KG vom 23.5.2012 – 5 U 19/11 – de.de, Rz. 57. BGH vom 9.2.2012 – I ZR 100/10 – pjur/pure, Rz. 25.
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IV. Domainstreit
verstanden wird, weil der Verkehr davon ausgeht, unter der Domain ausschließlich Informationen zu dem beschreibenden Begriff zu erhalten1. Von einer rein beschreibenden und somit nicht kennzeichnenden Ver- 1872 wendung ging der BGH in seiner Entscheidung zu metrosex.de aus. Die Begriffe „metrosexuell“ und „Metrosexualität“ beschreiben laut dem BGH einen neuen Männertyp – „heterosexuell veranlagt, modisch gekleidet, in Düfte gehüllt und vornehmlich in Metropolen lebend“2. Das Angebot einer Domain zum Verkauf stellt als solches keine kennzei- 1873 chenmäßige Benutzung dar, da der Domainname nicht zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen gebraucht wird3. Schwierigkeiten bereiten Fälle von „Meckerseiten“ in denen zwar ein 1874 fremdes Kennzeichen verwendet wird, der Kennzeichnungscharakter der Domain jedoch fraglich ist. Nicht recht ersichtlich ist beispielsweise wie die kennzeichenmäßige Nutzung im Falle der Domain scheiss-t-online.de zu begründen sein soll. Das LG Düsseldorf, das in einer Entscheidung zugunsten von T-Online einen Löschungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bejaht hat, hat sich mit der Frage einer kennzeichenmäßigen Nutzung irrigerweise nicht befasst4. „Scheiß T-Online“ enthält eine Aussage über T-Online und kennzeichnet keine Ware oder Dienstleistung des Betreibers der „Meckerseite“. In dem vergleichbaren Rechtsstreit um die Domain stopesso.de verwies 1875 das LG Hamburg zu Recht auf das Fehlen einer kennzeichenmäßigen Nutzung der Marke durch den Domaininhaber5. Ebenso verneinte das OLG Hamburg eine kennzeichenmäßige Nutzung bei der Domain awdaussteiger.de6. An einer kennzeichenmäßigen Verwendung der Domain fehlte es auch 1876 bei der Domain bund-der-verunsicherten.de. Das OLG Braunschweig verneinte zudem eine Verwechslungsgefahr mit dem Begriff „Bund der Versicherten“ und bezweifelte ein Handeln des Domaininhabers im geschäftlichen Verkehr, da die Domain für Internetseiten genutzt wurden, auf denen sich der Domaininhaber kritisch mit der Arbeit des Vorstandes des klagenden Vereins auseinandersetzte7. 1 2 3 4
BGH vom 9.2.2012 – I ZR 100/10 – pjur/pure, Rz. 22. BGH vom 13.3.2008, WRP 2008, 1353, 1355 – Metrosex. OLG Nürnberg vom14.5.2009, MMR 2009, 768 f. LG Düsseldorf vom 30.1.2002 – 2a O 245/01, JurPC Web-Dok. 267/2002 – scheiss-t-online.de. 5 LG Hamburg vom 10.6.2002, MMR 2003, 53 – stopesso.de. 6 OLG Hamburg vom 18.12.2003, MMR 2004, 415 = K&R 2004, 348 – awd-aussteiger.de; vgl. jedoch auch OLG Hamburg vom 23.4.2004, MMR 2005, 117 – awd-aussteiger.us. 7 OLG Braunschweig vom 10.11.2009 – 2 U 191/09 – bund-der-verunsicherten.de.
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H. Domainrecht
1877
Der Versuch der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), unter Hinweis auf die eingetragene Marke „BSAG“ eine Löschung der Domain bsagmeckerseite.de zu erwirken, schlug gleichfalls fehl. Nach Auffassung des LG Bremen handelt es sich nicht um eine berühmte Marke gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, da eine auf das Bundesland Bremen beschränkte Bekanntheit nicht ausreicht. Für einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fehle es an einer hinreichenden Branchennähe. Ob überhaupt eine kennzeichenmäßige Nutzung der Domain vorlag, blieb unerörtert1. (2) Erlaubte Benutzung gemäß § 23 MarkenG
1878
Die Nutzung eines fremden Kennzeichens ist nach § 23 MarkenG in einigen Ausnahmefällen gestattet, in denen die Nutzung primär beschreibende Funktion hat. Dies gilt allerdings nur, soweit die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.
1879
§ 23 Nr. 2 MarkenG gestattet Dritten die Nutzung eines Kennzeichens zur Produktbeschreibung. Nach Auffassung des OLG Hamburg bedarf daher die Nutzung der Domain schufafreierkredit.de keiner Erlaubnis des Inhabers der Marke SCHUFA, wenn die Domain produktbeschreibend für eine Website verwendet wird, auf der Kredite angeboten werden2. Dasselbe gilt für die Verwendung der Domain tests.de für Internetseiten, auf denen die Ergebnisse vergleichender Waren- und Dienstleistungsuntersuchungen verschiedener Anbieter veröffentlicht werden. Eine solche Domainnutzung bedarf nach Auffassung des OLG Braunschweig nicht der Zustimmung der Stiftung Warentest, die Marken- und Werktitelrechte an der Bezeichnung „test“ innehat3.
1880
Einen strengeren Maßstab legte das LG Düsseldorf an die Verwendung der Domain hapimag-a-aktien.de an, unter der der Domaininhaber „gebrauchte“ Zeitwohnrechte des schweizerischen Markeninhabers Hapimag anbot. § 23 Nr. 3 MarkenG erlaubt zwar die (zustimmungsfreie) Kennzeichennutzung als Hinweis auf die Bestimmung eines Produkts. Dies gilt indes nur, wenn die Kennzeichennutzung als Hinweis auf die Produktbestimmung „notwendig“ ist. Das LG Düsseldorf vertrat die Auffassung, dass es zur Beschreibung des Charakters der „gebrauchten“ Rechte nicht erforderlich ist, eine Domain zu verwenden, die das geschützte Kennzeichen enthält4. Ähnlich argumentierte das OLG Düsseldorf im Fall der Domain peugeot-tuning.de und verneinte eine „notwendige“ Nutzung gemäß § 23 Nr. 3 MarkenG5. 1 Härting/Reinholz, K&R 2003, 485, 486; LG Bremen vom 30.1.2003 – 12 O 383/02, JurPC Web-Dok. 69/2003 – bsagmeckerseite.de. 2 OLG Hamburg vom 6.11.2003, CR 2004, 846 – schufafreierkredit.de. 3 OLG Braunschweig vom 22.12.2009, K&R 2010, 194 f. (Ls.) – tests.de. 4 LG Düsseldorf vom 11.7.2007, CR 2007, 741 f. – hapimag-a-aktien.de. 5 OLG Düsseldorf vom 21.11.2006, K&R 2007, 101, 103 – peugeot-tuning.de; vgl. auch LG Düsseldorf vom 19.7.2006, CR 2007, 118 – cat-ersatzteile.de.
460
IV. Domainstreit
Dass für hapimag-a-aktien.de und peugeot-tuning.de nicht derselbe Maß- 1881 stab gelten soll wie für schufafreierkredit.de, überrascht nur auf den ersten Blick: Die Kennzeichennutzung erfolgt bei happimag-a-aktien.de und bei peugeot-tuning.de, um darauf hinzuweisen, dass ein „Originalprodukt“ (der Firma Hapimag) bzw. Dienstleistungen am „Original“ (Peugeot) angeboten werden, während es sich bei schufafreierkredit.de um eine rein beschreibende Verwendung des Schlagworts „SCHUFA“ handelt. Daher ist in den ersten beiden Fällen § 23 Nr. 3 MarkenG mit dem Erfordernis der „notwendigen“ Benutzung anwendbar, während für schufafreierkredit.de der Tatbestand des § 23 Nr. 2 MarkenG gilt, der ein solches Erfordernis nicht enthält. Im Hinblick auf das einschränkende Tatbestandsmerkmal der „Notwendigkeit“ lässt sich § 23 Nr. 3 MarkenG als lex specialis zu § 23 Nr. 2 MarkenG verstehen1. Auch kann sich ein Rechtsanwalt, der (unter anderem) die Domain an- 1882 walt-ebay.de nutzt, nicht auf § 23 Nr. 3 MarkenG berufen, da eine Benutzung des Zeichens „Ebay“ zur Beschreibung der anwaltlichen Dienstleistung weder naheliegt noch erforderlich ist2. cc) Nutzung im geschäftlichen Verkehr Wegen der Kennzeichnungsfunktion einer Domain stellt jede Nutzung 1883 einer Marke oder Geschäftsbezeichnung als Domain zugleich eine Benutzung des geschützten Kennzeichens dar3. Wird die Domain für eine gewerbliche Website genutzt, liegt eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr vor. Unterlassungsansprüche nach den §§ 14 und 15 MarkenG können nur 1884 bei einer Nutzung der Domain im geschäftlichen Verkehr bestehen4. Erforderlich ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, die der Förderung des eigenen oder fremden Geschäftszwecks zu dienen bestimmt ist5. Das Markenrecht liefert keine Handhabe gegen die Nutzung einer Domain für eine private Homepage6. Würde die Domain mcdonalds.de für eine private Homepage genutzt, 1885 könnte der Markeninhaber hiergegen aus Markenrecht nicht vorgehen. 1 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 23 Rz. 55. 2 LG Hamburg vom 17.6.2008, MMR 2009, 143 (Ls.) – anwalt-ebay.de. 3 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rz. 48 ff.; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 4 Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rz. 66; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 35 f.; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; OLG Frankfurt a.M. vom 27.3.2003 – 6 U 13/02, JurPC Web-Dok. 171/2003 – amex.de; OLG Schleswig vom 19.12.2000, MMR 2001, 399. 5 Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rz. 6. 6 Vgl. LG München I vom 18.4.2004, ZUM 2004, 683, 684 – sexquisit.de.
461
H. Domainrecht
Dies ist eine erhebliche Schutzlücke des Markenrechts im Domainrecht. Dem Markeninhaber bleibt nur der ergänzende Schutz durch § 12 BGB1 und – im Falle des Domaingrabbing – durch § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG bzw. durch § 826 BGB2. 1886
Schwierig zu beurteilen sind Fälle, in denen geschützte Marken oder Geschäftsbezeichnungen als Domains registriert sind, ohne dass die Domain auch tatsächlich für einen Internetauftritt genutzt wird3. Wenn sich aus den tatsächlichen Umständen ergibt, dass der Domaininhaber eine geschäftliche Nutzung beabsichtigt4, liegen die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage vor5. Gegen die beabsichtigte private Nutzung der Domains gibt es dagegen markenrechtlich keine Handhabe. Die Domainregistrierung allein kann noch nicht als Benutzung einer Marke oder Geschäftsbezeichnung im geschäftlichen Verkehr angesehen werden6.
1887
Lässt sich eine juristische Person eine Domain registrieren, folgt daraus nicht zwingend die Absicht einer (kennzeichenverletzenden) geschäftlichen Nutzung7. Erst recht stellt die Registrierung einer Domain noch keine Benutzung der Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr dar8. Die Registrierung der Domain original-nordmann.eu durch einen Forstbetrieb begründet keine Löschungs- und Unterlassungsansprüche des Inhabers der Marke „Original Nordmann“, solange keine Erstbegehungsgefahr für eine geschäftliche, kennzeichenverletzende Nutzung der Domain besteht9.
1888
In seiner Entscheidung zu afilias.de hat der BGH es für eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr nicht ausreichen lassen, dass die Domain für ein
1 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; vgl. Biermann, WRP 1999, 997. 2 Härting, BB 2002, 2028, 2030; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; LG Düsseldorf vom 6.7.2001, CR 2002, 138 – literaturen.de. 3 Vgl. Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rz. 7. 4 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rz. 124 ff.; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 5 Foerstl, CR 2002, 518, 521; Kur, CR 1996, 325, 327; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; OLG Hamburg vom 28.7.2005, MMR 2006, 476, 477 f. – metrosex.de; LG Braunschweig vom 5.8.1997, MMR 1998, 272 – deta.com; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159, 164 – epson.de; LG Düsseldorf vom 1.6.2005, MMR 2006, 121 – computer-partner.de. 6 LG Berlin vom 21.2.2008, MMR 2008, 484, 485 – naeher.de; vgl. auch Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 200; Schneider in Schneider, Handbuch des EDVRechts, Teil C Rz. 768 ff.; a.A. Redeker, IT-Recht, Rz. 1065. 7 BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524, 525 – Euro Telekom. 8 BGH vom 13.3.2008, WRP 2008, 1353, 1354 – Metrosex. 9 OLG Hamburg vom 12.4.2007, K&R 2007, 414, 415 – original-nordmann.eu.
462
IV. Domainstreit
„Partnerprogramm“ genutzt wurde, das nur „zugelassenen Partnern“ zur Verfügung stand, da nicht ersichtlich war, wie das „Partnerprogramm“ funktionieren sollte1. Für eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr reicht es dagegen aus, dass 1889 die Domain für eine Website verwendet wird, auf der sich Werbung befindet, beispielsweise in Form von „Sponsored Links“2. Allerdings genügt es nicht, dass sich auf den Seiten eines kostenfrei nutzbaren Onlinedienstes ein Button zu einer Sponsorseite befindet. Sponsorengelder, die zur Deckung der Kosten eines Internetdienstes benötigt werden, lassen noch nicht auf ein geschäftliches Handeln des Anbieters schließen3. Auch Hinweise auf kommerzielle Veranstaltungen reichen für ein geschäftliches Handeln nicht aus, wenn der Informations- und Hinweischarakter im Vordergrund steht4.
Übersicht:
1890
Registrierung und Nutzung von Domains – Benutzung eines geschützten Kennzeichens im geschäftlichen Verkehr? – Bei einer „aktiven“ Domain, über die Inhalte abrufbar sind, kommt es darauf an, ob es sich um „geschäftliche“ oder rein private Inhalte handelt. – Bei einer lediglich registrierten Domain (ohne Inhalte) fehlt es an einer kennzeichenmäßigen Nutzung, da die Registrierung noch keine Nutzungshandlung darstellt. – Bei einer bloßen Registrierung kommt allerdings eine vorbeugende Unterlassungsklage in Betracht, wenn sich nachweisen lässt, dass eine geschäftliche Nutzung beabsichtigt ist.
dd) Identität oder Verwechslungsgefahr Für die Reichweite des Schutzes von Marken gelten domainrechtlich die- 1891 selben Maßstäbe, die auch außerhalb des Internet gelten. Bei Zeichenidentität kommt es somit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG darauf an, ob die Domain für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit den markenrechtlich geschützten Waren oder Dienstleistungen identisch sind5. Bei bloßer Ähnlichkeit der Zeichen ist es gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 1 2 3 4
BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 736 mit Anm. Rössel – afilias.de. OLG Hamburg vom 8.2.2007, K&R 2007, 271, 272 – test24.de. LG München I vom 10.10.2007, MMR 2008, 267 f. – studi.de I. LG München I vom 28.11.2007 – 1 HK O 22408/06, JurPC Web-Dok. 52/2008 – studi.de II. 5 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 165; OLG Frankfurt a.M. vom 4.5.2000, MMR 2000, 486 – alcon.de; OLG Hamburg vom 21.9.2000 – 3 U 89/00 – derrick.de; OLG Köln vom 14.8.2002, WRP 2002, 249 – freelotto.de; LG Düsseldorf vom 4.4.1997,
463
H. Domainrecht
MarkenG maßgebend, ob Verwechslungsgefahr besteht1. Einen weitergehenden Schutz erlangt die berühmte Marke, deren Unterscheidungskraft und Wertschätzung durch § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG auch dann geschützt wird, wenn eine Domain für Waren oder Dienstleistungen genutzt wird, die nicht den Waren oder Dienstleistungen ähnelt, für die die Marke Schutz genießt2. 1892
Geschäftliche Bezeichnungen sind durch § 15 Abs. 2 MarkenG dagegen geschützt, dass die Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen in einer Weise benutzt wird, dass Verwechslungsgefahr besteht. § 15 Abs. 3 MarkenG schafft zudem einen Schutz berühmter geschäftlicher Bezeichnungen, der § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entspricht3.
1893
In domainrechtlichen Streitigkeiten geht es vorwiegend um die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 15 Abs. 2 MarkenG besteht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann es in zwei Varianten geben: Im engeren Sinne besteht Verwechslungsgefahr, wenn eine Ware oder Dienstleistung auf Grund einer Zeichen- und Produktähnlichkeit fälschlich einem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt dagegen vor, wenn die irrige Annahme erweckt werden kann, dass wirtschaftliche Beziehungen oder organisatorische Zusammenhänge zwischen dem Inhaber der Kennzeichenrechte und einem anderen Unternehmen bestehen4. (1) Branchennähe
1894
Lässt sich eine Werbeagentur die Domain mho.de registrieren, um ihre Leistungen erstmalig mit der Bezeichnung MHO anzubieten, so begründet dies ein eigenes Kennzeichenrecht aus § 5 MarkenG5. Ein prioritätsälterer Inhaber eines gleichlautenden Kennzeichens kann hiergegen aus § 15 i.V.m. § 5 MarkenG nur vorgehen, wenn wegen einer Branchennähe Verwechslungsgefahr besteht. Eine solche Branchennähe hat der BGH im Verhältnis zwischen der beklagten Werbeagentur und dem klägerischen Krankenhaus verneint. Ebenso wie ein Krankenhaus es (generell) hinnehmen muss, dass eine Werbeagentur unter gleicher oder ähnlicher Bezeichnung geschäftlich tätig ist, muss das Krankenhaus sich auch damit abfinden, dass die Agentur eine gleichlautende Domain nutzt.
1 2 3 4 5
GRUR 1998, 159 – epson.de; LG Hamburg, vom 25.3.1998, K&R 1998, 365 – eltern.de. Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 165; OLG Hamburg vom 14.12.2000, CR 2001, 552 – buecher1001.de; LG Köln vom 10.6.1999 – 31 O 55/99 – ts-computer.de. Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 166; OLG Hamm vom 19.6.2001, MMR 2001, 749 – veltins.com; OLG Karlsruhe vom 14.5.1997, MMR 1998, 148. Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht; S. 27. Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rz. 13. BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 ff. = MDR 2005, 765 f. – mho.de.
464
IV. Domainstreit
Ähnliche Argumente finden sich in dem BGH-Urteil zu euro-telekom.de. 1895 Die Deutsche Telekom AG berief sich in diesem Prozess auf den Schutz ihrer Unternehmensbezeichnung aus § 15 i.V.m. § 5 MarkenG. Der beklagte Konkurrent hatte die streitigen Domains bislang nur registrieren lassen, ohne sie zu nutzen. Da sich der Schutz des Begriffs „Telekom“ als Unternehmensbezeichnung nach Auffassung des BGH auf die Bereiche der Telekommunikation und des Internet beschränkt und anderweitige Nutzungen durch den Domaininhaber denkbar waren, verneinte der BGH einen Löschungsanspruch1. Das LG Hamburg hatte zwei Jahre zuvor noch einer Klage der Deutsche Telekom AG auf Löschung der Domain t-markt.de stattgegeben im Hinblick auf die Bekanntheit des „T-“ als Stammbestandteil eines Serienzeichens, ohne die sachliche Reichweite des Markenschutzes überhaupt zu problematisieren2. An einer hinreichenden Branchenähnlichkeit scheiterten nach (zutreffen- 1896 der) Ansicht des OLG Köln Ansprüche des Inhabers der Marke „Investment“ gegen den Inhaber der Domain investment.de. Die Marke war für Computerprodukte und -dienstleistungen eingetragen, wohingegen die Domain für ein Portal für Finanzdienstleistungen genutzt wurde3. An einer Branchenähnlichkeit fehlt es auch zwischen einem Händler für Elektronikprodukte und einem Fachverband für Ärzte, der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen veranstaltet4. Zu bejahen ist dagegen eine Branchenähnlichkeit bei chemischen Reinigungssubstanzen einerseits und Chemikalien sowie Reagenzien andererseits5. (2) Räumliche Kollision In seiner Entscheidung zu soco.de6 hat der BGH die räumliche Über- 1897 schneidung der Wirkungsbereiche als Voraussetzung für eine Kennzeichenrechtsverletzung nach § 15 MarkenG betont. Der BGH sah allein in der Tatsache, dass ein Unternehmen über eine Website seine Dienstleistungen anbietet, noch keine Erweiterung des räumlichen Tätigkeitsbereichs. Wirbt ein EDV-Dienstleister, der bisher nur im Rheinland tätig war, bundesweit über das Internet, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass er nunmehr auch in anderen Teilen Deutschlands aktiv werden möchte. Trotz Branchenähnlichkeit könne ein Unternehmen mit prioritätsälterem Kennzeichen und Sitz in Süddeutschland nicht gegen die Nutzung des Kennzeichens als Domain durch den Konkurrenten vor-
1 BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 f. – Euro Telekom. 2 LG Hamburg vom 15.2.2005, MMR 2005, 783, 784 – t-markt.de. 3 OLG Köln vom 17.3.2006, MMR 2006 mit Anm. Utz – investment.de; vgl. auch LG Köln vom 4.8.2005, K&R 2005, 471, 472 (Vorinstanz). 4 LG München I vom 3.6.2008, MMR 2008, 857 – dgh.de. 5 OLG Köln vom 20.1.2006, CR 2006, 549, 550 f. – ecolab.de. 6 BGH vom 22.7.2004, NJW 2005, 1198 ff. = CR 2005, 284 ff. = MDR 2005, 586 ff. = MMR 2005, 191 ff. = WRP 2005, 338 ff. – soco.de.
465
H. Domainrecht
gehen, wenn sich die angesprochenen Kundenkreise nicht überschneiden. 1898
Auch in seiner Entscheidung zu hufeland.de1 hat der BGH betont, dass sich aus dem „ubiquitären Charakter des Internet“ keine Ausdehnung des räumlichen Tätigkeitsbereichs eines Unternehmens schließen lässt, wenn das Unternehmen im Übrigen nur lokal und regional tätig ist. Die Klage des Betreibers einer süddeutschen Klinik mit der Bezeichnung „Hufeland“ gegen den Betreiber eines gleichnamigen Krankenhauses in Thüringen auf Freigabe der Domain hufeland.de blieb damit erfolglos2.
1899
Aus ähnlichen Gründen versagte der BGH einer Münchener Sprachschule Ansprüche gegen Konkurrenten, die die Domain cambridgeinstitute.ch verwendeten. Die klagende Sprachschule verwendete zwar bereits seit 1996 die Bezeichnung „Cambridge Institut“ und nutzte den Domainnamen cambridgeinstitut.de, konnte aber nicht nachweisen, über Bayern hinaus tätig zu sein3. (3) Bekanntheitsgrad
1900
Je höher der Bekanntheitsgrad eines Kennzeichens ist, desto näher liegt es, trotz deutlicher Unterschiede der kollidierenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Daher waren die Inhaber der Kennzeichenrechte an „StudiVZ“ und „SchülerVZ“ mit ihrer Unterlassungsklagen erfolgreich gegen die Inhaber der Domains bewerbervz.de/bewerbervz.net4. Wenn die Entscheidung am Ende auch vertretbar sein mag, ist sie doch oberflächlich begründet5 und muss angesichts schwacher Kennzeichnungskraft und sehr geringer Überschneidungen der gegenüberstehenden Kennzeichen kritisch betrachtet werden6.
1901
Die Voraussetzungen für einen umfassenden Titelschutz gemäß § 15 Abs. 3 MarkenG liegen beispielsweise bei dem Titel „Freundin“ vor, der seit 1948 für eine Zeitschrift verwendet wird, die 14-tägig in hoher Auflage erscheint. Ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr besteht daher ein Unterlassungsanspruch gegen den Verwender der Domain freundin.de für einen Partnervermittlungsdienst7. Entsprechendes gilt für den Inhaber der Marke „Zwilling“, die einen inländischen Bekanntheitsgrad von 92 % aufweist, so dass ein Unterlassungs-
1 BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 ff. – hufeland.de. 2 BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 ff.; a.A. OLG Karlsruhe vom 9.10.2002, MMR 2003, 169. 3 BGH vom 28.6.2007, CR 2007, 655 ff. – Cambridge Institute. 4 LG Köln vom 2.5.2008, CR 2009, 57 – bewerbervz.de. 5 Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606, 609. 6 Vgl. Terhaag/Engels, K&R 2009, 647, 648. 7 Linke, CR 2002, 271, 273; OLG München vom 2.4.1998, K&R 1998, 363, 364 – freundin.de.
466
IV. Domainstreit
anspruch gemäß § 14 Abs. 3 MarkenG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegen die unbefugte Benutzung der Domain zwilling.de besteht1. Eine überragende Bekanntheit kommt auch dem Namen „Aldi“ als Firmenschlagwort zu2. Der Titel der Zeitschrift „Versicherungsrecht“ soll nach Auffassung des 1902 OLG Düsseldorf kraft Verkehrsdurchsetzung Titelschutz gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG genießen. Im Hinblick auf die Domain versicherungsrecht.de soll dennoch keine Verwechslungsgefahr bestehen, da der Internetnutzer mit dem Begriff „Versicherungsrecht“ als Internetdomain nicht ohne Weiteres die gleichnamige Fachzeitschrift verbindet3. Das LG Frankfurt a.M. bezweifelte in einem Parallelverfahren, ob „Versicherungsrecht“ die Anforderungen des § 5 Abs. 3 MarkenG erfüllt und verneinte jedenfalls eine Verwechslungsgefahr bei einem über versicherungsrecht.de erreichbaren Portal mit Informationen rund um das Versicherungsrecht4. (4) Serienzeichen Ein Serienzeichen liegt vor, wenn mehrere Zeichen in einem Bestandteil 1903 übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb alle Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet. Serienzeichen kommt ein erweiterter Schutz gegen Verwechslungsgefahr zu, die schon zu bejahen ist, wenn die Gefahr besteht, dass der Verkehr ein Zeichen mit dem Inhaber des Serienzeichens gedanklich in Verbindung bringt5. Unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens konnten sich „StudiVZ“/„SchülerVZ“ unter anderem6 gegen die Inhaber der Domains boersevz.de/boersevz.ch/boersevz.eu/boersevz.at/boersevz.com/boersevz.net durchsetzen7. Ob dem Bestandteil „VZ“ jedoch tatsächlich die Qualität als Stamm einer Serienmarke zugesprochen werden kann, ist mehr als fraglich, setzt dies doch voraus. Letztlich handelt es sich dabei um eine mögliche Abkürzung für das Wort „Verzeichnis“, die in diesem Sinne vielfach Verwendung in Domainnamen gefunden hat8.
1 OLG Karlsruhe vom 24.6.1998, WRP 1998, 900 – zwilling.de; LG Mannheim vom 17.10.1997, WRP 1998, 920, 921 f.; vgl. Nägele, WRP 2002, 138, 147. 2 OLG Hamm vom 1.4.2003, K&R 2003, 613 (Ls.) – aldireisen.de. 3 OLG Düsseldorf vom 25.11.2002, MMR 2003, 177 f. – versicherungsrecht.de. 4 LG Frankfurt a.M. vom 24.1.2003, NJW-RR 2004, 842, 843 – versicherungsrecht.de. 5 Vgl. BGH vom 5.2.2009 – I ZR 167/06 – METROBUS, Rz. 38. 6 Eine Übersicht ähnlicher Verfahren findet sich bei Berlit, WRP 2009, 133, 135. 7 LG Hamburg vom 24.2.2009, MMR 2010, 258 (Ls.) – BörseVZ; vgl. auch LG Hamburg vom 2.10.2008, MMR 2009, 135 – BörseVZ. 8 Vgl. Berlit, WRP 2009, 133, 135 ff.; Terhaag/Engels, K&R 2009, 647, 648 f.
467
H. Domainrecht
(5) Domainendungen 1904
In seiner Entscheidung zu versicherungsrecht.de hat das OLG Düsseldorf die fehlende Verwechslungsgefahr maßgeblich damit begründet, dass der Domainendung .de eine „nicht zu unterschätzende Bedeutung“ zukomme1. Damit betrat das Gericht Neuland, entsprach es doch bis dato der einhelligen Auffassung von Literatur und Rechtsprechung2, dass die Domainendung bei der Beurteilung einer Verwechslungsgefahr außer Betracht zu bleiben hat.
1905
Daran ist auch weiterhin grundsätzlich festzuhalten. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich die Second-Level-Domain unter Einbeziehung etwaiger Subdomains, nicht jedoch die Domainendung maßgebend3. Gegenüber einem deutschen Markeninhaber lässt sich daher nicht einwenden, durch die Registrierung einer Domain mit der Endung .com sei eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, da eine Verwechslung nur im Falle der Verwendung der deutschen Endung .de drohe. Den Endungen .com und .de fehlt es ebenso an einer hinreichenden Unterscheidungskraft4 wie der Endung .at5 und anderen TLDs. TLDs stellen auch nach Auffassung des BPatG lediglich regionale oder organisatorische Zuordnungskriterien dar, die innerhalb der Internetadresse keine eigenständig kennzeichnende Bedeutung haben und bei der verkürzten Benennung sogar oft weggelassen werden6.
1906
Je mehr TLDs es gibt, desto fraglicher wird allerdings, ob die Domainendungen bei der Beurteilung der Identität bzw. Verwechslungsgefahr in bestimmten Fällen nicht doch zu berücksichtigen sind7. Ob beispielsweise der Inhaber der Marke „Freundin“ gegen die Nutzung der Domains freundin.info, freundin.berlin, freundin.tv oder freundin.ag vorgehen kann, ist zweifelhaft. Insbesondere wenn mit der Domainendung inhaltliche Assoziationen ausgelöst werden (z.B. info = Information und ag = Aktienge1 OLG Düsseldorf vom 25.11.2002, MMR 2003, 177, 178 – versicherungsrecht.de. 2 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rz. 99; Bottenschein, MMR 2001, 286, 289; OLG Hamburg vom 14.12.2005, NJW-RR 2006, 984, 985 – kombit.de; OLG Stuttgart vom 3.2.1998, K&R 1998, 263, 265 – steiff.com; LG Braunschweig vom 5.8.1997, CR 1998, 364 = MMR 1998, 272 – deta.com; LG Hamburg vom 13.1.1999 – 315 O 478/98, JurPC Web-Dok. 57/2001 – welt-online.de. 3 Bottenschein, MMR 2001, 286, 289; Perrey, CR 2002, 349, 353; LG Hamburg vom 21.2.2003, MMR 2003, 599 – handy.de; LG Mannheim vom 10.9.1999, MMR 2000, 47. 4 Vgl. OLG Hamburg vom 28.7.2005, MMR 2006, 476, 477 f. – metrosex.de; OLG München vom 16.6.2005, MMR 2005, 608, 610 – 1-800-FLOWERS.COM; OLG Stuttgart vom 3.2.1998, K&R 1998, 263, 265 – steiff.com; LG Braunschweig vom 5.8.1997, CR 1998, 364 = MMR 1998, 272 – deta.com. 5 LG Hamburg vom 10.12.2004, CR 2005, 207, 208 – sartorius.at. 6 BPatG vom 29.1.2008 – 27 W (pat) 134/07 – theartofmicrophones.com. 7 Bottenschein, MMR 2001, 286, 289; LG Hamburg vom 21.2.2003, MMR 2003, 599 – handy.de.
468
IV. Domainstreit
sellschaft), wird man von einer Zeichenidentität nicht mehr sprechen können1. Anderenfalls gelangt man zu wenig überzeugenden Differenzierungen, wie die Entscheidungen des BGH2 und des OLG Düsseldorf3 zu solingen-info.de und solingen.info zeigen. Keine Verwechslungsgefahr besteht nach Ansicht des LG Hamburg bei 1907 der Verwendung der Domain bike.de für einen Online-Dienst für Mountainbiker gegenüber einer Zeitschrift für Mountainbike-Interessierte, die den Titel „Bike“ führt, wenn die Zeitschrift noch keinen erheblichen Bekanntheitsgrad erlangt hat, der gegenüber dem Freihaltebedürfnis an dem Allgemeinbegriff „Bike“ ins Gewicht fallen könnte4. Die Domainendung reichte den Hamburger Richtern aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. In seiner Entscheidung zu berlin.com hat das Kammergericht den Stand- 1908 punkt vertreten, der Internetnutzer orientiere sich bei der Zuordnung des Domainnamens zu einem Namensträger nach wie vor primär an der Second-Level-Domain. Die TLD .com sei daher nicht geeignet, an der Zuordnung der Bezeichnung „berlin“ zu der deutschen Hauptstadt etwas zu ändern. Zwar sei nicht auszuschließen, dass allgemeine, nicht länderspezifische TLDs einer Zuordnung zu bestimmten Namensträgern entgegenwirken. Zu derartigen Domains zähle die TLD .com jedoch nicht, da sie weder branchen- noch länderbezogen sei und auch anhand anderer Kriterien den Kreis der Namensträger nicht eingrenze5. (6) Einzelfälle Verwechslungsgefahr besteht bei der Verwendung der Domain eltern.de 1909 für einen Informationsdienst zu elternbezogenen Themen gegenüber dem Inhaber der Marke „Eltern“, der die Marke seit den 70er Jahren für eine entsprechende Monatszeitschrift verwendet6. Ähnliches gilt für die Domain eltern-online.de7. Der Internetnutzer wird geneigt sein, anzunehmen, dass der jeweilige Onlinedienst von dem Markeninhaber stammt. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marke „combit“ mit der Domain 1910 kompit.de spricht die klangliche Ähnlichkeit für eine Verwechslungsgefahr8. Nicht überzeugend ist es, wenn das OLG Köln bei der Domain bit-bau.de eine Verwechslungsgefahr mit der für Baudienstleistungen ein1 Vgl. LG Hamburg vom 2.9.2003, MMR 2003, 796 – tipp.ag. 2 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682 = CR 2007, 36 = MMR 2007, 38 = K&R 2007, 41 – solingen.info. 3 OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254 = GRUR-RR 2003, 383 – solingen.info; siehe Rz. 1972 f. 4 LG Hamburg vom 13.8.1997, MMR 1998, 46 – bike.de. 5 KG vom 15.3.2013 – 5 U 41/12. 6 LG Hamburg vom 25.3.1998, K&R 1998, 365, 366. 7 OLG Hamburg vom 31.7.2003, MMR 2004, 174 – eltern-online.de. 8 OLG Hamburg vom 14.12.2005, NJW-RR 2006, 984, 985 – kombit.de.
469
H. Domainrecht
getragenen Marke „BIT“ verneint mit der Begründung, dass von einem Internetnutzer erwartet werden könne, dass er die Unterscheidungskraft des Zusatzes „bau“ wahrnimmt1. 1911
Der Inhaber der Marke „Zahnwelt“, die für medizinische Dienstleistungen geschützt ist, klagte auf Unterlassung der Nutzung der Domains zahnwelt-dortmund.de und kinderzahnwelt.de, die von einem Zahnarzt für seine Praxis-Homepage verwendet wurden. Das OLG Frankfurt a.M. hat den Anspruch hinsichtlich der Domain zahnwelt-dortmund.de bejaht. Bei dieser Domain bestehe trotz geringer Kennzeichnungskraft des Zeichens „Zahnwelt“ Verwechslungsgefahr mit der Marke. Der Zusatz „Dortmund“ schließe als bloße Ortsangabe die Verwechslungsgefahr nicht aus2. Hinsichtlich der Domain kinderzahnwelt.de hat das Gericht Verwechslungsgefahr verneint3.
1912
Erstaunlich großzügig beurteilte das OLG Hamburg Ansprüche eines Finanzdienstleisters hinsichtlich der Domain kredito.de. In der Domain, unter der der Inhaber die Beratungs- und Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit Darlehen anbot, sah die Klägerin eine Verletzung ihrer Wortmarke „Creditolo“. Das OLG Hamburg maß der Marke im Hinblick auf Finanzdienstleistungen zwar nur geringe Kennzeichnungskraft zu. Es sah aber neben der Dienstleistungsidentität eine starke klangliche Ähnlichkeit der Zeichen creditolo und kredito, insbesondere da der Verkehr dazu neige, die Endsilbe „lo“ des Zeichens „creditolo“ bei der Aussprache zu verschlucken4.
1913
Zu bejahen ist eine Verwechslungsgefahr bei den Domains abi-books.com und abe-books.com, wenn über beide Domains Internet-Marktplätze für Bücher betrieben werden5.
1914
Die Verwendung der Domain lit. de durch ein Unternehmen, das auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätig ist, soll nach der sehr weit gehenden Auffassung des LG Frankfurt a.M. den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, es bestünden geschäftliche Beziehungen oder organisatorische Zusammenhänge zu einem Speditionsunternehmen, das seit den 80erJahren die Bezeichnung „L.I.T.“ führt, so dass eine Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 und § 15 Abs. 2 MarkenG zu bejahen sei6.
1915
Der BGH bezweifelte eine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke AIPD und der Domain aidu.de trotz klanglicher und schriftbildlicher 1 OLG Köln vom 9.7.2004, GRUR 2005, 82 – bit-bau.de. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 23.2.2012 – 6 U 256/10 – zahnwelt-dortmund.de, Rz. 32 f. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 23.2.2012 – 6 U 256/10 – zahnwelt-dortmund.de, Rz. 38 f. 4 OLG Hamburg vom 15.8.2012 – 3 W 53/12 – kredito.de. 5 OLG Hamburg vom 25.11.2004, CR 2006, 278, 279 – abe-books.com. 6 LG Frankfurt a.M. vom 10.9.1997, MMR 1998, 151, 152 f. – lit.de.
470
IV. Domainstreit
Ähnlichkeit der Zeichen und obwohl sowohl die Marke als auch die Domain für Reisedienstleistungen registriert bzw. genutzt wurden1. Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit sei der Grundsatz zu beachten, dass eine nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen zu verneinen sein könne, wenn einem Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt2. Die Ähnlichkeit der Zeichen werde durch den ohne Weiteres erkennbaren eindeutigen Bedeutungsgehalt der Marke AIDA aufgehoben. Der angesprochene Verkehr werde den Begriff AIDA nämlich in erster Linie mit der gleichnamigen Oper von Guiseppe Verdi assoziieren3. Der BGH verneinte eine Verwechslungsgefahr zwischen der Domain pu- 1916 remassageoil.com und der Marke „pjur“. Der Schutzumfang der Marke beschränke sich auf deren ungewöhnliche Schreibweise, so dass es auf klangliche Übereinstimmungen nicht ankomme. Im Schriftbild sei keine ausreichende Ähnlichkeit mit dem Begriff „pure“ vorhanden4. Das OLG Karlsruhe entschied, dass zwischen der für alkoholfreie Geträn- 1917 ke eingetragenen Wortmarke „Biovin“ und der Domain biovino.de eines Versandhandels von Wein keine Verwechslungsgefahr besteht. Beide Begriffe weisen eine offene Anlehnung an eine rein beschreibende Bezeichnung der Warengattung auf (vgl. auch § 23 Nr. 2 MarkenG)5. Das OLG Hamburg verneinte eine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke „test“ der Stiftung Warentest und der Domain test24.de, die ausschließlich für „Sponsored Links“ verwendet wurde6. Die Marke „weg.de“ hat für ein Internet-Reiseportal nur schwache Kenn- 1918 zeichnungskraft. Eine Verwechslungsgefahr mit der Domain mcweg.de besteht daher selbst bei Branchenidentität nicht7. Keine Verwechslungsgefahr besteht auch zwischen der Wortmarke „ARD-Wahltipp“ und der Domain wahltipp.de8. Wegen der schwachen Kennzeichenkraft des Werktitels oesterreich.de be- 1919 steht nach Auffassung des OLG München keine Verwechslungsgefahr zwischen oesterreich.de und österreich.de, wenn die eine Domain für ein
1 BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381 ff. – AIDA/AIDU. 2 EuGH vom 12.1.2006, GRUR 2006, 237, 238 – PICASSO/PICARO; EuGH vom 23.3.2006, GRUR 2006, 413, 415 – ZIRH/SIR; EuGH vom 18.12.2008, GRUR-RR 2009, 356, 360 – MOBELIX/OBELIX; BGH vom 28.8.2003 GRUR 2003, 1047, 1049 = WRP 2003, 1439 – Kellogg’s/Kelly’s m.w.N. 3 BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381, 383 – AIDA/AIDU. 4 BGH vom 9.2.2012 – I ZR 100/10 – pjur/pure, Rz. 9. 5 OLG Karlsruhe vom 9.4.2003, MMR 2004, 108 – biovino.de. 6 OLG Hamburg vom 8.2.2007, K&R 2007, 271 – test24.de. 7 OLG Köln vom 22.1.2010, MMR 2010, 473 ff. – mcweg.de. 8 LG Düsseldorf vom 25.1.2006, MMR 2006, 412 – wahltipp.de.
471
H. Domainrecht
Österreich-Informationsportal und die andere Domain für eine Website mit vielfältigen Reiseangeboten genutzt wird1. 1920
Trotz Eintragung der Wortmarke „Print24“ scheiterte eine Klage des Markeninhabers gegen die Nutzung der Domain printshop24.de, da sich die Marke an der untersten Grenze der Schutzfähigkeit bewegt und daher der Zusatz „shop“ ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen2. Wegen der schwachen Kennzeichnungskraft der Wort-/Bildmarke „test“ und des gleichnamigen Zeitschriftentitels verneinte das OLG Braunschweig eine Verwechslungsgefahr mit der Domain tests.de3.
1921
Der Titel „ComputerPartner“ für eine Computerzeitschrift hat nur schwache Kennzeichnungskraft, da er sich stark an beschreibende Elemente anlehnt4. Zwar gelten bei Zeitschriftentiteln nur geringe Anforderungen an die Kennzeichnungskraft, da auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit jeher Publikationen unter vergleichsweise farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden, so dass beispielsweise der Titel „Der Allgemeinarzt“ als Werktitel gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG geschützt ist. Wegen der begrenzten Unterscheidungskraft fehlt es jedoch an einer Verwechslungsgefahr mit einem Diskussionsforum, das ein Arzt unter der Domain allgemeinarzt.de betreibt5. 3. § 12 BGB – Namensrechte a) Grundlagen
1922
Für Privatpersonen, aber auch für Städte und Gemeinden ist § 12 BGB die Grundlage für Ansprüche auf Löschung einer Domain bzw. auf Unterlassung der Domainnutzung, wenn sich eine vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB nicht nachweisen lässt6. Dasselbe gilt für Unternehmen, deren Bezeichnungen nicht kennzeichenrechtlich geschützt sind oder deren markenrechtliche Ansprüche daran scheitern, dass eine Domain nicht im geschäftlichen Verkehr, sondern für eine private Homepage genutzt wird.
1923
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens bestritten (Namensleugnung) oder wird ein Name unbefugt gebraucht (Namensanmaßung), kann der Namensträger gemäß § 12 BGB Beseitigung (§ 12 Satz 1 BGB) und Unterlassung (§ 12 Satz 2 BGB) verlangen. Der Beseitigungsanspruch richtet sich auf die Löschung der Domain bei der DENIC bzw. der jeweils zu1 2 3 4 5 6
OLG München vom 20.10.2005, CR 2006, 414 – österreich.de. LG Leipzig vom 19.2.2004, ITRB 2004, 252 (Elteste) – printshop24.de. OLG Braunschweig vom 22.12.2009, K&R 2010, 194 f. (Ls.) – tests.de. LG Düsseldorf vom 1.6.2005, MMR 2006, 121 – computer-partner.de. LG Hamburg vom 31.5.2005, MMR 2006, 252 – allgemeinarzt.de. Vgl. Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, Rz. 45; LG Düsseldorf vom 18.6.1998 – 4 O 160/98 – jpnw.de; LG Köln vom 17.12.1996, CR 1997, 291 – pulheim.de; LG Köln vom 28.5.1998 – 15 O 15/98 – zivildienst.de.
472
IV. Domainstreit
ständigen Vergabestelle. Gegenstand des Unterlassungsanspruchs ist dagegen die (das Namensrecht verletzende) Nutzung der Domain. aa) Träger des Namensrechts Das Namensrecht ist ein absolutes Recht, das neben dem so genannten 1924 Zwangsnamen (dem bürgerlichen Namen) auch den Wahlnamen erfasst1. Durch § 12 BGB werden somit Pseudonyme und Phantasienamen ebenso geschützt wie Unternehmens- und Ortsbezeichnungen2. Das Namensrecht erlischt bei natürlichen Personen mit dem Tod des Namensträgers. In seiner Entscheidung zu kinski-klaus.de hat der BGH betont, dass ein Toter nicht mehr Träger des Namensrechts sein kann, da er nicht mehr Rechtssubjekt ist3. Träger eines Namensrechts ist auch der eingetragene Verein4. Dasselbe 1925 gilt für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für nicht rechtsfähige Vereine und nach Auffassung des OLG Rostock auch für Bürgerinitiativen als „nicht rechtsfähige Vereinigung“5, wobei der Begriff der „nicht rechtsfähigen Vereinigung“ unglücklich vage ist. Ein Vorname ist namensrechtlich geschützt, wenn entweder eine über- 1926 ragende Bekanntheit der betreffenden Person oder aber eine erhebliche Kennzeichnungskraft des Vornamens vorliegt. In seiner Entscheidung zu raule.de, in der es um den Internetauftritt der Tänzerin, Choreographin und Tanztherapeutin Raule H. ging, hielt der BGH den Vornamen für derart ausgefallen, dass er erhebliche Kennzeichnungskraft aufweist6. Der Schutz des § 12 BGB schließt auch Wappen und Siegel ein, sofern sie 1927 individualisierende Unterscheidungskraft aufweisen und damit zur namensmäßigen Kennzeichnung geeignet erscheinen. Das ist etwa bei einem Universitätsemblem der Fall7. Eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und 1928 Identitätsfunktion kann auch der Bezeichnung eines Gebäudes zukommen, wenn sie im Sprachgebrauch des relevanten Verkehrs zu seiner Benennung anerkannt ist. Der erforderliche personale Bezug des Namensrechts an einem Gebäude oder Grundstück besteht – abhängig von den
1 Jauernig in Jauernig, § 12 Rz. 1 ff.; Ellenberger in Palandt, § 12 Rz. 2, 4; BGH vom 26.6.2003, CR 2003, 845, 846 – maxem.de. 2 Jauernig in Jauernig, § 12 Rz. 3; Ellenberger in Palandt, § 12 Rz. 4. 3 BGH vom 5.10.2006, NJW 2007, 684 = CR 2007, 101 = MMR 2007, 106 = K&R 2007, 38, 39 – kinski-klaus.de. 4 Vgl. LG Schwerin vom 14.3.2008, K&R 2008, 320 f. – braunkohle-nein.de. 5 OLG Rostock vom 3.12.2008, MMR 2009, 417 – braunkohle-nein.de. 6 BGH vom 23.10.2008, K&R 2008, 399 mit Anm. Recke – raule.de. 7 BGH vom 23.9.1992, BGHZ 119, 237, 245 – Universitätsemblem.
473
H. Domainrecht
Umständen des Einzelfalls – zum Erbauer, jeweiligen Eigentümer oder einem sonst Berechtigten1. bb) Namensanmaßung 1929
In der Anfangszeit des Domainrechts war noch unklar, ob die Nutzung einer Domain als Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB angesehen werden kann2. Manche Domainnutzer beriefen sich vor Gericht erfolgreich darauf, dass in der Nutzung einer Domain noch keine Anmaßung des Namens liege, da die Domain keine Namensfunktion habe, sondern lediglich – vergleichbar mit einer Telefonnummer – die Erreichbarkeit im Internet gewährleisten soll3. Die Parallele zur Telefonnummer hat sich jedoch nicht durchsetzen können4. Schon weil es üblich ist, Domainnamen zu wählen, die an Namen, Firmen und Geschäftsbezeichnungen anknüpfen, lässt sich die Namensfunktion von Domains nicht leugnen und wird inzwischen auch nicht mehr ernstlich bezweifelt5.
1930
Die Namensanmaßung liegt nicht erst in der Nutzung der Domain, sondern bereits in deren Registrierung. Da die Domain Adress- und Kennzeichnungsfunktion hat, ist schon deren Registrierung eine Anmaßungshandlung6. Durch die Registrierung setzt die den berechtigten Namensinhaber ausschließende Wirkung ein7. 1 BGH vom 28.9.2011 – I ZR 188/09, – Landgut Borsig, Rz. 25. 2 Wilmer, CR 1997, 562; vgl. auch Wiebe, CR 1998, 157. 3 LG Köln vom 17.12.1996, CR 1997, 291 – pulheim.de; LG Köln vom 17.12.1996, BB 1997, 1121 – kerpen.de; LG Köln vom 17.12.1996, GRUR 1997, 377 – huerth.de. 4 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; OLG Brandenburg vom 12.4.2000, MMR 2001, 174 – luckau.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 241 – krupp.de; OLG Karlsruhe vom 9.6.1999, CR 1999, 783 – baldwildbad.de; OLG München vom 23.9.1999, ZUM 2000, 69 – buecher.de; LG Braunschweig vom 28.1.1997, CR 1997, 414 – braunschweig.de; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, CR 1998, 165 – epson.de; LG Frankfurt a.M. vom 26.2.1997, CR 1997, 287 – das.de. 5 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rz. 33; Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 346; Fezer, WRP 2000, 669, 673; Bottenschein, MMR 2001, 286, 287; Nordemann, NJW 1997, 1891; Reinhart, WRP 2001, 13, 14; Völker/Weidert, WRP 1997, 652; Wielandt, CR 2001, 612, 613. 6 Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rz. 773; Pahlow, WRP 2002, 1228, 1232; Strömer, K&R 2002, 306; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; BGH vom 26.6.2003, CR 2003, 845 – maxem.de; OLG Brandenburg vom 12.4.2000, MMR 2001, 174 – luckau.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 241 – krupp.de; OLG Hamm vom 18.1.2005, MMR 2005, 381, 382 – juraxx.de; a.A. Becker, WRP 2010, 467, 472 f.; LG Braunschweig vom 29.9.2006, MMR 2007, 195, 196 – irrlicht.com; LG München I vom 18.3.2004, ZUM 2004, 683, 684 – sexquisit.de. 7 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1197 = CR 2005, 362, 363 f. = MDR 2005, 765, 766 – mho.de; BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 737 mit Anm. Rössel – afilias.de; OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195, 196 – stadtwerke-uetersen.de.
474
IV. Domainstreit
cc) Zuordnungsverwirrung Ein Anspruch aus § 12 BGB setzt bei einer Namensanmaßung voraus, 1931 dass durch den Gebrauch des gleichen Namens die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung entsteht1. Eine solche Zuordnungsverwirrung ist zu erwarten, wenn Dritte einen fremden Namen als Domain nutzen, ohne ein erkennbares, schutzwürdiges Eigeninteresse an dem Namen geltend machen zu können. Würde sich beispielsweise Otto Normalverbraucher die Domain lukas-podolski.de registrieren lassen, wäre die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung gegeben und ein Löschungsanspruch aus § 12 BGB zu bejahen2. An einer Zuordnungsverwirrung fehlt es bei der Domain emetro.de, da 1932 der Verkehr die Bezeichnung „emetro“ nicht als einen Gesamtsbegriff aus „e“ und „metro“ auffasst und daher nicht mit den Unternehmensbezeichnungen des Metro-Konzerns in Verbindung bringt3. dd) Namensleugnung Eine Namensleugnung durch Registrierung und/oder Nutzung einer Do- 1933 main ist schwer vorstellbar, da die Registrierung und Nutzung der Domain kein Bestreiten des Namensrechts beinhaltet4. Zwar genügt für die Namensleugnung eine Tätigkeit, die den Berechtigten an der Namensführung hindert. Gegen eine „partielle Namensleugnung“ in Form der Nutzung des Namens als Domain gewährt § 12 BGB jedoch keinen Schutz5. ee) Subsidiarität zum Markenrecht Gegenüber dem Markenrecht ist § 12 BGB im Bereich der geschäftlichen 1934 Namensnutzung grundsätzlich subsidiär. Wenn somit der Inhaber eines durch das Markenrecht geschützten Kennzeichens gegen die geschäftliche Nutzung einer Domain vorgeht, kommt ein Rückgriff auf § 12 BGB regelmäßig nicht in Betracht, falls – etwa wegen fehlender Branchennähe – markenrechtliche Ansprüche zu verneinen sind6. Anwendbar bleibt § 12 BGB allerdings, soweit es um eine Nutzung der Domain für private Zwecke geht7.
1 2 3 4
Jauernig in Jauernig, § 12 Rz. 4 f.; Ellenberger in Palandt, § 12 Rz. 23 ff. OLG Köln vom 27.11.2001, CR 2002, 538 – guenter-jauch.de. OLG Hamburg vom 14.2.2008 – 3 U 152/05 – emetro.com. Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 53; Viefhues, NJW 2000, 3239; BGH vom 22.11.2001, CR 2002, 525, 526 – shell.de; a.A. OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de. 5 A.A. Kitz, CR 2006, 772, 773. 6 BGH vom 22.11.2001, CR 2002, 525, 526 = WRP 2002, 694 – shell.de. 7 Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rz. 27; BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 736 mit Anm. Rössel – afilias.de;
475
H. Domainrecht
1935
Kein Grundsatz ohne Ausnahmen: In seiner Entscheidung zu mho.de hat der BGH angedeutet, dass namensrechtliche Ansprüche trotz eines gleichzeitig bestehenden Kennzeichenrechts schon dann in Betracht kommen, wenn der Domaininhaber kein Recht – gleich welcher Art – an dem Domainnamen geltend machen kann1. Der Inhaber von Namensrechten an der Bezeichnung MHO hätte demgemäß Unterlassungs- und Löschungsansprüche gegen den Inhaber der Domain mho.de, wenn der Domainnutzung weder Namens- noch Kennzeichenrechte zugrunde liegen, ohne dass es auf eine private oder gewerbliche Domainnutzung ankommt und ohne Rücksicht darauf, ob der Anspruchsteller seinerseits Inhaber von Kennzeichenrechten ist.
1936
In seiner Entscheidung zu „Basler Haar-Kosmetik“ schwächte der BGH die Subsidiarität des Markenrechts weiter ab. Es ging um einen Löschungsanspruch, der aus dem Kennzeichenrecht nicht ableitbar ist, und der BGH vertrat die Auffassung, dass schon aus diesem Grund das Namensrecht neben dem Kennzeichenrecht anwendbar bleibt. Der Inhaber eines Kennzeichens könne in vollem Umfang auf § 12 BGB zurückgreifen, wenn mit Hilfe des Namensrechts eine Rechtsfolge begehrt wird, die aus dem Kennzeichenrecht nicht hergeleitet werden kann2.
1937
Das OLG Hamburg lässt es für einen Anspruch aus § 12 BGB ausreichen, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, die außerhalb des „Schutzbereiches“ des Kennzeichenrechts liegt3. Dies sei der Fall, wenn der Funktionsbereich des Unternehmens durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des kennzeichenrechtlichen Anwendungsbereichs berührt wird, also bei Verwendung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche4.
1938
Ähnlich weitreichend argumentiert das OLG Köln, das namensrechtliche Ansprüche schon dann bejaht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen konkurrierender markenrechtlicher Normen nicht erfüllt sind5 oder zumindest der „Schutzbereich des Kennzeichenrechts“ nicht betroffen ist6. Nach Auffassung des LG Köln reicht es für eine Anwendung des Namensrechts aus, wenn der „Anwendungsbereich des Kennzeichenrechts“ nicht eröffnet ist.7
1 2 3 4 5 6 7
OLG Hamm vom 18.1.2005, MMR 2005, 381 – juraxx.de.; LG Hamburg vom 31.8.2006, NJW-RR 2007, 338 – bundesliag.de. BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362, 363 f. = MDR 2005, 765, 766 – mho.de. BGH vom 9.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik, Rz. 32. OLG Hamburg vom 31.5.2007, CR 2007, 661, 662 = MMR 2008, 118 – mlpblog.de I. OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195 – stadtwerke-uetersen.de. OLG Köln vom 14.7.2006, MMR 2007, 326, 327 – international-connection.de. OLG Köln vom 20.1.2006, CR 2006, 549, 552 – ecolab.de. OLG Köln vom 30.4.2010 – 6 U 208/09 – fcbayern.es, Rz. 6.
476
IV. Domainstreit
Übersicht:
1939
Beseitigungs- und/oder Unterlassungsanspruch aus Namensrecht, wenn: – die Zeichenfolge vom Anspruchsteller namensmäßig genutzt wird (Bestehen eines Namensrechts); – der Domaininhaber weder (eigene) Namens- noch (eigene) Kennzeichenrechte an dem Domainnamen geltend machen kann (keine eigenen Rechte des Domaininhabers).
b) Einzelfälle Das Namensrecht wird von der Rechtsprechung oft großzügig bejaht, so 1940 dass beispielsweise der Bund die Nutzung von Domains wie deutschland.de1 und verteidigungsministerium.de2 gerichtlich unterbinden konnte. Das Land Hessen war erfolgreich in einem Rechtsstreit um die Domain hessentag2006.de3. Das LG Berlin sah in der Registrierung der Domain kanzler-schroeder.de bei der DENIC einen Verstoß gegen das Namensrecht des seinerzeitigen Bundeskanzlers4. Bei marine.de blieben die Bemühungen des Bundes um Unterbindung der 1941 Domainnutzung ohne Erfolg5. Gleichfalls erfolglos waren die auf § 12 BGB gestützte Klage des Landes Nordrhein-Westfalen gegen die Nutzung der Domain mahngericht.de6 und die namensrechtliche Klage der Deutsche Bahn AG gegen die Registrierung und Nutzung der Domain bahnhoefe.de7. Um das Namensrecht ging es auch in der Auseinandersetzung um vero- 1942 na.tv8. Das OLG Hamburg vertrat die Auffassung, dass die Fernsehmoderatorin Verona Pooth es sich auf Grund eines Namensrechts (an dem bloßen Vornamen) nicht gefallen lassen muss, dass die Domain für eine Weiterverweisung auf die Website seitensprung.de genutzt wird. Der durchschnittliche Internetnutzer wird die Domain fcbayern.es mit 1943 dem gleichnamigen Fußballverein in Verbindung bringen. Eine Zuordnungsverwirrung ist daher trotz der spanischen TLD zu bejahen9. 1 LG Berlin vom 10.8.2000, CR 2000, 700 = MMR 2001, 57 = K&R 2001, 118 – deutschland.de. 2 LG Hannover vom 12.9.2001, K&R 2001, 652 – verteidigungsministerium.de. 3 LG Frankfurt a.M. vom 29.4.2005, MMR 2005, 782 – hessentag2006.de. 4 LG Berlin vom 11.8.2003, VR 2004, 287 – kanzler-schroeder.de. 5 LG Hamburg vom 13.10.2000, CR 2001, 131 – marine.de. 6 OLG Köln vom 30.9.2005, CR 2006, 493 – mahngericht.de; a.A. LG Köln vom 18.2.2005, MMR 2005, 621 (Vorinstanz). 7 LG Köln vom 22.12.2005, MMR 2006, 244 – bahnhoefe.de. 8 OLG Hamburg vom 27.8.2002, CR 2002, 910 – verona.tv. 9 OLG Köln vom 30.4.2010 – 6 U 208/09 – fcbayern.es – Rz. 9.
477
H. Domainrecht
1944
Keinen Erfolg hatte ein unbekannter Herr Süß, der einem Erotikanbieter die Nutzung der Domain süss.de untersagen wollte. Das OLG Nürnberg verneinte einen Unterlassungsanspruch: Das Wort „süß“ sei ein Adjektiv, das zum allgemeinen Sprachgebrauch gehöre und daher nicht als Hinweis auf einen Namensträger angesehen werde. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nur insoweit, als der Domaininhaber eine Catch-AllFunktion geschaltet hatte, die zu einer Weiterleitung auf das Erotikangebot führte, wenn der Vorname des Klägers als Subdomain eingegeben wurde1.
1945
Ohne Erfolg blieb auch die Klage eines Herrn Netz gegen die Registrierung der Domain netz.de durch einen gewerblichen Anbieter. Das OLG Stuttgart konnte in der Registrierung und Nutzung der Domain keine Namensanmaßung sehen. Es fehle an einer namensmäßigen Nutzung des Sachbegriffs „Netz“, und auch von einer Namensleugnung könne nicht die Rede sein2. Ähnlich argumentierten das LG Braunschweig in seiner Entscheidung zu irrlicht.com3 das LG Berlin in einem Urteil zu naeher.de4 sowie das OLG München in einer Entscheidung zu sonntag.de5.
1946
Zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangte das OLG München in dem Rechtsstreit um die Domain duck.de6. Obwohl es sich bei dem Domainnamen um einen (englischsprachigen) Sachbegriff handelt, ist das OLG München der Auffassung, dem Namen komme eine „erhebliche Individualisierungsfunktion“ zu. Die Münchener Richter gaben der Klage des Architekten Duck statt, die sich gegen einen Domaininhaber richtete, der keine eigenen Namens- oder Kennzeichenrechte geltend machen konnte. Ähnlich argumentierte das LG München I bei der Entscheidung über eine Klage eines Herrn Fatum auf Freigabe der Domain fatum.de. Mangels hinreichender Lateinkenntnisse verbinde der Verkehr mit „fatum“ keinen Allgemeinbegriff (Schicksal), sondern einen Herkunftshinweis. Daher könne der Kläger gegen die Domainregistrierung aus § 12 BGB vorgehen7.
1947
Anders entschied das LG Hamburg einen Rechtsstreit um die Domain schaumburg-lippe.de. Dem klagenden Fürsten zu Schaumburg-Lippe stehe an dem Domainnamen zwar ein Namensrecht gemäß § 12 BGB zu. „Schaumburg-Lippe“ sei jedoch auch die Bezeichnung einer landschaftlichen Region, so dass es nicht die Interessen des Namensträgers verletze, 1 OLG Nürnberg vom 12.4.2006, CR 2006, 485 mit Anm. Schirmbacher – suess.de. 2 OLG Stuttgart vom 7.3.2002, CR 2002, 529 = MMR 2002, 388 = K&R 2002, 377– netz.de. 3 LG Braunschweig vom 29.9.2006, MMR 2006, 295, 296 – irrlicht.com. 4 LG Berlin vom 21.2.2008, MMR 2008, 484 f. – naeher.de. 5 OLG München vom 24.2.2011 – 24 U 649/10 – sonntag.de, Rz. 17. 6 OLG München vom 10.1.2002, MMR 2002, 627 – duck.de. 7 LG München I vom 11.4.2005, ITRB 2006, 12 (Elteste) – fatum.de.
478
IV. Domainstreit
wenn die Domain für eine Website mit landeskundlichen, touristischen, historischen und ähnlichen Inhalten genutzt werde1. Am Fehlen einer Namensleugnung oder -anmaßung ließ das LG Düssel- 1948 dorf die Klage des Betreibers eines Restaurants mit dem klangvollen Namen „Zum Bootshaus Canal Grande“ gegen eine Privatperson scheitern, die sich die Domain canalgrande.de gesichert hatte2. Erfolgreich war dagegen die Klage des Schlossherrn gegen die Nutzung der Domain schlosseggersberg.de durch eine Dokumentarfilmerin, die einen Film über das Schloss drehen wollte3. In der Registrierung und Nutzung der Domain freie-waehler-nordver- 1949 band.de durch einen abgespaltenen Verband sah der BGH eine Verletzung des Namensrechts des Bundesverbands Freie Wähler eine Verletzung des Namensrechts. Dem Namen „Freie Wähler“ fehle es trotz beschreibender Anklänge nicht an Unterscheidungskraft4. Der Verkehr sei bei politischen Vereinigungen daran gewöhnt, dass regionale Zusätze zum Parteinamen auf eine organisatorische Verbindung hinweisen. Daher nahm der BGH trotz des Zusatzes „Nordverband“ eine Zuordnungsverwirrung an5. Das LG Potsdam hatte den Streit zwischen dem Land Brandenburg und 1950 einer Bürgerinitiative um die Domain polizeibrandenburg.de zu entscheiden6. Das Gericht legte § 12 BGB großzügig aus, bejahte sowohl die Namensqualität von „Polizei Brandenburg“ als auch eine Zuordnungsverwirrung und gab der Klage des Landes statt. Auf derselben Linie liegt es, wenn das OLG Braunschweig ein Namensrecht der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel im Hinblick auf die Domain fh-wf.de bejaht7 und das OLG Rostock eine „Verkehrsgeltung“ des Namens der Bürgerinitiative „Braunkohle-Nein“ bejaht im Hinblick auf die Bekanntheit der Initiative in Mecklenburg-Vorpommern8. Da der Schutz des Namensrechts nur greift, wenn die Gefahr einer Identi- 1951 täts- oder Zuordnungsverwirrung besteht, konnten Kernkraftgegner, die unter der Domain castor.de eine Website betreiben, das Freigabebegehren des Atommüll-Lagerbehälter-Herstellers GNS/GNB abwehren9. Das LG 1 LG Hamburg vom 22.12.2003, MMR 2004, 557 – schaumburg-lippe.de. 2 LG Düsseldorf vom 12.6.2002, CR 2002, 839 ff. = MMR 2002, 756 ff. – canalgrande.de. 3 LG München I vom 1.4.2008, K&R 2008, 633 f. – schloss-eggersberg.de. 4 BGH vom 28.9.2011 – I ZR 191/10 – freie-waehler-nordverband.de, Rz. 12. 5 BGH vom 28.9.2011 – I ZR 191/10 – freie-waehler-nordverband.de, Rz. 13. 6 LG Potsdam vom 16.1.2002 – 2 O 566/01, JurPC Web-Dok. 85/2002 – polizeibrandenburg.de. 7 OLG Braunschweig vom 19.12.2003 – 2 W 233/02, JurPC Web-Dok. 254/2004 – fh-wb.de. 8 OLG Rostock vom 3.12.2008, MMR 2009, 417 – braunkohle-nein.de; vgl. auch BGH vom 25.3.2010 – I ZR 197/08 – braunkohle.nein.de. 9 OLG Hamm vom 18.2.2003, NJW-RR 2003, 759 – castor.de.
479
H. Domainrecht
Essen hatte in erster Instanz (zu Recht) bereits den Namensschutz verneint, da Castor als Marke die gleichnamigen Behälter bezeichnet, ohne jedoch auf den Hersteller hinzuweisen1. 1952
Das OLG Hamburg bejahte eine Zuordnungsverwirrung bei der Domain mlpblog.de, die für einen Internetblog von Kritikern des Unternehmens MLP genutzt wurde. Der Verkehr erwarte unter dieser Domain ein „offizielles Tagebuch des Unternehmens“ und kein Meinungsforum von MLP-Kritikern, so dass die Voraussetzungen des § 12 BGB erfüllt seien2. 4. Namens- und Kennzeichenrechte unter Gleichnamigen
1953
Der Fall shell.de3 ist ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten beim Streit um Domains zwischen Personen gleichen Namens bzw. zwischen Inhabern gleichlautender Kennzeichen. Ein Übersetzer, der mit Nachnamen Shell heißt, hatte die Domain shell.de registrieren lassen. Als der gleichnamige, weltweit operierende Mineralölkonzern hiergegen vorging, stritten zwei gleichnamige Parteien um eine Domain. Markenrechtliche Ansprüche griffen nicht durch, da Herr Shell die Domain (zuletzt) nicht geschäftlich, sondern für eine private Homepage nutzte. a) Prioritätsprinzip
1954
In seiner Entscheidung zu shell.de hat der BGH das Prinzip der Priorität betont4. Die Vergabestelle DENIC prüft nach der vom BGH gebilligten Vergabepraxis5 bei der Registrierung von Domains nicht, ob und inwieweit der Anmelder Rechte an dem Domainnamen gelten machen kann6. Daher ist unter Gleichnamigen der Schnellere im Vorteil7. Dies ist nach Auffassung des BGH weder namensrechtlich noch unter sonstigen Gesichtspunkten zu beanstanden.
1955
Auch verfassungsrechtlich begegnet das Prioritätsprinzip keinen Bedenken. Das BVerfG hält den Grundsatz der Priorität als Regel der Konfliktentscheidung zwar für verfassungsrechtlich nicht geboten, aber zulässig8.
1956
Das Prioritätsprinzip gilt auch im Verhältnis zwischen einer eingetragenen Marke und einem durch § 5 Abs. 2 MarkenG geschützten Unterneh-
1 LG Essen vom 23.5.2002, MMR 2002, 631 – castor.de. 2 OLG Hamburg vom 31.5.2007, CR 2007, 661, 662 – mlpblog.de. 3 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de, dazu Nägele, WRP 2002, 138, 144; Strömer, K&R 2002, 306 ff. 4 BGH vom 22.11.2001, NJW 2001, 2031, 2034 – shell.de. 5 Vgl. BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671 – ambiente.de; BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769 – kurt-biedenkopf.de. 6 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671 – ambiente.de. 7 Härting, ITRB 2008, 38. 8 BVerfG vom 21.8.2006, CR 2006, 770 mit Anm. Kitz – maxem.de.
480
IV. Domainstreit
menskennzeichen1. Die Priorität eines Unternehmenskennzeichens ist indes an den Unternehmensträger gebunden mit der Folge, dass es für die Prioritätswahrung nicht ausreicht, wenn eine neue GmbH ein Kennzeichen fortführt mit Zustimmung des Einzelkaufmanns, der das Kennzeichen zuvor genutzt hatte, ohne dass die Voraussetzungen des § 22 HGB erfüllt sind2. b) Rücksichtnahmegebot Wie generell bei der Namensführung3, so ist auch bei der Wahl der Do- 1957 main ein Interessenausgleich zwischen Gleichnamigen erforderlich, der den berechtigen Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt4. Zwar muss es wegen des Prioritätsprinzips grundsätzlich auch der bekanntere Namensinhaber hinnehmen, dass ihm ein anderer Namensträger die begehrte Domain wegschnappt5. Allerdings gilt das Prioritätsprinzip nicht grenzenlos und wird insbesondere durch das Rücksichtnahmegebot eingeschränkt, das unter Gleichnamigen gilt. Im Fall von shell.de war nach Auffassung des BGH eine Durchbrechung 1958 des Prioritätsgrundsatzes geboten im Hinblick auf den überragenden Bekanntheitsgrad der Marke Shell und das sehr deutliche Überwiegen der Interessen des Mineralölkonzerns an der Domainnutzung6. Den Domaininhaber treffe ein „namensrechtliches Rücksichtnahmegebot“, dem durch die Wahl einer anderen Domain – etwa bestehend aus Vor- und Zuname des Namensträgers – Rechnung getragen werden kann7. Das Erfordernis einer „überragenden Bekanntheit“ setzt einer Durchbre- 1959 chung des Prioritätsprinzips enge Grenzen. Insbesondere verträgt es sich mit dem Prioritätsgrundsatz nicht, die Interessen der Gleichnamigen abzuwägen und einen Löschungsanspruch schon dann zu bejahen, wenn das Interesse des Anspruchsstellers an der Domain deutlich überwiegt8. Konnte sich die Shell AG noch auf Grund ihrer Größe und Bekanntheit 1960 gegen den unbekannten Herrn Shell durchsetzen, war die Ausgangsbasis
1 Vgl. OLG Karlsruhe vom 23.9.2009 – 6 U 90/09 – porta-patent.de/porta-marke.de. 2 LG Köln vom 20.11.2003, CR 2004, 853 – intermobil.de.; vgl. auch LG Aachen vom 8.5.2009, MMR 2010, 258 (Ls.). 3 Ellenberger in Palandt, § 12 Rz. 30. 4 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 – shell.de. 5 OLG Koblenz vom 25.1.2002, CR 2002, 280 – vallendar.de; OLG Köln vom 6.7.2000, MMR 2001, 170 – maxem.de; OLG München vom 11.7.2001, CR 2002, 56 – boos.de; LG Erfurt vom 31.1.2002, MMR 2002, 396 – suhl.de. 6 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 – shell.de. 7 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 – shell.de. 8 A.A. OLG Stuttgart vom 26.7.2007, K&R 2007, 657 – s.-unternehmensgruppe.de; vgl. auch BGH vom 20.1.2011 – I ZR 10/09 – bcc.de, Rz. 36.
481
H. Domainrecht
beim Streit um die Domains vossius.de und vossius.com eine andere1. Hier standen sich zwei Anwaltskanzleien gegenüber, die jeweils Rechte aus § 5 Abs. 1 MarkenG (Unternehmenskennzeichen) bzw. § 12 BGB geltend machten. Kläger war eine bekannte, alteingesessene Patentanwaltskanzlei, deren Namensgeber und Gründer die Sozien bei seinem Ausscheiden aus der Kanzlei ermächtigt hatte, weiter unter seinem Namen zu firmieren. Entgegen seiner ursprünglichen Absicht trat der Senior später der Kanzlei seines Sohnes bei, die Inhaber der Domains vossius.de und vossius.com wurde. 1961
Das Ziel einer Löschung der Domains erreichten die Kläger vor dem BGH nicht2. Nach Auffassung des BGH waren die Domaininhaber zwar auf Grund des längeren Bestehens der klägerischen Patentanwaltskanzlei verpflichtet, Verwechslungen entgegenzuwirken. Die Verwechslungsgefahr könne aber ausgeräumt werden, indem die Domaininhaber auf der Eingangsseite der Website deutlich machen, dass dort nicht die Kläger zu finden sind3. Da den Domaininhabern ein eigenes Recht an dem Namen Vossius hatten, mussten sie die Domain nicht aufgeben4.
1962
Die Entscheidung des BGH zu vossius.de stellt zwei Aspekte deutlich heraus: Beim Aufeinandertreffen (nahezu) gleichgewichtiger Interessen kann das Rücksichtnahmegebot den Domaininhaber zwingen, durch geeignete Maßnahmen auf der eigenen Internetseite Abstand zum Gleichnamigen einzuhalten. Die Nutzung der Domain kann dagegen demjenigen, der über ein eigenes Recht am Domainnamen verfügt, regelmäßig nicht untersagt werden.
1963
Das Abstandsgebot hat der BGH auch in seiner Entscheidung zu peekund-cloppenburg.de betont. Es ging um die beiden Handelsunternehmen, die seit vielen Jahrzehnten unter „Peek & Cloppenburg KG“ firmieren und ihre Kennzeichenrechte seit 1972 durch eine Abgrenzungsvereinbarung geregelt haben. Indem eines der beiden Unternehmen sich frühzeitig die Domains peek-und-cloppenburg.de und peek-und-cloppenburg.com sicherte, ohne auf den eigenen Internetseiten deutlich zu machen, dass es sich nicht um einen Internetauftritt des anderen Unternehmens handelte, verletzte der Domaininhaber nach Auffassung des BGH seine Verpflichtung, redlich zu handeln und alles Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen oder auf ein hinnehmbares Maß zu vermindern5.
1 2 3 4 5
BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de. BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de. BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093, 2095 – vossius.de. BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093, 2095 – vossius.de. BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880, 886 f. – Peek & Cloppenburg.
482
IV. Domainstreit
c) Registrierung und Benutzung Eine Ausnahme vom Prioritätsprinzip gilt nach Ansicht des BGH auch 1964 dann, wenn das Kennzeichen- bzw. Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens durch den Domaininhaber entstanden ist1. Dies führt zu einer Blockierung der Domain für einen (späteren) Kennzeichen- oder Markeninhaber selbst dann, wenn die Domain nicht alsbald in einer Weise genutzt wird, die einen eigenständigen Kennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 MarkenG begründet. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass ein Unternehmer vor der Wahl einer Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internetadresse verwenden möchte, unschwer prüfen könne, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar ist. Sei der gewünschte Domainname bereits vergeben, so werde es dem Unternehmer in der Regel möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen2. Die Ausnahme gilt nach Auffassung des BGH immer dann, wenn die Re- 1965 gistrierung des Domainnamens der erste Schritt auf dem Weg der – für sich genommen rechtlich unbedenklichen – Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist3. Auf die Blockierung der Domain kann sich der Domaininhaber allerdings nur berufen, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich die Domain in einer Weise nutzt, die Kennzeichenschutz begründet4. Der Inhaber eines Unternehmenskennzeichens im Allgemeinen kann 1966 nicht verhindern, dass in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein Kennzeichenrecht an dem gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden, muss nach Auffassung des BGH auch die (vorherige) Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis entspreche, sich bereits vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden Domainnamen zu sichern, führe die gebotene Interessenabwägung dazu, dass eine der Benutzungsaufnahme unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als unberechtigter Namensgebrauch anzusehen sei5. d) Einzelfälle In einer weiteren Entscheidung des BGH ging es um den Domainnamen 1967 maxem.de6. Geklagt hatte Rechtsanwalt Maxem gegen den Domaininha1 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 738 mit Anm. Rössel – afilias.de. 2 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 738 mit Anm. Rössel – afilias.de; krit. Weisert, WRP 2009, 128, 129 ff. 3 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 ff. = MDR 2005, 765 f. – mho.de. 4 Vgl. Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606, 607; OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195, 196 – stadtwerke-uetersen.de. 5 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 738 mit Anm. Rössel – afilias.de. 6 BGH vom 26.6.2003, WRP 2003, 1215 – maxem.de.
483
H. Domainrecht
ber, der nach eigenen Angaben bereits seit Beginn der 90er Jahre den Namen Maxem als Pseudonym in elektronischen Netzwerken benutzt. Nachdem der BGH klargestellt hatte, dass auch Pseudonymen grundsätzlich Namensfunktion zukommt, sprach er dem Beklagten ein solches Namensrecht ab, da er unter dem Pseudonym nicht hinreichend bekannt sei. Damit war der Ausgang der Entscheidung klar: Namensrecht schlägt gar kein Recht. Der Domaininhaber wurde verurteilt, die Nutzung der Domain zu unterlassen1. Auch die auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gestützte Verfassungsbeschwerde scheiterte2. 1968
Ebenfalls kein Fall der Gleichnamigkeit liegt vor, wenn sich ein Unternehmen eine Domainbezeichnung registrieren lässt, die aus einer Abkürzung der Unternehmensbezeichnung besteht, von dem Unternehmen jedoch ansonsten nicht benutzt wird. Kollidiert die Abkürzung mit einem Namensrecht, das der Abkürzung entspricht, so kann der Namensträger die Unterlassung der Domainnutzung gemäß § 12 BGB verlangen3.
1969
Trotz Dienstleistungsähnlichkeit scheiterte eine Klage des Inhabers der Wortmarke „Ratio Soft“ auf Freigabe der Domain ratiosoft.com, da der beklagte Domaininhaber schon vor der Markenanmeldung „ratiosoft“ als Unternehmenskennzeichen nutzte4.
1970
Nicht mit den Vorgaben des BGH stimmt es überein, wenn das AG Köln der Klage der Anwaltskanzlei Görg gegen eine gleichnamige Spedition stattgab mit der Begründung, den Anwälten stünden „ältere Namensrechte“ zu, und es sei „reiner Zufall“, dass der Antrag der beklagten Namensträger auf Registrierung der Domain görg.de von der DENIC zuerst bearbeitet worden sei5. Richtigerweise hätte das Gericht prüfen müssen, ob eine unlautere Behinderung gemäß den §§ 3 und 4 Nr. 10 UWG vorlag, da die Anwaltskanzlei bereits Inhaberin der Domain goerg.de war. 5. Streit um Ortsbezeichnungen
1971
Der Namensschutz gilt auch für Städte und Gemeinden6. Daher konnten beispielsweise die jeweiligen Städte und Gemeinden die Unterlassung der Verwendung der Domains heidelberg.de7, pulheim.de8, braun-
1 BGH vom 26.6.2003, WRP 2003, 1215 – maxem.de; vgl. auch AG Nürnberg vom 29.6.2004 – 14 C 654/04 – kerner.de. 2 BVerfG vom 21.8.2006, CR 2006, 770 m. Anm. Kitz – maxem.de. 3 A.A. LG Bonn vom 22.9.1997, MMR 1998, 110, 111 – detag.de. 4 LG Düsseldorf vom 25.2.2004, MMR 2004, 700, 701 – ratiosoft.com. 5 AG Köln vom 24.11.2004, CR 2005, 682. 6 Lewinski, VerwArch 2007, 473, 479. 7 LG Mannheim vom 8.3.1996, CR 1996, 353. 8 A.A. LG Köln vom 17.12.1996, CR 1997, 291.
484
IV. Domainstreit
schweig.de1, celle.de, celle.com2 und ansbach.de3 verlangen. Wenn der Nutzer der Domain keine eigene Rechte an dem Namen geltend machen kann, sind die Voraussetzungen des § 12 BGB erfüllt. Selbst wenn der Domaininhaber unter der Domain Informationen über die sich auf das Namensrecht berufende Gemeinde anbieten möchte, geht das Interesse der Gemeinde vor, da die Domain Kennzeichnungsfunktion hat und der Nutzer bei der Eingabe der Domain nicht nur Informationen über die Gemeinde erwartet, sondern Informationen, die von der Gemeinde selbst stammen4. Auch in dieser Konstellation sind gelegentlich Differenzierungen erfor- 1972 derlich. Die Stadt Solingen – im Internet unter solingen.de präsent – klagte beispielsweise gegen einen Portal-Betreiber, der neben der Domain solingen.info auch die Domain solingen-info.de innehatte und unter beiden Domains eine Website betrieb mit Informationen über die Stadt Solingen. Das OLG Düsseldorf kam zu dem Schluss, dass die Domain solingen.info der Stadt zustehe5. In der Benutzung der Domain durch den Beklagten liege eine rechtswidrige Namensanmaßung. Die Domain solingen-info.de dürfe der Beklagte dagegen weiter nutzen6. Während hinsichtlich SecondLevel-Domains, die sich aus Städtenamen und kurzen Zusätzen zusammensetzen, kein Unterlassungsanspruch der Gemeinde bestehe, führe die alleinstehende Nutzung des Stadtnamens als Second-Level-Domain unabhängig von der Top-Level-Domain zu einer Zuordnungsverwirrung. Die Zuordnungsverwirrung könne auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass auf der Startseite der Website ein klarstellender Hinweis angebracht wird, dass es sich nicht um eine Website der Stadt Solingen handelt7. Vor dem BGH blieb die Revision ohne Erfolg. Der BGH schloss sich der 1973 Auffassung des OLG Düsseldorf zu solingen.info in allen Punkten an8. Da die TLD .info weder branchen- noch länderbezogen sei, grenze sie den Kreis der Namensträger in keiner Weise ein, so dass der Internetnutzer davon ausgehen könne, dass die Domain für ein Informationsangebot des
1 2 3 4 5 6 7 8
LG Braunschweig vom 28.1.1997, NJW 1997, 2687. LG Lüneburg vom 29.1.1997, CR 1997, 288. LG Ansbach vom 5.3.1997, NJW 1997, 2688. OLG Brandenburg vom 12.4.2000, MMR 2001, 174 – luckau.de; OLG Karlsruhe vom 9.6.1999, CR 1999, 783 – bad-wildbad.com; OLG Köln vom 18.12.1998, K&R 1999, 234 – herzogenrath.de. OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254 = GRUR-RR 2003, 383 – solingen.info. OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254 = GRUR-RR 2003, 383 – solingen.info. OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254, 1255 – solingen.info. BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682 = CR 2007, 36 = MMR 2007, 38 = K&R 2007, 41 – solingen.info.
485
H. Domainrecht
Namensträgers genutzt werde1. Klarstellende Hinweise zur Beseitigung der Zuordnungsverwirrung kommen nach Auffassung des BGH – als „milderes Mittel“ – nicht in Betracht, da es – anders als unter Gleichnamigen – nicht um eine Interessenabwägung gehe2. Dies ist wenig überzeugend, da es nicht einsichtig erscheint, weshalb eine Verwirrung des Internetnutzers nur dann durch klarstellende Hinweise zu beseitigen sein soll, wenn wechselseitige Interessen an einem Domainnamen zur Debatte stehen. 1974
Gleichfalls vor dem OLG Düsseldorf blieb eine Klage der Stadt Duisburg erfolglos, die einem gewerblichen Unternehmen die Nutzung der Domain duisburg-info.de untersagen wollte. Wie bei solingen-info.de vermochte das OLG Düsseldorf in der Domainnutzung weder eine Namensleugnung noch eine Namensanmaßung zu sehen3.
1975
Um insgesamt 18 Domains mit Stadtteilnamen der bayrischen Landeshauptstadt ging es bei einer Klage der Stadt München, über die das LG München I zu entscheiden hatte. Mangels jeglicher eigener Namens- oder Kennzeichnungsrechte des beklagten Website-Betreibers hatte die auf § 12 BGB gestützte Klage Erfolg4. Ebenso erfolgreich war die Schwarzwaldgemeinde Baiersbronn in einem Rechtstreit um die Domain roet.de. Das LG Münster verurteilte den Domaininhaber zur Freigabe des Domainnamens unter Hinweis auf die Namensrechte der Gemeinde, die sich daraus ergeben sollen, dass es in Baiersbronn einen Ortsteil Röt mit stolzen 842 Einwohnern gibt5.
1976
Das LG Köln hat in einer Entscheidung zu der Domain welle.de ein „älteres Recht“ des Domaininhabers gegenüber der kleinen niedersächsischen Gemeinde Welle (1300 Einwohner) bejaht. Das „ältere Recht“ liege in der Registrierung der Domain6. Diese Begründung überzeugt nicht, da allein die Registrierung einer Domain keine Kennzeichen- oder Namensrechte begründet. Im Ergebnis kann die Kölner Entscheidung dennoch überzeugen, da der Verkehr das Wort „Welle“ nicht mit einem kleinen Ort in Niedersachsen in Verbindung bringt und es daher an einer Namensanmaßung gemäß § 12 BGB fehlt.
1977
Der Begriff „Rheingau“ beschreibt eine Landschaft und ein Weinanbaugebiet und wird vom Verkehr nicht mit einem kommunalen Zweckverband in Verbindung gebracht. Daher kann der Zweckverband kein Na-
1 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682, 683 = CR 2007, 36, 37 = MMR 2007, 38, 39 = K&R 2007, 41, 42 – solingen.info. 2 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682, 683 f. = CR 2007, 36, 38 = MMR 2007, 38, 39 = K&R 2007, 41, 42 – solingen.info. 3 OLG Düsseldorf vom 15.1.2002, CR 2002, 447 – duisburg-info.de. 4 LG München I vom 7.5.2002, CR 2002, 840 mit Anm. Eckhardt – lehel.de. 5 LG Münster vom 25.2.2002 – 12 O 417/01 – roet.de. 6 LG Köln vom 8.5.2009, K&R 2009, 511 f. – welle.de.
486
IV. Domainstreit
mensrecht gemäß § 12 BGB geltend machen und muss es hinnehmen, dass ein Unternehmen die Domain rheingau.de nutzt1. Das Kammergericht hatte über eine Klage der wesentlich größeren Tsche- 1978 chischen Republik gegen die Nutzung der Domains tschechische-republik.at, tschechische-republik.ch und tschechische-republik.com zu entscheiden und bejahte für alle Domains eine gemäß § 12 BGB unzulässige Namensanmaßung. Staaten wie Tschechien gehören nach Auffassung des KG zu den typischen Nutzern von .at-, .ch- und .com-Domains, so dass der Verkehr unter den Domains einen Internetauftritt des tschechischen Staates erwarte2. Probleme entstehen auch bei Ortsnamen in Fällen der Gleichnamigkeit. 1979 Seit der BGH-Entscheidung zu shell.de3 ist ein Trend zu beobachten, das Prioritätsprinzip zu Lasten klägerischer Gemeinden anzuwenden. So gelang es der rheinischen Stadt Vallendar nicht, einer gleichnamigen Brennerei die Nutzung der Domain vallendar.de zu untersagen4. Da auch der Brennerei ein Recht an dem Begriff „Vallendar“ zukam, standen sich gleichrangige Rechte gegenüber. Zu Gunsten des beklagten Unternehmens sprach nach der überzeugenden Auffassung des OLG Koblenz der domainrechtliche Prioritätsgrundsatz. Dass die Stadt einen historischen Namen trägt, während die Brennerei einen Wahlnamen führt, verschafft der Stadt keine Sonderrechte5. Ähnlich wie im Fall vallendar.de schlug auch der Versuch der Gemeinde 1980 Hasselberg fehl, einer gleichnamigen Privatperson die Nutzung der Domain hasselberg.de streitig zu machen6. Unter Hinweis auf das Prioritätsprinzip und das Fehlen einer überragenden Bekanntheit der Gemeinde wies das LG Flensburg die Unterlassungsklage der Gemeinde ab7. Gleichfalls auf der Linie der BGH-Entscheidung zu shell.de wies das LG Erfurt die Klage der Stadt Suhl ab, die sich gegen die Nutzung der Domain suhl.de durch ein Unternehmen richtete, das Suhl als Bestandteil seines Namens führte8. Ebenso entschied das LG Flensburg in dem Prozess um die Domain sandwig.de, als es die Klage der Stadt Glücksburg gegen ei1 LG Frankfurt a.M. vom 29.9.2010 – 2/06 O 167/10 – rheingau.de. 2 KG vom 29.5.1007, MMR 2007, 600, 601 – tschechische-republik.com; vgl. auch LG Berlin vom 29.6.2006, MMR 2007, 60 (Vorinstanz). 3 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 = K&R 2002, 206 mit Anm. Strömer = BB 2002, 1167 mit Anm. Ubber – shell.de. 4 OLG Koblenz vom 25.1.2002, CR 2002, 280 mit Anm. Eckhardt = WRP 2002, 340 = MMR 2002, 466 = K&R 2002, 201 – vallendar.de. 5 OLG Koblenz vom 25.1.2002, CR 2002, 280 mit Anm. Eckhardt = WRP 2002, 340 = MMR 2002, 466 = K&R 2002, 201 – vallendar.de; vgl. Lewinski, VerwArch 2007, 473, 481 f. 6 LG Flensburg vom 18.10.2001, MMR 2002, 700 (Ls.) – hasselberg.de. 7 LG Flensburg vom 18.10.2001, MMR 2002, 700 (Ls.) – hasselberg.de. 8 LG Erfurt vom 31.1.2002, MMR 2002, 396 – suhl.de; dazu Linke, CR 2002, 271, 275.
487
H. Domainrecht
nen Privatmann namens Sandwig abwies1. Die norddeutschen Stadtväter konnten das Gericht nicht davon überzeugen, dass ihnen im Hinblick auf die Namensrechte für den Glücksburger Stadtteil Sandwig bessere Rechte an der Domain zustanden als dem Domaininhaber2. Ebenso wenig Erfolg hatte die Klage der Stadt Melle gegen ein gleichnamiges Unternehmen, das die Domain melle.de innehatte3. 1981
Mit umgekehrten Vorzeichen prozessierten ein gewerbliches Unternehmen und die Gemeinde Markt Bad Bocklet um die Domain bocklet.de. Die Gemeinde hatte sich die Domain bereits 1997 gesichert und wurde von einem Unternehmen verklagt, das die Bezeichnung Bocklet als Namensbestandteil verwendet. Das LG Düsseldorf wies die Klage unter Hinweis auf den Grundsatz der Priorität ab4. 6. §§ 3, 5 UWG – Wettbewerbsrecht
1982
Vielfach stellt sich die Frage, ob die Registrierung und Nutzung einer Domain mit dem allgemeinen Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Besonders viele Streitfälle gab und gibt es bei attraktiven Domains mit Gattungsbegriffen, bei Anwaltsdomains und bei Domains, die trickreich Tippfehler oder Umlaut-Variationen verwenden, um Internetnutzer gezielt zur eigenen Website „umzuleiten“.
1983
Gelegentlich kann eine Domain auch aus anderen Gründen irreführend sein (§ 5 UWG) und zu einem Wettbewerbsverstoß beitragen5. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich ein Abschleppunternehmen durch die Domain parkplatz-polizei.de Hoheitsbefugnisse anmaßt6. a) Gattungsbegriffe
1984
Bis zu der Entscheidung des BGH zu mitwohnzentrale.de7 war streitig, ob und unter welchen Voraussetzungen die Registrierung und Nutzung einer beschreibenden Domain bzw. einer Domain mit einem Gattungsbegriff als irreführend gemäß § 5 UWG und/oder als unlauter gemäß § 3 UWG angesehen werden kann.
1985
In dem Mitwohnzentrale-Urteil hat der BGH das Prioritätsprinzip zum Leitprinzip des Domainrechts erhoben. Im Leistungswettbewerb wird 1 LG Flensburg vom 8.1.2002, CR 2002, 537 = MMR 2002, 247 = K&R 2002, 204 – sandwig.de. 2 LG Flensburg vom 8.1.2002, CR 2002, 537 = MMR 2002, 247 = K&R 2002, 204 – sandwig.de. 3 LG Osnabrück vom 23.9.2005, CR 2006, 283 – melle.de. 4 LG Düsseldorf vom 16.1.2002, MMR 2002, 398 f. – bocklet.de. 5 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 368 ff. 6 LG Augsburg vom 8.9.2009, K&R 2010, 285 f. – parkplatz-polizei.de. 7 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262 = CR 2002, 777 – mitwohnzentrale.de; vgl. Abel, WRP 2001, 1426; Renck, WRP 2000, 264.
488
IV. Domainstreit
Schnelligkeit belohnt und nicht bestraft. Daher sieht der BGH es nicht als unlauter gemäß § 3 UWG an, wenn sich ein Konkurrent eine besonders attraktive Domain zum Missvergnügen der Mitbewerber sichert1. Überzeugend hat der BGH ausgeführt, dass die Registrierung einer be- 1986 schreibenden Domain nicht als unlautere Behinderung bzw. Abwerbung von Kunden angesehen werden kann2. Zwar leitet derjenige, der einen Gattungsbegriff als Domain registriert, Kunden auf die eigene Website und somit zu seinem eigenen Waren- und Dienstleistungsangebot. Hierdurch macht sich jedoch der schnellere Konkurrent lediglich die Vorteile des auf dem Prinzip der Priorität beruhenden Registrierungssystems der DENIC zunutze und stellt sich nicht in wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Weise zwischen den Kunden und die Konkurrenz, um gezielt Kunden zu sich zu lenken, die die Angebote der Mitbewerber ansteuern3. Nicht ganz so klar war die Mitwohnzentrale-Entscheidung im Hinblick 1987 auf § 5 UWG. Der BGH hat eine gegen § 5 UWG verstoßende Irreführung durch eine Domainnutzung für den Fall bejaht, dass die Eingangsseite der Website, die über die Domain erreichbar ist, den irreführenden Eindruck einer Vorzugs-, Spitzen- oder Alleinstellung des Domainnutzers erweckt4. Zur Prüfung einer möglichen Irreführung verwies der BGH den Rechts- 1988 streit in die Vorinstanz zurück, so dass das OLG Hamburg das letzte Wort hatte5. Auf den Seiten, die unter mitwohnzentrale.de erreichbar sind, konnte das OLG Hamburg keine Irreführung erkennen. Insbesondere fehlte es nach Auffassung des Gerichts an einer (unzutreffenden) Alleinstellungsbehauptung der Website-Betreiber6.
1 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3264 – mitwohnzentrale.de; vgl. Strömer, Online-Recht, S. 119; Abel, WRP 2001, 1426. 2 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3263 – mitwohnzentrale.de; vgl. Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rz. 42; Sosnitza, K&R 2000, 209, 210; Thiele/Rohlfing, MMR 2000, 591, 593. 3 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3264; vgl. OLG Hamm vom 2.11.2000, MMR 2001, 237 – sauna.de; OLG Braunschweig vom 22.12.2009, K&R 2010, 194 f. (Ls.) – tests.de; OLG München vom 19.4.2001, CR 2001, 463 – autovermietung.com; LG Hamburg vom 30.6.2000, CR 2000, 617 – lastminute.com; a.A. LG Köln vom 10.10.2000, CR 2001, 193 – zwangsversteigerungen.de; LG München I vom 16.11.2000, K&R 2001, 108 – rechtsanwaelte.de. 4 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3265 – mitwohnzentrale.de; vgl. Abel, WRP 2001, 1426; Ernst, DuD 2001, 212, 214; Härting/Reinholz, K&R 2003, 485, 489. 5 OLG Hamburg vom 6.3.2003, CR 2003, 605 = MMR 2003, 537 – mitwohnzentrale.de II. 6 OLG Hamburg vom 6.3.2003, CR 2003, 605, 606 = MMR 2003, 537 f. – mitwohnzentrale.de II.
489
H. Domainrecht
1989
Nach der – mit der mitwohnzentrale.de-Entscheidung nicht zu vereinbarenden – Auffassung des OLG Hamm erweckt die Inhaberin der Domain tauchschule-dortmund.de, eine von mehreren Tauchschulen in Dortmund, allein durch die Domainnutzung den irreführenden Eindruck einer Spitzenstellung in Dortmund1. Der Verbraucher verbinde mit tauchschule-dortmund.de von vornherein nicht irgendeine Tauchschule, sondern die „erste Tauchschule am Platze“. Das OLG ließ eine Revision zum BGH nicht zu; die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH – ohne nähere Begründung – zurückgewiesen2.
1990
In seiner Entscheidung zu anwaltskanzlei-dortmund.de ist das OLG Hamm auf die Linie der mitwohnzentrale.de-Entscheidung des BGH eingeschwenkt und hat eine irreführende Spitzenstellungswerbung verneint. Dem Verkehr sei bekannt, dass eine Domain nur einmal vergeben werden könne und dass die Vergabe nach dem Prioritätsprinzip erfolgt. Von daher wisse der Verkehr, dass eine Domain als solche noch nichts darüber besagt, ob der „Aussagegehalt der Domain“ zutrifft3.
1991
Einen großzügigen Maßstab legte das OLG Frankfurt a.M. für die Domain drogerie.de an. Unter der Domain waren keinerlei Informationen abrufbar, die mit einer Drogerie in Verbindung gebracht werden können. Unter Hinweis auf „sehr unterschiedliche Präsentationen“ im Internet und „diffuse“ Erwartungen der Internetnutzer verneinte das OLG Frankfurt a.M. eine wettbewerbswidrige Irreführung4.
1992
Die mitwohnzentrale.de-Entscheidung hat einen Weg gewiesen, jegliche unlautere Irreführung gemäß § 5 UWG durch eine Domainnutzung zu verhindern. Ein Hinweis auf der Eingangsseite einer Website auf vorhandene Mitbewerber schließt jegliche Fehlvorstellung über den Kreis dieser Mitbewerber aus. Daher hat das OLG Hamburg einem Unternehmer, der unter der Domain deutsches-handwerk.de unter anderem eine Suchmaschine für Handwerker betrieb, diese Art der Domainnutzung zwar wegen Irreführung (§ 5 UWG) untersagt, einschränkend jedoch auf die Möglichkeit eines „deutlichen Hinweises auf der Startseite“ verwiesen, die die Irreführung beseitigen kann5. Schwer zu vereinbaren mit dem mitwohnzentrale.de-Urteil des BGH ist dagegen die Entscheidung des OLG Hamburg zu tipp.ag, in der eine Irreführung gemäß § 5 UWG bejaht wurde, ohne die Möglichkeit klarstellender Hinweise auf der Startseite vertieft zu behandeln6. 1 OLG Hamm vom 18.3.2003, CR 2003, 522 – tauchschule-dortmund.de. 2 BGH vom 20.11.2003 – I ZR 117/03 – tauchschule-dortmund.de. 3 OLG Hamm vom 19.6.2008, MMR 2009, 50 f. mit Anm. Kuhr – anwaltskanzleidortmund.de. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 12.9.2002, WRP 2002, 1452, 156 f. = MMR 2002, 811, 812 f. – drogerie.de. 5 OLG Hamburg vom 15.11.2006, CR 2007, 158 – deutsches-handwerk.de. 6 OLG Hamburg vom 16.6.2004, CR 2004, 769 – tipp.ag.
490
IV. Domainstreit
Das OLG München bejahte eine Irreführung durch Nutzung der Domains 1993 bayerischespielbank.de, bayerischespielbanken.de und bayerische-spielbank.de für Seiten, auf die – per Domain-Parking – Werbelinks geschaltet waren. Das OLG hatte sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit Domains registriert werden dürfen, die einen Staatsbetrieb – die Spielbanken Bayern – bezeichnen. Der Verkehr verstehe die Domainnamen nicht als bloße Gattungsbegriffe („Spielbanken“) mit geografischem Zusatz („Bayerische“), sondern erwarte unter den Domains einen Internetauftritt, der dem staatlichen Betreiber der Spielcasinos zuzuordnen sei1. Nicht mit mitwohnzentrale.de vereinbar ist es, wenn das OLG München 1994 es für schlechterdings unbeachtlich hält, ob die Irreführung bei Aufruf der Webseiten bestehen bleibt, und wenn das Gericht meint, die Möglichkeit der Ausräumung einer Irreführung durch klarstellende Hinweise auf der Website sei ein „Privileg“, das nur für Domains mit Gattungsbegriffen und zwischen Gleichnamigen gelte2. Û Praxistipp: Bei der Nutzung von Domains, die Gattungsbegriffe enthal- 1995 ten, ist Sorgfalt ratsam, wenn es um die Gestaltung der Eingangsseite der Website geht. Wettbewerbswidriges Verhalten kann sich insbesondere aus dem Hervorrufen des unzutreffenden Eindrucks einer Spitzen-, Vorzugs- oder Alleinstellung ergeben. Durch wahrheitsgemäße, klarstellende Hinweise lässt sich jeder Vorwurf einer Irreführung abwehren. b) Domains der Anwälte, Notare und Steuerberater In etlichen Streitfällen um die Domains von Anwalts-Websites ging es 1996 im Wesentlichen darum, ob sich aus § 43b BRAO Beschränkungen ableiten lassen, die über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinausgehen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot3. Der BGH hat in drei Entscheidungen deutlich Position zu dieser Proble- 1997 matik bezogen: In seiner Entscheidung zu den Vanity-Nummern hatte der BGH über die Wettbewerbswidrigkeit berufsbezeichnender bzw. tätigkeitsbeschreibender Begriffe wie „Rechtsanwalt“, „Anwaltskanzlei“ bzw. „Rechtsanwaltskanzlei“ zu entscheiden, die im Zusammenhang mit der Bewerbung von Telefonnummern verwendet wurden4. Der BGH billigte die „Monopolisierung“ einer attraktiven Nummer wie 0800-RECHTS1 OLG München vom 28.8.2010 – 29 U 2590/10 – bayerischespielbank.de, Rz. 34. 2 OLG München vom 28.8.2010 – 29 U 2590/10 – bayerischespielbank.de, Rz. 35. 3 Vgl. Kleine-Cosack, BRAO, § 43b Rz. 5. 4 BGH vom 21.2.2002, NJW 2002, 2642 = BB 2002, 1716 = BGH-R 2002, 853 mit Anm. Härting – 0800-RECHTSANWALT.
491
H. Domainrecht
ANWALT durch eine einzelne Kanzlei. Eine Irreführung liege in der Verwendung einer solchen Nummer nicht, da der Verkehr mit der Nutzung einer solchen Nummer nicht die Vorstellung einer Vorzugsstellung der betreffenden Kanzlei verbinde. Daher fehle es auch an einem Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43b BRAO1. Obwohl dem Verfahren kein Domainrechtsstreit zugrunde lag, ist der Inhalt der Entscheidung auf die Streitigkeiten um die „Berufsdomains“ ohne Weiteres übertragbar, da bei der Vergabe von Vanity-Nummern durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) gleichfalls das Prioritätsprinzip gilt2. 1998
In seiner Entscheidung zu der von einem Rechtsanwalt genutzten Domain presserecht.de hat der BGH seine Auffassung zu den Gattungsdomains konsequent weiterverfolgt3. Die „Monopolisierung“ einer attraktiven Domain ist nach Ansicht des BGH auch unter Rechtsanwälten erlaubt. Auf Grund des Prioritätsprinzips wisse der Internetnutzer, dass er bei Eingabe eines Gattungsnamens auch zum Informationsangebot eines Website-Betreibers gelangen könne, der sich gewerblich oder freiberuflich mit dieser Materie befasst und an der Herstellung eines geschäftlichen Kontakts zum Internetnutzer interessiert ist. Daher irritiere es einen durchschnittlichen Nutzer nicht, wenn er unter dem Domainnamen presserecht.de auf eine Homepage stößt, die Informationen über eine einzelne Anwaltskanzlei enthält4. Etwaige Fehlvorstellungen über die Person des Anbieters könnten auf der Eingangsseite des Internetauftritts ausgeräumt werden5.
1999
Der BGH verneinte eine Irreführung bei der Verwendung der Domain rechtsanwaelte-notar.de durch zwei Rechtsanwälte, von denen einer zugleich Notar war6. Schon die ungewöhnliche Begriffskonstruktion mache es unwahrscheinlich, dass Nutzer über die Browsereingabe zur Seite des Domaininhabers gelangen, so dass die Gefahr einer Kanalisierung von Kundenströmen von vornherein nicht bestehe7. Auch sei es wenig wahrscheinlich, dass Nutzer unter der Domain einen Überblick über das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen erwarten oder irrig von einer Allein- oder Spitzenstellung der Kanzlei ausgehen. Etwaige Fehlvorstellungen über die Größe der Kanzlei könnten ohne Weiteres auf der Eingangsseite der Website ausgeräumt werden8.
2000
Letztlich sind nach der überzeugenden Linie des BGH aus § 43b BRAO keine Anforderung abzuleiten, die über die in dem mitwohnzentrale.de1 2 3 4 5 6
BGH vom 21.2.2002, NJW 2002, 2642, 2645. Härting, K&R 2002, 561, 565. BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252 – presserecht.de. BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252, 254 – presserecht.de. BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252, 254 – presserecht.de. BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256 – rechtsanwaelte-notar.de; vgl. auch Schmittmann, K&R 2006, 67 f. 7 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256, 257 – rechtsanwaelte-notar.de. 8 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256, 258 – rechtsanwaelte-notar.de.
492
IV. Domainstreit
Urteil entwickelten Grundsätze des allgemeinen Wettbewerbsrechts hinausgehen1. In seiner Entscheidung zur Domain steuerberater-suedniedersachsen.de 2001 hat der BGH diese Linie auch für die Domains von Steuerberatern bestätigt. Die Nutzung der Domain durch ein Steuerberaterbüro verstößt demnach nicht gegen das Sachlichkeitsgebot und das Verbot berufswidriger Werbung (§ 57a StBerG). Der BGH stellt heraus, dass für den durchschnittlich informierten Verbraucher weder eine Gefahr der Irreführung noch ein Effekt der Kanalisierung von Kundenströmen bestehe. Internetnutzer wählen auf der Suche nach Steuerberatern in der Region allenfalls zufällig neben dem Gattungsbegriff „Steuerberater“ die regionale Bezeichnung „Südniedersachsen“. Zudem fehlt es an der Behauptung einer Alleinstellung, weil auf einen bestimmten Artikel im Domainnamen ebenso verzichtet wird wie auf sonstige Zusätze, die die Steuerkanzlei besonders hervorheben2. Vor (und nach) den BGH-Urteilen gab es eine ganze Reihe widersprüchli- 2002 cher Entscheidungen der Instanzgerichte. Während das LG München I die Nutzung der Domain rechtsanwaelte.de3 durch eine Münchener Anwaltskanzlei als berufs- und wettbewerbswidrig einstufte und das OLG Celle dieselbe Auffassung hinsichtlich der Domain anwalt-hannover.de4 vertrat, verneinte das OLG Braunschweig unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil zu mitwohnzentrale.de einen Wettbewerbsverstoß bei der Domain pruefungsrecht.de5. Obwohl die Domain von einem Rechtsanwalt für ein Informationsportal genutzt wurde, das sich nicht schwerpunktmäßig mit Fragen des Prüfungsrechts befasste, konnte das OLG Braunschweig in der Verwendung der Domain weder eine Irreführung noch eine gemäß § 3 UWG unlautere Absatzbehinderung erkennen6. In diesem Sinne entschied auch das LG Berlin bezüglich der Domain rechtsbeistand.info7: Eine wettbewerbswidrige Behinderung im Wege einer „Kanalisierung von Kundenströmen“ scheide ebenso wie eine Irreführung aus, da der Internetnutzer spätestens beim Aufruf der Website erkennen könne, dass darin keinesfalls ein umfassendes und endgültiges Verzeichnis der Berufsgruppe zu finden sei8. Auf derselben Linie lag die Entscheidung des OLG Hamm zu anwaltskanzlei-dortmund.de9. 1 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252, 254 – presserecht.de. 2 BGH vom 1.9.2010, StbSt (R) 2/10 – steuerberater-suedniedersachsen.de, Rz. 3 ff. 3 LG München I vom 16.11.2000, K&R 2001, 108 – rechtsanwaelte.de. 4 OLG Celle vom 29.3.2001, MMR 2001, 531 – anwalt-hannover.de. 5 OLG Braunschweig vom 21.6.2002, MMR 2002, 754 – pruefungsrecht.de. 6 OLG Braunschweig vom 21.6.2002, MMR 2002, 754 – pruefungsrecht.de. 7 LG Berlin vom 18.6.2003, NJW 2004, 1254 = MMR 2004, 47 – rechtsbeistand.info. 8 LG Berlin vom 18.6.2003, MMR 2004, 47, 48 – rechtsbeistand.info. 9 OLG Hamm vom 19.6.2008, MMR 2009, 50 f. mit Anm. Kuhr – anwaltskanzleidortmund.de.
493
H. Domainrecht
2003
Nach Auffassung des OLG Celle stellt die Nutzung der Domain kanzleiniedersachsen.de durch eine Anwaltskanzlei weder einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot noch eine Alleinstellungsbehauptung oder die Behauptung eines Näheverhältnis zur niedersächsischen Staatskanzlei dar1.
2004
Anders entschied das OLG Hamburg den Streit um die Domain rechtsanwalt.com und bejahte eine Irreführung, da der Domaininhaber kein Rechtsanwalt war2. Unerheblich war nach Auffassung des OLG Hamburg, dass unter der Domain eine Datenbank mit rund 50 000 Anwaltsadressen und eine Vielzahl weiterer rechtlicher Informationen abrufbar waren. Die Irreführung und damit der Verstoß gegen § 5 UWG lag nach Auffassung des OLG Hamburg darin, dass der Nutzer unter einer Domain, die eine geschützte Berufsbezeichnung beinhaltet, „Homepages von Berufsangehörigen oder deren Berufs- oder Standesvertretungen“ erwarte3.
2005
Einen strengen Maßstab, der mit der BGH-Rechtsprechung nicht zu vereinbaren ist, legte auch das OLG München an bei der Domain rechtsanwaelte-dachau.de4. Der OLG-Senat meinte, „aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung“ davon ausgehen zu können, dass der Internetnutzer unter einer derartigen Domain ein örtliches Anwaltsverzeichnis erwartet, und stützte die Auffassung maßgeblich auf den Plural („Rechtsanwälte“) in der Domain.
2006
Um Fragen des Berufsrechts der Notare ging es in der Entscheidung des BGH zu notar-in-X-stadt.de. Der BGH vertrat die Auffassung, dass eine Notarkammer, die ein online abrufbares Notarverzeichnis führt, jeden Notar aufnehmen und einen Link zur Homepage des Notars setzen muss, auch wenn die Kammer der Auffassung ist, dass die Homepage unter einer berufsrechtlich unzulässigen Domain betrieben wird5.
2007
Unzulässig ist es nach Auffassung des BGH, für die Website einer Anwalts- und Notarskanzlei die Domain anwaltskanzlei-notariat.de zu verwenden6. § 2 Satz 2 BNotO schreibt Notaren die Verwendung der Amtsbezeichnungen Notarin oder Notar vor. Der Begriff des „Notariats“ weicht hiervon in unzulässiger Weise ab.
1 2 3 4 5 6
OLG Celle vom 17.11.2011 – 13 U 168/11 – kanzlei-niedersachsen.de. OLG Hamburg vom 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1582 – rechtsanwalt.com. OLG Hamburg vom 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1582 – rechtsanwalt.com. OLG München vom 18.4.2002, K&R 2002, 608 – rechtsanwaelte-dachau.de. BGH vom 11.5.2009, WRP 2009, 953, 956 – notar-in-X-stadt.de. BGH vom 11.7.2005, NJW 2005, 2693 = CR 2005, 878 = MMR 2005, 759 = K&R 2005, 423 – anwaltskanzlei-notariat.de; vgl. auch Schmittmann, K&R 2006, 67, 68.
494
IV. Domainstreit
c) Tippfehler und Umlaute Brisant sind Tippfehler-Domains unter Konkurrenten. Dort mag ein An- 2008 bieter ein Interesse daran haben, Kunden der Konkurrenz durch Reservierung ähnlicher Domains auf seine Seiten umzuleiten (z.B. yawho.de). In einem solchen Fall liegt neben möglichen markenrechtlichen Verstößen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) ein wettbewerbswidriges Verhalten vor. In der Reservierung der Tippfehlerdomain liegt ein unlauteres Abfangen von Kunden und unter Umständen auch eine Rufausbeutung1. Wer ein Veranstaltungszentrum unter der Bezeichnung „Ringlokschup- 2009 pen“ führt und unter der Domain ringlokschuppen.com bewirbt, braucht es nicht hinzunehmen, dass sich ein Konkurrent die Domain ringlockschuppen.de registrieren lässt. Jedenfalls dann wenn die Tippfehler-Domain in der Vergangenheit für Werbezwecke verwendet wurde und somit eine Wiederholungsgefahr vorliegt, bestehen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche (§ 8 i.V.m. §§ 3 und 4 Nr. 8 und 9 UWG). Ob daneben auch Ansprüche aus § 12 BGB bestehen2, ist unerheblich. Das OLG Köln hatte einen klaren Fall eines Wettbewerbsverstoßes zu 2010 entscheiden. Der Kläger bietet unter der Domain wetteronline.de einen online-Wetterdienst an. Die Beklagte nutzte die Domain wetteronlin.de zur Weiterleitung auf eine Parking-Seite mit Werbelinks. Das OLG Köln gab dem Kläger Recht, der Unterlassung und Freigabe der Domain verlangte3. In einem ähnlichen Fall hat der LG Hamburg namensrechtliche Ansprüche der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Hinblick auf die Domain bundesliag.de bejaht4. Besteht eine Firma im Kern aus drei Gattungsbegriffen („AMS Advanced 2011 Microwave Systems GmbH“), so liegt eine unlautere Behinderung (§§ 3 und 4 Nr. 10 UWG) vor, wenn sich ein Konkurrent mehrere Domains registrieren lässt, die aus diesen Gattungsbegriffen bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Domains zur Weiterleitung auf eine Website mit Konkurrenzangeboten genutzt werden5. Eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 i.V.m. § 3 UWG liegt auch vor, wenn sich ein Domaininhaber bei der Registrierung der Domain an die Domain eines Konkurrenten gezielt annähert und dabei darauf spekuliert, dass Internetnutzern bei der Eingabe der Adresse Fehler unterlaufen mit der Folge einer „Umleitung“ der Nutzer auf das eigene Angebot6.
1 2 3 4 5
Vgl. Viefhues, MMR Beilage 8/2001, 25, 27. Vgl. OLG Hamm vom 27.11.2006, MMR 2006, 391 – ringlockschuppen.com. OLG Köln vom 20.2.2012 – 6 U 187/11 – wetteronlin.de. LG Hamburg vom 31.8.2006, NJW-RR 2007, 338 – bundesliag.de. OLG Hamburg vom 14.4.2005, MMR 2006, 328, 329 f. – advanced-microwavesystems.de. 6 OLG Jena vom 23.3.2005, MMR 2006, 776, 777 f. – deutsche-anwalthotline.de; vgl. auch LG Erfurt vom 21.10.2004, MMR 2005, 121 (Vorinstanz).
495
H. Domainrecht
2012
Wer die Domain wwwmoebel.de registrieren lässt, legt es darauf an, dass Internetnutzer die eigene Website erreichen, obwohl sie die unter der Domain moebel.de betriebenen Internetseiten aufrufen wollten. Es mutet daher blauäugig an, wenn das LG Hamburg1 hierin keine gezielte Behinderung des Inhabers der Domain moebel.de sehen wollte und es für nicht feststellbar erachtete, dass die Eingabe der Adresse moebel.de dem Zweck dient, zu den Internetseiten des Unternehmens zu gelangen, dem diese Domain gehört.
2013
Seit dem 1.3.2004 können Internetnutzer Domainnamen mit Umlauten verwenden2. Die Registrierung der so genannten IDN (Internationalized Domain Names) ist nicht nur unter den TLDs der deutschsprachigen Länder Deutschland (.de) Österreich (.at) und der Schweiz (.ch) möglich. Auch unter generic-Top-Level-Domains (gTLD) wie .info, .net oder .com können Domainnamen mit bis zu 94 zusätzlichen Zeichen angemeldet werden3.
2014
Dass die IDN-Einführung Domaingrabber auf den Plan rief, zeigt eine Entscheidung des LG Köln zur Domain touristikbörse24.de4. Das LG erließ eine einstweilige Verfügung gegen den Domaininhaber. Dieser hatte die Domain einem Reisevermittler angeboten, der über lange Jahre hinweg einen Internetauftritt unter der Domain touristikboerse24.de aufgebaut hatte. Als „Gegenleistung“ für die Herausgabe der Domain verlangte der Inhaber die Finanzierung eines 21-tägigen „all inclusive“-Urlaubs in die Dominikanische Republik für vier Personen in einem Luxushotel samt Mietwagen. Als der Reisevermittler nicht mitspielte, versuchte der Inhaber, die Domain bei Ebay zu versteigern. d) Einzelfälle
2015
Ob der Internetnutzer unter der Domain tipp.ag – wie das OLG Hamburg5 meint – tatsächlich den Internetauftritt einer Aktiengesellschaft erwartet (§ 5 UWG), ist zumindest zweifelhaft.
2016
Irreführend gemäß § 5 UWG ist eine Domain mit dem Zusatz „-international.de“ für die Website eines Autoglasbetriebs, wenn der Betrieb außerhalb Deutschlands keine Geschäfte tätigt6.
2017
Das OLG Frankfurt lehnte die Eintragungsfähigkeit der Bezeichnung outlets.de als Firma gemäß § 18 Abs. 1 HGB ab und meinte, dem Begriff „Outlets“ fehle von Haus aus eine hinreichende Unterscheidungskraft. 1 2 3 4 5 6
LG Hamburg vom 16.7.2009, K&R 2009, 745, 746 f. – wwwmoebel.de. Vgl. Reinholz/Härting, CR 2004, 603 ff. Vgl. http://www.denic.de/de/domains/idns/liste.html. LG Köln vom 12.3.2004 – 31 O 155/04 – touristikbörse24.de. OLG Hamburg vom 16.6.2004, CR 2004, 769, 770 f. – tipp.ag. OLG Dresden vom 4.5.2010 – 14 U 46/10, Rz. 44 ff.
496
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Die Endung .de sei für den Verkehr kein Unterscheidungsmerkmal, vielmehr nehme er diese lediglich als Hinweis auf die Existenz einer entsprechenden Domain wahr1. Das OLG Dresden hatte sich damit auseinanderzusetzen, ob eine Eintra- 2018 gung der Firmenbezeichnung fashion-shopgermany.eu e.Kfr. in das Handelsregister zulässig ist. Die Vorinstanz hatte in der Eintragung der Bezeichnung einen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 HGB2 gesehen. Dagegen stellte das OLG Dresden eine hinreichende Unterscheidungskraft mit überzeugender Begründung fest. Unter jeder TLD kann eine Second-Level-Domain nur einmal vergeben werden3. Demzufolge kann bei einer Firmenbezeichnung aus dem Zusammenhang von Domainendung und Second-Level-Domain eine ausreichende Abgrenzung zu anderen aus einer Domain bestehenden Firmenbezeichnungen abgeleitet werden. Dies erscheint für das Firmenrecht gut vertretbar. Eine Übertragung auf Domainstreitigkeiten, in denen es um die Freigabe einer bestimmten Domain geht, kann daraus nicht abgeleitet werden. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass es den Domainendungen an einer hinreichenden Unterscheidungskraft fehlt.
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner 1. Anspruchsziele Liegen die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 14, 15 MarkenG, §§ 12, 826 2019 BGB bzw. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG vor, fragt sich, worauf sich die Ansprüche richten. Beim Streit um Domains geht es nur vordergründig um „bessere Rechte“, 2020 da es an jeglicher Absolutheit eines Domainrechts fehlt4. Häufig stehen sich zwar zwei Parteien gegenüber, die jeweils Rechte an einem Domainnamen geltend machen. Der Domaininhaber benötigt indes zu seiner Legitimation gegenüber Dritten keine Rechtfertigung – es gilt der Prioritätsgrundsatz, so dass beispielsweise die Frage verfehlt ist, aus welchem Grund der Inhaber von „genuss.de“ diese Domain innehaben und „behalten“ darf. Allein die Schnelligkeit bei der Anmeldung und Registrierung verleiht dem Domaininhaber das Recht, Dritte von der Domainnutzung auszuschließen5. In der Legitimierungspflicht ist stets der Dritte, der sich durch die Do- 2021 mainnutzung in seinen Rechten verletzt sieht. Er muss darlegen und 1 2 3 4 5
OLG Frankfurt a.M. vom 13.10.2010 – 20 W 196/10 – outlets.de. LG Leipzig, 22.7.2010 – 4 HKT 145/09. OLG Dresden vom 15.11.2010 – 13 W 890/10, Rz. 10. Siehe Rz. 1818 ff. Vgl. BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 = WRP 2002, 694, 698 – shell.de.
497
H. Domainrecht
nachweisen können, dass er über eine Rechtsposition verfügt, die durch den Domaininhaber unzulässig beeinträchtigt wird. Als eine solche Rechtsposition kommen insbesondere Kennzeichen- und Namensrechte in Betracht, aber auch Rechte aus § 826 BGB bzw. den §§ 3 und 5 UWG. Nur wenn derartige Rechte bestehen, kommt es darauf an, ob der Domaininhaber seinerseits Rechte an der Domainbezeichnung gelten machen kann. Wenn dies der Fall ist, stellt sich tatsächlich die Frage nach dem „besseren Recht“. a) Unterlassung 2022
Problemlos lassen sich aus den §§ 14, 15 MarkenG, §§ 12, 826 BGB bzw. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG Ansprüche auf Unterlassung der rechtswidrigen Nutzung einer bestimmten Domain ableiten1. Diese Ansprüche sind auf Untersagung der Nutzung einer Domain für Websites mit rechtsverletzenden Inhalten gerichtet und lassen dem Domaininhaber die Möglichkeit einer anderweitigen Nutzung offen. b) Übertragung
2023
Versuchen, aus gewagten marken- oder gar grundstücksrechtlichen Analogien Ansprüche auf Übertragung einer Domain abzuleiten2, hat der BGH in seiner Entscheidung zu shell.de einen klaren Riegel vorgeschoben3. Eine Übertragung der Domain lässt sich aus keiner der Anspruchsgrundlagen herleiten, die im Domainrecht in Betracht kommen4. Der Weg zur Erlangung einer .de-Domain, die ein Dritter rechtswidrig registriert hat, führt über einen Dispute-Eintrag bei der DENIC, der verhindert, dass in einem laufenden Domainstreit Domains an andere Personen übertragen werden5. Anders sieht dies im WIPO-Schiedsgerichtsverfahren aus, wo nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (§ 3 UDRP) auch der Transfer einer Domain ein möglicher Schiedsspruch ist6.
1 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 57. 2 Vgl. OLG München vom 25.3.1999, CR 1999, 382 – shell.de; LG München I vom 15.1.1997, CR 1997, 479 – juris.de; LG München I vom 19.10.2000, CR 2001, 191 – champagner.de. 3 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 4 Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rz. 135 f.; Strömer, Online-Recht, S. 92; OLG Hamburg vom 21.9.2000, MMR 2001, 196 – derrick.de; OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 825 – motoradmarkt.de; a.A. Fezer, Markengesetz, § 3 Rz. 351. 5 Vgl. § 2 Abs. 3 der DENIC-Domainbedingungen; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rz. 81; Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rz. 122; Fezer, Markengesetz, Einl. G Rz. 120. 6 Vgl. http://www.icann.org/udrp/udrp-policy-24oct99.htm; Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rz. 142 ff.
498
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Vor dem LG Berlin versuchte die unterlegene Partei eines UDRP-Schieds- 2024 verfahrens, die bevorstehende Übertragung der Domain claro.com zu verhindern. Dabei beantragte der Kläger die Feststellung, dass der im Schiedsverfahren erfolgreiche Gegner nach deutschem Recht keinen Anspruch auf Übertragung der Domain habe. Das LG Berlin wies die Klage mit der Begründung zurück, dass kein Feststellungsinteresse bestehe, weil der Antrag lediglich darauf gerichtet sei, festzustellen, was nach deutschem Recht für einen Domain-Übertragungsanspruch gilt. Da sich der Kläger mit der Registrierung der Domain dem privatrechtlichen Regime der UDRP unterworfen habe, helfe ihm diese Feststellung jedoch nicht, um eine Übertragung der Domain zu verhindern1. c) Verzicht Der Verzichtsanspruch verpflichtet den Domaininhaber, gegenüber der 2025 DENIC oder einer anderen Vergabestelle die Freigabe der Domain zu erklären2. Es handelt sich um einen Anspruch auf Beseitigung der durch eine rechtswidrige Domainregistrierung entstanden Störung. Beseitigen lässt sich die Störung durch eine Löschung der Registrierung. Û Praxistipp: Ist man der Meinung, dass eine bei der DENIC registrierte 2026 Domain eigene Rechte verletzt, ist es ratsam, zunächst bei der DENIC einen Dispute eintragen zu lassen3. Die DENIC ist in diesem Fall gehindert, eine Domain zu übertragen. Der Dispute empfiehlt sich, weil ein Titel gegen den Domaininhaber nichts wert ist, wenn dieser die Domain zwischenzeitlich auf einen Dritten übertragen hat. Erst nach Eintragung des Disputes sollte der Domaininhaber abgemahnt werden. Gibt der Verletzer eine entsprechende Erklärung nicht ab, bleibt dem Rechteinhaber nur der Klageweg. Wenn es – etwa im Bereich der .eu-Domains – kein Dispute-Verfahren 2027 gibt, kann im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Verfügungsverbot in Betracht kommen, um den Antragssteller davor zu bewahren, dass seine Rechte durch eine Übertragung der Domain an Dritte vereitelt werden4. Da es für einen Dispute-Eintrag nur des Nachweises einer (gerichtlichen 2028 oder außergerichtlichen) Streitigkeit über die Domain bedarf und die DENIC keine rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten des Dispute-Anmelders vornimmt, lädt das Dispute-Verfahren gelegentlich zum Missbrauch ein. Gegen einen rechtsmissbräuchlichen Eintrag kann sich ein Domain1 LG Berlin vom 8.2.2011 – 16 O 54/09. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 214 – krupp.de; OLG München vom 25.3.1999, CR 1999, 382 – shell.de. 3 Vgl. § 2 Abs. 3 DENIC-Domainbedingungen. 4 KG vom 10.8.2007, CR 2007, 735 = MMR 2008, 53; vgl. Reinholz/Schätzle, K&R 2008, 573, 578.
499
H. Domainrecht
inhaber wehren, da ein solcher Eintrag einen Eingriff in Kennzeichenrechte oder in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen kann1. Ob die Inhaberschaft an der Domain als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden kann2, ist allerdings im Hinblick auf die fehlende dingliche Natur des „Rechts an der Domain“ zweifelhaft3. aa) Kennzeichenrecht 2029
Im Bereich des Kennzeichenrechts setzt ein Verzichtsanspruch voraus, dass keine Nutzung durch den Domaininhaber denkbar ist, die die Rechte des Kennzeicheninhabers nicht verletzt4. Markenrechtlich sind daher Löschungsansprüche keineswegs die Regel, sondern die (seltene) Ausnahme, die im Normalfall nur bei bekannten Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG) in Betracht kommt5. Der BGH hat sich mehrfach veranlasst gesehen, auf die engen Voraussetzungen für Verzichtsansprüche in deutlicher Form hinzuweisen6.
2030
Ein kennzeichenrechtlicher Verzichts- bzw. Freigabeanspruch besteht nur, wenn jede Verwendung des Domainnamens eine Rechtsverletzung nach § 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 2 MarkenG darstellen würde7. Dies kann sich daraus ergeben, dass der Verkehr den unzutreffenden Eindruck gewinnen könne, zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden vertragliche, organisatorische oder sonstige wirtschaftliche Verbindungen. Dies kann jedoch nur bei hinreichender Branchennähe und nicht schon allein wegen der von der von einem Reiseveranstalter geltend gemachten erhöhten Kennzeichnungskraft seines bekannten Marke („AIDA“) und einer Ähnlichkeit der beiden Zeichen („AIDU“) angenommen werden8.
1 OLG München vom 15.2.2007, WRP 2007, 560, 565 – der-andechser.de; LG Kön vom 8.5.2009, K&R 2009, 511 f. – welle.de. 2 Vgl. OLG Köln vom 17.3.2006, MMR 2006, 469 mit Anm. Utz – investment.de; LG Düsseldorf vom 19.8.2009 – 34 O 16/09 – cola.de. 3 Siehe Rz. 1818 ff. 4 Vgl. BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom; BGH vom 26.6.2008, WRP 2008, 1319, 1323 – EROS; LG Hamburg vom 18.7.2008, K&R 2009, 61, 63 – wachs.de. 5 Becker, WRP 2010, 467, 468; BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381, 383 f. – AIDA/AIDU; vgl. auch LG Köln vom 8.2.2007, K&R 2007, 221, 223 (Vorinstanz). 6 Härting, ITRB 2008, 38, 39 ff.; BGH vom 22.7.2004, NJW 2005, 1198 ff. = CR 2005, 284 = MMR 2005, 191 = WRP 2005, 338 – soco.de.; BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 = MDR 2005, 765 – mho.de; BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 ff. – hufeland.de; BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom; Kazemi, MMR 2008, 31 f.; BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381 ff. – AIDA/AIDU; BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880 ff. – Peek & Cloppenburg. 7 Vgl. OLG Hamburg vom 14.2.2008 – 3 U 152/05 – emetro.com. 8 BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381, 383 – AIDA/AIDU.
500
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Dem Inhaber einer .com-Domain, der den Begriff Gelbe Seiten im Zu- 2031 sammenhang mit dem Begriff Branchenbuch im Domainnamen verwendet, kann nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht die Freigabe der Domain auferlegt werden. Zwar handele es sich bei dem Begriff „Gelbe Seiten“ um eine eingetragene inländische Marke, deren Verwendung in der .com-Domain markenmäßig erfolgt und Verwechslungsgefahr begründet. Jedoch seien Nutzungen im Ausland denkbar, die mit der Marke „Gelbe Seiten“ nicht kollidieren1. Ein Verzichts- bzw. Freigabeanspruch lässt sich keineswegs schon daraus 2032 ableiten, dass der Domaininhaber eine Kennzeichenrechtsverletzung begangen hat2. Zwar ergibt sich hieraus eine Wiederholungsgefahr – dies jedoch nur im Hinblick auf die von dem Domaininhaber begangene Nutzung des Kennzeichens, nicht – „schlechthin“ – auf jede denkbare Nutzung der Domain. Unzutreffend und ohne ersichtliche rechtliche Grundlage ist es, einen 2033 Verzichtsanspruch aus „gewohnheitsrechtlicher Verankerung und analog § 1004 BGB“ abzuleiten3. Das OLG Hamburg hat in seiner Entscheidung zu ahd.de einen Verzichts- 2034 anspruch des Inhabers der Geschäftsbezeichnung ahd mit der Begründung bejaht, dass ein „eigenes Interesse“ des Beklagten an der Domain nicht ersichtlich sei. Daher sei dem Beklagten nicht nur – markenrechtlich – die Domainnutzung für Angebote konkurrierender Produkte untersagt. Vielmehr bestehe ein „Schlechthinverbot“, das sich aus einer unlauteren Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG ableiten lasse4. Dies überzeugt indes nicht. Aus dem domainrechtlichen Prioritätsgrundsatz lässt sich ableiten, dass es zur Legitimation der Registrierung und Nutzung einer Domain keineswegs erforderlich ist, dass ein „eigenes Interesse“ an der Domain besteht. Ein Löschungsanspruch lässt sich aus § 4 Nr. 10 UWG nur ableiten, wenn ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Domaininhabers (ausnahmsweise) bejaht werden kann5. bb) Namensrecht Im Namensrecht (§ 12 BGB) sind die Anforderungen an einen Freiga- 2035 beanspruch wesentlich geringer, da das Namensrecht keine branchenmäßigen oder auch räumlichen Abstufungen kennt. Die Registrierung einer Domain ohne eigenes Namens- oder sonstiges Recht des Domain1 2 3 4
OLG Frankfurt a.M. vom 14.6.2011 – 6 U 34/10 – Gelbe Seiten. A.A. LG Düsseldorf vom 20.6.2008 – 2a O 333/07 – bimota.de. A.A. LG Hamburg vom 17.6.2008, MMR 2009, 143 (Ls.) – anwalt-ebay.de. OLG Hamburg vom 5.7.2006, CR 2007, 47 – ahd.de; vgl. auch LG Hamburg vom 26.5.2005, MMR 2005, 780 (Vorinstanz); LG Hamburg vom 12.8.2008 – 312 O 64/08 – area45cycles.com; siehe auch Rz. 1431. 5 BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 f. mit Anm. Rössel – ahd.de; LG Hamburg vom 18.7.2008, K&R 2009, 61, 63 – wachs.de; siehe auch Rz. 1432 f.
501
H. Domainrecht
inhabers genügt, um Verzichtsansprüche der Namensträger aus § 12 BGB zu begründen1. Ein Verzichtsanspruch aus § 12 BGB lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, dass sich der Anspruchssteller bereits eine Domain gesichert habe, die seinen Namen enthält (dsds.de), und daher durch eine ähnlich lautende Domains (dsds-news.de) keine schutzwürdigen Interessen des Anspruchsstellers berührt seien2. 2036
Für ein „eigenes Recht“ des Domaininhabers, das einem Freigabeanspruch entgegensteht, genügt ein Markenrecht3.
2037
Im Ergebnis eigenwillig entschied das OLG Oldenburg die Klage der Gemeinde Schulenberg (Harz) gegen die Registrierung und Nutzung der Domain schulenburg.de durch einen gleichnamigen Privatmann4. Die Domain dürfe zwar („schlechthin“) nicht genutzt werden, müsse aber auch nicht gelöscht werden. Ein Verzichtsanspruch komme nur in Betracht, wenn der klagende Namensträger überragend bekannt sei. Die Entscheidung ist inkonsequent, da es bei einem „Schlechthinverbot“ keinen ersichtlichen Grund gibt, der gegen einen Verzichtsanspruch spricht. Ein Freigabeanspruch würde jedoch – ebenso wie das vom OLG Oldenburg bejahte Nutzungsverbot – im Widerspruch zu der shell.de-Entscheidung des BGH5 stehen, da es an einer „überragenden Bekanntheit“ der Gemeinde Schulenburg fehlt und der Domaininhaber eigene Rechte aus § 12 BGB geltend machen kann. cc) Wettbewerbsrecht
2038
Ein Anspruch auf Freigabe einer Domain kann sich daraus ergeben, dass die Registrierung als wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 8, 9 oder 10 UWG anzusehen ist, wie dies etwa bei Tippfehler-Domains der Fall sein kann.
2039
Ein „Schlechthin“-Verbot ist allerdings auch im Wettbewerbsrecht die Ausnahme und nicht die Regel. So verneinte das OLG München einen Anspruch auf Freigabe der Domain bayerischespielbank.de an den Freistaat Bayern mit der Begründung, dass für eine gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) weder ein fehlendes Interesse des Domaininhabers genüge, eigene Inhalte unter den Domains zu veröffentlichen, noch das an die Allgemeinheit gerichtete Angebot, die Domain zu verkaufen. In der Registrierung liege auch keine Irreführung, weil allein hierdurch das
1 Vgl. Becker, WRP 2010, 467, 468 f.; OLG Hamburg vom 31.5.2007, CR 2007, 661 = K&R 2007, 413 – mlpblog.de I; OLG Hamm vom 18.1.2005, MMR 2005, 381 – juraxx.de; LG Hamburg vom 26.1.2005, CR 2005, 465 = MMR 2005, 254 – müller.de; LG Hannover vom 22.4.2005, CR 2005, 896 = MMR 2005, 550 – schmidt.de. 2 A.A. OLG Köln vom 19.3.2010, K&R 2010, 429, 430 – dsds-news.de. 3 OLG Köln vom 20.1.2006, CR 2006, 549, 552 – ecolab.de. 4 OLG Oldenburg vom 30.9.2003, MMR 2004, 34 – schulenberg.de. 5 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de.
502
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Marktverhalten nicht in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise beeinflusst werden könne1. d) Schadensersatz Sofern nachweisbar ist, dass durch eine rechtswidrige Domainnutzung 2040 ein Schaden entstanden ist, kommen Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 12 BGB, aus § 9 UWG i.V.m. § 3 UWG sowie aus § 14 Abs. 6 und § 15 Abs. 5 MarkenG in Betracht. Die Fälle, in denen Schadensersatzansprüche wegen einer rechtswidrigen Domainnutzung gerichtlich geltend gemacht werden, sind allerdings selten2. 2. Anspruchsgegner a) Domaininhaber Richtiger Anspruchsgegner ist zunächst der Verletzer. Dies ist im Regel- 2041 fall derjenige, der bei der DENIC als Domaininhaber eingetragen ist und auf der Website Inhalte bereithält3. Dies gilt auch dann, wenn er nicht zugleich Betreiber der Website ist, für die die Domain genutzt wird4. b) Treuhänder Nicht selten ist der Domaininhaber zu unterscheiden von dem Betreiber 2042 der Website, für die die Domain registriert wurde. Insbesondere in den frühen Jahren des Internet kam es oft vor, dass sich die von dem WebsiteBetreiber mit der Domainbeschaffung beauftragte Agentur selbst als Domaininhaber eintragen ließ. Im Streitfall stellt sich dann die Frage, ob sich der Domaininhaber auf Namens- und Kennzeichenrechte seines „Hintermannes“ (der Agentur) berufen kann. In seiner Entscheidung zu segnitz.de hat der BGH dies unter Hinweis auf § 26 Abs. 2 MarkenG für den Bereich des Markenrechts bejaht. Der Domaininhaber, der die Domain für den Inhaber eines Kennzeichenrechts mit dessen Zustimmung registrieren lässt, kann einem Dritten die Kennzeichenrechte entgegenhalten5. Von einem Lizenznehmer, der bei der Domainregistrierung die Lizenz- 2043 marke verwendet, kann nicht erwartet werden, dass er vorsorglich darauf
1 OLG München vom 28.8.2010 – 29 U 2590/10 – bayerischespielbank.de, Rz. 50. 2 Vgl. BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; LG Hamburg vom 15.5.2001, CR 2002, 296. 3 Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rz. 184. 4 Vgl. OLG Celle vom 8.4.2004, CR 2004, 772 = K&R 2004, 396 – grundke.de. 5 BGH vom 9.6.2005, NJW 2006, 146 = MMR 2006, 104 = K&R 2006, 37 – segnitz.de.
503
H. Domainrecht
hinweist, dass ihm Rechte an der Marke eingeräumt wurden1. Dies kann aber nicht mit dem bloßen Hinweis begründet werden, dass der Gesetzgeber auf einen Publizitätsakt für Markenlizenzen verzichtet hat2. Vielmehr erschließt sich dies aus dem Wesen einer Markenlizenz als Nutzungsrecht3. 2044
Auch Namensrechte eines Dritten (§ 12 BGB) kann ein Domaininhaber geltend machen, wenn eine wirksame Gestattung durch den Namensträger vorliegt4. Dies gilt allerdings nach Auffassung des BGH nur, wenn die Domain entweder für den Internetauftritt des Namensträgers genutzt wird oder wenn der Domaininhaber auf andere Weise – beispielsweise durch Vorlage einer notariellen Treuhandvereinbarung – verlässlich nachweisen kann, dass er die Domain als Treuhänder des Namensträgers registriert hat. Mit dieser einschränkenden Voraussetzung, die der BGH in seinen Entscheidungen zu grundke.de5 und raule.de6 aus der Taufe gehoben hat, sollen missbräuchliche Eintragungen verhindert werden. Insbesondere möchte der BGH Vorsorge dagegen schaffen, dass der Domaininhaber für einen Domainnamen erst nachträglich, nachdem ein Namensträger seine Rechte geltend macht, einen Auftrag eines anderen Namensträgers zur Registrierung einholt. Eine fundierte Begründung, weshalb im Bereich des Namensrechts strengere Maßstäbe gelten sollen, als dies im Markenrecht der Fall ist, lassen die Entscheidungen zu grundke.de und raule.de allerdings vermissen.
2045
In seiner Entscheidung zu schmidt.de musste sich das OLG Celle7 mit der Frage befassen, wie sich der verlässliche Nachweis einer Treuhänderstellung erbringen lässt, wenn keine notarielle Vereinbarung vorliegt. Es ging um das Namensrecht des Entertainers Harald Schmidt und um die Eintragung der Domain durch den beklagten Fernsehsender SAT 1, der zum Zeitpunkt der Registrierung die Rechte an der „Harald-SchmidtShow“ innehatte. Das OLG Celle ließ es als Nachweis ausreichen, dass
1 2 3 4
LG Bremen vom 24.4.2008, MMR 2008, 479 f. – winther.de. Vgl. LG Bremen vom 24.4.2008, MMR 2008, 479, 480 – winther.de. Vgl. Bücker/Fürsen, MMR 2008, 719, 722 f. BGH vom 8.2.2007, NJW 2007, 2633 = CR 2007, 590 = K&R 2007, 471 – grundke.de; BGH vom 23.10.2008, K&R 2009, 399 mit Anm. Recke – raule.de; OLG Celle vom 13.12.2007, K&R 2008, 111 – schmidt.de; OLG Hamm vom 25.4.2005 – 13 U 15/05; OLG Stuttgart vom 4.7.2005, MMR 2006, 41; LG Hannover vom 22.4.2005, CR 2005, 896 = MMR 2005, 550 – schmidt.de; LG München I vom 28.4.2005, MMR 2006, 56; a.A. OLG Celle vom 8.4.2004, CR 2004, 772 = K&R 2004, 396 – grundke.de; OLG Celle vom 8.12.2005, CR 2006, 697 – raule.de; LG Hamburg vom 26.1.2005 – CR 2005, 465 = MMR 2005, 254 – müller.de; LG Hamburg vom 23.6.2006, ITRB 2007, 109 (Dieselhorst); vgl. auch Viefhues, MMR 2005, 76 ff. 5 BGH vom 8.2.2007, NJW 2007, 2633 = CR 2007, 590 = K&R 2007, 471 – grundke.de; vgl. Reinholz, ITRB 2008, 69 ff. 6 BGH vom 23.10.2008, K&R 2009, 399 mit Anm. Recke – raule.de. 7 OLG Celle vom 13.12.2007, K&R 2008, 111 – schmidt.de.
504
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
die Domain frühzeitig für ein Internetangebot genutzt wurde, das sich auf die „Harald-Schmidt-Show“ bezog1. c) DENIC Ansprüche gegen die DENIC bestehen nach der überzeugenden Entschei- 2046 dung des BGH zu ambiente.de nur im Ausnahmefall2. Die Praxis der DENIC, die Berechtigung einer Domainregistrierung und -nutzung grundsätzlich nicht zu prüfen, hat der BGH in der Ambiente-Entscheidung gebilligt. Nur in offenkundigen Fällen einer missbräuchlichen Domainnutzung ist die DENIC nach Auffassung des BGH zum Einschreiten verpflichtet3. Welche Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen, damit eine derartige Handlungspflicht der DENIC entsteht, blieb nach der Ambiente-Entscheidung zunächst offen. Um ein befremdlich anmutendes Ansinnen ging es in dem Rechtsstreit 2047 um die Domain kurt-biedenkopf.de4. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wollte der DENIC untersagen lassen, den Domainnamen kurt-biedenkopf.de zu vergeben. Es ging ihm um eine Sperrung des Domainnamens, selbst benutzen wollte er die Domain nicht. Dem erteilte der BGH jedoch eine Absage. Eine Sperrung komme nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Dritter gleichen Namens die Domain registrieren möchte5. Im Fall kurt-biedenkopf.de orientierte sich der BGH an seiner Ambiente- 2048 Entscheidung und bestätigte, dass die DENIC grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit registrierter Domains zu prüfen. Während man der Entscheidung zu ambiente.de noch entnehmen konnte, dass die Vergabestelle bei offenkundigen Rechtsverstößen einschreiten muss, entschied der BGH zu kurt-biedenkopf.de, dass selbst bei Rechtsverletzungen, die jedermann sofort ins Auge fallen, keine Prüfpflicht besteht6. In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das OLG Frankfurt a.M. hin- 2049 sichtlich der Domains viagratip.de, viagrabestellung.de und viagra-dheamelantonin.de die Auffassung vertreten, dass die Prüfungspflichten der DENIC erst eingreifen können, wenn sie auf eine Rechtsverletzung hingewiesen worden ist7. Allein die Registrierung der Domains könne somit 1 OLG Celle vom 13.12.2007, K&R 2008, 111, 112 f. – schmidt.de. 2 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671, 673 – ambiente.de. 3 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671, 673 – ambiente.de; vgl. Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rz. 184. 4 BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769 – kurt-biedenkopf.de. 5 BGH vom 19.2.2004, NJW 2004, 1793 = CR 2004, 531 = BGHReport 2004, 967 mit Anm. Reinholz – kurt-biedenkopf.de. 6 BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769, 771 – kurt-biedenkopf.de. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2003, MMR 2003, 333, 334 – viagratip.de.
505
H. Domainrecht
keine Störerhaftung der DENIC auslösen. Auch nach erfolgtem Hinweis durch die Markeninhaberin seien Löschungsansprüche hinsichtlich der Domain im konkreten Fall noch nicht so offenkundig, dass sie sich der DENIC aufdrängen mussten. Eine Störerhaftung der DENIC komme nur dann in Betracht, wenn die Vergabestelle ohne weitere Nachforschung zweifelsfrei feststellen kann, dass ein registrierter Domainname die Rechte Dritter verletzt1. Im Übrigen sei der Interessent an einer Domain durch die von der DENIC vorgesehene Möglichkeit des Dispute-Eintrages ausreichend geschützt2. 2050
In seiner Entscheidung zu primavita.de hat das LG Hamburg betont, dass die DENIC nur bei offenkundigen Rechtsverstößen haftbar sein könne. Eine Offenkundigkeit sei bereits dann zu verneinen, wenn es theoretisch denkbare Umstände gebe, bei denen ein Rechtsverstoß zu verneinen wäre3. Auch dies läuft auf einen Freibrief für die DENIC hinaus.
2051
Eine Haftung der DENIC für Tippfehlerdomains, die sich an berühmte Kennzeichen anlehnen, hat das LG Frankfurt a.M. verneint4.
2052
Die Entlastung der DENIC, wie sie die Frankfurter und Hamburger Gerichte befürworteten, dürfte zwar der Linie des BGH bei kurt-biedenkopf.de entsprechen, läuft jedoch auf eine völlige Freistellung der DENIC von jedweder Haftung hinaus und geht damit zu weit. Offenkundiger als bei einer „Viagra“-Domain kann eine Markenverletzung kaum sein. Weshalb es der DENIC in einem solchen Fall auch nach einem Hinweis auf die Rechtsverletzung nicht zumutbar sein soll, eine Prüfung vorzunehmen, ist nicht nachvollziehbar.
2053
Erfreulicherweise hat der BGH in seiner Entscheidung zu regierung-oberfranken.de sowie fünf weiteren, ähnlichen Domains erstmals die DENIC für prüfungspflichtig erachtet5. Kläger war der Freistaat Bayern, Domaininhaber ein Unternehmen mit Sitz in Panama, und der BGH stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Sachbearbeiter der DENIC auch ohne spezifische Kenntnisse im Namens- und Kennzeichenrecht leicht erkennen könne, dass die Domains einer innerstaatlichen Stelle, keinesfalls aber einem privaten Unternehmen in Mittelamerika zustehen. In einem solch klaren Fall verletzte die DENIC ihre Prüfpflichten, wenn sie die Registrierung trotz eines Hinweises auf die Rechtsverletzung aufrechterhalte. Der klagende Freistaat müsse nicht erst einen gerichtlichen Titel gegen den Domaininhaber erwirken und diesen der DENIC vorlegen, um die 1 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2003, MMR 2003, 333, 335 – viagratip.de; OLG Frankfurt a.M. vom 17.6.2010 – 16 U 239/09 – regierung-oberbayern.de. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2003, MMR 2003, 333, 334 – viagratip.de. 3 LG Hamburg vom 26.3.2009, MMR 2009, 708 – primavita.de. 4 LG Frankfurt a.M. vom 15.4.2009, MMR 2009, 704 ff. – Lufthansa. 5 Die übrigen Domains lauten: regierung-mittelfranken.de, regierung-unterfranken.de, regierung-oberpfalz.de, regierung-niederbayern.de, regierung-oberbayern.de.
506
VI. Verfahrensfragen
Aufhebung der Registrierung zu erwirken. Er könne die DENIC vielmehr unmittelbar auf Löschung in Anspruch nehmen1. d) Weitere Störer Unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung kommen als Anspruchsgeg- 2054 ner die mit den Domaininhabern oft nicht identischen Personen in Betracht, die als „Administrative Contact“ registriert sind2. Als Störer können grundsätzlich auch die Provider in Anspruch genom- 2055 men werden, über die die Domainregistrierung erfolgt ist3. Die Provider leisten zu einer rechtswidrigen Domainregistrierung einen ursächlichen Beitrag, so dass die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Provider als Mitstörer grundsätzlich erfüllt sind4.
VI. Verfahrensfragen 1. Gerichtliches Verfahren In der Regel wird das Landgericht das für den Rechtstreit zuständige Ge- 2056 richt sein. Für Markenrechtsstreitigkeiten ergibt sich dies aus § 140 MarkenG; im Übrigen wegen der zumeist hohen Streitwerte aus den §§ 23 Nr. 1, 71 GVG5. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren kann der Verzicht auf die 2057 Domain – als Vorwegnahme der Hauptsache – regelmäßig nicht erreicht werden6. Der einstweilige Rechtsschutz beschränkt sich somit auf die Nutzung der Domain, die per einstweilige Verfügung untersagt werden kann. Geht es um .com-Domains und andere generische TLDs, kann sich das 2058 ICANN-Schiedsverfahren zur Streitbeilegung anbieten. Auf Beschluss der ICANN traten im Dezember 1999 eine Schiedsordnung („Uniform Dispute Resolution Policy“ – UDRP) sowie eine Verfahrensordnung („Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy“ – RUDRP) in Kraft. Die Schiedsordnung gilt weltweit für alle Registrierungen, die nach ihrem Inkrafttreten vorgenommen worden sind. Von den bislang existierenden vier Schiedsgerichten ist das bekannteste das der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf mit ca. 150 Schiedsrichtern (An1 BGH vom 27.10.2011 – I ZR 131/10– regierung-oberfranken.de. 2 Siehe Rz. 2046 ff. 3 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 62 ff.; OLG Hamburg vom 4.11.1999, K&R 2000, 143 – goldenjackpot.com mit Anm. Härting. 4 Siehe Rz. 2072 ff. 5 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 75 f. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2000, MMR 2000, 752 – mediafacts.de; OLG München vom 20.4.2000, ITRB 2001, 127 – intersearch.de.
507
H. Domainrecht
wälten, Richtern, Professoren) aus unterschiedlichen Ländern. Die Vorteile eines Schiedsgerichtsverfahrens sind vor allem die vergleichsweise niedrigen Kosten und die relativ kurze Dauer der Verfahren (in der Regel wenige Monate)1. 2059
Die Einleitung eines UDRP-Verfahrens schließt ein gleichzeitiges Klageverfahren nicht aus2.
2060
Bei Streitigkeiten um .eu-Domains besteht nach der EU-Verordnung 874/20043 die Möglichkeit eines Streitbeilegungsverfahrens (Alternative Dispute Resolution, ADR) beim Tschechischen Schiedsgericht4. Dieses Verfahren, das eine Alternative zu einem aufwendigen gerichtlichen Verfahren darstellt, wird rege in Anspruch genommen5. 2. Vollstreckung
2061
Wer rechtskräftig zur Freigabe einer Domain verurteilt ist, darf nicht einfach die Hände in den Schoß legen und seinem Provider die Löschung überlassen. Wenn die Löschung wegen der Untätigkeit des Providers mehr als drei Monate nach Rechtskraft des Urteils noch nicht erfolgt ist und der Vollstreckungsschuldner dies nicht bemerkt, liegt ein schuldhafter Verstoß gegen die Freigabepflicht vor, die die Verhängung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO6 bzw. § 890 ZPO7 rechtfertigt. Besteht eine zeitlich befristete Verpflichtung zur Abgabe der Verzichtserklärung, so hat der Schuldner seinen Provider hiervon rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu unterrichten8.
2062
Wenn ein „Schlechthinverbot“ in einem Urteil ausgesprochen wird, ohne dass zugleich eine Verurteilung zur Freigabe der Domain erfolgt, so ergibt sich aus dem Titel kein Verbot, die Domain konnektiert zu halten mit 1 Zu den Einzelheiten des Verfahrens: Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rz. 486 ff.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 77 ff.; Reinholz, ITRB 2001, 190 ff. 2 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 77; LG Köln vom 16.6.2009, K&R 2009, 817 f. 3 Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung. 4 Im Internet zu finden unter www.arbcourt.cz. 5 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 13; Beier in Lehmann/ Meents, Kap. 19 Rz. 533 ff.; Bettinger, WRP 2006, 548; Eichelberger, K&R 2008, 410 ff.; Mietzel/Orth, MMR 2007, 757; Pothmann, K&R 2007, 69; Remmertz, CRi 2006, 161; Sobola, ITRB 2007, 259. 6 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 17.1.2002, MMR 2002, 471 – drogerie.de. 7 Vgl. OLG Hamm vom 26.3.2002, CR 2002, 752; LG Berlin vom 6.2.2001, MMR 2001, 323. 8 OLG Hamburg vom 10.3.2005, K&R 2006, 286, 287; vgl. auch LG Frankfurt a.M. vom 17.11.2005, MMR 2006, 114 – fetenplaner II.
508
VI. Verfahrensfragen
einem „Baustellen-Hinweis“. Ein solcher Hinweis stellt keine Nutzung der Domain dar1. Wird ein Domaininhaber verurteilt, die Nutzung der Tippfehler-Domains 2063 gübstiger.de und günstigert.de zu unterlassen, so erstreckt sich die Verurteilung nicht auch auf ähnliche Tippfehler-Domains (günstigef.de; günstiher.de; günatiger.de; günstger.de)2. Ein tituliertes Nutzungsverbot lässt sich nicht dadurch umgehen, dass ei- 2064 ne Subdomain verwendet wird („m.gmail.com“), die der Weiterleitung eingehender E-Mails an eine andere Domain dient3.
1 OLG Hamburg vom 28.8.2007, MMR 2008, 113 – mlpblog.de II. 2 OLG Hamburg vom 8.1.2009, K&R 2009, 345 f. – günatiger.de. 3 OLG Hamburg vom 18.9.2007 – 5 W 102/07, JurPC Web-Dok. 63/2008.
509
J. Haftung im Netz Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2068 II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG) . . . . . . . . . . . 1. Telemediendienste . . . . . . . . . . 2. Eigene und fremde Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aussagegehalt . . . . . . . . . . . . b) Zueigenmachen . . . . . . . . . . c) Disclaimer . . . . . . . . . . . . . . . d) Kontrolle eingestellter Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Access Provider (§ 8 TMG) . . . 4. Host Provider (§ 10 TMG). . . . 5. Caching (§ 9 TMG) . . . . . . . . . . III. Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichweite der Haftungsprivilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungs- und Verkehrspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beseitigungspflichten . . . . . b) Unterlassungspflichten bei Erfolgsunrecht . . . . . . . . . . . . c) Unterlassungspflichten bei Verhaltensunrecht . . . . . . . . d) Unterlassungspflichten bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . .
2072 2078 2081 2082 2089 2101 2104 2118 2121 2130 2131 2131 2138 2140 2144 2148
Rz. e) Prüfungspflichten: Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Notice and Scan“ . . . . bb) Hinweis auf eine Rechtsverletzung . . . . . f) Prüfungspflichten: Reichweite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Tendenzwende des BGH. . . h) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Access Provider . . . . . . . bb) Blogs und Foren . . . . . . . cc) Bewertungsportale . . . . dd) Foto- und Videoportale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Hyperlinks . . . . . . . . . . . ff) Suchmaschinen . . . . . . . gg) Admin-C . . . . . . . . . . . . . hh) Domain Parking . . . . . . ii) Werbetreibende . . . . . . . jj) Affiliate-Werbung . . . . . kk) Identitätsklau. . . . . . . . . ll) Filesharingdienste. . . . . mm) Nutzung eines fremden Accounts . . . . . . . . . nn) Nutzung eines fremden Internetanschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oo) Ungesichertes WLAN .
2159 2159 2163 2165 2167 2175 2176 2182 2191 2193 2198 2207 2210 2221 2226 2231 2238 2241 2247 2251 2258
2156
Das Recht am eigenen Bild, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Urhe- 2065 berrechte, Markenrechte, das Recht des Jugendschutzes: Jeder Provider, Plattformbetreiber und Diensteanbieter stellt sich die Frage, ob und inwieweit er haftbar gemacht werden kann für Rechtsverletzungen, die Dritte auf „seinen Seiten“ begehen bzw. auf Internetseiten, die über „seine Seiten“ erreichbar sind. Die Haftung im Netz ist ein facettenreiches Thema, das für die gesamte Internetwirtschaft von vitaler Bedeutung ist. Der E-Commerce ist auf einheitliche wirtschaftliche und rechtliche 2066 Rahmenbedingungen angewiesen. Um solche Rahmenbedingungen zu schaffen, gab es seit 1997 das Teledienstegesetz (TDG)1 und den Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)2. Zur Umsetzung der E-Commerce-Richt1 Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz – TDG) vom 22.7.1997, BGBl. I 1997, S. 1870. 2 Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag – MDStV) vom 2.6.1997, GVBl Berlin 1997, S. 360.
511
J. Haftung im Netz
linie1 wurden das TDG2 und der MDStV3 Ende 2001 grundlegend reformiert4. Seit dem 1.3.2007 ist das Telemediengesetz (TMG) in Kraft5. Durch das TMG sind die Bestimmungen für Tele- und Mediendienste zusammengefasst worden6. 2067
E-Commerce-Richtline, TDG, MDStV, TMG: Zu den zentralen Anliegen der Normgeber zählt es, für die Diensteanbieter im Netz Rechtssicherheit zu schaffen durch Haftungsbestimmungen, die die Verantwortlichkeit für Rechtsverstöße Dritter einschränken. Provider und andere Diensteanbieter sollen insbesondere Gewissheit darüber erlangen, welchen Kontroll- und Handlungspflichten sie unterliegen im Hinblick auf Inhalte, die Dritte ins Netz stellen7.
I. Grundlagen 2068
Haftungsfragen können sich in einer Vielzahl von Konstellationen stellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Haftung eines Diensteanbieters für eigene Informationen und der Haftung für Informationen, die Dritte ins Netz stellen (fremde Inhalte). Die Frage der Haftung für fremde Informationen kann sich stellen bei Host- und Zugangsprovidern, aber auch bei Plattformbetreibern oder bei Betreibern von Diskussionsforen und Social Networks. Um die Verantwortlichkeit für fremde Informationen geht es auch, wenn Hyperlinks verwendet werden, über die fremde Informationen zugänglich gemacht werden. Parallelfragen stellen sich bei der Haftung von Suchmaschinenbetreibern oder auch bei der Haftung des Admin-C für Informationen, die über die jeweilige Domain verbreitet werden. Nicht fremde Informationen, wohl aber Rechtsverstöße Dritter 1 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 2 Art. 1 des Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) vom 14.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3721. 3 Art. 3 des 6. Staatsvertrages zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienste-Staatsvertrages (6. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 20.12.2001, GVBl. Berlin 2002, S. 162. 4 Vgl. Bröhl, MMR 2001, 67 ff.; Härting, CR 2001, 271 ff.; Härting, DB 2001, 80 ff.; Nickels, CR 2002, 302 ff.; Spindler, ZRP 2001, 203 ff. 5 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Elektronischer-GeschäftsverkehrVereinheitlichungsgesetzes vom 1.3.2007, BGBl. I 2007, S. 251. 6 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 590 ff.; Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 ff.; Hoeren, NJW 2007, 801 ff.; Rössel, ITRB 2007, 158 ff.; Schmitz, K&R 2007, 135 ff.; Spindler, CR 2007, 239, 240 ff. 7 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rz. 756 ff.; Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 592 f.
512
I. Grundlagen
sind das Thema, wenn der Inhaber eines Internetanschlusses verantwortlich gemacht wird für einen Rechtsverstoß, den Dritte unter Nutzung des Anschlusses begangen haben.
Übersicht:
2069
Haftung für fremde Informationen bzw. fremde rechtswidrige Handlungen: – Haftung der Provider: Access Provider und Host Provider; – Haftung von Plattformbetreibern: Internet-„Marktplätze“ (z.B. Internetauktionen); – Haftung der Betreiber von Diskussionsforen: Verantwortlichkeit für die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter; – Haftung der Betreiber von Social Networks: Verantwortlichkeit insbesondere für die Verletzung des Rechts am eigenen Bild und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie für die Verletzung von Urheberrechten; – Haftung für Links: Verantwortlichkeit des Linksetzenden für Rechtsverstöße auf „verlinkten“ Seiten; – Haftung des Suchmaschinenbetreibers: Haftung für Rechtsverstöße auf Seiten, die als Suchergebnis angezeigt werden; – Haftung des Admin-C: Haftung für Rechtsverstöße auf den Seiten, die über die jeweilige Domain abrufbar sind; – Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses: Haftung für Rechtsverstöße, die Dritte (z.B. minderjährige Kinder) unter Nutzung des Anschlusses begehen. Wenn sich die Frage der „Haftung im Netz“ stellt, geht es nur selten um 2070 Schadenersatzansprüche Dritter. Weit überwiegend stellt sich die Frage nach Ansprüchen auf Beseitigung von rechtswidrigen Informationen sowie auf zukünftige Unterlassung identischer oder vergleichbarer Rechtsverstöße. Untrennbar verknüpft mit Beseitigungs- und Unterlassungsfragen ist die Frage nach den Kontroll-, Sperr- und sonstigen Handlungspflichten des Diensteanbieters.
Übersicht:
2071
Haftungsfragen in der Praxis: – Haftung auf den Ersatz des Schadens, der durch rechtswidrige Handlungen bzw. Inhalte Dritter entstanden ist (selten);
513
J. Haftung im Netz
– Haftung auf Beseitigung der Folgen rechtswidrigen Handelns Dritter (insbesondere auf Beseitigung rechtswidriger Informationen), z.B. Lösch- und Sperrpflichten; – Haftung auf Unterlassung zukünftiger Mitwirkung an Rechtsverstößen Dritter (insbesondere Verbreitung rechtswidriger Informationen) – Kontroll- bzw. Prüfpflichten.
II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG) 2072
Drei verschiedene Formen lassen sich unterscheiden, in denen Diensteanbieter im Internet in Erscheinung treten1: Der Content Provider stellt eigene Informationen bereit. Der Host Provider (Service Provider)2 stellt Dritten Speicherplatz zur Verbreitung von Informationen zur Verfügung. Der Access Provider stellt den Netzzugang bereit.
2073
Die Abgrenzung zwischen Content Providern, Host Providern und Access Providern ist nicht so zu verstehen, dass ein und derselbe Provider stets nur Content Provider oder Host Provider oder Access Provider sein kann. Vielmehr erfüllen Provider häufig alle drei Funktionen gleichzeitig. So hält beispielsweise Google eigene Informationsangebote bereit und erfüllt die Funktion eines Content Providers. Gleichzeitig nutzen zahlreiche Internetnutzer Speicherplatz, den ihnen Google (etwa für MailAccounts) zur Verfügung stellt, so dass Google auch als Host Provider in Erscheinung tritt.
2074
Die §§ 8 und 10 TMG enthalten Haftungsprivilegien für Access Provider und Host Provider. § 8 TMG stellt Access Provider von einer Haftung für „durchgeleitete“ Informationen frei. Die Host Provider sind nach § 10 TMG von einer Haftung für fremde Informationen frei gestellt, wenn sie keine Kenntnis von Rechtsverstößen haben und die Rechtsverstöße auch nicht „offensichtlich“ sind.
2075
Bereits die 1997 in Kraft getretenen Ursprungsfassung des TDG und des MDStV sahen in § 5 Abs. 2 und 3 ähnliche Privilegien für Access Provider und Host Provider vor. Über die Reichweite der Normen und über deren dogmatische Funktion und Einordnung konnte bis zuletzt keine Einigkeit erzielt werden3. 1 Vgl. Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, Rz. 274 ff.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 415 ff.; Koch, Internet-Recht, S. 2 ff.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 8 ff.; Pichler, MMR 1998, 79, 80. 2 Der Begriff des Service Provider wird nicht durchgängig als mit dem Host Provider deckungsgleich verstanden, vgl. Koch, Internet-Recht, S. 10; Pichler, MMR 1998, 79, 80. 3 Vgl. Freytag, Haftung im Netz, S. 132 ff.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 21; Engels, AfP 2000, 524, 526 ff.; Haedicke, CR 1999, 309, 130 ff.; Sieber, MMR-Beilage 2/1999, 1, 5 ff.; Vassilaki, MMR 2002, 659, 659 f.
514
II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Die zur Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie notwendige Reform des 2076 TDG und des MDStV brachten mit den §§ 8 ff. TDG und den §§ 6 ff. MDStV wesentlich umfangreichere Haftungsnormen, ohne die Grundstruktur des früheren Rechts zu ändern. Dogmatisch werfen die neuen Bestimmungen einige neue Fragen auf, ohne die alten Fragen nach der Funktion, Reichweite und Einordnung der Haftungsprivilegien zu beantworten. Die unveränderte Übernahme der Normen in die §§ 7 bis 10 TMG hat hieran nichts geändert. Anders als die Ursprungsfassung von § 5 TDG/MDStV beziehen sich die 2077 §§ 7 ff. TMG auf „Informationen“ und nicht auf „Inhalte“. Damit steht fest, dass auch nicht-kommunikative Inhalte von den Haftungsprivilegierungen erfasst sind1, wie beispielsweise die Übermittlung von Daten oder Software2. 1. Telemediendienste Richtet sich ein Informationsangebot an die Allgemeinheit, so handelt es 2078 sich um einen Mediendienst, der mit Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen vergleichbar ist. Zuständig für diese Dienste und das Medienrecht sind die Bundesländer, während der Bund verantwortlich ist für Dienste, bei denen die individuelle Kommunikation im Vordergrund steht (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11 und 73 Abs. 1 Nr. 7, 9 GG)3. Das TDG war Bundesrecht und enthielt Regelungen für Internetangebote 2079 ohne Mediencharakter. Um die Zuständigkeit der Bundesländer zu wahren und zugleich bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen, wurde der MDStV geschaffen, der für Online-Medienangebote galt. Die Regelungen, die das TDG und das MDStV enthielten, waren in weiten Bereichen inhaltsgleich4. Sie sind durch das TMG zusammengefasst und vollständig vereinheitlicht worden5. Einzelne Regelungen für Telemedien mit journalistisch-redaktionellem Angebot (z.B. zum Gegendarstellungsanspruch) finden sich zudem in den §§ 54 ff. Rundfunkstaatsvertrag (RStV)6. 1 Hoffmann in Spindler/Schuster, Vorb. §§ 7 ff. TMG Rz. 12; BT-Drucks. 14/6098, S. 23; a.A. für § 5 TDG a.F.: Völker/Lühring, K&R 2000, 20, 21 f.; Waldenberger, MMR 1998, 124, 126 f.; OLG München vom 8.3.2001, NJW 2001, 3553, 3553 f. = CR 2001, 333, 334 = MMR 2001, 375, 376 mit Anm. Waldenberger und Hoeren = K&R 2001, 471, 474. 2 Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rz. 14 f.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 63; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 594. 3 Vgl. Martenczuk, ZUM 1999, 104, 106 ff. 4 Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rz. 3. 5 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 590 ff.; Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 ff.; Hoeren, NJW 2007, 801, 801 ff.; Rössel, ITRB 2007, 158, 158 ff.; Schmitz, K&R 2007, 135, 135 ff.; Spindler, CR 2007, 239, 239 ff. 6 Vgl. Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 f.; Kitz, ZUM 2007, 368, 369 ff.; Rumyantsev, ZUM 2008, 33 ff.; Schmitz, K&R 2007, 135, 136; Spindler, CR 2007, 239, 240.
515
J. Haftung im Netz
2080
Telemedien sind nach § 1 Abs. 1 TMG und § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 RStV sind1. 2. Eigene und fremde Informationen
2081
Es gibt keinen Grund, die Haftung für eigene Informationen im Netz einzuschränken. Diensteanbieter sind daher gemäß § 7 Abs. 1 TMG für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereit halten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. a) Aussagegehalt
2082
Ob es sich bei einer Aussage um „eigene“ oder „fremde“ Informationen handelt, bestimmt sich nach dem jeweiligen Aussagegehalt. Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert das „Autocomplete“-Urteil des BGH2, in dem es um die automatische Anzeige von Suchvorschlägen bei der Eingabe bestimmter Suchbegriffe ging. Die Suchvorschläge kann man als Aussage über besonders häufige Sucheingaben ansehen. Die Sucheingaben stammen von den Google-Nutzern und sind damit keine „eigenen“ Google-Inhalte, sondern fremde Inhalte.
2083
Der BGH hat dies anders gesehen und gemeint, dass in dem Suchvorschlag die Behauptung eines „sachlichen Zusammenhangs“ zwischen dem selbst eingegebenen Begriff und dem Suchvorschlag liege3. Diese Aussage werde von Google zum Abruf bereitgehalten und stamme daher unmittelbar von Google4.
2084
Maßgeblich für die Bestimmung des Aussagegehalts von Informationen ist der Verständnishorizont des verständigen Internetnutzers. Da der Nutzer im Normalfall weiß, dass Suchvorschläge auf einer algorithmusgestützten, „automatischen“ Auswertung von Suchanfragen beruhen5, liegt die vom BGH vertretene Auffassung einer Aussage über einen „sachlichen Zusammenhang“ fern.
2085
Allerdings ist unklar, ob und inwieweit die Google-Suchvorschläge tatsächlich das Ergebnis eines automatisierten Verfahrens sind6. Die Behauptung der „Objektivität“ von Suchalgorithmen ist umstritten, und 1 2 3 4 5
Kitz, ZUM 2007, 368, 369. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 16. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 17. Vgl. OLG München vom 29.9.2011 – 29 U 1747/11, ITRB 2012, 8 f. (Engels); LG Hamburg vom 22.2.2011 – 416 O 9/11; LG Köln vom 19.10.2011 – 28 O 116/11. 6 Härting, K&R 2012, 633, 634.
516
II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Google-Suchergebnisse lassen sich mit einigem Recht als „Melange aus Statistik, Küchenpsychologie und Populismus“1 bezeichnen. Google behauptet zudem selbst nicht, dass die Suchvorschläge ausschließlich auf einer Statistik der Suchanfragen beruhen. Vielmehr heißt es, die Autocomplete-Algorithmen beruhten auf „Suchaktivitäten anderer Nutzer und auf Inhalten der von Google indexierten Webseiten“2. Trotz aller berechtigten Zweifel an der „Neutralität“ oder „Objektivität“ 2086 von Suchergebnissen und Suchvorschlägen wird der durchschnittliche Google-Nutzer Suchvorschläge wie „Betrug“, „Abzocke“ oder auch „Escort“ nicht als eine Aussage eines Google-Mitarbeiters missverstehen. Wer regelmäßig googelt, wird nicht auf die Idee kommen, verwegene Google-Programmierer wollten dem deutschen Nutzer mit dem Suchvorschlag „Rotlicht“ Einblicke in die vermeintliche Vergangenheit einer früheren Präsidentengattin gewähren. Daher ist es richtig und zwingend, in den Suchvorschlägen keine entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Suchmaschinenbetreibers zu sehen3. Bei kurzen Zusammenfassungen der Suchergebnisse (Snippets) gehen die 2087 Ansichten über die Haftung von Google auseinander. Nach Auffassung des OLG Hamburg ist davon auszugehen, dass der Nutzer dem Inhalt von Snippets wegen deren bekannter Verkürzung keine Bedeutung beimisst. Daher komme eine Haftung des Betreibers der Suchmaschine für Snippets mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten nicht in Betracht4. Das Kammergericht hat dies zunächst anders gesehen: Eine Haftung von Google komme in Betracht, wenn die verkürzte, zusammenfassende Darstellung im Snippet derartig sinnentstellend sei, dass ihr ein eigener Unrechtsgehalt zukomme. In diesen Fällen treffe das Snippet trotz der automatischen Erstellung eine eigene Aussage, für die der Suchmaschinenbetreiber verantwortlich ist5. Ob indes der verständige Durchschnittsnutzer, der mit der Funktionsweise von Google vertraut ist, Snippets tatsächlich einen solchen Aussagegehalt beimisst, erscheint mehr als zweifelhaft. Snippets entstehen dadurch, dass Google in einem automatisierten Ver- 2088 fahren fremde Inhalte im Internet auffindbar macht und diese Inhalte automatisiert als Orientierungshilfe für den Nutzer verkürzt zusammenfasst. Somit trifft Google in den Snippets keine eigenen Aussagen. Für 1 Vgl. Lobo, Was Bettina Wulff mit Mettigeln verbindet, Spiegel online vom 11.9.2012, http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/google-suchvorschlaegewas-bettina-wulff-mit-mettigeln-verbindet-a-855097.html. 2 Google – „Alles über die Suche“, http://support.google.com/websearch/bin/ans wer.py?hle&answer=106230. 3 Vgl. OLG Hamburg vom 26.5.2011 – 3 U 67/11, Rz. 112 ff.; Härting, K&R 2012, 633, 634 f. 4 OLG Hamburg vom 2.3.2010, MMR 2010, 490, 492 mit Anm. Rössel; OLG Hamburg vom 26.5.2011 – 3 U 67/11, Rz. 113 ff. 5 KG vom 3.11.2009, MMR 2010, 495, 496; a.A. KG vom 14.6.2011 – 10 U 59/11.
517
J. Haftung im Netz
den verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsnutzer ist klar, dass sich Google nicht selbst äußert, sondern lediglich fremde Inhalte wiedergegeben werden1. b) Zueigenmachen 2089
Eigene Informationen sind nicht nur Informationen, die der Diensteanbieter selbst erstellt hat. Auch Inhalte, die von Dritten stammen, sind als eigene Informationen des Anbieters anzusehen, wenn der Anbieter sich die Informationen zu Eigen macht2.
2090
Bei der Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Informationen ist auf den Horizont eines verständigen Internetnutzers abzustellen3. Der innere Wille des Diensteanbieters hat allenfalls indizielle Bedeutung. Ob der Anbieter für Inhalte eines Dritten Verantwortung übernehmen möchte, ist unerheblich, solange ein solcher Wille nicht nach außen zum Vorschein tritt.
2091
Wer Inhalte auf seine eigenen Internetseiten übernimmt, ohne die Inhalte als fremde Inhalte zu kennzeichnen, kann sich nicht darauf berufen, dass er für diese Inhalte nicht gemäß § 7 Abs. 1 TMG ohne Einschränkung verantwortlich ist4. Solange für den Durchschnittsnutzer nicht erkennbar ist, dass Texte oder Fotos nicht von dem Seitenbetreiber stammen, handelt es sich um dessen eigene Inhalte. Allerdings sind Beiträge in einem Diskussionsforum nicht schon deshalb eigene Informationen des Forenbetreibers, weil die Beiträge über das von dem Betreiber unterhaltene Internetforum verbreitet worden sind5. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Beiträge aus Sicht des Forennutzers vom Betreiber oder von Dritten stammen6. Zustimmende Äußerungen des Forenbetreibers zu einem
1 KG vom 14.6.2011 – 10 U 59/11, Rz. 7; OLG München vom 29.9.2011 – 29 U 1747/11, Rz. 60, ITRB 2012, 8 f. (Engels). 2 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 282 f.; BGH vom 12.11.2009, CR 2010, 468, 469 f. mit Anm. Hoeren/Plattner = WRP 2010, 922, 924 f. – marions-kochbuch.de. 3 Hoffmann in Spindler/Schuster, § 7 TMG Rz. 15; Engels/Köster, MMR 1999, 522, 523; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 595; Spindler, MMR 2004, 333; BGH vom 12.11.2009, CR 2010, 468, 470 mit Anm. Hoeren/Plattner = WRP 2010, 922, 924 f. – marions-kochbuch.de; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 628 = MMR 2004, 330 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635 = MMR 2004, 315, 317 mit Anm. Leupold; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 213 = MMR 2003, 120, 123; LG Potsdam vom 10.10.2002, CR 2003, 217, 218 f. = MMR 2002, 829, 830 = ITRB 2003, 6 (Häuser). 4 Vgl. Hoffmann in Spindler/Schuster, § 7 TMG Rz. 18; LG Hamburg vom 12.5.1998, MMR 1998, 547, 548. 5 Vgl. LG Hamburg vom 27.4.2007, MMR 2007, 450, 451. 6 Vgl. Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, 65, 72.
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II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Beitrag, die dem Beitrag als eine Art „Prolog“ vorangestellt werden, können als ein „Zueigenmachen“ zu verstehen sein1. Viel zu weit ging das OLG Frankfurt a.M., das in der Schaltung von Wer- 2092 bung auf einer Interseite ein Zueigenmachen der Inhalte sah, die sich auf der Website befanden2. Eine solche Sichtweise ist haltlos, zumal sie darauf hinausläuft, dass es auf werbefinanzierten Websites keine fremden Inhalte geben kann. Auch bei Diskussionsforen spielt es für die Unterscheidung zwischen eigenen Informationen des Betreibers und fremden Beiträgen keine Rolle, ob es sich um ein kommerzielles oder nicht-kommerzielles Angebot handelt3. Verfehlt ist es, wenn das LG Berlin4 und das AG Hamburg5 Nachrichten 2093 als eigene Inhalte eines Website-Betreibers ansehen, obwohl die Nachrichten durch den (automatisierten) RSS-Feed einer Zeitung auf die Website gelangen, worauf der Website-Betreiber in einem auf seiner Website befindlichen Hinweis verweist. Anders ist das Framing zu beurteilen. Durch das Framing fremder Seiten 2094 macht sich ein Website-Betreiber die Inhalte auf diesen Seiten regelmäßig zu Eigen6 und kann für Rechtsverstöße haftbar gemacht werden, die auf diesen Seiten begangen werden. Das LG Köln hat den Standpunkt vertreten, der Betreiber einer Personen- 2095 suchmaschine mache sich sämtliche Treffer zu Eigen, indem er die Treffer übersichtlich nach Kategorien sortiert7. Mit einer solchen Sichtweise ließe sich begründen, dass sich Google und andere Betreiber von Suchmaschinen sämtliche Suchergebnisse zu Eigen machen. Auf eine solche Idee würde der verständige Durchschnittsnutzer jedoch gewiss nicht kommen. Zu Recht hat das LG Köln kein Zueigenmachen von Wikipedia-Inhalten 2096 durch die Betreiber der Internet-Enzyklopädie erkennen können8. Ebenso hat das OLG Hamburg ein Zueigenmachen in einem Fall verneint, in dem es darum ging, dass in dem Benutzerforum einer Rezepte-Plattform ein urheberrechtliches geschütztes Foto gepostet worden war9. Zum selben Ergebnis gelangte das Kammergericht bei der Klage gegen den Betreiber einer Plattform, auf der ein Unbekannter unter dem Namen der Klä-
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Vgl. OLG Köln vom 22.11.2011 – 15 U 91/11, Rz. 16. OLG Frankfurt a.M. vom 12.2.2008, GRUR-RR 2008, 385 f. Vgl. Lober/Karg, CR 2007, 647, 648 f. LG Berlin vom 27.4.2010 – 27 O 190/10. AG Hamburg vom 27.9.2010 – 36A C 375/09, Rz. 23 ff. Engels, AfP 2000, 524, 527. LG Köln vom 17.6.2009, CR 2010, 271, 272. LG Köln vom 14.5.2008, MMR 208, 768 f. OLG Hamburg vom 4.2.2009, MMR 2009, 479 ff.
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J. Haftung im Netz
gerin eine Kontaktanzeige („Online-Steckbrief“) veröffentlicht hatte. Das Kammergericht vermochte nicht zu erkennen, dass der Betreiber sich die Angaben aus dem „Steckbrief“ zu Eigen gemacht hatte1. 2097
Das LG Hamburg hat für einen Blog ein Zueigenmachen durch den Betreiber daraus geschlossen, dass der Blog wie ein journalistisches OnlineMagazin aufgemacht war und auf der Internetseite für verschiedene Städte und Staaten „Ständige Mitarbeiter“ aufgelistet waren2. Zum selben Ergebnis kam das LG Köln bei einem „Online Rotlichtführer“. Dabei stützte sich das Gericht maßgeblich auf eine AGB-Klausel, die dem Website-Betreiber umfangreiche urheberrechtliche Nutzungsrechte an den eingestellten Inhalten einräumte3.
2098
Ergibt sich aus dem Gesamteindruck einer Website, auf der sich eine Zitatensammlung befindet, keine klare Trennung von Zitaten, die der Seitenbetreiber eingestellt hat, und Zitaten, die von Dritten hochgeladen wurden, spricht dies nach Ansicht des LG München I für eine Haftung des Betreibers nach § 7 TMG. Ein Menüpunkt, der lediglich auf die Möglichkeit des Hochladens von Inhalten hinweist, reicht für eine erkennbare Distanzierung nicht aus4.
2099
Nach Auffassung des OLG Hamburg5 kann sich ein Zueigenmachen auch daraus ergeben, dass ein Plattformbetreiber die von Nutzern hochgeladenen Inhalte zu gewerblichen Zwecken verwendet. Es ging um eine Foto-Community, die die Möglichkeit vorsah, bei der sich der Betreiber einen Verkauf von Abzügen der Fotos vorbehielt. Hierdurch „überführe“ der Betreiber die hochgeladenen Bilddateien in sein eigenes Angebot und setze die Bilder unmittelbar zur Gewinnerzielung ein. Die Rechtslage unterscheide sich nicht von der bei einem Antiquitätenhändler, der in seinem Schaufenster ungewollt einen Gegenstand präsentiert, der verbotene nationalsozialistische Symbole zeigt6.
2100
Im Ergebnis wird man dem OLG Hamburg zustimmen können, da ein Angebot von Inhalten zum käuflichen Erwerb die Übernahme einer inhaltlichen Verantwortung impliziert. Dennoch zeigt die Argumentation, wie problematisch Parallelen zur Offline-Welt gelegentlich sein können. Es geht um ein Haftungsprivileg (§ 10 TMG), das Telemedien fördern soll, die der Verbreitung fremder Inhalte dienen. In Antiquitätenläden gibt es hierzu keine Parallele.
1 2 3 4 5 6
KG vom 28.6.2004, CR 2005, 62, 63. LG Hamburg vom 17.10.2008, ZUM-RD 2009, 217 ff. LG Köln vom 9.4.2008, ZUM-RD 2008, 437 ff. LG München I vom 4.8.2011 – 7 O 8226/11, Rz. 27. OLG Hamburg vom 10.12.2008, ZUM 2009, 642 ff. OLG Hamburg vom 10.12.2008, ZUM 2009, 642, 645.
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II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
c) Disclaimer Ein Diensteanbieter kann fremde Informationen auf seiner eigenen Web- 2101 site publizieren, ohne sich diese Informationen zu Eigen zu machen. Zur Distanzierung bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises1. Verwendet der Anbieter einen solchen Hinweis (Disclaimer)2, gilt das Haftungsprivileg des § 10 TMG. Disclaimer können nicht in jedem Fall gewährleisten, dass fremde Inhal- 2102 te nicht als „zu Eigen“ gemacht gelten, da es stets auf den Gesamteindruck ankommt, der bei dem Nutzer erweckt wird. Maßgeblich ist nicht primär, ob sich der Diensteanbieter fremde Inhalte „zu Eigen machen will“. Es kommt vielmehr auf die Perspektive des verständigen Durchschnittsnutzers an. Dennoch sind Disclaimer sinnvoll, da sie die Nutzerperspektive erheblich beeinflussen können3. Û Praxistipp: Wer auf seiner Website Inhalte bereit hält, die von Dritten 2103 stammen, kann sich von diesen Inhalten beispielsweise durch folgenden Hinweis distanzieren: „Wir stellen auf dieser Website Beitrge Dritter zusammen. Soweit einzelne Beitrge die Rechte Dritter verletzen oder aus anderen Grnden rechtswidrige Inhalte enthalten, ist fr den Rechtsverstoß der jeweils genannte Verfasser verantwortlich. Eine inhaltliche Verantwortung – gleich welcher Art – bernehmen wir nicht.“
d) Kontrolle eingestellter Inhalte Die Haftungsprivilegien, die mit einer deutlichen Distanzierung verbun- 2104 den sind, stehen vielfach in Konflikt zu dem Bedürfnis des Anbieters, die Einstellung rechtswidriger Inhalte im Interesse des eigenen guten Rufs zu verhindern4. Wenn sich beispielsweise Ebay durch den Einsatz geschulter „Kontrolleure“ um eine Eindämmung von Rechtsverstößen bemüht, begibt sich das Auktionshaus in einen problematischen Spagat: Wer mit systematischen Kontrollen wirbt, läuft Gefahr, aus Sicht der User Verantwortung für die Inhalte zu übernehmen und damit die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG zu verlieren5.
1 Vgl. Engels, AfP 2000, 524, 527; OLG Köln vom 28.5.2002, CR 2002, 678, 679 mit Anm. Eckhardt = NJW-RR 2002, 1700 = MMR 2002, 548, 549 mit Anm. Spindler = K&R 2002, 424, 425. 2 Spindler, MMR 2004, 440, 442; OLG München vom 17.5.2002, NJW 2002, 2398 = CR 2002, 141 = MMR 2002, 611, 612. 3 Vgl. Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 182. 4 Christiansen, MMR 2004, 185, 185 f. 5 Vgl. Christiansen, MMR 2004, 185; Eck/Ruess, MMR 2003, 363, 365; Jürgens/ Veigel, AfP 2007, 181, 184 f.; Gounalakis/Rhode, NJW 2000, 2168, 2170; Hoeren, MMR 2004, 168; Lober/Karg, CR 2007, 647, 649; LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304 = MMR 2004, 183 mit Anm. Christiansen; LG München I vom 30.3.2000, NJW 2000, 2214, 2216 = CR 2000, 389, 391.
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J. Haftung im Netz
2105
Der Konflikt zwischen Kontrollbedürfnissen und Haftungsprivilegien wurde deutlich in einem Fall, den das LG Köln im Jahre 2003 zu entscheiden hatte1. Es ging um ein Kleinanzeigenportal für Gebrauchtwagen, auf dem etwas mehr als eine Stunde lang ein Inserat zu lesen war, demzufolge ein Porsche „wegen privater Insolvenz“ preisgünstig abzugeben sei. Der Inhaber der angegebenen Telefonnummer war zwar Porschefahrer, wusste jedoch nichts von der Anzeige und verklagte den Portalbetreiber erfolgreich auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. In der Urteilsbegründung stützte sich das LG Köln maßgeblich darauf, dass der Portalbetreiber angegeben hatte, alle Anzeigen durchzusehen, bevor sie für das Portal freigegeben werden2. Allein durch die nach außen beworbene Vorkontrolle der Anzeigen soll sich der Portalbetreiber nach Auffassung des Kölner Gerichts deren Inhalte zu Eigen gemacht haben3.
2106
Bejaht hat das Kammergericht ein Zueigenmachen bei einer Foto-Community unter Hinweis darauf, dass der Plattformbetreiber der Veröffentlichung jedes einzelnen Fotos ein Auswahl- und Prüfungsverfahren vorgeschaltet hatte. Hierdurch werde bei einem objektiven Betrachter nachhaltig der Eindruck erweckt, dass sich der Betreiber der Plattform mit den veröffentlichten Fotos identifiziere. Dieser Eindruck werde durch die Aufmachung der Internetseiten bestätigt. Dort werde zwar auf die Urheber der einzelnen Fotoaufnahmen hingewiesen, allerdings geschehe dies lediglich in unauffälliger und sehr dezenter Form. Im Vordergrund stehe die von dem Plattformbetreiber beschriebene „Firmenphilosophie“, die darin liege, „moderne und zeitgeistige Fotografie zu veröffentlichen“4.
2107
Das LG Hamburg vertrat die Auffassung, YouTube mache sich die Inhalte von Videos zu Eigen mit der Folge einer unbeschränkten Haftung (§ 7 TMG). Dies ergebe sich daraus, dass die Videos in einen „vorgegebenen Rahmen“ eingebunden werden und das YouTube-Logo deutlicher sichtbar ist als die Namen der Nutzer, die die Videos hochgeladen haben. Dies ist haltlos, da das LG Hamburg übersieht, dass es bei der Unterscheidung zwischen „eigenen“ und „fremden“ Inhalten auf den Durchschnittsnutzer ankommt, dem die Funktionsweise von YouTube bekannt ist5. Die naive Perspektive eines erstmaligen Nutzers, die das LG Hamburg einnimmt, ist verfehlt, so dass es nicht überrascht, dass das LG Hamburg in einer späteren YouTube-Entscheidung ein Zueigenmachen verneint hat6. 1 LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304 = MMR 2004, 183 mit Anm. Christiansen; vgl. auch LG München I vom 30.3.2000, NJW 2000, 2214, 2216 = CR 2000, 389, 391 und Gounalakis/Rhode, NJW 2000, 2168, 2170. 2 LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304, 305 = MMR 2004, 183, 184 mit Anm. Christiansen. 3 LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304, 305 = MMR 2004, 183, 184 mit Anm. Christiansen; ähnlich OLG Hamburg vom 14.7.2004, CR 2004, 836. 4 KG vom 10.7.2009, MMR 2010, 203, 204. 5 LG Hamburg vom 3.9.2010 – 308 O 27/09, Rz. 50 ff. 6 LG Hamburg vom 20.4.2012 – 310 O 461/10, Rz. 75 ff.
522
II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
In einem Fall, der das Videoportal Sevenload betraf, verneinte das OLG 2108 Hamburg eine Haftung des Portalbetreibers für eigene Inhalte gemäß § 7 TMG mit der Begründung, dass die von Nutzern hochgeladenen Videos vor ihrer Freischaltung nicht auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Es fehle zudem an einer Markierung der Nutzerinhalte mit einem eigenen Kennzeichen des Portalbetreibers. Die von Nutzern hochgeladenen Inhalte seien zudem nicht der „redaktionelle Kerngehalt“ des Portals. schließlich sei es der Internetnutzer auch von anderen OnlineAngeboten im Internet gewohnt, dass Bereiche eingerichtet werden, an denen sich die Nutzer mit eigenen Inhalten beteiligen können, insbesondere Diskussionsforen. Diese Bereiche werte der verständige Internetnutzer in aller Regel nicht als eigene Inhalte des Seitenbetreibers, für die dieser die Verantwortung übernehmen will1. Ebay macht sich Angebote, die Kennzeichenrechtsverletzungen beinhal- 2109 ten, nicht durch Schaltung von AdWord-Anzeigen bei Google zu Eigen. In der Schaltung der Anzeigen liegt aus der objektiven Sicht des Verkehrs keine Übernahme von inhaltlicher Verantwortung. Für den Nutzer ist erkennbar, dass ihn der bei Google eingegebene Suchbegriff allein dorthin bringt, wo allgemein eine Suchfunktion die Suche über Suchworte ermöglicht. Indem ihm sogleich die Ergebnisliste präsentiert wird, die unterschiedslos alle zu dem Suchwort gefundenen Angebote enthält, also auch rechtmäßige Angebote, erkennt er die Verlinkung auf eine automatisierte Suche und die Funktion des bei Google gesetzten Links als eine bloße Erweiterung der bei Ebay ohnehin vorhandenen Suchfunktion2. Zu einem anderen Ergebnis kam das OLG Hamburg in einer Entschei- 2110 dung, in der es um das Portal chefkoch.de ging, auf der es zu Urheberrechtsverletzungen durch Bilder gekommen war, die Dritte auf die Portalseiten geladen hatten. Das Gericht vertrat die Auffassung, der Portalbetreiber mache sich die auf die Inhalte Dritte durch den Hinweis zu Eigen, dass die „Redaktion“ Inhalte „sorgfältig überprüft“3, sowie dadurch, dass nach den eigenen Angaben des Betreibers eine regelmäßige Prüfung durch „rund 30 ehrenamtliche Moderatoren auf kritische Themen und Bilder regelmäßig“ erfolge. Der BGH schloss sich der Argumentation des OLG Hamburg an. Zwar 2111 habe der Betreiber der Rezepte-Plattform die streitigen Lichtbilder nicht selbst auf die Plattform hochgeladen. Er habe diese Bilder aber nebst den jeweiligen Rezepten nach einer redaktionellen Kontrolle als eigenen Inhalt auf seiner Internetseite öffentlich zugänglich gemacht. Der BGH meinte zu wissen, dass Nutzer Rezepte regelmäßig für den Gebrauch in der Küche ausdrucken werden. In der Druckansicht erscheine das Rezept unter dem „Chefkoch-Emblem“, dies spreche gleichfalls für ein Zueigen1 OLG Hamburg vom 29.9.2010 – 5 U 9/09, Rz. 41 ff. 2 OLG Hamburg vom 29.11.2012 – 3 U 216/06, Rz. 103. 3 OLG Hamburg vom 26.9.2007, CR 2008, 453 ff.
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J. Haftung im Netz
machen. Die Kochrezepte bildeten zudem den redaktionellen Kerngehalt der Plattform, und der Betreiber weise in seinen Nutzungsbedingungen auf eine vorherige redaktionelle Kontrolle hin. Schließlich verlange der Plattformbetreiber in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Einverständnis der Nutzer damit, dass alle von ihnen zur Verfügung gestellten Daten (Rezepte, Bilder, Texte usw.) von „Chefkoch“ selbst oder durch Dritte vervielfältigt und in beliebiger Weise weitergegeben werden dürfen1. 2112
Der BGH hält es für unerheblich, dass die Nutzer von chefkoch.de ohne Weiteres erkennen können, dass die Rezepte nicht vom Plattformbetreiber, sondern von Dritten stammen. Bei einer Gesamtbetrachtung reiche angesichts der inhaltlichen Kontrolle durch den Betreiber sowie der Art der Präsentation der Hinweis auf die unter Aliasnamen auftretenden Einsender des Rezepts nicht aus, um aus der Sicht eines objektiven Nutzers eine ernsthafte und genügende Distanzierung des Diensteanbieters von den auf seiner Webseite eingestellten Inhalten deutlich zu machen. Allein die Kenntlichmachung eines Inhalts als fremd schließe dessen Zurechnung zu dem Anbieter nicht aus2.
2113
Das Urteil zieht die Grenzen der Haftungsprivilegien bedenklich eng. Ob dies mit dem Sinn und Zweck des § 10 TMG vereinbar ist, ist zweifelhaft3. Portalbetreiber müssen aus diesem Urteil jedoch Konsequenzen ziehen und jeden Hinweis auf inhaltliche Kontrollen zumindest mit der Einschränkung verbinden, dass die Kontrollen nicht so zu verstehen sind, dass eine inhaltliche Verantwortung für die Beiträge übernommen wird.
2114 Û Praxistipp: Ein einschränkender Hinweis kann wie folgt lauten: „Wir stellen auf dieser Website Beitrge Dritter zusammen. Soweit einzelne Beitrge die Rechte Dritter verletzen oder aus anderen Grnden rechtswidrige Inhalte enthalten, ist fr den Rechtsverstoß der jeweils genannte Verfasser verantwortlich. Wir sind zwar um eine regelmßige Kontrolle der Beitrge bemht. Eine inhaltliche Verantwortung – gleich welcher Art – bernehmen wir jedoch nicht.“
2115
Bei europarechtskonformer Auslegung der Norm setzt § 10 TMG voraus, dass sich der Anbieter auf eine rein technische und automatische Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten beschränkt. Sobald er eine „aktive Rolle“ einnimmt, die dem Anbieter eine Kenntnis der Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen kann, scheidet eine Haftungsprivilegierung nach Auffassung des EuGH aus4. Die Hürde der 1 BGH vom 12.11.2009, CR 2010, 468, 470 mit Anm. Hoeren/Plattner = WRP 2010, 922, 925 – marions-kochbuch.de. 2 BGH vom 12.11.2009, CR 2010, 468, 470 mit Anm. Hoeren/Plattner = WRP 2010, 922, 925 – marions-kochbuch.de. 3 Vgl. Christiansen, MMR 2004, 185, 186. 4 Vgl. EuGH vom 12.7.2011 – C-324/09, Rz. 113; Härting/Salsas, CRi 2011, 137, 139.
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II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
„neutralen Rolle“, die der EuGH verlangt, legt es nahe, dass § 10 TMG noch enger auszulegen ist, als dies dem Verständnis des BGH entspricht1. Für eine „aktive Rolle“ reicht es nicht aus, dass der Betreiber eines On- 2116 line-Marktplatzes die Verkaufsangebote auf seinem Server speichert, die Modalitäten für seinen Dienst festlegt, für diesen eine Vergütung erhält und seinen Kunden Auskünfte allgemeiner Art erteilt. Leistet der Betreiber hingegen Hilfestellung, die darin bestand, die Präsentation der betreffenden Verkaufsangebote zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben, fehlt es an einer „neutralen Stellung“ und damit an den Voraussetzungen einer Privilegierung gemäß § 10 TMG2. Nach Auffassung des OLG Hamburg übernimmt Ebay eine „aktive Rol- 2117 le“ bei der Veranlassung von Werbung (Adword-Anzeigen), die sich auf konkrete Ebay-Angebote beziehen. Soweit es um die Anzeigen gehe, beschränke sich Ebay nicht mehr auf das Zurverfügungstellen von technischen Strukturen, sondern fördere gezielt das Auffinden bestimmter Angebote durch Kaufinteressenten. § 10 TMG sei auf derartige Aktivitäten nicht anwendbar3. Die Ausnahme von § 10 TMG gelte allerdings nur, wenn es sich die „aktive Rolle“ auf die konkret beanstandeten Angebote bezieht. Wenn Ebay Adword-Anzeigen unterschiedslos geschaltet werden für verschiedene Angebote, unter denen sich rechtsverletzende Angebote befinden können oder auch nicht, fehle es an dem notwendigen Bezug der „aktiven Rolle“ zu dem konkreten Rechtsverstoß4. 3. Access Provider (§ 8 TMG) § 8 TMG regelt die Haftung des Zugangsproviders. Wer als Provider den 2118 Zugang zur Nutzung fremder Informationen vermittelt, haftet für diese Informationen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG nicht, wenn er die Übermittlung der Informationen nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und auch die übermittelten Informationen weder ausgewählt noch verändert hat. Eine aus technischen Gründen unvermeidbare Zwischenspeicherung fremder Informationen auf eigenen Servern des Providers begründet zudem gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 TMG keine Haftung5.
1 Spindler, MMR 2011, 703, 704. 2 Vgl. EuGH vom 12.7.2011 – C-324/09, Rz. 115 f.; Härting/Salsas, CRi 2011, 137, 139. 3 OLG Hamburg vom 4.11.2011 – 5 U 45/07, Rz. 136 ff.; Kunczik, ITRB 2012, 53 f. 4 OLg Hamburg vom 29.11.2012 – 3 U 216/06, Rz. 99 f. 5 Vgl. Begründung des IuKDG-Entwurfes der Bundesregierung, BR-Drucks. 966/96, S. 18, 22; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 279; Engel-Flechsig/ Maennel/Tettenborn, NJW 1997, 2981, 2985; Koch, CR 1997, 193, 198; Pelz, ZUM 1998, 530, 533; Pichler, MMR 1998, 79, 87; Spindler, NJW 1997, 3193, 3198.
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J. Haftung im Netz
2119
Wer als Access Provider seinen Kunden die Möglichkeit gibt, Zugriff auf rechtswidrige Inhalte zu nehmen, die auf einer (beliebigen) Internetseite zu finden sind, war bereits durch § 5 Abs. 3 TDG/MDStV a.F. von jedweder Verantwortung für diese Inhalte befreit1. Aus § 8 TMG ergibt sich nichts anderes: Selbst wenn die Deutsche Telekom AG (DTAG) beispielsweise Kenntnis davon hat, dass über das Internet Seiten abrufbar sind, die beleidigende Äußerungen enthalten, ist die DTAG als Access Provider in keiner Weise zur Unterbindung der Zugangsmöglichkeit zu diesen Seiten verpflichtet.
2120
Eine Ausnahme gilt gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG, wenn ein Zugangsprovider absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. In einem solchen Fall verliert der Provider das Haftungsprivileg. Dies würde beispielsweise in Betracht kommen, wenn ein deutscher Zugangsprovider gezielt mit ausländischen Anbietern zusammenwirkt, um eine Haftung für Inhalte zu umgehen, die auf ausländischen Servern gespeichert sind2. 4. Host Provider (§ 10 TMG)
2121
§ 10 TMG ist auf den „klassischen“ Host Provider zugeschnitten, dessen Geschäft darin liegt, Speicherplatz für die Websites seiner Kunden bereitzuhalten. Allerdings ist § 10 TMG auch auf andere Diensteanbieter anwendbar, die fremde Informationen speichern und verbreiten. § 10 TMG gilt für Auktionsplattformen3 und andere Internetplattformen ebenso wie für Blogs4, Internetforen5 und Social Networks6.
2122
Nach § 10 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben (Nr. 1) oder wenn sie unverzüglich tätig werden, um diese Information zu 1 Vgl. Koch, CR 1997, 193, 198; Spindler, NJW 1997, 3193, 3198. 2 Sieber, MMR 1998, 438, 439; vgl. auch BT-Drucks. 13/7385, S. 51 f. 3 Vgl. Koch, Internet-Recht, S. 608; Freytag in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rz. 123; Strömer, Online-Recht, S. 283 f.; Lehmann/ Rein, CR 2008, 97, 98; EuGH vom 12.7.2011 – C-324/09, Rz. 107 ff.; BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 764 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 669 f. = K&R 2004, 486, 488 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 759 = CR 2007, 728, 729 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 518 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 4 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rz. 1106; Koch, ITRB 2006, 260, 261 f.; LG Hamburg vom 4.12.2007, MMR 2008, 265 f.; AG Mitte vom 20.10.2004, MMR 2005, 639, 640. 5 Vgl. Strömer, Online-Recht, S. 284 ff.; Schmitz/Laun, MMR 2005, 208, 209 ff.; Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 444; Stadler, K&R 2006, 253 ff.; BGH vom 27.3.2007, NJW 2007, 2558 f. = CR 2007, 586 f. mit Anm. Schuppert = K&R 2007, 396 f. mit Anm. Volkmann; OLG Düsseldorf vom 7.6.2006, CR 2006, 682 ff.; OLG Hamburg vom 22.8.2006, CR 2007, 44 ff. 6 Vgl. Fülbier, CR 2007, 515 ff.; Wimmers/Schulz, CR 2008, 170, 175.
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II. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben (Nr. 2). Nr. 2 hat eigenständige Bedeutung nur ab Kenntniserlangung durch den Anbieter1 und gibt ihm die Möglichkeit, den Zugang zu Informationen zu sperren, um eine Haftung zu vermeiden2. Bei Schadensersatzansprüchen gelten verschärfte Maßstäbe, da es hierfür 2123 keiner positiven Kenntnis bedarf. Vielmehr tritt eine Schadensersatzhaftung auch ein, wenn dem Provider Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG)3. Nach der Ursprungsfassung von § 5 Abs. 2 TDG/MDStV waren Diens- 2124 teanbieter, die fremde Internet-Inhalte zur Nutzung bereithielten, für diese Inhalte nur dann haftbar, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis hatten und es ihnen möglich und zumutbar war, deren Nutzung zu verhindern. Technisch möglich war eine solche Sperre, wenn fortschrittliche Verfahren oder Einrichtungen zur Verfügung standen, die eine praktische Eignung zu der Durchführung der Sperrung als gesichert erscheinen ließen4. Das Kriterium der Zumutbarkeit5 bedeutete, dass ein Diensteanbieter nicht jeden nur denkbaren Aufwand betreiben musste, um einen Zugang zu rechtwidrigen Inhalten zu vermeiden. Aufwand und Wirksamkeit der Maßnahme mussten in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen6. Bei den Grenzen der technischen Möglichkeit und Zumutbarkeit der 2125 Sperrung ist es auch nach geltendem Recht geblieben7. Die Möglichkeit und Zumutbarkeit rechtlich angeordneten Verhaltens ist ein übergeordneter Grundsatz, dessen ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz es nicht bedarf8. 1 Vgl. LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197; LG Potsdam vom 10.10.2002, CR 2003, 217, 219 = MMR 2002, 829, 831 = ITRB 2003, 6 (Häuser). 2 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Alpert, CR 2001, 604, 610; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004; WRP 2004, 631, 634. 3 Vgl. Eck/Ruess, MMR 2003, 363, 365. 4 Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Multimedia, S. 18; Freytag, Haftung im Netz, S. 187 f. 5 Vgl. Altenhain, AfP 1998, 457, 461 ff. 6 Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Multimedia, S. 18; Freytag, Haftung im Netz, S. 190 ff.; OLG München vom 3.2.2000, CR 2000, 541, 542 f. = MMR 2000, 617, 619 mit Anm. Hoffmann = K&R 2000, 356, 357. 7 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Escher-Weingart in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 38 Rz. 24; Hoffmann, MMR 2002, 284, 289; Leupold, MMR 2004, 318; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627 = MMR 2004, 332 mit Anm. Spindler; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 216 = MMR 2003, 120, 126; LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197. 8 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Hoffmann, MMR 2002, 284, 289; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 4; OLG Brandenburg vom 16.12.2003,
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J. Haftung im Netz
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Für den Host Provider hat § 10 Satz 1 TMG die Folge, dass er keiner rechtlichen Verpflichtung unterliegt, die auf seinen Servern gespeicherten Inhalte auf mögliche Rechtsverletzungen zu untersuchen1. Erhält der Provider jedoch – insbesondere auf Grund einer Mitteilung des Geschädigten2 – Kenntnis von einem konkreten Rechtsverstoß, muss er Maßnahmen ergreifen, um die beanstandeten Inhalte zu sperren oder zu entfernen3. Kenntnis ist dabei im Sinne positiver Kenntnis von dem konkreten Inhalt zu verstehen4. Für eine Kenntnisverschaffung nicht genügend ist ein pauschaler Hinweis, dass sich auf den Servern des Providers urheberrechtsverletzende Informationen befinden5.
2127
Erlangt der Provider durch eine Abmahnung erstmalig Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten, hat § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG zur Folge, dass Kostenersatz erst für eine zweite Abmahnung verlangt werden kann6.
2128
Bei der Auslegung des ursprünglichen § 5 Abs. 2 TDG/MDStV wurde überwiegend die Auffassung vertreten, eine Sperrpflicht bestehe schon bei Kenntnis von den beanstandeten Inhalten und nicht erst bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Inhalte7. Der Wortlaut des § 10 TMG legt dagegen die Deutung nahe, dass die Kenntnis der Rechtswidrigkeit nur dann entbehrlich ist, wenn sich der Rechtsverstoß auf konkrete Informationen bezieht, während sich bei rechtswidrigen Handlungen (z.B. Spam-
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WRP 2004, 627, 630 = MMR 2004, 330, 332 mit Anm. Spindler; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 216 = MMR 2003, 120, 126. Alpert, CR 2001, 604, 610; Christiansen, MMR 2004, 185, 186; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 596 f.; Pelz, ZUM 1998, 530, 534; Pichler, MMR 1998, 79, 88; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 630 = MMR 2004, 330, 332 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 634; LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197; a.A. LG Düsseldorf vom 14.8.2002, MMR 2003, 61 (Ls.); LG München I vom 30.3.2000, NJW 2000, 2214, 2216 = CR 2000, 389, 390 = K&R 2000, 307, 308 f. mit Anm. Moritz; LG Trier vom 16.5.2001, MMR 2002, 694, 695 mit Anm. Gercke. Vgl. Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197. Koch, CR 1997, 193, 200; Pelz, ZUM 1998, 530, 534; Pichler, MMR 1998, 79, 88; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; vgl. auch LG Trier vom 16.5.2001, MMR 2002, 694 mit Anm. Gercke. Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 596; Leupold, MMR 2004, 318; Spindler, CR 2004, 50; Spindler, MMR 2004, 333; BGH vom 23.9.2003, NJW 2003, 3764, 3765 = CR 2004, 48, 49 mit Anm. Spindler = MMR 2004, 166, 167 mit Anm. Hoeren = MDR 2004, 92 = K&R 2004, 29; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 630 = MMR 2004, 330, 331 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 634; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 215 = MMR 2003, 120, 125; a.A. Hoeren, MMR 2002, 113. Spindler, CR 2004, 50, 51. Spindler, NJW 2002, 921, 925; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635; OLG Hamburg vom 4.11.1999, MMR 2000, 92, 97 = K&R 2000, 138, 143 mit Anm. Härting; AG Ludwigshafen vom 23.10.2008 – 2 g C 291/08, Rz. 14. Pichler, MMR 1998, 79, 88; Spindler, NJW 1997, 3193.
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III. Stçrerhaftung
ming1 oder Versand virenverseuchter E-Mails2) die Kenntnis auch auf die Rechtswidrigkeit erstrecken muss3. Wer Speicherplatz für E-Mails zur Verfügung stellt, ist Host Provider ge- 2129 mäß § 10 TMG. Dies begründet jedoch keine generelle Haftung für Straftaten, die mit Hilfe des E-Mail-Accounts begangen werden, wenn der Anbieter Kenntnis von der „Unseriosität“ und „betrügerischen Aktivitäten“ seines Kunden hat, wenn es an einem inneren Zusammenhang zwischen diesen Kenntnissen und einer konkret begangenen Straftat fehlt4. 5. Caching (§ 9 TMG) Eine Sonderregelung gilt für das automatische Zwischenspeichern von 2130 Websites, das den Abruf der Websites erleichtert (Caching). Die Haftung für das Caching ist seit der TDG-Reform 2001 im jetzigen § 9 TMG (früher: § 10 TDG und § 8 MDStV) ausdrücklich geregelt. Sofern beim Caching die üblichen technischen Standards eingesetzt werden, haftet ein Provider für zwischengespeicherte Inhalte nicht5. Allerdings ist der Provider zu unverzüglichem Handeln verpflichtet, wenn er Kenntnis davon erlangt, dass Informationen am Ursprungsort aus dem Netz entfernt oder gesperrt wurden oder dass eine entsprechende behördliche oder gerichtliche Anordnung vorliegt (§ 9 Nr. 5 TMG)6.
III. Störerhaftung 1. Reichweite der Haftungsprivilegien Für erhebliche dogmatische Unstimmigkeiten sorgt § 7 Abs. 2 Satz 2 2131 TMG. Danach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG bestehen. Unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien wird aus § 7 Abs. 2 2132 Satz 2 TMG (ebenso wie aus den identischen Vorläufernormen) – und vom BGH erstmalig in der „Internet-Versteigerung I“-Entscheidung7 – der Schluss gezogen, die §§ 8 bis 10 TMG regelten lediglich die Schadens-
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Vgl. Flechsig, MMR 2002, 347, 348 f. Vgl. Koch, NJW 2004, 801; LG Hamburg vom 18.7.2001, CR 2001, 667. A.A. Hoffmann, MMR 2002, 284, 288. Vgl. OLG Brandenburg vom 9.5.2012 – 13 U 50/10. Vgl. Hoffmann, MMR 2002, 284, 287. Hoffmann, MMR 2002, 284, 287. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 ff. = K&R 2004, 486 ff. – Internet-Versteigerung; a.A. KG vom 16.4.2013 – 5 U 63/12, Rz. 101 ff.
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J. Haftung im Netz
ersatzhaftung. Auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sei ausschließlich das allgemeine Recht der Störerhaftung anwendbar1. 2133
In der BGH-Entscheidung zu „Internet-Versteigerung I“2 ging es um einen einfachen Sachverhalt: Der Inhaber der Marke ROLEX stellte fest, dass auf einer Internet-Auktionsplattform gefälschte Ware angeboten wurde. Der Plattforminhaber entfernte die Angebote. Dies reichte jedoch dem Markeninhaber nicht aus. Er wollte den Plattformbetreiber verpflichten, die Plattform in Zukunft „sauber zu halten“ und keine weiteren Angebote von gefälschten Produkten zuzulassen.
2134
Aus Sicht des Plattformbetreibers war das Anliegen, das der Markeninhaber verfolgte, eine Zumutung: Produktangebote können bei größeren Auktionsplattformen nicht umfassend auf mögliche Rechtsverletzungen geprüft werden. Rein faktisch lässt sich das Angebot von Produktfälschungen nicht verhindern, da es für den Plattformbetreiber schwer zu beurteilen ist, ob es sich bei einem bestimmten Warenangebot um eine Fälschung handelt.
2135
Notice and Take Down – § 10 Satz 1 TMG löst den Interessenkonflikt zwischen Plattformbetreiber und Rechteinhaber ebenso klar wie angemessen: Sobald der Betreiber Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, ist er zur Beseitigung verpflichtet. Eine Verpflichtung zur laufenden Überwachung der Plattform im Hinblick auf mögliche Rechtsverletzungen soll nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG nicht bestehen3.
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Der BGH verschließt sich den Zugang zu § 10 Satz 1 TMG und vertritt den Standpunkt, die Haftungsprivilegierung sei zivilrechtlich lediglich auf Schadensersatzansprüche, nicht jedoch auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche anwendbar. Durch die fundierte europarechtliche Kritik4 ließ sich der BGH nicht beirren.
2137
In der Praxis bedeutet die Beschränkung der §§ 8 bis 10 TMG auf Schadenersatzansprüche, dass die Haftungsprivilegien weitgehend leer laufen. Geht es nämlich um Haftungsfragen im Internet, so sind Schadenersatzfälle die ganz seltene Ausnahme und Fälle der Störerhaftung die weit überwiegende Regel.
1 Vgl. Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 26; Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 749 f.; Lehment, WRP 2003, 1058, 1063; Spindler, MMR 2004, 333, 334; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 3 ff.; Volkmann, CR 2003, 440, 441. 2 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 ff. = K&R 2004, 486 ff. – Internet-Versteigerung. 3 Härting/Linden in Hoffmann/Leible/Sosnitza, S. 51; Härting, BGH Report 2007, 825, 828. 4 Vgl. Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 101; Leible/Sosnitza, NJW 2007, 3324, 3324 f.; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 598; Volkmann, CR 2004, 767, 768.
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III. Stçrerhaftung
2. Prüfungs- und Verkehrspflichten Ohne die Beschränkungen der §§ 8 bis 10 TMG besteht bei der Störerhaf- 2138 tung die Gefahr einer endlos weiten Haftungskette bei Rechtsverstößen. Dies immerhin hat der BGH erkannt und bemüht sich um eine internetspezifische Eingrenzung auf Fälle, in denen Diensteanbieter Prüfungspflichten verletzt haben1. Ein entsprechendes Eingrenzungskriterium zieht der BGH bei der Frage heran, ob ein Anbieter Verkehrspflichten missachtet hat2. Wenn rechtswidrige Inhalte im Netz kursieren, fällt es schwer, nach all- 2139 gemeinem Haftungsrecht eine Begründung dafür zu finden, warum keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen sämtliche Diensteanbieter bestehen, die den Zugriff auf die Inhalte ermöglichen. Äußert sich der Betreiber eines Blogs beleidigend über seinen Nachbarn, so wirkt der Host Provider, bei dem die Blogseite gespeichert ist, in adäquat-ursächlicher Weise an der Beleidigung mit. Die Voraussetzungen einer Haftung des Providers als Mitstörer3 gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 185 StGB sind erfüllt. Eine Haftung als Mitstörer gemäß § 1004 BGB lässt sich darüber hinaus auch gegenüber sämtlichen Access Providern begründen, die ihren Kunden den Zugang zum Internet und damit auch den Zugriff auf die beleidigenden Äußerungen ermöglichen4. a) Beseitigungspflichten Bei Beseitigungsansprüchen besteht Einigkeit über die Geltung des „No- 2140 tice-and-Take-Down“-Prinzips: Der Diensteanbieter ist zur Beseitigung rechtswidriger Inhalte verpflichtet, sobald er Kenntnis von dem Rechtsverstoß erlangt. Diese Beseitigungspflicht besteht ohne Rücksicht darauf,
1 BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 526 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 510 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III; jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. vom 25.1.2005, CR 2005, 285, 286 f.; OLG Hamburg vom 4.5.2006, MMR 2006, 754, 756; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739, 740 f.; LG Hamburg vom 4.1.2005, CR 2005, 680, 681 = MMR 2005, 326, 327 f. mit Anm. Rachlock = ITRB 2005, 200 f. (Rössel); LG Köln vom 12.9.2007, MMR 2008, 197, 198. 2 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 761 f. = CR 2007, 728, 731 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay; vgl. auch Leistner/Stang, WRP 2008, 533; Volkmann, CR 2008, 232. 3 Vgl. Bassenge in Palandt, § 1004 Rz. 16 ff., m.w.N. 4 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 25.1.2005, CR 2005, 285, 286 f.; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739, 740 f.; LG Köln vom 12.9.2007, MMR 2008, 197, 198.
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J. Haftung im Netz
ob dem Anbieter die Verletzung von Prüfungspflichten zur Last gelegt werden kann1. 2141
Wenn ein Diensteanbieter Kenntnis davon erlangt, dass sein Dienst für Rechtsverstöße genutzt wird, hat er regelmäßig kein Interesse an einem Streit um Beseitigungspflichten. Er wird in aller Regel zügig handeln und rechtswidrige Inhalte löschen oder sperren. Daher verwundert es nicht, dass es in streitigen Auseinandersetzungen selten um Beseitigungsansprüche des Providers geht, sondern nahezu ausschließlich um Unterlassungsansprüche, die in die Zukunft wirken und die eine Kontrolle der gehosteten Inhalte erfordern, um Zuwiderhandlungen zu vermeiden.
2142
Beseitigungspflichten können für einen Anbieter problematisch sein, wenn sie Inhalte betreffen, zu deren Speicherung der Anbieter sich gegenüber einem Kunden vertraglich verpflichtet hat. Der Umstand, dass eine entsprechende Verpflichtung besteht, kann einen deliktischen Beseitigungsanspruch bei einer Rechtsverletzung nicht ausschließen. Einer Beseitigungspflicht kann sich der Anbieter nicht dadurch entziehen, dass er mit dritten Personen Abreden trifft, in denen er sich verpflichtet, das gegenüber dem Verletzten zu unterlassende Verhalten fortzusetzen2.
2143 Û Praxistipp: Um einen Pflichtenkonflikt zu vermeiden, empfiehlt es sich, in Verträge über das Hosting von Content weitreichende Beseitigungsrechte aufzunehmen: „Wenn der Anbieter von Dritten auf Beseitigung vermeintlich oder tatschlich rechtswidriger Inhalte in Anspruch genommen wird, ist er zu deren Sperrung und Lçschung berechtigt. Soweit mçglich und zumutbar, wird der Anbieter den Kunden von der Inanspruchnahme unterrichten, bevor eine Sperrung oder Lçschung erfolgt. Der Anbieter ist nicht verpflichtet, bei Eingang einer Beanstandung deren Berechtigung zu prfen. Auch bei unberechtigten Beanstandungen besteht ein Recht zur Sperrung und Lçschung.“
b) Unterlassungspflichten bei Erfolgsunrecht 2144
Der BGH geht davon aus, dass die Grundsätze der Störerhaftung bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten anzuwenden sind, die als absolute Rechte nach § 823 Abs. 1 und § 1004 BGB Schutz genießen3. Derjenige, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, könne daher als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
1 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 422 ff.; Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Rz. 64; Redeker, IT-Recht, Rz. 1097. 2 OLG Hamburg vom 15.3.2011 – 7 U 45/10. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 766 f. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung.
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III. Stçrerhaftung
Erstmals in der ambiente.de-Entscheidung1 hat der BGH für die Störer- 2145 haftung im Internet (einschränkend) verlangt, dass der Störer eine Prüfungspflicht verletzt hat2. Seitdem vertritt der BGH in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Störerhaftung dürfe im Netz nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben. Die Haftung setze daher die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei3. Einem Unternehmen, das im Internet eine Plattform für Versteigerungen 2146 betreibt, ist es nach Ansicht des BGH nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine solche Obliegenheit würde das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen und entspräche auch nicht den Grundsätzen, nach denen Unternehmen sonst für Rechtsverletzungen haften, zu denen es auf einem von ihnen eröffneten Marktplatz – etwa in den Anzeigenrubriken einer Zeitung oder im Rahmen einer Verkaufsmesse – kommt4. Allerdings sei zu bedenken, dass der Betreiber der Plattform durch die ihm geschuldete Provision an dem Verkauf der Piraterieware beteiligt sei. Unter diesen Umständen komme dem Interesse der Plattformbetreibers an einem möglichst kostengünstigen und reibungslosen Ablauf ihres Geschäftsbetriebs ein geringeres Gewicht zu als beispielsweise dem Interesse der Registrierungsstelle für Domainnamen an einer möglichst schnellen und preiswerten Domainvergabe5. Dies wiederum bedeute, dass der Plattformbetreiber immer dann, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren (vgl. § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG), sondern auch Vorsorge treffen müsse, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenverletzungen kommt. 1 Siehe Rz. 2046. 2 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265 = MMR 2001, 671 – ambiente.de; zur Entwicklung im sonstigen Wettbewerbsrecht siehe Jergolla, WRP 2004, 655, 656 f. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 527 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 511 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 763 = CR 2007, 728, 733 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 523 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 4 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 527 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 511 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – InternetVersteigerung II. 5 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung.
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J. Haftung im Netz
2147
Ein Vergleich des ambiente.de-Urteils1 mit der Entscheidung zu „Internet-Versteigerung I“2 zeigt, dass der BGH von einer Intensivierung der Prüfungspflichten ausgeht, wenn der Diensteanbieter mit Gewinnerzielungsabsicht handelt3. c) Unterlassungspflichten bei Verhaltensunrecht
2148
Gut drei Jahre nach „Internet-Versteigerung I“ war der BGH in seiner Entscheidung zu „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“4 um ein weiteres Grundsatzurteil bemüht. Auch in dieser Entscheidung ging es um die Haftung einer Internetauktions-Plattform. Der Rechtsverstoß lag diesmal aber nicht in der Verletzung von Markenrechten, sondern in einem Wettbewerbsverstoß: Über die Plattform Ebay wurden unter Verletzung des Jugendschutzrechts jugendgefährdende Medien angeboten. Der Plattformbetreiber wurde daraufhin auf Unterlassung derartiger Angebote verklagt.
2149
Im Wettbewerbsrecht geht es nach Auffassung des BGH um „Verhaltensunrecht“. Der BGH bekundete zunächst wiederholt für diesen Bereich „eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung“ und erwog die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme zu begründen5. Klartext findet sich erstmals in der Entscheidung zu „Kinderhochstühle im Internet“6. Für den Bereich des „Verhaltensunrechts“ verabschiedet sich der BGH in dieser Entscheidung in einem Nebensatz vollständig von der Störerhaftung7.
2150
Bereits in seiner Entscheidung zu „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“ ging der BGH – wenn auch ohne nähere Begründung – nicht von einer Störerhaftung, sondern von einem „täterschaftlichen Verstoß der Beklagten gegen die Generalklausel des § 3 UWG“ aus. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffne, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, begehe eine unlautere Wettbewerbshandlung, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenze. Ebay habe im eigenen geschäftli1 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265 = MMR 2001, 671 – ambiente.de. 2 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung. 4 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758 = CR 2007, 728 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 5 Vgl. BGH vom 15.5.2003, NJW-RR 2003, 1685, 1686 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH vom 24.6.2003, NJW 2003, 2525, 2526 – Buchpreisbindung; jeweils m.w.N. 6 Vgl. Härting, ITRB 2012, 254, 254. 7 BGH vom 22.7.2010 – I ZR 139/08, Kinderhochstühle im Internet, Rz. 48.
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III. Stçrerhaftung
chen Interesse eine allgemein zugängliche Handelsplattform geschaffen, deren Nutzung mit der Gefahr verbunden sei, schutzwürdige Interessen von Verbrauchern zu beeinträchtigen. Da Ebay zudem bekannt sei, dass Versteigerer unter Nutzung der Handelsplattform mit konkreten Angeboten gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen, sei Ebay verpflichtet, im Hinblick auf die konkret bekannt gewordenen Verstöße, zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um derartige Rechtsverletzungen künftig so weit wie möglich zu verhindern1. Aus dem Gesichtspunkt der „Gefahreröffnung“ leitet der BGH eine wett- 2151 bewerbsrechtliche Verkehrspflicht ab. Im Kern gehe es um den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind2. Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telemedienanbieters 2152 „konkretisiert“ sich nach Auffassung des BGH als Prüfungspflicht. Damit ist die Brücke zu „Internet-Versteigerung I“ geschlagen: Voraussetzung einer Haftung des Anbieters sei – wie bei der Störerhaftung – eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen und Umfang richte sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Wie bei der Störerhaftung komme es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei3. Bei der „gebotenen Abwägung“ könne die Bereitstellung der Internet- 2153 Plattform durch Ebay für sich allein nicht schon Prüfungspflichten begründen. Dem Plattformbetreiber sei es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine Handlungspflicht entstehe jedoch, sobald der Betreiber der Plattform Kenntnis von konkreten jugendgefährdenden Angeboten erlangt habe. Ab Kenntniserlangung könne sich Ebay nicht mehr auf eine „medienrechtliche Freistellung von einer Inhaltskontrolle“ berufen4. Es sei mit der Lauterkeit des Wettbewerbs nicht zu vereinbaren, wenn man es bei Ebay bewusst in Kauf nehme, Umsätze mit Provisionen für Geschäfte zu erzielen, die auf Grund von Angeboten abgeschlossen worden sind, die gegen das Jugendschutzrecht verstoßen. Die Gewinn-
1 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 f. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 2 Vgl. BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 759 ff. = CR 2007, 728, 730 ff. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 519 ff. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 3 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762. = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 4 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 f. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay.
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J. Haftung im Netz
erzielungsabsicht wird somit als haftungsbegründendes Argument bemüht1. 2154
Nach dem Schwenk von den Verkehrspflichten zu den Prüfungspflichten überrascht das Ergebnis des Urteils nicht: Der Plattformbetreiber sei nicht nur verpflichtet, das konkrete jugendgefährdende Angebot, von dem er Kenntnis erlangt hat, unverzüglich zu sperren. Er müsse vielmehr auch Vorsorge dafür treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt2. Neben der Beseitigungspflicht bejaht der BGH somit abermals einen Unterlassungsanspruch und somit eine künftige Kontrollpflicht.
2155
Unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht haben das OLG Frankfurt a.M.3 und das LG Düsseldorf4 den Betreiber eines Portals für Kleinanzeigen für verpflichtet erachtet, dafür Sorge zu tragen, dass gewerbliche Inserenten ihrer Impressumspflicht (§ 5 TMG)5 nachkommen. Ähnlich hat das OLG Köln argumentiert und die Haftung eines Internetauktionsportals für Urheberrechtsverletzungen bejaht, die im Zusammenhang mit Kunstauktionen begangen wurden6. Das OLG Hamburg bejaht – anders als der BGH7 – eine Teilnehmerhaftung des Betreibers einer Versteigerungsplattform für Markenrechtsverletzungen und stützt sich dabei auf eine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten8. Die Entscheidung des OLG Hamburg ist 72 Seiten lang, obwohl sie sich mit einem Sachverhalt befasst, den der BGH bereits mehrfach entschieden hatte. Allein dies zeigt, dass der BGH durch seine Rechtsprechung zur Störerhaftung und zu Prüfungs- und Verkehrspflichten mehr für Verwirrung als für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt hat. d) Unterlassungspflichten bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts
2156
In seinem „Autocomplete“-Urteil hat der BGH Google nicht für die Verwendung der Suchvorschläge verantwortlich gemacht und dies mit ei1 Vgl. BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 f. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 2 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 522 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008, K&R 2008, 60 f. 4 LG Düsseldorf vom 18.6.2013 – 20 U 145/12, Rz. 34 ff. 5 Siehe Rz. 1519 ff. 6 OLG Köln vom 26.9.2008, ZUM 2009, 68 ff. 7 Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 8 OLG Hamburg vom 24.7.2008, WRP 2008, 1569 ff.
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III. Stçrerhaftung
nem Argument begründet, das an den Aspekt der Sozialadäquanz erinnert: Bei dem Entwickeln und Verwenden der die Suchvorschläge bearbeitenden Software handele es sich um eine durch Art. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit. Zudem ziele die Nutzung der Software nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung ab. Nur durch das Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens können ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen1. Die Haftung von Google für die Suchvorschläge hat der BGH auf ein Un- 2157 terlassen gestützt. Google könne vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen2. Eine Haftung des Diensteanbieters für ein Unterlassen setzt nach Auffas- 2158 sung des BGH eine Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen komme es darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist3. Der Betreiber einer Suchmaschine sei nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen, dies würde den Betrieb unzumutbar erschweren4. Eine Prüfungspflicht bestehe erst, wenn der Betreiber Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt5. e) Prüfungspflichten: Voraussetzungen aa) „Notice and Scan“ Der BGH hat das „Notice-and-Take-Down“-Prinzip in etlichen Entschei- 2159 dungen zu einem „Notice-and-Scan“-Prinzip6 erweitert und – jedenfalls für kommerzielle Diensteanbieter – die Kenntnis von einem (einmaligen) Rechtsverstoß genügen lassen, um für die Zukunft Prüfungspflichten und damit einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Dies bedeutete, dass nicht erst die Verletzung von Prüfungspflichten, sondern bereits die Kenntnis von einem Rechtsverstoß die Störerhaftung begründete mit der Folge, dass in Zukunft Kontroll- bzw. Prüfungspflichten bestanden. Umgekehrt bedurfte es allerdings einer solchen Kenntnis, um einen Unterlassungsanspruch bejahen zu können7. Die Reichweite der Kontroll- und Prüfungspflichten ist schwer prognosti- 2160 zierbar. Niemand kann mit Gewissheit voraussagen, welchen Umfang 1 2 3 4 5 6 7
BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 26; vgl. Härting, CR 2013, 443, 444 f. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 24 f.; vgl. Härting, CR 2013, 443, 444. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 29. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 30. BGH vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12, Rz. 30. Vgl. Härting, CR 2007, 734, 735. Vgl. BGH vom 17.12.2010 – V ZR 44/10 – Preußische Gärten und Parkanlagen auf Internetportal, Rz. 20.
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Prüfungspflichten haben, bevor nicht Gerichte über einen Fall entschieden haben. Die Gerichte bestimmen die Reichweite von Prüfungspflichten nach den „Umständen des Einzelfalles“ unter Berücksichtigung der Funktion und der Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie der Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat1. 2161
Ob auf „geparkten“ Domains Werbung geschaltet wird2 oder auf einer Auktionsplattform Angebote aufgenommen werden: Diensteanbieter sind im Netz vielfach auf automatisierte Verfahren angewiesen. Dabei kann nie hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass die Unternehmen an einem Rechtsverstoß „mitwirken“. Doch welche technischen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Haftung abzuwenden? Wie viel Personal muss eingesetzt werden, um den Prüfungspflichten zu genügen? Auf derartige Fragen kann man in der Rechtsprechung selten eine befriedigende Antwort finden.
2162
Der Begriff der „Prüfungspflicht“ ist bereits denkbar unscharf. Hinter dem Begriff der „Prüfung“ kann sich eine tatsächliche oder auch eine rechtliche Prüfung verbergen. Tatsächliche Prüfungspflichten zielen darauf ab, ob und inwieweit der Betreiber einer Plattform verpflichtet ist, diese – ggf. unter Anwendung von Filter-Software – zu „durchforsten“. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Betreiber die Rechtmäßigkeit von Informationen prüfen muss, wenn sich Dritte durch diese Informationen in ihren Rechten verletzt fühlen. bb) Hinweis auf eine Rechtsverletzung
2163
Wie genau der Hinweis sein muss, der die Prüfungspflichten begründet, ist unklar. Zu verlangen ist jedenfalls, dass die Angaben so präzise sind, dass der Betreiber der Plattform imstande ist, konkret angeführte Inhalte auf der Plattform zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu sperren3. In seiner Blogeintrag-Entscheidung4 fordert der BGH konkret gefasste Hinweise auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die es dem Betreiber ermöglichen, auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – einen Rechtsverstoß zu bejahen5.
2164
In einem Fall, in dem es um einen angeblichen Wettbewerbsverstoß des Betreibers einer Ticketbörse ging, verlangte das OLG Düsseldorf einen 1 Vgl. nur BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 889, 901 – Schöner Wetten; BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265, 3267 = MMR 2001, 671, 674 – ambiente.de. 2 Siehe Rz. 2221. 3 Vgl. OLG Düsseldorf vom 24.2.2009, CR 2009, 391, 393. 4 Vgl. Härting, ITRB 2012, 254 f. 5 BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 – Blog-Eintrag, Rz. 26.
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III. Stçrerhaftung
Hinweis auf eine „klare Rechts- oder Vertragsverletzung“1. Im konkreten Fall ging es um die Auslegung von Weiterverkaufsverboten in Ticket-Geschäftsbedingungen, es fehlte jedenfalls an einer „unschweren“ Erkennbarkeit eines Rechtsverstoßes. f) Prüfungspflichten: Reichweite Wer als Plattformbetreiber von rechtswidrigen Inhalten erfährt, ist ver- 2165 pflichtet, gleichartige Rechtsverstöße in Zukunft zu unterbinden2. Prozessual bedeutete dies vielfach, dass der Betreiber zur Unterlassung verurteilt wurde3. Den Einwand, alles Zumutbare unternommen zu haben, um (wiederholte) Rechtsverletzungen zu vermeiden, konnte der Anbieter erst im Vollstreckungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des (fehlenden) Verschuldens erheben (§ 890 ZPO)4. In seiner Entscheidung zu „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“ hat sich 2166 der BGH erstmals bemüht, den Begriff der „gleichartige Rechtsverstöße“ zu konkretisieren. „Gleichartig“ seien nicht nur Angebote, die mit den bekannt gewordenen Fällen identisch sind, also das Angebot des gleichen Artikels durch denselben Versteigerer betreffen. Vielmehr habe die Beklagte auch zu verhindern, dass die konkret bekannten jugendgefährdenden Medien durch andere Bieter erneut über ihre Plattform angeboten werden. Und mehr noch: Als „gleichartig“ mit einem bestimmten Verstoß gegen das Jugendschutzrecht kommen nach Auffassung des BGH auch solche Angebote in Betracht, bei denen derselbe Versteigerer auf demselben Trägermedium (z.B. Bildträger, Tonträger, Printmedium, Computerspiel) Inhalte derselben jugendgefährdenden Kategorie (z.B. Verherrlichung der NS-Ideologie, Anreize zur Gewalttätigkeit, Pornographie) anbietet5.
1 OLG Düsseldorf vom 7.7.2010, VU-U (Kart) 12/10, Rz. 21. 2 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 527 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 511 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 828 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 523 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 3 Vgl. LG Köln vom 21.3.2007, ZUM 2007, 568 ff.; LG Köln vom 21.3.2007, MMR 2007, 806 ff. 4 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 672 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung. 5 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 f. = CR 2007, 728, 733 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 522 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay.
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g) Tendenzwende des BGH 2167
Neuere Entscheidungen des BGH zeigen eine deutliche Tendenz zu Einschränkungen der Prüfungspflichten. Ohne dass sich der BGH auch nur mit einer Silbe von früheren Entscheidungen distanziert hat, hält er nicht mehr daran fest, dass bereits die Kenntnis von einem Rechtsverstoß eine Verpflichtung zur Unterbindung „gleichartiger“ Verstöße auslöst („Notice and Scan“).
2168
Die Tendenzwende wird deutlich in der Entscheidung des I. Zivilsenats zu „Kinderhochstühle im Internet“1, in der der BGH eine Verletzung von Verkehrspflichten mit der Begründung verneint, es sei Ebay nicht zumutbar, zur Vermeidung wettbewerbswidriger vergleichender Werbung (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG) Angebote zu kontrollieren, die sich lediglich mit allgemeinen Begriffen wie „wie“ und „ähnlich“ auf Markenartikel beziehen. Ob derartige Formulierungen eine implizite Darstellung einer Nachahmung oder Imitation beinhalteten, hänge von einer Einzelfallbetrachtung ab und könne nicht pauschal bejaht werden2. Soweit sich die Klage auf das Markenrecht stützte, verneinte der BGH eine Störerhaftung mit der Begründung, dass Ebay die im konkreten Fall zur Verhinderung von Markenverletzungen notwendige manuelle Kontrolle nicht zumutbar sei3. Im Ergebnis verneint der BGH einen Unterlassungsanspruch gegen Ebay trotz Kenntnis von Rechtsverstößen.
2169
In einem anderen Fall, den der VI. Zivilsenat des BGH4 zu entscheiden hatte, ging es um Aussagen einer Journalistin in dem Nachrichtendienst „FOCUS online“. Die Rechtswidrigkeit der Äußerungen war unstreitig. Es gab zudem keinen Streit mit der Tomorrow Focus AG, die den OnlineNachrichtendienst betreibt. Die Tomorrow Focus AG hatte den streitigen Beitrag frühzeitig gelöscht und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
2170
Die Unterlassungserklärung des Dienstebetreibers reichte dem Kläger nicht. Er verlangte vielmehr eine weitere Unterlassungserklärung der Focus Magazin Verlag GmbH. Diese Gesellschaft ist zum einen für die Printausgabe des FOCUS verantwortlich und zum anderen Inhaberin der Domain focus.de. Im Hause Focus hat man die etwas verschachtelte Konstellation geschaffen, dass bei focus.de der Domaininhaber und der Diensteanbieter nicht identisch sind. Der Domaininhaber – die Focus Magazin Verlag GmbH – hat mit dem Diensteanbieter – der Tomorrow Focus AG – einen Vertrag über eine Domainpacht geschlossen.
2171
Nach den „allgemeinen Grundsätzen“ der Störerhaftung sprach alles für eine Prüfungspflicht und damit eine Haftung des Domaininhabers, der 1 2 3 4
Vgl. Härting, ITRB 2012, 254, 254. BGH vom 22.7.2010 – I ZR 139/08, Kinderhochstühle im Internet, Rz. 50. BGH vom 22.7.2010 – I ZR 139/08, Kinderhochstühle im Internet, Rz. 37 ff. BGH vom 30.6.2009, NJW-RR 2009, 1413 ff. – Focus Online.
540
III. Stçrerhaftung
unstreitig per Abmahnung Kenntnis von dem Rechtsverstoß erhalten hatte. Um die Klage nichtsdestotrotz abzuweisen, griff der BGH zu einem erstaunlichen Kunstgriff1: Ohne sich mit der Rechtsprechung des I. Senats auseinanderzusetzen, berief sich der VI. Senat auf ein älteres Urteil des OLG Karlsruhe2 und eine Entscheidung des LG Berlin3 und behauptete – wie selbstverständlich –, dass eine Prüfungspflicht nicht bereits bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung entstehe, sondern erst, „wenn der Störer nach Kenntniserlangung und Prüfung die Störung nicht unverzüglich beseitigt“4. Auch in seiner RSS-Feeds-Entscheidung hat der VI. Zivilsenat es für die 2172 Verneinung eines Unterlassungsanspruchs genügen lassen, dass der Portalbetreiber, der RSS-Feeds verbreitete, die beanstandeten Feeds beseitigte, nachdem er zur Beseitigung wegen einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten aufgefordert worden war. Der BGH lässt keinen Zweifel daran, dass die bloße Kenntnis eines Rechtsverstoßes noch nicht ausreicht, um einen Unterlassungsanspruch und zukunftsgerichtete Prüfungspflichten zu bejahen5. In seiner Stiftparfüm-Entscheidung ist der I. Zivilsenat ein weiteres Mal 2173 geräuschlos von seiner „Notice and Scan“-Linie abgerückt6. Es ging um gefälschte Davidoff-Düfte, die auf Ebay vertrieben wurden. Nachdem dort Anwaltsschreiben mit Hinweisen auf die Markenrechtsverletzungen eingegangen waren, entfernte Ebay die beanstandeten Angebote, weigerte sich jedoch, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Anders als in vergangenen Urteilen ließ der BGH es für einen Unterlassungsanspruch nicht ausreichen, dass Ebay Kenntnis von Markenrechtsverstößen hatte. Vielmehr verneinte der BGH eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr, da nicht ersichtlich sei, dass es nach den Anwaltsschreiben und der Beseitigung der monierten Angebote noch weitere Angebote gefälschter Davidoff-Artikel gegeben habe7. Mit der Stiftparfüm-Entscheidung kehrt größere Rechtssicherheit in die 2174 BGH-Rechtsprechung ein. Der Plattformbetreiber weiß jetzt, dass eine Abmahnung bzw. ein Hinweis auf eine Rechtsverletzung dazu führt, dass er die beanstandeten Artikel oder Inhalte beseitigen muss, wenn aus dem Abmahn- oder Hinweisschreiben der Rechtsverstoß deutlich erkennbar ist. Die unverzügliche Beseitigung führt dazu, dass der Verletzte von dem Plattformbetreiber keine weiteren Maßnahmen verlangen kann. 1 2 3 4
Vgl. Härting, K&R 2009, 647, 647. OLG Karlsruhe vom 22.10.2003, CR 2004, 535 = WRP 2004, 507. LG Berlin vom 31.5.2007, CR 2007, 742. BGH vom 30.6.2009, NJW-RR 2009, 1413, 1416 – Focus Online; vgl. auch OLG Köln vom 19.3.2010, CR 2010, 403 (Ls.). 5 BGH vom 27.3.2012 – VI ZR 144/11, Rz. 20; vgl. Härting, ITRB 2012, 254, 255. 6 Vgl. Härting, ITRB 2012, 254, 255. 7 BGH vom 17.8.2011 – I ZR 57/09 – Stiftparfüm, Rz. 38 ff.
541
J. Haftung im Netz
h) Einzelfälle 2175
Die Fülle der instanzgerichtlichen Entscheidungen zum Haftungsrecht1 aus den Jahren nach „Internet-Versteigerung I“2 belegt, dass die Rechtsprechung des BGH zur Rechtssicherheit wenig beigetragen hat. Die Grundsätze des BGH zu Prüfungspflichten im Netz werden von der Rechtsprechung in immer neuen Zusammenhängen angewendet3. aa) Access Provider
2176
Dass die Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 TMG nicht für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gilt, macht der BGH an § 7 Abs. 2 TMG (bzw. § 8 Abs. 2 TDG) fest. Dieser gilt nicht nur für den Host Provider, sondern auch für den Access Provider. Demnach ist nach der Argumentation des BGH auch für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen Access Provider die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG4 nicht anwendbar. Klagen gegen Zugangsprovider, beispielsweise auf Sperrung pornographischer Inhalte5, überraschen daher ebenso wenig wie öffentlich-rechtliche Sperrungsverfügungen, die sich gegen den Zugang zu Glücksspielangeboten richten6.
2177
Das OLG Frankfurt a.M. hat eine Sperrpflicht verneint mit der Begründung, dass ein Access Provider – anders als Ebay – keine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße eröffne, sondern lediglich den „Zugang zu etwaigen Wettbewerbsverstößen“ schaffe. Daher sei der Fall nicht mit dem Fall vergleichbar, der der BGH-Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“7 zugrunde lag8. Ähnlich argumentierte das LG Düsseldorf in Fällen, in denen von Access Providern verlangt wurde, den Zugang zu jugendschutzwidrigen Erotikseiten zu sperren9. Gescheitert ist auch eine Klage gegen einen Access Provider auf Sperrung des Zugangs zur Suchmaschine Google wegen pornographischer Bilder, die über die Suchmaschine auffindbar waren10. 1 Vgl. Engels/Jürgen/Fritsche, K&R 2007, 57, 64 ff.; Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, 65, 69 ff.; Volkmann, K&R 2007, 289 ff. 2 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung. 3 Vgl. Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 103. 4 Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 765 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 670 = K&R 2004, 486, 489 – Internet-Versteigerung. 5 Vgl. Schnabel, K&R 2008, 26 ff. 6 Vgl. VG Düsseldorf vom 29.11.2011 – 27 K 458/10; VG Düsseldorf vom 29.11.2011 – 27 K 5887/10. 7 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758 = CR 2007, 728 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 8 OLG Frankfurt a.M. vom 22.1.2008, CR 2008, 242 f. 9 LG Düsseldorf vom 13.12.2007, CR 2008, 183, 184; LG Düsseldorf vom 12.12.2007, MMR 2008, 189, 190 mit Anm. Schnabel; vgl. auch LG Kiel vom 23.11.2007, MMR 2008, 123 f. mit Anm. Schnabel. 10 LG Frankfurt a.M. vom 5.12.2007, MMR 2008, 121 f. mit Anm. Schnabel.
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III. Stçrerhaftung
Das LG Hamburg hatte zu entscheiden, ob ein Access Provider zur Sper- 2178 rung einer Internetseite verpflichtet ist, auf der zahlreiche Raubkopien von Filmen zum Download angeboten werden. Das Gericht verneinte eine Verpflichtung zur Sperrung mit der Begründung, dass der Access Provider nur einen „passiv neutralen automatischen Beitrag“ zu den Rechtsverletzungen leiste. Dieser Beitrag sei nicht mit dem eines Plattformbetreibers vergleichbar. Der beträchtliche Aufwand, der mit einer Sperrung verbunden wäre, sei dem Access Provider nicht zumutbar1. Zudem vertritt das LG Hamburg die – fragwürdige – Auffassung, dass Filterund Sperrmaßnahmen des Access Providers in rechtlich unzulässiger Weise in das Fernmeldegeheimnis eingreifen würden2. Auch das OLG Hamburg verneinte eine Störerhaftung und stützte sich 2179 dabei maßgeblich darauf, dass für den Access Provider bei einer DNSSperre die Gefahr bestehe, von dem Betreiber der gesperrten Internetseite oder von Dritten, die über diese Seite rechtmäßige Inhalte verbreiten, auf Unterlassung bzw. auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Es sei ersichtlich nicht gerechtfertigt, mittels einer DNS-Sperre gleichzeitig auch den Zugang zu rechtmäßigen Angeboten Dritter vollständig zu unterbinden3. Das LG Köln wies eine Klage von Tonträgerherstellern gegen einen Ac- 2180 cess Provider ab mit der Begründung, dem Access Provider sei eine Sperre nicht zumutbar Aufgrund der Vielzahl von Rechtsverletzungen im Internet hätten Sperrpflichten zur Folge, dass der Provider eine Vielzahl von technischen Sicherheitsvorkehrungen in Form von Datenfiltern einrichten müsste, die wiederum immer neuen Gegebenheiten und neuen Verletzungsformen angepasst werden müssten. Eine derartig weitgehende Haftung des Anbieters, der lediglich die technische Infrastruktur für den Internetzugang zur Verfügung stellt, sei nicht gerechtfertigt. Die Verantwortlichkeit des Access Providers beschränke sich auf den Transport von Daten, ohne von ihnen Kenntnis zu haben oder in sonstiger Weise Einfluss zu nehmen4. An den Access Providern zeigt sich besonders deutlich, wie fragwürdig 2181 die BGH-Rechtsprechung ist, die an „Prüfungspflichten“ und „Verkehrspflichten“ anknüpft. Weshalb Access Provider keinen Prüfungspflichten unterliegen sollen, wenn sie Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten im Netz haben, und weshalb die Schaffung des Internetzugangs keine – Verkehrspflichten begründende – „Gefahrerhöhung“ für die Verbreitung
1 LG Hamburg vom 12.11.2008, CR 2008, 398, 400 f. = ZUM 2009, 587, 589 f. mit Anm. Schnabel; LG Hamburg vom 12.3.2010, MMR 2010, 488, 490. 2 LG Hamburg vom 12.3.2010, MMR 2010, 488, 489 f. 3 OLG Hamburg vom 22.12.2010 – 5 U 36/09, Rz. 105. 4 LG Köln vom 31.8.2011 – 28 O 362/10, Rz. 76.
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J. Haftung im Netz
rechtswidriger Inhalte sein soll1, lässt sich nicht mit zwingenden Argumenten begründen. bb) Blogs und Foren 2182
Der BGH lehnte es zunächst ab, die Störerhaftung bei Diskussionsforen abzumildern und vertrat die Auffassung, ein Forenbetreiber sei zur Beseitigung ehrverletzender Beiträge und zur zukünftigen Unterlassung sogar dann verpflichtet, wenn dem Kläger die Identität des Autoren bekannt ist und somit ohne Weiteres die Möglichkeit besteht, gegen den Autor vorzugehen. Die vielfach unter dem Stichwort des „Marktes der Meinungen“ geforderte Anwendung der (milderen) Haftungskriterien, die für Fernseh-Live-Diskussionen gelten2, lehnte der BGH ab3. Bedauerlich ist, dass der BGH das „bestechende Argument“4 einer Haftungserleichterung für den Fall einer Identifizierbarkeit des unmittelbaren Verletzers verworfen hat.
2183
In seiner „Blog-Eintrag“-Entscheidung schränkte der BGH die Verantwortlichkeit bei Forenbeiträgen ein und stützte sich dabei auf die Einschätzung, dass sich bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne Weiteres feststellen lasse. Es bedürfe vielmehr einer Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie der Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Forenbetreibers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Werde ein Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, sei eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung etwaiger Stellungnahmen der Beteiligten erforderlich5.
2184
Im konkreten Fall richtete sich die Unterlassungsklage gegen Google als Host Provider eines Blogs, auf der Äußerungen publiziert worden waren, durch die sich der Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah. In seinem salomonischen Urteil meinte der BGH, Google sei zur Löschung nicht verpflichtet, bevor den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Beibringung von Nachweisen gegeben worden sei6. Bliebe allerdings Google nach Bekanntwerden von Blogbeiträgen, die Persönlichkeitsrechte verletzen, tatenlos7, dürfte auch nach Ansicht des BGH ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bestehen. 1 Vgl. Volkmann, CR 2008, 232, 233. 2 Vgl. BGH vom 6.4.1976, BGHZ 66, 182; OLG Düsseldorf vom 26.4.2006, CR 2006, 482, 483 f.; OLG Hamburg vom 22.8.2006, CR 44, 45 f. 3 BGH vom 27.3.2007, CR 2007, 586 ff. mit Anm. Schuppert. 4 Lober/Karg, CR 2007, 647, 652. 5 BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 – Blog-Eintrag, Rz. 25 ff. 6 BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 – Blog-Eintrag, Rz. 27. 7 Vgl. LG Berlin vom 21.6.2011 – 27 O 335/11.
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III. Stçrerhaftung
Das OLG Düsseldorf hat Prüfungspflichten verneint bei einem Foren- 2185 betreiber, der „nicht professionell“ handelte und daher nicht mit vertretbarem Aufwand Forenbeiträge im Hinblick auf (wiederholte) Persönlichkeitsrechtsverletzungen sichten konnte1. Einen solchen Einwand hat das LG Hamburg nicht gelten lassen bei dem Betreiber eines umfangreichen Blogs, den das Gericht wegen der Verletzung von Prüfungspflichten als Störer ansah. Trotz des großen Umfangs des Blogs (13 000 Kommentare in einem Jahr) sei eine Kontrolle zumutbar. Wer einen Blog eröffne, könne sich seiner Überwachungspflicht nicht dadurch entziehen, dass er die Beiträge auf ein nicht mehr angemessen kontrollierbares Maß anwachsen lasse2. Keine anlasslose Prüfungspflicht besteht für die Betreiber von Wikipedia. 2186 Allerdings sind die Betreiber nach Kenntnis von einem Rechtsverstoß zur Beseitigung und Unterlassung verpflichtet3. Von einem „Notice and Scan“-Prinzip kann nach der neueren Rechtspre- 2187 chung des BGH nicht mehr die Rede sein, so dass es nicht lediglich einer Abmahnung bedarf, um einen Unterlassungsanspruch gegen Publikationen auf einer Online-Plattform zu begründen. Daher ist es unrichtig, wenn das LG Düsseldorf meint, eine identifizierende Berichterstattung über ein Urteil müsse von einem Plattformbetreiber schon dann beseitigt und unterlassen werden, wenn er Kenntnis von der Veröffentlichung („dem tatsächlichen Vorgang“) erlangt, ohne dass es auf „Prüfungs-, Kontroll- und Überwachungspflichten“ und die Erkennbarkeit einer Rechtsverletzung ankomme4. Das OLG Dresden ist der Auffassung, dass ein Auskunftsanspruch des 2188 Verletzten gemäß §§ 242, 259, 260 BGB in Betracht kommt, wenn dem Betreiber eines Blogs die Identität einer Person bekannt ist, die Persönlichkeitsrechte verletzt hat. Ein solcher Auskunftsanspruch bestehe grundsätzlich in jedem Rechtsverhältnis, in dem der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechtes im Ungewissen und der Verpflichtete unschwer zur Auskunftserteilung in der Lage sei. Unter diesen Voraussetzungen sei ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in Anspruch Genommene, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durch1 OLG Düsseldorf vom 7.6.2006, CR 2006, 682, 684; vgl. auch Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 184; AG Frankfurt a.M. vom 16.7.2008, CR 2009, 60 f.; AG München vom 6.6.2008, CR 2008, 671 ff. 2 LG Hamburg vom 4.12.2007, MMR 2008, 265, 266; vgl. auch LG Düsseldorf vom 25.1.2006, CR 2006, 563 f.; LG Hamburg vom 8.9.2008, MMR 2009, 143 (Ls.); LG Hamburg vom 2.12.2005, MMR 2006, 491 ff. mit Anm. Gercke = ZUM 2006, 485 ff. mit Anm. Libertus/Schneider; AG Winsen/Luhe vom 6.6.2005, MMR 2005, 722; a.A. AG Berlin-Mitte vom 20.10.2004, MMR 2005, 639, 640. 3 LG Berlin vom 27.3.2012 – 15 O 377/11, Rz. 74 ff. 4 Vgl. LG Düsseldorf vom 30.11.2010 – 20 T 59/10.
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J. Haftung im Netz
setzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll. Der Auskunftsanspruch sei ein Minus zu dem Unterlassungsanspruch gegen den Blogbetreiber1. 2189
Der Auffassung des OLG Dresden steht die Verpflichtung des Diensteanbieters zur Ermöglichung einer anonymen oder pseudonymen Nutzung des Dienstes (§ 13 Abs. 6 Satz 1 TMG) nicht entgegen. Es ist ersichtlich nicht der Sinn des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, den Rechtsverletzer vor einer Identifizierung zu schützen2.
2190
Das LG Düsseldorf hat jegliche Störerhaftung eines Online-Buchhändlers für Inhalte eines Buches, die Persönlichkeitsrechte verletzten, mit der Begründung abgelehnt, eine allgemeine Prüfungspflicht würde die tägliche Arbeit des Händlers über Gebühr erschweren3. cc) Bewertungsportale
2191
Nach Auffassung des Kammergerichts ist der Betreiber eines Hotelbewertungsportals nicht verpflichtet, Eintragungen im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu prüfen. Dies gelte auch dann, wenn der Betreiber bereits Kenntnis von derartigen Verstößen hat4. Das LG Hamburg hat in einem vergleichbaren Fall eine andere Auffassung vertreten und den Betreiber eines Hotelbewertungsportals als Täter eines Wettbewerbsverstoßes zur Unterlassung verurteilt. Dabei hat das OLG die Rechtsprechung des BGH zum „Verhaltensunrecht“5 missverstanden und den Standpunkt vertreten, es komme nicht auf eine Verletzung von Prüfungspflichten und somit auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Prüfung an6.
2192
Auf der Linie des Kammergerichts bewegt sich das LG Berlin, das bei einer Plattform zur Bewertung der Leistungen von Hochschullehrern (meinprof.de) eine Prüfungspflicht des Plattformbetreibers verneint hat7. Das LG Nürnberg-Fürth hat dagegen den Betreiber eines Arztbewertungsportals zur Unterlassung verurteilt. Das LG Nürnberg-Fürth bezog sich dabei auf die „Blog-Eintrag“-Entscheidung des BGH8 und vertrat die Auffassung, der Portalbetreiber habe seiner Prüfungspflicht nicht dadurch genüge getan, dass er sich von dem Verfasser der streitigen Bewertung die
1 OLG Dresden vom 8.2.2012 – 4 U 1850/11, Rz. 11, ITRB 2012, 223 f. (Kunczik). 2 Vgl. OLG Dresden vom 8.2.2012 – 4 U 1850/11, Rz. 12, ITRB 2012, 223 f. (Kunczik); a.A. OLG Hamm vom 3.8.2011 – 3 U 196/10, I-3 U 96/10, Rz. 3. 3 OLG Düsseldorf vom 18.3.2009, MMR 2009, 505 (Ls.). 4 KG vom 15.7.2011 – 5 U 193/10, Rz. 16 ff. 5 Siehe Rz. 2149. 6 LG Hamburg vom 1.9.2011 – 327 O 607/10, Rz. 57 ff. 7 LG Berlin vom 31.5.2007, CR 2007, 742, 743. 8 BGH vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 – Blog-Eintrag; siehe Rz. 2183.
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III. Stçrerhaftung
Richtigkeit der aufgestellten Tatsachenbehauptung bestätigen ließ („Hallo, ja der Sachverhalt hat sich so zugetragen! MFG“)1. dd) Foto- und Videoportale Um eine Foto-Community ging es in einem Fall, den das OLG Zweibrü- 2193 cken zu entscheiden hatte. Das Gericht verneinte einen Unterlassungsanspruch für urheberrechtlich geschützte Fotos, die auf die Plattform hochgeladen worden waren. Es fehle an einer „konkreten Gefahr einer (weiteren) Rechtsverletzung“, nachdem der Betreiber der Community die streitigen Fotos von der Plattform genommen hatte2. Ähnlich argumentierte das OLG Hamburg in einem Fall, in dem es um ein Foto ging, das in einem Benutzerforum verbreitet worden war. Das OLG Hamburg verneinte einen Unterlassungsanspruch gegen den Forenbetreiber unter Hinweis auf die fehlende Erstbegehungsgefahr3. Das LG Hamburg hat die Auffassung vertreten, dass ein Forenbetreiber, 2194 der das Hochladen von Fotos ermöglicht, für Urheberrechtsverletzungen auch ohne konkrete Kenntnis von früheren Verletzungen hafte, weil er durch die Eröffnung des Forums eine Gefahr für die Urheberrechte Dritter geschaffen habe4. Dies geht viel zu weit, weil nicht einmal das vom BGH (haftungsbeschränkend) eingeführte Kriterium der Verletzung einer Prüfungspflicht angewendet wird. Der Betreiber eines Bildarchivs ist nach zutreffender Ansicht des BGH 2195 nicht verpflichtet, ausnahmslos oder doch regelmäßig vor Herausgabe von angefordertem Bildmaterial zu prüfen, für welche Zwecke dieses verwendet werden soll. Eine derart umfangreiche Obliegenheit würde die Betreiber von Archiven in technischer, persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht überfordern und das Betreiben von umfangreichen Text- und Bildarchiven letztlich wegen der sich aus der Überwachungspflicht ergebenden Haftungsrisiken in unzumutbarer Weise erschweren5. Die Betreiber von Videoportalen haften als Störer nach den allgemeinen 2196 Grundsätzen. Sie sind zu einer proaktiven Kontrolle von Videos im Hinblick auf etwaige Rechtsverstöße nicht verpflichtet. Eine anlasslose Prüfungspflicht besteht nicht6.
1 2 3 4
LG Nürnberg-Fürth vom 8.5.2012 – 11 O 2608/12, Rz. 35. OLG Zweibrücken vom 14.5.2009, MMR 2009, 541, 542. OLG Hamburg vom 4.2.2009, MMR 2009, 479, 481 f. LG Hamburg vom 24.8.2007, CR 2008, 328, 329 mit Anm. Eichelberger = MMR 2007, 726, 727 mit Anm. Mantz. 5 BGH vom 7.12.2010 – VI ZR 34/09, Rz. 13; vgl. auch KG vom 28.4.2011 – 10 U 196/10, Rz. 33 ff., ITRB 2012, 32 f. (Engels). 6 OLG Hamburg vom 29.9.2010 – 5 U 9/09, Rz. 51 ff.
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J. Haftung im Netz
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In einem Fall, in dem es um einen Fernsehmitschnitt ging, der das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzte, hat das LG Köln eine Störerhaftung des Betreibers eines Videoportals bejaht, auf dem der Mitschnitt zu sehen war. Dabei sah es das LG Köln für die Haftung des Portalbetreibers als maßgeblich an, dass der Portalbetreiber einer Löschungsaufforderung nicht nachgekommen war1. Ähnlich entschied das LG Hamburg In einem Fall, in dem Google als Betreiber von YouTube nicht auf die Beanstandung („Flagging“) eines Hetzvideos gegen den früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland reagiert hatte, und bejahte die Verletzung einer Prüfungspflicht sowie ein Verschulden von Google. Google wurde zur Unterlassung und zum Schadensersatz verurteilt2. ee) Hyperlinks
2198
Gegen eine Anwendung der §§ 7 bis 10 TMG auf Hyperlinks spricht der Wortlaut der Normen3. Wer durch einen Link auf fremde Internetseiten verweist, „speichert“ diese Seiten nicht (§ 10 TMG)4 und „vermittelt“ auch nicht gemäß § 8 TMG den Zugang5. Der Wortlaut der Normen passt nicht auf eine bloßen Seitenverknüpfung, der ein Hyperlink dient6. Gegen eine analoge Anwendung der Haftungsprivilegien spricht zudem, dass die E-Commerce-Richtlinie keine Regelungen für Hyperlinks enthielt7 und der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie bewusst auf eine Regelung verzichtete8. Zu Recht hat der BGH einer (analogen) Anwendung der Haftungsprivilegien des TDG9 und des MDStV10 (jetzt: des TMG) frühzeitig eine klare Absage erteilt11.
1 LG Köln vom 10.6.2009, MMR 2009, 778, 779 f. 2 LG Hamburg vom 5.3.2010, MMR 2010, 433, 434 f., ITRB 2010, 2032 f. (Intveen); LG Hamburg vom 5.12.2008, MMR 2008, 870 f. (Ls.). 3 Attendorn, MMR 6/2002, V, VII; Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 749; Koch, CR 2004, 213, 214; Spindler, MMR 2004, 440; vgl. Flechsig/Gabel, CR 1998, 351, 354 zu § 5 TDG a.F.; a.A. für § 5 TDG a.F. Bettinger/Freytag, CR 1998, 545, 547 ff.; Gercke, ZUM 2001, 34, 35. 4 Spindler, MMR 2002, 495, 496 f. 5 Spindler, MMR 2002, 495, 496. 6 Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 81; OLG Hamm vom 4.2.2004, NJW-RR 2004, 919, 922. 7 Vgl. Freytag, CR 2000, 600, 604; Koch, CR 2004, 213, 214; Spindler, MMR 2002, 495, 497 f.; Spindler, MMR 2004, 440. 8 Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rz. 70; Koch, CR 2004, 213, 214; Ernst/Seichert, WRP 2006, 810, 811; Spindler, MMR 2002, 495, 498; Spindler, MMR 2004, 440. 9 Vgl. OLG Braunschweig vom 19.7.2001, MMR 2001, 608, 609 = ITRB 2002, 5 (Dieselhorst); LG Frankenthal vom 28.11.2000, MMR 2001, 401 mit Anm. Schütz/Attendorn. 10 Vgl. LG München I vom 2.12.2003, MMR 2004, 261, 262 mit Anm. Bahr. 11 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158 = WRP 2004, 899 – Schöner Wetten; vgl. auch Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 80 ff., 177 f.; Koch, CR 2004, 213, 214.
548
III. Stçrerhaftung
Schon in der Paperboy-Entscheidung lehnte es der BGH zudem ab, eine 2199 Störerhaftung auf eine bloße Verlinkung zu stützen. Allein in der Verlinkung sei kein adäquat-kausaler Beitrag zu einer Rechtsverletzung zu sehen, die auf der Zielseite begangen wird1. Sehr überzeugend verwies der BGH darauf, dass die Verlinkung mit einer Adressangabe in einem Telefonbuch vergleichbar sei und lediglich die Auffindbarkeit einer Internetseite erleichtert, ohne dass ein Beitrag zu einer rechtswidrigen Handlung auf der Zielseite feststellbar ist2. Unter Hinweis auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) hat der BGH die 2200 Verletzung einer Prüfungspflicht verneint bei einem Mediendienst, der einen Link auf eine Website setzte, auf der ein ausländisches Unternehmen unter Verletzung des § 284 StGB Glücksspiele anbot („Schöner Wetten“)3. Angesichts der Tatsache, dass Hyperlinks in der unübersehbaren Informationsfülle im World Wide Web eine überragende Funktion aufweisen, müssen die Anforderungen an Prüfungspflichten streng sein4. Wegen der seinerzeit unübersichtlichen Rechtslage war es nach Auffassung des BGH dem Betreiber des Mediendienstes nicht zumutbar, die Rechtswidrigkeit des Glücksspielangebots zu erkennen5. Bei offensichtlichen Rechtsverstößen auf der über den Link erreichbaren 2201 Seite trägt die vom BGH in seiner Entscheidung zu „Schöner Wetten“ vertretene Argumentation nicht. Zudem ließ der BGH in der Entscheidung offen, wie sich die Entscheidung zu der „Paperboy“-Entscheidung verhält, in der es der BGH abgelehnt hatte, eine Störerhaftung aus einer bloßen Verlinkung abzuleiten. Angesichts dieser Unstimmigkeiten überraschte es nicht, dass das OLG Hamburg eine Störerhaftung bejahte in einem Fall, in dem ein Internetanbieter einen Link zu einer offensichtlich illegalen Glücksspielseite in einen Webkatalog aufgenommen hatte6. In seiner Entscheidung zu „AnyDVD“ hat der BGH seine Argumentation 2202 zu Art. 5 GG bei Verlinkungen vertieft. Es ging um einen Beitrag auf heise.de mit einem Link, der zu einem Erzeugnis zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen i.S.d. § 95 Abs. 3 UrhG führte. Derartige Links, die in Beiträge und Stellungnahmen als Belege und ergänzende Angaben 1 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408 = MMR 2003, 719 = WRP 2003, 1341 = K&R 2003, 554 – Paperboy; a.A. Ernst/Wiebe, MMR Beilage 8/2001, 20, 21. 2 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406 = MMR 2003, 719 = WRP 2003, 1341 = K&R 2003, 554 – Paperboy. 3 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2160 = WRP 2004, 899, 902 f. – Schöner Wetten; vgl. auch BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408 = MMR 2003, 719 = WRP 2003, 1341 = K&R 2003, 554 – Paperboy. 4 Koch, CR 2004, 213, 215; Spindler, MMR 2002, 495, 502; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2160 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten. 5 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2160 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten. 6 OLG Hamburg vom 8.9.2005, MMR 2006, 37, 38.
549
J. Haftung im Netz
eingebettet sind, werden nach der überzeugenden Auffassung des BGH nicht nur vom Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst1. Der Umstand, dass die durch die Linksetzung zugänglich gemachten Informationen auch durch unmittelbare Wiedergabe in dem entsprechenden Beitrag publiziert werden können, steht dem nicht entgegen, da zum einen der Schutz der Meinungsund Pressefreiheit auch die äußere Form der Berichterstattung umfasst und es zum anderen wegen des Selbstbestimmungsrechts des jeweiligen Grundrechtsträgers diesem überlassen bleiben muss, welche Form der Gestaltung er für seine Berichterstattung wählt2. 2203
Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit umfasst auch Informationen, die Dritte beleidigen, aus der Fassung bringen oder sonst stören können. Grundsätzlich darf daher auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden sind, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse besteht und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu Eigen macht. Ein überwiegendes Informationsinteresse ist nicht schon dann zu verneinen, wenn die Berichterstattung eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand hat3.
2204
Das OLG München hatte als Vorinstanz verfehlterweise eine Störerhaftung4 bzw. sogar eine Teilnehmerhaftung5 der Betreiber von heise.de bejaht und die Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) in bedenklicher Weise relativiert6.
2205
Darf man unter dem Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) auf rechtswidrige Inhalte per Link verweisen, gilt dies erst recht, wenn die Rechtswidrigkeit streitig ist. Daher reicht es für eine Störerhaftung nicht aus, dass dem Linksetzenden bekannt ist, dass die Inhalte, auf die der Link führt, Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung sind7. In einem solchen Fall besteht auch keine Verpflichtung des Linksetzenden zur „Distanzierung“8. Eine solche Verpflichtung kann
1 Hoeren, GRUR 2011, 503, 504. 2 BGH vom 14.10.2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD, Rz. 24; vgl. auch LG Braunschweig vom 5.10.2011 – 9 O 1956/11, Rz. 83. 3 BGH vom 14.10.2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD, Rz. 26; vgl. auch BVerfG vom 15.12.2011 – 1 BvR 1248/11, Rz. 31 ff., ITRB 2012, 98, 99 (Rössel). 4 OLG München vom 28.7.2005, CR 2005, 821, 823 ff. mit Anm. Scheja; MMR 2005, 768, 771 f. mit Anm. Hoeren; vgl. auch LG München I vom 14.11.2007, CR 2008, 186, 190 f.; LG München I vom 11.10.2006, MMR 2007, 128, 129 f.; LG München I vom 7.3.2005, MMR 2005, 385, 387 mit Anm. Hoeren. 5 OLG München vom 23.10.2008, CR 2009, 33, 35 ff. 6 Hoeren, MMR 2005, 773, 773; vgl. auch Stadler, K&R 2006, 253, 256 f. 7 A.A. LG Hamburg vom 18.5.2012 – 324 O 596/11, Rz. 57. 8 A.A. LG Hamburg vom 18.5.2012 – 324 O 596/11, Rz. 578.
550
III. Stçrerhaftung
allenfalls dann bestehen, wenn der Linksetzende es nicht bei der bloßen Verlinkung belässt, sondern den Link in Äußerungen einbettet, mit denen er sich die verlinkten Inhalte zu Eigen macht (§ 7 TMG)1. Eine Haftung kommt in Betracht, wenn über den bloßen Link hinaus ein 2206 Beitrag zu einer Rechtsverletzung geleistet wird, die sich auf der Zielseite findet2. Ein solcher Beitrag kann darin liegen, dass der Hyperlink mit Äußerungen versehen wird, die den Rechtsverstoß unterstützen3. ff) Suchmaschinen Auch Suchmaschinen sind vom Wortlaut der §§ 7 bis 10 TMG nicht er- 2207 fasst4. Allerdings findet Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie (entspricht § 10 TMG) nach Auffassung des EuGH auf den Anbieter einer Suchmaschine Anwendung, wenn dieser keine aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte5. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Einbeziehung der Suchmaschinen in den Anwendungsbereich des § 10 TMG durch europarechtskonforme Auslegung. Während Hyperlinks lediglich eine Adressfunktion haben, kommt den 2208 Suchmaschinen die Funktion eines Wegweisers durch das Internet zu – vergleichbar einem Stadtplan oder Navigationssystem. Dies spricht dafür, dass ein Suchergebnis, das zu einer Website mit rechtswidrigen Inhalten führt, für sich allein keine Störerhaftung des Betreibers der Suchmaschine begründen kann6. Bei Suchmaschinen, die – wie Google – systematisch und automatisch ohne Durchsicht von Inhalten das Internet durchforsten, scheidet eine Störerhaftung aus, sofern der Betreiber der Suchmaschine nicht – etwa im Zusammenhang mit der Schaltung be-
1 Siehe Rz. 2089. 2 Vgl. Plaß, WRP 2000, 599, 602; a.A. Ernst/Wiebe, MMR Beilage 8/2001, 20, 21; OLG München vom 15.3.2002, MMR 2002, 625 = NJW-RR 2002, 1048 = MMR 2002, 625; LG München I vom 7.10.2004, K&R 2005, 184; VG Karlsruhe vom 25.7.2012 – 5 K 3496/10, Rz. 36. 3 Engels, K&R 2001, 338, 341; Spindler, MMR 2002, 495, 503; vgl. auch LG Berlin vom 14.6.2005, MMR 2005, 718 f.; LG München I vom 7.10.2004, K&R 2005, 184, 187. 4 Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 239; Spindler, MMR 2004, 440; anders wohl LG Frankfurt a.M. vom 10.11.2000, MMR 2001, 405, 405 f.; a.A. für § 5 TDG a.F., v. Lackum, MMR 1999, 697, 700. 5 EuGH vom 23.3.2010, MMR 2010, 315 ff. = CR 2010, 318 ff. 6 Vgl. Backu/Hertneck, ITRB 2008, 35, 37; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 243; LG Frankfurt a.M. vom 5.9.2001, CR 2002, 220 = NJW-RR 2002, 545; vgl. auch LG Frankfurt a.M. vom 10.11.2000, MMR 2001, 405, 405 f.; LG München I vom 20.9.2000, CR 2001, 46, 46 f. a.A. v. Lackum, MMR 1999, 697, 700 f.
551
J. Haftung im Netz
zahlter Werbung1 – einen Tatbeitrag leistet, der über das bloße Erzielen eines Suchergebnisses hinausgeht2. 2209
Mit sehr kurzer und wenig überzeugender Begründung hat das Kammergericht die Auffassung vertreten, eine Schauspielerin könne auf Grund ihres Persönlichkeitsrechts von einem Suchmaschinenbetreiber verlangen, dass ihr Name bei den Suchergebnissen nicht mit dem Begriff „nackt“ in Verbindung gebracht wird3. Das OLG Hamburg hat dagegen eine Störerhaftung von Google für Suchergebnisse, die das Persönlichkeitsrecht verletzen, mit der Begründung verneint, Google sei es trotz Kenntnis von entsprechenden Vorkommnissen nicht zumutbar, von sich aus ständig zu prüfen, ob es Suchergebnisse mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten gibt4. Das OLG Nürnberg hat eine Prüfungspflicht des Suchmaschinenbetreibers für die Zeit ab Kenntnis von einem Rechtsverstoß bejaht5. gg) Admin-C
2210
Bei der Haftung des Admin-C als Störer ist zwischen einer Haftung für rechtswidrige Domainnamen und einer Haftung für rechtswidrige Inhalte oder Handlungen zu unterscheiden, die im Zusammenhang mit der Domain stehen.
2211
Ohne zwischen einer Haftung für rechtswidrige Domainnamen und für rechtswidrige Inhalte zu unterscheiden, zog das OLG Stuttgart eine Parallele zur Haftung der DENIC und vertrat die Auffassung, der Admin-C sei nur bei einer sich aufdrängenden Rechtsverletzung haftbar6. Das OLG Köln sah gleichfalls Ähnlichkeiten zur (stark eingeschränkten) Störerhaftung der DENIC und verneinte – jedenfalls bis zur Kenntniserlangung durch den Admin-C – jegliche Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen gleich welcher Art7.
2212
Das OLG Koblenz lehnte Parallelen zur (erleichterten) Haftung der DENIC mit dem Hinweis ab, dass es bei einem Admin-C an der Wahrnehmung einer Aufgabe fehle, die im öffentlichen Interesse liegt. Der Ad1 Vgl. Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rz. 247; LG Hamburg vom 16.9.2004, CR 2005, 534, 535. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 20.2.2007, CR 2007, 330, 331; LG Frankenthal vom 16.5.2006, CR 2006, 698 ff.; LG München I vom 2.12.2003, MMR 2004, 261, 262 mit Anm. Bahr. 3 KG vom 4.9.2006, MMR 2006, 817. 4 OLG Hamburg vom 13.11.2009, K&R 2010, 63, 64 f. = IPRB 2010, 104 f. (Schuhmacher); OLG Hamburg vom 26.5.2011 – 3 U 67/11, Rz. 139 ff.; vgl. auch OLG Hamburg vom 16.8.2011 – 7 U 51/10, ITRB 2012, 9 f. (Kunczik). 5 OLG Nürnberg vom 23.6.2008, CR 2008, 654, 655 f. 6 OLG Stuttgart vom 24.9.2009, K&R 2010, 197, 200 f. = ITRB 2010, 156 f. (Luckhaus); a.A. LG Stuttgart vom 27.1.2009, MMR 2009, 271 (Vorinstanz). 7 OLG Köln vom 15.8.2008, K&R 2008, 692, 694 f. mit Anm. Stadler.
552
III. Stçrerhaftung
min-C hafte daher jedenfalls dann für eine Namensrechtsverletzung, wenn er Kenntnis von allen Umständen hat, aus denen sich die konkrete Gefahr einer Namensrechtsverletzung ergibt1. Dieselbe Auffassung hat das LG Bonn vertreten und die Haftung eines Admin-C wegen wettbewerbswidriger2 bzw. urheberrechtswidriger3 Inhalte auf einer vom Admin-C betreuten Website bejaht. In seiner „Basler Haar-Kosmetik“-Entscheidung hat sich der BGH mit 2213 der Frage einer Störerhaftung des Admin-C für rechtswidrige Domainnamen befasst und – zutreffend – den Standpunkt vertreten, dass es einer Person allein aufgrund ihrer Stellung als Admin-C regelmäßig nicht zumutbar ist, für jeden Domainnamen, für den sie diese Funktion ausübt, zu recherchieren, ob darin Namen von natürlichen Personen, Handelsnamen oder Bezeichnungen oder Bestandteile von Bezeichnungen enthalten sind, um dann eine nicht selten schwierige rechtliche Prüfung vorzunehmen, ob Namensrechte, Markenrechte oder sonstige Kennzeichenrechte verletzt sind. Die DENIC hat die Funktion des Admin-C geschaffen, um sich die administrative Abwicklung der Registrierung und die Behandlung der dabei auftretenden Schwierigkeiten zu erleichtern. Damit nimmt der Admin-C grundsätzlich an der Privilegierung der DENIC teil, die die Interessen sämtlicher Internetnutzer und zugleich das öffentliche Interesse an der Registrierung von Domainnamen unter der nationalen Top-Level-Domain „.de“ wahrnimmt4. Eine Rechtspflicht zur Prüfung kann sich für den Admin-C nach Auffas- 2214 sung des BGH aus einer Verletzung von Verkehrspflichten bzw. einem „gefahrerhöhenden Verhalten“ ergeben. Ein solches „gefahrerhöhendes Verhalten“ könne darin zu sehen sein, dass der Admin-C einem „Domaingrabber“ Blankovollmachten erteile und sich Domainnamen vor Registrierung nicht zeigen lasse, wobei Eintragungen in einem „automatisierten Verfahren“ erfolgen5. Ähnlich wie der BGH hatte bereits das LG Hamburg in einem Fall ent- 2215 schieden, in dem ein Rechtsanwalt in seiner Funktion als Admin-C der Website casino.xxx.de aus Störerhaftung wegen der Werbung für unerlaubte Glücksspiele in Anspruch genommen wurde. Der Anwalt fungierte bei mehreren Tausend Websites als Admin-C und wandte ein, eine Überprüfung all dieser Websites sei ihm nicht möglich6.
1 OLG Koblenz vom 23.4.2009, K&R 2009, 493, 494 f. 2 LG Bonn vom 23.2.2005, CR 2005, 527, 528 f.; vgl. auch LG München I vom 10.2.2005, CR 2005, 532 f. 3 LG München I vom 4.12.2008, ZUM-RD 2009, 220 ff. 4 BGH vom 9.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik, Rz. 55 f. 5 BGH vom 9.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik, Rz. 60 ff. 6 LG Hamburg vom 5.4.2007, MMR 2007, 608, 609; a.A. LG Dresden vom 9.3.2007, CR 2007, 462, 463 mit Anm. Wimmer.
553
J. Haftung im Netz
2216
Eine bloß abstrakte Gefahr der Anmeldung namensverletzender und deshalb rechtswidriger Anmeldungen reicht nach der „dlg.de“-Entscheidung des BGH nicht aus, um von einem „gefahrerhöhenden Verhalten“ des Admin-C auszugehen. Daher ist ein Admin-C, der eine Reihe von neu eingerichteten Domains anmeldet, nicht schon aufgrund der „Streubreite“ der Anmeldungen zur Prüfung möglicher Kollisionen verpflichtet1. Zu weit geht es allerdings, wenn das OLG Düsseldorf meint, der Admin-C hafte für eine Markenrechtsverletzung nicht einmal bei Kenntnis von dem Rechtsverstoß2.
2217
Das LG Berlin hat einen Admin-C wegen der „Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Immaterialgüterrecht“ zum Schadensersatz für eine Markenrechtsverletzung verurteilt und ging dabei von einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Admin-C aus, da der Admin-C durch die Übernahme seiner Funktion „objektiv in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle geschaffen“ habe3. Dies steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der im Markenrecht eine täterschaftliche Verantwortung Dritter verneint4.
2218
Ob der Admin-C prüfungspflichtig wird, wenn er Kenntnis davon erlangt, dass Inhalte auf der Website geltendes Recht verletzen, lässt sich den BGH-Entscheidungen zu „Basler Haar-Kosmetik“5 und „dlg.de“6 nicht entnehmen.
2219
Das OLG Hamburg hat eine Haftung des Admin-C für einen Verstoß gegen die Impressumspflicht (§ 5 TMG) mit der Begründung verneint, dass es keine Verkehrspflicht des Admin-C gebe, die ihm zugeordneten Internetseiten von rechtsverletzenden Inhalten freizuhalten7. Ähnlich argumentierte das LG Dresden, das die Haftung eines Admin-C für rechtswidrige Website-Inhalte verneinte mit der Begründung, dass der Admin-C keinen inhaltlichen Einfluss auf die Inhalte nehmen könne8. Das OLG München lehnte jegliche „proaktiven Prüfungspflichten“ ab und verwies
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BGH vom 13.12.2012 – I ZR 150/11 – dlg.de, Rz. 23. OLG Düsseldorf vom 3.2.2009, CR 2009, 534 f. LG Berlin vom 13.1.2009, MMR 2009, 348, 349 f. Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung; BGH vom19.4.2007, NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. BGH vom 9.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik. BGH vom 13.12.2012 – I ZR 150/11 – dlg.de. OLG Hamburg vom 17.1.2012 – 3 W 54/10, Rz. 7. LG Dresden vom 9.3.2007, CR 2007, 462, 463 mit Anm. Wimmer; vgl. Engels/ Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, 65, 75.
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III. Stçrerhaftung
– schwer nachvollziehbar – auf das Stellvertretungsrecht (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB)1. Nach Auffassung des Kammergerichts fehlt es schon an einem adäquat- 2220 kausalen Beitrag an der Verletzung des geschützten Rechts, wenn ein Admin-C in Anspruch genommen wird für das Versenden unerwünschter E-Mails von einem Account der Domain. Das Versenden solcher E-Mails stelle eine völlig eigenständige Handlung dar, die keine Folge der Übernahme der Admin-C-Funktion sei, da der Rechtsverstoß weder von der Domain als solcher noch von dem Inhalt des mit der Domain aufrufbaren Internetauftritts ausgehe2. hh) Domain Parking Das Domain Parking ist ein Dienst, der es Kunden ermöglicht, nicht ge- 2221 nutzte Domains zum Verkauf anzubieten und zugleich bis zum erfolgreichen Verkauf Gewinn mit der ungenutzten Domain durch Einrichtung einer Website zu erzielen, die ausschließlich der Platzierung von Werbung („Sponsored Links“) dient. Begeht ein Kunde entweder durch die Nutzung der Domain oder durch Inhalte auf der Website einen Rechtsverstoß, stellt sich die Frage einer Haftung des Diensteanbieters3. In seiner Sedo-Entscheidung hat es der BGH mit überzeugender Begrün- 2222 dung abgelehnt, den Anbieter auch ohne Kenntnis von einem konkreten Rechtsverstoß für verpflichtet zu erachten, Domainnamen im Hinblick auf eine Kennzeichenverletzung zu prüfen. Das Geschäftsmodell des Domain Parking ist nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt und wird von der Rechtsordnung gebilligt. Daher dürfen dem Diensteanbieter keine Kontrollmaßnahmen auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren4. Der Betreiber eines Domain-Parking-Dienstes ist für Marken- und Kenn- 2223 zeichenverletzung seiner Kunden auch nicht nach § 14 Abs. 7 und § 15 Abs. 6 MarkenG verantwortlich, da die Kunden nicht Beauftragte des Anbieters sind. Beauftragter ist, wer in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Betriebsinhaber zugute kommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des Beauftragen hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Die Kunden des Domain-Parking-Programms erfüllen diese Voraussetzungen nicht, da sie nicht im Auftrag des Anbieters werben. Die Werbetätigkeit ist nicht der arbeitsteilig organisierten Geschäftstätigkeit des 1 OLG München vom 30.7.2009, MMR 2010, 261 f. 2 KG vom 3.7.2012 – 5 U 15/12, Rz. 10, ITRB 2012, 246 f. (Intveen). 3 Vgl. Engels/Seichter, WRP 2006, 810, 811; Härting/Linden in Hoffmann/Leible/ Sosnitza, S. 48 ff.; OLG Hamburg vom 14.7.2004, CR 2004, 836. 4 BGH vom 18.11.2010 – I ZR 155/09 – Sedo, Rz. 36 ff.
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J. Haftung im Netz
Anbieters, sondern derjenigen des Kunden selbst zuzurechnen, der die Internetseite in das System des Domain Parking einstellt1. 2224
Das LG Düsseldorf und das LG Berlin wiesen markenrechtliche Unterlassungsklagen gegen den Diensteanbieter zurück mit der Begründung, dieser habe jeweils nach Erhalt eines Abmahnschreibens die fragliche Domain aus seinem Dienst entfernt und die Domain auf eine Sperrliste gesetzt. Zu Recht meinten die Gerichte, dass man von dem Diensteanbieter keine weiteren Maßnahmen erwarten könne2. Ähnlich argumentierte das OLG Frankfurt a.M., das eingehende Prüfungstätigkeiten des Diensteanbietes für unzumutbar erachtete und darauf verwies, dass anderenfalls Aufwand entstehe, der das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen würde3. Auch das OLG München hat eine Störerhaftung verneint für den Fall, dass der Diensteanbieter die Domain nach Erhalt einer Abmahnung aus dem eigenen Dienst entfernt und auf eine Sperrliste setzt4.
2225
Wenn der Anbieter per Abmahnung oder auf sonstige Weise Kenntnis von einer Kennzeichenverletzung erlangt, ist er zur Beseitigung verpflichtet und darf ein Tätigwerden nicht von der Vorlage einer Markenurkunde abhängig machen5. ii) Werbetreibende
2226
Sehr weit ging das LG Frankfurt a.M., als es die Störerhaftung eines Telekommunikationsunternehmens bejahte, das Werbung auf Seiten geschaltet hatte, auf denen jugendgefährdende, gewaltverherrlichende und volksverhetzende Filme angeboten wurden. Eine Abmahnung genügte dem Gericht, um einen Unterlassungsanspruch zu bejahen6.
2227
Es ist mehr als fraglich, ob der Werbetreibende durch seine Werbung in irgendeiner Weise (adäquat-kausal) an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Zutreffend hat das LG München I daher in einem ähnlichen Fall darauf hingewiesen, dass sich eine Störerhaftung nicht auf jeden zwar nicht kausalen, aber unterstützenden Effekt für einen Rechtsverstoß stützen lässt7.
1 BGH vom 18.11.2010 – I ZR 155/09 – Sedo, Rz. 53 ff. 2 LG Berlin vom 3.6.2008, MMR 2009, 218; LG Düsseldorf vom 26.11.2008, MMR 2009, 435 (Ls.); LG Düsseldorf vom 5.11.2008, CR 2009, 45, 47; LG Düsseldorf vo 20.8.2008, MMR 2009, 218 (Ls.). 3 OLG Frankfurt a.M. vom 8.2.2010, MMR 2010, 417 f. 4 OLG München vom 13.8.2009, CR 2010, 396 ff. = MMR 2010, 100 ff. 5 OLG Stuttgart vom 19.4.2012 – 2 U 91/11, Rz. 57 ff., ITRB 2012, 150 f. (Rössel); LG Stuttgart vom 28.7.2011 – 17 O 73/11 (Vorinstanz), Rz. 41 ff., ITRB 2011227 f. (Kunczik). 6 LG Frankfurt a.M. vom 2.1.2008, CR 2008, 324, 325 mit Anm. Schirmbacher = K&R 2008, 315, 316 mit. Anm. Witzmann = ITRB 2008, 98 f. (Engels). 7 LG München I vom 31.3.2009, ZUM 2009, 592, 593.
556
III. Stçrerhaftung
Der Betrieb einer Website ist vollkommen unabhängig von der darauf ge- 2228 schalteten Werbung. Während dem Suchmaschinenbetreiber, dem LinkSetzenden oder dem Access Provider noch vorzuwerfen sein mag, dass er – unter vielen – den Zugang zu der betreffenden Seite konkret ermöglicht oder erleichtert, hat der Werbetreibende mit dem Betrieb der Website und dem Zugang zu möglicherweise rechtswidrigen Inhalten nichts zu tun. Soweit das LG Frankfurt a.M. darauf verweist, dass die Werbung den Betrieb der Website ermögliche, geht dies an der eigentlichen Rechtsverletzung vorbei. Mit der gleichen Argumentation könnte auch der Hausbank des Website-Betreiber und die Graphikagentur des Werbetreibenden als Störer in Anspruch genommen werden. Auch diese profitieren von der Tätigkeit des Website-Betreibers1. Unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung im Netz 2229 lehnte das OLG Dresden eine zivilrechtliche Haftung des Auftraggebers einer Werbeaktion für Spam-Mails nach den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB ab, die ein Subunternehmen der Agentur versendet hatte, die mit der Aktion beauftragt war. Vom Auftraggeber könne nicht mehr verlangt werden, als Vorsorge zu treffen gegen weitere rechtswidrige Werbemaßnahmen. Da der Auftraggeber die Werbeaktion nach Kenntnis von den Spam-Mails abgebrochen habe, habe er seine Pflichten ausreichend erfüllt2. Nicht ganz auf dieser Linie liegt es, wenn das OLG Düsseldorf eine persönliche Haftung des Geschäftsführers eines Unternehmens für SpamMails bejaht mit der Begründung, den Geschäftsführer treffe – in Person – eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht3 zur Verhinderung unlauterer Werbung. Diese Pflicht habe der Geschäftsführer dadurch verletzt, dass er keine Vorsorge dagegen getroffen habe, dass der Adressbestand, der für die Werbeaktion verwendet wurde, dahingehend geprüft wurde, ob bei den Empfängern tatsächlich das nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erforderliche ausdrückliche Einverständnis4 vorlag5. Werden wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlungen in einem Unterneh- 2230 men von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 2 UWG auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Entsprechendes gilt für Kennzeichenrechtsverletzungen (§ 14 Abs. 7 und § 15 Abs. 6 MarkenG). Wer daher eine Agentur mit der Schaltung von Google-AdWordsAnzeigen beauftragt, haftet für Markenrechtsverletzungen, die die Agentur in Ausführung des Auftrags begeht6.
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Schirmbacher, CR 2008, 325, 326. OLG Dresden vom 10.3.2009, MMR 2009, 773. Siehe Rz. 2148. Siehe Rz. 1734. OLG Düsseldorf vom 24.11.2009, MMR 2010, 99 f. = IPRB 2010, 129 f. (Mulch). OLG Hamm vom 13.9.2012 – I-4 U 71/12, Rz. 64 ff.
557
J. Haftung im Netz
jj) Affiliate-Werbung 2231
Affiliate-Werbung ist die Werbung mit Hilfe von Partnern, die auf ihren eigenen Websites Links zu Bestellseiten schalten und an Bestellungen durch Provisionen partizipieren1. Für die Markenverletzung eines Affiliates haftet der Werbetreibende („Merchant“) nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. und des LG Hamburg unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung. Die Haftung setze allerdings eine Kenntnis von einem Rechtsverstoß voraus, da ohne eine solche Kenntnis keine Kontrollpflicht bestehe2. Mit ähnlicher Begründung bejaht das OLG München eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Merchants zur Verhinderung von Werbung auf Seiten mit jugendgefährdenden Inhalten, wenn klar erkennbar ist, dass Affiliates beabsichtigen, derartige Seiten zur Schaltung von Werbung zu nutzen3.
2232
Ohne sich mit der BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung zu befassen, hat das LG Köln eine Haftung des Merchants für Markenrechtsverletzungen durch Affiliates bejaht und es für eine Haftungsvermeidung nicht ausreichen lassen, dass der Merchants die Affiliate seine Partner vertraglich zur „Einhaltung“ von Markenrechten Dritter verpflichtet hatte4.
2233
Nach Auffassung des OLG Köln besteht auch ohne Kenntnis von einem Rechtsverstoß eine Haftung des Merchants für Markenrechtsverletzungen („ROSE“), die der Affiliate begeht, da der Affiliate als Beauftragter gemäß § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen sei5. Mit gleicher Begründung haben das LG Berlin6 und das LG Potsdam7 aus § 8 Abs. 2 UWG eine strenge Haftung für Wettbewerbsverstöße von Affiliates abgeleitet.
2234
Der BGH8 hat sich in seiner Entscheidung zu dem Fall „ROSE“ der Auffassung angeschlossen, dass ein Affiliate grundsätzlich als Beauftragter des Merchants auf dem Gebiet der Werbung i.S.v. § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen ist. Die Affiliates seien in der Weise in die betriebliche Organisation des Merchants eingegliedert, dass der Erfolg der Werbung der Affiliates dem Merchant zugute komme. Der Merchant verfüge auch über einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf die Werbetätigkeit der Affiliates. 1 Vgl. Engels/Seichter, WRP 2006, 810, 810 f. 2 LG Frankfurt a.M. vom 15.12.2005, MMR 2006, 247; LG Hamburg vom 3.8.2005, CR 2006, 130, 131; vgl. auch AG Pforzheim vom 20.12.2005, K&R 2006, 144. 3 OLG München vom 11.9.2008, WRP 2008, 1471, 1473 f. = K&R 2008, 756, 758 f. 4 LG Köln vom 6.10.2005, CR 2006, 64, 66 mit Anm. Ernst; vgl. auch Ernst/Seichert, WRP 2006, 810, 814. 5 OLG Köln vom 24.5.2006, CR 2007, 184, 185 f. 6 LG Berlin vom 16.8.2005, MMR 2006, 118 mit Anm. Herrmann. 7 LG Potsdam vom 12.12.2007, K&R 2008, 117. 8 BGH vom 7.10.2009, CR 2009, 794, 797 f. mit Anm. Rössel – Partnerprogramm.
558
III. Stçrerhaftung
Im konkreten Fall bedürfe es allerdings des Nachweises, dass der Affiliate 2235 auch insoweit als Beauftragter des Merchants gehandelt hat, als er die Verletzungshandlungen begangen hat. Eine Haftung des Betriebsinhabers für Personen, die er i.S.v. § 14 Abs. 7 MarkenG mit Tätigkeiten für seinen Betrieb beauftragt hat, scheide nicht nur dann aus, wenn diese außerhalb des Auftragsverhältnisses im privaten Bereich handeln. Der Auftraggeber hafte vielmehr auch dann nicht als Betriebsinhaber i.S.v § 14 Abs. 7 MarkenG, wenn der von ihm Beauftragte im konkreten Fall zwar geschäftlich tätig geworden ist, das betreffende geschäftliche Handeln jedoch nicht der Geschäftsorganisation des Auftraggebers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist. Die Verletzungshandlungen des Affiliates seien nach den Angaben des Merchants über Domains begangen worden, die nicht zum Partnerprogramm des Merchants angemeldet waren. Wenn dies der Fall sei, scheide eine Haftung nach § 14 Abs. 7 MarkenG aus1. Die Entscheidung des BGH ermöglicht es, Affiliate-Werbung zu betrei- 2236 ben, ohne dass erdrückende Haftungsrisiken entstehen. Allerdings müssen Merchants darauf achten, ihre Vertragsbeziehungen2 zu den Werbepartnern so auszugestalten, dass die Spielräume bestmöglich genutzt werden, die der BGH eröffnet. Wird der Werbeauftrag auf einzelne Websites beschränkt, haftet der Merchant nach den Maßgaben des BGH nur für Rechtsverstöße des Werbepartners, die diese Websites betreffen3. Û Praxistipp: Haftungsrisiken lassen sich begrenzen durch die konkrete 2237 Auswahl und Freigabe der Websites, auf der der Affiliate Werbemittel des Merchants verwenden darf. Aus der Ausgestaltung des Portals des Affiliate-Netzwerks sollte sich daher zweifelsfrei ergeben, dass der Werbeauftrag an den Affiliate auf die von ihm angegebenen und vom Netzwerk ggs. freigegebenen Websites beschränkt ist: „Geben Sie hier die Domains ein, auf der die Werbung des Merchants ausschließlich erscheinen soll: … Ihre Befugnis, die im Rahmen dieses Partnerprogramms zur Verfgung gestellten Werbemittel zu nutzen, beschrnkt sich auf Websites, die unter diesen Domains im Internet erreichbar sind.“
In den Teilnahmebedingungen sollte zudem klargestellt werden, welche Werbeformen von dem Auftrag erfasst sind: „Falls Ihre Teilnahme an dem Partnerprogramm besttigt wird, sind Sie mit folgenden Werbemitteln beauftragt: …“4
1 BGH vom 7.10.2009, CR 2009, 794, 798 f. mit Anm. Rössel – Partnerprogramm; a.A. OLG Köln vom 8.2.2008, CR 2008, 521, 522. 2 Vgl. Schirmbacher/Ihmor, CR 2009, 245 ff.; LG Berlin vom 15.10.2009, CR 2010, 129 f.; LG Berlin vom 23.10.2008, CR 2009, 262 ff. = ITRB 2009, 104 f. (Intveen). 3 Schirmbacher, IPRB 2010, 41, 42. 4 Schirmbacher, IPRB 2010, 41, 42.
559
J. Haftung im Netz
kk) Identitätsklau 2238
Nach Auffassung des OLG Brandenburg haftet Ebay als Störer bei wiederholtem „Identitätsklau“. Mehrfach waren die Personalien des Klägers verwendet worden, um Ebay-Accounts einzurichten. Das Gericht bejahte eine rechtswidrige Namensanmaßung (§ 12 Satz 1, 2. Alt. BGB) und eine Störerhaftung des Plattformbetreibers1.
2239
Der BGH2 hat das Urteil des OLG Brandenburg aufgehoben und bemängelt, dass nicht festgestellt sei, inwieweit es Ebay technisch möglich und zumutbar war, eine weitere Verletzung des Namensrechts des Klägers zu verhindern. Trotz Kenntnis von Rechtsverletzungen eröffnet der BGH Ebay somit den Einwand, eine Verhinderung künftiger Verletzungen sei nicht möglich oder zumutbar. Mit der strikteren Linie, die der BGH mit dem Urteil zu „Internet-Versteigerung I“ eingeschlagen hat3, verträgt sich dies nicht.
2240
Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen liegt nach Auffassung des BGH grundsätzlich beim Kläger. Allerdings treffe Ebay eine sekundäre Darlegungslast. Der Kläger habe keinen Einblick in die technischen Möglichkeiten und könne von sich aus nicht erkennen, ob Ebay der Einsatz einer bestimmten Maßnahme im Hinblick auf interne Betriebsabläufe zumutbar sei. Unter diesen Umständen sei Ebay gehalten, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen möglich und weshalb – falls diese Maßnahmen keinen lückenlosen Schutz gewährleisten – weitergehende Maßnahmen nicht zumutbar seien. Erst aufgrund eines solchen Vortrags werde der Kläger in die Lage versetzt, seinerseits darzulegen, ob aus seiner Sicht weitergehende Schutzmaßnahmen möglich sind. Außerdem werde es dem Kläger ermöglicht, seinen Antrag entsprechend zu konkretisieren und dabei die aus seiner Sicht bestehenden und zumutbaren technischen Möglichkeiten zu benennen4. ll) Filesharingdienste
2241
Das Usenet ist ein weltweites Netz von Servern, das zum Austausch von Nachrichten und Dateien genutzt wird5. Da das Usenet vielfach zum illegalen Tausch von Musik und Filmen genutzt wurde, wurden Usenet Provider wiederholt auf Unterlassung verklagt. Das OLG Düsseldorf wies eine solche Klage ab mit der Begründung, dass dem Provider die ständige
1 OLG Brandenburg vom 16.11.2005, CR 2006, 124, 125 f. 2 BGH vom 10.4.2008, CR 2008, 727, 728 mit Anm. Rössel – Namensklau im Internet. 3 Siehe Rz. 2139 ff. 4 BGH vom 10.4.2008, CR 2008, 727, 728 mit Anm. Rössel – Namensklau im Internet. 5 Hütten, K&R 2007, 554, 554 f.
560
III. Stçrerhaftung
Kontrolle des eigenen Newsservers nicht zumutbar sei. Es gehe nicht an, ein Verbot erst einmal zu erlassen und die Entscheidung, ob der Schuldner alles zumutbare tut, in das Vollstreckungsverfahren zu übertragen1. Die gegenteilige Auffassung vertraten das LG Düsseldorf2 und das LG Hamburg3 und bejahen – bedenklich weitgehend4 – eine Störerhaftung des Usenet Providers5. Das OLG Hamburg meinte, Usenet Provider seien Access Provider. Wenn 2242 sie indes gezielt mit der Möglichkeit von Rechtsverletzungen werben („Also selbst wenn unser Service illegal wäre, wären Sie sicher.“), seien sie uneingeschränkt prüfungspflichtig6. Das LG München I hat dagegen die Auffassung vertreten, dass bei einem Usenet-Newsserver die Voraussetzungen des § 9 TMG (Caching)7 vorliegen, der allerdings auf die Störerhaftung nicht anwendbar sei. Eine Störerhaftung sei zu verneinen, da dem Provider eine Kontrolle des umfangreichen Datenbestandes nicht zumutbar sei8. Auf den Usenet-Servers werden Inhalte gespeichert, so dass es nicht nur 2243 um Zugang geht (§ 8 TMG). Anders als ein Proxy-Server, auf den § 9 TMG Anwendung findet, dient der Usenet-Server indes nicht ausschließlich der Beschleunigung der Kommunikation. Vielmehr ist der UsenetServer zwingend notwendig, damit der Nutzer Inhalte aus dem Usenet herunterladen kann. Dies spricht dafür, auf den Usenet Provider § 10 TMG und nicht § 9 TMG anzuwenden9. Ein Sharehoster-Dienst ermöglicht dem Nutzer, auf einfache Weise große 2244 Dateien abzuspeichern und Dritten die Dateien (durch Übersendung eines Download-Links) zum Download zur Verfügung zu stellen. Das OLG Köln hat einen Sharehoster in Anwendung der BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung zur regelmäßigen Überprüfung einer Reihe von Links verurteilt, da diese Links zur illegalen Verbreitung von Musik genutzt worden waren10. Das LG Düsseldorf11, das LG Frankfurt a.M.12 sowie das
1 OLG Düsseldorf vom 15.1.2008, CR 2008, 183, 184. 2 LG Düsseldorf vom 23.5.2007, CR 2007, 601, 602 f. mit Anm. Kitz. 3 LG Hamburg vom 15.6.2007 – 308 O 325/07, MMR 2008, 136 (Ls.); LG Hamburg vom 19.2.2007, MMR 2007, 333 f. mit Anm. Hoeren. 4 Vgl. Lober/Karg, CR 2007, 647, 650. 5 Vgl. auch Hütten, K&R 2007, 554, 557 ff. 6 OLG Hamburg vom 28.1.2009, MMR 2009, 405 ff. 7 Siehe Rz. 2130. 8 LG München I vom 19.4.2007, MMR 2007, 453, 454 ff. mit Anm. Mantz. 9 Hütten, K&R 2007, 554, 555 f. 10 OLG Köln vom 21.9.2007, MMR 2007, 786, 787 f. 11 LG Düsseldorf vom 23.1.2008, ZUM 2008, 338, 341 f.; LG Düsseldorf vom 1.9.2010 – 12 O 319/08, Rz. 21. 12 LG Frankfurt a.M. vom 19.6.2008, ZUM 2008, 996, 998.
561
J. Haftung im Netz
OLG Hamburg1 und das LG Hamburg2 haben sogar die Auffassung vertreten, dass Sharehoster-Dienste für eine Verletzung von Urheberrechten besonders gut geeignet seien mit der Folge, dass den Diensteanbieter erhöhte3 bzw. einschränkungslose4 Prüfungspflichten treffen. Dieser Auffassung hat der BGH widersprochen und dem Geschäftsmodell des Marktführers Rapidshare bescheinigt, dass es „grundsätzlich“ rechtskonform sei5. Allerdings hat der BGH Prüfungspflichten bejaht, sobald Kenntnis von einem Rechtsverstoß besteht6. Rapidshare sei es zumutbar, einer Wiederholung entsprechender Rechtsverletzungen durch Wortfilter sowie durch eine Kontrolle von Linksammlungen entgegenzuwirken7. 2245
Ein nur das Hochladen von Dateien kontrollierender Wortfilter ist nach Auffassung des BGH zur Erfüllung der Prüfungspflichten unzureichend, eine zusätzliche Kontrolle bereits gespeicherte Dateien sei zumutbar8. Zwar bestehen auch Umgehungsmöglichkeiten für einen solchen Wortfilter, indem die Dateien in anderen Wortkombinationen hochgeladen würden, der Eignung eines Wortfilters mit manueller Nachkontrolle für die Erkennung von Urheberrechtsverletzungshandlungen steht jedoch nicht entgegen, dass der Filter mögliche Verletzungshandlungen nicht vollständig erfassen könne9.
2246
Das LG Düsseldorf10 und das OLG Düsseldorf11 haben für das Filesharing-System eDonkey eine Störerhaftung des Providers unter dem Ge1 OLG Hamburg vom 30.9.2009, MMR 2010, 51 ff. mit Anm. Breyer; OLG Hamburg vom 2.7.2008, MMR 2008, 823 ff. 2 LG Hamburg vom 12.6.2009, ZUM 2009, 863 ff. 3 LG Düsseldorf vom 23.1.2008, ZUM 2008, 338, 341 f.; LG Düsseldorf vom 1.9.2010 – 12 O 319/08, Rz. 21; LG Frankfurt a.M. vom 19.6.2008, ZUM 2008, 996, 998. 4 OLG Hamburg vom 30.9.2009, MMR 2010, 51 ff. mit Anm. Breyer; OLG Hamburg vom 2.7.2008, MMR 2008, 823 ff. 5 BGH vom 12.7.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rz. 23.; vgl. auch OLG Düsseldorf vom 27.4.2010, CR 2010, 473 ff. mit Anm. Rössel = MMR 2010, 483 ff. mit Anm. Schröder; OLG Düsseldorf vom 6.7.2010 – I-20 U 8/10, Rz. 28 ff., ITRB 2010, 273 ff. (Rössel); OLG Düsseldorf vom 21.12.2010 – I-20 U 59/10, Rz. 15 f.; OLG Hamburg vom 14.3.2012 – 5 U 87/09, Rz. 111 ff. 6 BGH vom 12.7.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rz. 28 ff. 7 BGH vom 12.7.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rz. 33 ff.; vgl. auch OLG Hamburg vom 14.3.2012 – 5 U 87/09, Rz. 132 ff.; LG Hamburg vom 18.3.2011 – 308 O 458/10, Rz. 30 ff.; LG Hamburg vom 14.11.2011 – 310 O 116/10, Rz. 45 ff.; a.A. OLG Düsseldorf vom 27.4.2010, CR 2010, 473 ff. mit Anm. Rössel = MMR 2010, 483 ff. mit Anm. Schröder; OLG Düsseldorf vom 6.7.2010 – I-20 U 8/10, Rz. 50 ff., ITRB 2010, 273 ff. (Rössel); OLG Düsseldorf vom 21.12.2010 – I-20 U 59/10, Rz. 20 ff. 8 BGH vom 12.7.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rz. 34 f. 9 BGH vom 12.7.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rz. 35. 10 LG Düsseldorf vom 12.9.2008, CR 2009, 404, 405 f. = ZUM 2008, 882, 883 f. = MMR 2008, 759, 760 f. 11 OLG Düsseldorf vom 20.5.2008, CR 2009, 40 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf vom 15.1.2008, K&R 2008, 183, 184.
562
III. Stçrerhaftung
sichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit verneint. Das LG Frankfurt a.M. hat in einem anderen eDonkey-Fall aus den eigenen Angaben des Serverbetreibers geschlossen, dass die konkret verlangte Sperrung möglich und zumutbar war1. mm) Nutzung eines fremden Accounts Unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung bejahte das OLG Stuttgart 2247 einen Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes bei einem Ebay-Shop, obwohl die Beklagte eingewendet hatte, der streitige Ebay-Account sei nicht von ihr selbst, sondern von ihrem Lebensgefährten genutzt worden. Nach Auffassung des Gerichts traf die Beklagte wegen der Weitergabe ihrer Accountdaten eine „gesteigerte Prüfungspflicht“ im Hinblick auf die Einhaltung der „gesetzlich geltenden Regelungen“ durch ihren Lebensgefährten2. Ähnlich entschied das OLG Frankfurt a.M. in einem Fall, in dem der Beklagte seiner Ehefrau Accountdaten überlassen hatte und es zu Markenrechtsverletzungen gekommen war3. Das LG Köln ließ es für eine Störerhaftung ausreichen, dass ein Rechts- 2248 anwalt seinen Nutzernamen und sein Passwort für ein Anwaltsforum (frag-einen-anwalt.de) auf seinem Rechner gespeichert und es hierdurch (mutmaßlich) seinen Söhnen ermöglicht hatte, in dem Forum beleidigende Äußerungen über einen Anwaltskollegen zu verbreiten4. Das LG Bonn hat die BGH-Grundsätze zur Störerhaftung nicht angewendet und eine strenge Haftung des Accountinhabers für Wettbewerbsverstöße eines Verkaufsagenten bejaht mit der Begründung dass jegliche Werbung aus Sicht der Adressaten Werbung für den Accountinhaber sei5. Benutzt ein Dritter (im konkreten Fall die Ehefrau) ein fremdes Mit- 2249 gliedskonto bei Ebay, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Mitgliedskontos gelangt ist, weil der Inhaber diese nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert hat, muss der Inhaber des Mitgliedskontos sich nach Auffassung des BGH6 so behandeln lassen, wie wenn er selbst gehandelt hätte. In der unzureichenden Verwahrung sieht der BGH eine Verkehrspflichtverletzung, die einen selbständigen Zurechnungsgrund gegenüber den Grundsätzen der Störerhaftung7 und den Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts8 darstellt. Soweit es um den Unterlassungsanspruch gehe, setze die Haftung keinen Verstoß gegen wei1 LG Frankfurt a.M. vom 30.9.2008, MMR 2009, 70 (Ls.). 2 OLG Stuttgart vom 16.4.2007, K&R 2007, 468, 469. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 13.6.2005, NJW-RR 2005, 1204 f. = CR 2005, 655; vgl. auch AG München vom 24.4.2007, CR 2007, 816, 817. 4 LG Köln vom 18.10.2006, MMR 2007, 337, 338. 5 LG Bonn vom 7.12.2004, WRP 2005, 640, 641. 6 BGH vom 11.3.2009, CR 2009, 450, 451 f. mit Anm. Rössel – Halzband. 7 Siehe Rz. 2131 ff. 8 Siehe Rz. 2148 ff.
563
J. Haftung im Netz
tere Prüfungspflichten voraus. Insbesondere sei die Haftung nicht davon abhängig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Pflicht des Beklagten bestanden habe, das Verhalten seiner Ehefrau auf mögliche Verletzungen der Rechte Dritter zu überprüfen, und ob er diese Prüfungspflicht verletzt hat. Anders als bei den Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts1 greife der Zurechnungsgrund auch nicht erst dann ein, wenn der Kontoinhaber die unzureichende Sicherung der Kontaktdaten andauern lasse, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, dass ein Dritter sie unberechtigterweise benutzt hat. 2250
Die Grundüberlegung des BGH überzeugt: Wer seine Accountdaten nicht unter Verschluss hält, begründet damit die Gefahr, dass für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden Mitgliedsnamen gehandelt hat. Darüber hinaus erschweren entwendete Zugangsdaten die Möglichkeiten, den Handelnden zu identifizieren und gegebenenfalls (rechtsgeschäftlich oder deliktisch) in Anspruch zu nehmen. Dies spricht für eine generelle Verantwortung und Verpflichtung des Inhabers eines passwortgeschützten Accounts, seine Kontaktdaten so unter Verschluss zu halten, dass von ihnen niemand Kenntnis erlangt2. nn) Nutzung eines fremden Internetanschlusses
2251
Das LG Frankfurt a.M.3, das LG Köln4, das LG Leipzig5, das LG Düsseldorf6, das LG München I7 und das LG Hamburg8 haben die Störerhaftung des Anschlussinhabers bejaht in Fällen, in denen Anschlüsse von Familienangehörigen oder Besuchern genutzt wurden und illegale Downloads von Computerspielen bzw. Musikdateien erfolgten. Das Überlassen eines Internetzugangs an Dritte – insbesondere an Jugendliche – schaffe eine erhöhte Gefahr von Urheberrechtsverletzungen. Dies reiche für eine Stö-
1 Siehe Rz. 2151 ff. 2 BGH vom 11.3.2009, CR 2009, 450, 452 mit Anm. Rössel – Halzband. 3 LG Frankfurt a.M. vom 12.4.2007, MMR 2007, 804, 805; LG Frankfurt a.M. vom 22.2.2007, CR 2007, 670, 671; vgl. auch AG Frankfurt a.M. vom 29.1.2010, CR 2010, 273 f.; AG Frankfurt a.M. vom 5.6.2009, MMR 2010, 263 (Ls.). 4 LG Köln vom 10.1.2011 – 28 O 421/10; Rz. 30 ff.; LG Köln vom 24.11.2010 – 28 O 202/10, Rz. 33; LG Köln vom 21.4.2010 – 28 O 586/09; LG Köln vom 27.1.2010 – 28 O 241/09, Rz. 29 f., ITRB 2010, 182 f. (Unterbusch); LG Köln vom 13.5.2009, CR 2009, 684 ff.; LG Köln vom 28.2.2007, ZUM-RD 2008, 93 ff.; LG Köln vom 22.11.2006, CR 2008, 184, 185 f. 5 LG Leipzig vom 8.2.2008, MMR 2009, 219 (Ls.). 6 LG Düsseldorf vom 26.8.2009, GRUR-RR 2010, 173 (Ls.). 7 LG München I vom 19.6.1008, K&R 2008, 474 ff. = MMR 2008, 619 ff. = CR 2008, 661 ff. = ZUM 2008, 805 ff. 8 LG Hamburg vom 5.3.2010 – 308 O 691/09; LG Hamburg vom 15.7.2008, MMR 2008, 685, 686 f. = ITRB 2008, 275 (Hüsch); LG Hamburg vom 2.8.2006, CR 2006, 780, 781 f.; LG Hamburg vom 21.4.2006, CR 2007, 121 f. mit Anm. Grosskopf; LG Hamburg vom 25.1.2006, MMR 2006, 700.
564
III. Stçrerhaftung
rerhaftung aus1. Die nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich maßgebende Frage der Kenntnis von (früheren) Verletzungshandlungen stellten die Gerichte zumeist nicht einmal. Das LG Düsseldorf hat sogar eine täterschaftliche Haftung des An- 2252 schlussinhabers für Rechtsverletzungen bejaht, die mittels des Anschlusses begangen werden. Die Haftung des Anschlussinhabers richte sich nach den Kriterien, die der BGH in seiner „Halzband“-Entscheidung2 aufgestellt habe. Eltern treffe eine verdachtsunabhängige Pflicht zur Überwachung der Internetaktivitäten ihrer Kinder3. Dass das LG Düsseldorf den Zugang zu einem Internetanschluss auf eine Gefahrenstufe mit der unsorgfältigen Aufbewahrung von Zugangsdaten stellt, ist befremdlich und nicht überzeugend4. In seiner „Morpheus“-Entscheidung5 hat sich der BGH mit der Frage be- 2253 fasst, welche Anforderungen sich aus den Aufsichtspflichten gemäß § 832 Abs. 1 BGB an Maßnahmen der Eltern zur Unterbindung von Verstößen ihrer Kinder gegen das Urheberrecht herleiten lassen. Die Entscheidung orientiert sich ausschließlich an § 832 Abs. 1 BGB und lässt sich daher auf Konstellationen außerhalb eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht übertragen. Nach der überzeugenden Auffassung des BGH genügen Eltern ihrer Auf- 2254 sichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt6. Im Verhältnis von Eheleuten gelten weder die Anforderungen des § 832 2255 Abs. 1 BGB noch Verkehrssicherungspflichten. Vor dem Hintergrund des gesetzlich geregelten Verhältnisses zwischen Ehegatten ist eine gegen-
1 Vgl. auch OLG Köln vom 23.12.2009, CR 2010, 336 ff. mit Anm. Kremer = IPRB 2010, 107 f. (Vohwinkel). 2 BGH vom 11.3.2009, CR 2009, 450, 451 f. mit Anm. Rössel – Halzband; siehe Rz. 2249. 3 LG Düsseldorf vom 27.5.2009, MMR 2009, 780 f. mit Anm. Solmecke/Müller. 4 Solmecke/Müller, MMR 2009, 781 f. 5 BGH vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus. 6 BGH vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus, Rz. 29; a.A. LG Köln vom 30.3.2011 – 28 O 716/10, Rz. 38.
565
J. Haftung im Netz
seitige Überwachung jedenfalls unzumutbar1. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für vorherige Rechtsverletzungen bestehen2. 2256
Eine Aufsichtspflicht besteht auch nicht gegenüber volljährigen Kindern3, Freunden oder Mitbewohnern4. Zu verneinen ist auch eine anlasslose Überwachungspflicht am Arbeitsplatz5.
2257
In einem Urteil des LG München genügte der Vortrag der Beklagten zum Ausschluss der Haftung für eine Rechtsverletzung sowohl als Täter als auch als Störer, da der Kläger keinen Beweis für die anspruchsbegründende Verletzungshandlung bieten konnte6. Die tatsächliche Vermutung der Nutzung des Internetzugangs durch den Anschlussinhaber wurde durch den Vortrag der Beklagten erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt hatte die Beklagte weder einen Computer, noch internetfähige Gerätschaften besessen um Filesharing-Netzwerke nutzen zu können. Zudem hatte die Beklagte keinen WLAN-Router, sondern einen Splitter besessen, zum vermutlichen Tatzeitpunkt alleine gewohnt und es haben keine bekannten Personen den nur theoretisch vorhandenen, aber mangels Router nicht nutzbaren Internetanschluss der Beklagten verwendet. Eine Betrachtung, die in einer solchen Situation dem Internetanschlussinhaber den Beweis für die von ihm vorgetragenen Tatsachen abverlangt, würde die Störerhaftung in eine vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehene Gefährdungshaftung des Internetanschlussinhabers umwandeln und ist daher nicht zulässig7. oo) Ungesichertes WLAN
2258
Wer das eigene WLAN nicht sichert, schafft nach Auffassung des OLG Düsseldorf eine Gefahrenquelle für Urheberrechtsverletzungen Dritter
1 AG Frankfurt a.M. vom 25.5.2012 – 32 C 157/12, Rz. 18; vgl. auch OLG Köln vom 24.3.2011 – 6 W 42/11, Rz. 13; OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2013 – 11 W 8/13, Rndr. 10. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 20.12.2007, CR 2008, 243 f. mit Anm. Stang/Hübner; OLG Köln vom 16.5.2012 – 6 U 239/11, Rz. 19; vgl. auch LG Mannheim vom 30.1.2007, CR 2007, 394, 396; LG Mannheim vom 29.9.2006, ZUM-RD 2007, 252 ff.; LG Mannheim vom 29.9.2006, MMR 2007, 267 f. mit Anm. Solmecke; vgl. auch Volkmann, CR 2008, 232, 237; OLG Köln vom 16.5.2012 – I-6 U 239/11, Rndr. 19. 3 LG Hamburg vom 21.6.2012 – 308 O 495/11; a.A. OLG Köln vom 24.3.2011 – 6 W 42/11, Rz. 13; OLG Köln vom 21.4.2011 – 6 W 58/11, Rz. 18; OLG Köln vom 4.6.2012 – 6 W 81/12, Rz. 4. 4 AG Frankfurt a.M. vom 25.3.2010 – 30 C 2598/08-25, Rz. 14. 5 LG München I vom 4.10.2007, K&R 2007, 667, 668 f. 6 LG München I vom 22.3.2013 – 21 S 28809/11. 7 LG München I vom 22.3.2013 – 21 S 28809/11, Rz. 39.
566
III. Stçrerhaftung
und haftet daher als Störer auf Unterlassung1. Dieselbe Ansicht vertreten das LG Mannheim2, das LG Düsseldorf3 und das LG Hamburg4. Der BGH hat sich dieser Auffassung mit überzeugender Begründung an- 2259 geschlossen. Auch Privatpersonen, die einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, sei es zuzumuten zu prüfen, ob dieser Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden. Die Zumutbarkeit folgt schon daraus, dass es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen5. Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich nach den 2260 jeweiligen technischen Möglichkeiten. Es würde den privaten Verwender der WLAN-Technologie unzumutbar belasten, wenn ihm zur Pflicht gemacht würde, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen. Allerdings besteht jedenfalls insoweit eine Prüfungspflicht, als, dass die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind. Eine solche Verpflichtung entsteht bereits ab der Installation des Anschlusses und nicht erst nach Kenntnis von Rechtsverstößen, die Dritte mit Hilfe des Anschlusses begangen haben6. Darüber hinaus dürfte eine Verpflichtung zur Aktualisierung des Schutzes in einem üblichen Erneuerungsintervall bestehen, das bei einem WLAN-Router mehrere Jahre umfassen dürfte7. Bezugspunkt der Haftung für Missbräuche eines ungesicherten Anschlus- 2261 ses ist nicht die WLAN-Technik. Eine Sicherungspflicht besteht daher auch, wenn der Zugang zum Netz mittels eines Kabels8 oder auf andere Weise9 erfolgt. Wer einem Dritten die Nutzung eines WLAN-Anschlusses gestattet und 2262 sich dabei vertraglich zusichern lässt, dass der Dritte den Anschluss
1 OLG Düsseldorf vom 27.12.2007, CR 2008, 182 f.; a.A. Gietel, MMR 2007, 630, 632; OLG Frankfurt a.M. vom 1.7.2008, CR 2008, 582 ff. mit Anm. Hornung. 2 LG Mannheim vom 25.1.2007, MMR 2007, 537 f. mit Anm. Ernst. 3 LG Düsseldorf vom 16.7.2008, K&R 2008, 546, 547 f. = ZUM 2008, 797, 798 = MMR 2008, 684, 685. 4 LG Hamburg vom 26.7.2006, MMR 2006, 763, 764 mit Anm. Mantz; LG Hamburg vom 11.1.2013 – 308 O 442/12, Rz. 11. 5 BGH vom 12.5.2010, CR 2010, 458 mit Anm. Hornung = GRUR-Prax 2010, 269 mit Anm. Obergfell = WRP 2010, 912 – Sommer unseres Lebens; vgl. auch LG Berlin vom 3.3.2011 – 16 O 433/10, Rz. 5. 6 BGH vom 12.5.2010, CR 2010, 458 mit Anm. Hornung = GRUR-Prax 2010, 269 mit Anm. Obergfell = WRP 2010, 912 – Sommer unseres Lebens. 7 Vgl. Borges, NJW 2010, 2624, 2626. 8 AG München vom 23.11.2011 – 142 C 2564/11. 9 Vgl. LG Hamburg vom 24.9.2012 – 308 O 319/12.
567
J. Haftung im Netz
nicht „zu illegalen Zwecken“ nutzen wird, darf auf die Rechtstreue des Vertragspartners vertrauen und haftet bei Rechtsverstößen nicht als Störer1. Dies gilt beispielsweise auch im Verhältnis des Hauptmieters einer Wohngemeinschaft zu seinen Mitbewohnern2. 2263
Dass eine Sicherung des WLAN-Anschlusses im privaten Haushalt zumutbar ist, besagt noch nichts für eine Zumutbarkeit an öffentlichen und halb-öffentlichen Orten. Ob der Inhaber eines Anschlusses in einer Gaststätte3, einem Flughafen oder einem Hotel4 eine Zugangssicherung durch Vergabe von Passwörtern vornehmen muss5, erscheint vielmehr zweifelhaft. Gegen eine solche Verpflichtung spricht, dass sie zur Ermittlung der Person eines Rechtsverletzers nur dann geeignet wäre, wenn der Betreiber zugleich Adressdaten der Nutzer erfassen würde. Dies erscheint indes nicht zumutbar. Unabhängig von möglichen datenschutzrechtlichen Bedenken besteht zudem jedenfalls keine entsprechende Verpflichtung gemäß den § 111 TKG6.
1 2 3 4 5 6
AG München vom 15.2.2012 – 142 C 10921/11, Rz. 30. LG Köln vom 14.3.2013 – 14 O 320/12, Rz. 42 ff., ITRB 2013, 158 f. (Engels). Vgl. LG Hamburg vom 25.11.2010 – 310 O 433/10. Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 18.8.2010 – 2-6 S 19/09. Vgl. Schmidt-Bens/Suhren, K&R 2013, 1, 3. AG München vom 12.1.2012 – 17 HK O 1398/11, Rz. 19 ff.
568
K. Kollisionsrecht
I. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ROM-I-VO . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtswahlklauseln . . . . . . . . . a) Freie Rechtswahl . . . . . . . . . b) Form und Wirksamkeit von Rechtswahlklauseln . . 3. Schranken der Rechtswahl . . . a) Willkürliche Rechtswahl . . b) Umgehung von inländischem Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umgehung von EU-Verbraucherschutzrecht . . . . . . d) Zwingende Eingriffsnormen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertragsstatut bei fehlender Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragscharakteristische Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbraucherverträge . . . . . . 5. Sonderanknüpfungen . . . . . . . . 6. Das UN-Kaufrecht . . . . . . . . . . II. Außervertragliches Haftungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfolgsortprinzip . . . . . . . . . . . . 2. Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . 3. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . 4. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . a) Marktortprinzip . . . . . . . . . . b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . c) Unterlassungsklagen . . . . . . 5. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip . . . . . . . . b) Handlungsort . . . . . . . . . . . . . c) Reichweite des deutschen Urheberrechts . . . . . . . . . . . . 6. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 2271 2272 2275 2275 2281 2283 2284 2287 2292 2296 2301 2301 2306 2309 2313 2316 2318 2325 2326 2327 2327 2329 2331 2332 2333 2339 2345 2348
Rz. a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip . . . . . . . . 2349 b) Handlungsort . . . . . . . . . . . . . 2350 7. Herkunftslandprinzip. . . . . . . . 2353 III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Ansprüche . . . . . . a) Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . c) Niederlassung und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbraucherverträge. . . . . . . aa) Einschränkung der Prorogationsfreiheit . . . bb) Verbrauchervertrag . . . . cc) „Ausrichten“ . . . . . . . . . 2. Außervertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) Unerlaubte Handlung . bb) Parallele zu Presseerzeugnissen . . . . . . . . . . cc) Enge Auslegung . . . . . . . dd) Art. 5 Abs. 3 EuGVVO: „Mittelpunkt der Interessen“ . . . . . . . . . . . . . . . ee) § 32 ZPO: „Kollisionslage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) § 32 ZPO: „deutlicher Inlandsbezug“ . . . . . . . . gg) § 32 ZPO: bestimmungsgemäße Abrufbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . b) Wettbewerbsrecht . . . . . . . . c) Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . d) Markenrecht . . . . . . . . . . . . .
2361 2365 2367 2371 2376 2377 2377 2379 2381 2389 2395 2395 2401 2406 2408 2415 2421 2426 2432 2436 2440
Eine der größten Herausforderungen, die das Internet an die Rechtsord- 2264 nungen stellt, ist die Frage nach dem (nationalen) Recht, das auf InternetSachverhalte anwendbar ist. Das Internationale Privatrecht beantwortet diese Frage.
569
K. Kollisionsrecht
2265
Das Internationale Privatrecht ist kein „internationales“ Recht. Vielmehr handelt es sich um innerstaatliche Normen1. Diese regeln, welches materielle Recht auf einen Sachverhalt anwendbar ist, der Auslandsberührung aufweist2.
2266
Das Internationale Privatrecht wird relevant, wenn der Bezug eines Sachverhalts zu mehreren Staaten kollidierende Rechtsordnungen auf den Plan ruft. Wegen dieser Kollisionslage, um die es im Internationalen Privatrecht geht, spricht man auch von Kollisionsrecht3.
2267
Das Internet bietet mannigfaltige Beispielsfälle der Auslandsberührung, die zu kollisionsrechtlichen Fragen führen: Der deutsche Nutzer ruft die Internetseiten eines US-amerikanischen Unternehmens auf. Das amerikanische Unternehmen bietet Bücher zum Kauf an, die aus den USA, Großbritannien oder Australien geliefert werden. Der Server, den der amerikanische Anbieter zur Speicherung seiner Internetseiten nutzt, kann in den USA, ebenso aber auch in China oder Mexiko stehen. In die Kommunikation zwischen dem deutschen Nutzer und dem amerikanischen Anbieter können Server zwischengeschaltet sein, die sich in Norwegen oder Kanada befinden.
2268
Die Frage nach dem anwendbaren Recht kann sich beim Abschluss und bei der Abwicklung von Verträgen, aber auch außerhalb vertraglicher Beziehungen stellen. Wenn ein deutscher Verbraucher bei einem koreanischen Unternehmen über das Internet Waren bestellt, ist die Anwendung deutschen Rechts auf den Kaufvertrag keine Selbstverständlichkeit. Entsprechendes gilt, wenn ein spanisches Unternehmen über das Internet geschäftsschädigende Aussagen über die Produkte eines deutschen Konkurrenten verbreitet oder dessen Urheberrechte verletzt. Fraglich ist dann, ob spanisches oder deutsches Recht oder gar das Recht eines Drittstaates zur Anwendung kommt.
2269
Soweit es um vertragliche Schuldverhältnisse geht, bestimmt sich das anwendbare Recht nach der Rom I-Verordnung der EU (ROM-I-VO)4. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse ist die ROM-II-VO der EU (ROM-IIVO) anzuwenden5. Beide Verordnungen beanspruchen auch dann Geltung, wenn das nach den Verordnungen anwendbare Recht nicht das Recht ei1 2 3 4
Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S. 9; Kropholler, IPR, S. 8. Thorn in Palandt, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rz. 1. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 1 Rz. 34. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM-I), ABl. EG Nr. L 177/6 vom 4.7.2008; vgl. Brödermann, NJW 2010, 807 ff.; Lejeune, ITRB 2010, 66 ff. 5 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM-II), ABl. EG Nr. L 199/40 vom 31.7.2007; vgl. Brödermann, NJW 2010, 807 ff.; Junker, NJW 2007, 3675 ff.
570
I. Vertragsrecht
nes Mitgliedsstaates der EU ist (universelle Geltung gemäß Art. 2 ROMI-VO1 und Art. 3 ROM-II-VO2). Ein deutsches Gericht steht erst dann vor der Frage, welches materielle 2270 Recht auf einen Sachverhalt anwendbar ist, wenn es seine Zuständigkeit bejaht hat. Ob und inwieweit deutsche Gerichte in Fällen eingeschaltet werden können, die Auslandsberührung aufweisen, regelt das Internationale Zuständigkeitsrecht. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen (deutschen) Gerichts lässt sich als Vorfrage des Kollisionsrechts bezeichnen3.
I. Vertragsrecht Übersicht:
2271
Rechtswahl (Art. 3 ROM-I-VO): – ausdrückliche Rechtswahl: Wirksamkeit der Rechtswahlklausel (insbesondere AGB-Recht, Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 ROM-I-VO); – stillschweigende Rechtswahl: Indizien wie Gerichtsstand, Schiedsklausel, Vertragssprache, Erfüllungsort; – zwingendes Recht: Verbraucherschutzrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ROMI-VO und Art. 46b EGBGB) und sonstige Eingriffsnormen (Art. 9 ROMI-VO). Keine Rechtswahl (Art. 4 ROM-I-VO): – Verträge zwischen Unternehmern: maßgeblich primär die vertragscharakteristische Leistung (Art. 4 Abs. 1 und 2 ROM-I-VO); – Verbraucherverträge: maßgeblich primär der gewöhnliche Aufenthaltsort des Verbrauchers (Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO). Sonderanknüpfungen (Art. 11 und 13 ROM-I-VO): – Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit (Art. 13 ROM-I-VO); – Formwirksamkeit (Art. 11 ROM-I-VO; Ausnahme für Verbraucherverträge gemäß Art. 11 Abs. 4 ROM-I-VO). UN-Kaufrecht: – nicht anwendbar bei vertraglichem Ausschluss sowie bei Verbraucherverträgen und bei Lieferung nicht-physischer Sachen.
1 Vgl. Brödermann, NJW 2010, 807, 809; Lejeune, ITRB 2010, 66, 66. 2 Vgl. Brödermann, NJW 2010, 807, 809; Junker, NJW 2007, 3675, 3677. 3 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 25 Rz. 17.
571
K. Kollisionsrecht
1. Die ROM-I-VO 2272
Art. 3 und 4 ROM-I-VO sind an die Stelle von Art. 27 und 28 EGBGB getreten und regeln die Frage, welches Recht auf grenzüberschreitende Verträge anwendbar ist. Die Art. 27 und 28 EGBGB beruhten auf dem Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (EVÜ). Die ROM-I-VO entwickelt das nach dem EVÜ geltende Recht behutsam fort, ohne grundlegende Änderungen einzuführen1.
2273
Die ROM-I-VO gilt nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 ROM-I-VO für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, sofern die Verträge nach dem 17.12.2009 geschlossen worden sind (Art. 28 ROM-I-VO). Auf ältere Verträge bleiben die Art. 27 und 28 EGBGB anwendbar2.
2274
Das nach der ROM-I-VO auf einen Vertrag anzuwendende Recht ist nach Art. 12 Abs. 1 ROM-I-VO insbesondere maßgeblich für die Vertragsauslegung, für die Vertragserfüllung und die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung sowie für das Erlöschen von Verpflichtungen, für die Verjährung und andere Einreden. Dasselbe gilt für Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo). Art. 1 Abs. 2 lit. i ROM-I-VO enthält zwar eine Ausnahme für diese Ansprüche, die aus Sicht des Verordnungsgebers nicht zu den Ansprüchen aus vertraglichen Schuldverhältnissen zählen. Die Rückverweisung in Art. 12 Abs. 1 ROM-II-VO hebt Art. 1 Abs. 2 lit. i ROM-I-VO jedoch faktisch weitestgehend auf3. 2. Rechtswahlklauseln a) Freie Rechtswahl
2275
Vertragliche Rechtswahlklauseln sind nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ROMI-VO bindend. Erwägungsgrund 11 der ROM-I-VO bezeichnet die freie Rechtswahl der Parteien als einen der „Ecksteine“ des in der Verordnung geregelten (vertraglichen) Kollisionsrechts.
2276
Fehlt es an einer ausdrücklichen Rechtswahl, kann die Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ROM-I-VO auch konkludent erfolgen. Wird beispielsweise in einem Vertragsformular wiederholt auf deutsche Rechtsnormen verwiesen, kann dies eine stillschweigende Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts beinhalten4. 1 2 3 4
Lejeune, ITRB 2010, 66 ff. Thorn in Palandt, Vorb. ROM-I Rz. 1. Vgl. Lejeune, ITRB 2010, 66, 66 f. Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 58; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, § 10 Rz. 32; Kegel/Schurig, IPR, S. 657; Mehrings, CR 1998, 613, 616; OLG Köln vom 8.1.1993, MDR 1993, 315, 315 f.
572
I. Vertragsrecht
Erforderlich für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl ist ein 2277 entsprechender Parteiwille, der aus den Bestimmungen des Vertrages oder den sonstigen Umständen des Falles hervorgeht1. Mögliche Anhaltspunkte für einen solchen Parteiwillen können die Vertragssprache2, eine vorherige Praxis der Parteien3 oder eine Gerichtsstandsvereinbarung4 oder Schiedsgerichtsklausel5 sein. Erwägungsgrund 12 der ROM-I-VO erwähnt ausdrücklich eine ausschließliche Gerichtsstandvereinbarung als einen der Faktoren, die für eine Rechtswahl sprechen können6. Gemäß Art. 3 Abs. 2 ROM-I-VO kann die Rechtswahl auch nach Ver- 2278 tragsschluss erfolgen bzw. geändert werden7. Eine nachträgliche stillschweigende Rechtswahl kann sich daraus ergeben, dass die Parteien im Laufe einer gerichtlichen Auseinandersetzung übereinstimmend von der Geltung der Vorschriften einer bestimmten Rechtsordnung ausgehen8. Û Praxistipp: Internetanbietern ist die Aufnahme von Rechtswahlklau- 2279 seln in die Vertragsbedingungen (AGB) nachdrücklich zu empfehlen. Rechtswahlklauseln sind der einzig mögliche Schutz gegen eine ungewollte Inanspruchnahme durch den Vertragspartner auf der Basis von unbekannten Bestimmungen ausländischen Rechts. Der Schutz, den Rechtswahlklauseln gegen die ungewollte Anwendung 2280 fremder Rechtsnormen bieten, ist nicht lückenlos. Für die Auslegung und Anerkennung einer Rechtswahlklausel gilt das Internationale Privatrecht des Staates, in dem das angerufene Gericht ansässig ist9. Es lässt sich nie ausschließen, dass ein ausländisches Gericht nach seinem eigenen Kollisionsrecht zu einer Anwendung ausländischer Vorschriften gelangt, nach denen eine Rechtswahlklausel nicht oder nur eingeschränkt anerkannt wird.
1 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 46; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rz. 33; Mehrings, CR 1998, 613, 616; Thorn in Palandt, Art. 3 ROMI-VO Rz. 6; Rauscher, IPR, Rz. 1145. 2 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 45; Mehrings, CR 1998, 613, 616; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2370; BGH vom 28.1.1997, NJW-RR 1997, 686, 687. 3 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 66; Mehrings, CR 1998, 613, 616. 4 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 48; Kegel/Schurig, IPR, S. 658; Junker, RIW 1999, 809, 817; Mehrings, CR 1998, 613, 616; BGH vom 4.2.1991, NJW 1991, 1420, 1420 f. 5 Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 42; Junker, RIW 1999, 809, 817. 6 Vgl. Lejeune, ITRB 2010, 66, 67. 7 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 78 ff.; Thorn in Palandt, Art. 3 ROM-I Rz. 11; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rz. 40. 8 Kropholler, IPR, S. 460; Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 78; Mehrings, CR 1998, 613, 616. 9 Mehrings, CR 1998, 613, 616; BGH vom 26.10.1993, BGHZ 123, 380, 382.
573
K. Kollisionsrecht
b) Form und Wirksamkeit von Rechtswahlklauseln 2281
Nach Art. 3 Abs. 5 ROM-I-VO findet Art. 11 ROM-I-VO auf die Formwirksamkeit von Rechtswahlklauseln Anwendung. Es reicht aus, wenn die Formvorschriften des Rechts eingehalten werden, das auf den Vertrag (im Übrigen) anwendbar ist, oder wenn die Form gewahrt wird, die das Recht des Staates vorschreibt, in dem der Vertrag geschlossen wird (Art. 11 Abs. 1 ROM-I-VO). Halten sich die Vertragspartner bei Vertragsschluss in verschiedenen Staaten auf, genügt es nach Art. 11 Abs. 2 ROM-I-VO, dass die Formerfordernisse des Rechts eines Staates beachtet werden, in dem sich einer der Vertragspartner befindet oder in dem einer der Vertragspartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn somit ein spanischer Verkäufer mit einem niederländischen Käufer einen Vertrag schließt und mündlich die Anwendung französischen Rechts vereinbart, reicht es für die Formwirksamkeit der Rechtswahl aus, wenn das spanische, das niederländische oder das französische Recht eine formfreie Rechtswahl anerkennen1.
2282
Nach Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 ROM-I-VO beurteilen sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit von Rechtswahlklauseln im Übrigen nach dem Recht, das auf den Vertrag nach der Rechtswahlklausel anwendbar sein soll2. Nimmt ein Internetanbieter somit in seine Geschäftsbedingungen die Festlegung auf, dass deutsches Recht anwendbar ist, so gelten für die Einbeziehung und die Wirksamkeit der Klausel die §§ 305 ff. BGB3. 3. Schranken der Rechtswahl
2283
Das anwendbare Recht steht nicht grenzenlos zur Disposition der Parteien4. Insbesondere verbraucherschutzrechtliche Normen, aber auch andere Schutzvorschriften des nationalen Rechts können durch eine Rechtswahl nicht umgangen werden. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 und 4 ROM-I-VO sowie aus den Art. 6, 9 und 21 ROM-I-VO und aus Art. 46b EGBGB. a) Willkürliche Rechtswahl
2284
Ist ein Sachverhalt nur mit einem Staat verbunden, so sind dessen zwingende Vorschriften gemäß Art. 3 Abs. 3 ROM-I-VO auch dann anwend-
1 Vgl. zu Art. 11 EGBGB: Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 40; v. Mohrenfels in Staudinger, Art. 11 EGBGB Rz. 216 ff. 2 Spellenberg in MünchKomm-BGB, Art. 10 ROM-II-VO Rz. 6; Thorn in Palandt, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 9; Rauscher, IPR, Rz. 1151. 3 Thorn in Palandt, Art. 10 ROM-I Rz. 3; vgl. zu Art. 31 EGBGB: Terlau in Moritz/ Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 39. 4 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 87 ff.; Thorn in Palandt, Art. 3 ROM-I Rz. 4 f.; Mehrings, CR 1998, 613, 615.
574
I. Vertragsrecht
bar, wenn eine anderweitige Rechtswahl getroffen wurde1. Ein entsprechender Vorbehalt gilt nach Art. 3 Abs. 4 ROM-I-VO für zwingendes EURecht, wenn trotz der Verbundenheit des Sachverhalts mit einem oder mehreren EU-Mitgliedsstaaten das Recht eines Staates gewählt wird, der nicht EU-Mitglied ist2. Schließt ein französischer Käufer mit einem französischen Verkäufer per 2285 Internet einen Vertrag über die Lieferung von Musik-CDs, sind zwingende Bestimmungen des französischen Rechts auch dann anwendbar, wenn die Anwendbarkeit des Rechts eines anderen Staates (z.B. spanisches Recht) vereinbart wird. Wegen des Schutzcharakters des Art. 3 Abs. 3 ROM-I-VO und zur Ver- 2286 meidung willkürlicher Zufallsergebnisse gilt Art. 3 Abs. 3 ROM-I-VO auch dann, wenn die Kommunikation der inländischen Vertragspartner über Server erfolgt, die sich in einem Drittstaat (z.B. Spanien) befinden, und die Verbindung zu dem Drittstaat auf die bloße Durchleitung elektronischer Daten beschränkt ist3. Dass der französische Käufer einen spanischen Internet-Provider benutzt, reicht demnach nicht aus, um die Anwendbarkeit zwingenden französischen Rechts durch Rechtswahl ausschließen zu können. Entsprechendes gilt für Art. 3 Abs. 4 ROM-I-VO, wenn sich die Berührung zu einem Staat, der nicht EU-Mitgliedsstaat ist, darauf beschränkt, dass Server genutzt werden, die sich in diesem Staat befinden. b) Umgehung von inländischem Verbraucherschutzrecht Unabhängig von der getroffenen Rechtswahl kann sich der Verbraucher 2287 gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ROM-I-VO auf die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates berufen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn sein Vertragspartner ein Unternehmer ist, der entweder seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausübt (Art. 6 Abs. 1 lit. a ROM-I-VO) oder eine solche Tätigkeit jedenfalls (auch) auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausrichtet (Art. 6 Abs. 1 lit. b ROM-I-VO). Ein „Ausrichten“ einer Website auf inländische Verbraucher gemäß 2288 Art. 6 Abs. 1 lit. b ROM-I-VO liegt vor, wenn für den inländischen Verbraucher erkennbar ist, dass sich die Website auch an inländische Kunden richtet. Kriterien sind etwa Sprache, Ansprechpartner oder die Ausrichtung der Vertragsbedingungen auf das Inland4. Die „Zugänglichkeit einer Website“ allein ist jedenfalls nicht ausreichend für eine „Ausrich1 2 3 4
Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 ROM-I-VO Rz. 94. Vgl. Lejeune, ITRB 2010, 66, 67. Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 884 f. Vgl. Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 712; Rüßmann, K&R 1998, 129, 134, a.A. Thorn in Palandt, Art. 6 ROM-I Rz. 6.
575
K. Kollisionsrecht
tung“ auf inländische Verbraucher (Erwägungsgrund 24 der ROM-I-VO). Ebenso wenig lässt sich schon aus der Aufnahme einer Rechtswahlklausel in die eigenen AGB auf ein „Ausrichten“ der Website auf Kunden schließen, die sich nicht im Heimatland des Anbieters aufhalten1. 2289
Das nach Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO maßgebliche zwingende Recht ist das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Deutsches Verbraucherschutzrecht kann somit nach Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO auch dann anwendbar sein, wenn ein deutscher Verbraucher während seines Urlaubes in Spanien die Internet-Bestellung tätigt.
2290
Art. 6 ROM-I-VO macht von dem Grundsatz der freien Rechtswahl nach Art. 3 ROM-I-VO keine Ausnahme2. Allerdings erfährt die freie Rechtswahl durch die Sonderanknüpfung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ROM-I-VO die Ergänzung, dass in den Fällen des Art. 6 Abs. 1 lit. a oder b ROM-I-VO die Rechtswahl nicht dazu führen darf, dass dem Verbraucher der Schutz seiner zwingenden Heimatvorschriften entzogen wird3.
2291
Zu den zwingenden Vorschriften des Heimatrechts, die gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ROM-I-VO trotz anderweitiger Rechtswahl auf Verbraucherverträge anwendbar sind, gehört insbesondere das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB)4. c) Umgehung von EU-Verbraucherschutzrecht
2292
Bei der Verwendung von Rechtswahlklauseln gegenüber Verbrauchern aus Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) setzt Art. 46b EGBGB der Wirksamkeit der Rechtswahl Schranken. Dies gilt für Klauseln, die die Anwendbarkeit eines Rechts außerhalb des EWR vorsehen, obwohl der Vertrag einen engen Zusammenhang zu dem Gebiet eines Staates aus dem EWR aufweist5. In einem solchen Fall bleiben die nationalen Bestimmungen anwendbar, die der Umsetzung europäischer Verbraucherschutzrichtlinien dienen. Der deutsche Verbraucher wird auf diese Weise gegen eine Umgehung des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB), des Fernabsatzrechts (§§ 312b ff. BGB), des Rechts des Time-Sharing (§§ 481 ff. BGB), des Rechts über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) sowie des Verbraucherkreditrechts (§§ 491 ff. BGB) geschützt6.
1 2 3 4 5 6
Vgl. LG Hamburg vom 6.1.2011 – 327 O 779/10, Rz. 68. Thorn in Palandt, Art. 6 ROM-I Rz. 1. LG Hamburg vom 6.1.2011 – 327 O 779/10, Rz. 66. LG Hamburg vom 7.8.2009, K&R 2009, 735, 738 mit Anm. Wieduwilt. Vgl. Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 343. Vgl. Thorn in Palandt, Art. 46b EGBGB Rz. 6 f.
576
I. Vertragsrecht
Die Richtlinien, die dem Umgehungsverbot des Art. 46b EGBGB unter- 2293 liegen, sind in Art. 46b Abs. 4 Nr. 1 bis 6 EGBGB abschließend1 aufgezählt, so dass beispielsweise die Bestimmungen des Haustürwiderrufsrechts (§§ 312 f. BGB) von dem Umgehungsverbot nicht erfasst sind. Ein enger Zusammenhang mit dem Gebiet eines EWR-Staates ist gemäß 2294 Art. 46b Abs. 2 EGBGB insbesondere anzunehmen, wenn der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EWR-Staat hat und einen Vertrag mit einem Unternehmer schließt, der seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit (auch) auf diesen Staat „ausgerichtet“ hat. Ob eine solche „Ausrichtung“ vorliegt, entscheidet sich nach den Kriterien, die auch für Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO gelten2. Liegen die Voraussetzungen eines Verbrauchervertrages gemäß Art. 46b 2295 Abs. 2 EGBGB vor und ist eine Rechtswahl getroffen worden, so wird die Rechtswahl nur durch die Schutzvorschriften durchbrochen, die in Art. 46b Nr. 1 bis 6 EGBGB aufgeführt sind. Ebenso wie bei Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ROM-I-VO geht die Rechtswahl nicht vollständig ins Leere. d) Zwingende Eingriffsnormen Art. 9 Abs. 2 ROM-I-VO erlaubt die Anwendung zwingender Eingriffsnor- 2296 men des inländischen Rechts trotz abweichender Rechtswahl3. Ergänzend lässt Art. 9 Abs. 3 ROM-I-VO eine Anwendung von Eingriffsnormen des Staates zu, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen. Art. 9 Abs. 2 und 3 ROM-I-VO sind abschließend zu verstehen. Sie ver- 2297 pflichten ein deutsches Gericht zur Anwendung deutscher Eingriffsnormen und zur Beachtung von Eingriffsnormen des Erfüllungsstaates, lassen jedoch keine Anwendung von Eingriffsnormen zu, die weder dem deutschen Recht noch dem Recht des Erfüllungsstaates zuzurechnen sind. Haben zwei französische Vertragspartner für einen in Deutschland zu erfüllenden Vertrag die Anwendung englischen Rechts vereinbart, kommt eine Anwendung französischer Eingriffsnormen nicht in Betracht. Eine Eingriffsnorm ist nach Art. 9 Abs. 1 ROM-I-VO eine Vorschrift, de- 2298 ren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe der ROM-I-VO für den Vertrag geltenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist. Als Generalklausel bedarf Art. 9 Abs. 1 ROM-I-VO einer fallweisen Kon- 2299 kretisierung, bei der es einerseits auf die Stärke des Inlandbezuges des zu 1 Thorn in Palandt, Art. 46b EGBGB Rz. 2. 2 Siehe Rz. 2288. 3 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 9 ROM-I-VO Rz. 1.
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K. Kollisionsrecht
entscheidenden Falles und andererseits auf den Gerechtigkeitsgehalt der betreffenden Eingriffsnorm ankommt1. Typische Anwendungsfälle sind das Außenwirtschafts- und Devisenrecht oder auch das Kartell- oder Wohnraummietrecht. Bei Internet-Versandapotheken kann sich die Frage stellen, ob die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) als Eingriffsnormen gemäß Art. 9 Abs. 1 ROM-I-VO anzusehen sind2. 2300
Als Eingriffsnormen gemäß Art. 9 Abs. 1 ROM-I-VO kommen auch Vorschriften des Datenschutzrechts in Betracht. Allerdings lässt sich aus Art. 9 ROM-I-VO nicht ableiten, dass für das Datenschutzrecht keine Rechtswahlwahlfreiheit gilt. Haben die Vertragspartner für einen in Deutschland zu erfüllenden Vertrag (vgl. Art. 9 Abs. 3 ROM-I-VO) die Anwendung deutschen Datenschutzrechts vereinbart, stellt sich die Frage einer Anwendbarkeit von Eingriffsnormen des angerufenen Gerichts (Art. 9 Abs. 2 ROM-I-VO) gar nicht erst, da es an einer abweichenden Rechtswahl fehlt. Die Wahl deutschen Datenschutzrechts ist wirksam3. 4. Vertragsstatut bei fehlender Rechtswahl a) Vertragscharakteristische Leistung
2301
Haben die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, welches Recht auf ihre Vertragsbeziehung Anwendung finden soll, so bestimmt sich das Vertragsstatut nach Art. 4 ROM-I-VO. Gemäß Art. 4 Abs. 2 ROM-I-VO unterliegt der Vertrag in einem solchen Fall dem Recht des Staates, in dem die Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat.
2302
Art. 4 Abs. 1 ROM-I-VO ist neu und stellt für eine Reihe von Vertragstypen klar, welcher der Vertragspartner die für das anwendbare Recht maßgebliche, vertragscharakteristische Leistung erbringt. Beim Kaufvertrag über bewegliche Sachen ist dies der Verkäufer (Art. 4 Abs. 1 lit. a ROM-I-VO) und bei Dienstleistungen der Dienstleister (Art. 4 Abs. 1 lit. b ROM-I-VO).
2303
Art. 4 Abs. 1 ROM-I-VO führt dazu, dass Verträge, die deutsche Käufer mit ausländischen Anbietern abschließen, regelmäßig nach ausländischem Recht zu beurteilen sind, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde und wenn der Käufer kein Verbraucher ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 ROM-
1 Vgl. Hohloch in Erman, Art. 34 EGBGB Rz. 13; Thorn in Palandt, Art. 9 ROM-I Rz. 6. 2 Vgl. OLG Stuttgart vom 17.2.2011 – 2 U 65/10, Rz. 143; LG München I vom 18.6.2008, MMR 2008, 782 (Ls.). 3 Vgl. LG Berlin vom 6.3.2012 – 16 O 551/10; Rz. 37; LG Berlin vom 30.4.2013 – 15 O 92/12, Rz. 24, ITRB 2013, 150 (Kümmel); a.A. VG Schleswig vom 14.2.2013 – 8 B 61/12, Rz. 12; Piltz, K&R 2012, 640, 643 ff.
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I. Vertragsrecht
I-VO). Dasselbe gilt bei Dienstleistungen. Bucht ein deutscher Kunde bei einem polnischen Internetanbieter eine Flugreise, so ist die Leistung des polnischen Anbieters für den Vertrag kennzeichnend. Wenn keine Rechtswahl erfolgt und der deutsche Kunde nicht Verbraucher ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO), findet polnisches Recht Anwendung. Für das nach Art. 4 Abs. 1 und 2 ROM-I-VO anwendbare Recht gilt nur 2304 eine (widerlegbare) Vermutung der Anwendbarkeit. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Art. 4 Abs. 1 oder 2 ROMI-VO bestimmten Staat aufweist, so ist nach Art. 4 Abs. 3 ROM-I-VO das Recht des Staates anzuwenden, zu dem die engere Verbindung besteht. Nach Art. 4 Abs. 4 ROM-I-VO gilt dasselbe, wenn sich aus Art. 4 Abs. 1 und 2 ROM-I-VO nicht ableiten lässt, welches Recht Anwendung findet. Eine von Art. 4 Abs. 1 lit. a ROM-I-VO abweichende Beurteilung kann 2305 geboten sein, wenn der ausländische Anbieter sein Warenangebot gezielt auf den deutschen Markt ausrichtet und für dieses Angebot beispielsweise ausschließlich in deutscher Sprache wirbt. In einem solchen Fall liegt der Schluss nahe, dass der Vertrag engere Verbindungen zu Deutschland aufweist als zu dem Herkunftsstaat des ausländischen Vertragspartners. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 1 lit. a ROM-I-VO ist entkräftet und deutsches Recht nach Art. 4 Abs. 3 ROM-I-VO anwendbar. b) Verbraucherverträge Bei Verträgen ohne Rechtswahlklausel gelten erhebliche Besonderheiten, 2306 wenn es sich um Verbraucherverträge i.S.d. Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO handelt. Ein Verbrauchervertrag liegt vor, wenn sich eine ausländische Website auf inländische Verbraucher „ausrichtet“1. Nach Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO gilt für Verbraucherverträge bei fehlender 2307 Rechtswahl das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat2. Somit sind nicht nur die Vorschriften des inländischen Verbraucherschutzrechts (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ROMI-VO und Art. 46b Abs. 4 Nr. 1 bis 6 EGBGB) anwendbar. Vielmehr gilt insgesamt deutsches Recht, wenn ein deutscher Verbraucher im Ausland Waren oder Dienstleistungen bestellt. Û Praxistipp: Nur eine Rechtswahlklausel kann den Internetanbieter vor 2308 einer uferlosen Anwendung des Heimatrechts seiner ausländischen Kunden schützen.
1 Siehe Rz. 2288. 2 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 6 ROM-I-VO Rz. 40.
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K. Kollisionsrecht
5. Sonderanknüpfungen 2309
Lässt sich das allgemeine Vertragsstatut durch eine Anwendung der Art. 3, 4 und 6 ROM-I-VO bestimmen, so sind daneben noch die Sonderanknüpfungen zu beachten, die für einzelne vertragsrechtliche Aspekte in den Art. 11 und 13 ROM-I-VO enthalten sind.
2310
Die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Vertragspartner beurteilt sich gemäß Art. 13 ROM-I-VO grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem sich beide Vertragspartner befinden. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass es bei der Beurteilung der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person ausschließlich auf deren Heimatrecht ankommt, wenn die Vertragspartner sich bei Vertragsschluss in unterschiedlichen Staaten befinden1. Das deutsche Minderjährigenrecht ist demnach bei Verträgen, die ein 14-jähriger deutscher Internetnutzer mit einem ausländischen Vertragspartner schließt, auch dann zu beachten, wenn im Übrigen ausländisches Recht auf die Vertragsbeziehung Anwendung findet (Art. 3, 4 und 6 ROM-I-VO). Dies entspricht der Rechtslage nach Art. 7 EGBGB2.
2311
Bei der Beurteilung der Formwirksamkeit von Verträgen ist Art. 11 Abs. 2 ROM-I-VO zu berücksichtigen. Danach ist ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die sich in verschiedenen Staaten befinden, nicht nur dann formgültig, wenn er die Formerfordernisse des nach den Art. 3, 4 und 6 ROM-I-VO anwendbaren Rechts erfüllt. Die Formwirksamkeit des Vertrages ist vielmehr auch zu bejahen, wenn die Formvorschriften des Aufenthaltstaates eines Vertragspartners eingehalten werden. Dies entspricht der Rechtslage nach Art. 11 Abs. 2 EGBGB3.
2312
Auf Verbraucherverträge findet Art. 11 ROM-I-VO keine Anwendung (Art. 11 Abs. 4 ROM-I-VO). Die Form eines Verbrauchervertrages bestimmt sich ausschließlich nach dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat4. 6. Das UN-Kaufrecht
2313
Die seit 1991 in Deutschland geltende Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG; UN-Kaufrecht) ist grundsätzlich anwendbar, wenn die Parteien eines Kaufvertrages über bewegliche Sachen ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben oder wenn die Anwendung der Regeln des Internationalen Privatrechts zur An-
1 Thorn in Palandt, Art. 13 ROM-I, Rz. 1. 2 Vgl. Kropholler, IPR, S. 317 f. 3 Vgl. Spellenberg in MünchKomm-BGB, Art. 11 EGBGB Rz. 8; v. Mohrenfels in Staudinger, Art. 11 EGBGB Rz. 216 ff. 4 Vgl. BGH vom 12.4.2011 – XI ZR 341/08, Rz. 26.
580
II. Außervertragliches Haftungsrecht
wendung des Rechts eines Vertragsstaates führt (Art. 1 Abs. 1 lit. a und b CISG)1. In vielen Fällen scheitert die Anwendung des UN-Kaufrechts an den Aus- 2314 nahmeklauseln der CISG2. So ist die Anwendung des UN-Kaufrechts beispielsweise ausgeschlossen, wenn der Warenkauf für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt erfolgt und der Verkäufer dies weiß oder wissen muss (Art. 2 lit. a CISG)3. Gegenüber Verbrauchern gilt das UN-Kaufrecht daher regelmäßig nicht. Die Anwendung des UN-Kaufrechts kann zudem gemäß Art. 6 CISG von den Parteien ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen werden, wobei bereits eine klar gefasste Klausel über die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts als Ausschluss der Anwendung des UN-Kaufrechts zu werten sein kann4. Das UN-Kaufrecht gilt zudem nur für Verträge, die die physische Lieferung einer Sache beinhalten5. Auf den Online-Kauf von Software bei deren gleichzeitiger elektronischer Übermittlung ist daher das UN-Kaufrecht nicht anwendbar6. Û Praxistipp: Internetanbietern, die die Anwendbarkeit des UN-Kauf- 2315 rechts zweifelsfrei ausschließen möchten, ist eine entsprechende AGBKlausel zu empfehlen. Üblich sind Klauseln, die die Anwendbarkeit deutschen Rechts „unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“ vorsehen.
II. Außervertragliches Haftungsrecht Seit dem 11.1.2009 gilt für das Kollisionsrecht bei außervertraglichen 2316 Schuldverhältnissen die Rom II-Verordnung der EU (ROM-II-VO)7. Die Verordnung ist auch dann anwendbar, wenn das nach der Verordnung anwendbare Recht nicht das Recht eines Mitgliedsstaates der EU ist (universelle Geltung gemäß Art. 3 ROM-II-VO).
1 Vgl. Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 1 Rz. 10; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 1 Rz. 4; Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Rz. 9 f. 2 Vgl. Mehrings, CR 1998, 613, 615. 3 Vgl. Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 2 Rz. 7; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 2 Rz. 12 ff.; Koch, Internet-Recht, S. 824. 4 Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 6 Rz. 18; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 6 Rz. 6; Mehrings, CR 1998, 613, 615. 5 Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 1 Rz. 13 f.; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 2 Rz. 1; Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Rz. 31. 6 Vgl. Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rz. 59; OLG Köln vom 26.8.1994, RIW 1994, 970. 7 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM-II), ABl. EG Nr. L 199/40 vom 31.7.2007; vgl. Brödermann, NJW 2010, 807 ff.; Junker, NJW 2007, 3675 ff.; Wagner, IPRax 2008, 1 ff.
581
K. Kollisionsrecht
2317
Auf Altfälle aus der Zeit vor dem 11.1.2009 ist die ROM-II-VO gemäß Art. 31, 32 nicht anwendbar. Art. 40 EGBGB bleibt als Kernnorm maßgeblich1. 1. Erfolgsortprinzip
2318
Die wichtigste Vorschrift der ROM-II-VO ist die „allgemeine Kollisionsnorm“ des Art. 4 ROM-II-VO. Art. 4 Abs. 1 ROM-II-VO bestimmt die „lex loci damni“ zur Grundregel (vgl. Erwägungsgrund 18 der ROM-IIVO). Das anzuwendende Recht ist das Recht des Staates, in dem der Schaden eintritt, und zwar unabhängig von dem Staat oder den Staaten, in dem bzw. denen die indirekten Folgen auftreten (vgl. Erwägungsgrund 17 der ROM-II-VO). Maßgeblich ist allein der Erfolgsort2.
2319
Die ROM-II-VO ist anwendbar, wenn das schadensbegründende Ereignis nach dem 11.1.2009 eingetreten ist. Für Altfälle gilt daher weiterhin das Tatortprinzip3, das seit 1999 in Art. 40 EGBGB kodifiziert ist.
2320
Der Erfolg eines Delikts tritt vielfach nicht in dem Staat ein, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. Wird beispielsweise eine virenverseuchte E-Mail von Berlin nach Paris versandt, so liegen der Handlungsort in Deutschland und der Erfolgsort in Frankreich. Nach Art. 4 Abs. 1 ROM-II-VO ist allein französisches Recht maßgebend.
2321
Wenn es um Rechtsverletzungen geht, die auf Websites begangen werden, kommt es für die Beurteilung eines inländischen Erfolgsortes auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit der Website im Inland an. Wenn daher ein lettisches Luftfahrtunternehmen eine – nach Auffassung des Klägers rechtswidrige – „Reiseinformation“ auf ihren deutschsprachigen Internetseiten verwendet, ist ein deutscher Erfolgsort zu bejahen. Verwendet wird die „Reiseinformation“ dort, wo sie (potenziellen) Fluggästen zur Kenntnis gegeben wird; dies geschieht bei einer Verwendung im Internet überall dort, wo sich Verbraucher bestimmungsgemäß mit Hilfe des Internetauftritts über die Bedingungen unterrichten, die der Website-Betreiber den von ihm angebotenen Beförderungsverträgen zugrunde legen möchte4.
2322
Ohne Belang für die Bestimmung des Erfolgsortes ist der Standort des Servers, auf dem eine Website, eine E-Mail oder andere Inhalte abgespeichert sind. Der Standort des Servers lässt sich willkürlich wählen und ist als Bezugspunkt für eine rechtliche Bewertung ungeeignet5. Wird für den 1 BGH vom 11.2.2010 – I ZR 85/08 – Ausschreibung in Bulgarien, Rz. 10. 2 Junker in MünchKomm-BGB, Art. 4 ROM-II-VO Rz. 18; Rauscher, IPR, Rz. 1339 ff. 3 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rz. 21; Kegel/Schurig, IPR, S. 720 ff.; Kropholler, IPR, S. 522; Ehmann/Thorn, AfP 1996, 20, 22. 4 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3372. 5 Rauscher, IPR, Rz. 1334; vgl. LG Köln vom 26.8.2009, MMR 2010, 512 (Ls.).
582
II. Außervertragliches Haftungsrecht
Versand einer virenverseuchten E-Mail ein Server in Panama verwendet, reicht dies für eine Anwendung panamaischen Rechts nicht aus. Eine Ausnahme von der „lex loci damni“ gilt nach Art. 4 Abs. 2 ROM-II- 2323 VO, wenn der Geschädigte und der Schädiger ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. In einem solchen Fall ist ausschließlich das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsstaates anwendbar. Dies entspricht Art. 40 Abs. 2 EGBGB1. Art. 4 Abs. 3 ROM-II-VO entspricht Art. 41 EGBGB2 und ordnet eine wei- 2324 tere Ausnahme für Fälle an, in denen zu dem Recht eines anderen Staates eine offensichtlich engere Verbindung besteht. Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat kann sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis der Parteien ergeben, das mit der unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. 2. Persönlichkeitsrecht Auf Ansprüche wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten findet 2325 Art. 40 EGBGB Anwendung, da die ROM-II-VO nach Art. 1 Abs. 2 lit. g nicht für außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten gilt3. Gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB beurteilen sich die Haftungsvoraussetzungen ebenso wie die Haftungsfolgen grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem die Verletzungshandlung begangen wurde (Handlungsort). Alternativ kann der Verletzte gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB verlangen, dass das Recht des Staates angewendet wird, in dem der Verletzungserfolg eingetreten ist (Erfolgsort)4. Der Geschädigte hat somit die Wahl, ob er gegen den Schädiger nach dem Recht des Handlungsortes oder nach dem Recht des Erfolgsortes vorgehen möchte5. 3. Datenschutzrecht Auch soweit zivilrechtliche Ansprüche auf das Datenschutzrecht ge- 2326 stützt werden, ist Art. 40 EGBGB anwendbar, da die Ausnahme von der ROM-II-VO nach Art. 1 Abs. 2 lit. g nicht nur für Verletzungen des Persönlichkeitsrechts, sondern auch für Ansprüche wegen der „Verletzung der Privatsphäre“ gilt6. 1 Vgl. Kropholler, IPR, S. 527. 2 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S. 738; Kropholler, IPR, S. 529. 3 Vgl. LG Berlin vom 24.5.2012 – 27 O 864/11, Rz. 42; LG Schweinfurt vom 23.10.2012 – 22 O 934/10, Rz. 54; Lehr, NJW 2012, 705, 708. 4 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S. 725; Kropholler, IPR, S. 524; Ehmann/Thorn, AfP 1996, 20, 22. 5 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rz. 23; Kegel/Schurig, IPR, S. 725; Kropholler, IPR, S. 524. 6 Vgl. OLG Köln vom 25.3.2011 – 6 U 87/10, Rz. 19.
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K. Kollisionsrecht
4. Wettbewerbsrecht a) Marktortprinzip 2327
Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist nach Art. 6 Abs. 1 ROM-II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Für Wettbewerbsverstöße gilt somit das Marktortprinzip1. Dies ist keine Ausnahme von der Regel der „lex loci damni“ nach Art. 4 Abs. 1 ROM-II-VO, sondern eine Präzisierung der Regel (vgl. Erwägungsgrund 21 der ROM-II-VO)2.
2328
Um einer Uferlosigkeit des internationalen Wettbewerbsrechts entgegenzuwirken, bedarf das Marktortprinzip einer zurückhaltenden Anwendung3. Der richtige Ansatzpunkt ist dabei die Zielrichtung, die der jeweilige Wettbewerber mit seinem Internetangebot verfolgt4. Zielt das Angebot ersichtlich (auch) auf einen bestimmten Staat ab, so ist eine Anwendung der Regelungen des Wettbewerbsrechts dieses Staates angemessen und zumutbar5. Der kleine Softwareanbieter in Colorado/USA muss sich daher an deutsches Wettbewerbsrecht halten, wenn er durch eine entsprechende Gestaltung seiner Internetseiten gezielt an deutsches Publikum herantritt. Geht dagegen aus der Gestaltung des Internetangebots hervor, dass der Anbieter sich primär an Kunden in seiner räumlichen Nähe wendet, so tritt er auf dem deutschen Markt nicht bewusst in Erscheinung. Die Abrufbarkeit der Internetseiten in Deutschland stellt sich in einem solchen Fall lediglich als unvermeidbare Nebenfolge des Angebotes dar und vermag keinen hinreichenden Inlandsbezug begründen6. b) Ausnahmen
2329
Eine Ausnahme vom Marktortprinzip gilt nach Art. 6 Abs. 2 ROM-II-VO, wenn ein Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtigt. Statt Art. 6 Abs. 1 ROM-II-VO ist Art. 4 ROM-II-VO anwendbar. Das Recht des Sitzstaates des Mitbewerbers ist als Recht des Erfolgsortes (Art. 4 Abs. 1 ROM-II-VO) maß1 GmS-OGB vom 22.8.2012, GmS-OGB 1/10, Rz. 15. 2 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3372; vgl. Sack, WRP 2008, 845, 847. 3 Naskret, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, S. 191; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 294; Glöckner, ZVglRWiss 2000, 278, 288; LG Köln vom 20.4.2001, MMR 2002, 60. 4 Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 453; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 f. – Hotel Maritime; BGH vom 5.10.2006, CR 2007, 34, 35 – Pietra di Soln; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739, 740. 5 Vgl. LG Karlsruhe vom 16.12.2011 – 14 O 27/11, Rz. 52; Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 295; Kotthoff, CR 1997, 676, 680. 6 Vgl. BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime.
584
II. Außervertragliches Haftungsrecht
geblich, da es bei unternehmensbezogenen Eingriffen an einer unmittelbare marktvermittelten Einwirkung auf geschäftliche Entscheidungen fehlt1. Wird der Markt in mehr als einem Staat beeinträchtigt oder wahrschein- 2330 lich beeinträchtigt, so kann ein Geschädigter seinen Anspruch umfassend auf das Recht des angerufenen Gerichts stützen, sofern es sich bei diesem Gericht um ein Gericht aus dem Sitzstaat des Beklagten handelt und der Markt in diesem Staat zu den Märkten gehört, die unmittelbar und wesentlich durch das den Wettbewerb einschränkende Verhalten beeinträchtigt sind (Art. 6 Abs. 3 lit. b ROM-II-VO). Dies erspart dem Geschädigten, gerichtliche Verfahren in allen Staaten zu führen, in denen sich ein Wettbewerbsverstoß nach dem Marktortprinzip auswirkt. c) Unterlassungsklagen Offen gelassen hat der BGH, ob Art. 6 Abs. 1 ROM-II-VO auf den Fall ei- 2331 ner Unterlassungsklage eines Verbraucherverbands wegen der Verwendung missbräuchlicher Allgemeiner Geschäftsbedingungen Anwendung findet. Bei einer AGB-rechtlichen Unterlassungsklage sei anzuknüpfen an das Recht des Staats, in dem der Schaden eintritt (Art. 4 Abs. 1 ROMII-VO) oder wahrscheinlich eintritt (vgl. Art. 2 Abs. 3 lit. b ROM-II-VO). Dies sei der Ort, an dem die von der Rechtsordnung missbilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet worden sind oder wahrscheinlich verwendet werden, an dem also die von der Rechtsordnung geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder zu beeinträchtigt werden drohen2. Dies ist jedenfalls im Ergebnis von einer Anwendung des Art. 6 Abs. 1 ROM-II-VO nicht zu unterscheiden. 5. Urheberrecht
Übersicht:
2332
Internationales Urheberrecht – Territorialitäts-/Schutzlandprinzip: anwendbares Recht bestimmt sich nach dem Recht des Ortes der Verwertungshandlung (Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO); – Handlungsort im Internet: Handlungsort ist neben dem Einspeisungsstaat auch jeder (weitere) Staat, in dem die betreffende Website bestimmungsgemäß abrufbar ist („Bogsch-Theorie“);
1 Vgl. BGH vom 11.2.2011 – I ZR 85/08 – Ausschreibung in Bulgarien, Rz. 19. 2 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3372.
585
K. Kollisionsrecht
– §§ 120 ff. UrhG: kein Kollisionsrecht, sondern deutsches Sachrecht, das die Anwendbarkeit deutschen Rechts voraussetzt; Bestimmung der Reichweite des deutschen Urheberrechts.
a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip 2333
Nach dem urheberrechtlichen Territorialitätsprinzip ist der Urheber nicht Inhaber eines einheitlichen, weltweit anerkannten Urheberrechts. Stattdessen besitzt er ein Bündel von nationalen Urheberrechten, die sich nach Inhalt, Umfang und Schutzdauer unterscheiden1.
2334
Das Territorialitätsprinzip ist der Ausgangspunkt für das Kollisionsrecht im Bereich des Urheberrechts. Es verweist auf das Recht des Staates, für dessen Gebiet der Schutz des Urheberrechts in Anspruch genommen wird – das Recht des Schutzlandes2. Das Schutzlandprinzip („lex loci protectionis“, vgl. Erwägungsgrund 26 der ROM-II-VO) ist jetzt in Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO kodifiziert und gilt sowohl bei deliktischen Ansprüchen als auch bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. Art. 13 ROM-II-VO).
2335
Das Territorialitäts- und Schutzlandprinzip bedeutet nicht nur eine territoriale Beschränkung der Anwendbarkeit ausländischen Urheberrechts. Auch das deutsche Sachrecht ist nur auf Handlungen anwendbar, die in Deutschland begangen werden3. Werden im Ausland Handlungen vorgenommen, die den deutschen Urheber in seinen Interessen beeinträchtigen, kann der deutsche Urheber nur nach ausländischem Recht, nicht jedoch nach deutschem Sachrecht gegen diese Handlungen vorgehen.
2336
Typisch für das Internet sind „Multistate-Verwertungshandlungen“4, die es mit sich bringen, dass potenziell das Urheberrecht vieler verschiedener Staaten zu beachten ist. Dies führt zu der Frage, ob sich Staaten ausgrenzen lassen, die nicht als Schutzländer anzusehen sind, weil dort keine gezielte Verwertungshandlung stattfindet, sondern nur eine zwangsläufige Verbindung feststellbar ist, die auf der weltweiten Abrufbarkeit von Internetseiten beruht5. 1 Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 121; Thum, GRUR Int. 2001, 9, 20. 2 Hohloch in Erman, Art. 40 EGBGB Rz. 54; Drexl in MünchKomm-BGB, 4. Aufl., IntImmGR, Rz. 9; Schack, Zur Anknüpfung des Urheberrechts im internationalen Privatrecht, S. 19 f.; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 298; BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380 – Spielbankaffaire; BGH vom 7.11.2002, GRUR Int. 2003, 470, 471 – Sender Felsenberg; OLG München vom 10.1.2002, MMR 2002, 312. 3 Junker, Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 233; Sack, WRP 2000, 269, 271; BGH vom 10.6.1994, BGHZ 126, 252, 256. 4 Vgl. Kur, WRP 2011, 971, 976 ff.; Sack, WRP 2008, 1405, 1419. 5 Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1417 f.
586
II. Außervertragliches Haftungsrecht
Nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO ist stets das Recht des 2337 Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Der Wortlaut der Norm legt es nahe, dass es bei Verwertungshandlungen im Internet keinen Unterschied geben soll zwischen Staaten, in denen eine „gezielte“ Verwertung erfolgt, und anderen Staaten, in denen die Verwertung zwangsläufigen, „zufälligen“ Charakter hat1. Dies würde bedeuten, dass Einschränkungen der Normanwendung eine Frage der Auslegung des jeweiligen Sachrechts wären2. Blieben Einschränkungen stets dem Sachrecht überlassen, würde dies zu 2338 einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Die Unterschiede im Urheberrecht verschiedener Staaten können beträchtlich sein. Dies spricht dafür, bereits kollisionsrechtlich zu differenzieren zwischen Staaten, in denen sich ersichtlich Schutzfragen stellen, und anderen Staaten, in denen es keinen Schutzbedarf gibt, weil die Berührung mit diesen Staaten „zufällig“ erscheint. Eine „zufällige“ Berührung mit einem Staat reicht für eine Anwendung des Sachrechts dieses Staates nicht aus. b) Handlungsort Der Anknüpfungspunkt für das Schutzlandprinzip ist seit jeher der Hand- 2339 lungsort3 und nicht der Erfolgsort4. Maßgeblich ist, ob nach dem Recht des Ortes der Verwertungshandlung die Verletzung eines Urheberrechts feststellbar ist. Bei der Verletzung von Urheberrechten im Internet lässt sich der Ort des 2340 Hochladens rechtsverletzender Inhalte von den unzähligen Orten unterscheiden, an denen die Inhalte über das Internet abrufbar sind5. Dabei ist als Ort des Hochladens der Ort zu verstehen, an dem der Betreiber einer Website ansässig ist6. Irrelevant ist der Standort des Servers, auf dem die Website abgespeichert ist, da dieser Standort willkürlich gewählt werden kann und keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Bewertung bietet7. Dass am Ort des Hochladens eine Verwertungshandlung stattfindet, 2341 steht außer Zweifel. Der Urheber kann sich somit in jedem Fall auf das Recht des Uploadstaates berufen, wenn er Ansprüche aus der Verletzung
1 2 3 4
Sack, WRP 2008, 1405, 1417. Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1417 f. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff., Rz. 130. Vgl. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 30; Strömer, Online-Recht, S. 207; Sack, WRP 2000, 269, 271; BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380, 386. 5 Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1417. 6 Sack, WRP 2008, 1405, 1417. 7 Rauscher, IPR, Rz. 1334.
587
K. Kollisionsrecht
seiner Urheberrechte geltend macht1. Werden auf einer französischen Website Inhalte eines deutschen Urhebers ohne dessen Zustimmung veröffentlicht, kann sich der Urheber auf die Rechte berufen, die ihm nach französischem Urheberrecht zustehen. 2342
Für das urheberrechtliche Senderecht (§ 20 UrhG) gelten nach der „Bogsch-Theorie“ neben dem Ausstrahlungsland auch alle weiteren Länder als Handlungsorte, in denen die Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen bestimmungsgemäß empfangen werden können2. Nur auf diese Weise lässt sich verhindern, dass ein Ausstrahlungsland mit schwachem Urheberschutz gezielt gewählt wird, um dem Urheber durch eine grenzüberschreitende Ausstrahlung Schaden zuzufügen3.
2343
Die enge Anlehnung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) an das Senderecht (§ 20 UrhG) spricht dafür, die „BogschTheorie“ auch auf die Verbreitung über das Internet anzuwenden4. Nur so lässt sich verhindern, dass beispielsweise aus China gezielt Inhalte in das Internet eingespeist werden, die nach chinesischem Urheberrecht nicht zu beanstanden sind und zugleich die Rechte nicht-chinesischer Urheber massiv beeinträchtigen.
2344
Die Erweiterung des Urheberschutzes durch die „Bogsch-Theorie“ bedarf der sachgerechten Eingrenzung auf die Staaten, in denen die Inhalte bestimmungsgemäß verbreitet werden5. Auf eine chinesische Website ist deutsches Urheberrecht daher nur anwendbar, wenn sich die Website erkennbar (auch) an deutsches Publikum richtet. Dies ist insbesondere bei Verwendung der deutschen Sprache der Fall. Wird dagegen ausschließlich die chinesische Sprache benutzt und ist auch sonst kein Bezug zu Deutschland erkennbar, fehlt es an einem hinreichenden Inlandsbezug6, und eine Geltendmachung von Ansprüchen nach deutschem Urheberrecht kommt nicht in Betracht. c) Reichweite des deutschen Urheberrechts
2345
Nicht um die Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts, sondern um den Schutz durch das deutsche Urheberrecht geht es in den §§ 120 ff. UrhG. 1 Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 145; Sack, WRP 2000, 269, 277. 2 Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 141; Sack, WRP 2000, 269, 275; BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380; BGH vom 7.11.2002, GRUR Int. 2003, 470, 472. 3 Sack, WRP 2008, 1409, 1415; Sack, WRP 2000, 269, 275. 4 Junker, Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 215; Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 145; Sack, WRP 2000, 269, 277. 5 Vgl. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 141. 6 Vgl BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739.
588
II. Außervertragliches Haftungsrecht
Die §§ 120 ff. UrhG enthalten kein Kollisionsrecht, sondern setzen die Anwendbarkeit deutschen Rechts voraus. Sie bestimmen die Reichweite des deutschen Sachrechts1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 UrhG genießen deutsche Staatsangehörige den 2346 Schutz ihrer Werke nach dem (deutschen) UrhG unabhängig davon, ob und wo ihr Werk erschienen ist. Dies gilt im Falle der Miturheberschaft (§ 8 UrhG) auch dann, wenn lediglich ein Miturheber Deutscher ist (§ 120 Abs. 1 Satz 2 UrhG). § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG stellt die Staatsangehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten und anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gleich2. § 121 UrhG regelt die Reichweite des Schutzes durch das UrhG für aus- 2347 ländische Staatsangehörige, die nicht Angehörige eines EU- oder EWRStaates sind3. Ein solcher Urheber kann nach § 121 Abs. 1 Satz 1 UrhG den Schutz des deutschen Urheberrechts für jedes Werk beanspruchen, das in Deutschland im Original oder in Übersetzung erscheint, sofern er nicht das Werk selbst oder eine Übersetzung früher als 30 Tage vor dem inländischen Erscheinen im Ausland hat erscheinen lassen4. Bilaterale oder multilaterale Staatsverträge erweitern den Schutz ausländischer Urheber (§ 121 Abs. 4 UrhG)5. Von Bedeutung sind insbesondere das TRIPSÜbereinkommen (TRIPS)6, die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)7, das Welturheberrechtsabkommen (WUA)8 und der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT)9. 6. Markenrecht
Übersicht:
2348
Internationales Markenprivatrecht – Territorialitäts-/Schutzlandprinzip: anwendbares Recht bestimmt sich nach dem Recht des Ortes der Nutzungshandlung (Art. 8 Abs. 1 ROMII-VO);
1 v. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 3. 2 v. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 120 Rz. 1; vgl. LG München I vom 18.9.2008, MMR 2008, 137. 3 v. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 121 Rz. 1. 4 Vgl. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 121 Rz. 8. 5 Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 121 Rz. 16. 6 BGBl. II 1994, S. 1730. 7 Nachweise bei Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 41. 8 Nachweise bei Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rz. 58. 9 BGBl. II 2003, S. 754; vgl. Lührig in Ensthaler/Weidert, Handbuch Urheberrecht und Internet, S. 9 f.
589
K. Kollisionsrecht
– Handlungsort im Internet: Handlungsort ist neben dem Einspeisungsstaat auch jeder (weitere) Staat, in dem die betreffende Website bestimmungsgemäß abrufbar ist.
a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip 2349
Auch im Internationalen Markenprivatrecht gelten das Territorialitätssowie nach Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO das Schutzlandprinzip1. Das Schutzrecht, das für eine Marke besteht, ist somit räumlich beschränkt2. Die Marke ist nur gegen Verletzungen geschützt, die in dem Hoheitsgebiet des Staates begangen werden, in dem der Markenschutz besteht3. Eine Verletzungshandlung ist regelmäßig gegeben, wenn im Schutzland unter der Marke Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 und 3 MarkenG)4. b) Handlungsort
2350
Auch im Internationalen Markenprivatrecht bedarf es einer einschränkenden Auslegung des Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO. Die Anwendung des Sachrechts eines Schutzlandes setzt daher voraus, dass mehr als eine „zufällige“ Berührung mit diesem Land feststellbar ist5. Jedenfalls am Ort des Uploads lässt sich ein relevanter Handlungsort bejahen, dagegen ist der Standort des Servers, auf dem eine Website abgespeichert ist, irrelevant6.
2351
Ähnlich wie im Urheberrecht können auch im Internationalen Markenprivatrecht Schutzlücken entstehen, wenn beispielsweise von einer afrikanischen Website Inhalte verbreitet werden, die inländische Markenrechte gezielt beeinträchtigen7. Derartige Schutzlücken können nur dadurch geschlossen werden, dass man einen relevanten Handlungsort
1 Fezer, Markengesetz, Einl. H. Rz. 7 und 17 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. Rz. 15; v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, Einf. Rdn. 78; Ubber, WRP 1997, 497, 502; Kur, WRP 2000, 935, 936; BGH vom 22.1.1964, BGHZ 41, 84, 87 – Maja; BGH vom 29.6.1979, GRUR 1980, 52; BGH vom 2.5.2002, GRUR Int. 2003, 71, 72 = WRP 2002, 1156 – FROMMIA; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG München vom 16.6.2005, CR 2006, 347, 348. 2 Fezer, Markengesetz, Einl. H. Rz. 17; v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, Einl. Rz. 78; Kort, DB 2001, 249, 256. 3 Hoffman in Staudinger, Art. 40 Rz. 388; Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 494; Ubber, Markenrecht im Internet, S. 215. 4 Vgl. BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime. 5 Siehe Rz. 2333; a.A. Sack, WRP 2008, 1405, 1417. 6 Fezer, Markengesetz, Einl. H. Rz. 38. 7 Kort, DB 2001, 249, 257; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 672.
590
II. Außervertragliches Haftungsrecht
auch in allen Staaten bejaht, in denen Inhalte bestimmungsgemäß verbreitet werden1. Eine uferlose Ausdehnung des Schutzes nationaler Kennzeichenrechte 2352 würde – im Widerspruch zur Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG2 – zu einer unangemessenen Beschränkung der Selbstdarstellung ausländischer Unternehmen führen3. Damit würde eine erhebliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten von Kennzeichen im Internet einhergehen, weil die Inhaber verwechslungsfähiger Kennzeichenrechte, die in verschiedenen Ländern geschützt sind, unabhängig von der Prioritätslage wechselseitig beanspruchen könnten, dass die Benutzung des Kollisionszeichens unterbleibt. Die Anwendung des Kennzeichenrechts in solchen Fällen darf daher nicht dazu führen, dass jedes im Inland abrufbare Angebot ausländischer Dienstleistungen im Internet bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche auslöst. Erforderlich ist vielmehr, dass das Angebot einen hinreichenden, wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist4. Ein solcher Bezug ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn sich ein Unternehmen über seine Website in deutscher Sprache erkennbar (auch) an deutsche Kunden wendet5. 7. Herkunftslandprinzip
Übersicht:
2353
Herkunftslandprinzip Reichweite – Telemedien: Das Herkunftslandprinzip gilt für den gesamten elektronischen Geschäftsverkehr (§ 3 TMG). – E-Commerce-Richtlinie: Das Herkunftslandprinzip gilt nur innerhalb der Europäischen Union (EU).
1 Hoffmann in Staudinger, Art. 40 Rz. 390; OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 822. 2 Vgl. EuGH vom 6.11.2003, NJW 2004, 139, 140 – Gambelli. 3 Vgl. Fezer, Markengesetz Einl. I. Rz. 3; Ingerl/Rohnke, Markengesetz Einl. Rz. 59; Omsels, GRUR 1997, 328, 337; Völker/Weidert, WRP 1997, 652, 662; Kur, WRP 2000, 935, 937; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG Düsseldorf vom 22.4.2008, MMR 2008, 748, 748. 4 Vgl. Fezer, Markengesetz Einl. I. Rz. 1 ff.; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 673 f.; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG Düsseldorf vom 22.4.2008, MMR 2008, 748, 748; OLG München vom 16.6.2005, CR 2006, 347, 348; OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, MMR 2002, 814, 816; Kur, WRP 2000, 935, 937. 5 OLG Düsseldorf vom 22.4.2008, MMR 2008, 748 f.
591
K. Kollisionsrecht
Auswirkungen – Allgemeines Deliktsrecht: ausschließlich Recht des Herkunftsstaates anwendbar; das Tatortprinzip gilt nicht. – Wettbewerbsrecht: ausschließlich Recht des Herkunftsstaates anwendbar; keine Anknüpfung an den Marktort. – Urheberrecht und Markenrecht: Herkunftslandprinzip nicht anwendbar (§ 3 Abs. 4 Nr. 6 TMG). 2354
In Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie (ECRL)1 gilt nach § 3 TMG für den elektronischen Geschäftsverkehr das Herkunftslandprinzip. Materiell handelt es sich hierbei um keine Kollisionsnorm2, sondern um eine Sachnorm, die die Anwendbarkeit des deutschen Rechts voraussetzt und modifiziert3.
2355
Das Herkunftslandprinzip dient der Vereinfachung der Rechtsanwendung und Erleichterung des elektronischen Geschäftsverkehrs innerhalb der Europäischen Union. Wenn die Vorschriften des Herkunftslandes eingehalten werden, handeln die Betreiber von Telemedien europaweit rechtmäßig und müssen sich nicht an die Bestimmungen anderer EU-Mitgliedstaaten halten4.
2356
Das Herkunftslandprinzip ist nur anwendbar, wenn der EU-Mitgliedstaat feststeht, in dem der betreffende Anbieter seine Niederlassung hat. Die Niederlassung in einem EU-Mitgliedstaat ist eine Anwendungsvoraussetzung der ECRL5.
2357
Dem Kerngedanken des Herkunftslandprinzip entsprechend, gilt für deutsche Betreiber von Telemedien nach § 3 Abs. 1 TMG ausschließlich 1 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 2 Fezer/Koos, IPrax 2000, 349 ff.; Grützmacher/Lindhorst, ITRB 2005, 34, 35; Ohly, GRUR Int. 2001, 899, 902; Sack WRP 2002, 271, 277; BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 23; OLG Hamburg vom 24.7.2007, K&R 2007, 659, 660; OLG Hamburg vom 29.7.2008 – 7 U 22/08; OLG Hamburg vom 8.4.2009, MMR 2010, 185, 186; a.A. Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz im Internet, Rz. 28; Naskret, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, S. 114; Spickhoff in Leible, Bedeutung des IPR, S 117 ff.; Hoffmann in Staudinger, Art. 40 EGBGB Rz. 299; Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 196; Mankowski, IPrax 2002, 257, 262; KG vom 24.3.2006, AfP 2006, 258, 259; vgl. auch Glöckner, WRP 2005, 795, 801. 3 Vgl. EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 53 ff.; OLG Hamburg vom 24.7.2007, K&R 2007, 659, 660. 4 Vgl. Thorn in Palandt, Art. 6 ROM-II Rz. 15. 5 EuGH vom 15.3.2012 – C-292/10, Rz. 69 ff.
592
III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
deutsches Recht, auch wenn die Telemediendienste (auch) in anderen EU-Mitgliedstaaten angeboten oder erbracht werden. Umgekehrt findet gemäß § 3 Abs. 2 TMG auf die Anbieter von Telemedien aus anderen EUMitgliedstaaten ausschließlich das jeweilige Heimatrecht Anwendung, auch wenn die Dienste (auch) in Deutschland angeboten oder erbracht werden1. Beim Persönlichkeitsschutz schließt das Herkunftslandprinzip das Wahl- 2358 recht des Geschädigten gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nicht aus2. Im Wettbewerbsrecht verdrängt das Herkunftslandprinzip die Anknüp- 2359 fung an den Marktort3. Der deutsche Internetanbieter braucht das Wettbewerbsrecht der anderen EU-Mitgliedstaaten nach § 3 Abs. 1 TMG nicht zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn die Wettbewerbsaktivitäten des Anbieters auf Staaten außerhalb Deutschlands abzielen. Umgekehrt lässt sich das deutsche Wettbewerbsrecht nicht anwenden, wenn es darum geht, gegen die Aktivitäten von Internetanbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten vorzugehen (§ 3 Abs. 2 TMG). § 3 Abs. 3 bis 5 TMG klammert etliche Gebiete aus dem Anwendungs- 2360 bereich des Herkunftslandprinzips aus. Insbesondere gilt das Herkunftslandprinzip weder für das Vertrags- und Verbraucherschutzrecht (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG) noch für das Datenschutzrecht (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 TMG) oder das Urheberrecht und das Markenrecht (§ 3 Abs. 4 Nr. 6 TMG)4. Das urheberrechtliche bzw. markenrechtliche Territorialitäts- und Schutzlandprinzip (Art. 8 Abs. 1 ROM-I-VO) bleibt erhalten. Abgrenzungsprobleme können sich zwischen gewerblichen Schutzrechten und dem Recht des unlauteren Wettbewerbs ergeben5.
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte Ebenso brisant wie die Frage nach dem anwendbaren Recht ist die Frage, 2361 wie weit die Zuständigkeit deutscher Gerichte bei grenzüberschreitenden Internet-Sachverhalten reicht. Auszugehen ist dabei vom deutschen Internationalen Zivilprozessrecht. Danach richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte primär nach internationalen Verträgen, insbesondere nach den Vorschriften der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent1 Vgl. LG Berlin vom 24.5.2012 – 27 O 864/11, Rz. 42; Thorn in Palandt, Art. 6 ROM-II Rz. 15. 2 Vgl. BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 32; OLG Hamburg vom 9.6.2006, K&R 2007, 659, 660. 3 Vgl. Spindler in Baur/Mansel, Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 133; Mankowski, ZVglRWiss 2001, 137, 157; a.A. Kropholler, IPR, S. 544. 4 Vgl. Mankowski, ZVglRWiss 2001, 137, 153; Nickels, CR 2002, 302, 304. 5 Vgl. Naskret, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, S. 31.
593
K. Kollisionsrecht
scheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)1. Außerhalb des Geltungsbereichs internationaler Verträge finden die innerstaatlichen Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) entsprechende Anwendung2. 2362
Die EuGVVO regelt die gesetzliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO) für Gerichtsverfahren, an denen Bürger eines EU-Mitgliedstaates beteiligt sind, sei es als Beklagter oder auch als Kläger (vgl. Art. 4 Abs. 2 EuGVVO).
2363
Einfach zu beurteilen sind Fälle, in denen der Beklagte in Deutschland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Sowohl für vertragliche als auch für außervertragliche Streitfälle ergibt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sowie aus den §§ 12 bis 19a ZPO3. Wer als deutscher Anbieter ausländische Konkurrenten beleidigt, deren Urheber- oder Markenrechte verletzt oder bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber einem ausländischen Vertragspartner säumig bleibt, muss damit rechnen, dass der ausländische Konkurrent bzw. Vertragspartner problemlos deutsche Gerichte anrufen kann.
2364
Schwieriger zu beurteilen ist der umgekehrte Fall, dass ein deutscher Internetanbieter ein ausländisches Unternehmen oder einen ausländischen Verbraucher verklagen möchte. Werden vor deutschen Gerichten natürliche oder juristische Personen verklagt, die in der Bundesrepublik Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, so muss das angerufene Gericht in jedem Einzelfall prüfen, ob sich aus einer zivilprozessualen Vorschrift (ausnahmsweise) ein besonderer internationaler deutscher Gerichtsstand herleiten lässt. 1. Vertragliche Ansprüche
2365
Übersicht: Internationale Zuständigkeit im Vertragsrecht: – Allgemeiner Gerichtsstand des Beklagten: Art. 2 EuGVVO und §§ 12 bis 19a ZPO); – Gerichtsstandsvereinbarungen: Art. 23 EuGVVO und § 38 ZPO sowie Art. 15 bis 17 EuGVVO;
1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 2 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übers. § 12 Rz. 6 f. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übers. § 12 Rz. 6 f.; Kropholler, IPR, S. 614.
594
III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
– Besondere Gerichtsstände: Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO und § 29 ZPO); Niederlassung des Beklagten (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO und § 21 ZPO); Vermögen (§ 23 ZPO). In Fällen, in denen vertragliche Ansprüche geltend gemacht werden, 2366 kann sich ein deutscher Gerichtsstand aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergeben, sofern die Parteien eine solche Vereinbarung unter Beachtung der Anforderungen des Art. 23 EuGVVO und der Art. 15 bis 17 EuGVVO bzw. des § 38 ZPO geschlossen haben1. Auch ein inländischer Erfüllungsort kann die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen, wobei der Erfüllungsort vertraglich festgelegt werden kann (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, § 29 ZPO). a) Gerichtsstandsvereinbarung Art. 23 EuGVVO gilt für alle Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen 2367 Parteien, von denen mindestens eine ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat2. Derartige Gerichtsstandsvereinbarungen sind bindend, wenn sie schriftlich bzw. mündlich mit schriftlicher Bestätigung abgeschlossen werden (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a EuGVVO). Es reicht aber auch die Form aus, die den „Gepflogenheiten“ der Parteien entspricht (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b EuGVVO), bzw. eine nach internationalem Handelsbrauch übliche Form (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c EuGVVO). Art. 23 Abs. 2 EuGVVO stellt zudem die elektronische Übermittlung der Schriftform gleich, sofern – wie beispielsweise bei einer E-Mail3 – eine dauerhafte Aufzeichnung möglich ist. Angesichts der möglichen Folgen einer Gerichtsstandsvereinbarung für 2368 die Parteien im Prozess sind die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklausel eng auszulegen. Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung setzt voraus, dass die Gerichtsstandsklausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist4. Die Bezugnahme einer Partei auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, genügt daher nur, wenn die Zustimmung der anderen Partei tatsächlich feststeht5.
1 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 38 Rz. 21 ff.; Strömer, Online-Recht, S. 498. 2 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 135, 138; Kropholler, IPR, S. 628. 3 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 153. 4 OLG Celle vom 24.7.2009, CR 2010, 17, 18; OLG Oldenburg vom 20.12.2007, OLGR 2008, 694, 696. 5 OLG Celle vom 24.7.2009, CR 2010, 17, 18; OLG Oldenburg vom 20.12.2007, OLGR 2008, 694, 696.
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K. Kollisionsrecht
2369
§ 38 Abs. 1 ZPO gilt für Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, auf die die EuGVVO nicht anwendbar ist (etwa mangels eines Wohnsitzes des Beklagten in der EU, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO), und lässt ausdrückliche oder auch stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarungen zu, wenn die Vertragspartner Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
2370 Û Praxistipp: Internetanbietern ist die Aufnahme von Gerichtsstandsklauseln in die eigenen Vertragsbedingungen zu empfehlen. Gegenüber Vertragspartnern, die keine Verbraucher sind, ermöglichen Gerichtsstandsklauseln eine Klage vor deutschen Gerichten. Die Mühe, die Kosten und die Unwägbarkeiten, die mit der Führung eines Auslandsprozesses verbunden sind, bleiben dem Anbieter hierdurch erspart.
b) Erfüllungsort 2371
Nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn es um vertragliche Ansprüche geht und in dem anderen Mitgliedsstaat ein Erfüllungsort besteht (vgl. auch § 29 Abs. 1 ZPO).
2372
Als Erfüllungsort gilt beim Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem die Sachen geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen (Art. 5 Nr. 1 lit. b, 1. Spiegelstrich EuGVVO). Um diesen Ort zu bestimmen, bedarf es einer umfassenden Auslegung des Vertrages, bei der auch Handelsbräuche zu berücksichtigen sein können1. Im Zweifel handelt es sich um den Ort, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen2.
2373
Beim Versendungskauf ist der Erfüllungsort im Zweifel der endgültige Bestimmungsort, an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen. Der Ort der Übergabe an den Beförderer ist dagegen nicht maßgebend3.
2374
Bei Dienstleistungen ist Erfüllungsort der Ort, an dem die Dienstleistungen erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen (Art. 5 Nr. 1 lit. b, 2. Spiegelstrich EuGVVO). Zu beachten ist – bei Warenliefe1 EuGH vom 9.6.2011 – C-87/10, Rz. 21, 26. 2 EuGH vom 25.2.2010, NJW 2010, 1059, 1061 mit Anm. Piltz; EuGH vom 9.6.2011 – C-87/10, Rz. 26; BGH vom 23.6.2010 – VIII ZR 135/08, Rz. 20. 3 EuGH vom 25.2.2010, NJW 2010, 1059, 1061 mit Anm. Piltz; BGH vom 23.6.2010 – VIII ZR 135/08, Rz. 14.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
rungen ebenso wie bei Dienstleistungen, dass den Vertragspartnern die Wahl des Erfüllungsortes freisteht1. Û Praxistipp: Es ist ratsam, in Gerichtsstandsklauseln auch den Erfül- 2375 lungsort festzulegen, um auszuschließen, dass sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ein unerwünschter Gerichtsstand herleiten lässt. c) Niederlassung und Vermögen Unterhält der ausländische Vertragspartner in Deutschland eine Nieder- 2376 lassung2, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 5 Nr. 5 EuGVVO und § 21 ZPO, wenn es um eine Streitigkeit aus dem Betrieb der Niederlassung geht. Der Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) ist eröffnet, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz in der EU hat (vgl. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO). d) Verbraucherverträge aa) Einschränkung der Prorogationsfreiheit Die Art. 15 bis 17 EuGVVO enthalten Sonderbestimmungen für Verbrau- 2377 cherverträge und schränken die Prorogationsfreiheit ein (vgl. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO). Nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO kann der Verbraucher von seinem Vertragspartner nur in dem Staat verklagt werden, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Umgekehrt hat der Verbraucher bei Klagen gegen seinen Vertragspartner die Wahl zwischen den Gerichten seines Heimatlandes und den Gerichten des Sitzstaates seines Vertragspartners (Art. 16 Abs. 1 EuGVVO). Nach Art. 17 EuGVVO sind Gerichtsstandsvereinbarungen bei Verbrau- 2378 cherverträgen nur in wenigen Ausnahmefällen wirksam. Eine Gerichtswahl kann mit Verbrauchern nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart werden (Art. 17 Nr. 1 EuGVVO). Im Übrigen sind Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen nur zulässig, wenn sie dem Verbraucher über die sich aus Art. 16 EuGVVO ergebenden Gerichtsstände hinaus einen weiteren Gerichtsstand eröffnen3. § 38 Abs. 3 ZPO lässt Gerichtsstandsvereinbarungen gegenüber Verbrauchern nur zu, wenn sie nach dem Entstehen einer Streitigkeit schriftlich (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) oder für den Fall geschlossen werden, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in das Ausland verlegt oder an einen unbekannten Ort verzieht (§ 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
1 Vgl. EuGH vom 25.2.2010, NJW 2010, 1059, 1060 mit Anm. Piltz. 2 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 78. 3 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 133.
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K. Kollisionsrecht
bb) Verbrauchervertrag 2379
Unter den Begriff des Verbrauchervertrages fallen nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO alle Verträge, die ein Unternehmer mit einem Verbraucher schließt, solange der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit (auch) auf das Heimatland des Verbrauchers ausrichtet und der Vertragsschluss im Rahmen dieser Tätigkeit erfolgt.
2380
Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag liegen vor, wenn eine Partei gegenüber einer anderen freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist. Der Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist daher eröffnet, wenn eine Partei ein verbindliches Angebot macht, das hinsichtlich seines Gegenstandes und seines Umfangs so klar und präzise ist, dass eine Vertragsbeziehung, wie sie die Norm voraussetzt, entstehen kann. Die Partei muss ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, im Fall einer Annahme durch die andere Partei an ihre Verbindlichkeit gebunden zu sein. Ausreichend ist hierbei eine – aus der maßgeblichen Empfängersicht – einseitige Verpflichtung des Unternehmers, eine wie auch immer geartete rechtliche Verpflichtung des Verbrauchers ist hingegen nicht notwendig1. cc) „Ausrichten“
2381
Der Begriff des „Ausrichtens“ in Art. 15 Abs. 1 lit. c EUGVVO ist eng auszulegen2. Ein überzogener Verbraucherschutz war mit der Schaffung dieser Vorschrift nicht beabsichtigt3. Dennoch umfasst der Begriff des „Ausrichtens“ ein breites Spektrum an Tätigkeiten. Voraussetzung ist jeweils, dass der Unternehmer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern (auch) im Wohnsitzstaat des Verbrauchers herzustellen4.
2382
Durch Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO wird neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers gerichteten Werbung vor allem der elektronische Handel erfasst5. Wenn der Verbraucher auf einer Website des Vertragspartners die von ihm gewünschten Leistungen bestellt, ist oftmals kaum oder gar nicht zu klären, wo diese Handlung vorgenommen worden ist. Deshalb kommt es auf den Ort des Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen Rechtshandlungen nicht an; nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO wird die notwendige Verbindung zum Staat des
1 BGH vom 29.11.2011 – XI ZR 172/11, Rz. 14. 2 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298 f.; a.A. OLG Dresden vom 15.12.2004, IPrax 2006, S. 44, 47. 3 Vgl. Jayme/Kohler, IPrax 2001, 501, 505; OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85, 86. 4 BGH vom 29.11.2011 – XI ZR 172/11, Rz. 21. 5 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298, 298.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
Verbrauchers schon dadurch geschaffen, dass der Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet1. Die bloße Zugänglichkeit einer Website reicht nicht aus, um den Tat- 2383 bestand des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO zu erfüllen2. Dies wurde bereits in der gemeinsamen Erklärung des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission zu Art. 15 EuGVVO betont3. Rat und Kommission hielten es für erforderlich, dass die betreffende Website auch zum Vertragsschluss im Fernabsatz „auffordert“4. Allerdings ist es nicht erforderlich, dass sich die Klage auf einen Vertrag stützt, der per Fernabsatz geschlossen worden ist. Vielmehr reicht es aus, wenn der Vertrag über Fernkommunikationsmittel angebahnt wurde5. Zur Erfüllung des Merkmals des „Ausrichtens“ der gewerblichen Tätig- 2384 keit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ist es jedoch erforderlich, dass der Verbraucher dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt. Im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter und die Notwendigkeit einer autonomen und engen Auslegung der Voraussetzungen sei Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO nicht anwendbar, wenn ein Verbraucher auf Auslandsreisen „zufällig“ Verträge mit einem Unternehmer abschließt6. Nach Aufassung des EuGH kommt es für das „Ausrichten“ darauf an, ob 2385 aus der Website und der Tätigkeit des Unternehmers hervorgeht, dass der Unternehmer mit Verbrauchern, die in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers wohnhaft sind, Geschäfte zu tätigen beabsichtigt und zu einem Vertragsschluss bereit ist. Anhaltspunkte können dabei der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Staaten aus zu dem Ort, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der am Ort der Niederlassung des Unternehmers üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestäti-
1 Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVVO Rz. 23; BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298, 298. 2 BR-Drucks. 543/99, S. 16; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 15 EuGVVO Rz. 5; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 15 Rz. 38; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 115; BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298, 298; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVVO Rz. 23 ff.; Gottwald in MünchKomm-ZPO, Art. 15 EuGVVO Rz. 5; Dörner in Saenger, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rz. 16; EuGH vom 7.12.2010 – C-585/08 und C-144/09 – Pammer/Alpenhof, Rz. 94; BGH vom 30.3.2006, NJW 2006, 1672, 1673; OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85, 86. 3 Abgedruckt in IPRax 2001, 259, 261. 4 Abgedruckt in IPRax 2001, 259, 261. 5 EuGH vom 6.9.2012 – C-190/11, Rz. 35 ff.; BGH vom 1.2.2012 – XII ZR 10/10, Rz. 22 ff. 6 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVVO, Rz. 8; BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298.
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gung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Suchmaschine, um in anderen Staaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Websites zu erleichtern, die Verwendung einer anderen Domainendung als derjenigen des eigenen Staates und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft sein1. 2386
Wenn ein griechischer Rechtsanwalt seine Kontaktadresse durch Dritte auf deren Website als Serviceleistung für deren deutsche Kunden angibt, reicht dies nach Auffassung des BGH für ein „Ausrichten“ der Tätigkeit auf Deutschland nicht aus. Obwohl der griechische Anwalt auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Athen als deutschsprachiger, im Amtsbezirk der Botschaft niedergelassener Rechtsanwalt verzeichnet, auf der deutschsprachigen Internetseite eines Immobilienunternehmens sowie auf der Website von drei deutschen Rechtsschutzversicherern aufgeführt gewesen sei und die Annahme nahe liege, dass seine Erwähnung jedenfalls auf der Website der deutschen Botschaft nicht ohne seine Kenntnis und Zustimmung erfolgte, bleibe diese Fallgestaltung hinter der des Unterhaltens einer eigenen (deutschsprachigen) Website zurück2.
2387
Ausschlaggebend war für den BGH, dass der Kläger unstreitig nicht in Deutschland oder über das Internet auf den griechischen Anwalt aufmerksam geworden war; er kannte die Websites nicht, auf denen der Beklagte verzeichnet war. Der behauptete Anwaltsvertrag kam zustande, weil ihm der Beklagte vor Ort als Anwalt empfohlen worden war3.
2388
Ähnlich argumentierte das OLG Karlsruhe in einem Fall, in dem es um die Honorarklage einer deutschen Anwaltskanzlei gegen eine spanische Mandantin ging4. Das AG Kehl5 war als Vorinstanz von einer ausschließlichen Zuständigkeit spanischer Gerichte nach Art. 15 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 16 Abs. 2 EuGVVO ausgegangen, da die deutsche Kanzlei über eine „Internetpräsenz“ verfügt und ihre berufliche Tätigkeit „auf irgendeinem Wege“ – auch – auf das Mitgliedsland Spanien ausgerichtet habe. Dabei war das AG Kehl nicht einmal davon ausgegangen, dass die Kanzlei-Website (auch) in spanischer Sprache abgefasst war. 2. Außervertragliche Ansprüche
2389
Die zentralen internationalen Zuständigkeitsnormen für außervertragliche Klagen sind Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und § 32 ZPO. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO setzt voraus, dass eine Person verklagt werden soll, die ihren 1 EuGH vom 7.12.2010 – C-585/08 und C-144/09 – Pammer/Alpenhof, Rz. 92 f.; Staudinger, AnwBl 2011, 327, 328 f. 2 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298 f. 3 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298 f. 4 OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85 f. 5 AG Kehl vom 28.2.2006 – 4 C 487/05.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines (anderen) EU-Mitgliedsstaates hat. Ist dies nicht der Fall, ist für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte § 32 ZPO entsprechend anwendbar1. Aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ergibt sich, dass die Gerichte am Erfolgsort in- 2390 ternational zuständig sind. Alternativ lässt Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eine Anknüfung an den Ort des tatsächlichen Geschehens (Handlungsort) zu2. Ebenso besteht nach § 32 ZPO eine alternative Zuständigkeit der Gerichte am Ort der Verletzungshandlung (Handlungsort) und am Erfolgsort3. Der Erfolgsort bestimmt sich nach dem Ort des Primärschadens, d.h. 2391 nach dem Ort, an dem der Eingriff in das geschützte Rechtsgut erfolgt ist und an dem somit der unmittelbare Verletzungserfolg eingetreten ist. Der Ort, an dem auf Grund einer Rechtsgutsverletzung (Vermögensfolge-)Schäden eingetreten sind, ist für die Bestimmung des Erfolgsorts ohne Belang4. Sowohl durch Art. 5 Nr. 3 EuGVVO als auch durch § 32 ZPO werden be- 2392 sondere Gerichtsstände begründet, die neben den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (Art. 2 EuGVVO und §§ 12 bis 19a ZPO) treten5. Für eine Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 3 EuGVVO reicht es aus, wenn der Beklagte mutmaßlich Bürger eines EU-Mitgliedsstaates ist, auch wenn sein Aufenthaltsort unbekannt ist6. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO liegt das Ziel der Verwirklichung einer geordneten 2393 Rechtspflege zugrunde. Danach ist das Gericht jedes Mitgliedstaates, in dem die Verletzungshandlung erfolgt ist, örtlich am besten geeignet, um die in diesem Staat erfolgte Handlung zu beurteilen und den Umfang des entsprechenden Schadens zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund besteht ein beachtenswertes Interesse, die Zuständigkeit des nationalen Gerichts nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht auf Ansprüche gegen den Haupttäter zu beschränken, sondern auch die Handlungen eines Gehilfen zu erfassen, dessen Tatbeitrag zur Verwirklichung des Schadenserfolgs im Inland beigetragen hat7.
1 Gottwald in MünchKomm-ZPO, Vorbem. EuGVO Rz. 26 f. 2 EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 41; BGH vom 28.6.2012 – I ZR 35/11 – Hi Hotel, Rz. 22. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rz. 17 f.; Patzina in MünchKomm-ZPO, § 32 Rz. 20; Schack, IntZivilVerfR, Rz. 334. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rz. 23; Geimer in Zöller, Anh. I Art. 5 EuGVVO Rz. 26. 5 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 39. 6 EuGH vom 15.3.2012 – C-292/10, Rz. 37 ff. 7 BGH vom 28.6.2012 – I ZR 35/11 – Hi Hotel, Rz. 26.
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2394
Übersicht: Internationale Zuständigkeit im außervertraglichen Haftungsrecht: – Art. 5 Abs. 3 EuGVVO: besonderer Gerichtsstand des Tatortes (Handlungsort oder Erfolgsort); – § 32 ZPO: besonderer Gerichtsstand des Tatortes (Handlungsort oder Erfolgsort); – Wettbewerbsrecht: § 14 UWG verdrängt § 32 ZPO. – Markenrecht: Art. 22 Nr. 4 EuGVVO verdrängt Art. 5 Abs. 3 EuGVVO bei Streit um die Eintragung und Gültigkeit von Marken.
a) Deliktsrecht aa) Unerlaubte Handlung 2395
Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn es um eine unerlaubte Handlung geht. Dasselbe gilt für Handlungen, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung. Zuständig ist jeweils das Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
2396
Der EuGH legt den Begriff der „unerlaubten Handlung“ und der „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ autonom und sehr weit aus. An diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft1. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen insbesondere auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen2.
2397
Auf den Eintritt eines Schadens kommt es nicht an. Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Unterlassungsansprüche3. Ausweis-
1 Vgl. EuGH vom 1.10.2002 – Henkel, NJW 2002, 3617, 3618; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 262. 2 BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 13; Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 178; Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 149; EuGH vom 7.3.1995 – Shevill, NJW 1995, 1881, 1882. 3 Gottwald in MünchKomm-ZPO“ Art. 5 EuGVVO, Rz. 56; Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 146; EuGH vom 1.10.2002 – Henkel, NJW 2002, 3617, 3618; BGH vom 24.10.2005, NJW 2006, 689, 689; BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 13.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
lich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen auch vorbeugende Klagen in den Anwendungsbereich der Bestimmung1. Der Begriff des „schädigenden Ereignisses“ gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO 2398 erfasst auch Angriffe auf die Rechtsordnung durch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Deutsche Gerichte können somit zuständig sein für die Unterlassungsklage eines deutschen Verbraucherschutzvereins gegen ein lettisches Luftfahrtunternehmen, dessen Website sich (auch) an deutsche Verbraucher richtet2. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist be- 2399 reits dann begründet, wenn die Verletzung eines geschützten Rechtsguts im Inland behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann; die Zuständigkeit ist nicht davon abhängig, dass eine Rechtsverletzung tatsächlich eingetreten ist3. Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Ge- 2400 richte ist nicht maßgeblich, ob das von den Klägern gerügte Verhalten der Beklagten nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts ist keine Voraussetzung für eine internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO4. bb) Parallele zu Presseerzeugnissen Zu § 32 ZPO hat der BGH schon in den 70er-Jahren entschieden, dass ei- 2401 ne auf Äußerungen in einem Presseerzeugnis beruhende Persönlichkeitsrechtsverletzung an dem Ort begangen wird, an dem das Erzeugnis verbreitet wird5. Von einem Verbreiten könne allerdings nur dann die Rede sein, wenn der Inhalt des Presseerzeugnisses dritten Personen bestimmungsgemäß und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht werde6. Internet-Inhalte werden nicht „verbreitet“, sondern zum Abruf bereit ge- 2402 halten7. Im Gegensatz zu Druckerzeugnissen lässt sich im Internet auch ein räumlich abgegrenztes Verbreitungsgebiet einer Website nur schwer bestimmen8
1 EuGH vom 1.10.2002 – Henkel, NJW 2002, 3617, 3618; BGH vom 24.10.2005, NJW 2006, 689, 689. 2 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3371 f. 3 BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435 ff. – Hotel Maritime; BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3371 f.; BGH vom 28.6.2012 – I ZR 35/11 – Hi Hotel, Rz. 17. 4 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3371; Geimer in Zöller, Anh. I Art. 5 EuGVVO Rz. 24. 5 BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590. 6 BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590, 1590. 7 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 210. 8 Vgl. Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 254 f.
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K. Kollisionsrecht
2403
Ob und inwieweit sich bei der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und des § 32 ZPO eine Parallele zu Druckerzeugnissen ziehen lässt, ist streitig. Teilweise wird vertreten, dass die bloße Abrufbarkeit rechtsverletzender Inhalte im Gerichtsstaat eine Zuständigkeit begründet mit der Folge, dass sich eine Zuständigkeit in jedem EU-Mitgliedstaat begründen lässt1. Überwiegend wird dagegen ein Erfolgsort im Internet nur dort bejaht, wo der Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung des Betreibers abrufbar ist2.
2404
Parallel zu der Diskussion um eingrenzende Kriterien zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Internet-Sachverhalten ist in den letzten Jahren eine Diskussion entbrannt um die Auslegung des § 32 ZPO bei Fragen der örtlichen Zuständigkeit in Fällen, in denen sich eine Klage gegen Rechtsverletzungen richtet, die im Internet begangen worden sind. Streitig ist, ob an der bisherigen Praxis des „fliegenden Gerichtsstandes“ festzuhalten ist oder § 32 ZPO einschränkend auszulegen und die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts nur anzunehmen ist, wenn eine besondere Beziehung des Sachverhalts zu dem jeweiligen Gerichtsbezirk bejaht werden kann3.
2405
Der Unterschied zwischen Druckerzeugnissen und Online-Publikationen ist beim „fliegenden Gerichtsstand“ nur graduell: Führt der „fliegende Gerichtsstand“ bei Printmedien bereits zu einem Wahlrecht des Klägers zwischen einer Vielzahl von Gerichten, weitet die weltweite Abrufbar-
1 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 5 EuGVVO Rz. 23; Damm/ Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rz. 831; Bachmann, IPrax 1998, 179, 184 ff.; Schack; MMR 2010, 135, 138 f.; KG vom 24.3.2006, AfP 2006, 258, 258; OLG Hamburg vom 2.5.2002 – Hotel Maritime, MMR 2002, 822, 823; OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, MMR 2002, 814, 815; OLG München vom 15.11.2001 – Literaturhaus, MMR 2002, 166, 167. 2 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 207 ff.; BGH vom 13.10.2004 – Hotel Maritime, NJW 2005, 1435, 1436 = CR 2005, 359 = K&R 2005, 178; BGH vom 30.3.2006 – Arzneimittelwerbung im Internet, MMR 2006, 461, 462 m. Anm. Hoeren = CR 2006, 539 = WRP 2006, 736; KG vom 25.3.1997, NJW 1997, 3321, 3321; OLG Düsseldorf vom 30.12.2008, NJW 2009, 701, 702; OLG Köln vom 30.10.2007, MMR 2008, 342, 342 f. = K&R 2008, 115; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159, 160; LG Krefeld vom 14.9.2007, MMR 2007, 798, 798 f. = K&R 2007, 662; AG Charlottenburg vom 19.12.2005, MMR 2006, 254, 255. 3 Vgl. Laucken/Oehler, ZUM 2009, 824 ff.; Mühlberger, WRP 2008, 1419 ff.; Ulmer, ITRB 2009, 252 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 7.2.2011 – 25 W 41/10, Rz. 21 ff.; OLG München vom 7.5.2009, K&R 2009, 489 f.; OLG München vom 6.9.2012 – 34 AR 324/12, Rz. 8; OLG Rostock vom 20.7.2009 – 2 W 41/09; LG Frankfurt a.M., MMR 2010, 142 f.; LG Hamburg vom 9.6.2011 – 303 O 197/10, Rz. 4; AG Frankfurt a.M. vom 21.8.2009, IPRB 2010, 35 f. (Luckhaus); AG Frankfurt a.M. vom 1.12.2011 – 30 C 1849/11 – 25, Rz. 16 ff.; AG Frankfurt a.M. vom 13.2.2012 – 31 C 2528/11, Rz. 19 ff.; a.A. LG Aurich vom 22.1.2013 – 6 O 38/13 (5), Rz. 3; LG Berlin vom 7.4.2011 – 27 S 20/10, Rz. 13 ff.; LG Frankfurt a.M., 2-06 S 3/12, Rz. 20 ff.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
keit von Websites dieses Wahlrecht zusätzlich über die Landesgrenzen hinaus aus. Bei Bemühungen um eine Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstandes“ geht es daher weniger um eine Unterscheidung zwischen Online- und Offline-Publikationen1 als um einen angemessenen Schutz des Beklagten vor unvorhersehbaren oder willkürlich gewählten Gerichtsständen. cc) Enge Auslegung Art. 5 Abs. 3 EuGVVO ist eng auszulegen2. Die Ansicht, die die bloße 2406 Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte für zuständigkeitsbegründend hält, widerspricht dem Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Art. 5 und 6 EuGVVO stellen Ausnahmen von dem Grundsatz dar, dass der Beklagte vor den Gerichten seines Wohnsitzstaats zu verklagen ist3. Ließe man die bloße Abrufbarkeit einer Website für eine Zuständigkeit inländischer Gerichte genügen, so käme es zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten, die den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstände, der Reduzierung konkurrierender Zuständigkeiten und der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit der potentiellen Gerichtspflichtigkeit zuwiderliefe4. Ähnliche Argumente finden sich in dem BGH-Urteil in Sachen New 2407 York Times, in dem es um die Anwendung des § 32 ZPO auf InternetSachverhalte ging5. Die in § 32 ZPO geregelte Tatortanknüpfung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Klage am Gerichtsstand des Beklagten zu erheben ist (actor sequitur forum rei)6. Ihre Rechtfertigung liegt in der durch den Handlungs- oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum7. Eine besondere Beziehung zu einem bestimmten Forum wird durch die bloße Abrufbarkeit einer Internetseite jedoch nicht begründet.
1 Vgl. Brand, NJW 2012, 127, 129. 2 EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 45 ff.; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 263 f. 3 Vgl. EuGH vom 27.11.1988, NJW 1988, 3088, 3089 – Kalfelis; EuGH vom 10.6.2004, NJW 2004, 2441, 2442 – Kronhofer. 4 Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 198; Sujecki, K&R 2011, 315 ff.; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 263; vgl. auch AG Charlottenburg vom 16.11.2010 – 226 C 130/10, Rz. 11 ff. 5 BGH vom 2.3.2010, NJW 2010, 1752 ff. mit Anm. Staudinger = WRP 2010, 653 ff. 6 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 10; BGH vom 2.7.1991, NJW 1991, 3092, 3093. 7 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 180, 195; Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 276 f.; Vollkommer in Zöller, § 32 Rz. 1; Bachmann, IPRax 1998, 179, 181; BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590, 1591.
605
K. Kollisionsrecht
dd) Art. 5 Abs. 3 EuGVVO: „Mittelpunkt der Interessen“ 2408
Art. 5 Abs. 3 EuGVVO ist nach Auffassung des EuGH1 bei einem Internetdelikt so zu verstehen, dass der Erfolgsort der Ort ist, an dem der „Mittelpunkt der Interessen“ des (vermeintlich) Geschädigten liegt.
2409
Die Veröffentlichung von Inhalten auf einer Website unterscheidet sich von der Verbreitung eines Druckerzeugnisses dadurch, dass es grundsätzlich auf die Ubiquität dieser Inhalte abzielt. Die Inhalte können von einer unbestimmten Zahl von Internetnutzern überall auf der Welt unmittelbar abgerufen werden, unabhängig davon, ob es in der Absicht ihres Urhebers lag, dass sie über seinen Sitzmitgliedstaat hinaus abgerufen werden, und ohne dass er Einfluss darauf hätte2.
2410
Die Auswirkungen eines im Internet veröffentlichten Inhalts auf die Persönlichkeitsrechte einer Person können nach Auffassung des EuGH am besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden können, an dem das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat. Daher entspreche die Zuweisung der Zuständigkeit an dieses Gericht dem zu beachtenden Ziel einer geordneten Rechtspflege3.
2411
Der Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen hat, entspricht im Allgemeinen ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Jedoch kann eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen auch in einem anderen Mitgliedstaat haben, in dem sie sich nicht gewöhnlich aufhält, sofern andere Indizien wie die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einen besonders engen Bezug zu diesem Staat herstellen können4.
2412
Die Zuständigkeit des Gerichts des Ortes, an dem das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat, steht mit dem Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften im Einklang, und zwar auch hinsichtlich des Beklagten, da der Urheber eines verletzenden Inhalts zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Inhalt im Internet veröffentlicht wird, in der Lage ist, den Mittelpunkt der Interessen der Personen zu erkennen, um die es geht. Das Kriterium des Mittelpunkts der Interessen ermöglicht sowohl dem Kläger, ohne Schwierigkeiten festzustellen, welches Gericht er anrufen kann, als auch dem Beklagten, vorherzusehen, vor welchem Gericht er verklagt werden kann5.
2413
Wenn Art. 5 Nr. 3 EuGVVO anwendbar ist, hat die Person, die sich in ihren Rechten durch Inhalte auf einer Website verletzt fühlt, die Möglich-
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EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 45 ff. EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 45. EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 48. EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 49. EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 50.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
keit, entweder bei den Gerichten des Staates, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Staates, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO), eine Klage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben. Anstelle einer Klage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann der Kläger nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auch Klagen vor den Gerichten jedes Staates erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind dann nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Staates des angerufenen Gerichts verursacht worden ist1.
Übersicht:
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Internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 3 EuGVVO bei Streit um Internet-Inhalte: – Handlungsort: Gerichte des Staates, in dem der Urheber der Inhalte niedergelassen ist; – einheitlicher Erfolgsort: Gerichten des Staates, in dem sich der Mittelpunkt der Interessen des Geschädigten befindet (in der Regel: Ort des gewöhnlichen Aufenthalts); – alternative Erfolgsorte: Gerichte jedes Staates, in dessen Hoheitsgebiet der Inhalt zugänglich ist oder war (nur Ersatz des in diesem Staat verursachten Schadens).
ee) § 32 ZPO: „Kollisionslage“ Nach Auffassung des BGH kommt es für die Bestimmung des Erfolgs- 2415 ortes bei der Anwendung des § 32 ZPO auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen – wie im Fall New York Times – darauf an, ob die im Internet abrufbaren Informationen objektiv einen Bezug zum Inland aufweisen. Dabei sei darauf abzustellen, ob im Inland eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts bzw. Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung – tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann2. Das einschränkende Kriterium der „bestimmungsgemäßen Abrufbar- 2416 keit“ der Website im Inland hält der BGH bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen für ungeeignet. Dieses Kriterium habe zwar bei marktbe-
1 EuGH vom 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising, Rz. 52; BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 217/08, Rz. 15; Brand, NJW 2012, 127, 128. 2 BGH vom 2.3.2010, WRP 2010, 653, 655; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 264; BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 111/10, Rz. 8.
607
K. Kollisionsrecht
zogenen Delikten wie Wettbewerbsverletzungen seine Berechtigung, nicht jedoch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung setze keine Marktbeeinflussung voraus, sondern trete unabhängig von den Intentionen des Verletzers mit der Kenntnisnahme des rechtsverletzenden Inhalts durch Dritte ein1. 2417
Die Differenzierung zwischen Persönlichkeitsrechtsverletzungen und marktbezogenen Delikten überzeugt nicht. Es trägt nicht zur Rechtssicherheit bei, bei Zuständigkeitsfragen unterschiedliche Kriterien zu verwenden je nachdem, ob es um eine marktbezogene Handlung geht, zumal die Abgrenzung schwierig ist2.
2418
Wie problematisch es ist, statt auf eine „bestimmungsgemäße Abrufbarkeit“ darauf abzustellen, ob eine inländische „Kollisionslage“ feststellbar ist, zeigt sich an der Argumentation des BGH im Falle der New York Times: Eine inländische „Kollisionslage“ sei anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Zeitungsmeldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintritt3. Eine solche Argumentation läuft darauf hinaus, das deutsche Sachrecht in die Beurteilung einer „Kollisionslage“ einfließen zu lassen. Wenn dann im Inland eine Persönlichkeitsrechtsverletzung (nach deutschem Sachrecht) feststellbar ist, führt dies zur Zuständigkeit deutscher Gerichte.
2419
Es ging im Falle der New York Times um einen englischsprachigen Beitrag über den in Deutschland wohnhaften Kläger. Dem Kläger wurden in dem Bericht verschiedene Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität vorgeworfen. Ein Inländer, der solche Vorwürfe im Internet liest, wird sich stets in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sehen; nach Auffassung des BGH wäre für eine entsprechende Klage offenkundig stets ein deutsches Gericht zuständig. Würde man stattdessen – zutreffend – darauf abstellen, ob sich die betreffende Internet-Publikation ersichtlich (auch) – bestimmungsgemäß – an deutsches Publikum wendet, führt dies zu einer differenzierenden Betrachtung, die tatsächlich das vom BGH postulierte Augenmaß bei der Auslegung der zuständigkeitserweiternden Normen des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und des § 32 ZPO verwirklicht.
2420
Besonders kritikwürdig an dem Urteil des BGH in Sachen New York Times ist, dass der BGH ein zentrales Argument außer Acht lässt, das nach 1 BGH vom 2.3.2010, WRP 2010, 653, 655; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 263 f.; vgl. auch Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rz. 229, 251. 2 Vgl. Degmair, K&R 2010, 341, 342 f. 3 BGH vom 2.3.2010, WRP 2010, 653, 656.
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
Auffassung der Vorinstanz für eine „Lokalisierung“ äußerungsrechtlicher Streitigkeiten und eine restriktive Auslegung des § 32 ZPO spricht. Das OLG Düsseldorf hatte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bejahung der internationalen Zuständigkeit im Bereich von Presseveröffentlichungen nicht selten das materielle Recht präjudiziert. Das Gericht betonte, dass unterschiedliche Rechtsordnungen bei der Auflösung des Konflikts zwischen Ehrschutz und Meinungs- und Pressefreiheit oft zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Die Anknüpfung an den Ort der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit für die Annahme der internationalen Zuständigkeit gewährleistet einerseits einen realen Bezug zum Forumstaat, weil sie sicherstellt, dass die Entscheidungsgewalt einem Gericht mit einem Mindestbezug zu der klärenden Sachfrage zufällt, und wahrt zum anderen die nötige Fairness gegenüber dem Beklagten, weil sie ein vorhersehbares und kalkulierbares Kriterium darstellt, anhand dessen der Beklagte sein Gerichtspflichtigkeitsrisiko durch sein eigenes Verhalten objektiv eingrenzen kann1. ff) § 32 ZPO: „deutlicher Inlandsbezug“ In einer jüngeren Entscheidung zu § 32 ZPO hat der BGH eine „Friedens- 2421 störung im Inland“2 nicht ausreichen lassen und einschränkend einen „deutlichen Inlandsbezug“3 verlangt. Es ging es um einen Streit zwischen zwei Parteien, die aus Russland stammten. Der Kläger wohnte in Deutschland, der Beklagte in den USA, und es ging um eine in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefasste Reisebeschreibung, die ein privates Zusammentreffen der Parteien und ihrer ehemaligen Mitschüler in Moskau schilderte. Der BGH vertrat die Auffassung, dass sich der notwendige Inlandsbezug 2422 nicht schon daraus herleiten lasse, dass der Kläger im Inland den Bericht abgerufen hat. Die Rechtfertigung für den Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung liege in der durch den Handlungs- oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum und in der geringeren Schutzwürdigkeit des Interesses des deliktisch handelnden Schuldners, an seinem Wohnsitz verklagt zu werden. Zweck der Vorschrift des § 32 ZPO sei es, einen Gerichtsstand dort zu eröffnen, wo die sachliche Aufklärung und Beweiserhebung in der Regel am besten, sachlichsten und mit den geringsten Kosten erfolgen kann. An einer solchen Sachnähe der deutschen Gerichte zu den Vorgängen in Moskau fehle es4.
1 OLG Düsseldorf vom 30.12.2008, NJW-RR 2009, 701, 702 f. 2 BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 111/10, Rz. 9. 3 BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 111/10, Rz. 13.; vgl. auch LG Schweinfurt vom 23.10.2012 – 22 O 934/10, Rz. 53; Lehr, NJW 2012, 705, 706. 4 BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 111/10, Rz. 13.
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K. Kollisionsrecht
2423
Würde der inländische Wohnsitz des Klägers als möglicher Schadensort ausreichen, um einen Gerichtsstand im Inland zu begründen1, wäre der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Auffassung des BGH schon nach deren schlüssiger Behauptung in allen Ländern eröffnet, in denen jemand – möglicherweise sogar zeitlich erst nach dem die Haftung begründenden Vorfall – einen Wohnsitz begründet. Es käme – in ähnlicher Weise wie bei der abzulehnenden Anknüpfung an die bloße Abrufbarkeit im Internet – zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten. Der Gerichtsstand wäre zufällig und beliebig2.
2424
Gegen einen deutlichen Inlandsbezug spreche, dass die angegriffenen Äußerungen in russischer Sprache und in kyrillischer Schrift abgefasst waren und über eine Website in russischer Sprache verbreitet wurden. Auch wenn russische Sprachkenntnisse in der Bevölkerung Deutschlands teilweise vorhanden seien, werde dadurch nicht ein besonderes Interesse an der Kenntnisnahme von dem Reisebericht in Deutschland begründet. Der Bericht wende sich ganz offensichtlich an die russischen Schulkameraden, die überwiegend in Russland leben3.
2425
Mit dem Kriterium des „deutlichen Inlandsbezugs“ legt der BGH § 32 ZPO deutlich restriktiver aus, als dies bei der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Abs. 3 EuGVVO der Fall ist. Es zeichnet sich ab, dass die Zuständigkeitsfrage künftig je nach Ursprungsland – außerhalb oder innerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO und damit der Auslegungshoheit des EuGH – unterschiedlich beantwortet wird4. gg) § 32 ZPO: bestimmungsgemäße Abrufbarkeit
2426
Der vom BGH geforderte „deutliche Inlandsbezug“ unterscheidet sich kaum noch von dem vorzugswürdigen Kriterium, ob die Webseite, gegen die der Verletzte vorgehen möchte, in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar ist. Dies ist nur der Fall, wenn sie hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Es muss daher ermittelt werden, ob sich die auf einer Webseite präsentierten Informationen bei einer objektiven Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erkennbar an deutsche Nutzer richten5.
1 2 3 4 5
Vgl. OLG Köln vom 11.9.2012 – 15 U 62/12, Rz. 19. BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 111/10, Rz. 14. BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 111/10, Rz. 15. Lehr, NJW 2012, 705, 707. Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch des Multimediarechts, Teil 25 Rz. 262; Bettinger, GRUR Int. 1997 402, 416; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 672; Danckwerts, GRUR 2007, 104, 107; Degmair, K&R 2010, 341, 342 f.; Sobola/ Woltersdorf, ITRB 2010, 257, 258 f.; LG Düsseldorf vom 9.1.2008, AfP 2008, 224, 226; LG Köln vom 26.8.2009, MMR 2010, 512 (Ls.).
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III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
Anhaltspunkte dafür, ob eine Webseite einen hinreichenden Inlandsbe- 2427 zug aufweist, können der sprachlichen Fassung, der inhaltlichen Gestaltung der Webseite, der Zahl der Zugriffe auf die Webseite durch inländische Internetnutzer und der Art der auf der Webseite angebotenen Produkte entnommen werden1. Wenn sich eine Website an Kunden des Internetanbieters wendet, ist für 2428 deren bestimmungsgemäße Abrufbarkeit maßgebend, ob sich im Inland – nach vernünftigen Maßstäben gemessen – Kunden befinden. Wenn ein Internetanbieter keinen Vertrieb seiner Waren oder Dienstleistungen über das Internet mit entsprechendem Postversand anbietet, so ist auf das realistische Einzugsgebiet potentieller Kunden abzustellen. Dies ist der Lebenserfahrung nach danach zu bemessen, welches Produkt bzw. welche Dienstleistung angeboten wird und wie die Versorgung mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung üblicherweise stattfindet. Für den Internetauftritt eines Übernachtungsbetriebes wird die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit in aller Regel sehr weitreichend sein, für kleinere Ladengeschäfte eher gering. Für sehr spezialisierte Waren oder Dienstleistungen ist von einer weitreichenden bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit auszugehen2. Ein starkes Indiz für eine Ausrichtung auf den deutschen Markt ist die 2429 Wahl der deutschen Sprache. Daher genügt es für die Annahme eines deutschen Erfolgsortes, wenn der Internetauftritt eines ausländischen Wettanbieters in deutscher Sprache gehalten ist und für die Zahlungen der Wetteinsätze ein Konto eines deutschen Bankinstitutes genannt wird3. Für einen hinreichenden Inlandsbezug genügt es nicht, dass auf einer 2430 englischen Website eine weltweite Belieferung von Kunden angeboten und die Bezahlung der Produkte außer in englischen Pfund auch in USDollar und Euro ermöglicht wird. Dies gilt jedenfalls, wenn die Internetseite mit einer .uk-Domain ausgestattet ist und neben der englischen nur die arabische, französische, polnische, russische, spanische und ukrainische Sprache verwendet wird4. Wenn der Internetauftritt eines niederländischen Anbieters international 2431 ausgerichtet, in deutscher Sprache gehalten und an deutschsprachige Europäer gerichtet ist, spricht dies ebenso für einen deutschen Erfolgsort. Unbeachtlich ist in einem solchen Fall der Hinweis auf „deutschsprachige Europäer“, der mit dem Zusatz „aber nicht an deutsche Adressen“
1 Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 672; LG Düsseldorf vom 9.1.2008, AfP 2008, 224, 226; LG Köln vom 26.8.2009, MMR 2010, 512 (Ls.). 2 LG München I vom 30.7.2009 – 7 O 13895/08, MMR 2010, 72 (Ls.). 3 Vgl. OLG Köln vom 21.4.2006, ZUM 2006, 648, 649. 4 OLG Köln vom 30.10.2007, K&R 2008, 115, 116.
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K. Kollisionsrecht
und der österreichischen Nationalflagge versehen ist. Zwar kann ein Disclaimer, mit dem der Werbende ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern, ein Indiz für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets sein1. Ein wirksamer Disclaimer setzt aber voraus, dass er klar und eindeutig gestaltet und auf Grund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen ist. Erheblich ist der Disclaimer zudem nur, wenn ihn der Werbende auch tatsächlich beachtet und nicht entgegen seiner Ankündigung gleichwohl in das vom Vertrieb (angeblich) ausgenommene Absatzgebiet liefert2. b) Wettbewerbsrecht 2432
Im Bereich des Wettbewerbsrechts bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und nach § 14 UWG3.
2433
Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sind deutsche Gerichte für wettbewerbsrechtliche Prozesse international zuständig, wenn der gerügte Wettbewerbsverstoß in Deutschland begangen worden ist. Hierfür genügt es, dass das schädigende Ereignis, das den Gegenstand des Prozesses bildet, in Deutschland eingetreten ist und somit der Erfolgsort bzw. Marktort4 in Deutschland liegt5. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, dass sich eine (beliebige) Schadensfolge in Deutschland verwirklicht hat6.
2434
Auch bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll7. Die Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab, dass
1 Vgl. Ubber, Markenrecht im Internet, S. 214; Fezer, Lauterkeitsrecht, Einl. I. Rz. 410; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 919; Hoeren, WRP 1997, 993, 998; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, CR 1999, 450, 451; KG vom 20.12.2001, GRUR Int. 2002, 448, 449 f. 2 BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rz. 3; Köhler in Köhler/Bornkamm, Einl. Rz. 5.50 ff.; OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 822, 823; OLG Köln vom 17.12.1969, NJW 1970, 476, 477. 4 Vgl. OLG Stuttgart vom 17.2.2011 – 2 U 65/10, Rz. 140. 5 Köhler in Köhler/Bornkamm, Einl. Rz. 5.54. 6 Köhler in Köhler/Bornkamm, Einl. Rz. 5.54. 7 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 14 Rz. 75; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435 ff. – Hotel Maritime; OLG München vom 15.11.2001, CR 2002, 449, 451; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, K&R 1999, 138 f. mit Anm. Kotthoff = MMR 1999, 427 = CR 1999, 450 f. = NJW-CoR 1999, 302 f. mit Anm. Ernst; OLG Frankfurt a.M. vom 24.5.2012 – 6 U 103/11, Rz. 16 ff.; OLG Bremen vom 17.2.2000, CR 2000, 770, 771.
612
III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist1. Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO richtet sich die inter- 2435 nationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Wettbewerbssachen nach § 14 UWG. Hat der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung bzw. seinen Wohnsitz in Deutschland, so ergibt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 14 Abs. 1 Satz 1 UWG. Ist dies nicht der Fall, so ist es für die Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 UWG ausreichend, dass sich der Beklagte dauerhaft oder vorübergehend in Deutschland aufhält2. Fehlt es an einem inländischen Aufenthaltsort des Beklagten, so kann sich ein inländischer Gerichtsstand aus einem inländischen Tatort ergeben (§ 14 Abs. 2 Satz 1 UWG). c) Urheberrecht Im Bereich des Urheberrechts finden Art. 5 Nr. 3 EuGVVO3 und § 32 2436 ZPO4 Anwendung. Wird ein in Deutschland geschütztes Urheberrecht verletzt und tritt somit in Deutschland der Verletzungserfolg gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und § 32 ZPO ein, so kann der deutsche Verletzte gegen den ausländischen Schädiger seine Rechte vor einem deutschen Gericht geltend machen. Wird ein Urheberrecht verletzt, das durch eine ausländische Rechtsordnung geschützt ist, so tritt der Verletzungserfolg stets im Ausland ein, so dass sich eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nur dann bejahen lässt, wenn der Schädiger seinen Wohnsitz in keinem EU-Mitgliedsstaat hat und die Schädigungshandlung im Inland begangen worden ist (§ 32 ZPO). Die unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung eines urheberrecht- 2437 lich geschützten Werkes (vgl. § 19a UrhG) stellt eine unerlaubte Handlung dar. Der Erfolgsort ist dort, wo die Internetseite nach der Intention des für die Internetseite Verantwortlichen bestimmungsgemäß aufgerufen wird5. Um die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit bestimmen zu können, ist auf die Sichtweise eines neutralen und vernünftigen Beobachters abzustellen. Kriterium ist die aus der Ausgestaltung des Internetauftritts ersichtliche Zielrichtung. Besondere Konstellationen, die jemanden dazu
1 BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435 ff. – Hotel Maritime; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren. 2 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 14 Rz. 5 ff.; OLG Hamburg vom 18.12.1986, GRUR 1987, 403, 403 f. 3 Vgl. Glöckner, WRP 2005, 795, 798. 4 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rz. 13; BGH vom 7.12.1979, GRUR 1980, 227, 229 f.; OLG München vom 15.2.1990, GRUR 1990, 677. 5 Vgl. LG Karlsruhe vom 16.12.2011 – 14 O 27/11, Rz. 45.
613
K. Kollisionsrecht
veranlassen könnten, nach dem Internetauftritt eines bestimmten Unternehmens zu suchen, sind nicht zu berücksichtigen1. 2438
Bei einer österreichischen Website reichen weder der (deutsche) Standort des Servers noch die Angabe der internationalen Vorwahl „+43“ und der internationalen Länderkennung „A“ aus, um in einem Urheberechtsprozess eine bestimmungsgemäße Abrufbarkeit der Website in Deutschland und damit eine Zuständigkeit deutscher Gerichte zu begründen2.
2439
Art. 5 Abs. 3 EuGVVO ist nicht auf Verfahren über die Erteilung einer richterlichen Anordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG anwendbar, da es sich bei diesen Verfahren nicht um kontradiktorische Auskunftsverfahren in Zivil- und Handelssachen (Art. 1 Abs. 1 EuGVVO) handelt3. d) Markenrecht
2440
Für Ansprüche, die sich auf die Verletzung von Markenrechten stützen, gilt § 32 ZPO4. Vorrangig zu beachten sind allerdings Art. 22 Nr. 4 und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO5.
2441
Nach Art. 22 Nr. 4 EuGVVO sind für markenrechtliche Klagen ausschließlich die Gerichte des Staates zuständig, in dem die Eintragung der Marke erfolgt ist6. Der Anwendungsbereich des Art. 22 Nr. 4 EuGVVO ist jedoch eng7. Unter die Zuständigkeitsnorm fallen lediglich Klagen, die die Eintragung oder Gültigkeit von Marken betreffen, nicht jedoch andere Streitigkeiten wie beispielsweise ein Prozess über die Frage, welchem von mehreren angemeldeten Schutzrechten Priorität gebührt8.
2442
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 22 Abs. 4 EuGVVO ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte immer dann zu bejahen, wenn ein deutscher Erfolgsort oder Handlungsort gegeben ist (Art. 5 Nr. 3
1 2 3 4 5 6 7 8
LG München I vom 30.7.2009, NJOZ 2010, 449. OLG München vom 2.2.2012 – 29 U 3538/11, 51 f. OLG München vom 12.9.2011 – 29 W 1634/11, Rz. 13. Haecker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, § 140 Rz. 22, § 141 Rz. 1; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, § 141 Rz. 2; Vollkommer in Zöller, § 32 Rz. 9; Ubber, WRP 1997, 497, 502. Vgl. OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 822, 823. Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rz. 195; OLG München vom 16.6.2005, CR 2006, 347, 347. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 EuGVVO Rz. 45. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 EuGVVO Rz. 46.
614
III. Internationale Zustndigkeit deutscher Gerichte
EuGVVO1 und § 32 ZPO). Deutsche Gerichte sind demnach international zuständig, wenn entweder ein deutsches Markenrecht verletzt ist2 und somit ein deutscher Erfolgsort vorliegt oder die Handlung, durch die ein (ausländisches) Markenrecht verletzt wurde, in Deutschland begangen wurde3. Für die Bestimmung des kennzeichenrechtlichen Erfolgsorts nach § 32 2443 ZPO ist erforderlich, dass sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auch an inländisches Publikum richtet4.
1 Vgl. Glöckner, WRP 2005, 795, 798; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1435 – Hotel Maritime. 2 Vgl. EuGH vom19.4.2012 – C-523/10 – Wintersteiger, Rz. 27 ff. 3 EuGH vom19.4.2012 – C-523/10 – Wintersteiger, Rz. 30 ff. 4 Fezer, Markenrecht, Einl. I. Rz. 4; v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, Anh. zu § 5 Rz. 26; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. Rz. 48; Ubber, Markenrecht im Internet, S. 209; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 669; Hoeren, NJW 1998, 2849, 2851; KG vom 25.3.1997, NJW 1997, 3321, 3321; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, K&R 1999, 138 f. mit Anm. Kotthoff = MMR 1999, 427 = CR 1999, 450 f. = NJW-CoR 1999, 302 f. mit Anm. Ernst; OLG Bremen vom 17.2.2000, CR 2000, 770, 771; OLG München vom 8.10.2009, IPRB 2010, 105 f. (Luckhaus); LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159, 160; a.A. OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, MMR 2002, 814, 815; OLG München vom 15.11.2001, CR 2002, 449, 450.
615
Annex Datenschutz im 21. Jahrhundert
I. Kein Eigentum an Daten . . . . .
Rz. 7
II. Kein Schutz von Daten . . . . . .
13
III. Kein „Recht auf Vergessen(werden)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
IV. „Big Data“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. 1. 2. 3.
Profiling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Diffuse Bedrohlichkeit“ . . . .
VI. Das Ende der Datensparsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Schutz vor Missbrauch und Diskriminierung . . . . . . . . . . . . 1. Pseudonymität und Anonymität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. 3. 4. 5.
Diskriminierungsschutz . . . . . Schutz der digitalen Identität Schutz gegen Marktmacht . . . Schutz gegen staatlichen Zugriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Accountability . . . . . . . . . . . . . .
31 VIII. „IT-Grundrecht“ – der schlummernde Riese . . . . . . . . 38 1. Profiling als Anwendungsfall. 38 2. Das Ende der Anonymität. . . . 40 3. Die „diffuse Bedrohlichkeit“ . 42 4. Transparenz statt Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen aus dem 44 „IT-Grundrecht“ . . . . . . . . . . . . a) Originäre Anonymität und Pseudonymität . . . . . . . . . . . b) Verbot der Identifizierung . 49 c) Transparenz . . . . . . . . . . . . . . 50
Rz. 58 59 62 69 71 74 77 82 87 90 93 95 96 99
Die vernetzte Informationsgesellschaft eröffnet Chancen, die noch vor 1 zwei Jahrzehnten unvorstellbar waren: Das Internet gibt Menschen in aller Welt die Gelegenheit, sich frei und unzensiert zu informieren. Die Ereignisse im arabischen Raum haben vor einigen Jahren deutlich gemacht, dass es Regierungen nicht mehr möglich ist, ihre Bürger von Informationen abzuschotten. Die Occupy-Bewegung und die Entwicklung der „Piraten“ sind hierzulande Beispiele dafür, dass das Internet die Ausübung von Freiheitsrechten fördern kann und neue Organisationsformen ermöglicht1. Auch für die wirtschaftliche Entwicklung bietet das Netz neuen Freiraum: Indem Kunden in aller Welt direkt angesprochen werden, verkürzt sich der Weg neuer Unternehmen zum Markt. Das rasante Wachstum von Unternehmen wie Google, Ebay, Amazon und Facebook liefert hierfür faszinierendes Anschauungsmaterial.
1 Vgl. Härting/Schneider, ZRP 2011, 233 ff.; Schneider/Härting, Leitlinien des Datenschutzes, www.schneider-haerting.de/2011/09/leitlinien-des-datenschutzes; Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme zu dem Gesamtkonzept des datenschutzes in der Europäischen Union, Stellungnahme 4/2011, www.anwaltver ein.de/downloads/Stellungnahmen-11/SN4-2011.pdf; Stellungnahme der DGRI zur DS-GVO vom 21.12.2011, www.dgri.de/index.php/fuseaction/download/lrn_ file/stellungnahme-dgri-datenschutzvo.pdf.
617
Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
2
Der Schutz der freien Kommunikation geht sehr weit. Auch dilettantischer Journalismus, selbstdarstellerische Blogs und saftige Klatschgeschichten sind durch Art. 5 GG, Art. 10 EMRK und Art. 11 EU-GRCh geschützt. Der freie Informationsaustausch steht auch dann unter Grundrechtsschutz, wenn er über das Internet erfolgt und wenn dabei Plattformen amerikanischer Anbieters wie Facebook, Google, Twitter oder Apple genutzt werden. Dass diese Plattformen nicht aus idealistischen Gründen, sondern aus „Gewinnstreben“ betrieben werden, kann man den Betreibern nicht zum Vorwurf machen. Eine Meinungsäußerung ist auch dann durch Art. 5 GG, Art. 10 EMRK und Art. 11 EU-GRCh geschützt, wenn sie über ein kommerzielles Medium erfolgt1. Und ein gewisser kommerzieller Erfolg schafft vielfach überhaupt erst die notwendigen Grundlagen für eine freie Kommunikation2.
3
In der Abwägung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit von Informationen gibt es keine „natürliche“ Default-Einstellung. Wer Informationen über sich preisgibt, liefert sich damit nicht dunklen Mächten jenseits jeder Kontrolle aus3. Die Preisgabe ist ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Kommunikation. Und wer mit Alarmismus den Informationsaustausch beobachtet, hält Kommunikation für per se gefährlich, ohne dass sich ein rationaler Grund für ein solches Misstrauen nennen ließe.
4
Seltene Krankheiten oder erotische Vorlieben, Probleme mit einem Arbeitgeber oder mit einem Unternehmen, dessen Kunde man ist: Das Netz bietet unendliche Möglichkeiten des Austauschs mit Gleichgesinnten. Wer einmal mit einer Selbsthilfegruppe von Kranken gesprochen hat, die sich online gefunden haben, gewinnt eine Ahnung von dem Solidarisierungspotential4, das dem Netz zueigen ist.
5
Tim Berners-Lee, der als Vater des World Wide Web gilt, hat auf die Chancen aufmerksam gemacht, die die vernetzte Datenflut eröffnet. Die Datenbestände, die bei Google und Facebook gespeichert sind, eignen sich nicht nur zum sinistren Missbrauch. Sie stellen einen Fundus dar, der eine Auswertung in vielfacher Hinsicht ermöglicht5: „Mein Computer weiß viel ber meine kçrperliche Fitness, meine Essgewohnheiten und die Orte, an denen ich mich aufhalte. Mein Telefon versteht von allein, wie viel Sport ich getrieben habe, wie viele Treppen ich gelaufen bin und so fort.“
1 2 3 4
EGMR vom 10.1.2013 – 36769/08, Rz. 34. Vgl. EuGH vom 16.12.2008 – C-524/06, CR 2009, 229. Heller, Post-Privacy, S. 106. Vgl. Heller, Post-Privacy, S. 134 mit überschießendem Pathos: „Um einander zu finden, muss man einander erkennbar werden“. 5 Berners-Lee: demand your data from Google and Facebook, The Guardian, 18.4.2012, www.guardian.co.uk/technology/2012/apr/18/tim-berners-lee-googlefacebook.
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I. Kein Eigentum an Daten
Die Kommunikation vieler mit vielen auf unterschiedlichen Wegen und 6 Kanälen, über alle Grenzen, von stationären und mobilen Endgeräten bildet den Kern und das Herzstück der Funktionen, die das Internet in erfüllt. Dabei darf man nicht übersehen, dass sich die digitale Informationsgesellschaft noch am Anfang ihrer Entwicklung befindet. Die Parallele zur Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg (ca. 1455) ist nicht übertrieben: Im Jahre 2013 befinden wir uns noch nicht einmal im Jahr 20 nach dem Beginn der Massenkommunikation über das Internet. Dies entspricht in Buchdruck-Jahren ungefähr dem Jahr 14751.
I. Kein Eigentum an Daten Häufig kommt es zu Kollisionen zwischen der freien Kommunikation 7 und Persönlichkeitsrechten2. Diese Konfliktlagen sind keineswegs neu, werden jedoch verschärft und verzerrt durch eine eindimensionale Wahrnehmung, die viele Diskussionen um den Datenschutz im Netz prägt und die sich in einem weit verbreiteten Satz zuspitzt: „Meine Daten gehören mir“3. Der Satz ist ebenso populär wie verkehrt. Schon in seinem Volkszäh- 8 lungsurteil hat das BVerfG4 betont, dass es kein absolutes Herrschaftsrecht des Einzelnen über „seine“ Daten gibt. Jegliche Anleihen an eigentumsähnliche Befugnisse („meine Daten“) gehen fehl. Der Einzelne ist eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Informationen, auch soweit sie personenbezogen sind, stellen ein „Abbild sozialer Realität“ dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann5. Telefonnummern und andere Kontaktdaten sind ein gutes Beispiel für die 9 „soziale Realität“, die das BVerfG meint. Kontaktdaten dienen der Kommunikation und werden daher ganz selbstverständlich von jedem gespeichert, der mit der betreffenden Person kommunizieren möchte. Wenn es allein der Entscheidung des „Inhabers“ einer Telefonnummer oder einer Adresse überlassen wäre, wer wann und wie lange die Kontaktdaten speichern darf, würde dies die soziale Interaktion gravierend beeinträchtigen. Kontaktdaten „gehören“ weder dem „Inhaber“ der Daten noch einer Person, die diese Daten auf einem Endgerät gespeichert hat: „Informationen sind das Fluidum unseres Zusammenlebens: Sie sind nicht nur wertvolle Ware in Auskunfteien, nicht nur Gegenstand aller Medien und der Wis-
1 2 3 4 5
Vgl. Noughton, From Gutenberg to Zuckerberg, London 2012, S. 11. Härting, AnwBl 2011, 246, 248 ff. Künast, ZRP 2008, 201 ff. BVerfG, 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung. BVerfG, 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert senschaft. Alle Dienstleistungen werden von den ausgetauschten Informationen meist ganz persçnlicher Art geprgt; jeder Vertrag, jeder Gteraustausch wird von Informationen mehr oder weniger bedeutsam begleitet. Alle Informationen ber die Ware, ihren Schçpfer und seine Marktstellung, ber seine Vertrauenswrdigkeit, seinen Charakter und seine Bonitt sind, mçglichst detailliert, von Belang.“1
10
Die Datenbestände, die bei der Auswertung des Verhaltens eines Internetnutzers anfallen, stellen einen erheblichen wirtschaftlichen Wert dar. Sie werden mit einigem Recht als „digitales Gold“ bezeichnet und sind die Basis der Geschäftsmodelle vieler Internetanbieter. Dennoch ist die (verbreitete) Vorstellung verfehlt, dass „die Daten“ den Nutzern gehören und den Online-Anbietern als „Entgelt“ für deren Dienstleistungen überlassen werden: „Personenbezogenen Informationen sollten weder als alleiniges Gut des Nutzers angesehen werden … noch ausschließlich als Eigentum des datenverarbeitenden Unternehmens … Stattdessen sollten personenbezogene Informationen als wertvolle gemeinsame Ressource behandelt werden und als Basis fr Wertschçpfung und Innovation.“2
11
Solange Daten über besuchte Internetseiten nur dem jeweiligen Nutzer zur Verfügung stehen, haben sie keinen messbaren Wert. Zu einem Wirtschaftsgut werden die Daten erst durch ihre Anhäufung, Zusammenführung und Auswertung beim Online-Dienst.
12
Ebenso wenig lässt sich von einem „Kontrollrecht“ des Nutzers ausgehen. Niemand hat ein (quasi-natürliches) Kontrollrecht über Informationen, die die eigene Person betreffen. Würde man dies anders sehen, läge in jedem zwischenmenschlichen Kontakt ein Eingriff in die Privatsphäre. Was andere über mich wahrnehmen, entzieht sich im zwischenmenschlichen Umgang jeder Kontrolle, zumal die Wahrnehmungen Informationen sind, die sich zwar auf meine Person beziehen, deren Entzug jedoch einen Informationsverlust bedeutet, der sich nicht legitimieren lässt. Ebenso wenig wie es Eigentum an Informationen geben kann, lassen sich Kontrollrechte begründen und abgrenzen: „Anders als kçrperliche Gegenstnde kçnnen Informationen gleichzeitig den Kçpfen von Millionen Menschen gleichzeitig gehçren … Die Komplexitt personenbezogener Informationen liegt darin, dass sie sowohl Ausdruck des Individuums sind als auch Tatsachen – die historische Aufzeichnung des individuellen Verhaltens.“3
1 Giesen, Brüssels Griff nach dem Datenschutz ist demokratiewidrig, Süddeutsche Zeitung v. 18.5.2012, http://www.sueddeutsche.de/digital/digitale-buerger rechte-bruessels-griff-nach-dem-datenschutz-ist-demokratiewidrig-1.1360023. 2 Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 269, http://scholarlycommons. law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1. 3 Solove, Understanding Privacy, Cambridge/London 2009, S. 27.
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III. Kein „Recht auf Vergessen(werden)“
II. Kein Schutz von Daten Daten an sich sind belanglos, langweilig und ignorant. Sie bestehen aus 13 Einsen und Nullen1 und sind – für sich betrachtet – weder nützlich noch riskant. Daher bedürfen Daten per se weder eines besonderen Schutzes, noch müssen Individuen oder die Gesellschaft gegen Daten geschützt werden. Datenschutz kann daher nie Selbstzweck sein. Von einem Datum als solchem geht keine Gefahr aus. Erst wenn die Da- 14 ten – allein oder i.V.m. anderen Daten bzw. Informationen – Rückschlüsse darauf zulassen, dass ein bestimmter Internetnutzer sich auf Internetseiten mit pikantem Inhalt bewegt hat, ist die Privatsphäre des Nutzers berührt. Die Daten erlangen einen Informationswert, der die Persönlichkeitsrechte beeinträchtigen kann2. Da es nicht um den Schutz eigentumsähnlicher Rechte geht, geht es 15 auch nicht um den Schutz von Daten, sondern um den Schutz vor Daten. Daten sind nicht mehr und nicht weniger als Mittel zum Zweck. Es geht um den Schutz der Bürger- und Persönlichkeitsrechte vor unerwünschten Folgen von Informationen, die Staat und Wirtschaft sammeln. Datenschutz heißt Schutz gegen Menschen, nicht jedoch Schutz gegen 16 Rechner. Hierauf hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum Abgleich von Kreditkartendaten zu Recht hingewiesen, als es einen Grundrechtseingriff verneinte, solange der (millionenfache) Eingriff computergesteuert und ohne positives Ergebnis verlief. Ein Grundrechtseingriff sei nur in den wenigen „Verdachtsfällen“ zu bejahen, in denen der Abgleich positiv endete mit der Folge, dass die Ermittler Kenntnis von den Daten der einzelnen Kreditkartenabrechnungen erhielten. Die Bedrohung von Grundrechten geht nach der Sichtweise des BVerfG nicht von der Technik aus, sondern von Menschen, die mittels Technik Kenntnis von Daten erhalten können3.
III. Kein „Recht auf Vergessen(werden)“ Unter den Bedingungen der digitalen Informationsgesellschaft ist jedes 17 Datenschutzrecht zwangsläufig zugleich ein Akt der Kommunikationsregulierung. Populäre Forderungen wie das von der EU-Kommission propagierte „Recht auf Vergessenwerden“4 werfen die Frage auf, inwieweit hierdurch übermäßig in die Kommunikationsfreiheit eingegriffen wird.
1 2 3 4
Heller, Post-Privacy, S. 48. Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 64; Schneider/Härting, ZRP 2011, 233. Vgl. BVerfG vom 17.2.2009, NJW 2009, 1405, 1407 – Kreditkartendaten. Vgl. Härting, BB 2012, 459, 464.
621
Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
18
Das „Recht auf Vergessenwerden“ steht im Zeichen der Datensparsamkeit, schont die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, hat jedoch zugleich ein doppeltes Gesicht. In ihrem Jahresbericht 2012 zu den „Feinden des Internet“ bezeichnet die Organisation „Reporter ohne Grenzen“1 das von der EU-Kommission vorgeschlagene „Recht auf Vergessenwerden“ als Bedrohung der freien Netzkommunikation („threat … to online free speech“).
19
Ein Beitrag aus „The European“ zum „Right To Be Forgotten“, beginnt lyrisch: „Es gab Zeiten, da gab es ein Recht auf Vergessen. Da hat man, als Schluss war, den Packen Liebesbriefe genommen, und dramatisch in Flammen aufgehen lassen – und dann ward nie wieder gelesen, was einst zwei Herzen schrieben.“2
20
Und Viktor Mayer-Schönberger erinnerte im Jahre 2012 kurz vor Thanksgiving in der „Washington Post“ ganz sentimental an gute alte Zeiten: „Wenn man sich am Thanksgiving-Tisch gegenbersaß und die Wrme der Familie sowie das Aroma der Kastanienfllung genoss, hat man sich zumeist nicht an die boshafte Bemerkung erinnert, die Tante Jennifer ber Dich vor einigen Jahren fallen ließ. Man hat der unfreundlichen Anspielung nicht nachgehangen, die Onkel Julio letztes Weihnachten ber Deine Trinkgewohnheiten zum Besten gab, oder den Sprchen von Cousin Duwan ber Deine Freundin in den schrecklichen Ferien am Strand. Zu Familienfesten umarmen wir fr gewçhnlich unsere Verwandten, auch wenn wir sie seit Monaten oder Jahren nicht gesehen haben, trotz aller Auseinandersetzungen, die wir mit ihnen in der Vergangenheit hatten.“3
21
Das befreiende Gefühl beim Verbrennen alter Briefe, die milde Gnade beim Vergessen familiären Streits: All diese Segnungen der guten vordigitalen Zeit sollen in Gefahr sein, wenn über Facebook, Google, Twitter und Co. die Zeugnisse der Vergangenheit auf alle Ewigkeiten abrufbar bleiben. So oder ähnlich klingt die Begleitmusik, mit der die Einführung eines „Rechts auf Vergessen“ gefordert wird. Und man ist leicht versucht, in diese Musik einzustimmen, wissen wir doch alle, wie heilsam es ist, wenn das menschliche Gedächtnis selektiert: Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die schönen Stunden nur! Gar nicht auszudenken, wenn das „Vergessen“ im digitalen Zeitalter in Gefahr wäre.
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Die EU-Kommission spricht bezeichnenderweise im Passiv: Es geht ihr nicht um ein „Right To Forget“, sondern um ein „Right To Be Forgotten“. Und dies aus gutem Grund. Ein „Right To Forget“ wäre nachgerade unsinnig. In Zeiten, in denen ein Buch mit dem flotten Titel „Digitale 1 Reporters Without Border, Internet Enemies Report 2012 vom 12.3.2012, S. 6, http://en.rsf.org/IMG/pdf/rapport-internet2012_ang.pdf. 2 Ulrich, Gelöscht, niemals verloschen, The European v. 31.1.2012, http://www. theeuropean.de/wolf-christian-ulrich/9762-facebooks-umgang-mit-daten. 3 Mayer-Schönberger, Why we need to let our online memories go, Washington Post v. 23. November 2012, http://articles.washingtonpost.com/2012-11-23/opi nions/35509224_1_memories-digital-age-human.
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III. Kein „Recht auf Vergessen(werden)“
Demenz“ zum vieldiskutierten Bestseller wird1, kann man schwerlich, dass das „Vergessen“ in Gefahr ist. In Gefahr sind allenfalls die Konversation und die Interaktion: „Menschliche Beziehungen sind vielfltig; sie sind chaotisch und herausfordernd. Wir haben gelernt, Beziehungen mit Hilfe von Technologie aufzurumen. Und der bergang vom Gesprch zur Verbindung gehçrt dazu. Doch ist dies ein Vorgang, bei dem wir uns selbst betrgen. Schlimmer noch, allem Anschein nach hçren wir mit der Zeit auf, uns dafr zu interessieren, wir vergessen den Unterschied.“2
Bei der täglichen Informationsflut, der wir ausgesetzt sind, ist die Merk- 23 fähigkeit das Problem und nicht die Fähigkeit des Vergessens. Und natürlich können und wollen weder Mark Zuckerberg noch Larry Page Menschen das Verbrennen von Briefen oder das Verdrängen familiärer Konflikte verbieten. Der Facebook-Nutzer des 21. Jahrhunderts vergisst aller Wahrscheinlichkeit nach so viel und so selektiv, wie dies bei den „fernsehsüchtigen“ Großstadtkindern der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts der Fall war. Für ein gesetzliches „Recht auf Vergessen“ würde es an jeglichem Sachverhalt fehlen, auf den sich ein solches Recht stützen ließe. Es ist daher konsequent, wenn kein „Recht auf Vergessen“, sondern ein „Recht auf Vergessenwerden“ gefordert wird. Allerdings: Liebesbriefe, familiäres Thanksgiving – Die Parallelen zur 24 analogen Vergangenheit werden bei einem „Recht auf Vergessenwerden“ mehr als absurd. Wenn mein Ex-Geliebter meine uralten, vor peinlichungelenken Liebesbekenntnissen triefenden Briefe in einer Schatztruhe verwahrt, war und ist dies sein gutes Recht. Als Verfasser der Liebesbriefe habe ich kein Recht, die Vernichtung der Briefe zu verlangen. Noch viel weniger habe ich das Recht, von dem Verflossenen „vergessen zu werden“. Und auch das Thanksgiving-Beispiel eignet sich nicht als Beleg für ein 25 natürliches Recht auf „Vergessenwerden“. Nicht alle Familientreffen verlaufen so harmonisch, wie dies im Hause Mayer-Schönberger der Fall zu sein scheint. Und so geschieht es, dass der Vater den Sohn oder die Mutter die Tochter zu Weihnachten gerne an picklige Jugendliebschaften oder die Lieblings-Boy-Band der Teenagerzeit und die knallgrün gestrichenen Wände des Kinderzimmers erinnert. Sohn und Tochter fluchen heimlich und wünschen sich, diese alten Geschichten mögen doch endlich „vergessen werden“. Die Einführung eines Rechts, von Familie, Nachbarn und Freunden das „Vergessenwerden“ peinlicher Jugendsünden zu verlangen, hat bis dato noch niemand verlangt. 1 Vgl. Kempf, Analoge Ignoranz spielt mit den Ängsten der Menschen, FAZ online v. 3.10.2012, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitale-demenz-analoge-ig noranz-spielt-mit-den-aengsten-der-menschen-11906366.html. 2 Turkle, The Flight From Conversation, New York Times vom 21.4.2012, http://www.nytimes.com/2012/04/22/opinion/sunday/the-flight-from-conversa tion.html?pagewanted=1&_r=3.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
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Bei einem „Recht auf Vergessenwerden“ geht es nicht um Informationen in „meinem Gedächtnis“, sondern um Informationen im Gedächtnis der Mitmenschen. Und an diesen Informationen habe ich keine Rechte. Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen umfasst nicht das Recht, darüber zu bestimmen, wie man selbst wahrgenommen wird. Oder mit den Worten des BVerfG: „Das Persçnlichkeitsrecht verleiht seinem Trger keinen Anspruch darauf, nur so in der ffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist.“1
27
Auch in einem Bericht, den die EU-Agentur ENISA im November 2012 veröffentlicht hat, wird ein „Recht auf Vergessenwerden“ kritisch gewürdigt2. Die für die Netz- und Informationssicherheit zuständige Agentur gibt zu bedenken, dass das „Recht auf Vergessenwerden“ bislang nur sehr vage definiert wird. So sei nicht ersichtlich, wer zur Ausübung eines „Rechts auf Vergessenwerden“ berechtigt sein soll, wenn sich Informationen auf mehrere Personen beziehen (Beispiel: ein Foto mit mehreren Personen). Zudem sei der genaue Inhalt des Anspruchs unklar. Schließlich bleibe offen, ob das „Recht auf Vergessenwerden“ ein Recht auf vollständige Beseitigung und Vernichtung von Daten bedeute oder ob es ausreiche, dass die jeweiligen Inhalte über Suchmaschinen oder auf ähnlich Weise nicht mehr auffindbar sind.
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Wie problematisch ein „Recht auf Vergessenwerden“ ist, demonstriert ENISA anhand von zwei Beispielen mit jeweils zwei Personen, deren Informationsinteressen betroffen sind: „Man stelle sich einmal ein Foto vor, auf dem Alice und Bob zu sehen sind bei einer Aktivitt an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Wenn man einmal annimmt, Alice wolle das Foto vergessen, whrend Bob darauf besteht, dass es erhalten bleibt. Wessen Wnsche sollen den Ausschlag geben? Was geschieht, wenn eine Vielzahl von Personen auf einem Gruppenfoto zu sehen ist? Wer soll berechtigt sein zu entscheiden, ob und wann das Foto vergessen werden soll? Weiteres Beispiel: Bob nimmt einen Tweet teilweise in einen lngeren eigenen Blogbeitrag auf. Wenn Alice zu einem spteren Zeitpunkt ihr Recht auf Beseitigung des Tweets ausbt, was bedeutet dies fr Bobs Blogbeitrag? Muss Bob den gesamten Beitrag lçschen? Muss er den Tweet aus dem Beitrag entfernen und seinen Beitrag umschreiben? Welche Kriterien sollen fr die Entscheidung gelten?“3
29
Die Beispiele belegen eindrucksvoll, dass sich Informationen nicht ohne Weiteres einer Person zuordnen lassen. Daten und Informationen sind
1 BVerfG, Beschl. v. 8.6.2010 – 1 BvR 1745/06. 2 Druschel/Backes/Tirtea, ENISA Report „The right to be forgotten – between expectations and practice“, http://www.enisa.europa.eu/activities/identity-andtrust/library/deliverables/the-right-to-be-forgotten/at_download/fullReport. Zu technischen Problemen siehe Kalabis/Selzer, DuD 2012, 670 ff. 3 Druschel/Backes/Tirtea, a.a.O., S. 7.
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IV. „Big Data“
(auch) ein „Abbild sozialer Realität“1. Und es versteht sich von selbst, dass es keine Individualrechte an dieser „Realität“ geben kann. Zum „Abbild sozialer Realität“ gehört auch das „kollektive Gedächtnis“ 30 – eine zivilisatorische Errungenschaft, der wir Archive, Museen und eine moderne Geschichtsschreibung verdanken. Was soll aus diesem Kulturgut werden, wenn Einzelpersonen darüber entscheiden dürften, welche Information „vergessen werden?
IV. „Big Data“ Schon seit langem geht es bei der Verarbeitung von Daten nicht mehr pri- 31 mär um Kausalität, sondern um Korrelation2. Je umfassender die Datenmenge ist („Big Data“), desto intelligenter wird die Korrelation3. Jede Vergrößerung von Datenmengen erhöht die Wahrscheinlichkeit von Erkenntnissen, die aus den Daten gewonnen werden können. Hierin liegt ein grundlegender Unterschied zum menschlichen Denken. Dem Gehirn droht bei großen Mengen an Informationen die Überforderung. Bei der Datenverarbeitung schaffen große Mengen an Informationen dagegen immer wieder neue Möglichkeiten, durch Verknüpfungen Erkenntnisse zu gewinnen4. Computernetze lassen sich unter den heutigen technischen Gegebenheiten nicht mehr überfordern. Eines der zahlreichen Anwendungsgebiete von Big Data ist die Astrono- 32 mie, die bereits seit vielen Jahren durch die Innovationskraft von „Big Data“ revolutioniert wird. Teleskope werden immer leistungsfähiger und produzieren ein Datenvolumen, das sich jedes Jahr verdoppelt: „Man stelle sich einmal alle Daten vor, die die Menschen in der langen Geschichte der Astronomie gesammelt haben … Wenn wir diese Daten in Bit ausdrcken wrden, der Maßeinheit unserer Tage, wre die Zahl astronomisch. Damit aber nicht genug: Schon nchstes Jahr wird sich die Zahl verdoppelt haben, ein Jahr spter wird sie sich erneut verdoppelt haben, und so weiter und so fort.“5
„Big Data“ macht es möglich, die ständig wachsende Menge von „Rohda- 33 ten“ zu verarbeiten und zu analysieren. Maßgeblich sind dafür vor allem zwei Umstände: – Da Speicherplatz in (nahezu) unbegrenztem Umfang vorhanden ist, setzt eine Datenanalyse nicht mehr eine Vorauswahl „repräsentativer“ 1 BVerfG, Urt. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. zu C.II.1.b), Rz. 150. 2 Vgl. Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, New York 2013, S. 50 ff. 3 Heller, Post-Privacy, S. 64. 4 Vgl. Heller, Post-Privacy, S. 64 f. 5 Andersen, How Big Data is changing Astronomy (Again), The Atlantic v. 19.4.2012, http://www.theatlantic.com/technology/archive/2012/04/how-big-da ta-is-changing-astronomy-again/255917.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
Daten voraus. Es können vielmehr alle Daten in die Analyse einbezogen werden1. – Die Analyse der Daten stützt sich auf Algorithmen, das heißt auf Rechenformeln, die ständig verfeinert werden2. 34
„The Big Data Explosion“: Man schätzt, dass sich allein in den Jahren 2011 bis 2016 das Volumen der Internetdaten vervierfachen wird3. Wenn Bewegungsdaten zur Verkehrslenkung ausgewertet werden, Stromzählerdaten zwecks Optimierung der Energieversorgung und der Energiekosten analysiert und Gesundheitsdaten zur Verbesserung der Behandlung von Krankheiten und zur Senkung von Gesundheitskosten genutzt werden, dann geht es stets darum, rückwirkend, „in Echtzeit“ und prognostisch eine Vielzahl von Informationen über eine Vielzahl von Personen zu analysieren. Big Data-Anwendungen sind in höchst unterschiedlichen Lebensbereichen zu finden: von den Finanzmärkten über Wissenschaft und Medizin bis zum Sport4.
35
Die Auswertung von Big Data führen keineswegs automatisch und ausnahmslos zu „richtigen“ Ergebnissen5: – Die Erfassung eines Sinnzusammenhangs fällt Algorithmen naturgemäß schwer. – Algorithmen haben keine soziale Kompetenz. – Algorithmen ziehen im Zweifel dem Meisterwerk das durchschnittliche Werk vor. – Je größer die Datenbestände sind, desto mehr werden auch unnütze Daten gesammelt mit „Störgeräuschen“ („Noise“), die die Präzision der Auswertung erschweren. – Je komplexer das Problem ist, desto weniger eignen sich Algorithmen für eine Lösung. – Algorithmen sind stets von Menschen gemacht, deren Bewertungen somit in die Auswertung einfließen. Komplexe Algorithmen verschleiern diese Bewertungen und führen zu Ergebnissen, deren Grundannahmen obskur bleiben6.
1 Vgl. Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, New York 2013, S. 32 ff. 2 Vgl. Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, New York 2013, S. 35 ff. 3 The Big Data Explosion (Infographic), Whatsthebigdata.com vom 4.2.2013, http://whatsthebigdata.com/2013/02/04/the-big-data-explosion-infographic. 4 Vgl. Naughton, Big data, revolution by numbers, Observer v. 18.11.2012, http://www.guardian.co.uk/technology/2012/nov/18/data-analysis-applied-busi ness-science. 5 Brooks, What Data Can’t Do, New York Times v. 18.2.2013, http://www.nyti mes.com/2013/02/19/opinion/brooks-what-data-cant-do.html?smid=tw-share&_ r=0; vgl. auch Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, New York 2013, S. 163 ff. 6 Vgl. Pariser, The Filter Bubble, London 2011, S. 176 f.
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V. Profiling
Algorithmen sind keineswegs „vorurteilsfrei“. Wenn Nachrichtenportale 36 versuchen, aus dem Verhalten eines Nutzers zu berechnen, welche Nachrichten den Nutzer mit der größten Wahrscheinlichkeit interessieren werden, bedarf es zur Programmierung der Algorithmen gewisser Grundannahmen. Diese Grundannahmen können richtig sein oder auch falsch. Der Rückschluss von der Häufigkeit des Anklicken gewisser Nachrichten auf deren Wichtigkeit für den Nutzer ist beispielsweise nicht mehr als eine Annahme, deren Richtigkeit keineswegs sicher ist1: „In einer Welt von Big Data geht es vielfach nicht so sehr um die Richtigkeit der ‚Rohdaten, sondern um die Richtigkeit der ‚Rckschlsse, die aus den Daten gezogen werden. Fehlerhafte, manipulatorische und diskriminierende Schlussfolgerungen kçnnen aus vollkommen unverfnglichen, zutreffenden Daten gezogen werden. Der Beobachter einer Big-Data-Analyse kann die Ergebnisse seiner Untersuchung beeinflussen durch die Definition des Datensatzes, die Aufstellung einer Hypothese oder das Schreiben eines Algorithmus. Big Data-Analyse ist letztlich ein Prozess der Interpretation, bei dem die eigene Person und Perspektive die Ergebnisse beeinflusst. Wie bei jedem Interpretationsprozess unterliegt die Analyse den Gefahren des Irrtums, der Inkorrektheit und des Vorurteils2.“
Was für das gesamte Datenschutzrecht gilt, gilt auch für „Big Data“: Es 37 geht keineswegs nur um den Schutz von Persönlichkeitsrechten, sondern auch um den Schutz anderer Freiheiten vor einem übereifrigen Regulator: Ob Wissenschaftsfreiheit, Kommunikationsfreiheit oder auch die unternehmerische Betätigungsfreiheit. Neben dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach Innovation und wirtschaftlichem Wachstum stehen auch gewichtige Freiheitsrechte auf dem Spiel, wenn im Zeichen des Datenschutzes „Big Data“-Anwendungen regulatorisch beschränkt oder verboten werden. Daher bedarf es nicht nur neuer Schutzinstrumentarien für neue Gefährdungen von Persönlichkeitsrechten. Ebenso wichtig ist es, andere Freiheitsrechte davor zu bewahren, dass sie durch ein starres Festhalten an „bewährten Prinzipien“ in Gefahr geraten3.
V. Profiling 1. Begriff Amazon, Google und Facebook gehören zu den Vorreitern des Phäno- 38 mens, das man als „Profiling“ bezeichnet. Mit diesem Begriff bezeichnet man die systematische Auswertung des Nutzerverhaltens. Es wird erfasst, für welche Seiten, Bücher, Werbebanner und Suchbegriffe ein Besucher der Website sich interessiert hat. Algorithmen errechnen sodann, 1 Vgl. Crawford, Thing Again: Big Data, Foreign Policy vom 9.5.2013, www.fo reignpolicy.com/articles/2013/05/09/think_again_big_data. 2 Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 270 f., http://scholarlycom mons.law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1. 3 An den Prinzipien festhalten möchte Weichert, ZD 2013, 251, 255 ff.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
welche Suchergebnisse, Waren oder Werbeanzeigen den Besucher voraussichtlich interessieren werden. Der Internetnutzer erhält auf diese Weise „maßgeschneiderte“, zielgerechte („targeted“) Werbung und erfährt (nur noch) das, was ihn mutmaßlich interessiert1. 39
Die Entwicklung immer intelligenterer Algorithmen steht noch am Anfang. Immer größere Datenmengen („Big Data“) erfassen das Nutzerverhalten, und die Daten werden immer raffinierter ausgewertet und analysiert. Der Besucher einer Nachrichtenseite erhält dann nur noch Nachrichten, die (voraussichtlich) zu seinem Leseverhalten passen. Der Nutzer einer Musikplattform wird laufend mit Musikvorschlägen konfrontiert, die den individuellen Musikgeschmack treffen sollen. Und der Online-Spieler, der sich „Angry Birds“ (des finnischen Spieleanbieters Rovio) als App auf sein Smartphone lädt, muss damit rechnen, dass die App laufend seinen Aufenthaltsort erfasst und auch andere Daten auswertet, die auf dem Mobiltelefon gespeichert sind: „Als ußerstes Mittel rt Rovio Nutzern, die die Sammlung von Daten oder Werbeanzeigen vermeiden wollen, auf das Spiel zu verzichten: ‚Wenn Du sicher sein mçchtest, dass Du von verhaltensbezogener Werbung verschont bleibst, benutze bitte unsere Dienste nicht und halte Dich von ihnen fern.“2
2. Kritik 40
Das Profiling baut auf der Prämisse auf, dass ein Nutzer Interessen hat, die sich aus seinem Nutzerverhalten mathematisch ableiten lassen – eine Annahme, die nicht unumstritten ist. Eine „Welt der Vorhersagen“, die zu einer „Welt der Vorherbestimmung“ wird, bei der der freie Wille auf der Strecke bleibt3, ist gewiss alles andere als wünschenswert. Dies umso weniger, als Kreativität, Flexibiliät und Spontaneität auf der Strecke bleiben könnten4.
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Wenn zudem Algorithmen geheim bleiben, ist die Grundlage der Beziehung des Nutzers zu einem Online-Dienst weder Transparenz noch Augenhöhe, sondern (blindes) Vertrauen5. Und Vertrauen fällt bei einem Unternehmen wie Google schwer, wenn das Unternehmen sich sogar von einem Bewunderer als „undurchsichtig und geheimniskrämerisch wie (Ex-US-Vizepräsident) Dick Cheney“6 bezeichnen lassen muss.
1 Zu datenschutzrechtlichen Aspekten verhaltensbezogener Onlinewerbung vgl. Rammos, K&R 2011, 692 ff. 2 O’Brien, Data-Gathering via Apps Presents a Gray Legal Area, New York Times v. 28.10.2012, http://www.nytimes.com/2012/10/29/technology/mobile-apps-ha ve-a-ravenous-ability-to-collect-personal-data.html?ref=technology&_r=0. 3 Schirmacher, Payback, München 2009, S. 221. 4 Vgl. Schirrmacher, Payback, München 2009, S. 69 f. 5 Vgl. Levy, In The Plex, New York 2011, S. 56 f. 6 Jarvis, What Would Google Do?, New York 2008, S. 97.
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VI. Das Ende der Datensparsamkeit
3. „Diffuse Bedrohlichkeit“ Wenn das Verhalten des Internetnutzers systematisch beobachtet, erfasst 42 und analysiert wird, kann dies beim Nutzer ein „diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins“1 hervorrufen. Hierin liegt eine erhebliche Herausforderung für den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Die „diffuse Bedrohlichkeit“ verlangt nach Transparenz. Zu Recht hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung daran erinnert, dass Regelungen zur Information der von Datenerhebungen oder -nutzungen Betroffenen zu den elementaren Instrumenten des grundrechtlichen Datenschutzes gehören2. Hohe Transparenzstandards können dem Nutzer ein selbstbestimmtes 43 Handeln ermöglichen. Der Nutzer, der in verständlicher und ausführlicher Form Informationen darüber abrufen kann, wie ein Anbieter mit Daten umgeht, kann eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob er einen Internetdienst nutzen möchte. Dies wird den Gegebenheiten der Netzwelt wesentlich gerechter als eine starre Fixierung auf Einwilligungserfordernisse3. Jedes Postulat, der Nutzer möge selbst über die Preisgabe von Daten bestimmen, wird zu einer Fiktion, wenn Einwilligungserklärungen im Massenverkehr vorformuliert werden. Ohne eine Vorformulierung sind Einwilligungen im Netz indes undenkbar.
VI. Das Ende der Datensparsamkeit Es sei einmal dahingestellt, ob „Datenminimierung“ überhaupt ein rea- 44 listisches Ziel moderner Regulierung sein kann. Selbst wenn man noch an die Durchsetzbarkeit von „Datenvermeidung“ glaubt, stellt sich die viel grundlegendere Frage, ob es gesellschaftspolitisch richtig ist, die „Datenflut“ zu bremsen. Und diese Frage muss man entschieden verneinen: – Daten sind der Rohstoff der Kommunikation und Information. „Datenminimierung“ heißt daher zugleich „Kommunikations- und Informationsminimierung“. Dies ist sozialschädlich. Eine freie Gesellschaft braucht nicht weniger, sondern mehr Kommunikation. – Ob Verkehrslenkung (Verkehrstelematik)4, Gesundheitsvorsorge oder intelligente Stromzähler: Je größer der ausgewertete Datenbestand ist, desto besser werden die Ergebnisse. Ein Stromzähler kann nur entweder „smart“ oder „datensparsam“ sein; nicht jedoch beides zugleich. Wer intelligente technische Lösungen möchte, kann den Anbietern 1 BVerfG vom 2.3.2010 – BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 – Vorratsdatenspeicherung, Rz. 212. 2 BVerfG vom 2.3.2010 – BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 – Vorratsdatenspeicherung, Rz. 242. 3 Härting, AnwBl 2011, 246, 248. 4 Vgl. ‚Every new car‘ connected to web by 2014, BBC News Technology v. 12.2.2013, http://www.bbc.co.uk/news/technology-21411335.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
nicht zugleich Datenaskese verordnen. „Datenminimierung“ ist innovationsfeindlich und rückwärtsgewandt. 45
Wenn immer größere Datenmengen in intelligenten Netzen Wege zu neuen Erkenntnissen, zu Innovation und Fortschritt eröffnen, werden die Prinzipien der Datensparsamkeit und Datenvermeidung (§ 3a BDSG) nicht nur wirklichkeitsfern, sondern innovationshemmend und kommunikationsfeindlich1. Sie sind realitätsfremd und gehen an den kommunikativen Bedürfnissen der Akteure vorbei.2 Der vielfältige Austausch von Daten ist kommunikativ gewollt.
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Man muss froh sein, dass die Entwicklung des Datenschutzes zur Informationskontrolle noch nicht allzu weit vorangeschritten war in den Jahren, in denen Wikipedia entstand. Würde Wikipedia heutzutage neu entstehen, wären Diskussionen darüber zu erwarten, wie sich die „Datenflut“ mit den Grundsätzen der Datensparsamkeit und Datenvermeidung verträgt und wie man den Bürger dagegen schützen kann, dass über ihn ungewollt – zutreffende oder auch falsche – Informationen bei Wikipedia veröffentlicht werden.
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Gelegentlich wird behauptet, der staatliche Zugriff auf Datenbestände bei Apple, Google & Co. lasse sich nur dann wirksam einschränken, wenn möglichst wenige dieser Daten anfallen. Ein solches Verständnis von „Datensparsamkeit“ schießt über das Ziel hinaus, indem es – verfehlt – die Informationen und nicht den informationshungrigen Staat als Gefahr begreift. Die Limitierung staatlicher Eingriffsbefugnisse gehört zu den Kernaufgaben des rechtsstaatlichen Gesetzgebers. Wenn auf eine solche Limitierung verzichtet wird und stattdessen datenverarbeitende Untenehmen zur „Sparsamkeit“ verpflichtet werden, kommt dies einem rechtsstaatlichen Offenbarungseid gleich.
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Ebenso wie das Prinzip der Datensparsamkeit gehört auch das Gebot der Zweckbindung auf den Prüfstand. So wie sich heute nicht sagen lässt, welche Erkenntnisse spätere Generationen von Astronomen aus den Planck-Daten gewinnen lassen3, lässt sich beispielsweise auch nicht abschätzen, ob die Tweets von heute schon morgen der Rohstoff von medizinischen Innovationen sein werden, die in der Zukunft Krankheiten besiegen, die heute als unheilbar gelten. Die Analyse von „zufällig“ vorhandenen Daten zu neuen Zwecken ist grundlegend für die innovative Kraft, die „Big Data“ innewohnt: 1 Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 260, http://scholarlycommons. law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1. 2 Härting, AnwBl 2012, 718, 720. 3 Vgl. dpa-Meldung vom 21.3.2013, Weltraumteleskop zeigt detailliertes Bild des Universums, http://www.focus.de/wissen/diverses/planck-mission-weltraumte leskop-zeigt-detailliertes-bild-des-universums_aid_945345.html.
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VII. Schutz vor Missbrauch und Diskriminierung „Eine ebenso große Herausforderung liegt im Zeitalter von ‚Big Data darin, dass zur Zeit der Datenerhebung ein großer Teil des Werts persçnlicher Informationen nicht vorhersehbar ist zu dem Zeitpunkt, an dem die Einwilligung normalerweise erteilt wird. Da knftige Nutzungen die Notwendigkeit mit sich bringen wrden, die Betroffenen um eine erweiterte Einwilligung zu bitten, werden viele dieser Nutzungen aus Kostengrnden schlichtweg unterbleiben trotz ihres erheblichen individuellen und gesellschaftlichen Nutzens.“1
VII. Schutz vor Missbrauch und Diskriminierung Statt weiter auf das falsche Pferd der Datensparsamkeit zu setzen, müs- 49 sen persönliche Informationen stärker als bisher gegen Missbrauch und Diskriminierung geschützt werden: – Datensicherheit: Dienste, die auf „Big Data“ setzen, müssen stärker als bisher zur Sicherung der Daten gegen einen missbräuchlichen Zugriff verpflichtet werden. – Anonymität und Pseudonymität: Sie sind eine „Schutzhülle“ des Persönlichkeitsrechts, da sie Risiken der Identifizierung mindern. Daher müssen Anreize gesetzt werden für einen Verzicht auf „Klarnamen“. – Transparenz: Der Nutzer muss die Möglichkeit haben, sich in den Datenschutzbestimmungen eines Internetanbieters umfassend darüber zu informieren, welche Daten auf welche Weise zu welchen Zwecken gesammelt werden und wie diese Daten durch Maßnahmen des technischen Datenschutzes gegen den missbräuchlichen Zugriff durch Dritte gesichert sind2. – Diskrimierungsschutz: Je ausgefeilter und undurchschaubarer die Algorithmen werden, mit denen „Big Data“ analysiert wird, desto problematischer wird es, wenn Personen- und Verhaltensdaten zur Grundlage von Entscheidungen werden, die sich auf die Lebensumstände einzelner Menschen auswirken3. 1. Pseudonymität und Anonymität Eine Förderung der pseudonymen oder anonymen Nutzung von Online- 50 Diensten ist notwendig. Wenn Bürger kommunizieren können, ohne sich identifizieren zu müssen, erleichtert dies die freie Kommunikation und Information:
1 Cate/Mayer-Schönberger, Notice and consent in a world of Big Data, International Data Privacy Law, 2013, Vol. 3, No. 2, S. 67, 67, http://m.idpl.oxfordjournal s.org/content/3/2/67.full.pdf; vgl. auch Solove, Privacy Self-Management and the Consent Dilemma, 126 Harvard Law Review 1880 (2013), 1902, http://www. harvardlawreview.org/media/pdf/vol126_solove.pdf. 2 Härting, AnwBl 2011, 246, 247 f. 3 Vgl. Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, New York 2013, S. 157 ff.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert „Anonymitt und Pseudonymitt schtzen Menschen vor Voreingenommenheit gegen die Person und ermçglichen es Menschen, frei zu sprechen, ihr Wahlrecht auszuben und sich zu versammeln, ohne Sanktionen befrchten zu mssen.“1
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Die Nutzung eines Pseudonyms ist eine nach außen gerichtete Selbstdarstellung und daher als Akt der kommunikativen Persönlichkeitsentfaltung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt2. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfasst das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Dabei ist es Sache des Betroffenen selbst, zu bestimmen, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll. Der Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist wesentlich durch das Selbstverständnis seines Trägers geprägt3. Das Pseudonym ist bei der Netzkommunikation ein typisches Instrument der Selbstdarstellung.
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Die Anonymität zählt zu den Grundbedingungen der freien Rede. Hinter einer anonymen Meinungsäußerung steht oft ein legitimes Bedürfnis nach Geheimhaltung. Die Möglichkeit der Anonymität erleichtert die Ausübung der Meinungsfreiheit. Dies schließt es aus, die Meinungsfreiheit bei anonymen Äußerungen stärker einzuschränken, als dies bei Äußerungen unter Namensnennung der Fall ist4.
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Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden können, wäre mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegengewirkt werden5.
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Pseudonyme und der Verzicht auf „Klarnamen“ haben eine lange Historie als Instrumente des Persönlichkeitsschutzes und des Schutzes vor staatlicher Verfolgung. Sie sind zum Selbstschutz unverzichtbar und haben sich bei der Netzkommunikation fest etabliert.
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Das Pseudonym ist eine bewährte Methode des Schutzes der Privatsphäre. Dies erfährt der Jurastudent im ersten Semester, wenn er mit dem Fall der Schauspielerin konfrontiert wird, die unter Verwendung eines Phantasienamens ein Hotelzimmer bucht6. Der falsche Name bei der Reser1 Solove, Understanding Privacy, Cambridge/London 2009, S. 125. 2 Scholz in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 213. 3 BVerfG v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rz. 25; BVerfG v. 23.7.2007 – 1 BvR 150/06, Rz. 19. 4 Vgl. BGH v. 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de; OLG Frankfurt v. 8.3.2012 – 16 U 125/11, Rz. 28 ff. 5 OLG Hamm v. 3.8.2011 – I-3 U 196/10, Rz. 4, ITRB 2011, 253 f. (Rössel). 6 Vgl. Medicus, AT, § 56 Rz. 907.
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VII. Schutz vor Missbrauch und Diskriminierung
vierung eines Hotelzimmers, die diskreten Initialien am Klingelschild des prominenten Hausbewohners, der Phantasiename beim Besuch einer Rotlichtbar: Der Verzicht auf den „Klarnamen“ schützt den Namensträger vor unerwünschten Zudringlichkeiten. Der Deckname ist auch ein bewährtes Mittel zum Schutz vor staatlicher 56 Verfolgung. Der Auslandsspion tritt nie mit seinem „Klarnamen“ in Erscheinung. Und mutige Autoren haben sich in vergangenen Zeiten häufig eines Pseudonyms bedient, um staatlichen Zensoren die Arbeit zu erschweren. Kurt Tucholsky verwendete in seinen Kolumnen neben seinem „Klarnamen“ vier verschiedene Fantasienamen1. Bei der vordigitalen Kommunikation war der Deckname dennoch die sel- 57 tene Ausnahme. So wie es den meisten Menschen selbstverständlich war, mit vollem Namen und mit Postanschrift im Telefonbuch verzeichnet zu sein, entsprach es auch sonst den normalen Lebensgewohnheiten, den „Klarnamen“ zu verwenden. Diese Gewohnheiten haben sich durch die digitale, vernetzte Kommunikation geändert2. In weiten Bereichen der Netzkommunikation ist der „Klarname“ zur Ausnahme geworden und der Phantasiename zur Regel. Dies fängt bei gängigen E-Mail-Adressen an ([email protected]) und setzt sich fort in der Welt der Online-Spiele sowie bei den Datingplattformen. Auch in Blogs und Diskussionsforen sind „Klarnamen“ die Ausnahme. 2. Diskriminierungsschutz Wenn anonyme Big Data-Bestände von einer Krankenkasse ausgewertet 58 werden, um Erkenntnisse über die Häufung von Krankheiten in bestimmten Wohngebieten zu gewinnen, stellt sich für den Gesetzgeber die Frage, ob es der Krankenkasse erlaubt sei soll, ihre Tarifstruktur an diesen Erkenntnissen auszurichten. Ein Diskriminierungsschutz, den es im deutschen Datenschutzrecht – jedenfalls ansatzweise – bereits für das Kreditscoring gibt (§ 28b BDSG), wird auch in vielen anderen Lebensbereichen notwendig werden. 3. Schutz der digitalen Identität Durch die Auswertung des Verhaltens des Nutzers eines Online-Dienstes 59 entsteht ein Bild, das sich als „digitale Identität“ bezeichnen lässt. Wenn der Nutzer weder Kenntnis von dieser „Identität“ hat noch Einfluss auf deren Gestaltung, verliert er Einfluss auf das Bild, das sich andere von ihm machen können. Wenn es eine „digitale Identität“ gibt, muss es auch ein Selbstbestimmungsrecht an dieser Identität geben. Dieses Recht 1 Tucholsky schrieb unter den Pseudonymen Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel, vgl. http://www.tucholsky-gesellschaft.de/, zuletzt abgerufen am 9.5.2013. 2 Vgl. Iraschko-Luscher/Kiekenbeck, ZD 2012, 261, 263 f.
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Annex: Datenschutz im 21. Jahrhundert
kann nicht absolut gelten, die Grenzen bedürfen noch der näheren Untersuchung und Ausgestaltung. 60
Wenn es eine „digitale Identität“ gibt, gibt es auch ein Bedürfnis, alle Informationen, aus denen sich diese „Identität“ zusammensetzt, gegen den unberechtigten oder missbräuchlichen Zugriff Dritter zu schützen. Profiling und Datensicherheit gehören daher zusammen. Dabei wird das Phänomen des „Identitätsdiebstahls“ mehr und mehr zum Problem. Wenn durch das Abfischen von Zugangsdaten oder auf andere Weise eine „digitale Identität“ gekapert wird, können beträchtliche materielle und immaterielle Schäden entstehen1.
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In seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung hat das BVerfG die verfassungsrechtliche Dimension technischer Schutzmaßnahmen betont2. Je größer die Datenbestände sind, die gesammelt werden, desto größer wird die Bedeutung von technischen Schutzmaßnahmen gegen einen unberechtigten, missbräuchlichen Zugriff. Nur ein hoher Standard an Datensicherheit schafft das Vertrauen, das die Netzinfrastruktur benötigt zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben des Informationsflusses und -austauschs3. 4. Schutz gegen Marktmacht
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Wenn die durch Profiling entstehenden Datenbestände einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen, liegt in jeder Form der Monopolbildung eine natürliche Aufgabe für Kartellbehörden und Kartellrecht. Und innovationsbremsendes Marktversagen ist heute schon Realität: „Die grçßte Innovationsbremse ist jedoch womçglich der Umstand, dass die Technologien, die das Sprungbrett sein kçnnten fr berraschungen der nchsten Generation zunehmend geschlossen und kontrolliert sind. So wurde etwa Facebook auf dem Netz aufgebaut, das eine offene Plattform war. Facebook ist jedoch eifrig bemht, einen ummauerten Garten zu schaffen, in dem lediglich Innovationen entstehen kçnnen, die die Eigentmer erlauben. Dasselbe gilt fr die an die Kette gelegten Gerte, die wir Smartphones und Tablets nennen.“4
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Monopole sind stets eine Momentaufnahme. Dies gilt in besonderem Maße für die Internetgiganten der heutigen Zeit und sollte stets bedacht werden, bevor voreilig die Regulierungskeule geschwungen wird: „Im Moment sind Apple, Google, Facebook und Amazon die vier fhrenden Monster. Vor 18 Jahren war jedoch Apple was kurz vor dem Aussterben, Amazon
1 2 3 4
Vgl. Solove, Understanding Privacy, Cambridge/London 2009, S. 126 ff. BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 840 – Vorratsdatenspeicherung. BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 840 – Vorratsdatenspeicherung. Naughton, Has the internet run out of ideas already?, Observer v. 29.4.2012, http://www.guardian.co.uk/technology/2012/apr/29/internet-innovation-failurepatent-control.
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VII. Schutz vor Missbrauch und Diskriminierung war gerade neu, bis zur Grndung von Google dauerte es noch drei Jahre und Facebook lag neun Jahre in der Zukunft.“1
Die Marktmacht einiger weniger Unternehmen stellt dennoch eine ernst 64 zu nehmende Gefahr dar: „Wir nutzen die Dienste dieser Unternehmen mit lustvoller Selbstvergessenheit und vergessen, dass sie zugleich eine Menge ber uns erfahren. Eines Tages kçnnte uns die Weisheit des alten Sprichworts bewusst werden: Im Informationszeitalter ist Wissen Macht.“2
„Datenportabilität“ kann ein probates Instrument sein, um einem Markt- 65 versagen entgegenzuwirken, da die „Portabilität“ dem Nutzer – beispielsweise bei einem monopolistischen Cloud-Anbieter – die einfache „Mitnahme“ von Daten bei einem Wechsel zum Konkurrenten ermöglicht. Unerwünschte Nebeneffekte inklusive: Wenn die „Mitnahme“ von Daten erleichtert wird, bedarf es erhöhter technischer und regulatorischer Anstrengung, um Missbräuchen durch den Staat oder durch private Dritte entgegenzuwirken3. „Datenportabilität“ kann auch ein Steuerungsinstrument sein, um si- 66 cherzustellen, dass der Nutzen maximiert wird, der sich aus umfangreichen Datenbeständen ziehen lässt. Warum soll ein Unternehmen, das eine „Fitness-App“ anbietet, die jeden einzelnen Laufsport mitprotokolliert, über Daten verfügen, die Rückschlüsse auf die Gesundheit des Nutzers zulässt, ohne verpflichtet zu sein, dem Nutzer diese Daten uneingeschränkt (auf Anforderung) zu überlassen? Gesellschaftspolitisch spricht alles dafür, auch unter diesem Gesichtspunkt dem Nutzer ein Recht auf „Datenportabilität“ einzuräumen: „Als ‚Gegenleistung fr Lockerungen bei Verarbeitungsverboten und der Datensparsamkeit, sollten Organisationen bereit sein, mit den Nutzern das Wirtschaftsgut zu teilen, das durch die Daten der Nutzer entsteht. Dies bedeutet, den Nutzern Zugang zu ihren Daten zu gewhren in einem „nutzbaren“ Format und den Nutzern die Mçglichkeit zu erçffnen, Anwendungen Dritter fruchtbar zu machen, um ihre eigenen Daten zu analysieren und ntzliche Schlsse daraus zu ziehen (z.B. weniger Eiweiß konsumieren, Ski fahren gehen, in Anleihen investieren).“4
Bei der „Portabilität“ geht es nicht um den Schutz personenbezogener 67 Daten gemäß Art. 8 EU-GRCharta5, sondern um das Wohl der Allge1 Naughton, Even Google won’t be around for ever, let alone Facebook, Observer v. 3.3.2013, http://www.guardian.co.uk/technology/2013/mar/03/google-facebooknothing-lasts-for-ever. 2 Naughton, From Gutenberg to Zuckerberg, London 2012, S. 269. 3 Vgl. Goldman, A Dark Side of Data Potability; Litigators Love It, Forbes v. 17.10.2012, http://www.forbes.com/sites/ericgoldman/2012/10/17/a-dark-sideof-data-portability-litigators-love-it. 4 Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 264, http://scholarlycommons. law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1. 5 Vgl. Härting, BB 2012, 459, 465.
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meinheit, das Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit legitimiert (Art. 17 Abs. 1 Satz 3 EU-GRCharta)1. Die Legitimation der Beschränkung liegt in der marktmächtigen Stellung von Unternehmen wie Google, Facebook und Apple. Je mehr Facebook, Apple und andere Anbieter „Netze im Netz“ bilden und abschotten, desto mehr stellt sich die Frage, wie man die abgeschirmten Datenbestände dagegen sichert, dass „Informationsinseln“ entstehen, die die offene Netzstruktur, den freien Informationsaustausch und die sich daraus ergebenden Innovationschancen behindern2. 68
Je marktmächtiger Unternehmen werden, die ihre Algorithmen geheim halten, desto lauter wird der Ruf nach einer (gesetzlichen) Offenlegung der Algorithmen. Wenn ein Monopolist per Algorithmus, aber keineswegs „automatisiert“3 Informationen filtert, besteht auch unter dem Gesichtspunkt der Informationsfreiheit ein erhebliches Bedürfnis nach Transparenz. 5. Schutz gegen staatlichen Zugriff
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Wenn Datenbestände, die durch Profiling bei Apple, Google & Co. entstehen, gegen den missbräuchlichen Zugriff Dritter geschützt werden müssen, gilt dieses Schutzbedürfnis in besonderem Maße gegenüber dem langen Arm des Staates. Orwells „Big Brother“ konnte von der Menge, Dichte und Tiefe an Informationen, die das Profiling ermöglicht, bestenfalls träumen: „Fr Regierungen aller politischen Richtungen – von autoritren Regimes zu liberalen Demokratien – ist das Internet ein berwachungswerkzeug, das ihnen der Himmel geschenkt hat, weil die berwachung grçßtenteils durch Computer erledigt werden kann statt durch teure und fehlsame Menschen.“4
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Der staatliche Zugriff auf diese Daten muss streng limitiert werden, um den Bürger nicht gegenüber staatlichen Behörden unfreiwillig „gläsern“ werden zu lassen: „Die Sicherheitsbehçrden schielen neidvoll darauf, und es gibt kaum Mçglichkeiten – Gefahr im Verzug vorausgesetzt –, ihnen den Zugang zu verweigern. Den Firmen liefern die Konsumenten ihre Daten freiwillig. Jede Transaktion hinterlsst eine Spur im Netz, die mit der dazugehçrigen Person verbunden werden kann. 1 Vgl. Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 269, http://scholarlycom mons.law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1. 2 Vgl. Heller, Post-Privacy, S. 91. 3 Vgl. Lohr, Algorithms Get a Human Hand in Steering Web, New York Times v. 10.3.2013, http://www.nytimes.com/2013/03/11/technology/computer-algorith ms-rely-increasingly-on-human-helpers.html?smid=tw-nytimestech&seid=auto &_r=0; Orlowski, Revealed: Google’s manual for its unseen humans who rate the web, The Register v. 28.11.2012, http://www.theregister.co.uk/2012/11/27/ google_raters_manual. 4 Naughton, From Gutenberg to Zuckerberg, London 2012, S. 261.
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VIII. „IT-Grundrecht“ – der schlummernde Riese Dieser Daten-Striptease ist der Preis fr die allumfassende Verfgbarkeit der Angebote aus der bunten Warenwelt. Die Freiheit des Konsumenten erscheint grenzenlos, so er ber ein mobiles Kommunikationsgert und eine Kreditkarte verfgt.“1
6. Accountability Accountability“ ist ein Konzept, das hilfreich sein könnte, um Gefähr- 71 dungen von Persönlichkeitsrechten entgegenzuwirken. Die Übersetzung ins Deutsche fällt schwer, da sich nicht klar sagen lässt, ob „Verantwortlichkeit“ oder „Verantwortung“ den Begriffskern besser trifft. Um „Accountability“ ging es 2009 in dem Galway Project, an dem zahl- 72 reiche Datenschutzexperten aus Europa und den USA mitwirkten. Zum Abschluss des Projekts veröffentlichten die Experten ein Diskussionspapier, in dem ein neuer, „Accountability-orientierter Ansatz“ folgendermaßen definiert wurde2: „Eine accountability-orientierte Herangehensweise an Datenverarbeitung zeichnet sich dadurch aus, dass die Definition von Zielen im Mittelpunkt steht, die Organisationen zum Schutz von Persçnlichkeitsrechten zu beachten haben. Die Ziele fußen auf gesetzlichen Vorgaben, wobei den Organisationen Spielrume bei der Bestimmung geeigneter Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele gelassen werden. Eine accountability-orientierte Herangehensweise ermçglicht es Organisationen, Methoden und Wege zu entwickeln, um diese Ziele in einer Weise zu erreichen, die am besten zu ihren Geschftsmodellen, Technologien und zu den Bedrfnissen ihrer Kunden passt.“
„Accountability“ bedeutet demnach eine Verlagerung der Verantwortung 73 für den Schutz der Privatsphäre auf den Datenverarbeiter. Der Datenverarbeiter erhält vom Gesetzgeber klare Zielvorgaben („goals“ und „criteria“). Wie er die vorgegebenen Ziele erreicht, bleibt seinem Ermessen („discretion“) überlassen. Hierdurch erhält der Datenverarbeiter den notwendigen Spielraum, um seine Technologie und sein Geschäftsmodell datenschutzfreundlich auszugestalten.
VIII. „IT-Grundrecht“ – der schlummernde Riese In dem Urteil zur Online-Durchsuchung hat das BVerfG ein neues 74 Grundrecht geschaffen: das „IT-Grundrecht“ (Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme)3. Dass es eines 1 Kreissl, Datenspuren – Komplette Umkehr der Beweislast, New Scientist v. 22.2.2013, http://www.newscientist.de/inhalt/datenserver-umkehr-der-beweis last-a-885489.html. 2 Centre for Information Policy Leadership Data Protection Accountability: The Essential Elements, Oktober 2009, http://www.ftc.gov/os/comments/privacy roundtable/544506-00059.pdf. 3 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 ff. – Online-Durchsuchung.
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solchen „neuen“ Grundrechts bedarf, hat das BVerfG unter anderem damit begründet, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Schutzlücken aufweist1. Das Gefahrenpotential, gegen das das „ITGrundrecht“ schützt, liegt nach dem BVerfG darin, dass ein Dritter sich durch Zugriff auf ein informationstechnisches System einen potentiell äußerst großen und aussagekräftigen Datenbestand verschaffen kann, ohne noch auf weitere Datenerhebungs- und Datenverarbeitungsmaßnahmen angewiesen zu sein2. Der heimliche Blick auf die Computerfestplatte lässt sich mit dem althergebrachten Blick durch das Schlüsselloch vergleichen. Unbemerkt gelangt ein „Eindringling“ in die Privatsphäre. 75
Obwohl Einigkeit darüber besteht, dass das in der Online-Durchsuchung geschaffene „IT-Grundrecht“ Drittwirkung hat und den Gesetzgeber zu schützenden Maßnahmen im Bereich der Privatwirtschaft aufruft, ist die Diskussion um gesetzgeberische Konsequenzen3 bislang in ersten Anfängen stecken geblieben. Die Grundrechtsgefahren durch Spuren vernetzter Kommunikation erfordern indes eine umfassende Anpassung des Persönlichkeits- und Datenschutzrechts an die Gegebenheiten der Informationsgesellschaft4.
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Im Datenschutzrecht wird man sich daran gewöhnen müssen, zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem „IT-Grundrecht“ zu differenzieren. Möchte man die Grenzen nicht vollständig verwässern und das Datenschutzrecht nicht in ein allgemeines Verbraucherund Bürgerschutzrecht umfunktionieren, führt kein Weg daran vorbei, das Erfordernis eines Personenbezuges gemäß § 3 Abs. 1 BDSG ernst zu nehmen und Daten nur dann als personenbezogen zu schützen, wenn ein Bezug zu einer konkret und namentlich bestimmbaren natürlichen Person ohne übermäßigen Aufwand herstellbar ist5. Neben den Schutz des Bürgers vor einer unkontrollierbaren Verarbeitung personenbezogener Daten tritt der Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre, die in einem unbemerkten und unkontrollierten „Ausspähen“ der Computernutzung liegen6. 1. Profiling als Anwendungsfall
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Das unbemerkte Eindringen in die auf der Computerfestplatte gespeicherten Daten unterscheidet sich von der Datenerfassung, -verarbeitung und -nutzung insbesondere dadurch, dass es über den Einblick hinaus keiner weiteren Maßnahmen bedarf, um tief in die Privatsphäre des Bür1 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 824 – Online-Durchsuchung. 2 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 826 – Online-Durchsuchung. 3 Vgl. Bartsch, CR 2008, 613 ff.; Kutsche, DuD 2011, 461, 462 f.; Luch, MMR 2011, 75 ff.; Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. 4 Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1010. 5 Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rz. 22 ff. 6 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 824 – Online-Durchsuchung.
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VIII. „IT-Grundrecht“ – der schlummernde Riese
gers zu gelangen1. Wer Kenntnis vom Innenleben einer Computerfestplatte oder einer Handy-Speicherkarte erlangt hat, ist damit weit in die Privatsphäre vorgedrungen, auch wenn es zu keiner Speicherung, Weitergabe oder Zusammenführung von Daten kommt2. Der Blick durch das „informationstechnische Schlüsselloch“ unterschei- 78 det sich von den herkömmlichen Gefahrenszenarien des Datenschutzrechts zudem dadurch, dass es für den Betroffenen keinen nennenswerten Unterschied macht, ob der Eindringling Kenntnis von seiner Identität hat. Die heimliche Ausspähung wird auch dann als Eingriff in die Privatsphäre empfunden, wenn sie gänzlich anonym erfolgt. Der „Spanner“ wird auch dann als Eindringling in den Privatbereich empfunden, wenn er nicht weiß, welche Person er heimlich beobachtet. In einer sehr gelungenen, bildhaften Formulierung des BVerfG heißt es, die auf dem Endgerät gespeicherten Informationen ermöglichten es, „Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten“3. In der Heimlichkeit der Beobachtung liegt eine Parallele zwischen der 79 Onlinedurchsuchung einerseits und der unbegrenzten und unkontrollierbaren Anlegung von Nutzungsprofilen im Internet: Die umfangreiche Speicherung von Daten bei Google stellt nach dem Empfinden vieler Nutzer einen Eingriff in die Privatsphäre dar. Dieser Eingriff wird nicht dadurch nennenswert abgemildert, dass die Betreiber von Google keine Kenntnis von der Identität der Person erlangen können, die hinter dem Nutzungsprofil stehen. Die Vorstellung, dass ein Internetanbieter über eine genaue Protokollierung besuchter Seiten die Möglichkeit hat, Interessen, Eigenheiten und Vorlieben des Nutzers sehr präzise zu analysieren, ist vielen Internetnutzern unangenehm. Die heimliche und unkontrollierte Protokollierung und Auswertung der Nutzergewohnheiten stellt ein „Ausspähen“ des Bürgers dar, das sich von der gezielten OnlineDurchsuchung einer Computerfestplatte allenfalls graduell unterscheidet. Bei der Diskussion um die Personenbezogenheit von Daten beim Pro- 80 filing4 geht es im Wesentlichen darum, ob die Gefahr besteht, dass die anfallenden Datenspuren einem Nutzer zugeordnet werden, der Google namentlich bekannt ist. Für Dienste wie Facebook und Google sind Namen jedoch unwichtige Störgeräusche („Noise“)5. Und beim Webtracking oder beim Profiling liegt der Eingriff in die Privatsphäre nicht darin, dass 1 2 3 4 5
Vgl. BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 626 – Online-Durchsuchung. Härting, AnwBl 2011, 246 f. BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 827 – Online-Durchsuchung. Siehe Rz. 38. Vgl. Hardy, Rethinking Privacy in an Era of Big Data, New York Times v. 4.6.2012, http://bits.blogs.nytimes.com/2012/06/04/rethinking-privacy-in-an-era-of-big-da ta/?ref=technology.
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der Internetnutzer ernsthaft befürchten muss, von einem Google-Mitarbeiter namentlich identifiziert zu werden, wobei unter einer Identifizierung die Verbindung von Informationen zu einem Individuum zu verstehen ist1. 81
Nicht die Sorge vor der Deanonymisierung ist es, die ein ungutes Gefühl bereitet, sondern der heimliche Blick durch das virtuelle Schlüsselloch. Wie beim Blick durch das Schlüsselloch liegt das Unbehagen nicht darin, dass der Eindringling weiß, wer ich bin. Der Internetnutzer nimmt es vielmehr als freiheitsbeschränkend wahr, dass er sich – anonym – beobachtet fühlt, ohne genau abschätzen zu können, mit welcher Genauigkeit die Beobachtung erfolgt. Bei der Diskussion um Cookies und IP-Adressen geht es letztlich darum, dass ein „potentiell äußerst großer und aussagekräftiger Datenbestand“ entsteht, der den tiefen Einblick in die Persönlichkeit ermöglicht, aus dem das BVerfG das „IT-Grundrecht“ abgeleitet hat2. Google Analytics ruft das „IT-Grundrecht“ auf den Plan und nicht die informationelle Selbstbestimmung. 2. Das Ende der Anonymität
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Das „IT-Grundrecht“ kann der Schlüssel sein zu angemessenen Antworten des Rechts auf das Ende der Anonymität im Netz.
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Bei der Netzkommunikation ist die „absolute Anonymität“ schon lange eine Illusion: „Die gewaltigen Mçglichkeiten der Reidentifizierung … verndern die rechtspolitischen Debatten ber den Schutz der Privatsphre. Diese Debatten kreisen heute fast ausschließlich um magische Formeln wie ‚personenbezogene Informationen oder ‚persçnliche Daten. Die Fortschritte bei der Reidentifizierung zeigen, dass diese Formeln am eigentlichen Problem vollkommen vorbei gehen. Zwar ist es richtig, dass ein bçsartiger Gegner personenbezogene Daten wie den Namen und die Sozialversicherungsnummer mit einer Person in Verbindung bringen kann. Der Gegner kann jedoch genau dasselbe erreichen mit Informationen, die niemand als personenbezogen bezeichnen wrde.“3
84
Der „absolute“ Begriff des Personenbezugs4 ist nicht die richtige Antwort auf die erweiterten Möglichkeiten der Reidentifizierung, da er zu einem Übermaß an Verboten führt: „Auf der anderen Seite werden aufgrund der erleichterten Reidentifizierung Gesetze wie die EU-Datenschutzrichtlinie bermßig – faktisch uferlos. Da die Richtlinie darauf abstellt, ob sich Informationen ‚direkt oder indirekt auf eine Person beziehen, wird die Richtlinie durch jede erfolgreiche Reidentifizierung einer vermeintlich anonymisierten Datenbank erweitert und findet auf diese Datenbank 1 Vgl. Solove, Understanding Privacy, Cambridge/London 2009, S. 122. 2 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 ff. – Online-Durchsuchung. 3 Ohm, Broken Promises of Privacy: Responding to the Surprising Failure of Anonymization, 57 UCLA Law Review 1701 (2010), 1704. 4 Siehe Rz. 76.
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VIII. „IT-Grundrecht“ – der schlummernde Riese Anwendung. Je weiter die Mçglichkeiten der Reidentifizierung fortschreiten, desto mehr wird die EU-Richtlinie aufgeblht … Ein Gesetz, das Grenzen haben sollte, wird grenzenlos, und die sorgsame Abwgung des Gesetzgebers zwischen Privatsphre, Datenschutz und Datenverkehr wird aus den Angeln gehoben“1.
Das heutige Datenschutzrecht fußt auf einem „Schwarz-Weiß-Prinzip“. 85 Wenn Daten Personenbezug haben, ist das kleinteilige Datenschutzrecht uneingeschränkt anwendbar. Fehlt es dagegen an einem Personenbezug, ist die Datenverarbeitung keinerlei Beschränkungen unterworfen. Das „IT-Grundrecht“ ist ein Türöffner zur Durchbrechung des „SchwarzWeiß-Denkens“ und damit eines Regelungskonzepts, das zunehmend als verfehlt angesehen wird: „Personenbezogene Daten sollten stattdessen anhand einer Risikomatrix definiert warden, ide die Risiken, Absichten und mçgliche Konsequenzen einer Reidentifizierung bercksichtigt statt einer Dichotomie zwischen ‚bestimmbaren und ‚nicht bestimmbaren Personen. Ein bipolarer Ansatz, der sich darauf sttzt, Daten entweder als ‚personenbezogen anzusehen oder nicht, ist nicht hilfreich und fhrt zwangslufig zu einem nutzlosen Wettrsten zwischen Anonymisierung und Reidentifizierung.“2
Unabhängig von einer nie ausschließbaren Reidentifizierung anonymer 86 Informationen wird eine Ausspähung auch dann als Eingriff in die Privatsphäre empfunden, wenn sie erfolgt, ohne dass dem Späher die Identität der ausgespähten Person bekannt ist3. Die umfangreiche Speicherung von Daten bei Google, Facebook und Apple stellt nach dem Empfinden vieler Nutzer einen Eingriff in die Privatsphäre dar. Die heimliche und unkontrollierte Protokollierung und Auswertung der Nutzergewohnheiten wird als ein „Ausspähen“ des Nutzers empfunden, das sich von der gezielten Online-Durchsuchung einer Computerfestplatte allenfalls graduell unterscheidet4. 3. Die „diffuse Bedrohlichkeit“ Auch bei der Vorratsdatenspeicherung geht es um Spuren der Kommuni- 87 kation. Die Nutzung des Internet oder auch des Mobiltelefons hinterlässt zahlreiche Spuren entstehen auf den Rechnern der Telekommunikationsunternehmen. Diese Spuren umfassen Telefonnummern, E-Mail- und IP-Adressen und Funkzellendaten. Sie ermöglichen ein detailliertes Bild über das Kommunikationsverhalten, die Kommunikationspartner und über Aufenthaltsorte5. Für diese Spuren gelang es dem BVerfG (in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung), die Gefahrenlage prägnant und plas1 Ohm, Broken Promises of Privacy: Responding to the Surprising Failure of Anonymization, 57 UCLA Law Review 1701 (2010), 1741. 2 Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 258, http://scholarlycommons. law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1. 3 Härting, Internetrecht, 4. Aufl. 2010, Rz. 72. 4 Härting, AnwBl. 2011, 246, 247; Schneider/Härting, ZD 2011, 63, 68. 5 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 838 – Vorratsdatenspeicherung.
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tisch zu beschreiben. Das BVerfG erkennt die „diffuse Bedrohlichkeit“, die durch staatliche Zugriffsrechte entsteht: „Der Einzelne weiß nicht, was welche staatliche Behçrde ber ihn weiß, weiß aber, dass die Behçrden vieles, auch Hçchstpersçnliches ber ihn wissen kçnnen.“1
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Ersetzt man „Behörde“ durch „Google“, „Facebook“ oder „Apple“, ergibt dies einen Satz, der die vielfach empfundene „diffuse Bedrohlichkeit“ der Aktivitäten der Unternehmen im Kern trifft2.
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Die „diffuse Bedrohlichkeit“ des Profiling schafft ein unbestreitbares Bedürfnis an Transparenz. Das heimliche Profiling greift nachhaltig in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen ein. Und selbst wenn dem Betroffenen die Auswertungsmaßnahmen grundsätzlich bekannt sind, muss Transparenz oberstes Gebot sein, da durch das Profiling aus zahlreichen Einzelinformationen ein umfassendes Persönlichkeitsbild entstehen kann: „Das Ganze wird grçßer als die einzelnen Teile.“3
4. Transparenz statt Einwilligung 90
So sehr das heimliche Profiling in das Selbstbestimmungsrecht eingreift, so wenig lässt sich die Einwilligung als probate Antwort auf das Profiling begreifen. Eine Einwilligung schafft per se keine Transparenz und kann allenfalls ein Hilfsmittel sein. Dies gilt umso mehr, als Online-Nutzungen stets Massenvorgänge sind, bei denen sich die Einwilligung notwendig in dem Anklicken einer vorgegebenen Formulierung erschöpft.
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Wenn Nutzer gefragt werden, ob sie es für wünschenswert erachten, gefragt zu werden, bevor ein Online-Dienst Daten per Profiling erfasst, werden sie dies stets mehrheitlich bejahen4. Zugleich werden sie mehrheitlich wünschen, dass Dienste kostenfrei bleiben5. Einwilligungserfordernisse, die dazu führen, dass Dienste kostenpflichtig werden, kommen daher allenfalls vordergründig den Bedürfnissen der Nutzer entgegen.
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Das Unbehagen, das die Profilbildung bei Google, Apple und Facebook vielen Nutzern bereitet, ist auch – ähnlich wie früher beim Scoring – auf die fehlende Durchschaubarkeit der Methoden zurückzuführen, mit de1 2 3 4
BVerfG 2.3.2010, NJW 2010, 833, 843 – Vorratsdatenspeicherung. Härting, BB 2010, 839, 839; vgl. auch Masing, NJW 2012, 2305, 2309. Solove, Understanding Privacy, Cambridge/London 2009, S. 118. Vgl. Faltblatt der EU-Kommission: Wie sollen die vorhandenen Datenschutzvorschriften durch die Datenschutzreform der EU an neue technologische Entwicklungen angepasst werden?, http://ec.europa.eu/justice/data-protection/docu ment/review2012/factsheets/8_de.pdf. 5 Vgl. Sengputa, Web Privacy Becomes a Business Imperative, New York Times v. 3.3.2013, http://www.nytimes.com/2013/03/04/technology/amid-do-not-track-ef fort-web-companies-race-to-look-privacy-friendly.html?ref=technology&_r=0.
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nen die Profilbildung erfolgt. Mittelfristig wird der Druck auf die großen Plattformbetreiber wachsen, die Türen der „Geheimküchen“, in denen die Algorithmen nach und nach verfeinert werden, ein Stück weit zu öffnen1: „Die Verpflichtung von Unternehmen, ihre Entscheidungskriterien offenzulegen (nicht notwendig die Algorithmen, aber die Faktoren, die in die Algorithmen einfließen), markiert eine Trennlinie zwischen Recht und Technologie. Fairness und Gerechtigkeit gebieten es, dass der Betroffene informiert wird ber die Grundlagen von Entscheidungen, die ihr Leben beeinflussen, dies insbesondere wenn es um Entscheidungen geht, die von Maschinen vorgenommen werden, die mit undurchsichtigen Kriterien arbeiten“2.
5. Folgerungen aus dem „IT-Grundrecht“ Wenn das „IT-Grundrecht“ eines Tages aus dem Dornröschenschlaf er- 93 wacht, wird es Grundlage sein für gesetzliche Regelungen, die den Bürger vor einer heimlichen Protokollierung seiner Nutzungsgewohnheiten schützen. Unabhängig von der weiteren Entwicklung der europäischen Reformde- 94 batte lässt sich feststellen, dass drei Grundbedingungen für die „Spuren im Netz“ gelten sollten: – Es bedarf einer gezielten Förderung originär anonymer und pseudonymer Datenbestände, bei denen Persönlichkeitsrechte in stärkerem Maße geschützt sind als bei einer bloßen Anonymisierung und Pseudonymisierung. – Es bedarf eines Regelwerks, das die Identifikation pseudonymer und anonymer Nutzer verbietet. Ausnahmetatbestände müssen sorgsam formuliert werden, für Verstöße gegen das Identifikationsverbot müssen empfindliche Sanktionen gelten. – Eine intransparente Sammlung von Informationen über die eigene Person wird mit einem „Gefühl des ständigen Überwachtwerdens“ als „diffuse Bedrohlichkeit“ wahrgenommen. Um diesem „Gefühl“ entgegenzuwirken, bedarf es der Transparenz und einer Verpflichtung des Datenverarbeiters, den Nutzer umfassend über Datenverarbeitungsprozesse zu informieren. a) Originäre Anonymität und Pseudonymität Die originäre Pseudonymität bzw. Anonymität schützt Persönlichkeits- 95 rechte wesentlich stärker, als dies bei einer Pseudonymisierung bzw. Anonymisierung der Fall ist. Wer den Chatnamen „Sweet 26“ nutzt, hat 1 Härting/Schneider, ZRP 2011, 233, 235. 2 Tene/Polonetsky, Big Data for All: Privacy and User Control in the Age of Analytics, 11 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 239 (2013), 271, http://scholarlycommons. law.northwestern.edu/njtip/vol11/iss5/1.
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es selbst in der Hand, ob und in welchem Umfang er bei der Nutzung des Dienstes Informationen preisgibt, die Rückschlüsse auf die eigene Person zulassen. Werden dagegen bei einem Dienst „Klarnamen“ erfasst und die Datenbestände sodann durch einen Vorgang des „Ersetzens“ pseudonymisiert, kann der Schleier des Pseudonyms stets gelüftet werden durch einen inversen Ersetzungsvorgang. Der Nutzer, der möglichst wenig über sich preisgeben möchte, hat keine Kontrolle über ein inverses „Ersetzen“. Er ist darauf angewiesen, darauf zu vertrauen, dass dies nicht geschieht. b) Verbot der Identifizierung 96
§ 15 Abs. 3 Satz 3 TMG ist die einzige Norm des Datenschutzrechts, die es einem Datenverarbeiter ausdrücklich verbietet, die Person zu identifizieren, auf die sich pseudonyme bzw. anonyme Daten beziehen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da sich das Datenschutzrecht auf das Verbotsprinzip verlässt (§ 4 BDSG).
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Verbote der Identifizierung sind notwendig, da der Betroffene bei der Verarbeitung pseudonymer und anonymer Daten typischerweise in erheblichem Maße darauf vertraut, dass er nicht identifiziert wird. Wer würde noch unbefangen Suchbegriffe bei Google eingeben, wenn er wüsste, dass die Begriffe bei Google von einem Mitarbeiter gelesen werden, der den Namen und die Anschrift des Nutzers kennt?
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Vertrauen ist gerade bei der Netzkommunikation ein hohes Gut, so dass es umfassender Verbote der Identifizierung und empfindlicher Sanktionen bedarf, um das Vertrauen der Nutzer angemessen zu schützen. c) Transparenz
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In vielen Bereichen des Verbraucherschutzes setzt der Gesetzgeber auf Informationen. Das Datenschutzrecht hinkt dieser Entwicklung hinterher.
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Transparenz führt zu einer Verstärkung der Selbstbestimmung auf Seiten des Nutzers1. Zugleich wird das Vertrauen in Kommunikationsdienste und damit in eine Infrastruktur gestärkt, die für den freien Informationsaustausch und die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Informationsgesellschaft einen hohen Stellenwert hat. Es geht nicht nur um die individuelle Grundrechtsausübung, sondern auch um eine Stärkung der Verlässlichkeit und Durchschaubarkeit von Kommunikationsinfrastruktur2.
1 Vgl. Wieczorek, DuD 2011, 476, 480. 2 Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 2009, 513, 527.
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Anhang Rechtsprechungsübersicht1 A. Persönlichkeitsrechte EGMR vom 10.1.2013 36769/08 Es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem Urheberrecht und der Meinungsfreiheit. Die Ausnahmen, in denen die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden darf, sind restriktiv anzuwenden. Das Recht der Meinungsfreiheit ist eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft sowie eine der wichtigsten Bedingungen der Entwicklung und Entfaltung des Einzelnen. (Wechselwirkung; Meinungsfreiheit) BVerfG vom 17.9.2012 1 BvR 2979/10 Die Bezeichnung Dritter als „rechtsradikal“ kann eine zulässige Meinungsäußerung sein. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um eine unzulässige Schmähkritik. (Meinungsäußerung; Schmähkritik) BVerfG vom 29.2.2012 1 BvR 2883/11 Befindet sich jemand im so genannten „Kampf ums Recht“ (hier: Versuch, die Verwaltungsbehörde zur Einstellung eines Bußgeldverfahrens zu bewegen), ist es ihm zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich erlaubt, starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen. (Wortwahl beim „Kampf ums Recht“) BVerfG vom 25.1.2012 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09 Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen u.a. vom Wahrheitsgehalt ab, und wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Für die Abwägung ist auch relevant, ob sich die Berichterstattung auf Jugendliche bezieht. Es besteht jedoch keine Regelvermutung dahingehend, dass aufgrund der gesetzgeberischen Wertung im JGG jedes Informationsinteresse hinter dem Anonymitäts-
1 Die Übersicht erstreckt sich auf sämtliche Kapitel des Buchs und enthält die gerichtlichen Entscheidungen, auf die sich die einzelnen Kapitel beziehen. Wegen der Fülle der Entscheidungen beschränkt sich die Übersicht auf die Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte (seit 2008) sowie auf Entscheidungen des BVerfG und des EuGH.
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht interesse zurückzustehen habe, wenn nicht die begangene Tat von außergewöhnlicher Schwere war. (Abwägung APR – Meinungsfreiheit; Anonymitätsinteresse) BVerfG vom 9.3.2010 1 BvR 1891/05 Das zum Gewährleistungsgehalt der Meinungs- und Pressefreiheit gehörende Selbstbestimmungsrecht der Presse oder des journalistischen Laien als Träger der Meinungsfreiheit umfasst auch die Befugnis, den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen. Es ist daher nicht Aufgabe der Gerichte, zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert ist oder nicht. (Persönlichkeitsrechtsschutz bei Berichterstattung über Strafverfahren) BVerfG vom 18.2.2010 GRUR 2010, 544 Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben stellt einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) dar. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es dem Betroffenen selbst genehm ist. Daher begegne bereits die Annahme, dass die Veröffentlichung des Zitats das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Anwalts beeinträchtige, erheblichen Bedenken. (wörtliche Zitate aus Anwaltsschreiben; Informationsinteresse) BVerfG vom 10.6.2009 MMR 2009, 683 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen beeinträchtigt wird. (Online-Archiv; Straftäter) BVerfG vom 12.12.2007 1 BvR 1625/06 Zu den von Art. 12 GG geschützten Tätigkeiten einer Anwaltssozietät gehört auch die berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Dies gilt ohne Einschränkung auch bei der Wahl des Mediums Internet und ist im Rahmen der Abwägung zwischen den Rechten der Rechtsanwälte und denen der in einer zu Werbezwecken veröffentlichten „Gegnerliste“ genannten Prozessgegnern zu berücksichtigen. (Gegnerlisten; volle Namensnennung)
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A. Persçnlichkeitsrechte BVerfG vom 9.10.2001 1 BvR 622/01 Der Grundsatz der Subsidiarität einer Verfassungsbeschwerde fordert, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Von den Zivilgerichten ist zu prüfen, ob die mit der im Internet erfolgenden öffentlichen Anprangerung einer Person als Schuldner verbundenen nachteiligen Wirkungen Besonderheiten bei der Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Kommunikationsinteressen der Domain-Inhaber bewirken. Dabei ist die Ausstrahlungswirkung der betroffenen Grundrechte in das einfache Recht zu berücksichtigen. (Anprangerung; Ausstrahlungswirkung) BGH vom 19.3.2013 VI ZR 93/12 Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfällt mit Verlesung des Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren, denn ab diesem Zeitpunkt sei eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig gewesen. (Entfallen der Wiederholungsgefahr) BGH vom 11.12.2012 VI ZR 314/10 – IM „Christoph“ Die Presse darf Verlautbarungen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen. (Stasi; Vertrauen in Bundesbehörden) BGH vom 13.11.2012 VI ZR 330/11 Das Bereithalten von zeitgeschichtlich bedeutsamen, den Täter namentlich nennenden Prozessberichten über ein Kapitalverbrechen in dem Online-Archiv einer Zeitschrift kann je nach Art der Darstellung zulässig sein, wenn weiterhin ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit an der Möglichkeit, zeitgeschichtliche Ereignisse anhand der unveränderten Originalberichte in den Medien zu recherchieren, besteht. (Online-Archive; Interesse der Öffentlichkeit) BGH vom 30.10.2012 VI ZR 4/12 Das Bereithalten eines Beitrags in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil eines Internetportals (Online-Archiv einer Zeitung), in dem über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen – namentlich benannten – Manager eines bedeutenden Energieversorgers wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung berichtet wird, kann wegen des von der Zeitung verfolgten Informa-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht tionsinteresses der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zulässig sein. (Online-Archive; Informationsinteresse) BGH vom 18.9.2012 VI ZR 291/10 – Comedy-Darstellerin Die Medien dürfen über die ernsthafte Erkrankung einer bekannten Künstlerin auch ohne zwingenden aktuellen Anlass Spekulationen anstellen, solange dies nicht in herabsetzender Weise geschieht. (Informationsinteresse) BGH vom 31.5.2012 I ZR 234/10 – Playboy am Sonntag In der Veröffentlichung eines Fotos im redaktionellen Teil einer Zeitung, das eine sich unbeobachtet wähnende prominente Person bei der Lektüre einer Ausgabe dieser Zeitung zeigt, kann ein zur Zahlung eines angemessenen Lizenzbetrags verpflichtender rechtswidriger Eingriff in den vermögensrechtlichen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn auch die das Foto begleitende Wortberichterstattung ganz überwiegend werblichen Charakter hat und sich die mit der Berichterstattung insgesamt verbundene sachliche Information der Öffentlichkeit darauf beschränkt, dass die abgebildete Person in ihrer Freizeit ein Exemplar dieser Zeitung liest. (Werblicher Charakter der Berichterstattung) BGH vom 8.5.2012 VI ZR 217/08 Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassenen Anbieters jedenfalls dann international zuständig, wenn die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, den Mittelpunkt ihrer Interessen in Deutschland hat. (Internationale Zuständigkeit bei Internetveröffentlichungen) BGH vom 20.12.2011 VI ZR 261/10 – „Babyklappen“ Die Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung ist nicht der Privat-, sondern der Sozialsphäre zuzuordnen, wenn die betroffene Person als Leiter der Kinderschutzkommission dieser Vereinigung fungiert. Denn diese Tätigkeit ist notwendigerweise auf Außenwirkung angelegt. (Sphärentheorie; Tätigkeiten mit Außenwirkung) BGH vom 22.11.2011 VI ZR 26/11 Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts eines Politikers ist gerechtfertigt, wenn in einer Wort- und Bildberichterstattung ernsthaft und sachbezogen über sei-
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A. Persçnlichkeitsrechte ne private Beziehung zu einer Schauspielerin berichtet wird, da ein öffentliches Informationsinteresse hieran besteht. (Ernsthafte und sachbezogene Berichterstattung über die Beziehung eines Politikers) BGH vom 25.10.2011 VI ZR 332/09 – Persönlichkeitsrecht Ein ehemaliger Pornodarsteller, der mit einer bekannten Schauspielerin liiert ist, wird durch eine Presseberichterstattung über seine Tätigkeit in der Pornobranche nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn er in den thematisierten Filmen sein Gesicht zu erkennen gibt und sich somit dem Publikum ohne Einschränkung präsentiert. (Namentliche Nennung in Boulevard-Artikel) BGH vom 7.6.2011 VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal Handelt es sich bei der aktuellen Berichterstattung über eine Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis i.S.d. § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, muss der Persönlichkeitsschutz eines rechtskräftig Verurteilten, dessen ungepixeltes Foto im Zusammenhang mit dem Bericht veröffentlicht wird, zurücktreten. (Personen der Zeitgeschichte; aktuelle Berichterstattung) BGH vom 22.2.2011 VI ZR 114/09 Das von einem Presseorgan vorgenommene Bereithalten von Kurzmeldungen zum Abruf im Internet, in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird und durch die auf im „Archiv“ enthaltene und nur Nutzern mit besonderer Zugangsberechtigung zugängliche Beiträge aufmerksam gemacht wird, ist bei sachlicher Berichterstattung über eine zum Zeitgeschehen gehörige Straftat rechtlich zulässig. (Online-Archive, namentliche Nennung von Straftätern) BGH vom 1.2.2011 VI ZR 345/09 – Internetarchiv kasta.de Eine Zeitung muss ihr Online-Archiv, in dem namentlich über einen Mörder berichtet wird, nicht löschen. Im Rahmen einer Abwägung sind das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf freie Meinungsäußerung schwerer zu gewichten als das Interesse des Klägers, nicht namentlich genannt zu werden. Zwar besteht durch die Nennung die Gefahr, dass der Kläger Schwierigkeiten bei seiner Resozialisierung ausgesetzt ist. Jedoch ist diese Gefahr hier als gering einzustufen. (Online-Archive; Informationsinteresse; freie Meinungsäußerung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 17.12.2010 V ZR 45/10 Das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen steht dem Grundstückseigentümer zu, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus angefertigt worden sind. (Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien) BGH vom 7.12.2010 VI ZR 34/09 Die Weitergabe von Bildnissen durch ein Bildarchiv an ein Presseunternehmen kann mit Blick auf die Pressefreiheit nicht als Verbreitungshandlung i.S.d. § 22 KUG qualifiziert werden. (Weitergabe von Bildnissen) BGH vom 26.10.2010 VI ZR 190/08 – Rosenball in Monaco Die Veröffentlichung von Lichtbildern, die im Rahmen eines zeitgeschichtlichen Ereignisses angefertigt wurden, ist unter Berücksichtigung der Pressefreiheit auch in einem anderen Kontext einer lediglich personenbezogenen Berichterstattung zulässig. Die Presse muss nach journalistischen Kriterien entscheiden können, was und wie sie über ein öffentliches Ereignis berichtet. (Zeitgeschichtliches Ereignis; Pressefreiheit) BGH vom 14.10.2010 I ZR 191/08 – AnyDVD In einem der Presse- und Meinungsfreiheit unterfallenden Internet-Beitrag enthaltene Links, die einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen sollen, können ebenfalls von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst sein. (Pressefreiheit; Meinungsfreiheit; Hyperlinks) BGH vom 20.4.2010 VI ZR 245/08 Ob das Bereithalten von sog. Teasern zum Abruf im Internet, in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird und durch die auf im „Archiv“ enthaltenen und nur Nutzern mit besonderer Zugangsberechtigung zugänglichen Beiträge aufmerksam gemacht wird, durch die Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist, bedarf einer Abwägung im Einzelfall, die vor allem bei schwerwiegenden Straftaten zu Gunsten der Meinungs- und Pressefreiheit ausgehen kann. (Online-Archive; Einzelfallabwägung)
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A. Persçnlichkeitsrechte BGH vom 9.2.2010 NJW 2010, 2432 = WRP 2010, 642 Zur Zulässigkeit des Bereithaltens von sogenannten Dossiers zum Abruf im Internet, in denen den Täter identifizierende alte Wort- und Bildberichterstattungen über eine schwere Straftat zusammengefasst sind. (Spiegel-Dossiers; Straftäter) BGH vom 15.12.2009 VI ZR 228/08 – dradio.de Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird und gegebenenfalls hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung zurücktritt. (Online-Archiv; Straftäter) BGH vom 15.12.2009 NJW 2010, 757 = CR 2010, 184 mit Anm. Kaufmann Die Frage, ob eine Rundfunkanstalt nicht mehr aktuelle Rundfunkbeiträge, in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird, in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil ihres Internetportals weiterhin zum Abruf bereit halten darf, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit dem Recht der Rundfunkanstalt auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Dabei fließt zugunsten der Rundfunkanstalt mit erheblichem Gewicht in die Abwägung ein, dass die Veröffentlichung der Meldung ursprünglich zulässig war, die Meldung nur durch gezielte Suche auffindbar ist und erkennen lässt, dass es sich um eine frühere Berichterstattung handelt. (Online-Archiv; Straftäter) BGH vom 23.6.2009 NJW 2009, 2888 – spickmich.de Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen die Datenerhebung und -speicherung dient. (geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung; schutzwürdiges Interesse)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 22.4.2008 VI ZR 83/07 Einer Behörde kann ein Anspruch auf Richtigstellung zustehen, wenn die konkrete Äußerung geeignet ist, die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. (Schwerwiegende Beeinträchtigung durch Äußerung) BGH vom 21.11.2006 VI ZR 259/05 Wird jemand durch die Berichterstattung in seiner Sozialsphäre betroffen, so ist die Veröffentlichung dann nicht rechtmäßig, wenn etwa eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen ist. (Prangerwirkung) BGH vom 18.11.2004 VI ZR 298/03 Ehrkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, können in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden, weil die Parteien und ihre Bevollmächtigten das vortragen können müssen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Gerichtsverfahren geprüft werden. (Ehrkränkung) OLG München vom 15.11.2012 29 U 1481/12 Der Aufruf einer Verbraucherzentrale, Banken zur Kündigung von Konten aufzufordern, welche Betreiber so genannter Abofallen im Internet bei ihnen unterhalten, kann von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt sein. (Boykottaufruf; Meinungsfreiheit) OLG Frankfurt a.M. vom 11.10.2012 16 U 25/12 Innerhalb einer kritischen Auseinandersetzung mit einer Berichterstattung über die eigene Person ist auch bei Vorliegen einer unrichtigen Behauptung keine Schmähkritik zu sehen, wenn die inhaltliche Auseinandersetzung nicht hinter der Diffamierung zurücktritt, weil diese Behauptung jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll. (Unrichtige Behauptung; Pressefreiheit, Schmähkritik)
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A. Persçnlichkeitsrechte OLG Dresden vom 26.9.2012 4 W 1036/12 Die Bezeichnung eines Rechtsanwalts als „umstrittener Anwalt“ ist keine Schmähkritik, sondern zulässige Meinungsäußerung. (Schmähkritik) OLG Naumburg vom 20.9.2012 9 U 59/12 Bei der Beurteilung, ob Äußerungen als unzulässige Schmähkritik aufzufassen sind, ist nicht allein der Gesamtkontext maßgeblich, sondern jede in einer längeren Äußerung enthaltene Äußerung ist einzeln zu prüfen. Eine Aneinanderreihung von Äußerungen, die als geschützte Meinungsäußerungen zu werten sind, verliert den verfassungsrechtlichen Schutz nicht durch den sachlichen Zusammenhang mit anderen Äußerungen, die ebenfalls durch Art. 5 GG geschützt sind. (Reichweite der Meinungsfreiheit; vertrauliche Mails) OLG Brandenburg vom 9.7.2012 1 U 19/11 Der Persönlichkeitsschutz reicht im gewerblichen Bereich nicht so weit wie der Schutz des privaten Bereichs im engeren Sinne. Das Wirken eines Menschen im Berufs- und Erwerbsleben im Allgemeinen vollzieht sich nicht in einer Geheimsphäre. Vielmehr bedingt die Beteiligung am Wirtschaftsverkehr die Offenlegung gewisser personenbezogener Informationen. Ohne einen wechselseitigen Informationsfluss unter Teilnehmern an einem ökonomischen Prozess ist keine gewerbliche Betätigung möglich. (Reichweite des Persönlichkeitsschutzes) OLG Dresden vom 3.5.2012 4 U 1883/11 Richtet sich ein Anspruch auf Geldentschädigung gegen eine auf einer Internetplattform erschienene Veröffentlichung, kann die Subsidiarität dieses Anspruches nicht eingewandt werden, weil es aus tatsächlichen Gründen aussichtslos ist, eine Weiterverbreitung im Internet zu unterbinden. Damit von der Geldentschädigung eine echte Hemmungswirkung ausgeht, ist deren Höhe nicht an der Anzahl der Seitenaufrufe, auf denen sich der beanstandete Artikel befindet, sondern an der Anzahl der Nutzer des Portals im Zeitpunkt der Verletzungshandlung auszurichten. (Entschädigung für Blogs) OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 16 U 125/11 Bewertungen von Personen oder Unternehmen im Internet müssen von den Betroffenen hingenommen werden, soweit sie keine unwahre Tatsachenbehauptung und nicht hinzunehmende Schmähkritik enthalten. Soweit die Grenzen des Erlaubten nicht überschritten sind, steht auch einem Arzt, der sich Bewertungen in
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht einem frei zugänglichen Internetportal ausgesetzt sieht, kein Anspruch gegen den Betreiber des Bewertungsportals auf Löschung des Eintrags zu. (Bewertungsportale; Schmähkritik) OLG Köln vom 14.2.2012 15 U 123/11 Dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören insbesondere die Ausdrucksformen der Sexualität eines Menschen an. Wenn eine Sexualstraftat im Raume steht, kann eine ausgewogene aktuelle Berichterstattung hierüber gerechtfertigt sein, sofern ein unmittelbarer Bezug zur Tat besteht und Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gegeben werden. (Absolut geschützter Kernbereich privater Lebensgestaltung) Kammergericht vom 6.2.2012 10 U 50/11 Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung entfallen, wenn sich der Betroffene damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Maßgebend ist hierfür, ob der Betroffene Umstände aus einem privaten Lebensbereich offenbart hat. Eine Selbstöffnung liegt aber nicht vor, wenn durch die Veröffentlichung ein weiterer eigenständiger Bereich der Privatsphäre betroffen ist. (Abwägung; Offenbarung privater Umstände) Kammergericht vom 30.1.2012 10 U 85/11 Auch im Internet besteht ein Anspruch auf Gegendarstellung gegen Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, wenn eine Person oder Stelle, durch eine in dem Onlineangebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist (§ 56 RStV). (Gegendarstellungsanspruch im Internet; Tatsachenbehauptung) OLG Hamburg vom 18.1.2012 5 U 51/11 Die Abwägung der Interessen der Klägerin gegen jene der Beklagten, der Nutzer des Bewertungsportals sowie der an Hotelbewertungsportalen interessierten Öffentlichkeit ergibt, dass der Klägerin der geltend gemachte umfassende Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Die Klägerin ist unzutreffenden und für ihren Hotelbetrieb abträglichen Bewertungen nicht schutzlos ausgeliefert, da sie deren Löschung verlangen und dies gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen könne. (Bewertungsportale; Abwägungsfragen)
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A. Persçnlichkeitsrechte OLG Köln vom 22.11.2011 15 U 91/11 Macht sich ein Internet-Forumsbetreiber den in einem von ihm eingestellten Beitrag implementierten Presseartikel einer Zeitung zu eigen, welcher unwahre persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptungen beinhaltet, so haftet der Internet-Forumsbetreiber als unmittelbarer Handlungsstörer auf Unterlassung. (Zueigenmachen eines Beitrags) OLG Braunschweig vom 24.11.2011 2 U 89/11 Die nichtgenehmigte textliche Wiedergabe einer E-Mail in einer Presseveröffentlichung, die eine Auseinandersetzung mit den Ansichten und der Haltung des Verfassers der E-Mail erst ermöglicht, als auch Hinweise enthält, die ggfs. seine Identifizierung ermöglichen, berührt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfassers der E-Mail. Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht einer Person gehören das Recht auf Anonymität und das Recht am gesprochenen/geschriebenen Wort, weshalb der Einzelne grundsätzlich selbst darüber entscheiden kann, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden. (Recht auf Anonymität) Kammergericht vom 22.9.2011 10 U 131/10 Die Antragstellerin kann die Unterlassung erneuter Verbreitung heimlich aufgenommener Bildnisse aus ihren der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Betriebsräumen verlangen. Die Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen aus Art. 12 Abs. 1, 13 GG und Art. 5 Abs. 1 GG ergibt, dass die Veröffentlichung der entsprechenden Filmaufnahmen in der Sendung „E… – Das R… Magazin“ … rechtswidrig ist. (Heimlich aufgenomme Bildnisse; Abwägungsfragen) OLG Hamm vom 3.8.2011 3 U 196/10 § 13 Abs. 7 TMG berechtigt nicht einen Dritten, Auskunft von einem Dienstanbieter über einen Nutzer zu verlangen, da diese Norm ausschließlich das Anbieter-Nutzer-Verhältnis betrifft. Art. 15 Abs. 2 ECRL begründet keinen Auskunftsanspruch eines Dritten gegen einen Dienstanbieter über einen Nutzer des Dienstes, da die Norm nur eine Möglichkeit und keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vorsieht, bestimmte Informationspflichten für Dienstanbieter zu bestimmen und ferner allenfalls einen Auskunftsanspruch gegen Behörden zulässt. Die anonyme Nutzung ist eine für das Internet typische Nutzungsart, die von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit umfasst ist, da andernfalls die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, allgemein die Gefahr begründen würde, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen seine Meinung nicht äußert. Im Zuge der Abwägung des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen mit dem Recht auf Meinungsäußerung eines Bewertenden im Rahmen eines Bewertungsportals, kann der Umstand, dass die bewertete Tätigkeit des Betroffenen für jeder-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht mann öffentlich zugänglich ist, zu einer Abwägung zugunsten der Meinungsfreiheit führen, da an der Berichterstattung in einem solchen Fall ein überwiegendes generelles öffentliches Interesse bestehen kann. (Auskunftsansprüche; anonyme Nutzung; Bewertungsportale) OLG Dresden vom 12.7.2011 4 U 188/11 Der Suizid eines nahen Angehörigen betrifft den Kernbereich der Privatsphäre; eine namentliche Berichterstattung verletzt zugleich dessen Recht, mit seiner Trauer allein gelassen zu werden. Auch bei einem ehemaligen Landesminister, der sich seit mehreren Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, besteht regelmäßig kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit am Suizid eines Angehörigen. (Kernbereich der Privatsphäre; Informationsinteresse) Kammergericht vom 20.6.2011 10 U 170/10 Der Blog-Eintrag „Wer das bestreitet … nimmt wohl eine HS-Diagnose auf Grund eines von P. bezahlten Gutachtens (W.) als gegeben, für die Wissenschaftler bezweifeln, dass sie valide ist.“ stellt sich als Zusammenspiel von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen dar, die insgesamt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt und zulässig ist, da sie nicht die Behauptung enthält, dass der Gutachter auf Grund einer Zahlung zu dem gefundenen Ergebnis gelangt ist. (Blog-Einträge; Schutzbereich der Meinungsfreiheit) OLG Köln vom 3.5.2011 15 U 194/10 Ein Gewerbebetrieb muss sich der Kritik seiner Leistung stellen. Selbst eine gewerbeschädigende negative Kritik ist daher nicht schon aus diesem Grund äußerungsrechtlich unzulässig. Zur äußerungsrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit kritischer Aussagen über getestete Waren und/oder Leistungen eines Unternehmens bedarf es vielmehr einer Güter- und Pflichtenabwägung, in deren Rahmen der Bedeutung des in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechtsschutzes auf freie Meinungsäußerung des Kritikers Rechnung zu tragen ist. (Äußerungsrechtliche Zulässigkeit von Kritik) Kammergericht vom 18.4.2011 10 U 149/10 Die Axel Springer AG darf bestimmte E-Mails in direkter oder indirekter Rede weder verbreiten noch verbreiten lassen, die die Privatsphäre des früheren brandenburgischen Innenministers Rainer Speer betreffen. Zwar besteht am Verhalten von Personen des politischen Lebens unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Aus den umstrittenen E-Mails ist jedoch ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis der Beteiligten erkennbar: Sie haben darauf vertraut, dass ihre Korres-
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A. Persçnlichkeitsrechte pondenz nicht einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden. Dies verstärkt den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht im Falle einer Veröffentlichung. (vertrauliche E-Mails; Informationsinteresse) OLG Hamburg vom 22.3.2011 7 U 128/09 Auch wenn die Meinungsfreiheit weit auszulegen ist, so erfasst sie keinesfalls unwahre Tatsachenbehauptungen. Ein entsprechend unwahrer Pressebericht muss daher aus einem Online-Archiv entfernt werden. (Online-Archive; Tatsachenbehauptungen) OLG Hamburg vom 15.3.2011 7 U 45/10 Der Betreiber eines Online-Archives muss unter Umständen einen Beitrag über einen verurteilten Mörder entfernen. Durch die Nennung des Namens darf nicht unnötig die Resozialisierung gefährdet werden. (Online-Archive; Resozialisierungsgedanke) OLG Düsseldorf vom 11.3.2011 I-15 W 14/11 Es kann an einem Verfügungsgrund fehlen, wenn der Antragsteller seine Rechte einstweilen selbst gewahrt hat, indem er auf die angegriffene Negativbewertung durch den Antragsgegner in einem Internetbewertungssystem erwidert hat. (Fehlen eines Verfügungsgrundes) OLG Frankfurt a.M. vom 24.2.2011 16 U 172/10 Eine Person, die einem Fernsehsender ein Interview gewährt, muss damit rechnen, dass der Filmbeitrag, der das Interview enthält, auch im Internet verbreitet wird. Ist eine Person mit dem kritischen Inhalt eines Fernsehberichts nicht einverstanden, rechtfertigt dies jedoch nicht den Widerruf einer Einwilligung in die Verbreitung eines Interviews, dass für diesen Bericht gegeben wurde. Niemand hat einen Anspruch darauf, von anderen so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte. (Einwilligung in Filmaufnahme; Verbreitung; Widerruf) OLG Karlsruhe vom 2.2.2011 1 (7) Ss 371/10-AK 99/10 Die Online-Verbreitung von Kinderbildern eines nahen Angehörigen ist nicht automatisch und zwingend eine strafbare Handlung. Zulässig kann eine solche Handlung insbesondere dann sein, wenn der abgelichtete Jugendliche eine relative Person der Zeitgeschichte ist. (Person der Zeitgeschichte; Kinderbilder)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Köln vom 18.1.2011 15 U 130/10 Es besteht kein Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen über die Praxis von Abmahnungen in sog. „Filesharing-Fällen“ in einem Artikel mit dem Titel „Die Abmahn-Industrie“, wenn die Kanzlei des Klägers nicht als Exempel für ein Anwaltsbüro angeführt wird, das unberechtigte Forderungen geltend macht, sondern als Exempel der zur Abmahn-Szene gehörenden Anwaltschaft. (Filesharing; Abmahnanwälte) OLG Bremen vom 14.1.2011 2 U 115/10 Die Internetseite einer Rechtsanwaltskanzlei ist Telemedium i.S.v.§ 56 Absatz 1 RStV. Sie ist journalistisch-redaktionell gestaltet, wenn sich ihr Inhalt nicht in einer bloßen Eigenwerbung erschöpft, sondern regelmäßig bearbeitete Neuigkeiten sowie laufend Pressemitteilungen von der Kanzlei herausgegeben und ins Internet eingestellt werden. (Gestaltung eines Internetauftritts einer Rechtsanwaltskanzlei) OLG Stuttgart vom 10.11.2010 4 U 96/10 Die Teilnahme an einer Yahoo-Nachrichtengruppe gehört nicht zur Privatsphäre, wenn dem Teilnehmer nicht alle übrigen Mitglieder der Gruppe persönlich bekannt sind. Die unerlaubte Veröffentlichung einer für einen eingeschränkten, überschaubaren Personenkreis bestimmten E-Mail ist wie die Veröffentlichung eines Briefs als eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen. Sie kann aber bei Abwägung der gegenseitigen Interessen gerechtfertigt sein, wenn es um den Meinungskampf über ein die Bevölkerung unmittelbar interessierendes wichtiges Thema der notwendigen Gesundheitsvorsorge (hier: Impfungen) geht. (Sphärentheorie) Kammergericht vom 9.11.2010 5 U 69/09 Ein Foto mit einem nackten Mann und einer auf einem Bademantel oder Handtuch abgebildeten, geschützten Marke, kann von der Kunstfreiheit gedeckt sein, wenn es eine freie schöpferische Gestaltung des Fotografen darstellt, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Hinweise geben Anordnung der abgebildeten Gegenstände sowie Fokussierung. Werden Merkmale der Marke – hier Diskretion, Zurückgezogenheit und Privatheit – in dem Bild verwertet oder sind Voraussetzung für das Bild, kann dies einer Herabsetzung oder Verunglimpfung der Marke entgegenstehen. (Nacktfotografien; Kunstfreiheit)
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A. Persçnlichkeitsrechte OLG Düsseldorf vom 27.10.2010 15 U 79/10 Die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat einer genannten oder zu identifizierenden Person greift in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht ein; es droht eine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit. Ist sie wahr, hat der Betroffene sie jedoch hinzunehmen. (Hinzunehmende Berichterstattung; Verdachtsberichterstattung) OLG München vom 23.4.2010 18 W 688/10 Bei kritischer Berichterstattung über mutmaßliche Unstimmigkeiten bei Call-inSendungen gelten die Regelungen zur Verdachtsberichterstattung. Danach muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen, die für den Wahrheitsgehalt der verbreiteten Informationen sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Darüber hinaus muss grundsätzlich eine Stellungnahme des Betroffenen zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf eingeholt werden und es muss ein berechtigtes öffentliches Interesse an dem Gegenstand der Berichterstattung bestehen sowie eine den Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt genügende Recherche stattgefunden haben. (Verdachtsberichtserstattung; Wahrheitsgehalt) OLG Dresden vom 16.4.2010 4 U 127/10 Ob die Nacktdarstellung einer Person der Zeitgeschichte auf einem Gemälde deren Intimsphäre verletzt, ist aufgrund einer Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten des Künstlers zu ermitteln. Sie kann zulässig sein, wenn das Bildnis einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstellt, den Abgebildeten nicht zum bloßen Objekt herabwürdigt und keine unwahre Tatsachenbehauptung enthält. (Kunstfreiheit; Person der Zeitgeschichte) OLG Düsseldorf vom 8.3.2010 I-20 U 188/09 Da die Frage der Zulässigkeit heimlich gefertigter Bildaufnahmen nicht losgelöst von dem Kontext beantwortet werden kann, in dem die Bilder veröffentlicht werden, kommt ein vorbeugender Unterlassungsanspruch angesichts der Vielfältigkeit denkbarer Zusammenhänge nicht in Betracht. (heimliche Bildaufnahmen; Unterlassung) OLG Hamburg vom 23.2.2010 7 U 90/09 Die Nennung des Namens eines Gutachters auf einer Website, die sich mit vorgeblichen Falschgutachten befasst, kann unzulässig sein. Dies gilt insbesondere, wenn der Betreiber der Website erkennbar eigene wirtschaftliche Interessen und weniger die objektive Information der Allgemeinheit verfolgt. (Namensnennung auf Homepage)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamburg vom 16.2.2010 7 U 188/09 Die nicht anonymisierte Wiedergabe der Verfahrensbeteiligten in einer Urteilsveröffentlichung stellt sich nicht ohne Weiteres als eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen dar, wenn es sich bei einer solchen Veröffentlichung um die zutreffende Wiedergabe und Offenlegung eines Vorgangs aus der (beruflichen) Sozialphäre des Betroffenen handelt, mit der keine Daten aus dem Privatleben des Betroffenen preisgegeben werden. (Namensnennung; Sozialsphäre) OLG Köln vom 9.2.2010 15 U 107/09 Das Einstellen eines Fotos in das eigene Facebook-Profil stellt die Einwilligung in einen Zugriff durch Suchmaschinen dar, wenn von der vorhandenen Sperrmöglichkeit kein Gebrauch gemacht wird. (Einwilligung; Facebook) OLG Nürnberg vom 2.2.2010 3 U 2135/09 Zwar ist es zutreffend, dass die Aussagen der Beklagten auf einer Bewertungsplattform „Abmelden kann ich mich auch nicht“, „Account wird einfach nicht gelöscht“ falsch sind. Die Klägerin konnte jedoch nicht nachweisen, dass diese Aussagen eines Einzelnen objektiv eine Kreditgefährdung der Klägerin nach sich gezogen haben. (Bewertungsplattform; Kreditgefährdung) Kammergericht vom 20.2.2009 9 W 39/09 Die namentliche Nennung eines Rechtsanwalts in einem Internetbericht über eine gerichtliche Verhandlung ist rechtlich nicht zu beanstanden, da dem öffentlichen Informationsinteresse gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem hieraus abgeleiteten Anonymitätsinteresse des Anwalts von vornherein ein größeres Gewicht beizumessen ist. (Nennung eines Rechtsanwalts; Infomationsinteresse) Kammergericht vom 29.1.2009 10 W 73/08 Für den privaten Betreiber einer Website gilt das Laienprivileg, wonach er Presseberichte nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen muss, und zwar unabhängig davon, ob er diese zur Grundlage einer eigenen Äußerung macht oder einen Artikel unkommentiert ins Internet stellt. Eine Haftung setzt Kenntnis der Unwahrheit voraus. (Laienprivileg)
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B. Datenschutz OLG Köln vom 3.7.2008 15 U 43/08 In der Bewertung einer Lehrerin auf der Internetseite www.spickmich.de liegt keine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die im dortigen Bewertungsmodul genannten Kriterien und auch die Zeugnisfunktion im Zusammenhang mit der Nennung personenbezogener Daten fallen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, da sie nicht das Erscheinungsbild oder die allgemeine Persönlichkeit betreffen, sondern die konkrete Ausübung der beruflichen Tätigkeit und damit die Sozialsphäre, und sich daher als rein sach- und unterrichtsbezogene Kriterien darstellen. In einem solchen Fall rechtfertigt das Maß der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts eine Einbuße an Meinungsfreiheit durch Untersagung der Bewertung nicht. (Bewertungsportal; Schutzbereich der Meinungsfreiheit) OLG Hamm vom 7.2.2008 MMR 2008, 750 Wird ein Gerichtsurteil ungeschwärzt im Internet öffentlich zugänglich gemacht, liegt darin eine wettbewerbswidrige unlautere Handlung, wenn in diesem Urteil eine wettbewerbswidrige Handlung des Prozessgegners festgestellt wird. Eine derartige Handlung kann auch von dem Herausgeber des Internet-Auftritts begangen werden, selbst, wenn er kein Wettbewerber des Prozessgegners ist. (Urteilsveröffentlichung; Herabsetzung und Verunglimpfung)
B. Datenschutz EuGH vom 19.4.2012 C-461/10 Die RL 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.3.2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der RL 2002/58/EG ist dahin auszulegen, dass sie der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die auf der Grundlage von Art. EWG_RL_2004_48 Artikel 8 der RL 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erlassen wurden. (Vorratsdatennutzung) EuGH vom 16.12.2008 CR 2009, 229 mit Anm. Härting Gegenstand von Artikel 9 der Datenschutzrichtlinie ist der Einklang von einerseits dem Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung von Daten und andererseits dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung. (Datenschutz; Medienprivileg)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht EuGH vom 6.11.2003 MMR 2004, 95 Die Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und diese entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise, etwa durch Angabe ihrer Telefonnummer oder durch Informationen über ihr Arbeitsverhältnis oder ihre Freizeitbeschäftigungen, erkennbar zu machen, stellt eine „ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Datenschutzrichtlinie dar. (Datenschutzrecht; Internetveröffentlichungen) EGMR vom 10.1.2013 36769/08 Es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem Urheberrecht und der Meinungsfreiheit. Die Ausnahmen, in denen die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden darf, sind restriktiv anzuwenden. Das Recht der Meinungsfreiheit ist eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft sowie eine der wichtigsten Bedingungen der Entwicklung und Entfaltung des Einzelnen. (Wechselwirkung; Meinungsfreiheit) EGMR vom 7.2.2012 Appl. Nos. 40660/08 und 60641/08 Eine Berichterstattung über das Privatleben Prominenter verstößt nicht gegen Art. 8 I EMRK, wenn sie von öffentlichem Interesse ist und in einem angemessenen Verhältnis zur Achtung des Privatlebens steht. (Zulässigkeit einer Berichterstattung) BVerfG vom 24.1.2012 1 BvR 1299/05 In der Zuordnung von TK-Nummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. (Speicherung und Verwendung von TK-Daten) BVerfG vom 13.11.2010 2 BvR 1124/10 IP-Adressen sind im Rahmen der näheren Umstände eines Telekommunikationsvorgangs vom Schutzbereich des Art. 10 GG erfasst. Die Abfrage von gespeicherten IP-Adressen stellt somit grundsätzlich einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis dar. Als Rechtsgrundlage für eine Speicherung der IP-Adressen beim Diensteanbieter kommen – je nach Anwendungsfall – sowohl die Vorschriften des Telekommunikations- als auch die des Telemediengesetzes in Betracht. Ein Auskunftsanspruch von Ermittlungsbehörden hinsichtlich IP-Adressen kann je nach Umständen des Einzelfalls und Schwere des Eingriffs auf die Generalklausel des § 161 Abs. 1 StPO gestützt werden. Die vorliegende Verfassungsbeschwerde, die sich gegen ein staatsanwaltschaftliches Auskunftsverlangen auf Mitteilung
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B. Datenschutz einer IP-Adresse und gegen die Durchsetzung dieses Verlangens mit Ordnungsmitteln richtet, ist mangels hinreichender Substantiierung unzulässig. (Schutzbereich des Art. 10 GG; TK-Geheimnis) BVerfG vom 8.6.2010 1 BvR 1745/06 Äußerungen die wahre Tatsachenbehauptungen darstellen und die sie betreffende Person weder in ihrer besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre treffen, sondern lediglich Vorgänge aus ihrer Sozialsphäre benennen, müssen grundsätzlich hingenommen werden und überschreiten regelmäßig erst dann die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lassen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Es ist nicht zu erkennen, dass ein umfassender Verlust an sozialer Achtung drohe, wenn eine Bereitschaft zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht wird. Hiergegen spricht, dass nicht etwa eine strafrechtlich relevante oder auch nur überhaupt gesetzlich verbotene, sondern lediglich eine aus Sicht einiger Personen moralisch verwerfliche Tätigkeit vorgehalten wurde. (Tatsachenbehauptungen; Intimsphäre; Sozialsphäre) BVerfG vom 2.3.2010 NJW 2010, 833 – Vorratsdatenspeicherung Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar. (Speicherungspflicht; Telekommunikationsdaten) BVerfG vom 18.2.2010 GRUR 2010, 544 Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben stellt einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) dar. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es dem Betroffenen selbst genehm ist. Daher begegne bereits die Annahme, dass die Veröffentlichung des Zitats das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Anwalts beeinträchtige, erheblichen Bedenken. (wörtliche Zitate aus Anwaltsschreiben; Informationsinteresse) BVerfG vom 16.6.2009 NJW 2009, 2431 – E-Mail-Beschlagnahme Die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers sind am Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zu messen. §§ 94 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Anforderungen, die an eine gesetzliche Ermächtigung für solche Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis zu stellen sind. (Beschlagnahme von E-Mails beim Provider) BVerfG vom 10.6.2009 MMR 2009, 683 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen beeinträchtigt wird. (Online-Archiv; Straftäter) BVerfG vom 17.2.2009 NJW 2009, 1405 – Kreditkartendaten Für die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung genügt es nicht, dass Daten bei einem Kreditkartenunternehmen in einen maschinellen Suchlauf mit eingestellt werden, wenn die Daten anonym und spurenlos aus dem Suchlauf ausscheiden und nicht im Zusammenhang mit dieser Ermittlungsmaßnahme behördlich zur Kenntnis genommen wurden. (Datenschutzrecht; Anwendungsbereich) BVerfG vom 27.2.2008 NJW 2008, 822 = CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen und ist grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. (Computergrundrecht) BVerfG vom 2.3.2006 CR 2006, 383 – Handydaten Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. (Telekommunikationsüberwachung; Fernmeldegeheimnis)
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B. Datenschutz BVerfG vom 3.3.2004 1 BvR 2378/98 u. 1 BvR 1084/99 Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG gehört die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung. In diesen Bereich darf die akustische Überwachung von Wohnraum zu Zwecken der Strafverfolgung nicht eingreifen. Eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen der Unverletzlichkeit der Wohnung (und dem Strafverfolgungsinteresse findet insoweit nicht statt. (Akustische Überwachung von Wohnraum) BGH vom 1.2.2011 VI ZR 345/09 – Internetarchiv kasta.de Eine Zeitung muss ihr Online-Archiv, in dem namentlich über einen Mörder berichtet wird, nicht löschen. Im Rahmen einer Abwägung sind das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf freie Meinungsäußerung schwerer zu gewichten als das Interesse des Klägers, nicht namentlich genannt zu werden. Zwar besteht durch die Nennung die Gefahr, dass der Kläger Schwierigkeiten bei seiner Resozialisierung ausgesetzt ist. Jedoch ist diese Gefahr hier als gering einzustufen. (Online-Archive; Informationsinteresse; freie Meinungsäußerung) BGH vom 18.1.2011 1 StR 663/10 TK-Daten, die vor dem 2.3.2010 auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des BVerfG v. 11.3.2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 rechtmäßig erhoben und an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem Urteil des BVerfG vom 2.3.2010 in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar. (Verwertbarkeit von TK-Daten) BGH vom 13.1.2011 III ZR 146/10 – Speicherung dynamischer IP-Adressen Die Befugnis zur Speicherung von IP-Adressen zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an TK-Anlagen gem. § 100 I TKG setzt nicht voraus, dass im Einzelfall bereits Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler vorliegen. Es genügt vielmehr, dass die in Rede stehende Datenerhebung und -verwendung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des TK-Betriebs entgegenzuwirken. (Fehler an TK-Anlagen; abstrakte Gefahren im TK-Betrieb; IP-Adresse) BGH vom 20.4.2010 I ZR 142/07 Bei einem zu einem Wort zusammengesetzten Zeichen (hier: KOHLERMIXI) misst der Verkehr den einzelnen Wortbestandteilen (hier: KOHLER und MIXI) keine selbständig kennzeichnende Stellung zu, wenn er nicht Veranlassung hat, das Zeichen zergliedernd wahrzunehmen. Von einer zergliedernden Wahrnehmung des
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht zusammengesetzten Zeichens ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht auszugehen, wenn eine dem Verkehr nicht bekannte Herstellerangabe mit einer älteren nicht bekannten Marke zu einem Wort zusammengefügt wird. (Verwechslungsgefahr, Wahrnehmung) BGH vom 9.2.2010 NJW 2010, 2432 = WRP 2010, 642 Zur Zulässigkeit des Bereithaltens von sogenannten Dossiers zum Abruf im Internet, in denen den Täter identifizierende alte Wort- und Bildberichterstattungen über eine schwere Straftat zusammengefasst sind. (Spiegel-Dossiers; Straftäter) BGH vom 15.12.2009 VI ZR 228/08 – dradio.de Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird und gegebenenfalls hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung zurücktritt. (Online-Archiv; Straftäter) BGH vom 15.12.2009 CR 2010, 184 mit Anm. Kaufmann Die Frage, ob eine Rundfunkanstalt nicht mehr aktuelle Rundfunkbeiträge, in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird, in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil ihres Internetportals weiterhin zum Abruf bereit halten darf, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit dem Recht der Rundfunkanstalt auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Dabei fließt zugunsten der Rundfunkanstalt mit erheblichem Gewicht in die Abwägung ein, dass die Veröffentlichung der Meldung ursprünglich zulässig war, die Meldung nur durch gezielte Suche auffindbar ist und erkennen lässt, dass es sich um eine frühere Berichterstattung handelt. (Online-Archiv; Straftäter) BGH vom 11.11.2009 CR 2010, 87 – HappyDigits Statt eines Ankreuzkästchens im Rahmen einer Einwilligung zur Datenverarbeitung in Form einer Opt-out-Erklärung reicht es auch aus, wenn fettgedruckt auf die Möglichkeit der Streichung der Einwilligungsklausel hingewiesen wird. (Opt-out; Streichung)
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B. Datenschutz BGH vom 23.6.2009 NJW 2009, 2888 – spickmich.de Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen die Datenerhebung und -speicherung dient. (geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung; schutzwürdiges Interesse) BGH vom 31.3.2009 CR 2009, 446 Die Sicherstellung von E-Mails beim E-Mail-Provider ist entsprechend den Voraussetzungen des § 99 StPO mit der Herausgabepflicht nach § 95 Abs. 2 StPO anzuordnen. (Beschlagnahme von E-Mails beim Provider) BGH vom 16.7.2008 CR 2008, 720 – Payback Aus § 4a BDSG ergibt sich nicht, dass eine Einwilligung in die Datenverarbeitung nur dann wirksam sein soll, wenn der Nutzer eine gesonderte Einwilligungserklärung unterzeichnen oder ein für die Erteilung der Einwilligung vorzusehendes Kästchen ankreuzen muss. Vielmehr ergibt sich aus § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG, dass die Einwilligung auch zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werden kann, sofern sie in diesem Fall besonders hervorgehoben wird. (Einwilligung; Datenschutzbestimmung) OLG Hamm vom 20.9.2012 I-4 U 85/12 Eine Krankenkasse hat es zu unterlassen, ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten bei Gewinnspielen persönliche Daten von minderjährigen Verbrauchern ab 15 Jahren zu erheben, um diese als Kunden werben zu können. (Datenerhebung bei Minderjährigen) OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2012 16 U 125/11 Bewertungen von Personen oder Unternehmen im Internet müssen von den Betroffenen hingenommen werden, soweit sie keine unwahre Tatsachenbehauptung und nicht hinzunehmende Schmähkritik enthalten. Soweit die Grenzen des Erlaubten nicht überschritten sind, steht auch einem Arzt, der sich Bewertungen in einem frei zugänglichen Internetportal ausgesetzt sieht, kein Anspruch gegen den Betreiber des Bewertungsportals auf Löschung des Eintrags zu. (Bewertungsportale; Schmähkritik)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamm vom 3.8.2011 I-3 U 196/10 § 13 Abs. 7 TMG berechtigt nicht einen Dritten, Auskunft von einem Dienstanbieter über einen Nutzer zu verlangen, da diese Norm ausschließlich das Anbieter-Nutzer-Verhältnis betrifft. Art. 15 Abs. 2 ECRL begründet keinen Auskunftsanspruch eines Dritten gegen einen Dienstanbieter über einen Nutzer des Dienstes, da die Norm nur eine Möglichkeit und keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vorsieht, bestimmte Informationspflichten für Dienstanbieter zu bestimmen und ferner allenfalls einen Auskunftsanspruch gegen Behörden zulässt. Die anonyme Nutzung ist eine für das Internet typische Nutzungsart, die von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit umfasst ist, da andernfalls die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, allgemein die Gefahr begründen würde, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen seine Meinung nicht äußert. Im Zuge der Abwägung des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen mit dem Recht auf Meinungsäußerung eines Bewertenden im Rahmen eines Bewertungsportals, kann der Umstand, dass die bewertete Tätigkeit des Betroffenen für jedermann öffentlich zugänglich ist, zu einer Abwägung zugunsten der Meinungsfreiheit führen, da an der Berichterstattung in einem solchen Fall ein überwiegendes generelles öffentliches Interesse bestehen kann. (Auskunftsansprüche; anonyme Nutzung; Bewertungsportal; Meinungsfreiheit) OLG Hamburg vom 2.8.2011 7 U 134/10 Ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung von Äußerungen, die personenbezogene Daten enthalten und die über ein Internetforum abrufbar sind, kann dem Betroffenen gegen den Betreiber des Internetforums aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 4 Abs. 1 BDSG als Schutzgesetz zustehen. Der Betreiber des Internetforums ist eine für die Übermittlung der Daten verantwortliche Stelle, wenn das Betreiben des Internetforums im eigenen unternehmerischen Interesse des Betreibers erfolgt. Der Betreiber des Internetforums kann dem Anspruch entgegenhalten, dass der Verfasser des Forenbeitrags in Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 28 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BDSG gehandelt hat, wenn der Verfasser die Daten des Betroffenen für die Erörterung eines Themas von öffentlichem Interesse genutzt hat und der Mitteilung dieser Daten keine berechtigten Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Das BDSG ist auch dann anwendbar, wenn die Forenbeiträge zwar ausschließlich auf Servern gespeichert sind, die sich außerhalb der EU befinden, sie aber in der Bundesrepublik Deutschland abgerufen werden können und sollen. (§ 4 BDSG Schutzgesetz; Anwendbarkeit des BDSG) OLG Köln vom 17.6.2011 6 U 8/11 § 4a I S. 2 BDSG erfordert, dass der Verbraucher auf den vorgesehenen Zweck der Verwendung der Daten hingewiesen wird; zudem muss die Einwilligung hinreichend bestimmt sein, d.h. erkennen lassen, unter welchen Bedingungen welche
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B. Datenschutz Daten genutzt werden dürfen, damit der Betroffene die Tragweite seines Einverständnisses erkennen kann. (Einwilligung) OLG Hamm vom 17.2.2011 I-4 U 174/10 Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in einem fünf Absätze umfassenden Abschnitt „14. Allgemeine Informationen“ als Absatz zwei enthaltene, in normaler, kleingedruckter Schrift dargestellte Klausel „Ich bin widerruflich damit einverstanden, dass der Anbieter meine Kontaktdaten (Post-, E-Mail-Adresse sowie Fax- und Rufnummer) zur Beratung und Werbung ausschließlich für eigene Zwecke nutzt und mir auf diesem Wege aktuelle Produktinformationen bzw. den Newsletter zukommen lässt. Meine Einwilligung kann ich jederzeit zurückziehen.“ erfüllt nicht das Erfordernis der besonderen Hervorhebung einer Einwilligung gemäß § 4a Abs. 1 S. 4 BDSG. (Einwilligung) OLG Hamburg vom 3.11.2010 5 W 126/10 Die Tätigkeit des mit der Ermittlung von Dateidownloads, Uploads sowie von IPAdressen im Rahmen der Nutzung von P2P-Netzwerken (Filesharing) beauftragten Unternehmens ist nicht rechtswidrig, weshalb kein Beweisverwertungsverbot bezüglich der von diesem gesammelten Informationen besteht. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich hinsichtlich in Deutschland begangener Urheberrechtsverletzungen allein nach deutschem Recht, auch wenn das ermittelnde Unternehmen in der Schweiz tätig ist. (Filesharing) Kammergericht vom 25.10.2010 10 W 127/10 Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn für „Google Street View“ Aufnahmen eines Hauses von der offenen Straße aus gefertigt werden, soweit keine Fotos unter Überwindung einer Umfriedung aufgenommen werden oder die Fotos eine Wohnung darstellen. (Google Street View) Kammergericht vom 26.8.2010 23 U 34/10 Eine Einverständniserklärung zur Nutzung persönlicher Daten bei der der Teilnehmer eines Preisausschreibens hingegen erklärt: „Ich bin auch damit einverstanden, dass … meine Daten für Zwecke der Werbung, Marktforschung und Beratung nutzt und selbst oder durch Dritte verarbeitet und dass mir schriftlich, … weitere interessante Angebote unterbreitete werden.“, ist keine Teilnahmebedingung, da es offensichtlich ersichtlich ist, dass das Einverständnis keine Vorraussetzung für die Teilnahme ist. (Preisausschreiben; Einverständniserklärung; Werbung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Frankfurt a.M. vom 16.6.2010 13 U 105/07 Der Kunde der Deutschen Telekom AG (DTAG) kann nicht verlangen, dass die zur Aufnahme einer Internetverbindung vergebenen „dynamischen“ IP-Adressen sofort nach Beendigung der Verbindung gelöscht werden. In der Regel handelt die DTAG ohne schuldhaftes Zögern, wenn sie die Löschung erst nach sieben Tagen vornimmt. (Anspruch auf sofortige Löschung von IP-Adressen)
C. Vertragsrecht BGH vom 16.10.2012 X ZR 37/12 Gibt ein Flugreisender in die über das Internet zur Verfügung gestellte Buchungsmaske eines Luftverkehrsunternehmens, die den Hinweis enthält, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich sei und der angegebene Name mit dem Namen im Ausweis übereinstimmen müsse, in die Felder für Vorund Zunamen des Fluggastes jeweils „noch unbekannt“ ein, kommt ein Beförderungsvertrag regelmäßig weder durch die Buchungsbestätigung noch durch die Einziehung des Flugpreises zustande. (Beförderungsvertrag) BGH vom 24.4.2012 XI ZR 96/11 Ein Bankkunde, der im Online-Banking Opfer eines Pharming-Angriffs wird, handelt fahrlässig, wenn er beim Log-In-Vorgang trotz ausdrücklichen Warnhinweises gleichzeitig zehn TAN eingibt. (Pharming-Angriff) BGH vom 28.3.2012 VIII ZR 244/10 Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem angenommenen Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters. Aus einem geringen Startpreis (hier: 1 Euro) bei einer Internetauktion ergeben sich keine Rückschlüsse auf den Wert des Versteigerungsobjekts. Ob und mit welchem Inhalt bei einer Internetauktion durch die Angebotsbeschreibung des Anbieters eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Meistbietenden zustande kommt, ist unter umfassender Würdigung der abgegebenen Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers von der Unechtheit eines im Internet unter Angabe des Markennamens versteigerten Luxusobjekts kann nicht mit der Begründung bejaht werden, es sei erfahrungswidrig, dass ein solcher Gegenstand mit einem Startpreis von nur einem Euro angeboten werde. (verwerfliche Gesinnung des Bieters nicht schon bei grobem Missverhältnis zwischen Maximalgebot und Wert der Ware)
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C. Vertragsrecht BGH vom 8.6.2011 VIII ZR 305/10 Zur Auslegung einer Bestimmung über das Recht des Anbieters zur vorzeitigen Beendigung der Auktion in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für eine Internetauktion. Ein Verkaufsangebot kann unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme erklärt werden. (Rücknahme eines Auktionsangebots) BGH vom 11.5.2011 VIII ZR 289/09 Werden unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor, auf das die Regeln über die Stellvertretung sowie die Grundsätze der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind. Ohne Vollmacht oder nachträgliche Genehmigung des Inhabers eines Ebay-Mitgliedskontos unter fremdem Namen abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen sind dem Kontoinhaber nur unter den Voraussetzungen der Duldungs- oder der Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits aus, dass der Kontoinhaber die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff des Handelnden geschützt hat. Eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern. (Nutzung eines Mitgliedskontos durch Dritte) BGH vom 20.5.2010 Xa ZR 68/09 Akzeptiert ein fast ausschließlich im Fernabsatz tätiges Unternehmen für die Bezahlung seiner Leistungen kein Bargeld, ist eine AGB-Klausel, die zusätzliche Gebühren für die Zahlung mit Kredit- oder Zahlungskarten vorsieht, unwirksam. (Unwirksamkeit von AGB) BGH vom 17.2.2010 CR 2010, 386 Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Dazu ist es erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen. (AGB-Recht; Anwendbarkeit)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 11.10.2007 K&R 2007, 650 = BB 2007, 2644 mit Anm. Härting Zur unangemessenen Benachteiligung durch Anpassungs- und Änderungsklauseln in einem Internet-Service-Provider-Vertrag. (Anpassungsvorbehalt; Änderungsklauseln) BGH vom 29.11.2006 NJW 2007, 1346 mit Anm. Gutzeit = MMR 2007, 311 mit Anm. Hoffmann Zur Unterscheidung zwischen Beschaffenheitsgarantie und Beschaffenheitsvereinbarung ist auf die beim Kaufvertrag gegebene Interessenlage abzustellen. Beim Kauf eines Kraftfahrzeugs von einem Privatanbieter ist von einer stillschweigenden Garantieübernahme nur in Ausnahmefällen auszugehen. Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug über Ebay verkauft wurde und so keine Besichtigungsmöglichkeit bestand, genügt hierfür nicht. (stillschweigende Garantieübernahme; Ebay) BGH vom 14.6.2006 NJW 2006, 2976 = CR 2006, 773 = MMR 2006, 73 = K&R 2006, 460 Für die Möglichkeit der Kenntnisverschaffung kann es genügen, wenn bei einer Bestellung über das Internet die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können. (Einbeziehung von AGB; Kenntnisverschaffung) BGH vom 16.3.2006 NJW 2006, 1971 = MMR 2006, 453 Vertragspartner kann bei anonymisierten Telekommunikationsdienstleistungen aus der (maßgeblichen) Sicht des Dienstleisters nur der Anschlussinhaber sein. Der Tastendruck eines Dritten ist nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zu beurteilen. Allerdings kann die Unterhaltung eines funktionstüchtigen Telefonanschlusses keinen Vertrauenstatbestand schaffen. (R-Gespräche; Anscheinsvollmacht) BGH vom 5.10.2005 CR 2006, 120 = K&R 2006, 33 Die Klausel „Wenn Sie uns keinen bestimmten Wunsch mitteilen, wird der Wert der Rücksendung Ihrem Kundenkonto gutgeschrieben oder Sie erhalten beim Nachnahmekauf einen Verrechnungsscheck“ in AGB für den Versandhandel verstößt gegen das Transparenzgebot. (AGB; Transparenzgebot)
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C. Vertragsrecht BGH vom 21.9.2005 NJW 2005, 3567 = MMR 2005, 833 = K&R 2006, 559 Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versandhandelsunternehmens gegenüber Verbrauchern verwendete Klausel „Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu“, ist unter Berücksichtigung der sich daran anschließenden Sätze „Auch diesen können Sie bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Sollte ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein, sind wir berechtigt, uns von der Vertragspflicht zur Lieferung zu lösen; …“ gemäß §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. (AGB; Unwirksamkeit eines Änderungsvorbehalts) BGH vom 26.1.2005 NJW 2005, 976 = CR 2005, 355 = MMR 2005, 233 = K&R 2005, 171 Zum Vorliegen eines Erklärungsirrtums im Falle einer falschen Kaufpreisauszeichnung im Internet, die auf einen im Bereich des Erklärenden aufgetretenen Fehler im Datentransfer zurückzuführen ist. (Erklärungsirrtum; fehlerhafter Datentransfer) BGH vom 5.10.2004 NJW 2004, 3623 Wird zeitnah nach dem Diebstahl einer ec-Kare unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) an Geldautomaten Bargeld abgehoben, spricht grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der ec-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn andere Ursachen für den Missbrauch nach der Lebenserfahrung außer Betracht bleiben. (Anscheinsbeweis für eine sorgfaltswidrige Aufbewahrung von ec-Karte und PIN) BGH vom 4.3.2004 NJW 2004, 1590 = CR 2004, 355 Der Telefonnetzbetreiber und nicht der Anschlussinhaber trägt das Risiko der heimlichen Installation eines automatischen Einwahlprogramms (sogenannter Dialer) in einen Computer, das für den durchschnittlichen Anschlussnutzer unbemerkbar die Verbindungen in das Internet über eine Mehrwertdienstnummer herstellt, sofern der Anschlussnutzer dies nicht zu vertreten hat. (Haftungsrisiko bei automatisch installierenden Einwahlprogrammen – Dialer) BGH vom 13.11.2003 CR 2004, 294 mit Anm. Leible/Sosnitza Eine Internet-Auktion in Form der umgekehrten Versteigerung ist keine Versteigerung im Sinne der Gewerbeordnung. (umgekehrte Versteigerung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 7.11.2001 NJW 2002, 363 = CR 2002, 213. mit Anm. Wiebe = MMR 2002, 95 = K&R 2002, 85 Wird bei Freischaltung der Angebotsseite vom Bieter zugleich die Erklärung abgegeben, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt die Annahme des höchsten wirksamen Angebots erklärt, so stellt diese Erklärung eine Willenserklärung und keine invitatio ad offerendum dar. (ricardo.de) BGH vom 27.9.2000 BGHZ 145, 203 Eine AGB-Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und es auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, ist unwirksam. (AGB; unwirksame Klausel; Verständlichkeit) OLG Frankfurt a.M. vom 29.8.2012 6 W 84/12 Eine AGB-Klausel, nach der die Annahme des Vertragsangebot des Kunden „zu dem Zeitpunkt, in dem der Kunde Vorkasse leistet“ erklärt wird, ist wegen Intransparenz unwirksam und führt auch zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunde, weil diese ihre Zahlung zu einem Zeitpunkt veranlassen müssen, in dem noch gar kein Vertrag besteht. (Transparenzgebot AGB) OLG Bremen vom 21.6.2012 3 U 1/12 Es spricht kein Anscheinsbeweis dafür, dass eine über ein bestimmtes eBay-Mitgliedskonto abgegebene Willenserklärung von dem jeweiligen Kontoinhaber abgegeben worden ist, da es an einem für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderlichen typischen Geschehensablauf fehlt. Der Sicherheitsstandard im Internet ist derzeit nicht ausreichend, um aus der Verwendung eines geheimen Passworts auf denjenigen als Verwender zu schließen, dem dieses Passwort ursprünglich zugeteilt worden ist. Für eine Zurechnung des missbräuchlichen Verhaltens eines Dritten reicht es nicht aus, dass der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos seine Zugangsdaten nicht sicher verwahrt hat. Die im Bereich der deliktischen Haftung entwickelten Grundsätze sind nicht auf die der Zurechnung einer unter unbefugter Nutzung eines Mitgliedskontos von einem Dritten abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung übertragbar. (Nutzung eines Mitgliedskontos durch Dritte) OLG München vom 4.6.2012 19 U 771/12 Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag wahrt die Unterschrift des Darlehensnehmers auf einem elektronischen Schreibtablett nicht die Schriftform nach § 492 Abs. 1 Satz 1, § 126 BGB. Angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers bei der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie und der Änderung des § 492 im Jahr
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C. Vertragsrecht 2009 ist in einem solchen Fall auch eine entsprechende Anwendung der §§ 126, 126a BGB ausgeschlossen. (Schriftformerfordernis bei Verbraucherdarlehensverträgen) OLG München vom 23.1.2012 17 U 3527/11 Das Opfer eines Phishing-Angriffs handelt grob fahrlässig, wenn es bei Verwendung des Authentifizierungsinstruments „iTAN-Verfahren“ nach Aufforderung auf einer gefälschten Internetseite alle ihm von seinem Kreditinstitut zur Verfügung gestellten TAN-Nummern eingibt und eine Nachfrage bei seiner Bankfiliale trotz aufkommender Zweifel unterlässt. (Phising-Angriff; Fahrlässigkeit) Kammergericht vom 17.6.2011 7 U 179/10 Eine im Rahmen einer eBay-Versteigerung ins Internet gestellte Offerte ist eine auf Abschluss des Vertrages zu den vom Anbieter genannten Konditionen gerichtete Willenserklärung, die zugleich die vorweg erklärte Annahme des Höchstgebots enthält. Mit der Abgabe des Höchstgebots kommt der Vertrag daher zu den Bedingungen zustande, die der Anbieter im Internet bekannt gemacht hat. (Antizipierte Annahmeerklärung) OLG Oldenburg vom 27.5.2011 6 U 14/11 Bei einem Gebrauchtwagenkaufvertrag handelt es sich auch dann um Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn der Verkäufer das Formular aus dem Internet heruntergeladen hat und nur einmal verwendet. Klauseln in AGB eines Gebrauchwagenkaufvertrages, die die Gewährleistung ohne Ausnahme ausschließen und somit auch Ansprüche erfassen, die auf Körper- und Gesundheitsschäden wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels beruhen, oder auf grobes Verschulden des Verkäufers gestützt werden, sind mit § 309 Nr. 7 BGB nicht zu vereinbaren und daher unwirksam. (Verwendung von AGB) OLG Düsseldorf vom 11.3.2011 I-15 W 14/11 Es kann an einem Verfügungsgrund fehlen, wenn der Antragsteller seine Rechte einstweilen selbst gewahrt hat, indem er auf die angegriffene Negativbewertung durch den Antragsgegner in einem Internetbewertungssystem erwidert hat. (Fehlen eines Verfügungsgrundes) OLG Hamm vom 13.1.2011 I-2 U 143/10 Verwendet der Verkäufer eines Gebrauchtwagens beim Verkauf ein aus dem Internet heruntergeladenes Kaufvertragsformular, so handelt es sich hierbei um für eine
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Enthält das Kaufvertragsformular einen vollständigen Gewährleistungsausschluss, so ist dieser gemäß den §§ 309 Nr. 7 Buchst. a und 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam. (Verwendung von AGB) OLG Frankfurt a.M. vom 17.12.2010 1 Ws 29/09 Auf einer Internetseite ist ein hinreichend deutlicher Hinweis auf die Entgeltlichkeit des fraglichen Angebots nur zu bejahen, wenn diese Information für den Nutzer bereits bei Aufruf der Seite erkennbar ist und im örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben, die sich auf die angebotene Leistung direkt beziehen, steht. Genügt der Hinweis auf die Entgeltlichkeit einer Leistung nicht diesen Anforderungen, ist ein konkludentes Miterklären der Unentgeltlichkeit trotz verdeckter Hinweise auf eine Kostenpflichtigkeit zu bejahen, wenn sich aus dem Gesamteindruck der Webseitengestaltung eine Kostenfreiheit ergibt. (hinreichend deutlicher Hinweis auf Entgeltlichkeit eines Angebots) Kammergericht vom 29.11.2010 26 U 159/09 In der Verwendung eines herkömmlichen TAN Systems durch die Bank kann zumindest dann eine Sorgfaltspflichtverletzung gesehen werden, wenn dieses System bei der Mehrzahl der Kreditinstitute nicht mehr im Einsatz ist und hinter dem Sicherheitsstandard des neueren Systems zurückbleibt. (Sorgfaltspflichtverletzung bei Verwendung eines alten TAN Systems) OLG Köln vom 22.1.2010 K&R 2010, 204 Anwendbar ist bei Telekommunikationsdienstleistungen als einem praktisch vollständig technisierten, anonymen Massengeschäft der Rechtsgedanke, dass ein Teilnehmer am Rechtsverkehr für das seiner Risikosphäre zuzurechnende Verhalten Dritter vertraglich einzustehen hat. (verhalten Dritter; Zurechnung) OLG Hamburg vom 26.11.2009 MMR 2010, 400 Beinhaltet das im Rahmen der Internet-Auktions-Plattform Ebay abgegebene rechtsgeschäftlich bindende Verkaufsangebot eine unselbständige Garantie, so muss Abfassung und Inhalt des Verkaufsangebots § 477 BGB genügen. (Garantieerklärung; Ebay) Kammergericht vom 18.9.2009 5 U 81/07 Es ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, im Internet einen Test mit Fragebogen zu bewerben, ohne gleichzeitig deutlich und unübersehbar den Preis dieses Testes anzugeben oder im Internet mit der Angabe „88 Gratis SMS plus Gewinnchance“ zu
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C. Vertragsrecht werben, wenn mit Anklicken des „Anmelde-Buttons“ ein kostenpflichtiges SMSAbo begründet werden soll, ohne dass gleichzeitig auf den Preis deutlich und unübersehbar hingewiesen wird. (Hinweis auf Preis muss deutlich und unübersehbar sein) OLG Celle vom 24.7.2009 CR 2010, 17 = NJW-RR 2010, 136 = K&R 2009, 655 Der in einer Auftragsbestätigung enthaltene Hinweis auf die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Einsehbarkeit auf der Internetseite des Verwenders oder in dessen Geschäftsräumen genügt auch im kaufmännischen Rechtsverkehr den Formerfordernissen an den Abschluss einer Vereinbarung über einen internationalen Gerichtsstand nicht, wenn der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht zugleich übersandt wird oder ihm im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung aufgrund vorangegangener Verträge bereits vorliegt. (AGB; Gerichtsstandsvereinbarungen) OLG Brandenburg vom 17.6.2009 K&R 2009, 592 Ebay ist zur Sperrung von Mitgliedskonten berechtigt, wenn entgegen seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und seinen Grundsätzen die Sperrung des Accounts umgangen und auf eigene Angebote geboten wird. (Shill Bidding; Kontosperrung) OLG Nürnberg vom 10.6.2009 MMR 2010, 31 = K&R 2010, 58 Waren die bei Onlineshops präsentiert werden sind keine Angebote, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum. Erhält der Angebotsabgebende kurz nach seiner Abgabe des Angebots eine Bestätigungsmail, so ist diese als Eingangsbestätigung des Angebots zu verstehen und nicht als Annahme. (Antrag; Bestätigungsmail) OLG Koblenz vom 3.6.2009 CR 2010, 49 = MDR 2009, 1412 = MMR 2009, 630 Grundsätzlich kann sich ein Verkäufer von seinen auf einer Internetauktionsplattform eingestellten Angeboten nur lösen, wenn ihm ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht zusteht. Hat der Verkäufer sich von seinem Angebot unberechtigt gelöst, hat der zu diesem Zeitpunkt Höchstbietende grundsätzlich ein Anspruch nach § 433 Abs. 1 BGB gegen Zahlung des Höchstgebots. Etwas anderes kann sich nur in Ausnahmesituationen ergeben, wenn sich die Inanspruchnahme des Verkäufers als eine öffentlich unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil sich das tatsächliche Geschehen ausserhalb der von beiden Beteiligten erkennbaren Risiken und Chancen bewegt. (Vertragsschluss; Auktionsabbruch)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Düsseldorf vom 26.3.2009 ITRB 2010, 129 (Intveen) Weil derjenige, der in geschäftlichen Beziehungen eine E-Mail-Adresse benennt, damit rechnen muss, dass diese für die Übersendung von Nachrichten und anderen Mitteilungen genutzt wird, kann beim Nichtabruf von E-Mails konkludent ein Vertrag zustande kommen. (Vertragsschluss; Schweigen) OLG Brandenburg vom 15.1.2009 MMR 2009, 262 Die Sperrklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ebay sind zulässig. Dies gilt insbesondere in den Fällen einer Umgehung der Sperrung eines anderen Nutzers. (Ebay; Sperrklauseln) OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008 CR 2009, 253 Werden im Internet kostenpflichtige Angebote unterbreitet, bei denen der durchschnittlich verständige Internetnutzer wegen der Art dieses Angebots und wegen der weiteren Umstände seiner Präsentation mit einer Kostenpflichtigkeit nicht rechnet, sind an den erforderlichen Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit erhöhte Anforderungen zu stellen. (Kostenfalle; Hinweispflicht) OLG Brandenburg vom 12.11.2008 MDR 2009, 526 Die alleinige Behauptung, der gewählte Ebay-Name verstoße gegen die AGB, ist kein ausreichender Grund für eine sofortige Sperrung des jeweiligen Accounts. (Ebay-Account; Sperrung) OLG Saarbrücken vom 18.4.2008 4 W 93/08-17 Ein Kaufvertrag über ein Pkw für 2 Euro kommt mangels korrespondierender Willenserklärung trotz eines Kaufangebots zum Sofort-Kauf für 2 Euro, das über Ebay via E-Mail abgegeben wird, nicht zustande, wenn in der E-Mail des Verkäufers der Wert „8900 Euro“ genannt wird. (Sofort-Kauf; klarstellende E-Mail)
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen
D. Verträge über Internet-Dienstleistungen BGH vom 24.1.2013 III ZR 98/12 Es kann einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen, wenn dem Inhaber eines DSL-Anschlusses die Möglichkeit genommen wird, seinen Zugang zum Internet zu nutzen, ohne dass ihm hierdurch Mehraufwendungen entstanden oder Einnahmen entgangen sind. (ersatzfähiger Vermögensschaden; DSL-Anschluss) BGH vom 25.10.2012 VII ZR 146/11 Schließt die Domain-Registrierungsstelle DENIC eG sukzessive mehrere Domainverträge bezüglich derselben Domain ab, so ist die Frage, welchen Vertrag sie erfüllen muss, grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip zu Gunsten desjenigen zu beantworten, der als erster den Domainvertrag abgeschlossen hat. (Prioritätsprinzip) BGH vom 2.2.2012 I ZR 162/09 Wird im Bezug auf die Nutzungsrechte durch die Parteien vertraglich die Anwendbarkeit des UrhG zu vereinbart, so gelten entsprechende Klauseln dann lediglich zwischen den Parteien, ohne zugleich Drittwirkung zu entfalten. (Nutzungsrechte; Drittwirkung) BGH vom 28.7.2011 VII ZR 45/11 Der Unternehmer kann seinen Anspruch auf Vergütung nach einer freien Kündigung des Werkvertrags nur dann auf die Vermutung in § 649 S. 3 BGB stützen, wenn er den Teil der vereinbarten Vergütung darlegt, der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfällt. Denn dieser Teil und nicht die gesamte vereinbarte Vergütung ist Bemessungsgrundlage für die Pauschale von 5 %. (Vergütungsanspruch; Kündigung eines Werkvertrages) BGH vom 24.3.2011 VII ZR 111/10 Der Besteller darf einen Werkvertrag, mit dem sich der Unternehmer für eine Mindestvertragslaufzeit von 48 Monaten zur Bereitstellung, Gestaltung und Betreuung einer Internetpräsenz verpflichtet hat, jederzeit gemäß § 649 Satz 1 BGB kündigen. Der Unternehmer muss zur Begründung seines Anspruchs aus § 649 Satz 2 BGB grundsätzlich vortragen, welcher Anteil der vertraglichen Vergütung auf die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen entfällt und darüber hinaus vertragsbezogen darlegen, welche Kosten er hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen erspart hat. (Kündigung eines Werkvertrages)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 27.1.2011 VII ZR 133/10 Der Besteller darf einen Werkvertrag, mit dem sich der Unternehmer für eine Mindestvertragslaufzeit von 36 Monaten zur Bereitstellung, Gestaltung und Betreuung einer Internetpräsenz verpflichtet hat, jederzeit gemäß § 649 Satz 1 BGB kündigen. Dieses Kündigungsrecht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsieht. Die Bemessung der nach § 649 Satz 2 BGB zu zahlenden Vergütung orientiert sich nicht an den vereinbarten Zahlungsmodalitäten, wie etwa Ratenzahlungen. Maßgebend ist der Betrag, der dem auf die erbrachten Leistungen entfallenden Teil der vereinbarten Vergütung entspricht. (Kündigung eines Werkvertrages) BGH vom 11.11.2010 III ZR 57/10 Der Inhaber eines DSL-Anschlusses hat kein Recht zur Kündigung des mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrags vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen. (Kündigungsrecht bei Umzug) BGH vom 4.3.2010 BB 2010, 1047 mit Anm. Schirmbacher Zur rechtlichen Einordnung eines „Internet-System-Vertrags“, der die Erstellung und Betreuung einer Internetpräsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet für einen festgelegten Zeitraum zum Gegenstand hat sowie zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet. (Internet-System-Vertrag) BGH vom 20.11.2009 I ZR 166/07 – marions-kochbuch.de Der Betreiber eines Internetportals, in das Dritte für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte (hier: Rezepte) stellen können, haftet für diese Inhalte nach den allgemeinen Vorschriften, wenn er die eingestellten Inhalte vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und sie sich damit zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn für die Nutzer des Internetportals erkennbar ist, dass die Inhalte (ursprünglich) nicht vom Betreiber, sondern von Dritten stammen. Ein Hinweis darauf, dass sich der Portalbetreiber die Inhalte zu eigen macht, liegt auch darin, dass er sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen. (Schadensersatz; Nutzungsrechte; zu eigen machen von Inhalten) BGH vom 23.7.2009 VII ZR 151/08 Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Maßgabe des § 651 BGB nach Kauf-
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen recht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn Gegenstand des Vertrages auch Planungsleistungen sind, die der Herstellung der Bau- und Anlagenteile vorauszugehen haben und nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden. (Anwendung von Kaufrecht; Planungsleistungen) BGH vom 11.10.2007 MMR 2008, 36 = BB 2007, 2644 Zur Wirksamkeit von AGB-Klauseln eines Internet-Service-Providers über Anpassungsvorbehalte und Leistungs- und Preisänderungen. (AGB bei Providerverträgen) BGH vom 8.2.2007 I ZR 59/04 – grundke.de Wird ein Domainname aufgrund des Auftrags eines Namensträgers auf den Namen eines Treuhänders registriert, kommt dieser Registrierung im Verhältnis zu Gleichnamigen nur dann die Priorität der Registrierung zugute, wenn für Gleichnamige eine einfache und zuverlässige Möglichkeit besteht zu überprüfen, ob die Registrierung im Auftrag eines Namensträgers erfolgt ist. Befindet sich unter dem Domainnamen schon zu einem Zeitpunkt, zu dem noch kein Gleichnamiger Ansprüche angemeldet hat, die Homepage des Namensträgers, kann davon ausgegangen werden, dass der Namensträger den Treuhänder mit der Registrierung beauftragt hat. Besteht eine solche Homepage (noch) nicht, kann eine einfache und zuverlässige Überprüfung – abgesehen von einer notariellen Beurkundung des Auftrags – dadurch geschaffen werden, dass die DENIC dem Treuhänder im Zuge der Registrierung die Möglichkeit einräumt, einen Hinweis auf seine Treuhänderstellung und den Treugeber zu hinterlegen, und diese Information nur mit Zustimmung des Treuhänders offenbart. Hat der Namensträger einen Dritten auf eine einfach und zuverlässig zu überprüfende Weise mit der Registrierung seines Namens als Internet-Adresse beauftragt, so ist es für die Priorität der Registrierung gegenüber Gleichnamigen nicht von Bedeutung, wenn der Vertreter den Domainnamen abredewidrig auf den eigenen Namen und nicht auf den Namen des Auftraggebers hat registrieren lassen. (Domainregistrierung; Treuhänder; Prioritätsprinzip) BGH vom 13.12.2006 VIII ZR 25/06 Es stellt keinen angemessenen Ausgleich für eine von einem Unternehmer gegenüber Verbrauchern zum Abschluss von Flüssiggasbelieferungsverträgen verwendete, den Vertragspartner unangemessen benachteiligende Preisanpassungsklausel dar, – wenn der Verwender dem Vertragspartner für den Fall der Preiserhöhung ein Recht zur vorzeitigen Lösung vom Vertrag einräumt, das erst nach der Preiserhöhung wirksam wird oder für den Vertragspartner mit unzumutbaren Kosten verbunden ist, oder – wenn formularmäßig die subsidiäre Geltung der Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 vereinbart ist, weil un-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht klar ist, ob das Kündigungsrecht nach § 32 Abs. 2 AVBGasV auch im Fall einer Preiserhöhung aufgrund einer vertraglichen Anpassungsklausel anwendbar ist, und ein sich daraus etwa ergebendes Kündigungsrecht für den Vertragspartner nur schwer auffindbar ist. (Angemessener Ausgleich; Flüssiggasbelieferungsvertrag) BGH vom 15.11.2006 NJW 2007, 2394 = CR 2007, 75 mit Anm. Lejeune = MMR 2007, 243 Auf den ASP-Vertrag, dessen charakteristische Leistung die Softwareüberlassung ist, findet Mietvertragsrecht Anwendung. (ASP-Vertrag; Rechtsnatur) BGH vom 20.6.2006 X ZR 59/05 Die Klausel in den Allgemeinen Reisebedingungen eines Reiseveranstalters „Mit Erhalt der schriftlichen Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheins werden 20 % des Reisepreises als Anzahlung fällig. Bei Ferienwohnungen beträgt die Anzahlung 20 % des Reisepreises je Wohneinheitbuchung.“ stellt keine gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Reisenden dar und ist wirksam. (AGB; Reisebedingungen) BGH vom 23.6.2005 VII ZR 200/04 Die Klausel in einem Bauträgervertrag „Grundlage der Bauausführung ist diese Baubeschreibung. Änderungen der Bauausführung, der Material- bzw. Baustoffauswahl, soweit sie gleichwertig sind, bleiben vorbehalten.“ ist unwirksam. (AGB; Bauträgervertrag) BGH vom 23.3.2005 NJW 2005, 2076 = CR 2005, 816 = MMR 2005, 373 = ZUM 2005, 158 Auf den Access-Provider-Vertrag findet Dienstvertragsrecht Anwendung. Der Access Provider schuldet die ständige Bereithaltung der technischen Möglichkeiten für den Zugang in das Internet und sachgerechte Bemühungen um eine dauerhafte Erreichbarkeit des World Wide Web. (Access-Provider-Vertrag; Rechtsnatur) BGH vom 24.9.2002 KZR 38/99 Eine in AGB festgelegte Vorleistungspflicht benachteiligt dann unangemessen, wenn mit ihr nicht lediglich sichergestellt werden soll, dass der Unternehmer sein Entgelt erhält, ehe er unwiederbringlich seine Leistung erbracht und jedes Druckmittel verloren hat. (AGB; unangemessene Benachteiligung; Vorleistungspflicht)
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D. Vertrge ber Internet-Dienstleistungen BGH vom 19.12.2001 XII ZR 233/99 Überlässt der Besteller dem Werkunternehmer unentgeltlich ein Gerät zur Herstellung des Werkes, unterliegen Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Beschädigung des Gerätes der kurzen Verjährungsfrist entsprechend den §§ 558, 606 BGB. (Unentgeltlicher Werkvertrag; Verjährungsfrist) BGH vom 12.12.2000 MMR 2001, 225 = K&R 2001, 217 mit Anm. Härting Die verschuldensunabhängige Haftungsfreizeichnung für sämtliche technisch oder betrieblich bedingten zeitweiligen Zugangsstörungen im Online-Service einer Bank ist nach § 11 Nr. 7 AGBG unwirksam. (Online-Banking; Haftungsausschluss) OLG Düsseldorf vom 27.9.2012 I-6 U 241/11 Persönliche Daten, die Kunden über die Homepage eines Unternehmens eingeben, um sich für den Bezug eines elektronischen Newsletters dieses Unternehmens anoder abzumelden, sind im Falle der Insolvenz des technischen Dienstleisters, der den Versand des Newsletters abgewickelt hatte, gemäß §§ 667 1. Alt., 675 BGB i.V.m. § 47 InsO von dem Insolvenzverwalter auszusondern und an das Unternehmen herauszugeben. (Herausgabe von Daten bei Insolvenz) OLG Dresden vom 5.8.2012 4 W 961/12 Wird im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses von einer Partei für die andere ein E-Mail Account angelegt, darf dieser nach Kündigung des Vertrages solange nicht gelöscht werden, wie nicht feststeht, dass der Nutzer für die auf dem Account abgelegten Daten keine Verwendung mehr hat. Die Verletzung dieser Pflicht kann einen Schadensersatzanspruch auslösen. (Aufbewahrungspflicht von Daten) OLG Hamburg vom 15.12.2011 4 U 85/11 Bei einem ASP-Vertrag, der auf die entgeltliche Überlassung von Standardsoftware – Erbringung von E-Mail Dienstleistungen – gerichtet ist, ist Mietvertragsrecht anzuwenden. Im Streit um die Mangelhaftigkeit der Software trägt der Mieter die Darlegungs- und Beweislast, wenn er den Mitzins mindern will. (Mietvertragrecht; entgeltliche Überlassung von Software)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Brandenburg vom 22.11.2011 Kart U 4/09 Ein Vertrag, der auf die Einrichtung und den fortlaufenden Betrieb einer speziellen Software zum Internetvertrieb von Glücksspielprodukten gerichtet ist weist dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte auf, wobei das werkvertragliche Element wegen des geschuldeten Erfolgs der technischen Durchführung des Internetspiels überwiegt. Ein Widerruf der Erlaubnis zum Internetvertrieb von Glücksspielprodukten hat nicht die Nichtigkeit des Hosting-Vertrags zur Folge. Der Widerruf der Erlaubnis zum Internetvertrieb von Glücksspielprodukten lässt die vertragliche Zahlungspflicht aus dem Webhosting-Vertrag entfallen, soweit dem Auftragnehmer hierdurch die zu erbringende Leistung rechtlich unmöglich geworden ist. (Erlaubnis zum Internetvertrieb von Glücksspielprodukten) Kammergericht vom 4.2.2011 19 U 109/10 Ob eine mit der Erstellung eines Werbelogos beauftragte Werbeagentur dessen Erstellung frei von Markenrechten Dritter schuldet oder zumindest darüber aufklären muss, dass von ihr keine eigenständige Markenrecherche vorgenommen wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. (Aufklärungspflicht; Markenrecht) OLG Koblenz vom 30.9.2010 2 U 1388/09 Die AGB-Klausel „Die Zustimmung zur Vertragsänderung gilt als erteilt, sofern der Kunde der Änderung nicht binnen vier Wochen nach Zugang der Änderungsmitteilung widerspricht“ ist unwirksam. Sie stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG dar. (unwirksame Einwilligung per AGB) OLG Koblenz vom 23.6.2010 1 U 1355/09 Der Antrag auf Abschluss eines atypischen Vertrages (hier: Internet-System-Vertrag als Zusatzvereinbarung zu einem Software-Überlassungs- und Pflegevertrag) kann regelmäßig nur dann als hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar angesehen werden, wenn er eine den angestrebten Vertragszweck deutlich machende, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält. (Vertragszweck; Bestimmtheitsgebot)
E. Fernabsatzrecht EuGH vom 5.7.2012 C-49/11 Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist dahin auszulegen, dass eine Geschäftspraxis, nach der die in dieser
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E. Fernabsatzrecht Bestimmung vorgesehenen Informationen nur über einen Hyperlink auf einer Website des betreffenden Unternehmens zugänglich gemacht werden, nicht den Anforderungen der genannten Bestimmung entspricht, da diese Informationen weder im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 von dem Unternehmen „erteilt“ noch im Sinne derselben Bestimmung vom Verbraucher „erhalten“ werden, und dass eine Website wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht als „dauerhafter Datenträger“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 anzusehen ist. (Informationspflicht; Hyperlink) EuGH vom 22.4.2010 C-146/09 Das Vorabentscheidungsersuchen des BGH vom 18.3.2009 (VIII ZR 149/08) über die Frage, ob die Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dahin auszulegen ist, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz über die leitungsgebundene Lieferung von Strom und Gas, hat sich auf Grund eines Anerkenntnisurteils des BGH vom 20.4.2010 erledigt. (Wiederrufsrecht bei Lieferung von Strom und Gas) EuGH vom 15.4.2010 NJW 2010, 1941 = K&R 2010, 394 mit Anm. Ultsch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt. (Hinsendekosten; Widerruf) EuGH vom 3.9.2009 CR 2009, 671 = K&R 2009, 703 mit Anm. Ballhausen = MMR 2009, 744 mit Anm. Damm = BB 2009, 2164 mit Anm. Schirmbacher Grundsätzlich steht die Fernabsatzrichtlinie einer generellen Wertersatzpflicht für die bloße Nutzung der Ware durch den Käufer entgegen. Dies gilt nicht, wenn der Verbraucher die Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (wie denen von Treu und Glauben oder ungerechtfertigen Bereicherung) unvereinbare Art und Weise genutzt hat und zugleich die Zielsetzung der Richtlinie nicht beeinträchtigt wird. (Ingebrauchnahme; Wertersatz) EuGH vom 10.3.2005 NJW 2005, 3055 Auf im Internet geschlossene Automietverträge findet die Fernabsatzrichtlinie keine Anwendung, weil die Ausnahmebestimmung des Art. 3 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie eingreift. (Automietverträge im Internet)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht EuGH vom 13.1.2000 NJW 2000, 1173 – Lifting Die Art. 30 und 36 EGV (nach Änderung jetzt Art. EGV Artikel 28 und EGV Artikel 30 EG) und Art. EWG_RL_76_768 Artikel 6 EWG_RL_76_768 Artikel 6 Absatz III Richtlinie 76/768/EWG des Rats vom 27.7.1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel in ihrer durch die Richtlinie 88/667/EWG des Rats vom 21.12.1988 und die Richtlinie 93/35/EWG des Rats vom 14.6.1993 geänderten Fassung stehen der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Einfuhr und den Vertrieb eines kosmetischen Mittels untersagt, dessen Bezeichnung das Wort „Lifting“ enthält, wenn unter den Umständen des Einzelfalls ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher durch diese Bezeichnung zu der irrigen Annahme verleitet wird, die Bezeichnung schreibe diesem Mittel bestimmte Merkmale zu, die es in Wirklichkeit jedoch nicht besitzt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob die Bezeichnung im Hinblick auf die mutmaßliche Erwartung eines solchen Verbrauchers irreführend ist. Hat das nationale Gericht besondere Schwierigkeiten, zu beurteilen, ob diese Bezeichnung irreführend ist, so verbietet das Gemeinschaftsrecht nicht, dies nach Maßgabe des nationalen Rechts durch ein Sachverständigengutachten oder eine Verbraucherbefragung zu ermitteln. (Irreführung durch Bezeichnung „Lifting“) BGH vom 27.11.2012 XI ZR 439/11 Preis eines Finanzinstruments i.S.d. § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ist nicht nur ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis, sondern auch ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert, der seinerseits Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. (Finanzdienstleistungen; Basiswert) BGH vom 15.8.2012 VIII ZR 378/11 Der Verwender einer Widerrufsbelehrung kann sich auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, wenn er das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet hat. (Widerrufsbelehrung; Musterformular) BGH vom 1.3.2012 III ZR 83/11 Eine Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Fassung vom 2. Dezember 2004, wenn sie den Hinweis enthält, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen; er vermag lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnt, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche etwaigen weiteren Umstände dies sind.
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E. Fernabsatzrecht Ein Unternehmer kann sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Entscheidend ist dabei allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. (Schutzwirkung von Musterbelehrung) BGH vom 1.3.2012 VIII ZR 378/11 Der Verwender einer Widerrufsbelehrung kann sich auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, wenn er das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet hat. (Widerrufsbelehrung; Schutzwirkung; Musterformular) BGH vom 25.1.2012 VIII ZR 95/11 Die Angabe einer Postfachadresse als Widerrufsadresse genügt beim Fernabsatzvertrag den gesetzlichen Anforderungen an eine Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht. (Postfachadresse; Widerrufsbelehrung) BGH vom 9.11.2011 I ZR 123/10 Eine Widerrufsbelehrung mit dem einleitenden Satz „Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht“ verstößt nicht gegen das Deutlichkeitsgebot gemäß § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB. Der Unternehmer braucht nicht zu prüfen, ob die Adressaten der Widerrufsbelehrung Verbraucher oder Unternehmer sind, da ihm eine solche Prüfung bei einem Fernabsatzgeschäft häufig nicht möglich ist. (Deutlichkeitsgebot; Prüfungspflicht bei Widerrufsbelehrung) BGH vom 28.6.2011 XI ZR 349/10 Verwendet der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher für die Nachbelehrung ein Formular, das textliche Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958) enthält, ist ihm eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung schon aus diesem Grunde verwehrt. (Nachbelehrung; Abweichung vom Musterformular)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 9.6.2011 ZR 17/10 – Computer-Bild In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt ist, mit dem die Zeitschrift abonniert werden kann, muss gemäß § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung kein Widerrufsrecht besteht. Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs i.S.d. § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB. Die Regelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt nicht für den herkömmlichen Versandhandel. Die für Ratenlieferungsverträge gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltende Bagatellgrenze von 200 Euro ist bei Fernabsatzverträgen nicht entsprechend anwendbar. Die Vorschrift des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB über die Verpflichtung zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. (Hinweispflichten in Werbeanzeige für Zeitschriftenabo; Widerruf; Ratenlieferungsvertrag) BGH vom 1.12.2010 VIII ZR 82/10 Dem Unternehmer ist eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung (BGBl. I 2004 S. 3102) jedenfalls dann verwehrt, wenn der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht. (Widerrufsbelehrung; Musterformular) BGH vom 3.11.2010 VIII ZR 337/09 Der Verbraucher, der im Fernabsatz ein Wasserbett gekauft hat, schuldet im Falle des Widerrufs keinen Ersatz für die Wertminderung, die dadurch eintritt, dass er die Matratze des Betts zu Prüfzwecken mit Wasser befüllt. (Wertersatz; Wasserbett) BGH vom 7.7.2010 VIII ZR 268/07 Ein Verkäufer von Waren im Fernabsatzgeschäft darf einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware ab den Verbraucher belasten, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat. (Hinsendekosten; Widerruf)
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E. Fernabsatzrecht BGH vom 29.4.2010 I ZR 66/08 – Holzhocker Die dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen gemäß §§ 312c, 355 BGB zu erteilenden Informationen müssen nicht nur vom Unternehmer in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise abgegeben werden, sondern auch dem Verbraucher in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise zugehen. Dementsprechend reicht die Speicherung dieser Informationen auf der Website des Unternehmers ebenso wenig für das Anlaufen der Widerrufsfrist von zwei Wochen gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aus wie die Möglichkeit, diese Informationen nach Vertragsschluss bei eBay abzurufen. (Informationspflichten; Anlauf der Widerrufsfrist) BGH vom 9.12.2009 NJW 2010, 989 = ZGS 2010, 136 mit Anm. Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168 Zu den Belehrungspflichten über das Rückgaberecht bei Ebay und der Unwirksamkeit von Klauseln zum Beginn der Rückgabefrist sowie der Wertersatzpflicht des Verbrauchers. (Rückgabebelehrung; Fristbeginn; Wertersatz) BGH vom 25.11.2009 NJW 2010, 610 mit Anm. Möller Dem Verbraucher steht, sofern nicht Treu und Glauben (§ BGB § 242 BGB) etwas anderes gebieten, ein Widerrufsrecht nach § 312d BGB auch dann zu, wenn der Fernabsatzvertrag nichtig ist. Das Widerrufsrecht besteht auch bei einem wegen beiderseitiger Sittenwidrigkeit nichtigen Fernabsatzvertrag, der den Kauf eines Radarwarngeräts zum Gegenstand hat. (Widerrufsrecht; Nichtigkeit des Fernabsatzvertrags) BGH vom 30.9.2009 K&R 2010, 37 mit Anm. Buchmann = MMR 2010, 92 mit Anm. Föhlisch Schließt eine natürliche Person ein Rechtsgeschäft objektiv zu einem Zweck ab, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, so kommt eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck nur dann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. (Verbrauchereigenschaft bei Vertragsabschluss im Fernabsatz) BGH vom 18.3.2009 WRP 2009, 735 Vorlage an den EuGH zu der Frage, ob ein Widerrufsrecht bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz über die leitungsgebundene Lieferung von Strom und Gas besteht. Bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas, die nach den üblichen Versorgungsverträgen mit Verbrauchern nicht zur Speicherung, sondern zum so-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht fortigen Verbrauch bestimmt sind, scheidet eine Rücksendung derselben Ware durch den Verbraucher aus. Dies spricht dafür, sie auf Grund ihrer Beschaffenheit als zur Rücksendung nicht geeignet anzusehen. (Strom und Gas; Sammelausnahme; Rücksendung; Widerruf) BGH vom 10.3.2009 NJW 2009, 3572 = ZGS 2009, 333 Eine einem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung, die von einem unbefangenen rechtsunkundigen Leser dahin verstanden werden kann, die Widerrufsfrist werde unabhängig von der Vertragserklärung des Verbrauchers bereits durch den bloßen Zugang des von einer Widerrufsbelehrung begleiteten Vertragsangebots des Vertragspartners in Gang gesetzt, entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. (Widerrufsbelehrung; Fristbeginn) BGH vom 16.12.2008 I ZR 17/10 – Computer-Bild In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt ist, mit dem die Zeitschrift abonniert werden kann, muss gemäß § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung kein Widerrufsrecht besteht. Wird ein solcher Hinweis unterlassen, so ist daran ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG zu sehen, weil es sich dabei um Vorschriften handelt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs i.S.d. § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB. (Zeitschriftenabonnement; Widerruf; Wettbewerbsverstoß) BGH vom 4.12.2008 CR 2009, 753 = K&R 2009, 467 – Ohrclips Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internet-Plattform im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist aufgrund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Dazu können wiederholte, gleichartige Angebote, gegebenenfalls auch von neuen Gegenständen, Angebote erst kurz zuvor erworbener Waren, eine ansonsten gewerbliche Tätigkeit des Anbieters, häufige sogenannte Feedbacks und Verkaufsaktivitäten für Dritte rechnen. (Unternehmereigenschaft) BGH vom 1.10.2008 NJW 2009, 66 Vorlagebeschluss an den EuGH zu der Frage, ob die Kosten der Zusendung der Ware auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat. (Hinsendekosten; Widerruf)
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E. Fernabsatzrecht BGH vom 4.10.2007 NJW 2008, 1595 = K&R 2008, 372 Wer im Fernabsatz für Waren oder Leistungen unter Angabe von Preisen wirbt, muss darauf hinweisen, dass der geforderte Preis die Umsatzsteuer enthält. Gelten bei einem Fernabsatzgeschäft über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften, braucht ein Unternehmer den Verbraucher nicht nach § 1 Abs. 4 Nr. 3b BGB-InfoV auf diesen Umstand und auf den Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen hinzuweisen. (Umsatzsteuerhinweis; Hinweis auf Gewährleistungsrechte) BGH vom 12.4.2007 NJW 2007, 1946 = MMR 2007, 514 = CR 2007, 529 = ITRB 2007, 203 = WRP 2007, 794 Eine Widerrufsbelehrung, welche nicht über die wesentlichen Rechte des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, sondern lediglich über dessen Pflichten informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes. (Inhalt der Widerrufsbelehrung) BGH vom 20.7.2006 CR 2006, 850 = NJW 2006, 3633 Die Pflicht zur mediengerechten vorvertraglichen Information des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen setzt nicht voraus, dass die Informationen auf der Startseite des Internetangebotes bereitgehalten werden. Auch eine Zwangsführung dergestalt, dass der Verbraucher die Informationen während des Bestellvorgangs zwingend aufrufen muss, ist nicht erforderlich. (Informationspflichten; Mediengerechtheit) BGH vom 29.3.2006 NJW 2006, 2250 Das Vorliegen eines Gewerbes und die Unternehmerstellung des Verkäufers setzen beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) nicht voraus, dass dieser mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. (Unternehmereigenschaft; Gewinnerzielungsabsicht) BGH vom 16.3.2006 NJW 2006, 1971 = CR 2006, 454 = MMR 2006, 453 = K&R 2006, 281 Ein Recht auf Widerruf der Verbrauchererklärung, die zum Abschluss eines R-Gesprächs führt, besteht gem. § 312d Abs. 3 BGB nicht, wenn der Angerufene das Gespräch durch Wahl einer Tastenkombination am Telefon annimmt. (Abbruch eines R-Gesprächs)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 5.10.2005 NJW 2006, 211 Eine klare und verständliche Information des Verbrauchers über zusätzlich zum Warenpreis anfallende Versandkosten kann auch erfolgen, ohne dass die Versandkosten in der Bestell-Übersicht eines Online-Versandhändlers gesondert neben dem Warenpreis ausgewiesen werden. (Versandkostenangabe im Online-Shop) BGH vom 24.2.2005 CR 2006, 54 = MMR 2005, 761 = K&R 2005, 326 Bereits wenn ein Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen wird, liegt Unternehmerhandeln nach § 14 BGB vor. (Unternehmereigenschaft des Existenzgründers) BGH vom 3.11.2004 CR 2005, 53 = MMR 2005, 37 = K&R 2005, 33 Bei einem Kaufvertrag, der bei einer Internetauktion geschlossen wird, gilt Fernabsatzrecht. Die Ausnahmevorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB greift nicht ein, so dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht. (Versteigerung eines Diamanten-Armbandes auf Ebay) BGH vom 21.10.2004 NJW 2004, 3699 = CR 2005, 126 = MMR 2005, 44 Das Verbraucherwiderrufsrecht gilt auch bei Verträgen, die mit der Unterschrift des Verbrauchers an dessen Haustür zustande kommen, wenn dies im Postident 2-Verfahren geschieht und der Postbote keinerlei Auskünfte zu dem Vertrag geben kann und soll. (Mobilfunkverträge im Postident 2-Verfahren) BGH vom 17.3.2004 NJW-RR 2004, 1058 Bei einem Kauf auf Probe beginnt die Widerrufsfrist des Verbrauchers nach § 312d BGB nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der Kaufvertrag durch Billigung für den Käufer bindend geworden ist. (Kauf einer Kunstgrafikmappe auf Probe) BGH vom 19.3.2003 NJW 2003, 1665 = CR 2003, 480 = MMR 2003, 463 = VuR 2003, 353 Ein nach Kundenwünschen aus Standardbauteilen zusammengesetztes Notebook ist nicht nach „Kundenspezifikationen angefertigt“ i.S.d. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB. (Built-to-order-Notebook)
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E. Fernabsatzrecht BGH vom 31.10.2002 NJW-RR 2003, 1481 = WRP 2003, 266 = MDR 2003, 404 Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet ist, ist allein auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Verbraucher von der Belehrung anlässlich ihrer Aushändigung und gegebenenfalls Unterzeichnung Kenntnis nehmen kann. (Widerrufsbelehrung) BGH vom 4.7.2002 NJW 2002, 3396 = WRP 2002, 1263 Die einem Verbraucher mit dem Zusatz, der Lauf der Widerrufsfrist beginne „nicht jedoch, bevor die auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde“, erteilte Widerrufsbelehrung entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 II Satz 1 BGB. (Verbraucherverträge; Widerruf; Belehrung) BGH vom 7.11.2001 NJW 2002, 363 Die auf einen Vertragsschluss gerichteten, einander entsprechenden Willenserklärungen können auch durch elektronische Übermittlung einer Datei im Internet – online – abgegeben und wirksam werden. Wird bei der Freischaltung der Angebotsseite vom Bieter zugleich die Erklärung abgegeben, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt die Annahme des höchsten wirksam abgegebenen Kaufangebotes erklärt, so stellt diese Erklärung eine Willenserklärung und keine invitatio ad offerendum dar. Ist eine Willenserklärung bereits aus sich heraus verständlich, so erübrigt sich ein Rückgriff auf die generell als Auslegungsgrundlage heranzuziehenden AGB für Internet-Auktionen. (Zustandekommen eines Kaufvertrags auf Internet-Auktion) BGH vom 9.5.2001 NJW 2001, 2014 Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die neben dem Wortlaut eines Gesetzes, das der Ergänzung bedarf, weitere Regelungen enthält, unterliegt insoweit der Kontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG, als zu prüfen ist, ob und wie der Verwender das Gesetz ergänzt hat. Klauseln in Allgemeinen Bedingungen über die kapitalbildende Lebensversicherung, die die Beitragsfreistellung, die Kündigung des Vertragsverhältnisses sowie den Rückkaufswert und die Abschlusskosten regeln, sind wegen Intransparenz unwirksam, wenn sie dem Versicherungsnehmer etwaige wirtschaftliche Nachteile nicht deutlich vor Augen führen. Eine Klausel in Allgemeinen Bedingungen über die kapitalbildende Lebensversicherung, die die Überschussermittlung und -beteiligung regelt, ist nicht deshalb wegen Intransparenz unwirksam, weil die Klausel die Berechnungsmethoden nicht aufzeigt, wenn die Regelung insgesamt erkennen lässt, dass die Überschüsse variieren können. Der Versicherer ist nicht verpflichtet anzugeben, in welcher
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Weise er von gesetzlich eingeräumten Bilanzierungsspielräumen Gebrauch machen wird. (AGB-Kontrolle und Transparenzgebot bei AVB kapitalbildender Lebensversicherung) OLG Hamm vom 21.2.2013 I-4 U 135/12 Der Anbieter eines Onlinekurses zur Vorbereitung auf eine theoretische Sportbootführerscheinprüfung muss regelmäßig auf das Widerrufsrecht des Kunden hinweisen, da die Vorschriften über Fernabsatzverträge anwendbar sind. Ansonsten steht dem Mitbewerber ein Unterlassungsanspruch zu. Insoweit ist ein solches Angebot nicht als Vertrag über Fernunterricht einzustufen. Auch die Ausnahmeregelung des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB greift hier nicht ein, da die Leistungszeit nicht konkretisiert und eingrenzbar ist. Vielmehr kann der Verbraucher jederzeit für die vereinbarte Dauer über das Internet auf die Unterlagen zugreifen. (Widerrufsrecht bei Online-Kursen) OLG Celle vom 4.12.2012 2 U 154/12 Der Fernabsatzvertrag über die Versendung wurzelnackter lebender Bäume betrifft nicht die Versendung schnell verderblicher Waren i.S.d. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den Fall, dass der Käufer die Ware nicht bestimmungsgemäß behandelt und die Bäume nach der Lieferung nicht einpflanzt, so dass sie absterben. (Schnell verderbliche Ware; wurzelnackte Bäume) OLG Bremen vom 5.10.2012 2 U 49/12 Die in AGB enthaltene Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1–3 Werktage“ ist gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie nicht hinreichend bestimmt im Hinblick auf die Lieferzeit ist. Befinden sich bei einem Internet-Kaufangebot die wesentlichen Informationen bereits auf der ersten Seite und wird dem Kunden hier ermöglicht, durch Einloggen und nachfolgende Registrierung („1-click ®“) ohne Weiteres die Bestellung vorzunehmen, so ist der Hinweis auf das ihm zustehende Widerrufsrecht nicht ausreichend, wenn dieser erst auf einer weiteren Seite oder erst nach „Herunterscrollen“ am Ende der Angebotsseite erscheint. (Hinreichend bestimmte Lieferzeit; Hinweis auf Widerrufsrecht) OLG Hamm vom 24.5.2012 I-4 U 8/12 Die Verwendung von zwei unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen stellt einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312c Abs. 1, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB dar. Denn eine Widerrufsbelehrung ist nur dann ordnungsgemäß, wenn sie für den Verbraucher eindeutig klarstellt, welche einzelnen Bedingungen für die Ausübung des Rechts gelten und welche Folgen die Ausübung des Rechts hat. Es dürfen somit grundsätzlich keine unterschiedlichen Belehrungen erteilt werden,
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E. Fernabsatzrecht weil der Verbraucher dadurch irritiert wird und letztlich nicht weiß, welche der Belehrungen richtig ist und gelten soll. (Gleichzeitige Verwendung von unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen) OLG München vom 7.2.2012 29 W 212/12 Die regelmäßigen Kosten einer Rücksendung bei Ausübung des Widerrufsrechts können dem Käufer auch in den vom Unternehmer gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam auferlegt werden. Hat der Verkäufer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich klargestellt, dass die Beachtung der Bitte, Ware möglichst nicht unfrei zurückzusenden, nicht Voraussetzung für die wirksame Ausübung des Widerrufsrechts ist, so wird ein solches auch nicht verweigert oder erschwert, wenn ein unfrei versandtes Warenpaket nicht angenommen wird. (Widerrufskosten; AGB) OLG Hamm vom 20.1.2012 4 U 145/11 Die Widerrufsbelehrung wird bei einem Angebot auf der Internetauktionsplattform Ebay auch dann unverzüglich nach Vertragsschluss i.S.d. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB erteilt, wenn die zusätzliche Übermittlung in Textform zwar nicht unmittelbar nach dem Abschluss des Vertrags durch Abgabe des Höchstgebots, wohl aber unmittelbar im Anschluss an das 49 Stunden später eingetretene Auktionsende erfolgt. (Widerrufsbelehrung; Unverzüglichkeit) OLG Hamm vom 12.1.2012 I-4 U 107/11 Die Verwendung gestellter und unzulässiger AGB-Klauseln im Internethandel stellt einen wettbewerbswidrigen Gesetzesverstoß i.S.v. §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 308 Nr. 1 2. Alt. BGB dar. Es ist unzulässig, wenn die Lieferzeit nach Zahlungseingang nicht hinreichend bestimmt ist. (Verwendung von unzulässigen AGB-Klauseln im Versandhandel; Lieferzeit) OLG Nürnberg vom 10.1.2012 14 U 1314/11 Verwendet eine Bank gegenüber einem Drittsicherungsgeber eine Widerrufsbelehrung, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, liegt darin die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts. Auch die Vereinbarung eines Widerrufsrechts nach den für das gesetzliche Widerrufsrecht geltenden Vorschriften ist möglich, aber nicht generell anzunehmen. Für zusammengehörige, wenn auch in getrennten Formularen niedergelegte Erklärungen eines Drittsicherungsgebers kann eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt werden. (Vertragliches Widerrufsrecht; zusammengehörige Erklärungen)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Kammergericht vom 21.10.2011 5 U 93/11 Soll ein Verbraucher bei Unterschriftsleistung an seiner Wohnungstür gegenüber dem Briefträger bei Entgegennahme einer „Postident-Sendung“ nicht etwa nur deren Empfang quittieren, sondern eine zum Vertragsschluss mit dem Absender führende Willenserklärung dokumentieren (wobei zugleich durch Ausweiskontrolle seine Identität festgestellt und dokumentiert wird), dann ist das eine „wesentliche Information“ im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. Hierüber ist der Verbraucher (bei Fernabsatzgeschäften vor der Zusendung klar und verständlich) zu informieren. An das Ausmaß der Deutlichkeit dieser Information sind hohe Anforderungen zu stellen. Denn diese Vorgehensweise ist für den durchschnittlichen Verbraucher höchst ungewöhnlich, und er wird „hereingelegt“, wenn er – mangels deutlicher vorheriger Aufklärung – glaubt, mit seiner Unterschrift lediglich zu quittieren, in Wirklichkeit aber kontrahiert. (Vertragsschluss durch Unterschriftsleistung bei einer „Postident-Sendung; Deutlichkeit der Informationspflichten) OLG Hamm vom 13.10.2011 I-4 U 99/11 Nimmt ein Unternehmer beim Verkauf von Kraftfahrzeugteilen im Internet in der Widerrufsbelehrung Bezug auf falsche Vorschriften, nämlich auf diejenigen der BGB-InfoV, anstatt richtigerweise auf Art. 246 §§ 1–3 EGBGB zu verweisen, so handelt der Unternehmer wettbewerbswidrig. (Widerrufsbelehrung; falsche Vorschriften) OLG Karlsruhe vom 6.10.2011 9 U 8/11 Die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln bei einem Kaufvertrag hängt davon ab, welchem Zweck der Kaufvertrag dienen soll. Maßgeblich ist eine objektive Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Erklärungen der Parteien und der sonstigen Umstände bei Vertragsschluss. Subjektive Vorstellungen des Käufers, die für den Verkäufer nicht erkennbar sind, spielen keine Rolle. (Verbraucher; Unternehmer) OLG Hamm vom 20.9.2011 4 U 73/11 Wer als Unternehmer auf der Internetplattform Ebay unter Hinweis darauf, dass ein Verkauf nur an Gewerbetreibende erfolgen solle, einen Versandhandel betreibt, braucht nur dann die Verbraucherschutzvorschriften z.B. über die Widerrufsbelehrung nicht zu beachten, wenn er durch geeignete Kontrollmaßnahmen im Ergebnis sicherstellt, dass ausschließlich gewerbliche Abnehmer betrieblich verwendbare Waren erwerben können. Denn das Internetangebot von Ebay ist für jedermann zugänglich und spricht den allgemeinen Verkehr an, weshalb davon auszugehen ist, dass tatsächlich in erheblichem Umfang auch Käufe von Verbrauchern getätigt werden. (Ebay; Widerrufsbelehrung; Kontrollschutzmaßnahmen)
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E. Fernabsatzrecht OLG Karlsruhe vom 13.9.2011 17 U 104/10 Der am Telefon oder per E-Mail abgeschlossene Kauf von Zertifikaten kann nicht nach den Bestimmungen über Fernabsatzverträge widerrufen werden. (Ausschluss des Widerrufsrechts; Finanzdienstleistungen) OLG Hamm vom 26.5.2011 I-4 U 35/11 Die Verwendung einer Widerrufsbelehrung, die seit dem 11. Juni 2010 überholt ist und insofern nicht mehr der aktuellen Gesetzeslage entspricht, ist wettbewerbswidrig. Ein bloßer Bagatellfall kann auch dann nicht angenommen werden, wenn es sich nur um ein Versehen handelt und die gesetzeskonforme Widerrufsbelehrung an anderer Stelle aufrufbar ist. (Widerrufsbelehrung; Wettbewerbsverstoß) OLG Brandenburg vom 22.2.2011 6 U 80/10 Eine AGB-Klausel, nach der der Käufer nach einem Widerruf „die Kosten der Rücksendung“ zu tragen hat, wird den nach § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB zu fordernden inhaltlichen Anforderungen an die vertragliche Auferlegung der Rücksendekosten nicht gerecht. Denn es dürfen nicht beliebige Rücksendekosten auf den Verbraucher abgewälzt werden, sondern ausschließlich die regelmäßigen Kosten. (Widerruf; Rücksendekosten; AGB) OLG Hamburg vom 3.6.2010 3 U 125/09 Wird eine Widerrufsbelehrung, welche der Musterbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV aF) entspricht, mit den Worten „Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht:“ eingeleitet, führt dies nicht dazu, dass die Belehrung unklar oder intransparent würde. (Musterbelehrung; Transparenz) OLG Köln vom 27.4.2010 6 W 43/10 Eine Widerrufsbelehrung in AGB, die in einem Fernabsatzvertrag über Kosmetika die Ware „nur in einem unbenutzten Zustand“ für rücknahmefähig erklärt, ist unwirksam. Ein vollständiger Ausschluss des Widerrufsrechts für Kosmetikartikel nach dem Öffnen der Primärverpackung wird durch die Regelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB – wonach das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren ausgeschlossen ist, die „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können“ – nicht gedeckt. (Widerrufsrecht bei benutzter Kosmetik)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Frankfurt a.M. vom 15.4.2010 6 U 49/09 Wird über das Internet eine Bahnfahrkarte vertrieben, die den Käufer innerhalb eines Zeitraums von 11 Wochen zu zwei einfachen Bahnfahrten seiner Wahl berechtigen, steht dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu, da die Bereichsausnahme des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB eingreift. (Widerrufsrecht; Auschluss wegen Beförderungsdienstleistung) OLG Hamm vom 30.3.2010 K&R 2010, 411 mit Anm. Dehißelles Das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Cellophanhülle einer CD aufgerissen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auf der Hülle ein Hinweis auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angebracht ist. (Ausschluss des Widerrufsrechts; Cellophanhülle) OLG Hamm vom 18.3.2010 4 U 177/09 Ist ein Verkäufer in den „Gelben Seiten“ als gewerblicher Händler eingetragen, kann er sich bei Verkäufen über eine Internetplattform nicht darauf berufen, nur Privatverkäufe zu tätigen, sofern die Verkäufe im Zusammenhang mit seinem eingetragenen Geschäft stehen. Er muss sein Onlineangebot mit einem Impressum ausweisen und die Kunden über das Widerrufs- und Rückgaberecht belehren. (Gelbe Seiten; Internetverkauf; Privatverkauf) OLG Koblenz vom 8.3.2010 CR 2010, 392 Eine Widerrufsfolgenbelehrung, die die Kosten der Rücksendung betrifft, verstößt gegen § 4 Nr. 11 UWG, wenn es an einer Vereinbarung über die Kostenpflicht im Sinne von § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB fehlt. Die Belehrung über die Widerrufsfolgen stellt keine vertragliche Vereinbarung im Sinn dieser Vorschrift dar, sondern bezieht sich auf die gesetzlichen Folgen des Widerrufs. Eine vertragliche Vereinbarung läge nur dann vor, wenn sich die Klausel außerhalb der Belehrung über die Widerrufsfolgen befände. (Rücksendekosten; Widerrufsbelehrung) OLG Hamm vom 2.3.2010 4 U 180/09 Wird über die Übertragung von Rücksendekosten lediglich in dem Belehrungstext selbst belehrt, so kommt einer solchen Belehrung keine Qualität einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne von § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB zu. Bei gegenteiliger Annahme würde man die Überprüfung der Vereinbarung an den Maßstäben der Wirksamkeitskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB umgehen. (Belehrung; Rücksendekosten; Wirksamkeitskontrolle)
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E. Fernabsatzrecht OLG Hamburg vom 17.2.2010 MMR 2010, 320 mit Anm. Föhlisch Die in § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte Abwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher kann im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgenommen werden. Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setzt aber voraus, dass der Verbraucher nach den Gesamtumständen mit der erforderlichen Gewissheit erkennen kann, dass hierüber mit ihm eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen und er nicht lediglich entsprechend den Vorgaben der BGB-InfoV über die objektive Rechtslage belehrt werden soll. (Rücksendekosten; Belehrung in AGB) OLG Hamm vom 5.1.2010 K&R 2010, 354 Im Grundsatz können dem Verbraucher ein Widerrufs- und ein Rückgaberecht durch entsprechende Belehrungen nebeneinander eingeräumt werden. Das Bestimmungsrecht, von welchem Recht Gebrauch gemacht werden soll verbleibt auch dann beim Verbraucher, wenn der Verbraucher die Ware kommentarlos zurücksendet. Es muss dann ausgelegt werden, ob der Unternehmer die Rücksendung der Ware als Widerruf oder als Rückgabe verstehen durfte. Diese Auslegung ist danach zu richten, was für den Verbraucher die günstigste Rechtsausübung darstellt. (Widerrufsrecht; Rückgaberecht) OLG Hamburg vom 17.12.2009 3 U 55/09 Bei einem Jahresabonnement zur Lieferung einer Zeitschrift handelt es sich nicht um einen Vertrag über die Lieferung von „sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs“ i.S. von § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB. Die Anwendbarkeit des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB verlangt, dass die Lieferung von dem Unternehmen selbst und seinen Mitarbeitern ausgeführt wird. Es genügt nicht, dass der Unternehmer die Post oder ein vergleichbares Logistikunternehmen, welches Aufträge von jedermann entgegen nimmt, mit der Auslieferung beauftragt. (Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs; Lieferung; Zeitschriften) Kammergericht vom 8.9.2009 MMR 2010, 27 Der Verbraucher ist über die auch für den Unternehmer geltende 30-Tage-Frist (zur Erstattung von Zahlungen des Verbrauchers nach Ausübung des Widerrufsrechts) und die Gefahrtragung des Unternehmers bei Rücksendung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts – entsprechend der Neufassung der Musterbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV – gem. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu informieren. Dies gilt jedenfalls nach Ablauf der Umstellungsfrist des § 16 BGB-InfoV zum 30. September 2008. Insoweit kann nunmehr auch nicht mehr von einem Bagatellverstoß i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG ausgegangen werden. (Musterbelehrung; Übergangsfrist)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamm vom 4.8.2009 MMR 2010, 29 Eine über zwei Links erreichbare zutreffende Information über das Impressum genügt nicht, wenn die Informationen auch auf den Angebotsseiten vorhanden, aber unrichtig oder jedenfalls unklar sind. Jedenfalls bei einer GbR handelt es sich hierbei nicht um einen Bagatellfall nach neuem UWG. (Impressum auf „Mich“-Seite eines eBay-Händlers) OLG Hamm vom 2.7.2009 K&R 2009, 727 Die Belehrung über das Widerrufsrecht des Verbrauchers darf nicht durch Zusätze verunklart werden. Eine solche gesetzeswidrige Irritierung kann auch durch die Hinzufügung einer Telefonnummer bewirkt werden, wenn dadurch für den Verbraucher der Eindruck erweckt wird, er könne den Widerruf entgegen § 355 BGB auch telefonisch erklären und nicht nur in Textform. (Widerrufsbelehrung; Telefonnummer) OLG Frankfurt a.M. vom 22.6.2009 MMR 2009, 695 Die – unberichtigte – Musterwiderrufsbelehrung nach dem Muster zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV vermag die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB nur dann nicht in Gang zu setzen, wenn sich der Mangel der Musterwiderrufsbelehrung im konkreten Fall ausgewirkt hat. (Musterbelehrung; Widerrufsfrist) OLG Hamm vom 16.6.2009 K&R 2009, 813 Enthält eine für Handys und Smartphones optimierte Internetadresse eines Online-Versandhändlers anders als die über Computer abrufbare Internetadresse des Versandhändlers bei Aufruf von Bestellseiten weder eine Belehrung über das Widerrufs- bzw. das Rückgaberecht noch eine (vollständige) Angabe zu Versandkosten sondern nur den Hinweis „Diese Seite stellt das Angebot nicht vollständig dar. Um das Angebot mit allen Details zu sehen, gegen sie bitte zu …“ (andere Internet-Adresse) „… um sich vollständig zu informieren, bevor Sie ein Gebot abgeben, oder einen Artikel kaufen“, kann der Versandhändler dies nicht damit rechtfertigen, dass es aus technischen Gründen nicht möglich sei, alle Einzelheiten eines über Mobiltelefon abrufbaren Angebots wiederzugeben. (Widerrufsbelehrung; M-Commerce) OLG Hamm vom 12.3.2009 VuR 2009, 353 Die Musterbelehrung nach der BGB-InfoV regelt nur die Belehrung in Textform, nicht die Vorausbelehrung nach § 312c Abs. 1 BGB. Eine Berufung auf die Musterbelehrung ist nicht möglich, wenn es in einer Klausel heißt, die Widerrufsfrist beginne mit dem Erhalt dieser Belehrung, was der Kunde nur auf die Vorausbeleh-
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E. Fernabsatzrecht rung beziehen kann, die er bei dem Internetangebot sieht, die aber eben keine Belehrung in Textform darstellt. (Musterbelehrung; Vorausbelehrung) OLG Brandenburg vom 11.2.2009 K&R 2009, 408 Die Vorschrift des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB regelt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einer Dienstleistung erlischt, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. Für eine teleologische Reduktion des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB dahin, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen zu gelten habe, besteht kein Bedürfnis. (Dienstleistungen; Erlöschen des Widerrufsrechts) OLG Dresden vom 30.1.2009 8 U 1540/08 Bei der Bürgschaft eines Verbrauchers handelt es sich nicht um ein Fernabsatzgeschäft i.S.d. § 312b BGB. (Fernabsatzgeschäft; Bürgschaft) OLG München vom 26.6.2008 MMR 2008, 677 = K&R 2008, 620 Zu den Belehrungspflichten über das Rückgaberecht bei Ebay und der Unwirksamkeit von Klauseln zum Beginn der Rückgabefrist sowie der Wertersatzpflicht des Verbrauchers. (Rückgabebelehrung; Fristbeginn; Wertersatz) Kammergericht 25.3.2008 MMR 2009, 363 (Ls.) Eine Widerrufsbelehrung in Fernabsatzverträgen über die Internet-Handelsplattform Ebay, in der der Verbraucher im Rahmen der Hinweise auf die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht auch auf seine Verpflichtung, Wertersatz bei Verschlechterung der Ware im Falle der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme zu leisten, und eine Möglichkeit, dies zu vermeiden, hingewiesen wird, ist unvollständig. (Widerrufsbelehrung; Wertersatz bei Verschlechterung) OLG Hamm vom 28.2.2008 MMR 2008, 469 = K&R 2008, 379 Grundsätzlich kann ein Verkaufsangebot bei Ebay auf Gewerbetreibende beschränkt werden. Allerdings muss eine solche Beschränkung transparent und klar sein. (Verkauf ausschließlich an Gewerbetreibende)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Stuttgart vom 4.2.2008 MMR 2008, 616 Die Verpflichtung zur Belehrung über die „Bedingungen“ und „Einzelheiten der Ausübung“ des Widerrufs umfasst den Hinweis darauf, dass die Widerrufsfrist nicht vor dem Zugang einer Widerrufsbelehrung in Textform beginnt. Den Anforderungen an die Belehrung in Textform ist durch das (bloße) Bereithalten einer einsehbaren und vom Verbraucher herunterladbaren und/oder ausdruckbaren Online-Belehrung nicht genügt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Verbraucher die Belehrung tatsächlich herunterlädt oder ausdruckt; die bloße temporäre Zwischenspeicherung während des Aufrufs der Seite genügt nicht. (Beginn der Widerrufsfrist) OLG München vom 31.1.2008 WRP 2008, 1396 (Ls.) Eine Widerrufsbelehrung bei Verkaufsangeboten auf der Internetplattform Ebay, die vorsieht, dass das Widerrufsrecht nicht für Versteigerungen gelten soll, ist zur Irreführung geeignet, da der Begriff Versteigerung im allgemeinen Sprachgebrauch auch für Verkäufe gegen Höchstgebot verwendet wird. Der Begriff ist mehrdeutig und irreführend, wenn nicht erläutert wird, um welche Art von Versteigerung es sich handelt. (Widerrufsbelehrung; Versteigerungsbegriff) Kammergericht vom 25.1.2008 WRP 2008, 383 Die AGB-Klausel „Teillieferungen und Teilabrechnungen sind zulässig“ ist gegenüber Verbrauchern unwirksam, §§ 307 II Nr. 1, 309 Nr. 2a BGB. § 307 II Nr. 1 BGB und § 309 Nr. 2a BGB enthalten – soweit sie wie vorliegend Leistungsverweigerungsrechte des Verbrauchers und Rücktrittsrechte desselben nach einem Verzug des Schuldners sicherstellen – Regelungen, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Unwirksamkeit der AGB-Regelung zugleich zu einem Verstoß gegen die Informationspflichten des § 312c I 1 BGB, § 1 I BGB-InfoV führt. (Teilleistung; Teilabrechnung; AGB-Kontrolle) OLG Hamburg vom 24.1.2008 CR 2008, 396 Eine Belehrung eines Anbeiters auf einer Internethandelsplattform über das Widerrufs- und Rückgaberecht des Kunden, die darauf hinweist, dass unfrei versandte Rücksendungen vom Verwender nicht angenommen werden, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht und ist daher unlauter. (Rücksendung unfreier Sendungen)
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F. Urheberrecht
F. Urheberrecht EuGH vom 7.3.2013 C-607/11 Eine „öffentliche Wiedergabe“ liegt vor, wenn eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Personen potentiell Zugriff auf ein Werk hat. (öffentliche Wiedergabe; unbestimmter Personenkreis) EuGH vom 1.3.2012 C-604/10 – Football Dataco Datenbanken sind urheberrechtlich geschützt, sofern die Auswahl oder Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Daten einen eigenständigen Ausdruck der schöpferischen Freiheit ihres Urhebers darstellt. Folglich sind die geistigen Anstrengungen und die Sachkenntnis, die für die Erzeugung der Daten aufgewandt wurden, unerheblich für die Feststellung, ob die Datenbank schützenswert ist. Zudem ist es gleichgültig, ob die Auswahl oder Anordnung der Daten beinhaltet, dass diesen eine „wesentliche Bedeutung hinzugefügt“ wird, und der bedeutende Arbeitsaufwand und die bedeutende Sachkenntnis, die für die Erstellung der Datenbank erforderlich waren, wenn keinerlei Originalität bei der Auswahl oder Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Daten zum Ausdruck kommt. (Datenbanken; Fußballspielpläne) EuGH vom 4.10.2011 C-403/08 und C-429/08 Der Zugriff auf ausländisches Fernsehen zur Übertragung von Fußballspielen unterläuft ein Vermarktungssystem nicht, wenn dieses auf der Vergabe exklusiver nationaler Rechtepakete beruht, verbunden mit dem Verbot, den Zugang zur eigenen Sendung auch im Ausland zu ermöglichen. So ein Verbot kommt einer Abschottung der nationalen Märkte gleich, was dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union widerspricht. Das Vervielfältigungsrecht erstreckt sich auch auf flüchtige Fragmente von Werken, sofern diese Fragmente Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung der betreffenden Urheber zum Ausdruck bringen, wobei das zusammengesetzte Ganze der gleichzeitig wiedergegebenen Fragmente zu prüfen ist, um zu klären, ob es solche Elemente enthält. (Vervielfältigungshandlungen; Karren Murphy; Dienstleistungsfreiheit; exklusive Vertriebssysteme) EuGH vom 22.12.2010 C-393/09 Eine graphische Benutzeroberfläche kann einen Schutz als urheberrechtliches Werk genießen, wenn sie eine persönlich geistige Schöpfung des Urhebers darstellt. Für die Beurteilung kommt es maßgeblich auf die Anordnung oder die spezifische Konfiguration aller Komponenten, aus denen sich die Oberfläche zusammensetzt, an. Eine graphische Benutzeroberfläche stellt keine Ausdrucksform
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht eines Computerprogramms dar und kann daher nicht den urheberrechtlichen Schutz eines Computerprogramms erlangen. (graphische Benutzeroberfläche; angewandte Kunst; Computerprogramme) EuGH vom 16.7.2009 K&R 2009, 707 – Elektronischer Pressespiegel Eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, das darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, kann unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie fallen, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen. Das Ausdrucken des Auszugs erfüllt nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit und daher darf dieses Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden. (Urheberrechtsfähigkeit von Auszügen) EuGH vom 5.3.2009 CR 2009, 724 = GRUR 2009, 572 mit Anm. Eickenmeier = K&R 2009, 320 – Datenbank-Entnahme Vorabentscheidung über den Begriff der „ständigen Übertragung“ und der „vorübergehenden Übertragung“; zu der Entnahme bzw. der Weiterverwendung eines quantitativ wesentlichen Teils des Inhalts einer Datenbank oder von Elementen von Untergruppen des Gesamtbestandes bei nicht öffentlich zugänglichen bzw. amtlich und öffentlich zugänglichen Daten sowie zu materiellen und technischen Übereinstimmungen bei Datenbanken als Indiz für eine Entnahme. (Schutz von Datenbanken) EuGH vom 9.10.2008 CR 2009, 4 mit Anm. Milbradt/Hülseweg = K&R 2008, 673 Die Übernahme von Elementen aus einer geschützten Datenbank in eine andere Datenbank aufgrund einer Bildschirmabfrage der ersten Datenbank und einer im Einzelnen vorgenommenen Abwägung der darin enthaltenen Elemente kann eine „Entnahme“ i.S.d. Artikel 7 der Datenbankrichtline sein, soweit es sich bei dieser Operation um die Übertragung eines in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teils des Inhalts der geschützten Datenbank oder um die Übertragung unwesentlicher Teile handelt, die durch ihren wiederholten und systematischen Charakter möglicherweise dazu geführt hat, dass ein wesentlicher Teil dieses Inhalts wiedererstellt wird. (Schutz von Datenbanken; manuelle Entnahme) EuGH vom 9.11.2004 CR 2005, 10 mit Anm. Lehmann = MMR 2005, 29 Der Begriff der mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Datenbankrichtlinie ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel bezeichnet, die der Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung in dieser Datenbank gewidmet werden. Er umfasst nicht die Mittel, die eingesetzt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus
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F. Urheberrecht denen der Inhalt einer Datenbank besteht. Der Begriff der mit der Überprüfung des Inhalts der Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel erfasst, die, um die Verlässlichkeit der in dieser Datenbank enthaltenen Information sicherzustellen, der Kontrolle der Richtigkeit der ermittelten Elemente bei der Erstellung der Datenbank und während des Zeitraums des Betriebs der Datenbank gewidmet sind. Die Mittel, die Überprüfungsmaßnahmen im Stadium der Erzeugung von Elementen gewidmet werden, die anschließend in einer Datenbank gesammelt werden, fallen nicht unter diesen Begriff. (Datenbankschutz; Investitionsschutz) BVerfG vom 17.11.2011 1 BvR 1145/11 Dem Schutz der Pressefreiheit unterfällt auch der Bereitstellung eines Online-Archivs mit illustrierten Zeitungsartikeln durch einen Tageszeitungsverlag. Das gesetzliche Zusammenspiel von § 19a UrhG einerseits und der Schrankenregelung zugunsten der Tagesberichterstattung in § 50 UrhG andererseits dient dazu, die genannten Grundrechtspositionen von Urhebern und Presseunternehmen in Ausgleich zu bringen. (Online-Archiv; Bilder; Pressefreiheit; Berichterstattung über Tagesereignisse) BGH vom 13.12.2012 I ZR 182/11 – Metall gegen Metall II Das Entnehmen von Rhythmussequenzen im Wege des Samplings stellt einen Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht des Herstellers eines Tonträgers dar und ist nicht als freie Bearbeitung des Werkes i.S.v. § 24 Abs. 1 UrhG geschützt, wenn es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. (Sampling; freie Bearbeitung) BGH vom 25.10.2012 I ZB 13/12 – Two Worlds II Ein Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, setzt nicht voraus, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben. (Auskunftspflicht; IP-Adresse; gewerbliches Ausmaß) BGH vom 19.4.2012 I ZB 80/11 – Alles kann besser werden Der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte,
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht setzt nicht voraus, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben. Die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus. Ein solcher Antrag ist vielmehr unter Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinhabers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel ohne Weiteres begründet. (Musiktauschbörse; Auskunftspflicht; dynamische IP-Adresse) BGH vom 27.3.2012 KZR 108/10 – Elektronischer Programmführer Die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Text- und Bildbeiträge, die von Fernsehsendern zur Vorankündigung und Bewerbung ihrer Programme im Internet bereitgestellt werden, durch den Betreiber eines werbefinanzierten elektronischen Programmführers ist nicht als Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG gerechtfertigt. (Berichterstattung über Tagesereignisse) BGH vom 19.10.2011 I ZR 140/10 – Vorschaubilder II Eine (schlichte) Einwilligung in die Wiedergabe der Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes als Vorschaubild in Ergebnislisten von Bildersuchmaschinen liegt auch dann vor, wenn ein Dritter die Abbildung mit Zustimmung des Urhebers ins Internet eingestellt hat, ohne technische Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen. Eine vom Urheber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten erklärte Einwilligung in die Wiedergabe der Abbildung eines Werkes als Vorschaubild erstreckt sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen dieses Werkes, die nicht vom Urheber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt worden sind. (Thumbnails; Bildersuchmaschine) BGH vom 22.6.2011 I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse Vervielfältigen mehrere Nutzer nach Art und Umfang für sich genommen jeweils unwesentliche Teile einer Datenbank, die aber in ihrer Gesamtheit einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank bilden, liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Datenbankherstellers aus § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nur vor, wenn diese Nutzer die Vervielfältigungen in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken vorgenommen haben. Wiederholte und systematische Vervielfältigungen nach Art oder Umfang unwesentlicher Teile einer Datenbank, die nicht darauf gerichtet sind, durch ihre kumulative Wirkung die Datenbank in ihrer Gesamtheit
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F. Urheberrecht oder zu einem wesentlichen Teil wieder zu erstellen, laufen einer normalen Auswertung der Datenbank nicht zuwider und beeinträchtigen die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar. Das Inverkehrbringen einer Software, mit der Inhalte von Internetseiten abgerufen werden können, die deren Betreiber ohne Einschränkungen öffentlich zugänglich gemacht hat, stellt nicht allein deshalb eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers i.S.d. § 4 Nr. 10 UrhG dar, weil die Software es Nutzern erspart, die Internetseite des Betreibers aufzusuchen und die zur Finanzierung der Internetseite eingestellte Werbung zur Kenntnis zu nehmen. (Datenbank; Übernahme eines wesentlichen Teils) BGH vom 1.12.2010 I ZR 12/08 – Perlentaucher Bei der Abgrenzung von Bearbeitung und freier Benutzung (§ 23 und § 24 UrhG) kommt es entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Bezügen des benutzten Werkes einhält und nicht darauf, ob das neue Werk geeignet oder dazu bestimmt ist, das ältere Werk zu ersetzen. (Abstracts; Bearbeitung eines Werkes; freie Benutzung) BGH vom 1.12.2010 I ZR 13/08 – Notiz zur SZ Genießt ein Schriftwerk allein aufgrund seiner sprachlichen Gestaltung Urheberrechtschutz, so stellt eine Zusammenfassung des gedanklichen Inhalts in eigenen Worten grundsätzlich eine urheberrechtlich unbedenkliche freie Benutzung dieses Schriftwerks i.S.d. § 24 Abs. 1 UrhG. (Abstracts; Bearbeitung eines Werkes; freie Benutzung) BGH vom 1.12.2010 I ZR 196/08 – Zweite Zahnarztmeinung II Geben Dritte über eine Eingabemaske Daten in eine Datenbank ein, sind die Kosten für die Software, mit der die Daten für Zwecke der Datenbank erfasst und dargestellt werden, eine Investition i.S.d. § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG zur Beschaffung und Darstellung der Datenbankelemente und keine Kosten der Datenerzeugung. Entsprechendes gilt für die Kosten der Überprüfung der von Dritten eingegebenen Daten auf ihre Eignung für Zwecke der Datenbank. Ein Anteil von zehn Prozent des Datenvolumens der gesamten Datenbank erfüllt nicht die Voraussetzungen, die an einen nach dem Umfang wesentlichen Teil der Datenbank i.S.d. § 87b Abs. 1 Satz 1 zu stellen sind. (Datenbank; wesentliche Investitionen; wesentlicher Teil; Übernahme einer Datenbank) BGH vom 14.10.2010 I ZR 191/08 – AnyDVD Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit unterfallenden Beitrag elektronische Verweise (Links) auf fremde Internetseiten in der Weise eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst. (Links; Meinungsfreiheit; Pressefreiheit) BGH vom 5.10.2010 I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv Wird im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung berichtet, bei der urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar werden (hier: Bericht über eine Ausstellungseröffnung), dürfen Abbildungen dieser Werke nur so lange als Teil dieser Berichterstattung im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann. (Berichterstattung über Tagesereignisse; Online-Archiv) BGH vom 29.4.2010 WRP 2010, 916 = MMR 2010, 475 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder Ein rechtswidriger Eingriff in urheberrechtliche Befugnisse ist nicht nur dann zu verneinen, wenn der Berechtigte rechtsgeschäftlich entweder durch Einräumung entsprechender Nutzungsrechte über sein Recht verfügt oder dem Nutzer die entsprechende Werknutzung schuldrechtlich gestattet hat. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht auch dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte in die rechtsverletzende Handlung eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung setzt keine auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung voraus. (Thumbnails; Einwilligung) BGH vom 29.4.2010 I ZR 39/08 – Session-ID Bedient sich ein Berechtigter einer technischen Schutzmaßnahme, um den öffentlichen Zugang zu einem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greift das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahme einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes aus § 19a UrhG ein. Bei der technischen Schutzmaßnahme muss es sich nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme i.S.d. § 95a UrhG handeln. Es reicht aus, dass die Schutzmaßnahme den Willen des Berechtigten erkennbar macht, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem vorgesehenen Weg zu ermöglichen. (Deeplink; technische Schutzmaßnahme; öffentliche Zugänglichmachung) BGH vom 29.4.2010 WRP 2010, 927 Erstattet ein Sachverständiger im Auftrag eines Unfallgeschädigten ein Gutachten über den Schaden an einem Unfallfahrzeug, das dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners vorgelegt werden soll, ist der Haftpflichtversicherer grundsätzlich nicht berechtigt, im Gutachten enthaltene Lichtbilder ohne Einwilligung des
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F. Urheberrecht Sachverständigen in eine Restwertbörse im Internet einzustellen, um den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu überprüfen. (Restwertbörse; Einwilligung) BGH vom 25.3.2010 I ZR 47/08 – Autobahnmaut Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe i.S.d. § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er jedenfalls bei Datenbanken, deren typische Verwertung darin besteht, den Nutzern nur die jeweils sie selbst betreffenden Datensätze zugänglich zu machen, auch das Zurverfügungstellen einzelner Datensätze an einzelne Nutzer erfasst, wenn diese Nutzer in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden. (Datenbank; öffentliche Wiedergabe) BGH vom 25.3.2010 I ZR 122/08 – Werbung eines Nachrichtensenders Wird das ausschließliche Recht des Herstellers von Laufbildern, die Bildfolge öffentlich zugänglich zu machen, dadurch schuldhaft verletzt, dass ein Nachrichtensender die Bildfolge ausstrahlt, kann der Verletzte nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns einen Bruchteil der Werbeeinnahmen beanspruchen, die der Betreiber des Nachrichtensenders dadurch erzielt, dass er Werbung im Umfeld der Nachrichtensendung platziert. (Herausgabe des Verletzergewinns) BGH vom 13.8.2009 NJW 2010, 778 = CR 2010, 190 = MMR 2010, 41 = K&R 2009, 710 Werden etwa 2/3 einer Gedichtstitelliste entnommen, so ist ein, sowohl in qualitativer als auch quantitiver Sicht, wesentlicher Teil einer Datenbank entnommen. (Datenbankrecht; Entnahme) BGH vom 20.5.2009 NJW 2009, 3509 = CR 2009, 642 = GRUR 2009, 864 = WRP 2009, 1143 = MMR 2009, 756 = K&R 2009, 586 Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet einstellt, darf sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat. (CAD-Software; Sorgfaltsanforderungen) BGH vom 30.4.2009 CR 2009, 735 = NJW-RR 2009, 1558 = K&R 2009, 579 mit. Anm. Stadler – Elektronischer Zolltarif Aufwendungen für den Erwerb einer fertigen Datenbank oder einer Lizenz an einer solchen Datenbank können keine Rechte als Datenbankhersteller begründen.
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Es kann das Vervielfältigungsrecht des Datenbankherstellers verletzen, wenn eine auf CD-ROM gespeicherte Datenbank vollständig auf die Festplatte eines Computers kopiert wird, um die aufgrund eines elektronischen Datenabgleichs ermittelten Daten dazu zu verwenden, ein Wettbewerbsprodukt zu aktualisieren. Schon die einmalige Entnahme aller geänderten Daten aus einer CD-ROM – durch Erstellung einer Änderungsliste oder unmittelbare Übernahme – kann das Tatbestandsmerkmal der qualitativen Wesentlichkeit der Entnahme erfüllen. (wesentliche Investition; Entnahme) BGH vom 22.4.2009 K&R 2009, 573 = ZUM 2009, 765 – save.tv Hersteller der Vervielfältigung einer Funksendung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger ist derjenige, der die körperliche Festlegung der Funksendung technisch bewerkstelligt. Hat derjenige, der die Vervielfältigung selbst vorgenommen hat, die Vervielfältigungsstücke für den eienen Gebrauch angefertigt, kann dieser Vervielfältigungsvorgang keinem anderen zugerechnet werden. (Online-Videorecorder; Herstellerr) BGH vom 22.4.2009 NJW 2009, 3511 mit Anm. Rössel = CR 2009, 598 = GRUR 2009, 845 = WRP 2009, 1001 = MMR 2009, 620 mit Anm. Brisch/Laue – shift.tv Hersteller der Vervielfältigung einer Funksendung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger ist allein derjenige, der die körperliche Festlegung der Funksendung technisch bewerkstelligt, selbst wenn er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, die Dritte zur Verfügung gestellt haben. Eine Funksendung wird nicht öffentlich zugänglich gemacht, wenn jeweils nur eine einzelne Aufnahme einer Sendung auf Bild- oder Tonträger jeweils nur einer einzelnen Person zugänglich gemacht wird, selbst wenn diese einzelnen Personen in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden. (Online-Videorecorder; Hersteller) BGH vom 17.7.2008 NJW 2008, 3565 = MMR 2008, 811 mit Anm. Arnold = K&R 2008, 686 = ZUM 2008, 781 Bei der Bestimmung des § 95a Abs. 3 UrhG handelt es sich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB zugunsten der Inhaber von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten, die wirksame technische Maßnahmen zum Schutz ihrer urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen einsetzen. Der Begriff der Werbung im Hinblick auf den Verkauf i.S.d. § 95a Abs. 3 UrhG umfasst jegliche Äußerung mit dem Ziel, den Absatz der in dieser Regelung näher bezeichneten Umgehungsmittel zu fördern. Er ist nicht auf ein Handeln zu gewerblichen Zwecken beschränkt und erfasst auch das private und einmalige Verkaufsangebot. Ein Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG setzt kein Verschulden des Verletzers voraus. (Clone-CD; Schutz technischer Maßnahmen)
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F. Urheberrecht BGH vom 20.12.2007 NJW 2008, 2345 = MMR 2008, 536 = K&R 2008, 442 Auch Teile von auf Filmträgern aufgenommenen Filmwerken und Laufbildern genießen Leistungsschutz nach §§ 94, 95 UrhG. Eine entsprechend § 24 Abs. 1 UrhG zulässige freie Benutzung fremder Laufbilder setzt voraus, dass ein selbständiges Werk geschaffen wird. Ein Geschehen, bei dem es der Öffentlichkeit nicht auf eine aktuelle Berichterstattung ankommt, ist kein Tagesereignis i.S.d. § 50 UrhG. Ein Zitat ist nach § 51 UrhG nur zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen der zitierten Stelle und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. (Lizenzgebühr für Laufbilder; TV-Total) BGH vom 6.12.2007 CR 2008, 211 Liegt ein Nutzungsrecht oder eine Einwilligung vor, so ist die Frage bedeutungslos, ob die Nutzung auch gemäß § 53 UrhG hätte erfolgen können. (Nutzungsrecht; Einwilligung; Privatkopie) BGH vom 24.5.2007 K&R 2007, 468 Vorlage an den EUGH: Setzt eine Entnahme von Daten i.S.d. Art. 7 Abs. 2a) Datenbankrichtlinie einen Vorgang des physischen Kopierens eines Datenbestandes voraus? (Gedichtetitelliste II; Entnahme) BGH vom 24.5.2007 K&R 2007, 465 Für den Schutz einer Sammlung als Datenbankwerk reicht es aus, dass die Sammlung in ihrer Struktur, die durch Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank geschaffen worden ist, einen individuellen Charakter hat. Die Verkörperung der auf persönlicher geistiger Schöpfung beruhenden Konzeption in einer Datenbank ist zwar Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz als Datenbankwerk; der Urheber muss die dafür notwendigen nichtschöpferischen Arbeiten aber nicht selbst erbracht haben. Das Recht des Urhebers an einem Datenbankwerk und das Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers bestehen unabhängig voneinander mit verschiedenem Schutzgegenstand. (Gedichtetitelliste I; Datenbankwerk) BGH vom 28.9.2006 MMR 2007, 374 Vorlage an den EUGH: Stehen Art. 7 Abs. 1 und 5, Art. 9 der Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der eine im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlichte amtliche Datenbank keinen Sui-generis-Schutz im Sinne der Richtlinie genießt? Wenn nicht, gilt dies auch, wenn die (amtliche) Datenbank nicht von einer staatlichen Stelle, sondern in deren Auftrag von einem privaten Unternehmen erstellt worden ist, dem sämtliche ausschreibenden Stellen dieses
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Bundeslandes ihre Ausschreibungsunterlagen unmittelbar zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen müssen? (sächsischer Ausschreibungsdienst) BGH vom 20.7.2006 NJW-RR 2007, 342 = WRP 2007, 88 Die von einem Gutachterausschuss zur Ermittlung von Bodenrichtwerten herausgegebene Bodenrichtwertsammlung ist weder eine amtliche Bekanntmachung noch ein anderes amtliches Werk i.S.d. § 5 Abs. 1, Abs. 2 UrhG. (Bodenrichtwertsammlung; rechtlicher Schutz von Datenbanken) BGH vom 3.11.2005 CR 2006, 438 = NJW-RR 2006, 1132 Der Verleger eines als Buch und als CD-Rom erschienenen Briefmarkenkatalogs, in dem die katalogisierten Briefmarken nach einem bestimmten, in der Branche durchgesetzten Nummernsystem geordnet sind, kann von einem Konkurrenten, der einen entsprechenden Katalog mit einem eigenen Nummernsystem auf CDRom vertreibt, nicht beanspruchen, dass der Konkurrent sein Produkt nur ohne eine Import- und Exportfunktion für eingegebene Benutzerdaten vertreibt. Dies gilt auch dann, wenn diese Funktion es dem Katalogbenutzer ermöglicht, selbst erstellte Konkordanzlisten, in denen für jede Briefmarke der Nummer des einen Systems die Nummer des anderen Systems zugeordnet wird, zu exportieren oder zu importieren und diese Liste anderen Benutzern des Konkurrenzkatalogs als Datei zur Verfügung zu stellen. (Michel-Nummern; Briefmarkenkatalog; Datenbank, § 87a UrhG) BGH vom 6.10.2005 NJW 2006, 615 – Pressefotos Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr ist es naheliegend, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat. (Lizenzanalogie; MFM-Empfehlungen) BGH vom 21.7.2005 CR 2005, 849 = MMR 2005, 754 mit Anm. Manne = K&R 2006, 38 = ZUM 2005, 731 = WRP 2005, 1267 – Hit Bilanz Ein Verstoß gegen das ausschließliche Recht eines Datenbankherstellers, die Datenbank insgesamt oder in einem nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, kann auch gegeben sein, wenn Daten entnommen und auf andere Weise zusammengefasst werden. Auf die Übernahme der Anordnung der Daten in der Datenbank des Herstellers kommt es für den Schutz nach § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht an. (Unbeachtlichkeit der Anordnung der aus einer Datenbank entnommenen Daten)
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F. Urheberrecht BGH vom 23.6.2005 WRP 2005, 1173 Die in einem digitalen Datenbestand verkörperte Vorstufe für einen Stadtplan kann ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk sein. Kartografische Gestaltungen können selbst dann, wenn sie in der Gesamtkonzeption keine schöpferischen Züge aufweisen, urheberrechtlich schutzfähig sein. (urheberrechtlicher Schutz von Kartenmaterial in seiner Grundsubstanz) BGH vom 21.4.2005 CR 2006, 51 = K&R 2005, 515 = ZUM 2005, 888 = WRP 2005, 1538 Werden Daten aus einer vom Hersteller veräußerten Datenbank in einer Zeitschrift öffentlich verfügbar gemacht und liegt eine wesentliche Handlung i.S.v. § 87b Abs. 1 UrhG vor, ist ein Eingriff in das Recht des Datenbankherstellers nach § 87b UrhG gegeben, wenn die Veröffentlichung in der Zeitschrift ohne Zustimmung des Datenbankherstellers erfolgt. Der Erstverkauf eines Vervielfältigungsstücks der Datenbank durch den Rechtsinhaber erschöpft gemäß § 87b Abs. 2, § 17 Abs. 2 UrhG nur das Recht, den weiteren Vertrieb dieses Vervielfältigungsstücks zu kontrollieren, nicht aber das Recht, die Entnahme und Weiterverwendung des Inhalts dieses Vervielfältigungsstücks zu unterbinden. (Marktstudien; Veröffentlichung von Datenbankinhalten in einer Zeitschrift; Erschöpfungsgrundsatz) BGH vom 27.1.2005 NJW 2005, 2698 = MMR 2005, 601 mit Anm. Obergfell Zeitungen i.S.v. § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG können auch wöchentlich oder gar monatlich erscheinende Periodika sein, die nach ihrem Gesamtcharakter im Wesentlichen lediglich der aktuellen Information dienen. (Zeitungsbegriff i.S.d. Pressespiegelprivilegs – WirtschaftsWoche) BGH vom 17.7.2003 NJW 2003, 3406 = CR 2003, 920. mit Anm. Nolte = MMR 2003, 719 mit Anm. Wiebe = WRP 2003, 1341 = MDR 2004, 346 = BGH-R 2003, 1294 mit Anm. Elßner Ein Suchdienst, der online veröffentlichte Zeitungsartikel aufspürt, verletzt keine Urheberrechte. Dies gilt auch bei der Verwendung von Deep Links. Ein Hyperlink ist lediglich eine technische Erleichterung für den Abruf einer Datei und schafft keinen urheberrechtlichen Störungszustand. Wer einen Hyperlink setzt, hält zudem weder das Werk, zu dem der Link führt, zum Abruf bereit, noch übermittelt er das Werk auf Abruf an Dritte. Soweit es sich bei dem Artikel-Verzeichnis um eine Datenbank gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG handelt, stellt das Setzen von Deep Links keine unter § 87b UrhG fallende Nutzungshandlung dar. Soweit kleinere Bestandteile der Artikel an Nutzer übermittelt werden, läuft dies einer normalen Auswertung der Datenbank nicht zuwider (§ 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG). (Paperboy)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 11.7.2002 CR 2002, 827 = MMR 2002, 739 mit Anm. Hoeren u. Waldenberger = K&R 2002, 599 mit Anm. Stögmüller = WRP 2002, 1296 = MDR 2003, 283 Ein elektronisch übermittelter Pressespiegel kann nicht generell vom Privileg des § 49 Abs. 1 UrhG ausgeschlossen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn die elektronische Übermittlung keine weiteren Nutzungsmöglichkeiten eröffnet und sich lediglich als Substitut eines herkömmlichen Pressespiegels darstellt. (Berliner Verlag ./. VG Wort) BGH vom 21.11.2001 BGHZ 116, 136 – Leitsätze Nichtamtlich verfasste Leitsätze gerichtlicher Entscheidungen können als deren Bearbeitungen wie selbständige Werke geschützt werden. (freie Bearbeitung; Urteilsleitsätze) OLG Hamburg vom 24.10.2012 5 U 38/10 Ein Unternehmen, welches Flugtickets im Wege des Screen Scraping vermittelt, begeht keine unzulässige Nutzung einer Datenbank nach § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG, wenn der Datenbankhersteller die Datenbank für die Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht hat. Dass der Datenbankhersteller ausdrücklich in den Nutzungsbedingungen festgelegt hat, dass die Entnahme von Daten mittels Screen Scraping zu gewerblichen Zwecken untersagt ist, ändert daran nichts. (Screen Scraping; Web Scraping; Datenbank) OLG Hamburg vom 17.10.2012 5 U 166/11 Bei der Beurteilung, ob eine freie Benutzung vorliegt ist ein strenger Maßstab bezüglich der Schöpfungshöhe anzulegen. (Bearbeitung eines Werkes; freie Benutzung; Schöpfungshöhe; angewandte Kunst) OLG Köln vom 14.9.2012 6 U 73/12 Wer auf seiner Internetseite durch einen Link auf die in einem Frame sichtbaren Inhalte einer fremden Seite verweist, macht diese mangels kontrollierter Bereithaltung in der eigenen Zugriffssphäre nicht öffentlich zugänglich; in Betracht kommt jedoch eine Haftung als Störer, wenn ihm angesichts rechtsverletzender Inhalte der fremden Seite eine Einwirkung auf deren Betreiber oder ein Abschalten des Links zuzumuten ist. Die Inanspruchnahme des Linksetzers als Störer kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Verletzte den unmittelbaren Rechtsverletzer bereits erfolgreich in Anspruch genommen hat und deshalb über effektivere Mittel zur Unterbindung weiterer Verstöße verfügt als der Störer. (Link; Framing; öffentliche Zugänglichmachung; Störerhaftung)
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F. Urheberrecht OLG Karlsruhe vom 12.9.2012 6 U 58/11 Ein Zugänglichmachen i.S.d. § 19a UrhG wird nicht dadurch objektiv ausgeschlossen, dass eine URL so aufwendig ausgestaltet ist, dass sie als Sicherheitscode kaum überwunden werden könnte. Schon die abstrakte Möglichkeit der Erreichbarkeit durch Eingabe der betreffenden URL reicht für eine öffentliche Zugänglichmachung aus. (öffentliche Zugänglichmachung) OLG Brandenburg vom 28.8.2012 6 U 78/11 Die Einstellung von für die tagesaktuelle Berichterstattung verfassten Artikeln in ein Online-Archiv stellt eine gesonderte Nutzungsart dar. Ein Journalist, der für die Printausgabe einer Zeitung Artikel verfasst, erklärt sich nicht automatisch mit der Veröffentlichung dieser Artikel im Online-Archiv der Zeitung einverstanden, wenn er von dieser Praxis des Verlages weiß und eine Veröffentlichung seiner Artikel mehrere Male anstandslos hingenommen hat. (Online-Archiv; gesonderte Nutungsart) OLG Stuttgart vom 4.4.2012 4 U 171/11 Bei der Anwendung des § 52a UrhG ist eine am Einzelfall orientierte Sichtweise erforderlich, weil der kleine Teil nicht nur zahlenmäßig bestimmt werden kann, sondern im Hinblick auf das konkrete Werk auch eine inhaltliche und wertende Aussage erforderlich ist, ob die Verletzung der berechtigten und von Art. 14 GG geschützten Urheberinteressen hinter den Zwecken des § 52a UrhG zurücktreten muss. (kleiner Teil eines Werkes; § 52a UrhG; Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung) Kammergericht vom 28.3.2012 24 U 20/11 Ermöglicht ein Onlineservice dem Nutzer Webradioprogramme nach einzelnen Titeln zu durchsuchen und diese anschließend als mp3-Dateien herunterzuladen, so ist derjenige Hersteller der Vervielfältigung, der die körperliche Herstellung bewerkstelligt hat. Ist dies der Nutzer so ist die Vervielfältigung durch das Recht der Privatkopie (§ 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG) gerechtfertigt. (Vervielfältigung; Webradiorecorder; Privatkopie) Kammergericht vom 21.3.2012 24 U 130/10 Zu den Investitionen für die Beschaffung von Daten rechnen allein die Mittel, die für die Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung in der Datenbank aufgewandt werden, nicht dagegen die Mittel, die für die Erzeugung von Elementen eingesetzt werden, aus denen der Inhalt einer Datenbank besteht. Berücksichtigungsfähig sind auch die Aufwendungen für die Darstellung des Da-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht tenbankinhalts, d.h. der Kosten für die systematische oder methodische Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Elemente und der Organisation ihrer individuellen Zugänglichkeit durch Erstellung eines geeigneten Abfragesystems. (Datenbank; wesentliche Investitionen) OLG Hamburg vom 14.3.2012 5 U 87/09 Ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. § 19a UrhG liegt nicht bereits in dem Hochladen eines Werkes auf einem Server der mit dem Internet verbunden ist, sondern erst, wenn der Link zu dem Werk derart preisgegeben wird, dass dritte Personen uneingeschränkt auf das Werk zugreifen können. (öffentliche Zugänglichmachung; Rapidshare; Sharehoster) OLG Celle vom 8.3.2012 13 W 17/12 Geht die Gestaltung einer Internetseite nicht über das hinaus, was bei ordnungsgemäßer Erstellung eines Werbeauftritts im Internet handwerklich zu leisten ist, kann der Webauftritt keinen Urheberrechtsschutz als angewandte Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG zustehen. (Urheberrechtsschutz für Webseiten; angewandte Kunst) OLG Hamburg vom 29.2.2012 5 U 10/10 Bei Werken der angewandten Kunst ist im Gegensatz zur „reinen“ Kunst nicht bereits die „kleine Münze“ geschützt. Im Rahmen der angewandten Kunst liegt die Schutzgrenze wesentlich höher. Die Schutzfähigkeit einer Software lässt sich nicht alleine mit der Benutzung einer bestimmten Programmiersprache oder bestimmter Programme begründen, sondern ist daran zu messen, inwieweit die erstellte Software keine ganz einfache Gestaltung aufweist bzw. inwieweit sie sich von anderen Programmen unterscheidet. (angewandte Kunst; kleine Münze; Software; Schutzfähigkeit) OLG Braunschweig vom 8.2.2012 2 U 7/11 Wird ein Produktfoto, für das kein urheberrechtlicher Motivschutz sondern nur ein Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG besteht, bei einem privaten eBay-Verkauf ohne Einverständnis des Fotografen verwendet, ist für die Schätzung der Schadenshöhe im Wege der Lizenzanalogie vorrangig auf eine repräsentative Vertragspraxis des Fotografen bei der Vermarktung seiner Fotos abzustellen. Lässt sich eine repräsentative Verwertungspraxis des Fotografen zur Überlassung von Produktfotos zum Zwecke eines privaten eBay-Verkaufs nicht feststellen, kann zur Bemessung der angemessenen Lizenzhöhe nicht auf die MFM-Honorarempfehlungen zurückgegriffen werden, weil diese eine solche Art der Fotonutzung nicht abbilden. (Fotos auf Ebay; Lizenzanalogie; MFM-Honorarempfehlungen)
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F. Urheberrecht OLG Köln vom 20.1.2012 6 W 5242/11 Eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG setzt voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung i.S.d. § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten. (Offensichtlichkeit eines Rechtsverstoßes; Auskunftspflicht) OLG München vom 17.11.2011 29 U 3496/11 In dem Hochladen eines älteren Films in schlechter Qualität auf YouTube liegt keine Handlung „gewerblichen Ausmaßes“ und somit keine besonders schwere Rechtsverletzung die einen Auskunftsanspruch rechtfertigt. (gewerbliches Ausmaß; YouTube; Auskunftsanspruch) OLG Düsseldorf vom 8.11.2011 20 U 42/11 Die Einbindung fremder Inhalte auf der eigenen Webseite (Embedded Content) bedarf der Zustimmung des Rechteinhabers, da dadurch die urheberrechtlich geschützten Inhalte zum unmittelbaren Abruf bereit gehalten werden. (Embedded Content) OLG Köln vom 30.9.2011 6 U 82/11 Obwohl bei Werbetexten die „kleine Münze“ nicht geschützt ist, können sie persönlich geistige Schöpfungen i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG sein und damit urheberrechtsfähig sein, wenn sie sich durch ihre Länge und einen das Zielpublikum ansprechenden Stil von reinen Produktbeschreibungen abheben. (Produktbeschreibung; Schutzfähigkeit) OLG Karlsruhe vom 10.8.2011 6 U 78/10 Nachrichtentexte sind auf Grund der vielfältigen Möglichkeiten als ein Thema darzustellen, was nahezu zu einer individuellen Prägung des Artikels führt, in der Regel urheberrechtsschutzfähig, auch wenn derartige Texte typischerweise wenig individuelle Charakteristika aufweisen. (Schutzfähigkeit von Nachrichtentexten; Pressespiegel) OLG Dresden vom 12.7.2011 14 U 801/07 Es kommt für die Frage, wer Hersteller einer Vervielfältigung ist, zunächst allein auf die technische Betrachtung an, wer diese körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt. Hat derjenige die Vervielfältigung nicht im Auftrag eines Dritten für dessen privaten Gebrauch, sondern für den eigenen Gebrauch angefertigt, scheidet
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht eine Zurechnung zu Lasten eines Dritten aus. Die Täterhaftung kann in diesem Fall nicht auf Dritte verlagert werden, selbst wenn sie technische Hilfsmittel zur Verfügung stellen. (save.tv; Online-Videorecorder; Vervielfältigung; Privatkopie) OLG Hamm vom 7.6.2011 4 U 208/10 Nach der Urhebervermutung des § 10 Abs. 1 UrhG gilt der Verfasser einer Dissertation als Urheber von Fotos, die in der Dissertation abgedruckt sind, wenn sich keine Anhaltspunkte für einen anderen Urheber der Fotos ergeben. (Urhebervermutung; Fotos; Dissertation) Kammergericht vom 11.5.2011 24 U 28/11 Bei Gutachten (wissenschaftlicher oder technischer Art) kommt es für die Bewertung der persönlich geistigen Schöpfung nicht auf den Inhalt der wissenschaftlichen oder technischen Darstellung, sondern allein auf die Form der Darstellung an. (Schutzfähigkeit von Gutachenten; wissenschaftliche Gutachten; technische Gutachten) OLG Köln vom 25.3.2011 6 U 87/10 Sharehoster können grundsätzlich die Vorraussetzungen nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG erfüllen und somit auskunftspflichtig werden. (Auskunftspflicht; Sharehost) OLG Köln vom 10.2.2011 6 W 5/11 Bestehen aufgrund mehrfacher Nennung gleicher IP-Adressen im Auskunftsantrag Zweifel, ob die Antragstellerin die IP-Adressen, die Gegenstand des Verfahrens insgesamt sind, zuverlässig ermittelt hat, fehlt es an der für die Anordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG erforderlichen Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung. (Auskunftspflicht; IP-Adresse; Offensichtlichkeit einer Rechtsverletzung) OLG Köln vom 27.12.2010 6 W 155/10 – Männersache Das Angebot eines einzelnen urheberrechtlich geschützten Werks im Internet in einer sog. Tauschbörse kann das geschützte Recht in einem gewerblichen Ausmaß verletzen. Es kann auch ausreichen, dass eine hinreichend umfangreiche Datei wie ein vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder ein Hörbuch innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird. Die relevante Verwertungsphase ist für Werke der Unterhaltungsmusik auf sechs Monate zu bemessen. Bei Hörbüchern, Hörspielen und ähnlichen nicht besonders aktualitätsbezogenen Werkgattungen können dagegen längere Verwertungsphasen
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F. Urheberrecht anzunehmen sein, ohne dass ein zeitlicher Rahmen festgelegt werden kann. Nach Ablauf der 6-Monats-Frist bei Werken der Unterhaltungsmusik bedarf es besonderer Umstände, um ein Fortdauern der relevanten Verwertungsphase annehmen zu können, wie etwa ein fortdauernder besonders großer kommerzieller Erfolg des Werks. Für Musikalben ist insoweit eine Platzierung in den TOP 50 der Verkaufscharts der Musikindustrie zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung als ausreichend anzusehen. (gewerbliches Ausmaß; relevante Verwertungsphase; Musikalbum; Kinofilm; Tauschbörse) OLG Hamm vom 2.11.2010 4 W 119/10 Ein Urheber hat keinen Anspruch gegenüber einem Provider oder Host, dass dieser IP-Adressen in Zukunft gespeichert hält, um zu erwartende Rechtsverletzungen leichter aufklären zu können. (IP-Adressen; vorsorgliche Speicherung) OLG Düsseldorf vom 13.7.2010 20 U 235/08 Unabhängig davon, ob eine E-Paper-Ausgabe einer Zeitung eine neue Nutzungsart darstellt oder nicht, besteht kein Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung für die Wiedergabe von Fotos in der E-Paper-Ausgabe neben der Vergütung für den Abdruck in der Printausgabe, wenn eine solche gesonderte Vergütung nicht üblich ist. (E-Paper; Lizenzanalogie; neue Nutzungsart) Kammergericht vom 28.4.2010 24 W 40/10 Für ein öffentliches Zugänglichmachen gemäß § 19a UrhG reicht es aus, dass Inhalte objektiv für Mitglieder der Öffentlichkeit auffindbar sind. (öffentliche Zugänglichmachung) OLG Karlsruhe vom 14.4.2010 GRUR-RR 2010, 234 Die Gestaltung einer Bildschirmmaske ist nicht nach § 69a UrhG als Computerprogramm geschützt. Eine Bildschirmmaske kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG Schutz genießen, wenn ihre graphische Gestaltung im Vordergrund steht. (Bildschirmmaske; Computerprogramm) OLG Brandenburg vom 16.3.2010 GRUR-RR 2010, 273 Für den urheberrechtlichen Schutz von Vertragswerken ist es nicht genügend, dass die Verträge individuell, zweckmäßig und möglicherweise sogar gelungen sind,
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht vielmehr ist es erforderlich, dass es sich um Spitzen- bzw. Ausnahmeprodukte handelt. (Schutz von Vertragswerken) OLG Köln vom 8.2.2010 MMR 2010, 487 Der Inhaber ausschließlicher Rechte zum öffentlichen Zugänglichmachen bleibt auch nach der Einräumung exklusiver Lizenzrechte an einen Dritten für die Geltendmachung von Schutzrechtsverletzungen betreffenden Auskunftsansprüchen legitimiert, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse verfolgt. Ein derartiges Interesse ist zu bejahen, wenn er an den Lizenzgewinnen prozentual beteiligt ist. (Auskunftsberechtigte; Lizenzerteilung) OLG Hamburg vom 8.2.2010 MMR 2010, 418 Ein urheberrechtlich geschützter Kartenausschnitt ist bereits dann im Internet öffentlich zugänglich gemacht i.S.d. § 19a UrhG, wenn er durch Eingabe einer URL erreichbar ist. Eine Verlinkung mit der Homepage des Verletzers ist nicht notwendig. (Kartenausschnitt; öffentliche Zugänglichmachung) OLG Schleswig vom 5.2.2010 6 W 26/09 Das Merkmal einer Rechtsverletzung „erheblichen Ausmaßes“ setzt nicht eine bestimmte Anzahl von einzelnen Rechtsverletzungen, sondern eine Rechtsverletzung von erheblicher Schwere voraus, die über den Bereich einer Nutzung zum privaten Gebrauch hinausgeht. Bereits ein einmaliges Herauf- oder Herunterladen eines Musikalbums in der verkaufsrelevanten Phase kann eine Rechtsverletzung im „gewerblichen Ausmaß“ begründen. (Gewerbliches Ausmaß; maßgebliche Verwertungsphase; Auskunftsanspruch; illegale Downloads) OLG Celle vom 27.1.2010 MMR 2010, 347 Das Herunterladen von Hackersoftware erfüllt den Tatbestand des verbotenen Besitzes von Umgehungsmitteln nach § 95a Abs. 3 UrhG. (Umgehungsmittel; Hackersoftware) OLG Dresden vom 15.12.2009 K&R 2010, 420 Besprechungen von Fernsehsendungen können bei entsprechender Schöpfungshöhe als Sprachwerke geschützt sein. Sie stellen jedoch keine Berichterstattung über Tagesereignisse i.S.d. § 50 UrhG dar. (Berichterstattung über Fernsehsendung; Sprachwerke; Berichterstattung über Tagesereignisse)
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F. Urheberrecht OLG Frankfurt a.M. vom 12.11.2009 11 W 41/09 Es besteht kein Anspruch gegen den Internet-Provider, dass dieser die Löschung von Verbindungsdaten nach Beendigung einer Internetverbindung auf Zuruf unterlässt, wenn ihm vor Ende der Internetverbindung durch Übersendung eines Ermittlungsberichts tatsächliche Umstände mitgeteilt werden, wonach über die Internetanschlüsse, denen die IP-Adressen zugewiesen waren, geschützte Tonträger widerrechtlich zugänglich gemacht werden. (IP-Adresse; Auskunftsanspruch; Anspruch zur Verpflichtung der Aufbewahrung von Daten) OLG Hamburg vom 2.9.2009 MMR 2010, 196 mit Anm. Möller Es bestehen grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Eignung der MFM-Empfehlungen als Bemessungsgrundlage eines Schadensersatzanspruchs bei unberechtigter Verwendung von Lichtbildern. Als Bemessungsgrundlage zur Schätzung der Höhe des einem Lichtbildner zustehenden Schadensersatzes sind vorrangig frühere vertragliche Regelungen der Parteien heranzuziehen. Ein gesonderter Schadensersatz für die unterbliebene Urhebernennung ist nicht zu leisten, wenn die zur Berechnung herangezogenen Vereinbarungen bereits eine Verwendung der Lichtbilder ohne Urheberbenennung vorsehen. (Lichtbilder; Schadensberechnung) OLG Köln vom 4.6.2009 MMR 2010, 412 Eine Rechtsverletzung gewerblichen Ausmaßes liegt vor, wenn ein Musikalbum oder eine ähnlich umfangreiche Datei während der relevanten Verkaufs- oder Verwertungsphase in einer Internettauschbörse angeboten wird. (gewerbliches Ausmaß; relevante Verwertungsphase) OLG Brandenburg vom 15.5.2009 GRUR-RR 2009, 413 Die Berechnung des Schadens wegen unberechtigter Verwendung von Lichtbildern kann durch die Ermittlung des konkreten Schadens (insbesondere des entgangenen Gewinns), der Ermittlung des Verletzergewinns und im Wege der Lizenzanalogie erfolgen. Als Ausgangspunkt für die richterliche Schadensschätzung können regelmäßig die MFM-Bildhonorartabellen herangezogen werden. (Lizenzanalogie; MFM-Empfehlungen) OLG Köln vom 5.5.2009 MMR 2009, 547 Der am erstinstanzlichen Auskunftsverfahren gem. § 101 Abs. 2 und Abs. 9 UrhG nicht beteiligte, vom Provider nach richterlicher Gestattung benannte Anschlussinhaber ist nicht berechtigt, den Gestattungsbeschluss nach § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG anzufechten. (Auskunftsverfahren; Anschlussinhaber; Beschwerderecht)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamburg vom 16.4.2009 CR 2009, 526 = MMR 2009, 770 Der Vertreib einer Software, die es ermöglicht, in einem automatisierten Verfahren in sehr kurzen Zeitabständen Suchanfragen bei mehreren Online-Automobilbörsen gleichzeitig durchzuführen, und dort Daten über die gefundenen Fahrzeuge entnimmt und dem Nutzer anzeigt, so dass dieser nicht mehr die Internetseiten der Onlineauktionsbörse aufsuchen muss, verletzt nicht das Datenbankherstellerrecht des Betreibers der Online-Automobilbörse. (Datenbank; Entnahme) OLG Köln vom 20.3.2009 CR 2010, 223 Computergrafiken können als angewandte Werke der bildenden Kunst nach § 2 I Nr. 4 UrhG Schutz genießen. Das danach erforderliche deutliche Überragen der Durchschnittsgestaltung setzt – ohne Rücksicht auf den mit der Grafik erfolgten praktischen Zweck – voraus, dass das Werk künstlerische Individualität erkennen lässt. Der Umstand, dass die computergestützte Erstellung nicht völlig automatisiert abläuft und mit beträchtlichem Aufwand bei manuell einzugebenden Befehlen verbunden ist, genügt allein nicht. (Computergrafiken; Schutzfähigkeit) OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009 CR 2009, 390 = K&R 2009, 343 Die Vermittlung von Flugtickets durch ein anderes Unternehmen im Wege des sogenannten Screen-Scrapings ist grundsätzlich auch dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Flugunternehmen diesen Vertriebsweg nicht wünscht; insbesondere kann hierin weder eine Verletzung des „virtuellen Hausrechts“ des Flugunternehmens an seiner Internetseite noch ein Verstoß gegen die Datenbankrechte (§ 87b UrhG) des Flugunternehmens gesehen werden. (Screen-Scraping; virtuelles Hausrecht; Datenbankrechte) OLG Köln vom 27.2.2009 K&R 2009, 488 AGB können eine Form einer geistigen Schöpfung darstellen und urheberrechtlich geschützt sein, dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die AGB aufgrund der Art der inneren Gedankenführung und der Formulierung von dem allgemein Üblichen abgrenzen. (AGB; Urheberrechtsschutz; Sprachwerke) OLG Hamburg vom 11.2.2009 MMR 2009, 560 = K&R 2009, 410 = ZUM 2009, 414 Ein Angebot, bei dem Tonaufnahmen im Internet im sog. Streaming-Verfahren für Dritte, die bei ihm ein Abonnement unterhalten, hörbar gemacht werden, wird nicht i.S.v. § 78 Abs. 2 Nr. 3 UrhG „öffentlich wahrnehmbar“ gemacht. (Staytuned; Recht der öffentlichen Zugänglichmachung; Streaming-Verfahren)
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F. Urheberrecht OLG Brandenburg vom 3.2.2009 CR 2009, 251 = MMR 2009, 258 = K&R 2009, 271 = ZUM 2009, 412 Die Verwendung urheberrechtlich geschützter Fotos eines Produktes für den privaten Verkauf dieses Produktes kann dazu führen, dass der Fotograf im Rahmen der Lizenzanalogie eine angemessene Lizenzgebühr verlangen kann. (Lichtbilder; Internetauktion; Schadensberechnung) OLG Zweibrücken vom 2.2.2009 MMR 2009, 702 Die erforderliche Schwere der Rechtsverletzung für eine Auskunftsgestattung liegt beim Download einer vier Jahre alten Softwareversion vor, deren aktuelle Version einen Marktpreis von etwa 400 Eur hat. (Auskunftsgestattung; illegaler Softwaredownload) OLG Düsseldorf vom 8.1.2009 CR 2009, 182 = MMR 2009, 186 = K&R 2009, 112 Ein Provider hat ein Beschwerderecht, wenn einem Urheberrechtsinhaber per Antrag gestattet wurde, vom Provider eine Auskunft über Bestandsdaten unter Verwendung von Verkehrsdaten zu verlangen. (Auskunft; Verkehrsdaten) OLG Oldenburg vom 1.12.2008 CR 2009, 104 = MMR 2009, 188 Das Erfordernis einer Verletzung des Urheberrechts „in gewerblichem Ausmaß“ gilt nicht nur für die Ansprüche gegen den Verletzer aus § 101 Abs. 1 UrhG, sondern auch für die Ansprüche gegen Dritte, die das Gesetz in § 101 Abs. 2 UrhG zur Verfügung stellt. Solange nur feststeht, dass von einer IP-Adresse ein einziger Download eines Musikalbums stattgefunden hat, ist eine einschränkende Interpretation des Begriffs „gewerbliches Ausmaß“ geboten und diese Voraussetzung des Auskunftsanspruch nicht als erfüllt anzusehen. (gewerbliches Ausmaß) OLG Köln vom 14.11.2008 K&R 2009, 52 = ZUM 2009, 578 Im Rahmen des § 87b Abs. 1 UrhG reicht eine Wesentlichkeit in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht aus. Hierbei ist in quantitativer Hinsicht allein auf das Verhältnis zwischen Umfang der in der Datenbank enthaltenen und der entnommen Daten abzustellen. Im qualitativen Sinne ist die Wesentlichkeitsschwelle jedenfalls überschritten, wenn sich in dem übernommenen Teil der Datenbank eine wesentliche Investition des Herstellers niederschlägt. In der Übernahme eines quantitativ unwesentlichen Teils von Daten kann nicht ohne weiteres ein relevanter Eingriff in qualitativer Hinsicht gesehen werden. (Datenbank; unwesentliche Übernahme)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Zweibrücken vom 27.10.2008 CR 2009, 31 Die zur Ermittlung des Namens und der Anschrift von Internetnutzern notwendigerweise verwendete dynamischen IP-Adressen sind Verkehrsdaten i.S.v. § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG. Eine Verletzungshandlung im gewerblichen Ausmaß zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werde. Handlungen, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden, werden in der Regel nicht erfasst, es muss vielmehr eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen. Deren Umfang muss über das hinausgehen, was einer Nutzung zum privaten oder sonstigen Gebrauch entspricht. (Auskunftsanspruch; gewerbliches Ausmaß; Verkehrsdaten) OLG Köln vom 21.10.2008 CR 2009, 107 = MMR 2008, 820 = K&R 2008, 751 Eine einstweilige Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG kann grundsätzlich nicht auf die Verpflichtung des Telekommunikationsanbieters (Internet-Providers) gerichtet sein, die Auskunft über die Daten eines, einer bestimmten IP-Adresse zugeordneten Anschlussinhabers zu erteilen. Eine solche einstweilige Anordnung würde die Hauptsache vorwegnehmen und das weitere Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG hinfällig machen. Es ist ausreichend dem Provider – entgegen der üblichen Praxis (Löschung nach 7 Tagen) – die Löschung der fraglichen Daten einstweilen zu untersagen. (Auskunftsanspruch; einstweilige Anordnung) OLG Köln vom 28.8.2008 WRP 2009, 96 = K&R 2008, 691 = MMR 2009, 198 Nichtamtliche Leitsätze von Gerichtsentscheidungen können urheberrechtlichen Schutz genießen. Für die Bestimmung als Werk gem. § 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ist es im Hinblick auf die erforderliche Schöpfungshöhe ausreichend, wenn im Hinblick auf die Vorlage der Entscheidung eine Gliederung und Auswahl der für Leitsätze geeigneten Entscheidungsgründe vorgenommen wurde, ohne dass sich die Leitsätze in einer wörtlichen Wiedergabe der Entscheidungsgründe erschöpfen. (Leitsätze im Internet) OLG Düsseldorf vom 7.8.2008 ZUM-RD 2008, 598 Im Rahmen des Investitionsschutzes (§§ 87a ff. UrhG) ist das Kriterium der wesentlichen Investition das Pendant zur Schöpfungshöhe beim Schutz des Urhebers. Bei den Investitionen für die Darstellung des Datenbankinhaltes, muss u.a. festgestellt werden, ob und in welchem Umfang Aufwendungen für die Aufbereitung und Erschließung des Datenbankinhaltes, die erst die für eine Datenbank charakteristische Einzelzugänglichkeit ihrer Elemente ermöglichen, getätigt wurden. Diese Aufwendungen sind abzugrenzen von unbeachtlichen Investitionen in die Datenerzeugung. (Datenbankschutz; wesentliche Investitionen; Investitionsschutz)
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F. Urheberrecht OLG Hamburg vom 25.7.2008 ZUM 2009, 575 § 19a UrhG fordert nicht, dass Musikaufnahmen durch Herunterladen in den Besitz des Nutzers gelangen. Dies zeigt auch die systematische Einordnung des § 19a UrhG zwischen den Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrechten (§ 19 UrhG) und dem Senderecht (§ 20 UrhG). In allen Fällen geht es um Formen der öffentlichen Wiedergabe, ohne dass dem Rezipienten der Verwertungshandlung etwas verbleiben muss. (Streaming-on-Demand; öffentliche Zugänglichmachung) OLG Hamm vom 24.6.2008 ZUM 2009, 159 Bei einer Urheberrechtsverletzung kann der Verletzer die Urheberschaft des Gläubigers nicht mit bloßem Nichtwissen bestreiten. Er muss – parallel zu seiner materiellrechtlichen Erkundigungspflicht – substanziiert darlegen, wen er für den Urheber hält, und die Gründe hierfür darlegen. Der Gläubiger kann nur den Verletzergewinn herausverlangen, der durch die Urheberrechtsverletzung erzielt worden ist. Dabei sind aber auch – bei fehlender Direktvermarktung des geschützten Werkes – mittelbare Gewinne herauszugeben, wenn der Verletzer das Werk als bloße Aufmerksamkeitswerbung für seine Produkte oder Dienstleistungen einsetzt. (Verletzergewinn) OLG Hamburg vom 21.5.2008 ZUM-RD 2009, 382 Haben die Parteien für die Nutzung eines Lichtbildes in der Printausgabe einer Zeitschrift eine (angemessene) Vergütungsregelung getroffen, stellt sich die spätere, bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht vorhersehbare öffentliche Zugänglichmachung der digitalisierten Zeitschriften-Jahrgänge auch zur Online-Nutzung jedenfalls lizenzrechtliche nicht als vollständig neue Nutzungsart, sondern als Annex zu der bereits vergüteten Nutzung dar. Hierfür ist (lediglich) ein Erhöhungsbetrag geschuldet, den verständige Lizenzvertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie diese zusätzliche Art der Publikation vorhergesehen hätten. (neue Nutzungsart; Online-Veröffentlichung; Lizenz) OLG Hamburg vom 9.4.2008 MMR 2009, 133 Für ein öffentliches Zugänglichmachen gemäß § 19a UrhG reicht es aus, wenn Inhalte durch Eingabe einer URL erreichbar sind. Eine Verlinkung mit einer Website ist nicht erforderlich. Zwar erfordert § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG für die öffentliche Wiedergabe, dass die Wiedergabe für die Öffentlichkeit „bestimmt“ sein muss. Hierfür reicht es jedoch aus, dass Inhalte objektiv für Mitglieder der Öffentlichkeit auffindbar sind. (Link; öffentliche Zugänglichmachung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamburg vom 2.4.2008 GRUR-RR 2008, 378 Der Vertragszweck des für eine Unfallgeschädigte zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung erstellten Kfz-Sachverständigengutachtens umfasst ohne ausdrückliche Einwilligung nicht die Befugnis der Versicherung, die in Papierform im Ausdruck des Gutachtens übergebenen Lichtbilder des Unfallfahrzeugs zu digitalisieren und ins Internet in eine sog. Restwertbörse einzustellen, u.a. um die Angaben des von dem Sachverständigen zu Grunde gelegten Restwerts zu überprüfen. (Restwertbörse; Einwilligung) OLG Jena vom 27.2.2008 MMR 2008, 408 mit Anm. Schack = K&R 2008, 301 mit Anm. Ott = ZUM 2008, 522 Das Erstellen und anschließende Anzeigen von Thumbnails in der Trefferliste einer Suchmaschine stellt ein sonstiges Umgestalten des Originalwerks i.S.v. § 23 UrhG dar. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs kann aber als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Rechteinhaber im Wege der Suchmaschinenoptimierung den Zugriff auf die Bilder erleichtert. (Thumbnails; Einwilligung) OLG Hamm vom 26.2.2008 CR 2008, 517 = NJW-RR 2008, 1264 = MMR 2008, 827 = ZUM 2008, 598 Eine Zeitschrift kann ein Sammelwerk im Sinne von § 4 Abs. 1 UrhG darstellen. Die systematische Online-Veröffentlichung der veröffentlichten Artikel gegen den Willen des Herausgebers kann dessen Recht am Sammelwerk verletzen. (Zeitschrift als Sammelwerk) OLG Hamburg vom 20.2.2008 CR 2010, 125 Der Umstand, dass eine technische Schutzmaßnahme vorgenommen worden ist, macht nicht jede Umgehung oder Überwindung des Schutzes rechtswidrig. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine konkrete Art der Nutzung vorliegt, die der Berechtigte durch wirksame technische Maßnahmen unterbinden wollte. (Schutzmaßnahmen; Umgehung) OLG München vom 7.2.2008 CR 2009, 500 Wird ein ASP-Betrieb nur auf Live-Projekte beschränkt, so ist eine Archivierung von Altdaten nicht gestattet. Ist der ASP-Betrieb ohne Zustimmung des Rechteinhabers ein Computerprogramm öffentlich zugänglich gemacht worden, so liegt ein Verstoß gegen § 69c Nr. 4 UrhG auch ohne Übermittlung der Programmdaten vor. (Software-Nutzung; ASP; öffentliche Zugänglichmachung)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Stuttgart vom 21.1.2008 MMR 2008, 474 Der Betreiber eines Music-On-Demand-Dienstes macht Tonträger auch dann öffentlich zugänglich, wenn nur die Möglichkeit zum Anhören und nicht zum Download besteht. (Music on Demand; öffentliches Zugänglichmachen)
G. Wettbewerbsrecht EuGH vom 19.7.2012 C-112/11 Der Begriff „fakultative Zusatzkosten“ in Art. 23 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft ist dahin auszulegen, dass er im Zusammenhang mit Flugreisen stehende Kosten von Leistungen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Reiserücktrittsversicherung erfasst, die von einer anderen Person als dem Luftverkehrsunternehmen erbracht und von dem Vermittler dieser Reise in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis von dem Kunden erhoben werden. (fakultative Zusatzkosten; Reiserücktrittsversicherung) EuGH vom 22.9.2011 C-323/09 Der Inhaber einer Marke kann es einem Mitbewerber verbieten, anhand eines mit dieser Marke identischen Schlüsselworts, das der Mitbewerber ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für Waren oder Dienstleistungen zu werben, die mit denen, für die die Marke eingetragen ist, identisch sind, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Dagegen darf der Inhaber einer bekannten Marke es u.a. nicht verbieten, dass Mitbewerber anhand von dieser Marke entsprechenden Schlüsselwörtern eine Werbung erscheinen lassen, mit der, ohne eine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke anzubieten, ohne eine Verwässerung oder Verunglimpfung herbeizuführen und ohne im Übrigen die Funktionen der bekannten Marke zu beeinträchtigen, eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen ihres Inhabers vorgeschlagen wird. (Keyword-Advertising; Funktion der Marke) EuGH vom 26.3.2010 K&R 2010, 397 – Bananabay Der Inhaber einer Marke darf einem Werbenden verbieten, auf ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort, das von diesem Werbenden ohne seine Zustimmung im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt wurde, für Waren oder Dienstleistungen, die mit den von der Marke erfassten identisch sind, zu werben, wenn aus dieser Werbung für einen Durchschnittsinternetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienst-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht leistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder doch von einem Dritten stammen. (Keyword Advertising) EuGH vom 25.3.2010 CR 2010, 325 = K&R 2010, 318 – BergSpechte Der Inhaber einer Marke darf einem Werbenden verbieten, anhand eines mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Schlüsselwortes, das der Werbende ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, zu werben, sofern für den Durchschnittsinternetnutzer nur schwer zu erkennen ist, dass die beworbenen Waren oder Dienstleitungen von einem Dritten stammen. (Keyword Advertising) EuGH vom 8.9.2010 Rs. C-316/07 u.a – Markus Stoß u.a. Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein Monopol auf Sportwetten und Lotterien einem Erlaubnissystem vorzieht, nach dem privaten Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde, kann dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen, soweit, unter dem Aspekt des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus, die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, ein solches Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen. Ein Veranstalter von Glücksspielen, der über eine Erlaubnis für das Anbieten von Glücksspielen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über eine Erlaubnis für das Anbieten von Glücksspielen verfügt, es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, unter Beachtung der Anforderungen des Unionsrechts die Möglichkeit für solche Veranstalter, derartige Dienstleistungen den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet anzubieten, vom Besitz einer von seinen eigenen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen. (Glücksspiel; Wettmonopol) EuGH vom 8.9.2010 Rs. C-46/08 – Carmen Media Eine nationale Regelung, die das Veranstalten und das Vermitteln von Glücksspielen im Internet untersagt, um übermäßige Ausgaben für das Spielen zu vermeiden, die Spielsucht zu bekämpfen und die Jugendlichen zu schützen, ist mit dem europäischen Recht vereinbar. Sie kann grundsätzlich als zur Verfolgung solcher legitimer Ziele geeignet angesehen werden kann, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt. (Glücksspiel; Sportwetten; Internetverbot)
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G. Wettbewerbsrecht EuGH vom 23.3.2010 CR 2010, 318 = K&R 2010, 320 – Google AdWords Der Inhaber einer Marke darf einem Werbenden verbieten, anhand eines mit dieser Marke identischen Schlüsselwortes, das der Werbende ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, zu werben, sofern für den Durchschnittsinternetnutzer nur schwer zu erkennen ist, dass die beworbenen Waren oder Dienstleitungen von einem Dritten stammen. (Keyword Advertising) EuGH vom 14.1.2010 WRP 2010, 232 Die Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der Geschäftspraktiken, bei denen die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls grundsätzlich unzulässig sind. (Preisausschreiben; Gewinnspiel) EuGH vom 18.6.2009 C-487/07 Das Vorliegen einer unlauteren Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke im Sinne dieser Bestimmung setzt weder das Bestehen einer Verwechslungsgefahr noch die Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Unterscheidungskraft oder Wertschätzung oder allgemein des Inhabers der Marke voraus. Der Vorteil, der sich aus der Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, durch einen Dritten ergibt, ist eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke durch den Dritten, wenn dieser durch die Verwendung versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und um ohne finanzielle Gegenleistung die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen. (Keyword-Advertising; Sogwirkung) EuGH vom 16.10.2008 NJW 2008, 3553 = MMR 2009, 25 = K&R 2008, 670 Art. 5 Abs. 1 lit. c der E-Commerce-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Diensteanbieter verpflichtet ist, den Nutzern des Dienstes vor Vertragsschluss mit ihnen neben seiner Adresse der elektronischen Post weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, die eine schnelle Kontaktaufnahme und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation ermöglichen. Diese Informationen müssen nicht zwingend eine Telefonnummer umfassen. (Impressumspflicht; Telefonnummer)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht EuGH vom 10.4.2008 C-102/07 Es ist nicht erforderlich, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem von dem Dritten benutzten Zeichen so hoch ist, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr besteht. Es genügt, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen. Eine solche gedankliche Verknüpfung ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen. (Ähnlichkeit der Marke) EuGH vom 19.4.2007 GRUR 2007, 511 – De Landtsheer/Comité Interprofessionnel Art. 2 Nr. 2a der Richtlinie 84/450EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung in der Fassung der Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 ist dahin auszulegen, dass als vergleichende Werbung auch die in einer Werbeaussage enthaltene Bezugnahme auf eine Warengattung und nicht auf ein bestimmtes Unternehmen oder Produkt angesehen werden kann, wenn es möglich ist, dieses Unternehmen oder die von ihm angebotenen Waren konkret als diejenigen zu erkennen, auf die die Werbeaussage konkret Bezug nimmt. Dabei ist es für die Frage, ob die Werbung als vergleichende Werbung anzusehen ist, ohne Bedeutung, wenn mehrere Mitbewerber des Werbenden oder die von ihnen angebotenen Waren oder Dienstleistungen als diejenigen erkennbar werden, auf die die Werbeaussage konkret Bezug nimmt. (Vergleichende Werbung; Mitbewerberbezug) EuGH vom 8.4.2003 GRUR 2003, 533 – Pippig Augenoptik/Hartlauer Es verstößt gegen Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung in der durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 geänderten Fassung, wenn auf vergleichende Werbung hinsichtlich der Form und des Inhalts des Vergleichs strengere nationale Vorschriften zum Schutz gegen irreführende Werbung angewandt werden; zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Vergleichs, d.h. zwischen den Angaben über das Angebot des Werbenden, den Angaben über das Angebot des Mitbewerbers und dem Verhältnis zwischen diesen Angeboten, ist keine Unterscheidung vorzunehmen. Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 84/450 in der geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es dem Werbenden zwar grundsätzlich freisteht, ob er in einer vergleichenden Werbung die Marke der konkurrierenden Produkte angibt, es jedoch Sache des nationalen Gerichts ist, zu prüfen, ob unter besonderen Umständen, die durch die Bedeutung der Marke für die Entscheidung des Käufers und durch den deutlichen Unterschied zwischen den jeweiligen Marken der verglichenen Produkte hinsichtlich ihrer Bekanntheit gekennzeichnet sind, die Nichtangabe der bekannteren Marke irreführend sein kann. (Vergleichende Werbung)
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G. Wettbewerbsrecht EuGH vom 25.10.2001 GRUR 2002, 354 – Toschiba/Katun Nach Art. 2 Nr. 2a und Art. 3a Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung in der durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 geänderten Fassung liegt vergleichende Werbung, die eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften von Waren objektiv vergleicht, vor, wenn ein Anbieter von Ersatzteilen und Verbrauchsmaterialien für die Produkte eines Geräteherstellers in seinem Katalog die Artikelnummern (OEM-Nummern) angibt, die dieser für die von ihm selbst vertriebenen Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien verwendet. (Vergleichende Werbung; OEM-Nummern) BVerfG vom 8.12.2010 1 BvR 1287/08 – Zahnarzt Preisvergleichsportal Wird einem Zahnarzt untersagt, dass er nicht auf einer Internetplattform potentiellen Kunden unverbindliche Kostenvoranschläge für die Durchführung von Behandlungen, die der Patient wünscht, abgeben darf, liegt darin ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Beraufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG. Ein solches Verhalten verstößt nicht gegen berufsrechtliche Regelungen und dient insbesondere der besseren Preisvergleichsmöglichkeit des Patienten. (Zweite Zahnarztmeinung; Kostenvoranschlag) BVerfG vom 19.2.2008 NJW 2008, 1298 = CR 2008, 384 = MMR 2008, 453 = K&R 2008, 236 Die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus zielt auf die Gewinnung eines konkreten Mandats aus einem zuvor nicht bekannten Beratungsbedarf ab und ist somit nicht als Werbung um ein Mandat im Einzelfall zu bewerten. Ebenso wenig ist die Versteigerung aufgrund gebührenrechtlicher Regelungen (§ 14 RVG) oder wegen der Verletzung berufsständischer Verbote (§ 3 Abs. 1, § 49b Abs. 3 S. 1 RABerufsO) berufsrechtswidrig. Das Ansehen eines Berufes wird lediglich dann in verfassungsrechtlich relevanter Weise beeinträchtigt, sofern es über bloße berufsständische Belange hinaus das Allgemeininteresse berührt. (Anwaltswerbung im Internet) BVerfG vom 12.9.2001 NJW 2001, 3324 = MMR 2002, 45 Die Überschrift „So kommen Sie zu Ihrem Recht“ über der Wegbeschreibung auf einer Anwalts-Website ist nicht berufswidrig. (Wegbeschreibung auf Anwalts-Website)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 24.1.2013 I ZR 171/10 – digibet Der Glücksspielstaatsvertrag vom 1.7.2012 könnte auf Grund einer uneinheitlichen Rechtsordnung im Bundesgebiet gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 56 AEUV verstoßen. Dazu werden mehrere Fragen dem EuGH vorgelegt. (GlüStV; Werbung für Wetten und Lotterien im Internet) BGH vom 10.1.2013 I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung Das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs“ im Sinne von§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Deshalb fehlt einer mangelhaften oder sonst nicht vertragsgemäßen Leistung als solche die Qualität einer geschäftlichen Handlung, so dass Schlechtoder Nichtleistungen eines Unternehmers zwar vertragliche Rechte des Kunden begründen können, aber keinen lauterkeitsrechtlichen Verstoß darstellen. (geschäftliche Handlung; Schlechtleistung) BGH vom 13.12.2012 I ZR 217/10 Wird Internetnutzern anhand eines mit der Marke identischen oder verwechselbaren Schlüsselworts eine Anzeige eines Dritten angezeigt, ist eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Anzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält. (Keyword Advertising; Herkunftsfunktion) BGH vom 25.10.2012 I ZR 169/10 – Einwilligung in Werbeanrufe II Eine Einwilligung in Telefonwerbung ist nur wirksam, wenn sie in Kenntnis der Sachlage und für den konkreten Fall erklärt wird. Dies setzt voraus, dass der Verbraucher hinreichend auf die Möglichkeit von Werbeanrufen hingewiesen wird und weiß, auf welche Art von Werbemaßnahmen und auf welche Unternehmen sich seine Einwilligung bezieht. (Gewinnspiel; Telefonwerbung; AGB) BGH vom 19.7.2012 I ZR 2/11 – GOOD NEWS § 10 LPresseG ist eine Norm zur Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Rechtsgrundlage findet die Norm im Ausgangspunkt zwar in den Irreführungsverboten der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken des Europäischen Parlaments und des Rates. Allerdings stellt das LPresseG strengere Anforderungen
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G. Wettbewerbsrecht an das Verhalten der Presseunternehmen als die unionsrechtlichen Vorgaben und könnte daher gegen den Grundsatz der vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts verstoßen. (Marktverhaltensregelung; Grundsatz der vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts) BGH vom 28.6.2012 I ZR 110/11 – Traum-Kombi Ein Lieferdienst, der neben der Lieferung von Speisen, die noch zubereitet werden müssen (hier: Pizza), auch die Lieferung anderer, in Fertigpackungen verpackter Waren (hier: Bier, Wein oder Eiscreme) zu einem bestimmten Preis anbietet, muss in seinen Preislisten und in der Werbung für diese Angebote neben dem Endpreis auch den Grundpreis dieser Waren angeben. (Preisangabe; Grundpreis; Lieferdienst; PAngV) BGH vom 31.5.2012 I ZR 45/11 – Missbräuchliche Vertragsstrafe §§ 307 ff. BGB sind Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. (AGB; Marktverhaltensregelung) BGH vom 8.3.2012 I ZR 202/10 – Marktführer Sport Bei dem Verständnis des für die Spitzenstellung maßgeblichen Vergleichsmarkts zieht der durchschnittlich verständige Verkehrsteilnehmer erfahrungsgemäß die übrigen Marktteilnehmer nur insoweit in Betracht, als sie ihm in tatsächlicher Hinsicht mit dem die Spitzenstellung beanspruchenden Marktteilnehmer vergleichbar erscheinen. (Spitzenstellungswerbung; irreführende Werbung) BGH vom 6.10.2011 I ZR 42/10 Stellt der Verkäufer eines Gebrauchtfahrzeugs sein Angebot auf einer Internethandelsplattform in eine Suchrubrik mit einer geringeren als der tatsächlichen Laufleistung des Pkw ein, so handelt es sich dabei grundsätzlich um eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG über das angebotene Fahrzeug. Zur Irreführung des Publikums ist die unzutreffende Einordnung aber nicht geeignet, wenn diese für einen durchschnittlich informierten und verständigen Leser bereits aus der Überschrift der Anzeige ohne weiteres hervorgeht, so dass das angesprochene Publikum nicht getäuscht wird. (Suchmaschine; Irreführende Werbung; Internethandelsplattform)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 28.9.2011 I ZR 92/09 – Sportwetten im Internet II Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV (Internetverbot) steht formell und materiell mit dem Unionsrecht in Einklang. (GlüStV; Sportwetten) BGH vom 17.8.2011 I ZR 134/10 Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfasst auch die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren, bei der eine unbestellte, aber als bestellt dargestellte Ware zugesandt und, falls der Verbraucher nicht binnen einer Frist widerspricht, deren Zusendung gegen Entgelt fortgesetzt wird. Das Zusenden unbestellter Ware stellt regelmäßig ebenso wie die entsprechende Ankündigung eine unzumutbare Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. (Zusendung unbestellter Waren) BGH vom 7.7.2011 I ZR 173/09 – 10 % Geburtstags-Rabatt Ein Reiseveranstalter, der mit einem zeitlich befristeten Frühbucherrabatt wirbt, muss sich grundsätzlich an die gesetzte Frist halten, will er sich nicht dem Vorwurf einer Irreführung aussetzen. Der Verkehr rechnet indessen damit, dass es für die Verlängerung eines solchen Rabatts vernünftige Gründe – wie beispielsweise eine schleppende Nachfrage – geben kann. (Rabattaktion; Irreführende Werbung; Verlängerung von Rabatten) BGH vom 7.7.2011 I ZR 181/10 – Frühlings-Special Ein Reiseveranstalter, der mit einem zeitlich befristeten Frühbucherrabatt wirbt, muss sich grundsätzlich an die gesetzte Frist halten, will er sich nicht dem Vorwurf einer Irreführung aussetzen. Der Verkehr rechnet indessen damit, dass es für die Verlängerung eines solchen Rabatts vernünftige Gründe – wie beispielsweise eine schleppende Nachfrage – geben kann. (Rabattaktion; Irreführende Werbung; Verlängerung von Rabatten) BGH vom 22.6.2011 I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse Vervielfältigen mehrere Nutzer nach Art und Umfang für sich genommen jeweils unwesentliche Teile einer Datenbank, die aber in ihrer Gesamtheit einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank bilden, liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Datenbankherstellers aus § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nur vor, wenn diese Nutzer die Vervielfältigungen in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken vorgenommen haben. Wiederholte und systematische Vervielfältigungen nach Art oder Umfang unwesentlicher Teile einer Datenbank, die nicht darauf gerichtet sind, durch ihre kumulative Wirkung die Datenbank in ihrer Gesamtheit oder zu einem wesentlichen Teil wieder zu erstellen, laufen einer normalen Aus-
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G. Wettbewerbsrecht wertung der Datenbank nicht zuwider und beeinträchtigen die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar. Das Inverkehrbringen einer Software, mit der Inhalte von Internetseiten abgerufen werden können, die deren Betreiber ohne Einschränkungen öffentlich zugänglich gemacht hat, stellt nicht allein deshalb eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers i.S.d. § 4 Nr. 10 UrhG dar, weil die Software es Nutzern erspart, die Internetseite des Betreibers aufzusuchen und die zur Finanzierung der Internetseite eingestellte Werbung zur Kenntnis zu nehmen. (Datenbank; Übernahme eines wesentlichen Teils) BGH vom 19.5.2011 I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter Vergleichende Werbung im Sinne von § 6 UWG setzt nicht nur voraus, dass ein Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Produkte erkennbar gemacht werden; darüber hinaus muss sich aus der Werbung ergeben, dass sich unterschiedliche, aber hinreichend austauschbare Produkte des Werbenden und des Mitbewerbers gegenüberstehen. Die pauschale Abwertung der Leistungen eines Mitbewerbers ist jedenfalls dann nach §§ 3, 4 Nr. 7 UWG unlauter, wenn die konkreten Umstände, auf die sich die abwertende Äußerung bezieht, nicht mitgeteilt werden. (Vergleichende Werbung; Newsletter) BGH vom 12.5.2011 I ZR 119/10 – Innerhalb 24 Stunden Die Angabe „Originale Druckerpatronen innerhalb 24 Stunden“ in einer AdWordAnzeige ist im Hinblick auf die zutreffenden näheren Informationen, auf die die Anzeige verweist, nicht irreführend, wenn die Einschränkungen – Lieferung am Folgetag nur bei Bestellung bis 16:45 Uhr, keine Auslieferung am Sonntag – sich in dem Rahmen bewegen, mit dem der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher ohnehin rechnet. (Irreführende Werbung; Lieferung innerhalb 24 Stunden) BGH vom 5.5.2011 I ZR 157/09 – Creation Lamis Bewirbt ein Online-Shop günstige Eigenprodukte (Parfüms) mittels Duftvergleichslisten zu teuren Markenparfüms, so liegt darin eine vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG. (Vergleichende Werbung Duftvergleichsliste) BGH vom 14.4.2011 I ZR 50/09 – Einwilligungserklärung für Werbeanrufe Kann bei der Teilnahme an einem Gewinnspiel die Telefonnummer „zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante Angebote […] aus dem Abonnementbereich“ angegeben werden, liegt darin eine unklare und uneindeutige Teilnahmebedingung. Unter anderem da dadurch beim Adressaten der Eindruck
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht erweckt werden kann, dass durch die Angabe der Telefonnummer die Gewinnchancen erhöht werden. (Teilnahmebedingungen bei Gewinnspielen) BGH vom 10.2.2011 I ZR 164/09 – Double-opt-in-Verfahren Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert, was im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit eines Ausdrucks voraussetzt. Durch eine Bestätigungsmail im elektronischen Double-opt-in-Verfahren wird weder ein Einverständnis des Verbrauchers mit Werbeanrufen belegt, noch führt sie für sich allein zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Werbenden. Will sich der Verbraucher auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im Double-opt-inVerfahren darauf berufen, dass er die unter dieser Adresse abgesandte Einwilligung in E-Mail-Werbung nicht abgegeben hat, trägt er dafür die Darlegungslast. Kann der Verbraucher darlegen, dass die per E-Mail übermittelte Bestätigung nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren gewonnen wurde. (Einwilligungserklärung; Werbe-Mail; Double-Opt-In) BGH vom 10.2.2011 I ZR 183/09 Nach Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist – ebenso wie zuvor nach § 5 Abs. 5 UWG 2004 – nicht die unzulängliche Bevorratung der beworbenen Ware, sondern die unzureichende Aufklärung über eine unzulängliche Bevorratung unlauter. Die in der Regelung der Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zugrunde gelegte Erwartung, dass eine einschränkungslos angebotene Ware in sämtlichen in die Werbung einbezogenen Filialen in ausreichender Menge erworben werden kann, lässt sich nur durch einen aufklärenden Hinweis neutralisieren, der klar formuliert, leicht lesbar und gut erkennbar ist. (Aufklärungspflicht; unzulängliche Bevorratung) BGH vom 13.1.2011 I ZR 46/08 – Impulls II Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion kann anzunehmen sein, wenn ein als Suchwort verwendetes verwechslungsfähiges Zeichen als Metatag im HTMLCode oder auch in „Weiß-auf-Weiß-Schrift“ auf der Internetseite dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in Gestalt der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu der Internetseite des Verwenders zu führen. Bei den Ergebnissen der Trefferliste wird für den Internetnutzer in der Regel nicht hinreichend deutlich, ob der Verwender eines mit einer geschützten Marke übereinstimmenden Metatags, der identische oder ähnliche Produkte anbietet, im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist. Es besteht die Gefahr, dass der Internetnutzer das Angebot in der Trefferliste auf Grund der dort gegebenen Kurzhinweise mit dem Angebot des Markeninhabers verwechselt und sich näher mit ihm befasst. (Metatags; Internetsuchmaschinen; Herkunftstäuschung; Verwechslungsgefahr)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 1.12.2010 I ZR 55/08 – Zweite Zahnarztmeinung Ein Zahnarzt, der auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu dem Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag eines Kollegen abgibt, das der Patient dort eingestellt hat, verstößt weder gegen das berufsrechtliche Kollegialitätsgebot noch gegen das Verbot berufswidriger Werbung. (Gegenangebot; Berufsrechtliches Werbeverbot) BGH vom 28.10.2010 I ZR 60/09 – Hartplatzhelden Die unmittelbare Übernahme des Leistungsergebnisses eines Dritten ist keine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 9 UWG. Ein Fußballverband, der in seinem Verbandsgebiet zusammen mit den ihm angehörenden Vereinen Amateurfußballspiele (hier: Verbandsligaspiele) durchführt, wird nicht dadurch in unlauterer Weise in einem etwa unmittelbar aus § 3 UWG abzuleitenden ausschließlichen Verwertungsrecht verletzt, dass Filmausschnitte, die einzelne Szenen des Spielgeschehens wiedergeben, auf einem Internetportal veröffentlicht werden. (Nachahmung; Videoausschnitte) BGH vom 29.4.2010 I ZR 23/08 – Costa del Sol In den Endpreis einer Flugpreissuchmaschine sind grundsätzlich auch Flughafengebühren und Steuern, die von dem Flugziel und der Flugroute abhängen und auf deren Höhe der Anbieter keinen Einfluss hat, einzubeziehen. Ein Preisanpassungsvorbehalt kann jedoch verhindern, dass eine Endpreisangabe ohne Einbeziehung der Flughafengebühren und Steuern gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV verstößt. (Endpreis; PAngV; Flugpreis; Flughafengebühren) BGH vom 19.5.2010 I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis § 475 BGB zählt zu den Vorschriften i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Umsetzungsnorm der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat § 475 BGB eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion. (Marktverhaltensregelung) BGH vom 31.3.2010 I ZR 34/08 – Gewährleistungsausschuss im Internet § 475 BGB zählt zu den Vorschriften i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Umsetzungsnorm der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dient § 475 BGB auch dem Abbau von Wettbewerbsverzerrungen. (Marktverhaltensregelung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 18.3.2010 I ZR 16/08 – Versandkosten bei Froogle II Verstößt die Werbung in einer Preissuchmaschine wegen unzureichender oder irreführender Preisangaben gegen die Preisangabenverordnung oder das Irreführungsverbot, so ist der Händler dafür wettbewerbsrechtlich als Täter verantwortlich, wenn er die Preisangaben dem Betreiber der Suchmaschine mitgeteilt und der Betreiber der Suchmaschine die Preisangaben unverändert in die Suchmaschine eingestellt hat. (Preissuchmaschine; Preiserhöhung; Versandkosten; Irreführung) BGH vom 11.3.2010 I ZR 123/08 – Espressomaschine Der durchschnittlich informierte Nutzer eines Preisvergleichsportals im Internet verbindet mit den ihm dort präsentierten Informationsangeboten vorbehaltlich klarer gegenteiliger Hinweise regelmäßig die Erwartung einer höchstmöglichen Aktualität. Er geht deshalb grundsätzlich davon aus, dass er das dort beworbene Produkt zu dem angegebenen Preis erwerben kann, und wird irregeführt, wenn der tatsächlich verlangte Preis nach einer Preiserhöhung auch nur für einige Stunden über dem im Preisvergleichsportal angegebenen Preis liegt. (Preissuchmaschinen; Preiserhöhung; Irreführung) BGH vom 4.2.2010 I ZR 66/09 – Gallardo Spyder Die den Herstellern und Händlern in § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV auferlegte Verpflichtung sicherzustellen, dass die von ihnen verwendeten Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 enthalten, stellt eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar. (Pkw-EnVKV; Marktverhaltensregelung) BGH vom 10.12.2009 MMR 2010, 183 = K&R 2010, 115 Bereits nach dem UWG 2004 kann E-Mail-Werbung nicht durch ein mutmaßliches, sondern nur durch ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis gerechtfertigt sein. Eine Interessenabwägung dahin, ob in der Werbemaßnahme auf Grund einer Interessenabwägung eine unzumutbare Belästigung im Einzelfall zu verneinen sein könnte, scheidet in diesem Bereich aus. Gleiches gilt nach der Bejahung einer unzumutbaren Belästigung bezüglich der Frage eines Bagatellverstoßes. (E-Mail-Werbung; Einverständnis) BGH vom 10.12.2009 I ZR 149/07 Wer in einer an die Allgemeinheit gerichteten Werbung für einen Telefon-Tarif oder eine Internet-Flatrate unter Angabe von Preisen wirbt, muss, wenn die Inan-
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G. Wettbewerbsrecht spruchnahme dieser Leistungen einen Kabelanschluss des Anbieters voraussetzt, in der Werbung hinreichend deutlich auf die Kosten des Kabelanschlusses hinweisen. (Werbung für Internet-Flatrate; Kabelanschluss) BGH vom 7.10.2009 I ZR 150/07 – Rufumleitung Bietet die Deutsche Telekom ihren Festnetzkunden eine Rufumleitung an, durch die Anrufe aus dem Festnetz nicht zu der gewählten Mobilfunknummer des Kunden, sondern unmittelbar zu seinem Festnetzanschluss geschaltet werden, liegt eine gezielte Behinderung des Mobilfunkunternehmens im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG vor, wenn dem Anrufer das erhöhte Verbindungsentgelt für den – tatsächlich nicht getätigten – Anruf in das Mobilfunknetz in Rechnung gestellt wird und das Mobilfunkunternehmen kein Entgelt für die Bereithaltung des Mobilfunknetzes erhält. (Rufumleitung; gezielte Behinderung; Mobilfunk) BGH vom 16.7.2009 CR 2010, 192 = MMR 2010, 245 = K&R 2010, 187 Bei einer Werbung für Waren in Preisvergleichslisten einer Preissuchmaschine dürfen die zum Kaufpreis hinzukommenden Versandkosten nicht erst auf der eigenen Internetseite des Werbenden genannt werden, die mit dem Anklicken der Warenabbildung oder des Produktnamens erreicht werden kann. (Preissuchmaschine; Versandkosten) BGH vom 16.7.2009 WRP 2010, 370 = MMR 2010, 237 = K&R 2010, 189 Beim Internetvertrieb reicht es aus, unmittelbar bei der Werbung für das einzelne Produkt den Hinweis „zzgl. Versandkosten“ aufzunehmen, wenn sich bei Anklicken oder Ansteuern dieses Hinweises ein Bildschirmfenster mit einer übersichtlichen und verständlichen Erläuterung der allgemeinen Berechnungsmodalitäten für die Versandkosten öffnet und außerdem die tatsächliche Höhe der für den Einkauf anfallenden Versandkosten jeweils bei Aufruf des virtuellen Warenkorbs in der Preisaufstellung gesondert ausgewiesen wird. (Werbung; Versandkosten) BGH vom 9.7.2009 NJW 2010, 616 Ist die Teilnahme des Verbrauchers an einem Gewinnspiel noch nicht ohne Weiteres – etwa auf Grund der Angabe einer Rufnummer – möglich, kann es in der Fernsehwerbung genügen, für die Teilnahmebedingungen auf eine Internetseite oder im Handel erhältliche Teilnahmekarten zu verweisen; der Hinweis muss so gestaltet sein, dass er vom Verbraucher ohne Schwierigkeiten erfasst werden kann. (Gewinnspiel; Fernsehwerbung; Teilnahmebedingungen)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 10.6.2009 WRP 2010, 100 Eine Berufung auf die Bagatellklausel des § 3 Abs. 1 UWG kommt nicht in Betracht, wenn der Website-Betreiber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, ohne dass eine – jedenfalls konkludente – Beschränkung der Erklärung auf „spürbare“ Verstöße erkennbar ist. (Unterlassungserklärung; Vertragsstrafe; Bagatellklausel) BGH vom 20.5.2009 NJW 2009, 2958 = CR 2009, 733 = GRUR 2009, 980 = WRP 2009, 1246 = MDR 2009, 1234 = K&R 2009, 649 Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung kann einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. (E-Mail-Werbung; Rechtsverletzung) BGH vom 11.3.2009 NJW 2010, 612 = CR 2009, 742 = MMR 2009, 840 Bei Verkaufsförderungsmaßnahmen muss der Verbraucher Gelegenheit haben, sich vor der Kaufentscheidung über zeitliche Befristungen der Aktion, über eventuelle Beschränkungen des Teilnehmerkreises, über Mindest- oder Maximalabnahmemengen sowie über mögliche weitere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahme zu informieren. In der Fernsehwerbung kann es genügen, die Bedingungen der Inanspruchnahme einer Verkaufsförderungsmaßnahme nicht vollständig zu nennen, sondern insoweit auf eine Internetseite zu verweisen; der Hinweis muss so gestaltet sein, dass er vom Verbraucher ohne Schwierigkeiten erfasst werden kann. (Verkaufsförderungsmaßnahmen; Fernsehwerbung; Teilnahmebedingungen) BGH vom 26.2.2009 NJW 2009, 3095 = CR 2009, 746 = GRUR 2009, 982 = WRP 2009, 1247 = MDR 2009, 1294 = MMR 2009, 690 = K&R 2009, 651 Im Rahmen der Preisangabenverordnung stellt die Werbung im Verhältnis zum Angebot kein Aliud, sondern ein Minus im Sinne einer Vorstufe dar. Der Grundpreis ist dann i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV in unmittelbarer Nähe des Endpreises angegeben, wenn beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können. Die Regelung in § 4 Abs. 4 PAngV über die Preisauszeichnung bei Waren, die nach Katalogen oder Warenlisten oder auf Bildschirmen angeboten werden, kann nicht auf die bereits bei der Werbung bestehende Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises gem. § 2 PAngV übertragen werden. (Werbung; Preisangaben)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 22.1.2009 CR 2009, 323 mit Anm. Backu = GRUR 2009, 502 = WRP 2009, 441 = MDR 2009, 704 = MMR 2009, 331 mit Anm. Hoeren = K&R 2009, 328 = MarkenrR 2009, 218 – pcp Wird bei einer Internetsuchmaschine ein Keyword angemeldet, welches von den angesprochenen Verkehrskreisen als eine beschreibende Angabe von Merkmalen und Eigenschaften von Waren verstanden wird, allerdings einer geschützte Marke ähnelt, ist ein Unterlassungsanspruch zu verneinen, wenn bei Eingabe der geschützten Marke in die Suchmaschine auf der darauffolgenden Internetseite neben der Trefferliste unter einer Rubrik wie „Anzeige“ eine Werbeanzeige des KeywordAnmelders erscheint, diese das geschützte Zeichen aber selbst nicht verwendet. (Keyword Advertising) BGH vom 22.1.2009 NJW 2009, 2382 CR 2009, 328 = GRUR 2009, 500 = WRP 2009, 435 = MMR 2009, 329 mit Anm. Hoeren = K&R 2009, 326 = MarkenR 2009, 210 = ZUM 2009, 562 mit Anm. Kummermehr – Beta Layout Die Anmeldung eines fremden Unternehmenskennzeichens als Keyword in einer Internetsuchmaschine schließt eine Verwechslungsgefahr aus, wenn bei Eingabe des Begriffs in der Suchmaschine auf der darauf folgenden Internetseite die Werbeanzeige des Anmelders getrennt von der Trefferliste in einer Sonderrubrik wie „Anzeige“ angezeigt wird und in der Werbeanzeige das geschützte Kennzeichen selbst nicht verwendet wird. (Keyword Advertising) BGH vom 21.1.2009 GRUR 2009, 498 = WRP 2009, 451 = MMR 2009, 326 mit Anm. Hoeren = K&R 2009, 262 = MarkenR 2009, 213 – Bananabay Die Anmeldung eines mit einer fremden Marke identisches Zeichen durch einen Dritten, als Schlüsselwort bei Suchmaschinenbetreibern, ohne Zustimmung des Markeninhabers, damit bei Eingabe des mit der Marke identischen Zeichens als Suchwort in der Suchmaschine ein absatzfördernder Link zur Website des Dritten, der als Werbung für identische Waren und Dienstleistungen in einem von der Trefferliste räumlich abgetrennten „Anzeigen“ Werbeblog erscheint und weder das Zeichen selbst, noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber und dessen Produkte enthält, kann mit dem Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MarkenRL unvereinbar sein, dies hat der EuGH durch die Auslegung der MarkenRL in einer Vorabentscheidung zu treffen. (Bananabay) BGH vom 4.12.2008 CR 2009, 753, WRP 2009, 967 = MMR 2009, 538 = K&R 2009, 467 Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internet-Pattform im geschäftlichen Verkehr oder im Privaten Bereich handelt, ist aufgrund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Die Werbung „a la Cartier“ in einem Verkaufsangebot für Schmuckstücke von Drittunternehmen ist eine unlautere vergleichende Werbung. (Ohrclips; vergleichende Werbung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 11.9.2008 NJW 2009, 1504 = CR 2009, 175 = GRUR 2009, 173 = WRP 2009, 177 = MDR 2009, 459 = MMR 2009, 108 = K&R 2009, 110 Verkauft ein Erwerber den gekauften Gegenstand vertragswidrig weiter, steht dem Verkäufer kein vertraglicher Anspruch auf Unterlassung möglicher weiterer Verstöße nach zukünftigen, noch nicht erfolgten Vertragsabschlüssen zu. Wer gegenüber einem Anbieter, der sein Produkt ausschließlich selbst vermarktet und seinen Abnehmern den gewerblichen Weiterverkauf verbietet, seine Wiederverkäufereigenschaft verschweigt, handelt nicht nur vertrags-, sondern unter dem Gesichtspunkt des Schleichbetrugs auch wettbewerbswidrig nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Wer in Anzeigen gegenüber der Allgemeinheit seine Bereitschaft bekundet, Eintrittskarten zu Sportveranstaltungen anzukaufen, verleitet damit in der Regel nicht zum Vertragsbruch, auch wenn er weiß, dass potentiellen Verkäufern der Weiterverkauf der Karten nach den Geschäftsbedingungen der Veranstalter untersagt ist. (bundesligakarten.de) BGH vom 17.7.2008 NJW 2008, 2997 = CR 2008, 708 = GRUR 2008, 923 mit Anm. Köhler = WRP 2008, 1328 = MMR 2008, 661 mit Anm. Schulze zu Wiesche = K&R 2008, 603 mit Anm. Wäßle § 7 Abs. 2 UWG erfasst als Werbung grundsätzlich auch Nachfragehandlungen. Veröffentlicht ein Unternehmen die Nummer seines Telefaxanschlusses in allgemein zugänglichen Verzeichnissen, so erklärt es damit sein konkludentes Einverständnis, dass potentielle Kunden den Anschluss bestimmungsgemäß insbesondere für Kaufanfragen nutzen, die sich auf die übliche Verkaufstätigkeit des Unternehmens beziehen. (Telefax-Werbung; unmittelbare Belästigung; Einverständnis) BGH vom 17.7.2008 NJW 2008, 2999 = CR 2008, 718 = GRUR 2008, 925 = WRP 2008, 1330 = MDR 2008, 1288 = MMR 2008, 662 = K&R 2008, 600 Gibt ein Sportverein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins auf seiner Website eine E-Mail-Adresse an, so liegt darin keine konkludente Einwilligung, gewerblichen Anfragen nach Dienstleistungen des Vereins mittels E-Mail zu empfangen. (E-Mail-Werbung; Einverständnis) BGH vom 17.7.2008 I ZR 139/05 Kann ein Endpreis nicht gebildet werden, so sind im Hinblick auf § 1 Abs. 1, 6 PAngV die einzelnen Preisbestandteile anzugeben. (Werbung; PAngV; Endpreis)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 16.7.2008 NJW 2008, 3055 = CR 2008, 720 = GRUR 2008, 1010 = WRP 2009, 56 = MMR 2008, 731 = BB 2008, 2426 mit Anm. Schirmbacher – Payback In Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Betreiber eines Kundenbindungsund Rabattsystems für Verträge mit Verbrauchern über die Teilnahme an dem System verwendet, hält eine Klausel, bei der der Kunde sich einverstanden erklärt, dass die Daten, die er angegeben hat, für an ihn gerichtete Werbung gespeichert und genutzt werden können, wenn er seine Einwilligung durch Ankreuzen eines Kästchens verweigert, der Kontrolle aus § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, falls sie die Zusendung von Werbung per SMS oder E-Mail-Newsletter betrifft. (Opt-out; E-Mail/SMS-Werbung; Einwilligung) BGH vom 26.6.2008 GRUR 2008, 917 = NJW-RR 2009, 114 = WRP 2008, 1319 = MDR 2008, 1350 Ist die Absicht, die mit Eintragung eines Zeichens entstehende Sperrwirkung zweckwidrig als Mittel des Wettbewerbskampfes gegen einen Mitbewerber einzusetzen, zwar ein wesentlicher Beweggrund für die Anmeldung einer Marke, will der Anmelder die Marke aber auch für eigene Waren benutzen, ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob in der Anmeldung der Marke eine wettbewerbswidrige Behinderung liegt. (Markenanmeldung; Behinderung) BGH vom 5.6.2008 WRP 2008, 1175 Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der eine Geschäftspraktik, bei der die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, grundsätzlich unzulässig ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Werbemaßnahme im Einzelfall Verbraucherinteressen beeinträchtigt? (Millionen-Chance) BGH vom 29.5.2008 NJW 2008, 3711 = CR 2008, 797 = GRUR 2008, 1121 = MDR 2008, 1415 = MMR 2009, 115 = K&R 2008, 742 Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtfolge in dem Verbot der bestimmten als rechtswidrig angegriffenen Verhaltensweise, die der Kläger in seinem Antrag und seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat; es kommt nicht darauf an, ob sich in anderer Weise ein wettbewerbswidriges Verhalten aus einer mit der Klage zum Beweis der beanstandeten Verletzungshandlung vorgelegten Anlage – wie einer E-Mail oder einem mehrseitigen Werbeprospekt – ergeben kann. (E-Mail-Werbung; Produktempfehlung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 14.2.2008 ZUM 2008, 594 Werden durch private Sportwettveranstaltungen im Internet die Tatbestände von § 284 StGB erfüllt, so ist dieser dennoch nicht anwendbar, wenn die Regelung über die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungsrecht und gegen Gesellschaftsrecht verstoßen. Daher fehlt es in einem solchen Fall auch an einer unlauteren Wettbewerbshandlung im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. (Sportwetten; Marktverhaltensregelungen) BGH vom 10.1.2008 NJW 2008, 2509 = GRUR 2008, 724 = WRP 2008, 1069 = MDR 2008, 1114 Kann ein Verbraucher aufgrund einer Werbung noch nicht ohne weiteres – etwa mittels einer angegebenen Rufnummer oder einer beigefügten Teilnahmekarte – an einem Gewinnspiel teilnehmen, reicht es aus, ihm unter Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des verwendeten Werbemediums diejenigen Informationen zu geben, für die bei ihm nach den Besonderheiten eines Einzelfalls schon zum Zeitpunkt der Werbung ein aktuelles Aufklärungsbedürfnis besteht. Bei einer Anzeigenwerbung für ein Gewinnspiel, das aus Verbrauchersicht keine unerwarteten Teilnahmebeschränkungen aufweißt, reicht es grundsätzlich aus, wenn mitgeteilt wird, bis wann wie teilgenommen werden kann und wie die Gewinner ermittelt werden; gegebenenfalls ist auf besondere Beschränkung des Teilnehmerkreises wie den Ausschluss Minderjähriger hinzuweisen. (Gewinnspiel-Werbung; Teilnahmebedingungen) BGH vom 6.12.2007 WRP 2008, 930 = MDR 2008, 1055 = GRUR 2008, 628 Verwendet ein Dritter für seine Produkte Bezeichnungen, in denen der Inhaber einer bekannten Marke eine Darstellung der so bezeichneten Produkte als Imitation oder Nachahmung der unter seiner bekannten Marke vertriebenen Waren sieht, so ist die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche wegen einer unzulässigen vergleichenden Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG nicht wegen eines Vorrangs markenrechtlicher Ansprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ausgeschlossen. (Imitationswerbung) BGH vom 18.10.2007 WRP 2008, 771 = MMR 2008, 400 = BGH-Report 2008, Heft 14 mit Anm. Härting Wer ein unzureichendes Altersverifikationssystem vertreibt, das für pornographische Angebote im Internet bestimmt ist, haftet wettbewerbsrechtlich als Teilnehmer für Verstöße gg. § 4 Abs. 2 JMStV, die seine Abnehmer mit der Verwendung des Systems für entsprechende Angebote begehen, wenn ihm bekannt ist, dass die jugendschutzrechtliche Unbedenklichkeit des Systems ungeklärt ist. (Altersverifikationssystem; ueber18.de)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 4.10.2007 NJW 2008, 1384 = CR 2008, 108 = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann = K&R 2008, 34 = BB 2008, 74 mit Anm. Hullen Ein Unterlassungsantrag, der auf das Verbot gerichtet ist, Artikel des Sortiments ohne den eindeutig zuzuordnenden und leicht erkennbaren Hinweis darauf zu bewerben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen und ob die Preise einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile gelten, ist grundsätzlich unbestimmt, weil er ohne konkrete Bezeichnung einer zu verbietenden Verletzungsform lediglich auf die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 6 PAngV Bezug nimmt. Gegen die Preisangabenverordnung wird bei Internetangeboten nicht bereits dann verstoßen, wenn auf einer Internetseite neben der Abbildung einer Ware nur deren Preis genannt wird und nicht schon auf derselben Internetseite darauf hingewiesen wird, dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und zusätzlich zu dem Preis Lieferund Versandkosten anfallen. (Informationspflichten; Versandkosten) BGH vom 4.10.2007 NJW 2008, 1595 = CR 2008, 446 mit Anm. Schirmbacher = K&R 2008, 372 Wer im Fernabsatz für Waren oder Leistungen unter Angabe von Preisen wirbt, muss darauf hinweisen, dass der geforderte Preis die Umsatzsteuer enthält. (Umsatzsteuerhinweis; Preisangabe) BGH vom 20.9.2007 MMR 2008, 164 = WRP 2008, 224 Ein unaufgeforderter Anruf bei einem Gewerbetreibenden zu Werbezwecken kann als eine wettbewerbswidrige unzumutbare Belästigung zu beurteilen sein, wenn der Anrufer zuvor nicht annehmen durfte, der Anzurufende werde mit dem Anruf, so wie er geplant war, einverstanden sein. Der kostenlose Eintrag eines Gewerbetreibenden im Verzeichnis einer Internetsuchmaschine, die nur eine unter einer Vielzahl gleichartiger Suchmaschinen ist, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, der Gewerbetreibende werde mit einem Anruf zur Überprüfung des über ihn eingespeicherten Datenbestandes einverstanden sein, wenn der telefonische Weg gewählt wurde, um zugleich das Angebot einer entgeltlichen Leistung zu unterbreiten. (Suchmaschineneintrag; Telefonwerbung; unzumutbare Belästigung) BGH vom 12.7.2007 MMR 2007, 634 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien beeinträchtigen wettbewerblich geschützte Interessen der Verbraucher i.S.d. § 3 UWG. § 3 UWG ist unmittelbar anwendbar, wenn keiner der Tatbestände der §§ 4 bis 6 UWG greift. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. (Jugendgefährdende Medien bei Ebay; Prüfungspflichten)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 8.2.2007 CR 2007, 589 = NJW-RR 2007, 1262 = MMR 2007, 648 = K&R 2007, 474 Verwendet ein Händler zu Werbezwecken eine fremde Marke als Metatag im HTML-Code oder in „Weiß-auf-Weiß-Schrift“, kann er sich nur dann auf die Erschöpfung der Rechte aus der Marke berufen, wenn sich die Werbung auf konkrete Originalprodukte dieser Marke bezieht. (AIDOL; Markenrechtserschöpfung) BGH vom 11.1.2007 NJW 2007, 3002 – Irreführender Kontoauszug Die Kontoauszüge einer Bank sind irreführend, wenn zwar bei den einzelnen Gutschriften zutreffend zwischen den Daten der Buchung und der Wertstellung unterschieden, bei der optisch hervorgehobenen Angabe des Kontostands am Ende des Auszugs aber nicht deutlich darauf hingewiesen wird, dass darin auch noch nicht wertgestellte Beträge enthalten sein können, über die bis zur Wertstellung noch nicht ohne Belastung mit Sollzinsen verfügt werden kann. (Irreführung; geschäftliche Handlung; Vertragsschluss) BGH vom 11.1.2007 I ZR 96/04 – Außendienstmitarbeiter Ein Unternehmer, der durch Beschäftigung eines bei einem Mitbewerber angestellten Mitarbeiters, dem wegen eines Wettbewerbsverbots eine Tätigkeit für Konkurrenten nicht gestattet ist, den Vertragsbruch des Mitarbeiters lediglich ausnutzt, ohne ihn zu dem Vertragsbruch zu verleiten, handelt nicht bereits deshalb unlauter, weil er das Wettbewerbsverbot kennt oder kennen muss. (Vertragsbruch; arbeitsrechtliches Wettbewerbsverbot) BGH vom 20.7.2006 WRP 2006, 1507 Die Angabe einer Anbieterkennzeichnung bei einem Internetauftritt, die über zwei Links erreichbar ist (hier: die Links „Kontakt“ und „Impressum“), kann den Voraussetzungen entsprechen, die an eine leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit im Sinne von § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV zu stellen sind. (Anbieterkennzeichnung; Links) BGH vom 1.6.2006 NJW 2006, 3781 mit Anm. Ernst = MMR 2007, 46 = K&R 2007, 42 Der Umstand, dass Telefaxsendungen immer häufiger unmittelbar auf einen PC geleitet und nicht mit einem herkömmlichen Faxgerät ausgedruckt werden, ändert nichts daran, dass eine per Telefax unaufgefordert übermittelte Werbung auch gegenüber Gewerbetreibenden grundsätzlich als wettbewerbswidrig anzusehen ist. (Telefax-Werbung II)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 18.5.2006 NJW 2007, 153 = CR 2007, 103 = MMR 2006, 812 Im geschäftlichen Verkehr stellt die Verwendung eines fremden Kennzeichens als verstecktes Suchwort (Metatag) eine kennzeichenmäßige Benutzung dar. Wird das fremde Zeichen dazu eingesetzt, den Nutzer zu einer Internetseite des Verwenders zu führen, weist es – auch wenn es für den Nutzer nicht wahrnehmbar ist – auf das dort werbende Unternehmen und sein Angebot hin. Eine Verwechslungsgefahr kann sich in diesem Fall – je nach Branchennähe – bereits daraus ergeben, dass sich unter den Treffern ein Hinweis auf eine Internetseite des Verwenders findet, nachdem das fremde Zeichen als Suchwort in eine Suchmaschine. (Impuls; kennzeichenmäßige Benutzung eines fremden Zeichens bei dessen Verwendung als Metatag) BGH vom 30.3.2006 NJW 2006, 2631 = CR 2006, 539 = MMR 2006, 461 mit Anm. Hoeren Der Werbende kann das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch einen sog. Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu sein, muss ein Disclaimer eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen sein und vom Werbenden auch tatsächlich beachtet werden. (Arzneimittelwerbung im Internet; Einschränkung durch Disclaimer) BGH vom 7.4.2005 NJW 2005, 2229 = CR 2005, 591 = MMR 2005, 531 = K&R 2005, 373 Der von der Werbung eines Internet-Versandhauses angesprochene Durchschnittsverbraucher erwartet in der Regel, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, wenn nicht auf das Bestehen einer abweichenden Lieferfrist unmissverständlich hingewiesen wird. (Internet-Versandhandel) BGH vom 27.1.2005 NJW 2005, 1644 Ist in einer Werbung für eine Rechtsanwaltskanzlei die Angabe über eine „optimale Vertretung“ eingebettet in eine Reihe von Sachangaben, kann nach dem Kontext der gesamten Werbeaussage ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 43b BRAO, § 6 BORA zu verneinen sein. (Anwaltswerbung; Optimale Interessenvertretung) BGH vom 22.12.2004 NJW 2005, 1045 Dem Käufer, der dem Verkäufer einen gewerblichen Verwendungszweck der Kaufsache vortäuscht, ist die Berufung auf die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) verwehrt. (Verbrauchereigenschaft; Täuschung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 16.12.2004 CR 2005, 357 Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung im Internet irreführende Angaben enthält, ist wie auch sonst auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Die besonderen Umstände der Werbung im Internet wie insbesondere der Umstand, dass der interessierte Internet-Nutzer die benötigten Informationen selbst nachfragen muss, sind bei der Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit zu berücksichtigen. Ob mehrere Angaben auf verschiedenen Seiten eines Internet-Auftritts eines werbenden Unternehmens von den angesprochenen Verkehrskreisen als für den maßgeblichen Gesamteindruck der Werbung zusammengehörig aufgefasst werden, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. (Epson-Tinte; wettbewerbswidrige Internetwerbung) BGH vom 24.6.2004 NJW 2004, 3032 – Werbeblocker Zwischen einem (privaten) Fernsehsendeunternehmen und einem Unternehmen, das ein zum Anschluss an den Fernseher oder Videorekorder bestimmtes Gerät produziert und vertreibt, mit dem Werbeinseln aus dem laufenden Programm automatisch ausgeblendet werden können (Werbeblocker), besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Werbung und der Vertrieb eines Werbeblockers und die Ausstrahlung von Befehlssignalen für diesen verstoßen auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes, den das Fernsehsendeunternehmen aus Art. 5 und Art. 12 GG genießt, weder unter dem Gesichtspunkt einer produktbezogenen Behinderung noch wegen Werbebehinderung gegen § 1 UWG und stellen auch keine nach dieser Bestimmung unzulässige allgemeine Marktbehinderung dar. (Programme zur Blockierung von Werbung) BGH vom 17.6.2004 MMR 2004, 606 Zu den Voraussetzungen, unter denen Allein- und Spitzenstellungsberühmungen eines Online-Dienstes irreführend sind. (irreführende Werbung) BGH vom 1.4.2004 NJW 2004, 2158 = CR 2004, 613 mit Anm. Dietlein = MMR 2004, 529 = WRP 2004, 899 Ein Link zu einem wettbewerbswidrigen Angebot eines Dritten ist jedenfalls dann nicht unlauter, wenn die Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, nicht feststeht. Bei einem Presseunternehmen besteht in dieser Hinsicht keine Vermutung. (Schöner Wetten)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 11.3.2004 NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = MMR 2004, 386 = K&R 2004, 290 Die Zusendung einer unverlangten E-Mail zu Werbezwecken verstößt grundsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb, falls nicht ein Einverständnis vorliegt oder ein solches aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände vermutet werden kann. Ein die Wettbewerbswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Empfängers der E-Mail hat der Werbende darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Werbende hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken aufgrund des Schreibversehens eines Dritten kommt. (unaufgeforderte Werbung per E-Mail) BGH vom 12.2.2004 I ZR 30/02 – Klemmbausteine III Eine nicht spätestens im Zeitpunkt des Kaufs, sondern erst nachfolgend auftretende Herkunftstäuschung kann keine Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen. Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen das sog. Einschieben in eine fremde Serie ist jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt zu gewähren. Eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unlautere Rufausbeutung liegt nicht vor, wenn der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt erschlossen hat und der Nachahmer beim Eindringen in diesen Markt die angesprochenen Verkehrskreise in geeigneter Weise darüber informiert, dass sein eigenes von dem nachgeahmten Produkt zu unterscheiden sei. (Herkunftstäuschung; einschieben in einen fremde Serie; Rufausbeutung) BGH vom 5.2.2004 WRP 2004, 739 – Genealogie der Düfte Der Begriff der Eigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist weit zu verstehen; maßgebend ist, ob der angesprochene Verkehr aus der Angabe eine nützliche Information für die Entscheidung erhalten kann, ob dem Erwerb der angebotenen Ware oder Dienstleistung nähergetreten werden soll. Eine im Rahmen vergleichender Werbung erfolgende Aussage ist auf eine oder mehrere nachprüfbare Eigenschaften i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG bezogen, wenn sie einen Tatsachenkern aufweist, dessen Richtigkeit jedenfalls durch einen Sachkundigen überprüft werden kann. Eine Eigenschaft ist wesentlich i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn ihre Bedeutung für den jeweils angesprochenen Verkehr aus dessen Sicht im Hinblick auf die vorgesehene Verwendung des Produkts nicht völlig unerheblich ist. Sie ist auch relevant i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn sie den Kaufentschluss einer nicht völlig unerheblichen Zahl von Verbrauchern zu beeinflussen vermag. Sie ist zudem typisch i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn sie die Eigenart der verglichenen Produkte aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den Bedarf oder die Zweckbestimmung prägt und damit repräsentativ oder aussagekräftig für deren Wert als Ganzes ist. (Vergleichende Werbung; Tatsachenbehauptung; wesentliche Eigenschaften; Duftvergleichsliste)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 15.1.2004 WRP 2004, 490 – FrühlingsgeFlüge Bei der Beurteilung, ob eine von einem Verbraucherschutzverein beanstandete Wettbewerbsmaßnahme eine Handlung betrifft, durch die wesentliche Belange der Verbraucher i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG berührt werden, ist auf die beanstandete Handlung als solche abzustellen. Es genügt nicht, dass die Handlung ein Gesetz (hier: die Preisangabenverordnung) verletzt, das eine verbraucherschützende Zielrichtung hat. Zur Frage der Berührung wesentlicher Belange der Verbraucher i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei der Werbung für Flüge in einer übersichtlich gestalteten Anzeige, bei der interessierte Verbraucher die genannten Einzelpreise (die als „ab“-Preise genannten Flugpreise und die jeweils hinzukommenden Steuern) als Bestandteile der Endpreise ohne weiteres einander zuordnen und die Endpreise ohne Schwierigkeiten berechnen kann. (Preisangabe; „ab“-Preise; PAngV) BGH vom 27.11.2003 WRP 2004, 344 – Mondpreise? Für die Behauptung, dass eine Werbung mit einer bestehenden unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers im Hinblick auf die Marktverhältnisse zur Irreführung geeignet ist, trägt der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast. (Beweislastverteilung) BGH vom 20.11.2003 WRP 2004, 896 – 20 Minuten Köln Unter dem Gesichtspunkt einer Marktstörung ist der unentgeltliche Vertrieb einer durch Anzeigen finanzierten Tageszeitung auch dann nicht wettbewerbswidrig, wenn er zu Absatzeinbußen der bestehenden Kauf- und Abonnementzeitungen führt. Das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität verbietet es, einer Kaufund Abonnementzeitung von vornherein einen höheren Schutz vor einer Marktstörung zuzubilligen als einer vollständig durch Anzeigen finanzierten Zeitung. (Marktstörung; Gratisexemplare; Schutz von Presseerzeugnissen) BGH vom 20.11.2003 WRP 2004, 746 – Zeitung zum Sonntag Eine wettbewerbswidrige Wertreklame kommt von vornherein nicht in Betracht, wenn ein Zeitungsvertrieb auf Dauer darauf eingerichtet ist, die ausschließlich durch Anzeigen finanzierte Zeitung ohne Entgelt abzugeben, und deshalb eine auf den Erwerb einer entgeltlichen Leistung gerichtete unsachliche Beeinflussung des Empfängers ausscheidet. Die Garantie der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterscheidet nicht danach, ob sich eine Zeitung mit redaktionellem Textteil allein durch Anzeigen oder daneben auch dadurch finanziert, dass der Leser für den Erwerb ein Entgelt zahlen muss. Bei der institutionellen Garantie der Presse durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geht es nicht darum, den Bestand eines Presseorgans gegen den Wettbewerb durch ein anderes Presseorgan zu schützen. (Marktstörung; Gratisexemplare; Schutz von Presseerzeugnissen)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 13.11.2003 CR 2004, 290 mit Anm. Leible/Sosnitza = WRP 2004, 345 Die Durchführung einer umgekehrten Versteigerung von Gebrauchtfahrzeugen im Internet verstößt jedenfalls dann nicht gegen §§ 1, 7 Abs. 1 UWG a.F., wenn sich der Sieger der Auktion nach Abschluss der Veranstaltung ohne finanzielle Nachteile erkennbar frei entscheiden kann, ob er das ersteigerte Fahrzeug zu dem erzielten Preis erwerben will. Die mit der Auktion verbundenen aleatorischen Reize führen nicht zur Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG a.F. (umgekehrte Versteigerung im Internet) BGH vom 6.11.2003 NJW 2004, 139 – Gambelli Eine nationale Regelung, die – strafbewehrte – Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, enthält, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG dar, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen. (Wetten; Glücksspiele; Anerkennung behördlicher Erlaubnisse anderer EU-Mitgliedsstaaten) BGH vom 9.10.2003 WRP 2004, 221 Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Arzt-Websites ist zu berücksichtigen, dass diese niemandem unverlangt als Werbung aufgedrängt werden. (Inhalt von Arztwerbung im Internet) BGH vom 2.10.2003 WRP 2004, 339 – Marktführerschaft Ein Nachrichtenmagazin, dass damit wirbt „Marktführer“ zu sein, was hinsichtlich der Reichweite korrekt, bezogen auf die verkauften Auflagen jedoch nicht zutrifft, führ den situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbraucher irre. (Spitzenstellungsbehauptung; irreführende Werbung) BGH vom 17.7.2003 NJW 2003, 3406 = CR 2003, 920 mit Anm. Nolte = MMR 2003, 719 mit Anm. Wiebe = WRP 2003, 1341 = MDR 2004, 346 = BGH-Report 2003, 1294 mit Anm. Elßner Das Angebot eines Online-Pressespiegels, bei dem die vollständigen Artikel dergestalt dargestellt werden, dass sie als Deeplinks auf frei zugängliche Internetangebote von Online-Ausgaben von Tageszeitungen verweisen, verstößt nicht wegen unmittelbarer Leistungsübernahme gegen § 1 UWG a.F. (Paperboy)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 3.7.2003 CR 2003, 817 – Telefonischer Auskunftsdienst Das für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen gemäß § 27 Abs. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung bestehende Erfordernis, die von den Endkunden verlangten Entgelte zu veröffentlichen, ändert nichts an deren nach den sonstigen Vorschriften bestehenden Verpflichtung zur Angabe von Preisen. Die im Zusammenhang mit der Werbung eines Anbieters einer Telekommunikationsdienstleistung erfolgende Angabe der anzuwählenden Telefonnummer stellt ein Leistungsangebot i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV dar. Werbesendungen im Fernsehen stellen keine nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 PAngV ohne Angabe von Preisen zulässigen mündlichen Angebote dar. Die Bestimmungen der Preisangabenverordnung weisen Wettbewerbsbezug auf, weshalb Verstöße gegen sie zugleich den Tatbestand des § 1 UWG erfüllen. (Preisangabe; mündliche Werbung; Fernsehwerbung) BGH vom 3.4.2003 NJW 2003, 3055 – Internet-Reservierungssystem Der Anbieter eines Reservierungssystems für Linienflüge im Internet verstößt nicht deshalb gegen § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 PAngV, weil das System bei der erstmaligen Bezeichnung von Preisen nicht bereits den Endpreis angibt, sondern dieser erst bei der fortlaufenden Eingabe in das Reservierungssystem ermittelt wird, wenn der Nutzer hierauf zuvor klar und unmissverständlich hingewiesen wird. (Preisangaben; Endpreis; PAngV) BGH vom 13.3.2003 CR 2003, 517 – Umgekehrte Versteigerung II Die Werbung mit einer „umgekehrten Versteigerung“ für den Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs verstößt nicht gegen § 1 UWG. Diese Werbemethode führt angesichts der im allgemeinen mit einem Gebrauchtwagenkauf verbundenen beträchtlichen Investition beim verständigen Verbraucher erfahrungsgemäß nicht dazu, daß er von einer Prüfung der Preiswürdigkeit des Angebots absieht und sich wegen des „Spiels“ zu einem Kauf verleiten läßt. (Umgekehrte Versteigerungen) BGH vom 25.4.2002 NJW 2002, 3399 – Die Steinzeit ist vorbei Mit dem von einem Hersteller von Häusern in Holzrahmen-Bauweise verwendeten Werbeslogan DIE „STEINZEIT“ IST VORBEI! wird die Herstellung von Bauwerken in „Steinbauweise“ nicht als „antiquiert“, unüblich und unzeitgemäß pauschal herabgewürdigt. Der verständige Durchschnittsverbraucher wird den Werbesatz vor allem aufgrund des humorvollen Wortspiels und des darin enthaltenen Sprachwitzes nicht im Sinne einer Sachaussage ernst nehmen. (Vergleichende Werbung)
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G. Wettbewerbsrecht BGH vom 14.3.2002 NJW 2002, 2176 – Sportwetten Die Veranstaltung von Sportwetten ohne eine von einer inländischen Behörde erteilte Erlaubnis ist auch dann sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG, wenn eine beantragte Erlaubnis rechtswidrig versagt worden sein sollte. (Glücksspiele im Internet; behördliche Erlaubnis) BGH vom 15.3.2001 NJW 2001, 2886 – Anwaltsrundschreiben Ein an Mandanten und Nichtmandanten gerichteten Rundschreibens eines Rechtsanwalts, in dem eine Gesetzesänderung zum Anlaß genommen wird, um auf den dadurch entstandenen Beratungsbedarf hinzuweisen verstößt nicht gegen § 43b BRAO. (Einzelfallwerbung; anwaltliches Berufsrecht) BGH vom 1.3.2001 NJW 2001, 2087 – Anwaltswerbung II Der Zulässigkeit einer Informationsveranstaltung von Rechtsanwälten zur eigenen anwaltlichen Tätigkeit oder zu allgemeinen rechtlichen Themen steht grundsätzlich nicht entgegen, dass zu ihr Personen eingeladen werden, zu denen kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden hat, und dass ein kostenloser Mittagsimbiß gereicht wird. (Anwaltswerbung; Informationsveranstaltungen) BGH vom 27.1.2000 NJW 2000, 2677 Ein – außerhalb einer Versicherungsfragen betreffenden laufenden Geschäftsverbindung – unaufgefordert und ohne Einverständnis erfolgter Telefonanruf zu dem Zweck, einen Besuchstermin zu vereinbaren, der dem Abschluß eines Versicherungsvertrages dienen soll, ist wettbewerbswidrig i.S.d. UWG § 1. Eine vorformulierte Klausel in einem Antrag auf Eröffnung eines Sparkontos, in der der Kunde sich mit der persönlichen und telefonischen Beratung in Geldangelegenheiten durch die Bank einverstanden erklärt, stellt kein wirksames Einverständnis mit einer solchen Telefonwerbung dar. (Einverständniserklärung in Werbeanrufe; AGB) OLG Hamburg vom 27.6.2013 3 U 26/12 § 13 TMG, wonach der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs u.a. über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form zu unterrichten hat, ist eine i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG das Marktverhalten regelnde Norm. Denn nach den Erwägungsgründen der dieser Norm zugrundeliegenden Datenschutzrichtlinie 95/46/EG soll durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers geschützt werden. Den Erwägungsgründen zur Richtlinie ist darüber hinaus zu entnehmen, dass die in § 13
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht TMG geregelten Aufklärungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der Marktteilnahme dienen, weil sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen. (Datenschutznormen als Marktverhaltensregelung) OLG Karlsruhe vom 5.4.2013 4 U 18/13 Der Betrieb einer Internetplattform zur Vermittlung der Übernahme einer Terminvertretung für Rechtsanwälte verstößt nicht gegen das anwaltliche Berufsrecht, da eine solche Tätigkeit mit Leistungen herkömmlichen, wie Annoncen in einer überregionalen Tageszeitung, vergleichbar ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Betreiber bei erfolgreicher Vermittlung eine Transaktionsgebühr verlangt. (Vermittlung von Terminvertretung) OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2013 11 W 8/13 Ein Ehepartner kann dem anderen Ehepartner seinen Internetanschluss überlassen, ohne ihn ständig überwachen zu müssen, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat. (Haftung für Dritte) OLG Düsseldorf vom 19.2.2013 20 U 55/12 Ein Kundenbewertungssystem, bei dem positive Bewertungen sofort angezeigt werden, neutrale und negative jedoch erst nach einer Prüfung und einem eingeleiteten Schlichtungsverfahren führt zu einer Irreführung über das Bewertungsergebnis. (Irreführung; Kundenbewertungssystem) OLG Hamm vom 14.2.2013 4 U 182/12 § 477 BGB ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. (Marktverhaltensregelungen; AGB) Kammergericht vom 15.1.2013 5 U 84/12 Für den erforderlichen Grad an Deutlichkeit von Werbung ist in Rechnung zu stellen, dass bestimmte Verkehrskreise (wie z.B. Kinder) nicht dieselbe Aufmerksamkeits- und Lesekompetenz haben, wie der Durchschnittsverbraucher. Richtet sich Werbung gerade an solche Verkehrskreise, so sind unter Umständen höhere Anforderung an die Deutlichkeit der Werbung zu stellen. (verschleierte Werbung; Grad der Deutlichkeit von Werbung)
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G. Wettbewerbsrecht Kammergericht vom 29.10.2012 5 W 107/12 Die in einem Gewinnspiel formulierte Klausel zur Verbrauchereinwilligung in werbende Telefonanrufe, die die zu bewerbende Produktgattung nicht nennt, ist eine wegen Intransparenz unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung. Der Adressat gerichtlichen Verbots, einwilligungslose Telefonwerbung zu betreiben, handelt in erheblichem Ausmaß schuldhaft, wenn er Telefonwerbung betreibt, ohne sich von seinem „Datenlieferanten“ eine hinreichende Dokumentation diesbezüglicher Einwilligungserklärungen präsentieren zu lassen, und sich vielmehr auf dessen diesbezügliche schlichte „Zusicherung“ verlässt. (Telefonwerbung; Einwilligung) OLG Köln vom 19.10.2012 6 U 46/12 Enthält ein Unternehmer Verbrauchern nach EU-Recht zu erteilende Informationen vor, widerspricht dies stets der für ihn geltenden fachlichen Sorgfalt. An die fachliche Sorgfalt eines Internetversandhändlers sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines stationären Lebensmitteleinzelhändlers; er kann sich verschuldensunabhängigen Unterlassungsansprüchen wegen fehlender Grundpreisangabe nicht dadurch entziehen, dass er auf im Massengeschäft immer wieder vorkommende Versehen und Nachlässigkeiten sonst zuverlässiger Mitarbeiter oder Beauftragter verweist. (Grundpreisangabe; Bagatellverstoß; fachliche Sorgfalt; PAngV) OLG Hamburg vom 17.10.2012 5 U 168/11 – Runes of Magic In der Herstellung und Verbreitung von Cheatprogrammen für Online-Spiele liegt eine unlautere Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG der Spielehersteller, wenn diese mit den Nutzern in den Nutzungsbedingungen vereinbart haben, dass die Verwendung von Cheats nicht gestattet ist. (Online-Spiele; Cheats; Verleitung zum Vertragsbruch) OLG Hamburg vom 10.10.2012 5 U 274/11 Anders als etwa hinsichtlich der gemäß § 1 II 1 Nr. 2 PAngV anzugebenden Versandkosten ist für die Angabe des Grundpreises neben dem Endpreis eine strengere Beurteilung geboten. Denn dem Verbraucher ist zwar bereits seit längerem geläufig ist, dass im Versandhandel neben dem Endpreis üblicherweise Liefer- und Versandkosten anfallen und diese Drittkosten neben dem Warenpreis gesondert und nicht auf die Ware, sondern auf die Sendung erhoben werden, das Erfordernis, bei Warenangeboten nach näherer Maßgabe des § 2 PAngV neben dem Endpreis auch den Grundpreis anzugeben, ist im Bewusstsein der Letztverbraucher indes bei weitem weniger verankert. Daher hat die Angabe des Grundpreises auch in unmittelbarer Nähe des Endpreises auch bei Ebay „Sofort-Kauf“-Angeboten zu erfolgen. (Grundpreis; Endpreis; Ebay; Sofort-Kauf; PAngV)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG München vom 27.9.2012 29 U 1682/12 Auch eine E-Mail, mit der zur Bestätigung einer Bestellung im Double-opt-in-Verfahren aufgefordert wird, fällt als Werbung unter das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. (Werbung; Double-Opt-In-Verfahren) Kammergericht vom 21.9.2012 5 W 204/12 § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB stellen keine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, soweit sie bei juristischen Personen zusätzlich die Angabe des bzw. eines Vertretungsberechtigten fordert. In einem insoweit unvollständigen Impressum liegt keine Unlautere Irreführung i.S.v. § 5a UWG, da die vorenthaltenden Informationen über einen Vertretungsberechtigten nicht wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG sind. (Marktverhaltensregelung; § 4 Nr. 11 UWG; Pflichtangaben; Impressum) OLG Hamm vom 20.9.2012 4 U 85/12 Eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit im Sinne von § 4 Nr. 2 UWG ist in der Regel anzunehmen, wenn die Kinder oder Jugendlichen zur Überlassung ihrer Daten gegen ein „Entgelt“ (ein Werbegeschenk oder die Teilnahme an einem Gewinnspiel) aufgefordert werden. (Gewinnspiel; Werbegeschenk; Ausnutzung geschäftlicher Unerfahrenheit) Kammergericht vom 4.9.2012 5 U 103/11 Die Sternchenwerbung eines Pkw-Händlers gegenüber Letztverbrauchern mit „6999 Euro*“ und Bezugstext „*Zzgl. Kosten für Überführung inkl. Sicherheitspaket und Fußmatten von 599 Euro“ ist nicht nur (wegen fehlender Endpreisangabe) gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV unlauter, sondern auch (wegen spürbarer Beeinträchtigung) gemäß § 3 UWG unzulässig. (Überführungskosten; Endpreis; Preisangabe; PAngV) OLG Hamm vom 30.8.2012 4 U 59/12 § 6 Abs. 2 ElektoG ist als Absatzverbot eine Marktverhaltensnorm i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Werbung für ein Produkt als „Produkt des Jahres“ ist eine Irreführung des Verbrauchers, wenn wesentliche Grundinformationen über den Veranstalter der Wahl und die Art und Auswahl der prämierten Produkte nicht zur Verfügung gestellt werden. (Marktverhaltensregelung; Irreführende Werbung; § 4 Nr. 11 UWG; Produkt des Jahres)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Frankfurt a.M. vom 9.8.2012 6 U 91/12 Eine Website die mit dem Satz wirbt: „Diese Seite wird empfohlen von …“ liegt darin eine Irreführung, wenn der „Empfehlende“ eine solche Empfehlung gar nicht abgegeben hat, sondern lediglich eine bestimmte Option der Website nutzt, da erwartet wird das ein Unternehmen oder Produkt von einem Empfehlenden zunächst geprüft und bewertet wird und anschließend die Empfehlung ausgesprochen wird und nicht nur genutzt wird. (Irreführende Werbung; Empfehlung von Dritten) OLG München vom 2.8.2012 29 U 1471/12 Die Werbung mit einer Fernbehandlung von Krankheiten im Internet verstößt gegen § 9 HWG, eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. (Marktverhaltensregelungen) OLG Dresden vom 3.7.2012 14 U 167/12 Wirbt eine Website mit einem Siegel auf dem Fett „Empfehlung“ steht beworben, so liegt darin eine Irreführung, wenn das Siegel nicht auf Grund einer objektiven Bewertung vergeben wurde, da die Verbraucher davon ausgehen, eine Empfehlung beruhe auf einer objektiven Bewertungsmethode. (Irreführende Werbung; Siegel) OLG Hamm vom 28.6.2012 4 U 69/12 Im Falle eines Mindermengenzuschlages genügt es nicht, wenn über diesen erst durch das Anklicken des Wortes „Versandkosten“ in einem Sternchenhinweistext mit den Worten: „Alle Preise inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer, zuzüglich Versandkosten“ aufgeklärt wird. (Mindermengenzuschlag; Endpreisangabe; PAngV) OLG Brandenburg vom 26.6.2012 6 U 34/11 Eine Irreführung der Verbraucher liegt vor, wenn ein Unternehmen auf seiner Webseite mit einem Gütesiegel eines privatwirtschaftlichen Unternehmens wirbt, dessen Name bei einem Durchschnittsverbraucher den Eindruck erweckt, dass es sich um ein Siegel einer öffentlichen oder unter öffentlichen Aufsicht stehenden Einrichtung handelt. (Irreführende Werbung; Gütesiegel)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG München vom 10.5.2012 29 U 515/12 Wird ein Wikipedia-Artikel bewusst falsch umgeschrieben, so dass dadurch der Absatz eines Produktes gefördert werden kann, so liegt darin verschleiernde Werbung i.S.d. § 4 Nr. 3 UWG. Der angesprochene Verkehrskreis wird in einem Wikipedia-Eintrag keine Wirtschaftswerbung, sondern neutrale Recherchen Dritter erwarten. Das Wikipedianutzern dabei bewusst ist, dass Einträge bei Wikipedia fehlerhaft sein können ändert nichts an dieser Bewertung. (Wikipedia; verschleiernde Werbung) OLG Karlsruhe vom 9.5.2012 6 U 38/11 Das in § 4 Abs. 1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist eine Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne von § 4 Abs. 11 UWG, soweit sich der Marktteilnehmer auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um die Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke zu rechtfertige. Das BDSG bezweckt in einem solchen Fall den Schutz des Betroffenen als Marktteilnehmer. (Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung) OLG Karlsruhe vom 7.5.2012 6 U 18/11 Stellt ein Internetportal die „Spitzenmediziner Deutschlands“ vor, so liegt darin noch keine Spitzenstellungswerbung, weil die Mediziner dieser Liste für den Eintrag gezahlt haben, sondern erst, wenn die Mediziner dieser Liste nicht auf Grund entsprechender Kriterien beurteilt wurden, die sie von einem Durchschnittsmediziner abhebt. (Irreführende Werbung; Spitzenstellungsbehauptung) OLG Hamburg vom 15.2.2012 3 W 92/11 Ein Rechtsanwalt, der namens seines Mandanten, dem die Inanspruchnahme wegen Verfügbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke über eine InternetTauschbörse droht, „vorbeugende Unterlassungserklärungen“ an eine Rechtsanwaltskanzlei versendet, verstößt gegen § 7 Abs. 1 UWG bzw. § 823 Abs. 1 BGB, wenn diese Erklärungen eine Vielzahl von Rechtsanwaltskanzleien, Rechteinhabern und Werktiteln nennen und die angeschriebene Rechtsanwaltskanzlei hinsichtlich der betroffenen Werke nicht mandatiert ist. (unzumutbare Belästigung) OLG München vom 9.2.2012 6 U 2488/11 Das Einstellen eines natürlichen Namens als Metatag in den Quellcode einer Website ist ein Namensgebrauch i.S.d. § 12 BGB. Eine Zuordnungsverwirrung als Anspruchsvoraussetzung des § 12 BGB liegt bereits dann vor, wenn aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs der unrichtige Eindruck hervorgerufen wird, der Na-
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G. Wettbewerbsrecht mensträger habe dem Gebrauch seines Namens durch den Internetnutzer zugestimmt. (Namensgebrauch; Metatag) OLG Hamm vom 9.2.2012 I-4 U 70/11 Gibt ein gewerblicher Betreiber eines Online-Erotik-Shops bei dem Angebot eines Gleitgels in einer Verpackungsgröße von 200 Millilitern lediglich den Endpreis und nicht den Grundpreis pro 100 Millilitern an, so liegt hierin ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregel des § 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV. Fehlt die Angabe des Grundpreises völlig, ist eine solche Rechtsverletzung immer wesentlich. (Marktverhaltensregeln) Kammergericht vom 26.1.2012 23 W 2/12 Kann ein Endpreis nicht gebildet werden, so sind die Kosten auf andere Weise hinreichend deutlich kenntlich zu machen und im Hinblick auf § 1 Abs. 1, 6 PAngV müssen die einzelnen Preisbestandteile müssen angegeben werden. (Werbung; PAngV; Endpreis) Kammergericht vom 24.1.2012 5 W 10/12 Eine ausreichende Abgrenzung zwischen „Werbung“ und „redaktionellen“ Teil ist bei Bannerwerbung am Rand oder Seitenende stets gegeben, da jeder Internetnutzer – auch im Kindesalter – ganz von Anfang der ersten Nutzung an sofort daran gewöhnt wird, dass es solche Trennung von „eigentlichen“ Inhalten im optischen Zentrum eines Internetauftritts und Bannerwerbung in dessen Randbereichen gibt. Entscheidend für die Bewertung einer Werbung als versteckt oder offensichtlich gilt ist der Gesamteindruck der Webseite. (Irreführung; verschleierte Werbung; Bannerwerbung) OLG Hamm vom 12.1.2012 4 U 107/11 Eine AGB-Klausel eines Versandhändlers, die bestimmt, dass die Lieferfrist eine „in der Regel-Frist“ ist, verstößt gehen § 308 Nr. 1 Alt. 2 BGB und somit gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. (AGB; Marktverhaltensregelung; Lieferzeit „in der Regel“; § 4 Nr. 11 UWG) OLG München vom 12.1.2012 29 U 3926/11 Das in § 4 Abs. 1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist keine Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne von § 4 Abs. 11 UWG. Das Datenschutzrecht ist Ausfluss des Persönlichkeitsrechts und schützt ganz allgemein diese Individualrechtsposition, nicht jedoch die Rolle als Marktteilnehmer. (Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Kammergericht vom 4.1.2012 24 U 90/10 Ein Internetportal zur Buchung von Flugreisen muss stets den zu zahlenden Endpreis auszuweisen. Dieser muss den anwendbaren Flugpreis sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen. (Flugpreis; Endpreis; Service Charge; Steuern; Zuschläge) Kammergericht vom 9.12.2011 5 U 147/10 Werden bei der Buchung von Flügen über Onlineportale bei Zahlung mit Kreditkarte Gebühren erhoben, so müssen diese bei der Endpreisangabe enthalten werden, wenn keine echte kostenfreie Zahlungsalternative angeboten wird. (Endpreis; Flugbuchungsgebühren; AGB) Kammergericht vom 6.12.2011 5 U 144/10 Eine Verletzung der Informationspflichten aus § 5a Abs. 4 UWG ist stets „spürbar“ im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 UWG und kann daher kein Bagatellverstoß darstellen. (Bagatellverstoß; Informationspflichten) OLG Düsseldorf vom 22.11.2011 I-20 U 68/11 Wird auf einer Website ein Bild hinterlegt, in dessen HTML-Tag das Attribut „alt =“ enthalten ist, so beeinträchtigt dies die Herkunftsfunktion der ebenfalls durch diesen Wortbestandteil geschützten Gemeinschaftsbildmarke. Das „alt =“-Attribut des img-Tags dient nämlich dazu, einen Text anzugeben, der anstelle des Bildes ausgegeben wird, wenn der Internet-Browser Bilder nicht darstellt. (HTML-Tag; Herkunftsfunktion) OLG Celle vom 17.11.2011 13 U 168/11 Eine Kanzlei die sich in ihrem Webauftritt als „Kanzlei-Niedersachsen“ bezeichnet, verstößt nicht gegen das Sachlichkeitsgebot und beinhaltet keine Spitzenstellungswerbung, da der durchschnittliche Verbraucher darin lediglich eine geografische Herkunftsbezeichnung und nicht die „Niedersächsische Staatskanzlei“ verstehen wird. (Irreführende Werbung; Berufsrecht) Kammergericht vom 21.10.2011 5 U 93/11 – PostIdent-Special-Verfahren Soll ein Verbraucher bei Unterschriftsleistung an seiner Wohnungstür gegenüber dem Briefträger bei Entgegennahme einer „PostIdent-Sendung“ nicht etwa nur deren Empfang quittieren, sondern eine zum Vertragsschluss mit dem Absender füh-
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G. Wettbewerbsrecht rende Willenserklärung dokumentieren (wobei zugleich durch Ausweiskontrolle seine Identität festgestellt und dokumentiert wird), dann ist das eine „wesentliche Information“ im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. Hierüber ist der Verbraucher (bei Fernabsatzgeschäften vor der Zusendung klar und verständlich) zu informieren. An das Ausmaß der Deutlichkeit dieser Information sind hohe Anforderungen zu stellen. Denn diese Vorgehensweise ist für den durchschnittlichen Verbraucher höchst ungewöhnlich, und er wird „hereingelegt“, wenn er – mangels deutlicher vorheriger Aufklärung – glaubt, mit seiner Unterschrift lediglich zu quittieren, in Wirklichkeit aber kontrahiert. (Vertragsschluss; Aufklärungspflicht; wesentliche Informationen) OLG Hamm vom 13.10.2011 4 U 99/11 Wir bei der Widerrufsbelehrung im Rahmen eines Fernabsatzvertrages auf die frühere BGB-InfoV, anstatt auf die geltenden Art. 246 §§ 1–3 EGBGB verwiesen, liegt darin ein Wettbewerbsverstoß, da die Art. 246 §§ 1–3 EGBGB Vorschriften zur Regelung des Marktverhaltens i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG sind. (Widerrufsbelehrung; Marktverhaltensvorschriften; § 4 Nr. 11 UWG) OLG Hamm vom 2.8.2011 4 U 93/11 „Wir garantieren den niedrigsten Preis“ ist nicht irreführend, wenn der Händler einen günstigen Preis als das Vergleichsangebot nur gewährt, wenn das Angebot von einem „autorisierten Händler“ und über eine „handelsübliche Menge“ abgegeben wird und der Kunde rechtzeitig darüber hingewiesen wird. (Irreführende Werbung; Niedrigpreisgarantie) OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2011 6 W 55/11 Eine AGB Klausel mit der die Lieferzeit „in der Regel“ nach einer bestimmten Zeit erfolgt ist unwirksam. § 308 Nr. 1 BGB stellt eine Norm zur Regelung des Marktverhaltens i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar. (§ 4 Nr. 11 UWG; AGB; Marktverhaltensregelung) OLG Köln vom 15.7.2011 6 U 34/11 Wirbt ein Unternehmen für den E-Postbrief mit den Slogans „Alle wollen den E-Postbrief“ und „Ich nutze jetzt für alles den E-Postbrief“, liegt darin eine Irreführung der Verbraucher, wenn nur ein geringer Anteil (weniger als 2 %) der Verbraucher sich tatsächlich für den E-Postbrief registriert hat und nicht alles, was mit einem herkömmlichen Brief versandt werden kann auch mit dem E-Postbrief versandt werden kann. (Irreführende Werbung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Nürnberg vom 7.6.2011 3 U 2521/10 Die mit einer bestimmten Orts- oder Regionalbezeichnung verbundene Verwendung des Titels einer Bierkönigin kann zu einem fehlgeleiteten Verbraucherverständnis führen, wenn sie ausschließlich durch und für eine von mehreren ortsansässigen oder in der Region angesiedelten Brauereien erfolgt. (Verbraucherverständnis) Kammergericht vom 1.6.2011 24 U 111/10 Werden bei Onlineflugbuchungen Kreditkartengebühren erhoben, so dürfen diese nicht erst kurz vor Buchungsabschluss in den Endpreis eingerechnet werden, wenn nicht bereits erheblich früher auf die Zusatzgebühren durch die Kreditkartenzahlung hingewiesen wird. (Endpreis; Flugbuchung; Kreditkartengebühren) OLG Köln vom 1.6.2011 6 U 4/11 Hat sich eine Versicherung gegenüber einem Bestandskunden verpflichtet, an diesen keine Werbe-E-Mails (mehr) auszusenden und verstößt sie anschließend ein erstes Mal schuldhaft gegen diese Vereinbarung, so entspricht der Betrag von 500 Euro für die Vertragsstrafe billigem Ermessen i.S.d. § 315 BGB, weil durch ihn der eingetretene – immaterielle – Schaden ausgeglichen und auf die Schuldnerin hinreichender Druck ausgeübt wird, ihre Verpflichtung zukünftig einzuhalten. (Werbe-E-Mails) Kammergericht vom 29.4.2011 5 W 88/11 § 13 Abs. 1 TMG hat eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion, da die Vorschrift den Verbraucher u.a. vor unerwünschter Werbung und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Privatsphäre schützen soll. Die Norm ist daher eine Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. (TMG; Marktverhaltensregelung) OLG Düsseldorf vom 18.4.2011 I-20 W 2/11 Die Verwendung eines mit einer Gemeinschaftsmarke identischen Zeichens als Werbe-Keyword in einer Internet-Suchmaschine für die Bewerbung identischer Waren begründet einen Unterlassungsanspruch des Gemeinschaftsmarkeninhabers, wenn durch die beanstandete Verwendung die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke ist nur dann nicht anzunehmen, wenn der Internetnutzer aufgrund des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft erkennen kann, dass der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter ist. (Herkunftshinweisende Funktion)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Köln vom 12.4.2011 6 W 99/11 Werbe-SMS an einen Mobiltelefonanschluss sind in der Regel auch dann unzulässig, wenn sie für einen Familienangehörigen des Anschlussinhabers bestimmt sind, der dem Werbenden die Nummer des Anschlusses ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Anschlussinhabers als Zustelladresse mitgeteilt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Familienangehörige mit dem Einverständnis des Anschlussinhabers rechnet und ob dieser sich durch die SMS tatsächlich belästigt fühlt. (Telefonwerbung; Einwilligung) Kammergericht vom 18.3.2011 5 W 59/11 Das Erfordernis der „Ähnlichkeit“ in § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist in der Regel erfüllt, wenn die bereits erworbenen Produkte oder Dienstleistungen mit den beworbenen Produkten oder Dienstleistungen austauschbar sind. (Werbung in laufenden Geschäftsbeziehungen; Ähnlichkeit) OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2011 6 U 231/09 Bietet ein Unternehmen auf der Seite seines Online-Shops ein Produkt für einen bestimmten Preis an, stellt diesem Angebot jedoch den Hinweis hinzu: „Dieses Produkt kannst Du leider nicht online, bzw. über die … Homeshopping kaufen. Überprüfe, ob es in Deinem … Einrichtungshaus verfügbar ist. Die Preise können in den … Einrichtungshäusern variieren.“, liegt darin eine Irreführung des Verbrauchers, wenn im Einrichtungshaus der Preis über dem des Webshops liegt. (Irreführende Werbung; Preisangabe) OLG Köln vom 23.2.2011 6 U 178/10 Die Verwendung der Suchbegriffe „Diplomarbeit“ und „kaufen“ im Quelltext der Internetseite eines „akademischen Ghostwriters“ zur Suchmaschinenbeeinflussung in dem Sinne, dass die Seite bei entsprechender Eingabe auf einem oberen Platz angezeigt wird, stellt keine Irreführung des angesprochenen Verkehrs dar, wenn nur legale Hilfestellungen bei der Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten angeboten werden. (Suchbegriffe; Irreführung) OLG Hamm vom 1.2.2011 4 U 196/10 Bei Lieferung eines Onlineshops auf deutsche Inseln hat der Verkäufer die Versandkosten auf die Inseln auch anzugeben, wenn der Versand direkt durch den Lieferanten des Verkäufers direkt erfolgt und der Lieferant gegenüber dem Verkäufer weder eine Versandpauschale, noch Kriterien für die entsprechende Berechnung der Versandkosten von vornherein angibt. (Versandkosten; PAngV)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamm vom 21.12.2010 4 U 142/10 Zu den Vorschriften zur Regelung des Marktverhaltens i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG gehören die Ebay-Grundsätze nicht. Ein Verstoß gegen die Ebay-Grundsätze stellt auch keine allgemeine Marktbehinderung im Sinne von § 3 UWG oder gezielte Behinderung von Mittbewerbern im Sinne von § 4 Nr. 10 dar. (Ebay; Marktverhaltensregelungen; §§ 3, 4 Nr. 10, 11 UWG) OLG Frankfurt a.M. vom 9.12.2010 6 U 171/10 Die Verwendung einer Marke als Schlüsselwort für eine Adword-Werbung, in der die Marke selbst nicht erscheint, stellt nur dann keine markenmäßige, d.h. Herkunftsfunktion beeinträchtigende Benutzung dar, wenn sich aus dem Inhalt der Anzeige unzweifelhaft ergibt, dass mit der Werbung keine vom Markeninhaber oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen stammenden Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. (Keyword-Advertising; Herkunftsfunktion) OLG Braunschweig vom 24.11.2010 2 U 113/08 Wer Adword-Anzeigen unter Wahl der Option „weitgehend passende Keywords“ aufgibt, ist auch für Markenrechtsverletzungen verantwortlich, die dadurch erfolgen, dass über diese Funktion von Google ein eine fremde Marke enthaltendes Keyword zur Liste der Keywords hinzugefügt wird, bei dem die Anzeige erscheint. Das gilt jedenfalls dann, wenn das hinzugefügte Keyword bei Buchung der Anzeige auf der aufrufbaren Liste der hinzugefügten Keywords erscheint und abgewählt werden kann. (Keyword-Advertising) OLG Hamm vom 23.11.2010 4 U 136/10 In der Werbung mit Kundenbewertungen liegt eine Irreführende Werbung i.S. von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, wenn das Unternehmen das Unternehmen die Kunden für ihre Bewertung mit geldwerten Vorteilen entlohnt und in den Kundenbewertungen nicht darauf hingewiesen wird. (Irreführende Werbung; Kundenbewertungen) OLG Köln vom 19.11.2010 6 U 73/10 Das in § 4 Abs. 1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist eine Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne von § 4 Abs. 11 UWG, soweit sich der Marktteilnehmer auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um die Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke zu rechtfertige. Das BDSG bezweckt in einem solchen Fall den Schutz des Betroffenen als Marktteilnehmer. (Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung)
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G. Wettbewerbsrecht Kammergericht vom 26.8.2010 23 U 34/10 Eine Einverständniserklärung zur Nutzung persönlicher Daten bei der der Teilnehmer eines Preisausschreibens hingegen erklärt: „Ich bin auch damit einverstanden, dass … meine Daten für Zwecke der Werbung, Marktforschung und Beratung nutzt und selbst oder durch Dritte verarbeitet und dass mir schriftlich, … weitere interessante Angebote unterbreitete werden.“, ist keine Teilnahmebedingung, da es offensichtlich ersichtlich ist, dass das Einverständnis keine Vorraussetzung für die Teilnahme ist. (Preisausschreiben; Einverständniserklärung; Werbung) OLG Naumburg vom 13.8.2010 1 U 28/10 Der Betreiber einer Internet-Angebotsseite für die Vermittlung von Betreuungsdienstleitungen, verstößt gegen die Impressumspflicht, wenn sich auf der Seite ein Feld befindet „Ich freu mich auf E-Mails“ und es sich dabei um einen Link handelt, hinter dem sich die vollständige E-Mailadresse verbirgt. (Impressumspflicht) OLG Hamburg vom 2.6.2010 5 W 59/10 Auch ein Internethändler, der Motorenöle im Versandhandel vertreibt, muss private Endverbraucher gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO darauf hinweisen, dass das Altöl bei einer von ihm zu bezeichnenden Annahmestelle kostenlos zurückgegeben werden kann. (Hinweispflicht nach Altölverordnung) OLG Frankfurt a.M. vom 20.5.2010 6 U 33/09 Ein im Sinne von § 10 UWG vorsätzlicher Wettbewerbsverstoß (hier durch eine sogenannte Kostenfalle im Internet) erfordert auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Der hierfür ausreichende Eventualvorsatz ist gegeben, wenn das Angebot nach den Gesamtumständen bezweckt, jedenfalls einen Teil der angesprochenen Verbraucher zu täuschen. Unter diesen Umständen kann sich der Verletzer zumindest nach Erhalt einer Abmahnung nicht mit Erfolg auf eine anders lautende Auskunft eines Anwalts berufen. Eine durch den Wettbewerbsverstoß verursachte Gewinnerzielung zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern liegt auch dann vor, wenn die Verbraucher, die für das geleistete Entgelt keine brauchbare Gegenleistung erhalten haben, ihnen zustehende Anfechtungs- oder Rückforderungsrechte – sei es aus Unkenntnis über das Bestehen dieser Rechte, sei es um einer Auseinandersetzung hierüber aus dem Wege zu gehen – nicht geltend machen und infolge dessen verlieren. (Abo-Falle; Preisangabe; PAngV; vorsätzlicher Rechtsverstoß; Eventualvorsatz)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamm vom 10.5.2010 4 W 48/10 Werden Bildschirmgrößen für digitale Bilderrahmen oder MP3-Player in Zoll ohne zusätzliche cm-Angabe angegeben, so verstößt dies grundsätzlich gegen §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 EinhZeitG. Da sich dieser Verstoß aber nicht dahingehend auswirkt, dass Verbraucher durch die alleinigen Zollangaben bestimmte, hierdurch beeinflusste abweichende geschäftliche Entscheidungen treffen, weder im Rahmen der Kaufentscheidung noch im Abwicklungsstadium, ist dieser Verstoß nicht wettbewerbswidrig. (Bagatellklausel) OLG Thüringen vom 21.4.2010 2 U 88/10 Von einer ausdrücklichen Einwilligung des Kunden im Hinblick auf den Empfang von E-Mail-Werbung in Form eines Newsletters kann nicht gesprochen werden, wenn die entsprechende Einverständniserklärung im Rahmen der Bestellung einer Ware mit einem Haken „voreingestellt“ war, der Kunde also den Haken entfernen musste, wenn er keinen Newsletter erhalten wollte. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG reicht es nicht aus, wenn bei der Erhebung der E-Mail-Adresse im Rahmen der Eröffnung des Kundenkontos lediglich auf die Möglichkeit hingewiesen wird, dass die Einwilligung jederzeit ohne Kosten widerrufen werden. (Einwilligung in E-Mail-Werbung; Widerrufsmöglichkeit) Kammergericht vom 13.4.2010 5 W 62/10 Wirbt ein kleingewerblicher Händler in einem Angebot auf der Internetplattform Ebay mit dem Hinweis „Versand in alle anderen Länder weltweit auf Anfrage“ und gibt er dabei nur die Versandkosten für die Europäische Union und die Schweiz an, kann ein bloßer Bagatellverstoß nach § 3 Abs. 1 UWG vorliegen. (Versandkosten; Bagatellverstoß) OLG Hamburg vom 25.3.2010 MMR 2010, 408 = WRP 2010, 795 (Ls.) Beinhaltet eine blickfangmäßige Preisangabe nicht alle nach § 1 PAngV erforderlichen Informationen, können die fehlenden Angaben durch klare und unmissverständliche Sternchenhinweise erfolgen, wenn ihre Zuordnung zum Preis gewahrt bleibt. (Preisangaben; Sternchenhinweis) OLG Hamm vom 28.1.2010 MMR 2010, 330 Es ist fraglich, ob es für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 7 UWG überhaupt erforderlich ist, dass bestimmte Mitbewerber in einem herabsetzenden Ratgeber im Inter-
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G. Wettbewerbsrecht net als Betroffene erkennbar gemacht werden. Ausreichend ist jedenfalls die Schilderung des Verhaltens eines bestimmten Konkurrenten. (Herabsetzung von Mitbewerbern) OLG Hamm vom 26.1.2010 4 U 141/09 Wird der Verbraucher mit einem Link, den er benutzen muss, um Näheres über das Angebot zu erfahren, zu dem aufklärenden Hinweis geführt, dass nur eine Bestellung zu dem beworbenen Preis erfolgen kann, ist nicht von einer Irreführung auszugehen, wenn die verknappte schlagwortartige Werbung in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit der klarstellenden Werbeaussage auf den Angebotsseiten steht, auf die der Verbraucher stets gelangt, wenn er sich näher auf das Angebot einlassen will. (Abgabemenge; Irreführung) OLG Köln vom 26.1.2010 19 W 2/10 Will eine Online-Game-Liga gegen einen Spieler wegen der Nutzung einer unerlaubten Cheatsoftware vorgehen, so muss sie den Nachweis, dass sich das Programm auf dem Rechner des Nutzers zur Tatzeit befand, mangels Zugriff auf den Rechner des Spielers nicht führen. Sie muss lediglich die behaupteten Auffälligkeiten im Spiel, welche den Schluss auf einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen rechtfertigen konkret darlegen und unter Beweis stellen. (Darlegungslast; Cheatsoftware) OLG Hamm vom 10.12.2009 K&R 2010, 279 Der Grundpreis wurde vorliegend pro 100ml anstatt pro Liter angegeben. Der Verbraucher muss den angegebenen Grundpreis lediglich mit 10 multiplizieren, um zu dem von der Preisangabenverordnung eigentlich geforderten Grundpreis pro Liter zu kommen. Daher liegt nur ein Bagatellverstoß vor, denn solche einfachen Rechenoperationen sind dem Verbraucher zuzumuten. (Grundpreis; Literpreis) OLG München vom 10.12.2009 WRP 2010, 671 Das Setzen von Links, die zu Unterseiten mit werbenden Texten weiterleiten in einem Internetportal mit redaktionell gestalteten Onlineangeboten stellt eine Verschleierung i.S. des § 4 Nr. 3 UWG dar. (Schleichwerbung; Links) OLG Hamburg vom 26.11.2009 MDR 2010, 154 = ITRB 2010, 131 (Stadler) § 477 Abs. 1 BGB, der Anforderungen an Abfassung und Inhalt einer Garantieerklärung i.S.d. § 433 BGB enthält, ist jedenfalls auch dazu bestimmt, gemäß § 2
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Abs. 1 Nr. 2 UWG im Interesse der Mitbewerber und Verbraucher das Marktverhalten zu regeln. Beinhaltet das im Rahmen der Internet-Auktions-Plattform Ebay abgegebene rechtsgeschäftlich bindende Verkaufsangebot eine unselbständige Garantie, so muss Abfassung und Inhalt des Verkaufsangebots § 477 BGB genügen. (Garantieerklärung; Internetauktion) OLG Karlsruhe vom 25.11.2009 CR 2010, 116 = WRP 2010, 412 = K&R 2010, 53 Selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, sind als ein mit EG-Recht vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs und damit nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sofern sich die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden. Die Anwendung der genannten Grundsätze ist nicht auf den Vertrieb von Luxuswaren beschränkt, die eine „Aura des Exklusiven“ für sich beanspruchen. Sie gelten z.B. auch dann, wenn ein Hersteller von Markenartikeln diese unter Anknüpfung an objektive Produkteigenschaften als hochpreisige Spitzenprodukte positioniert und deshalb Anforderungen an die Wiederverkäufer stellt, die auf eine angemessene Präsentation der Sortimentstiefe, eine fachkundige Beratung und eine Pflege des Markenimage zielen. (Selektives Vertriebssystem; Internethandel; Ebay; Vertriebsausschluss) OLG Dresden vom 24.11.2009 MMR 2010, 465 Es wird nur dann im Sinne von § 5 EnVKV sichergestellt, dass den Interessenten vor Vertragsabschluss die dort genannten erforderlichen Angaben zur Kenntnis gelangen, wenn sämtliche Angaben im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot erscheinen. Die Hinterlegung auf Unterseiten und ohne konkreten Bezug zu dem jeweiligen beworbenen Gerät genügt nicht. (Energieverbrauchskennzeichnungspflicht) OLG Düsseldorf vom 24.11.2009 MMR 2010, 100 = K&R 2010, 62 Der Geschäftsführer eines Betriebes hat diesen so zu organisieren, dass sichergestellt ist, dass Werbe-E-Mails lediglich an Personen verschickt werden, von denen eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Tut er das nicht, verletzt er seine wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten. Ist der Werbende Betrieb durch Kauf einer Adressdatenbank von einem Dritten an die Adressdaten gekommen, so hat er nachzuprüfen ob eine Einwilligung tatsächlich vorlag. Eine Überprüfung ist ohne weiteres möglich, besonders im Hinblick darauf, dass die Einwilligung ausdrücklich erfolgt sein muss, was regelmäßig auf irgendeine Weise dokumentiert bzw. anderweitig nachvollziehbar sein dürfte. (E-Mail Werbung; Adressdatenbanken; wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Hamm vom 17.11.2009 4 U 148/09 Können die Liefer- und Versandkosten im Fernabsatzvertrieb aus bestimmten Gründen im Vorhinein nicht angegeben werden, so müssen zumindest die Grundlagen der Berechnung angegeben werden. Dies gilt auch für Versandkosten ins Ausland. § 477 BGB ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. (Preisangabe; Versandkosten ins Ausland; PAngV; Marktverhaltensregelung) Kammergericht vom 18.9.2009 WRP 2010, 164 (Ls.) Bei Tests und Gewinnspielen im Internet, bei denen der Nutzer seine persönlichen Daten preiszugeben hat, müssen Kosten die anfallen deutlich kenntlich gemacht werden. Sie sind für Verbraucher nicht deutlich Wahrnehmbar, wenn sie erst am Ende der Seite angegeben sind und man zu ihnen herunterscrollen muss. (Abo-Fallen; Preisangaben) OLG Köln vom 18.9.2009 ITRB 2010, 159 (Engels) Nicht ausreichend ist es, wenn Pflichtangaben über einen Hyperlink zu erreichen sind, der sich am unteren Ende der Seite nicht eindeutig hervorgehoben neben anderen Links befindet. (Pflichtangaben; Link) OLG Brandenburg vom 17.9.2009 WRP 2009, 1420 Fehlt im Impressum einer Internetpräsentation die vollständige Firma der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG und der Geschäftsführer dieser Firma, so ist ein Mitbewerber nicht spürbar beeinträchtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verbraucherverhalten durch das Fehlen der Angaben im besonderen Maße beeinflusst wird. (Impressumspflicht; fehlende Angaben) OLG Stuttgart vom 20.8.2009 WRP 2009, 1580 Ein überwiegender, jedenfalls aber wettbewerbsrechtlich nicht zu vernachlässigender Teil des maßgeblichen Verkehrs wird bei einem Internetshop, der die Aussage „Ihre 24 h Internet Tierapotheke“ enthält, annehmen, es mit einer zugelassenen Apotheke zu tun zu haben, die Arzneimittel für den Veterinärbereich vertreiben dürfe. Eine solche Werbung ist daher irreführend i.S.d. § 5 UWG, wenn der Inhaber nicht über eine solche Zulassung verfügt. (irreführende Werbung; Tierapotheke)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Köln vom 14.8.2009 6 U 70/09 Das in § 4 Abs. 1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist eine Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne von § 4 Abs. 11 UWG, soweit sich der Marktteilnehmer auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um die Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke zu rechtfertige. Das BDSG bezweckt in einem solchen Fall den Schutz des Betroffenen als Marktteilnehmer. (Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung) OLG Hamm vom 13.8.2009 MMR 2010, 28 Wird für ein bestimmtes Angebot im Internet geworben, so ist mit dem Garantiehinweis gleichzeitig eine Erklärung zu dessen Bedienung und Wirkung abzugeben. (Werbung; Garantieerklärung) Kammergericht vom 11.8.2009 MMR 2010, 799 (Ls.) Die werbende Bezeichnung maßkonfektionierter Bekleidung als „Maßhemd“ bei über das Internet zu beziehenden Angeboten ist jedenfalls dann nicht irreführend, wenn der Verbraucher unter diversen Stoffen, Schnitten, Farbkombinationen usw. wählen und er weiterhin eine Vielzahl seiner individuellen Körpergröße (Halsumfang, Brustumfang, Bauchumfang usw.) vorgeben kann. Die werbende Bezeichnung derart maßkonfektionierter Bekleidung als „maßgeschneiderte Hemden“ ist hingegen irreführend. (irreführende Werbung) OLG Hamm vom 4.8.2009 MMR 2009, 29 = K&R 2009, 814 Hat der Betreiber einer Internetseite auf seiner Seite eine Verweis mit „Rechtlichen Informationen des Verkäufers“ und befindet sich das Impressum dort nicht, sonder in einer „Mich-Seite“, so sind Klarheit und Verständlichkeit der Informationen i.S.d. § 5 TMG nicht gegeben. (Impressum; Inhalt; Mich-Seite) OLG Hamburg vom 29.7.2009 5 U 43/08 Bei vorformulierten Einverständniserklärungen in die Zusendung von Werbung im Rahmen von Internet-Angeboten handelt es sich um Vertragsklauseln, auf die die für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Rechtsgrundsätze der §§ 305 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind. (E-Mail-Werbung; Einverständnis; AGB)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Hamm vom 17.7.2009 4 U 148/09 Ungenügende oder falsche Angaben auf einer Angebotsseite stellen einen Verstoß § 312c Abs. 1 BGB dar. Dies kann nicht durch richtige Angaben der Informationen im Impressum abgewendet werden. (Anbieterkennzeichnung auf einer Angebotsseite; Impressum) OLG Hamm vom 2.7.2009 MMR 2009, 850 Auch wenn noch keine verbindliche Vertragserklärung durch den Verbraucher abgeben wurde müssen Versandkosten vor Einleitung des Bestellvorgangs angegeben werden. Werden bei Möbel die Versandkosten nur pro Kubikmeter angegeben, so liegt darin keine ausreichende Versandkostenangabe. (Versandkosten; Angabe in Kubikmetern) OLG München vom 2.7.2009 CR 2009, 810 = MMR 2010, 35 = K&R 2009, 729 = GRUR-RR 2009, 394 Untersagt ein Unternehmen seinen Händlerkunden den Weitervertrieb seiner Waren über Internet-Auktionsplattformen, so liegt darin keine Beschränkung des Kundenkreises i.S.d. Art. 4 lit. b) der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung. (Vertriebsverbot; Internetauktionsplattform) OLG Hamm vom 18.6.2009 CR 2010, 196 = MMR 2010, 36 Macht sich ein Suchmaschinenoptimierer Verfahren zu Nutze, die nicht mehr als Suchmaschinenoptimierung, sonder eher als Suchmaschinenmanipulation angesehen werden können zu Nutze, so ist darin eine gezielte Behinderung der Mitbewerber zu sehen. (Suchmaschinenoptimierung; Suchmaschinenmanipulation) OLG Koblenz vom 17.6.2009 MMR 2010, 38 = K&R 2009, 812 Wird eine bereits widerrufene Ware an einen Verbraucher versendet liegt darin eine unlautere Wettbewerbshandlung. (Warenübersendung; Widerrufserklärung) OLG Hamm vom 16.6.2009 K&R 2009, 813 Es reicht auf einer Handy-Internetseite nicht aus den User mit der Begründung von technischen Kapazitäten darauf hinzuweisen, dass er bestimmte Informationen, zu denen der Portalbetreiber verpflichtet ist, auf einer normalen Internetseite findet, um der Informationspflicht nachgekommen zu sein. (Preisangaben; M-Commerce)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Köln vom 5.6.2009 CR 2009, 576 = K&R 2009, 588 Werden Internetnutzern im Rahmen einer Mitgliedschaft einer Internetgemeinschaft die Möglichkeiten eingeräumt, den Breitbandinternetzugang eines Dritten, der auch Mitglied in der Gemeinschaft ist, zu nutzen, ist dies wettbewerbswidrig, besonders wenn der Dritte Kunde eines Mitglieds der Gemeinschaft ist. (Access-Providing-Vertrag; Internetgemeinschaft) OLG Hamm vom 4.6.2009 NJW-RR 2010, 344 = MMR 2009, 861 = GRUR-RR 2010, 36 Erweckt eine Anzeige im Internet aufgrund ihrer verkürzten Darstellung eine zunächst „irreführende“ Vorstellung, so kann eine nachträgliche Aufklärung erfolgen, wenn der Nutzer durch die Anzeige auf die Homepage des Werbenden geführt wird, auf der sofort ein Hinweis mit entkräftende Wirkung befindet. Wer mit „beste Preise“ wirbt, meint damit „sehr gute Preise“. (Irreführende Werbung; Lieferung innerhalb 24 Stunden; „beste Preise“) OLG Frankfurt a.M. vom 4.6.2009 MMR 2009, 577 (Ls.) Das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet ist mit dem verfassungsrecht und dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Wer über das Internet die Möglichkeit anbietet oder verschafft, Sportwetten zu festen Gewinnquoten einzugehen, verstößt gegen § 4 Abs. 4 GlüStV und handelt auch noch wettbewerbswidrig (§ 4 Nr. 11 UWG). (Glücksspiel; Markenverletzungsregelung; § 4 Abs. 4 GlüStV) OLG Köln vom 3.6.2009 MMR 2010, 103 Fehlt in einer Neufahrzeugwerbung auf einer Internetplattform der nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Pkw-EnVKV i.V.m. Abschnitt II Nr. 1 der Anl. 4 vorgeschriebene Hinweis auf den „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen“, sind die Interessen der Verbraucher im Regelfall spürbar beeinträchtigt. (Internetwerbung; Beeinträchtigung des Verbrauchers; Pkw-EnVKV) OLG Hamburg vom 28.5.2009 CR 2009, 609 = MMR 2010, 178 Bietet ein Luftfahrtunternehmen ein internetgestütztes Flugbuchungssystem an, dessen Nutzung zum Zweck des kommerziellen Weiterverkaufs gebuchter Flüge es nicht gestattet, so stellt die Vornahme von kommerziellen Buchungen zwecks Weiterverkaufs in Kenntnis des entgegenstehenden Willens des Luftfahrtunternehmens eine unlautere Mitbewerberbehinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG in der Form des Schleichbezugs dar. Die von § 21 Abs. 2 S. 3 LuftVG den Luftfahrtunternehmen im Linienflugverkehr auferlegte Verpflichtung, mit jedermann Beförderungsverträge abzuschließen und zu befördern, beinhaltet einen Kontrahierungszwang lediglich hinsichtlich solcher Verträge, die die Beförderung der anderen vertragsschließenden Partei zum Gegenstand haben, nicht aber hinsichtlich
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G. Wettbewerbsrecht solcher Beförderungsverträge, die ein Pauschalreiseveranstalter zugunsten Dritter abzuschließen beabsichtigt. (Screen Scraping; unlautere Behinderung; Schleichbezug) OLG Hamm vom 14.5.2009 MMR 2009, 769 Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen unerlaubter E-Mail-Werbung, die nur für einen bestimmten Personenkreis abgegeben wurde, beseitigt keine Wiederholungsgefahr für nicht in diesem Kreis erfassten Personen. (E-Mail-Werbung; Wiederholungsgefahr; Unterlassungserklärung) OLG Köln vom 29.4.2009 MMR 2009, 470 = WRP 2009, 1416 AGB sind auch Teilnahmebedingungen an Gewinnspielen und Felder die der Nutzer anklicken muss, welches die Einwilligung in Werbung betrifft. Klauseln in AGB durch die man in den Erhalt von Werbung jeder Art einwilligt, halten einer AGB-Kontrolle nicht stand. (E-Mail-Werbung; Einwilligung; AGB) OLG Hamburg vom 16.4.2009 CR 2009, 526 = MMR 2009, 770 Der Vertreib einer Software, die es ermöglicht, in einem automatisierten Verfahren in sehr kurzen Zeitabständen Suchanfragen bei mehreren Online-Automobilbörsen gleichzeitig durchzuführen, und die dort Daten über die gefundenen Fahrzeuge entnimmt und dem Nutzer anzeigt, so dass dieser nicht mehr die Internetseiten der Onlineauktionsbörse aufsuchen muss, verletzt nicht das Datenbankherstellerrecht des Betreibers der Online-Automobilbörse. Der Betreiber der Online-Automobilbörse kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG die Unterlassung des Vertriebs der Software beanspruchen. Insbesondere stellt es keine gezielte Behinderung, sondern nur eine indirekte Folge des Vertriebs der Software dar, wenn es durch ihren Einsatz zu einem erhöhten Datenverkehr kommt und damit die technische Funktionsfähigkeit der Online-Automobilbörse beeinträchtigt werden kann. (Datenbank; Vervielfältigung; gezielte Behinderung; erhöhter Datenverkehr) OLG Hamburg vom 8.4.2009 WRP 2009, 1305 = MMR 2010, 185 Eine blickfangmäßig hervorgehobene Aussage „100 SMS gratis“ ist ausschließlich für das Anlocken des Kunden auf eine Anmeldeseite ursächlich, nicht jedoch auf den daraufhin erfolgten Vertragsschluss, wenn der Verbraucher vor Absenden der Registrierung über den bevorstehenden Vertragsschluss ausreichend aufgeklärt worden ist. (Gratis-SMS; Irreführung; Blickfang)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamm vom 2.4.2009 MMR 2009, 552 = K&R 2009, 504 Das Fehlen der Angabe des Handelsregisters und der Registernummer im Impressum einer Internethändlers kann seit Inkrafttreten der UGP-RL nicht mehr als wettbewerbsrechtliche Bagatelle angesehen werde. Für die Ust.-ID-Nummer oder die Wirtschafts-ID-Nummer gilt dasselbe, auch wenn dadurch keine nennenswertern oder ersichtlichen wettbewerblichen Vorteile resultieren. (Impressumspflicht; Wettbewerbsverstoß; Handelsregister; Ust.-ID-Nr.) OLG Frankfurt a.M. vom 26.3.2009 MMR 2009, 553 Für eine Irreführung (§ 5 UWG) kann ausnahmsweise auch die Täuschung eines eher geringen Teils des angesprochenen Verkehrs ausreichen, wenn nach den Gesamtumständen die Werbung gezielt auf eine solche Täuschung angelegt ist und schützenswerte Interessen des Unternehmens, in dieser Weise werben zu dürfen, nicht ersichtlich, weil die Werbeadressaten, die das Angebot richtig verstehen, eine Inanspruchnahme der angebotenen Leistung nicht ernsthaft in Betracht ziehen werden. Wird das mit dem Unterlassungsantrag begehrte Verbot der konkreten Verletzungshandlung auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße geschützt, haben die Klage oder der Eilantrag schon dann in vollem Umfang Erfolg, wenn die Verletzungshandlung nur einen der gerügten Wettbewerbsverstöße enthält. (Irreführung; Vermarktungsformular als Werbung) OLG Koblenz vom 18.3.2009 MMR 2009, 475 = K&R 2009, 502 Eine Werbung die dem Kunden vorspiegelt, er erhalte ein kostenloses Geschenk, obwohl er nur ein kostenlosen Probeabo erhält, welches sich nach nicht rechtzeitiger Kündigung verlängert ist irreführend und verstößt gegen das UWG. (Blickfangwerbung; Preisangaben; PAngV) OLG Hamm vom 17.3.2009 K&R 2009, 500 Ein Versandhandel kann nicht damit werben, dass er eine Lieferung versichere, wenn er die Ware tatsächlich gar nicht liefern kann. Daher ist eine Werbung mit „Lieferung nach Nachfrage“ irreführend. Der Händler muss dem Kunden immer genau informieren, wann der Kunde mit der Lieferung rechnen kann. (irreführende Werbung; Lieferzeit auf Nachfrage) OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009 CR 2009, 390 = K&R 2009, 343 Die durch das Flugunternehmen aufgestellte pauschale Behauptung, die Vermittlung von Flugtickets im Wege des Screen-Scrapings sei rechtswidrig, stellt daher ebenso eine wettbewerbswidrige Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) dar wie die Ankündigung, auf diese Weise erworbene Flugtickets zu stornieren, und die Stornierung solcher Flugtickets. (Screen-Scraping; Behinderung)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Bremen vom 5.3.2009 MMR 2009, 701 Das in § 4 Abs. 4 GlückStV festgeschriebene Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele gilt auch für das Internet. Es könnte allerdings der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG entgegenstehen. (Glücksspiel; Dienstleistungsfreiheit) OLG Hamburg vom 4.3.2009 CR 2009, 437 = MMR 2009, 557 = K&R 2009, 414 Die Verwendung einer vorformulierten Klausel, mit der die Einwilligung des Verbrauchers in Werbeanrufe eingeholt wird, ist grundsätzlich zulässig. Die Verwendung einer Klausel auf der Teilnehmerkarte für einer Zeitschrift beigefügtes Gewinnspiel, welche sich unter der Rubrik „Telefonnr.“ befindet und lautet: „zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante telefonische Angebote der Z GmbH, freiwillige Angabe, das Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden“ verstößt gegen die § 3, 4 Nr. 11, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie inhaltlich über den erkennbaren Zweck eines derartigen Gewinnspiels hinaus geht. (Telefonwerbung; Einwilligung; Gewinnspiel; AGB) OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2009 MMR 2009, 401 In der Verwendung einer fremden Marke als Metatag liegt dann keine markenmäßige Benutzung, wenn sich bereits aus einem Kurzhinweis in der nach Eingabe des Suchworts erscheinenden Trefferliste ergibt, dass der Begriff nicht auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen hinweisen soll. (Metatags; Trefferliste) Kammergericht vom 27.2.2009 NJW-RR 2009, 1344 = MMR 2009, 773 = GRUR-RR 2009, 316 Es liegt eine Irreführung vor, wenn eine Konzertagentur auf ihrer Internetseite für Karten von Konzerten einer anderen Veranstalterin der Ticketpreis mit zusätzlichen Buchungsgebühren angegeben ist. (Ticketverkauf im Internet; Bearbeitungsgebühr) OLG Hamm vom 29.1.2009 MMR 2009, 774 Werden in einem Onlineangebot unter „Modellbezeichnung“ zahlreiche fremde Markenbezeichnungen aufgeführt, zugleich aber der richtige Hersteller ausdrücklich angegeben, so liegt weder eine irreführende Werbung noch eine Rufausbeutung vor. (Modellbezeichnung; irreführende Werbung; Rufausbeutung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Braunschweig vom 16.12.2008 CR 2009, 334 Wer bei Google ein generisches Wort als Keyword im Rahmen der AdWords-Werbung durch die Option „weitgehend passende Keywords“ erweitert, ist Täter einer Markenrechtsverletzung, weil eine Verwechslungsgefahr für den Verbraucher schon dann gegeben ist, wenn dieser die Kurzhinweise der Trefferliste mit dem Angebot des Werbers verwechseln kann. (Keyword Advertising; Täter) OLG Köln vom 12.12.2008 MMR 2009, 267 = K&R 2009, 126 Eine „Werbung mit Telefonanrufen“ i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist zu bejahen, wenn sich ein Demoskopie-Institut telefonisch an Verbraucher wendet, um im Auftrag eines Unternehmens deren Zufriedenheit mit dessen Leistungen zu erfragen. (Telefon-Werbung; Meinungsforschung) OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008 CR 2009, 253 = MMR 2009, 341 = K&R 2009, 197 Werden im Internet kostenpflichtige Angebote unterbreitet, bei denen der durchschnittlich verständige Internetnutzer wegen der Art dieses Angebots und wegen der weiteren Umstände seiner Präsentation mit einer Kostenpflichtigkeit nicht rechnet (sog. „Kostenfalle“), sind an den erforderlichen Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit (§ 1 Abs. 1 und Abs. 6 S. 2 PAngV; § 5 UWG) erhöhte Anforderungen zustellen. Der Verpflichtung zur hinreichenden Anbieterkennzeichnung (§ 5 TMG) wird nicht entsprochen, wenn der mit dem Begriff „Impressum“ gekennzeichnete Link nur in sehr kleiner Schrift und drucktechnisch nicht hervorgehoben am rechten unteren Ende der Homepage platziert ist. Zur Frage eines Wettbewerbsverstoßes durch Verwendung einer AGB Klausel, die den Verbraucher durch Auferlegung einer sachlich nicht gerechtfertigten Vorleistungspflicht unangemessen benachteiligt. (Abofallen; AGB; Impressum; PAngV) OLG Stuttgart vom 27.11.2008 NJW-RR 2009, 917 Wird ein Pkw mit Bezeichnungen wie „Neuwagen“, „Überführung Neuwagen“ und einem Kilometerstand von „0“ beworben gilt er als neu im Sinne von § 2 PkwEnVKV, unabhängig davon ob der Zustand wirklich der ist, der beschriebene wir. Er unterliegt deshalb der Kennzeichnungspflicht. (Neuwagenwerbung; Pflichtangabe)
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G. Wettbewerbsrecht OLG Stuttgart vom 27.11.2008 NJW-RR 2009, 913 § 1 I Pkw-EnVKV verpflichtet auch den der für einen Pkw wirbt, dass er den Pkw ordnungsgemäß kennzeichnen muss, dabei kommt es nicht darauf an, ob er den Pkw auch verkauft oder nur für ihn wirbt. (Neuwagenwerbung; Pflichtangabe) OLG Düsseldorf vom 4.11.2008 MMR 2009, 266 = K&R 2009, 125 Wird die Impressumsseite eines Internetauftritts bearbeitet und ist sie während dieser Bearbeitung für eine kurze Zeit nicht aufrufbar, so liegt darin kein Verstoß gegen das Verfügbarkeitsgebot und ist auch nicht dazu geeignet andere Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Ist im Impressum der Vorname des Geschäftsführers nicht ausgeschrieben liegt darin ein relevanter Wettbewerbsverstoß. (Impressum; Vorname; Bagatellverstoß) OLG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008 CR 2009, 189 = MMR 2009, 194 = K&R 2009, 60 Der Betreiber eines Internetportals für kostenlose anonyme Kleinanzeigen hat aufgrund einer ihn treffenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht Vorkehrungen dafür zu treffen, dass gewerbliche Anbieter ihrer Verpflichtung zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift nachkommen. An die insoweit erforderlichen Maßnahmen sind jedoch keine allzu hohen Anforderung zu stellen; es kann ausreichen, dass die Anzeigenkunden vor Abgabe ihres Anzeigenauftrags in geeigneter Form über die Impressumspflicht belehrt, zur Preisgabe der Gewerblichkeit ihres Angebots bei der Anmeldung nachdrücklich angehalten und in diesem Fall zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift gezwungen werden. (Belehrung über Impressumspflichten; Kleinanzeigen-Portal) Kammergericht vom 26.9.2008 MMR 2009, 69 (Ls.) Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als Keyword für eine AdWord-Werbung in einer Suchmaschine ist in der Regel keine relevante Kennzeichenbenutzung, wenn bei der Eingabe des Kennzeichens in die Suchmaschine die Werbeanzeige deutlich getrennt von der Suchergebnisliste erscheint. Dies gilt umso mehr, wenn das Schlüsselwort ein Gattungsbegriff ist und die geringe Bekanntheit des Kennzeichens darauf schließen lässt, dass es an einer kennzeichenrechtlichen Rufausbeutung fehlt. (Keyword Advertising; Gattungsbegriff; Verwechslungsgefahr; Kennzeichenbenutzung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Oldenburg vom 18.9.2008 CR 2009, 43 = GRUR-RR 2009, 67 Die Aufforderung, vor Begin der Urlaubszeit an den Mehrwochenschein zu denken, stellt eine gegen den GlüStV verstoßende Aufforderungswerbung dar. Lottowerbung ist im Internet verboten. (Internetwerbung; Glücksspiel) OLG München vom 11.9.2008 CR 2009, 111 = WRP 2008, 1471 = MMR 2009, 126 Ist für ein Unternehmen, das im Rahmen eines Affiliate-Programms im Internet werben will, klar erkennbar, dass Inhalte der für seine Werbung vorgesehenen Internetseiten dauerhaft und in erheblichem Ausmaß jugendgefährdend sind, so trifft es eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, seine Werbung auf diesen Seiten zu verhindern. Kann siech das Unternehmen die gebotenen Einflussnahmemöglichkeiten auf die Affiliates nicht im Rahmen seines Werbevertrages verschaffen, so obliegt es ihm, die von ihm hervorgerufene Gefahr der Wettbewerbswidrigen Werbung durch Kündigung des Werbevertrags zu beseitigen. (Affiliate-Werbung; Jugendschutz) OLG Düsseldorf vom 9.9.2008 NJW 2009, 789 = GRUR-RR 2009, 71 Erweckt eine Kartenlegerin in der Werbung für ihre Dienste mit einer falschen Angabe die Vorstellung einer besonderen „Macht über die Karten“, kann die Relevanz der Irreführung nicht mit der Begründung verneint werden, ein „informierter und verständiger Verbraucher“ lasse sich in seiner Nachfrageentscheidung durch eine solche Vorstellung nicht beeinflussen. Vielmehr ist der Prüfung die Bereitschaft der angesprochenen Verkehrskreise zu Grunde zu legen, sich auf Unvernunft einzulassen. (Irreführung; verständiger Verbraucher und Verkehrskreis beim Kartenlegen) Kammergericht vom 9.9.2008 CR 2009, 113 = MMR 2009, 47 Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als Keyword für eine AdWord-Werbung in einer Suchmaschine ist in der Regel keine relevante Kennzeichenbenutzung, wenn bei der Eingabe des Kennzeichens in die Suchmaschine die Werbeanzeige deutlich getrennt von der Suchergebnisliste erscheint und sie als Anzeige bezeichnet ist. Jedenfalls fehlt es dann regelmäßig an einer Verwechselungsgefahr. Auch eine wettbewerbsrechtliche unlautere Rufausbeutung und ein unlauteres Abfangen von Kunden ist dann in der Regel zu verneinen. (Keyword Advertising; Verwechslungsgefahr; Kennzeichenbenutzung) OLG Stuttgart vom 26.8.2008 NJW 2008, 3071 = CR 2008, 711 = MDR 2008, 1383 = MMR 2008, 128 Der Basisvertrag, mit dem sich der Betreiber eines Call Centers gegenüber einem Auftraggeber verpflichtet, bei Dritten ohne deren Einwilligung Telefonwerbung zu betreiben ist nach § 134 BGB nichtig. Dem Betreiber des Call Centers stehen auch
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G. Wettbewerbsrecht keine Ansprüche nach § 683 BGB oder § 812 BGB auf Aufwendungsersatz zu, namentlich im Hinblick darauf, dass er seine Telefonisten bezahlt hat. (Cold Calling; nichtiger Basisvertrag) Kammergericht vom 15.8.2008 CR 2008, 799 = MMR 344 = K&R 2008, 623 Es kann bei der Verwendung einer unzulässige AGB-Klausel für Ebay-Angebote an einer Wiederholungs- und Erstbegehungsgefahr fehlen, wenn die Klausel von Beginn an irrelevant für das Warensortiment des Klauselverwenders ist. (AGB; Wiederholungsgefahr; Begehungsgefahr; Ebay) OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2008 MMR 2009, 869 Die Verwendung unwirksamer AGB erfüllt stets den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG. (Wettbewerbsverstoß; unwirksame AGB) OLG Hamm vom 24.6.2008 MMR 2009, 435 (Ls.) = ZUM 2009, 159 Bei einer Urheberrechtsverletzung kann der Verletzer die Urheberschaft des Gläubigers nicht mit bloßem Nichtwissen bestreiten. Er muss – parallel zu seiner materiellrechtlichen Erkundigungspflicht – substantiiert darlegen, wen er für den Urheber hält, und die Gründe hierfür darlegen. Der Gläubiger kann nur den Verletzergewinn herausverlangen, der durch die Urheberrechtsverletzung erzielt worden ist. Dabei sind aber auch – bei fehlender Direktvermarktung des geschützten Werkes- mittelbare Gewinne herausgegeben, wenn der Verletzer das Werk als bloße Aufmerksamkeitswerbung für seine Produkte oder Dienstleistungen einsetzt. (fahrlässige Urheberrechtsverletzung; Verletzergewinn) OLG Hamburg vom 11.6.2008 5 U 95/07 Bietet ein Internet-Dienstleister kostenlos und ohne Vorbedingungen einen Versicherungsvergleich an und bezeichnet er sich hierbei als „Ihr unabhängiger Versicherungsvergleich“ u.a. mit der Ankündigung, dass 300 Versicherer und 30 000 Tarife verglichen werden, so erwarten die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund ihnen bekannter anderer kostenloser (bzw. werbefinanzierter) Dienstleistungen im Internet eine Zusammenstellung der preisgünstigsten Angebote durch ein neutrales Bewertungsportal. Will der Anbieter eines derartigen Vergleichs hingegen mit unmittelbarem Abschlussinteresse dem Interessenten als Versicherungsmakler gegenübertreten und bezieht er in seinen Vergleich ausschließlich solche Anbieter ein, von denen er Provisionen erhält, berücksichtigt aber günstigere Direktversicherer nicht, so bedarf es einer unmissverständlichen Aufklärung hierüber. Andernfalls stellt sich das Angebot als irreführende (vergleichende) Werbung dar. (irreführende Werbung; Preisvergleichsseiten)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Hamm vom 10.6.2008 CR 2009, 121 = MMR 2009, 269 = K&R 2009, 48 Es gibt keinen Anspruch auf die Unterlassung einer automatischen IP-Sperrung durch das Sicherheitssystem eines Gewerbetreibenden für dessen Konkurenten, wenn sich dieser auf der Internetseite nicht wie ein normaler Kunde verhält und die Gefahr einer Betriebsstörung hervorruft. (IP-Sperrung; Testmaßnahmen; Mitbewerber; Behinderung) OLG Karlsruhe vom 21.5.2008 MMR 2009, 363 (Ls.) Hängt das Vorliegen einer unlauteren Wettbewerbsverbotshandlung davon ab, ob sich die Angebote des Kfz-Händlers nur an andere Händler oder auch an Privatkunden richten, kommt es nicht darauf an, welche subjektiven Vorstellung der Händler mit seiner Werbung verbunden hatte. Entscheidend ist allein, das die Werbung objektiv geeignet ist, den Absatz von Fahrzeugen an Privatkunden zu fördern. (Preisangaben; irreführende Werbung) OLG Hamburg vom 20.5.2008 CR 2009, 683 = GRUR-RR 2009, 268 Wird im Internetversandhandel der Hinweis, dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und dass Versandkosten hinzukommen, ohne Zuordnung zu den Warenangeboten nur am unteren Ende der Internetseite gegeben, so sind die nach §§ 1 Abs. 2 PAngV erforderlichen Angaben nicht leicht „erkennbar und gut Wahrnehmbar“ (§ 1 Abs. 6 PAngV), wenn man sie nur beim Herabscrollen zum Seitenende sichtbar sind. Der Nutzer wird vor Einleitung des Bestellvorgangs nicht notwendigerweise zu diesem Hinweis geführt. (Preisangaben; Fernabsatz; Gestaltung) OLG Köln vom 16.5.2008 MMR 2008, 540 AGB besitzen keine Rechtsnormqualität. Die AGB von Ebay stellen keinen Hinderungsgrund für eigene AGB eines Händlers über Ebay dar, auch wenn die AGB beider Parteien nicht miteinander übereinstimmen. (Abweichungen von den Ebay-AGB) OLG München vom 6.5.2008 MMR 2008, 541 Die Nutzung rein beschreibender Begriffe als Keywords für Anzeigen bei Google stellt keinen Verstoß gegen das Markenrecht dar, auch wenn die Einstellung „weitgehend passende Keywords“ dazu führt, dass die Anzeige auch bei Eingabe eines geschützten Kennzeichens, das aus den beschreibenden Begriffen besteht, erscheint. (Keyword Advertising; weitgehend passende Keywords; Gattungsbegriffe)
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G. Wettbewerbsrecht Kammergericht vom 11.4.2008 K&R 2008, 375 Der fehlende Vornamen der Vertretungsperson einer juristischen Person im WebImpressum und die Weiterverwendung der alten, lückenhaften Musterwiderrufsbelehrung können wettbewerbsrechtlich als Bagatellverstoß zu beurteilen sein. (Bagatellverstoß; Impressum; Musterwiderrufsbelehrung) OLG Hamm vom 13.3.2008 MMR 2008, 469 Das völlige Fehlen von Handelsregister und Registernummer im Impressum ist spätestens seit Inkrafttreten der UP-Richtlinie kein bloßer wettbewerbsrechtlicher Bagatellverstoß mehr. Dies gilt gerade bei registrierten Gesellschaften. (Impressum; Bagatelle) OLG Hamm vom 11.3.2008 MMR 2009, 69 (Ls.) Die EnVKV und besonders ihre Informationsverpflichtungen sind auf Internetangebote anwendbar. (Informationsverpflichtung; Marktverhaltensregelung; EnVKV) OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008 K&R 2008, 462 Bei Verstößen gegen die PAngV kann ein nicht nur unerheblicher Nachteil i.S.v. § 3 UWG angenommen werden bei unzulänglichen Angaben über Liefer- und Versankosten, nicht aber im Hinblick auf den fehlenden Hinweis, dass der angegebene Preis die Umsatzsteuer enthält. (Verstöße gegen die Preisangabenverordnung) OLG Hamm vom 28.2.2008 4 U 196/07 Es ist wettbewerbswidrig, wenn ein Ebay-Händler im Kleingedruckten unter der Überschrift „Garantie“ einen Verkauf an Verbraucher und ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht ausschließt. (Wettbewerbsverstoß; Ausschluss des Widerrufsrechts; Fernabsatz) OLG Frankfurt a.M. vom 26.2.2008 WRP 2008, 830 = MMR 2008, 471 = K&R 2008, 309 = GRUR-RR 2008, 304 Die Verwendung eines fremden Kennzeichens oder eines glatt beschreibenden Begriffs als Adword Keyword i.V.m. der Standardoption „weitgehend passende Keywords“ stellt keine kennzeichenrechtlich relevante Benutzungshandlung dar, wenn die Werbeanzeige unter einem anderen Zeichen klar von der Trefferliste abgetrennt ist. (Keyword Advertising; markenmäßige Benutzung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Frankfurt a.M. vom 14.2.2008 6 U 75/07 Ein sog. Sternchen-Hinweis zu einer Blickfangwerbung kann einer durch die Blickfangaussage hervorgerufenen Irreführung nicht entgegenwirken, wenn der Zusatz die Blickfangaussage aus der Sicht des Verkehrs nicht erläutert oder ergänzt, sondern korrigiert. (Blickfangwerbung) OLG Hamm vom 7.2.2008 MMR 2008, 750 Wird ein Gerichtsurteil ungeschwärzt im Internet öffentlich zugänglich gemacht, liegt darin eine wettbewerbswidrige unlautere Handlung, wenn in diesem Urteil eine wettbewerbswidrige Handlung des Prozessgegners festgestellt wird. Eine derartige Handlung kann auch von dem Herausgeber des Internet-Auftritts begangen werden, selbst, wenn er kein Wettbewerber des Prozessgegners ist. (Urteilsveröffentlichung; Herabsetzung und Verunglimpfung) OLG München vom 31.1.2008 WRP 2008, 1396 (Ls.) Wird in einem Angebot über ein Internetauktionsplattform das Widerrufsrecht bei Versteigerungen ausgeschlossen, so ist dies zur Irreführung des Käufers geeignet. (Ebay; „Widerrufsrecht gilt nicht für Versteigerungen“) OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008 K&R 2008, 309 Die Verwendung einer fremden Marke als Keyword im Rahmen der AdWord-Werbung stellt keine kennzeichenrechtliche Benutzungshandlung dar, wenn die bei Eingabe des Keywords als Suchwort die angezeigte Werbung deutlich von den Suchergebnissen abgegrenzt und als Werbung kenntlich gemacht ist. (Keyword-Advertising; AdWord; kennzeichenrechtliche Benutzung) Kammergericht vom 25.1.2008 WRP 2008, 383 § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB/§ 309 Nr. 2a BGB enthalten Marktverhaltensregelungen im Sinne von. § 4 Nr. 11 UWG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Unwirksamkeit der AGB-Regelung zugleich zu einem Verstoß gegen die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten führt. (Informationspflichten als Marktverhaltensregelung) OLG Stuttgart vom 24.1.2008 NJW 2008, 1326 Die in Werbung verwendete Bezeichnung eines Rechtsanwaltes als „Spezialist für Mietrecht“ verstößt gegen §§ 7 Abs. 1 S. 2 BORA i.V.m. 4 Nr. 11 UWG, wenn der Rechtsanwalt nicht nachweisen kann, dass er – der dadurch ausgelösten Verkehrs-
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H. Domainrecht erwartung entsprechend – im Mietrecht über den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse verfügt und in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Bei gleichem Defizit ist die genannte Bezeichnung auch irreführend i.S.d. § 7 Abs. 2 BORA und der §§ 3, 5 UWG. (Werbung eines Rechtsanwalts) OLG Stuttgart vom 17.1.2008 MMR 2008. 754 § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV ist Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Dem durchschnittlichen Internetnutzer ist geläufig, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere u.U. durch Links verbundene Internetseiten verteilt sein können. Beim eigenen Internetauftritt des werbenden Unternehmens genügt es dem durchschnittlichen Versandhandelskäufer, wenn die zusätzlichen Liefer- und Versandkosten alsbald und leicht erkennbar auf einer gesonderten Seite angegeben werden, die noch vor der Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss. Wird jedoch eine Preisangabe ohne diese Zusatzkosten in eine Preissuchmaschine eingestellt, wird der Zweck der Preisvergleichbarkeit verfehlt, und der Verbraucher erliegt der bloßen Preisangabe bereits dadurch, dass er sich über einen Link in das virtuelle Ladenlokal des Werbenden begibt. (Preisangaben) OLG Hamburg vom 16.1.2008 MMR 2008, 681 Wird im Internet für einen Internetzugangsvertrag mit einer Preisangabe geworben und zugleich für eine ISDN-Karte als frei wählbare Zusatzleistung, für die Versandkosten anfallen, so kann noch innerhalb des bereits eingeleiteten Bestellvorgangs für den Internetzugangsvertrag auf die Versandkosten für die ISDN-Karte hingewiesen werden. Informationen sind nach § 1 Abs. 2 PAngV verspätet, wenn sie nach Aufruf einer mit „Bestellung“ oder „Bestellen“ gekennzeichneten Seite gegeben werden. (Preisangabe; Zeitpunkt) OLG Frankfurt a.M. vom 10.1.2008 CR 2008, 741 (Ls.) = GRUR 2008, 800 Ob in der Verwendung einer fremden Marke als sogenannte Metatag eine markenmäßige Benutzung, sowie eine Markenverletzung liegt beurteilt sich auch danach, wie der Benutzer die Kurzhinweise in der Trefferliste versteht, die ihm nach Eingabe des Suchwortes präsentiert werden. (Keyword Advertising; Markenrechtsverletzung)
H. Domainrecht EuGH vom 3.6.2010 C-569/08 – reifen.eu Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funk-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht tionen der Domäne oberster Stufe“. eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung ist dahin auszulegen, dass Bösgläubigkeit durch andere Umstände als die in den Buchst. a bis e dieser Bestimmung aufgeführten nachgewiesen werden kann. Zum Widerruf von missbräuchlich registrierten eu.-Domains. (reifen.eu; Verordnung (EG) Nr. 874/2004; Gestaffelte Registrierung; Spekulative und missbräuchliche Registrierungen – Begriff ‚Bösgläubigkeit‘) EuGH vom 18.12.2008 GRUR-RR 2009, 356 – Mobelix/Obelix Die Kennzeichnungskraft einer älteren Marke, insbesondere ihre Bekanntheit, ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob die Ähnlichkeit zwischen den Waren oder Dienstleistungen, die von der älteren Marke und einer neu angemeldeten Marke erfasst werden, ausreichend ist, um eine Verwechslungsgefahr herbeizuführen. Um das Vorliegen der Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen, sind jedoch alle relevanten Faktoren zu beachten, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenschaft als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. (Verwechslungsgefahr; Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen) EuGH vom 23.3.2006 GRUR 2006, 413 – ZIRH/SIR Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den durch die Marke hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Die begrifflichen und visuellen Unterschiede zwischen zwei Zeichen können die zwischen ihnen bestehenden klanglichen Ähnlichkeiten neutralisieren, wenn zumindest eines der Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie ohne weiteres erfassen können. (Verwechslungsgefahr; klangliche Ähnlichkeit) EuGH vom 12.1.2006 GRUR 2006, 237 – PICASSO/PICARO Zwischen dem als Gemeinschaftsmarke für Kraftfahrzeuge angemeldeten Wortzeichen „PICARO“ und der älteren ebenfalls für Kraftfahrzeuge eingetragenen Gemeinschaftswortmarke „PICASSO“ besteht zwar eine optische und (lediglich geringe) klangliche, nicht aber eine begriffliche Ähnlichkeit, so dass im Hinblick auf den besonders hohen Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers beim Kauf von Kraftfahrzeugen eine Verwechslungsgefahr nicht anzunehmen ist. (Gemeinschaftsmarke; Verwechslungsgefahr; klangliche Ähnlichkeit)
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H. Domainrecht EGMR vom 18.9.2007 MMR 2008, 29 Das Domainrecht (insbesondere die das Nutzungsverhältnis an einer Domain) ist als Eigentumsposition geschützt. (Eigentumsposition) BVerfG vom 21.8.2006 K&R 2006, 518 = CR 2006, 770 mit Anm. Kitz Hat ein Pseudonym noch keine allgemeine Verkehrsgeltung erlangt, so ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn einem bürgerlichen Namen Vorrang gegenüber dem Pseudonym gegeben wird. (maxem.de; Pseudonym; § 12 BGB) BVerfG vom 24.11.2004 NJW 2005, 589 = CR 2005, 282 Das Nutzungsrecht an einer Domain stellt zwar eine eigentumsfähige Position i.S.v Art. 14 GG dar; der Inhaber erwirbt aber weder das Eigentum an der Internetadresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain. Das relativ wirkende, vertragliche Nutzungsrecht stellt einen rechtlich geschützten Vermögenswert dar. Es ist dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen, wie ein Eigentum. (ad-acta.de; Eigentum; Eigentumsschutz; Vermögensschutz) BGH vom 9.2.2012 I ZR 100/10 – pjur/pure Ist eine Marke an einen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff angelehnt und erlangt sie Unterscheidungskraft nur durch von der beschreibenden Angabe abweichende Elemente, ist bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Kollisionszeichen nur auf diejenigen Merkmale abzustellen, die der Klagemarke Unterscheidungskraft verleihen. Kommen diese Merkmale im Klang, im Bild oder in der Bedeutung der Klagemarke nicht zum Ausdruck, können sie in dieser Hinsicht (Klang, Bild oder Bedeutung) eine Zeichenähnlichkeit nicht begründen. (Verwechslungsgefahr; Unterscheidungskraft) BGH vom 18.1.2012 I ZR 187/10 – gewinn.de Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber kein absolutes Recht an dem Domainnamen und damit kein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Derjenige, der bei einer sogenannten WHOIS-Abfrage bei der DENIC als Inhaber eines Domainnamens eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC materiell berechtigt zu sein, kann diese Stellung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB auf Kosten des Berechtigten erlangt haben. (Bereicherungsrechtliche Ansprüche; Domainnamen kein absolutes Recht)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 9.11.2011 I ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik Der Namensschutz aus § 12 BGB bleibt neben dem Kennzeichenschutz aus §§ 5, 15 MarkenG anwendbar, wenn mit der Löschung des Domainnamens eine Rechtsfolge begehrt wird, die aus kennzeichenrechtlichen Vorschriften deswegen nicht hergeleitet werden kann, weil das Halten des Domainnamens im konkreten Fall für sich gesehen die Voraussetzungen einer Verletzung der Marke oder des Unternehmenskennzeichens des Klägers nicht erfüllt. (Haftung des Admin-C; Namensschutz) BGH vom 27.10.2011 I ZR 131/10 – regierung-oberfranken Die für die Registrierung von Domainnamen unter der Top-Level-Domain“. de“ zuständige DENIC haftet dann als Störerin, wenn sie von Dritten auf eine offenkundige, von ihrem Sachbearbeiter unschwer zu erkennende Verletzung des Namensrechts hingewiesen wird. Eine solche offenkundige Namensrechtsverletzung liegt vor, wenn es sich bei dem als verletzt geltend gemachten Namen um die offizielle Bezeichnung der für die Verwaltung eines Regierungsbezirks zuständigen Behörde handelt und der beanstandete Domainnamen von einem in Panama ansässigen Unternehmen registriert worden ist. (TLD; DENIC; Störerhaftung) BGH vom 28.9.2011 I ZR 188/09 – Landgut Borsig Der Eigentümer einer Liegenschaft, die im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs mit dem bürgerlichen Namen einer Familie bezeichnet wird, kann diese Bezeichnung ungeachtet der Zustimmung der Namensträger für die Liegenschaft oder einen damit verbundenen Geschäftsbetrieb (weiter-)verwenden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. (Namensschutz; Grundstückserwerb; Namensrecht) BGH vom 9.3.2011 I ZR 191/10 – Freie Wähler Für die Namen von Wählervereinigungen gilt das strenge Prioritätsprinzip gemäß § 4 Abs. 1 PartG nicht. Für ihre originäre Unterscheidungskraft ist es daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist. Der Verkehr geht davon aus, dass bei Wählervereinigungen nachgestellte geographische Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung ebenso wie bei Parteien auf bestehende organisatorische Verbindungen hinweisen. (Namensschutz; Unterscheidungskraft) BGH vom 20.1.2011 I ZR 10/09 – bcc.de Die Grenzziehung zwischen Branchenähnlichkeit und Branchenunähnlichkeit bei der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG ist ebenso, wie dieje-
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H. Domainrecht nige zwischen Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und -unähnlichkeit bei der Verwechslungsprüfung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht von der Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens abhängig. (Verwechslungsgefahr; Unternehmenskennzeichen) BGH vom 1.9.2010 StbSt (R) 2/10 – steuerberater-suedniedersachsen.de Die von einem Steuerberater verwendete Internet-Domain „steuerberater-suedniedersachsen.de“ in Form kombinierter Merkmale einer Gattung und einer Region stellt keine unerlaubte Werbung im Sinne von § 57 Abs. 1, § 57a StBerG dar. (Unerlaubte Werbung; Berufsrecht) BGH vom 31.3.2010 WRP 2010, 880 Die Gleichgewichtslage, die zwischen zwei in derselben Branche, aber an verschiedenen Standorten tätigen gleichnamigen Handelsunternehmen besteht, kann dadurch gestört werden, dass eines der beiden Unternehmen das Unternehmenskennzeichen als Internetadresse oder auf seinen Internetseiten verwendet, ohne dabei ausreichend deutlich zu machen, dass es sich nicht um den Internetauftritt des anderen Unternehmens handelt. (Peek & Cloppenburg) BGH vom 25.3.2010 I ZR 197/08 – braunkohle-nein.de Bei treuhänderischer Registrierung eines Domainnamens richtet sich der Herausgabeanspruch des Treugebers aus § 667 BGB auf Übertragung oder Umschreibung des Domainnamens. (Domainnamen; Herausgabeanspruch; regionale Bekanntheit) BGH vom 29.7.2009 WRP 2010, 381 = K&R 2010, 192 = GRUR 2010, 235 Der Grundsatz, dass eine Verwechslungsgefahr trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne weiteres erkennbaren eindeutigen Begriffsinhalts zu verneinen sein kann, gilt auch dann, wenn nur das Klangzeichen über einen solchen Bedeutungsinhalt verfügt. (AIDA/AIDU; Bedeutungsinhalt von Klangzeichen) BGH vom 18.6.2009 CR 2010, 112 = WRP 2010, 266 = MDR 2010, 398 = K&R 2010, 123 Der Schutz eines Werktitels nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG setzt einen befugten Gebrauch voraus. Ein befugter Gebrauch liegt im Verhältnis zwischen Teilgläubiger und -schuldner nicht vor, solange die Benutzung des Werktitels dem Titelschuldner durch ein vollstreckbares Unterlassungsangebot verboten ist. In der Verwendung eines Domainnamens kann eine Benutzung als Werktitel liegen, wenn
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht der Verkehr in dem Domainnamen ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen sieht. (Werktitelschutz; Domainnamen als Werktitel; EIFEL-ZEITUNG) BGH vom 14.5.2009 CR 2009, 801 mit Anm. Hackbarth = WRP 2009, 1533 = MDR 2009, 1402, MMR 2009, 758 = K&R 2009, 717 Der Schutz eines Domainnamens als Werktitel nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG kann grundsätzlich erst einsetzen, wenn das über den Domainnamen erreichbare titelschutzfähige Werk weitgehend fertig gestellt ist. (Werktitelschutz; Domainnamen; airdsl) BGH vom 11.5.2009 WRP 2009, 953 = K&R 2009, 648 Die Verwendung der Internet-Adresse „www.notar-in-r.(Stadt).de“ durch einen Notar ist zwar bedenklich, ein berufsrechtliche Maßnahmen rechtfertigender Verstoß gegen die Bundesnotarordnung liegt aber nicht vor, sofern die Notarkammer die Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer noch nicht in eigenes Satzungsrecht umgesetzt hat. Nach diesen Empfehlungen darf der Notar in InternetDomain-Namen keine Begriffe verwenden, die eine gleichartige Beziehung zu anderen Notaren aufweisen und nicht mit individualisierenden Zusätzen versehen sind. (www.notar-in-rostock.de; amtswidrige Werbung) BGH vom 19.2.2009 CR 2009, 748 = WRP 2009, 803 = K&R 2009, 473 mit Anm. Rössel Die Registrierung eines Domainnamens kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände den Tatbestand einer unlauteren Mitbewerberbehinderung erfüllen und einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens begründen. Solche Umstände liegen nicht schon vor, wenn der Domaininhaber eine Vielzahl von Domainnamen auf sich registrieren lässt, um sie potentiellen Interessenten zum Kauf oder zur entgeltlichen Nutzung anzubieten, und ein einem dieser Domainnamen entsprechendes Unternehmenskennzeichen eines Dritten erst nach der Registrierung des Domainnamens in Gebrauch genommen wird, wenn für den Domaininhaber zum Registrierungszeitpunkt kein besonderes Interesse eines bestimmten Unternehmens erkennbar war, gerade einen dieser Geschäftsbezeichnung entsprechenden Domainnamen zu verwenden. (ahd.de) BGH vom 5.2.2009 I ZR 167/06 – METROBUS Ob ein bekanntes Kennzeichen (hier: Klagemarke und Firmenschlagwort „METRO“) in einem zusammengesetzten Zeichen (hier: METROBUS) eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, kann maßgeblich von dem jeweiligen Produktbereich und Dienstleistungssektor abhängen, in dem das angegriffene Zeichen benutzt wird. Zwischen einem bekannten Klagekennzeichen und einem zusammengesetzten Zeichen ist eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines
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H. Domainrecht Serienzeichens ausgeschlossen, wenn der Verkehr das angegriffene Zeichen als Gesamtbegriff mit einem eigenständigen Sinngehalt auffasst und den mit dem Klagekennzeichen identischen Wortbestandteil in dem zusammengesetzten Zeichen deshalb nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie ansieht. (zusammengesetztes Kennzeichen; Verwechslungsgefahr; Serienzeichen) BGH vom 23.10.2008 NJW 2009, 1756 = WRP 2009, 734 = MMR 2009, 394 = K&R 2009, 399 mit Anm. Recke Als Namensträger, der – wenn er seinen Namen als Internetadresse hat registrieren lassen – einen anderen Namensträger nicht weichen muss, kommt auch der Träger eines ausgefallenen und daher kennzeichnungskräftigen Vornamens (hier: Raule) in Betracht. (raule.de; Namensrecht; Vorname) BGH vom 26.6.2008 WRP 2008, 1319 – EROS Ist die Absicht, die mit der Eintragung eines Zeichens entstehende Sperrwirkung zweckwidrig als Mittel des Wettbewerbskampfes gegen einen Mitbewerber einzusetzen, zwar ein wesentlicher Beweggrund für die Anmeldung einer Marke, will der Anmelder die Marke aber auch für eigene Waren benutzen, ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob in der Anmeldung der Marke eine wettbewerbswidrige Behinderung liegt. Für den Erwerb einer Benutzungsmarke reicht es aus, wenn ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten – wenn auch namentlich nicht bekannten – Herstellerunternehmen sieht. (Sperrwirkung; Benutzungsmarke; Wettbewerbsbehinderung) BGH vom 24.4.2008 NJW 2008, 3716 = MMR 2008, 815 = K&R 2008, 735 mit Anm. Rössel Grundsätzlich verletzt ein Nichtberechtigter, für den ein Zeichen als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de“ registriert ist, das Namens- oder Kennzeichenrecht desjenigen, der an einem identischen Zeichen ein Namens- oder Kennzeichenrecht hat. Etwas anderes gilt jedoch regelmäßig dann, wenn das Namens- oder Kennzeichenrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten entstanden ist. (afilias.de; prioritätsältere Domain; Namens-/Kennzeichenverletzung) BGH vom 13.3.2008 WRP 2008, 1353 Die Anmeldung und die Eintragung eines Zeichens als Marke stellen als solche noch keine kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens für die in Anspruch genommenen Waren oder Dienstleistungen dar, so dass darin noch keine Verletzung eines prioritätsälteren Kennzeichens im Sinne von § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG liegt. Sie können jedoch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungs-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht gefahr einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch des Inhabers des älteren Zeichenrechts begründen. (Metrosex) BGH vom 19.7.2007 CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 = MMR 2007, 702 Das Halten eines Domain-Namens durch eine juristische Person des Handelsrechts stellt nicht schon deshalb eine Zeichenbenutzung dar, weil die juristische Person stets im geschäftlichen Verkehr handelt. Der Erfahrungssatz, dass der Verkehr einem Zeichen, das durch seine isolierte Verwendung im Geschäftsverkehr zunehmend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten hat, auch dann einen stärkeren Herkunftshinweis entnimmt, wenn er dem Zeichen als Bestandteil eines anderen Zeichens begegnet, ist grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn es sich bei dem Zeichen um eine von Haus aus beschreibende Bezeichnung handelt. (Euro Telekom) BGH vom 28.6.2007 CR 2007, 655 = NJW-RR 2008, 57 Der Schutz des Unternehmenskennzeichens einer Sprachschule, die nur regional und nicht bundesweit tätig ist, ist auf deren räumliches Tätigkeitsfeld beschränkt. (cambridgeinstitut.de) BGH vom 8.2.2007 NJW 2007, 2633 = CR 2007, 590 mit Anm. Klees = MMR 2007, 594 = K&R 2007, 471 Die Auftragsregistrierung einer Domain verletzt keine Namensrechte eines Dritten, wenn zwar nicht der Domaininhaber aber der Auftraggeber über Rechte am Domainnamen verfügt. (grundke.de) BGH vom 19.10.2006 K&R 2007, 209 Werden Äußerungen angegriffen, die als Meinungsäußerung zu werten sind und daher den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG genießen und keine Schmähkritik vorliegt, besteht kein Unterlassungsanspruch. (lottobetrug.de) BGH vom 5.10.2006 NJW 2007, 684 = CR 2007, 101 = MMR 2007, 106 = K&R 2007, 38 Das Namensrecht einer Person aus § 12 BGB, das auch ihren Künstlernamen schützt, erlischt mit dem Tod des Namensträgers. (kinski-klaus.de)
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H. Domainrecht BGH vom 21.9.2006 NJW, 2007, 682 = CR 2007, 36 = MMR 2007, 38 = K&R 2007, 41 Verwendet ein Dritter, der kein Recht zur Namensführung hat, den Namen einer Gebietskörperschaft ohne weitere Zusätze als Second-Level-Domain zusammen mit der Top-Level-Domain „info“, liegt darin eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Alt. 2 BGB. (solingen.info) BGH vom 11.7.2005 NJW 2005, 2693 = CR 2005, 878 = MMR 2005, 759 = K&R 2005, 423 Ein (Anwalts-)Notar ist nicht berechtigt, in seiner Internetadresse die Bezeichnung „Notariat“ zu führen. (anwaltskanzlei-notariat.de) BGH vom 5.7.2005 NJW 2005, 3353 = CR 2006, 50 = MMR 2005, 685 = K&R 2005, 464 Eine „Internet-Domain“ stellt als solche kein anderes Vermögensrecht i.S.v. § 857 Abs. 1 ZPO dar. Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO in eine „Internet-Domain“ ist vielmehr die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus den der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen. (Zwangsvollstreckung: Internet-Domain als anderes Vermögensrecht) BGH vom 23.6.2005 CR 2006, 193 = MMR 2006, 159 = K&R 2006, 88 Haben ein Unternehmen in den alten und ein Unternehmen in den neuen Bundesländern vor der Wiedervereinigung miteinander verwechselbare Bezeichnungen geführt, sind Kollisionsfälle auch dann nach dem Recht der Gleichnamigen zu lösen, wenn eines der beiden Unternehmen einen regional begrenzten Tätigkeitsbereich hatte und der Schutzbereich seines Zeichens am 3. Oktober 1990 deshalb nicht auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt worden ist. (hufeland.de) BGH vom 9.6.2005 NJW 2006, 146 = MMR 2006, 104 = K&R 2006, 37 Eine Holdinggesellschaft, die die Unternehmensbezeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen so zu behandeln, als sei sie selbst berechtigt, die fragliche Bezeichnung zu führen. (segnitz.de)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 24.2.2005 CR 2006, 54 = NJW-RR 2005, 1350 = MMR 2005, 761 Mit der endgültigen Aufgabe der Firma ist in der Regel auch der Verlust des aus dem Firmenschlagwort gebildeten Unternehmenskennzeichens verbunden. Davon unberührt bleibt, dass das alte Firmenschlagwort als besondere Geschäftsbezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 MarkenG neben der neuen Firma Schutz (für einen Teil des Geschäftsbetriebs) mit eigener Priorität erlangen kann. (Seicom) BGH vom 16.12.2004 NJW 2005, 1503 = CR 2005, 510 = MMR 2005, 374 = K&R 2005, 271 = WRP 2005, 614 Wer auf Anfrage, einen Internet-Auftritt unter einem bestimmten Domain-Namen zu erstellen, diesen für sich registrieren lässt, kann unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung eines Mitbewerbers nach § 4 Nr. 10 UWG und eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zur Unterlassung der Verwendung der Domain-Namen und zur Einwilligung in die Löschung der Registrierung verpflichtet sein. (Literaturhaus) BGH vom 2.12.2004 NJW 2005, 2315 = CR 2005, 593 = MMR 2005, 534 = K&R 2005, 379 In der Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domainname liegt in der Regel keine sittenwidrige Schädigung, auch wenn es naheliegt, dass ein Unternehmen diesen Domainnamen für seinen Internetauftritt verwenden könnte. Der Inhaber des bekannten Zeitungstitels DIE WELT kann gegen einen Dritten, der sich den Domainnamen „weltonline.de“ hat registrieren lassen, nicht vorgehen, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Domainname im geschäftlichen Verkehr in einer das Kennzeichen verletzenden Weise verwendet werden soll. (weltonline.de) BGH vom 9.9.2004 NJW 2005, 1196 = CR 2005, 362 = MMR 2005, 313 = K&R 2005, 233 Grundsätzlich liegt bereits in der durch einen Nichtberechtigten vorgenommenen Registrierung eines Zeichens als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „de“ eine Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts desjenigen, der ein identisches Zeichen als Unternehmenskennzeichen benutzt. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Registrierung des Domainnamens einer – für sich genommen rechtlich unbedenklichen – Benutzungsaufnahme als Unternehmenskennzeichen in einer anderen Branche unmittelbar vorausgeht. (mho.de)
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H. Domainrecht BGH vom 22.7.2004 NJW 2005, 1198 = CR 2005, 284 = MMR 2005, 171 = K&R 2005, 129 Durch die Benutzung eines Domainnamens kann ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen entstehen, wenn durch die Art der Benutzung deutlich wird, dass der Domainname nicht lediglich als Adressbezeichnung verwendet wird, und der Verkehr daher in der als Domainname gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt. Unternehmen mit einem lokalen oder regionalen Wirkungskreis weisen mit ihrer Präsenz im Internet nicht notwendig darauf hin, dass sie ihre Waren oder Leistungen nunmehr jedem bundesweit anbieten wollen. (soco.de) BGH vom 4.3.2004 GRUR 2004, 622 Der Vertrag über die Reservierung eines Domainnamens stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag dar. Wer einen Provider mit der Registrierung und der Einrichtung einer Domain beauftragt, wird selbst Inhaber der Domain. (ritter.de) BGH vom 19.2.2004 NJW 2004, 1793 = CR 2004, 531 = MMR 2004, 467 = K&R 2004, 339 = WRP 2004, 769 Die schnelle und preiswerte Registrierung der TLD „de“ schließt jedwede Prüfungspflicht durch die DENIC in der ursprünglichen Registrierungsphase notwendig aus. Vergabemaßstab ist lediglich der Grundsatz der Priorität. Selbst völlig eindeutige, für jedermann erkennbare Verstöße begründen keine Prüfungspflicht. (kurt-biedenkopf.de) BGH vom 20.11.2003 I ZR 117/03 Die Verwendung eines Gattungsbegriffes i.V.m. einer Ortsangabe als Domainnamen begründet die Annahme des Geschäftsverkehrs, es handele sich um einen Geschäftsbetrieb mit überragender Stellung in der entsprechenden Branche. Die Verknüpfung eines Gattungsbegriffs mit einer Ortsangabe stellt eine Spitzenstellungswerbung dar und ist als solche dem Recht der bloßen Gattungsbegriffe entrückt. (tauchschule-dortmund.de) BGH vom 28.8.2003 GRUR 2003, 1047 – Kellog’s/Kelly’s Eine Benutzungshandlung ist nur dann als ernsthaft anzusehen, wenn sie nach Art, Umfang und Dauer dem Zweck des Benutzungszwangs entspricht, die Geltendmachung bloß formaler Markenrechte zu verhindern. Die Anforderungen an Art, Umfang und Dauer der Benutzung sind dabei am Maßstab des jeweils Verkehrsüblichen und wirtschaftlich Angebrachten zu messen. Die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, wirkt nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur dann rechtserhaltend, wenn die Abweichungen den kennzeichnen-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht den Charakter der Marke nicht verändern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d.h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht. (Benutzung einer Marke; Markenverwechslung) BGH vom 26.6.2003 CR 2003, 845 mit Anm. Eckhardt = MMR 2003, 726 mit Anm. Hoffmann = K&R 2003, 563 mit Anm. Schmittmann = WRP 2003, 1215 = MDR 2004, 347 Der grundsätzlich mögliche namensrechtliche Schutz für ein Pseudonym entsteht nicht bereits mit Aufnahme der Benutzung, sondern setzt voraus, dass der Namensträger unter diesem Namen im Verkehr bekannt ist. (maxem.de) BGH vom 25.11.2002 NJW 2003, 504 = CR 2003, 354 = MMR 2003, 256 = K&R 2003, 233 Die Verwendung von Gattungsbegriffen verstößt nicht per se gegen das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot des § 43b BRAO. Dem durchschnittlich informierten und verständigen Internet-Nutzer ist bekannt, dass die unter Verwendung von Gattungsbegriffen gefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot gattungsspezifischer Dienstleistungen repräsentiert. (rechtsanwaelte-notar.de) BGH vom 25.11.2002 NJW 2003, 662 = CR 2003, 355 mit Anm. Hoß = MMR 2003, 252 = K&R 2003, 189 Der mit dem Prioritätsprinzip vertraute, durchschnittlich informierte und verständige Internet-Nutzer erwartet unter einer Domain mit Gattungsbegriff kein gänzlich wettbewerbsneutrales Internetangebot. Eine relevante Irreführung des Verkehrs über die Person des Anbieters darf nicht losgelöst vom Inhalt der Website angenommen werden. Das Aufrufen der ersten Seite kann geeignet sein, eine etwaige ursprüngliche Fehlvorstellung auszuräumen. § 43b BRAO sind keine Anforderungen zu entnehmen, die über die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätze hinausgehen. (presserecht.de) BGH vom 28.2.2002 NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 = MDR 2002, 970 Im Recht der Gleichnamigen gilt grundsätzlich das Prioritätsprinzip. Das im Falle der Gleichnamigkeit bestehende Rücksichtnahmegebot kann unter Beibehaltung des gleichnamigen Domain-Namens auch dadurch erfüllt werden, dass die Gefahr einer Verwechslung durch einen entsprechenden Hinweis auf der Internetseite ausgeräumt wird. (vossius.de)
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H. Domainrecht BGH vom 21.2.2002 NJW 2002, 2642 – Vanity-Nummer Ein Rechtsanwalt, der eine sogenannte Vanity-Nummer nutzt, die mit den berufsbezeichnenden bzw. tätigkeitsbeschreibenden Begriffen „Rechtsanwalt“, „Anwaltskanzlei“ oder „Rechtsanwaltskanzlei“ belegt ist, verstößt nicht gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA). (Vanity-Nummer; Berufsrecht; Sachlichkeitsgebot) BGH vom 22.11.2001 NJW 2002, 2031 = CR 2002, 525 = MMR 2002, 382 mit Anm. Hoeren = K&R 2002, 309 = WRP 2002, 694 = MDR 2002, 835 mit Anm. Ullrich Der das Recht der Gleichnamigen dominierende Grundsatz der Priorität gilt nicht grenzenlos. Ein überragender Bekanntheitsgrad sowie ein deutlicher Interessenüberhang begründen im Rahmen des § 12 BGB ein namensrechtliches Rücksichtnahmegebot, das zu einer Durchbrechung des „First Come, First Served“- Prinzips führen kann. (shell.de) BGH vom 17.5.2001 NJW 2001, 3262 = CR 2002, 777 = NJW-RR 2002, 45 mit Anm. Mankowski = MMR 2001, 666 mit Anm. Hoeren = K&R 2001, 583 mit Anm. Leible/Sosnitza Die Registrierung und Nutzung von Gattungsbezeichnungen als Internetdomains ist grundsätzlich zulässig, sofern der Domaininhaber dem Prinzip der Priorität folgend lediglich seinen eigenen Vorteil verfolgt, ohne dabei den Mitbewerber in gezielt wettbewerbswidriger Weise zu behindern. (mitwohnzentrale.de) BGH vom 17.5.2001 NJW 2001, 3265 = CR 2001, 850 mit Anm. Freytag = K&R 2001, 588 mit Anm. Ubber = MDR 2002, 286 = MMR 2001, 671 In der Phase der Erstregistrierung einer Domain treffen die DENIC keinerlei Prüfungspflichten im Hinblick auf etwaige Rechtsverstöße. Bei einem konkreten Hinweis durch einen Dritten besteht eine Prüfungspflicht nur, wenn die Rechtsverletzung für die DENIC offenkundig und unschwer zu erkennen ist. Die Annahme einer Prüfungspflicht besteht bei Vorliegen eines rechtskräftigen gerichtlichen Titels oder wenn die Rechtsverletzung derartig eindeutig ist, dass sie sich der DENIC aufdrängen muss. (ambiente.de) BGH vom 23.11.2000 GRUR 2001, 242 = NJW-RR 2001, 975 = WRP 2001, 160 Zur Frage einer rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechtsnach § 14 I MarkenG. (Classe E)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht
I. Haftung im Netz EuGH vom 12.7.2011 C-324/09 Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ist dahin auszulegen, dass er auf den Betreiber eines Online-Marktplatzes Anwendung findet, sofern dieser keine aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie ermöglicht. Dieser Betreiber spielt eine solche Rolle, wenn er Hilfestellung leistet, die u.a. darin besteht, die Präsentation der fraglichen Verkaufsangebote zu optimieren oder diese zu bewerben. (Aktive Rolle; Haftungsprivilegien) BGH vom 14.5.2013 VI ZR 269/12 Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. (Pflichten des Betreibers einer Internet-Suchmaschine) BGH vom 13.12.2012 I ZR 150/11 Die Haftung des auf Löschung des Domainnamens in Anspruch genommenen Admin-C als Störer setzt voraus, dass ihn ausnahmsweise eine eigene Pflicht trifft zu prüfen, ob mit der beabsichtigten Registrierung Rechte Dritter verletzt werden. Voraussetzung ist insofern das Vorliegen besonderer gefahrerhöhender Umstände, die darin bestehen können, dass vor allem bei Registrierung einer Vielzahl von Domainnamen die möglichen Kollisionen mit bestehenden Namensrechten Dritter auch vom Anmelder nicht geprüft werden. Eine abstrakte Gefahr, die mit der Registrierung einer Vielzahl von Domainnamen verbunden sein kann, reicht insofern nicht aus. (Prüfungspflicht des Admin-C) BGH vom 15.11.2012 I ZR 74/12 Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teil-
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I. Haftung im Netz weise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt. (Aufsichtspflicht; Überwachungspflicht) BGH vom 12.7.2012 I ZR 18/11 Ein File-Hosting-Dienst, der im Internet Speicherplatz zur Verfügung stellt, kann als Störer haften, wenn urheberrechtsverletzende Dateien durch Nutzer seines Dienstes öffentlich zugänglich gemacht werden, obwohl ihm zuvor ein Hinweis auf die klare Rechtsverletzung gegeben worden ist. Nach einem solchen Hinweis muss der File-Hosting-Dienst im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren verhindern, dass derselbe oder andere Nutzer das ihm konkret benannte, urheberrechtlich geschützte Werk Dritten erneut über seine Server anbieten. (File-Hosting-Dienst; Überwachungspflicht; Alone in the Dark) BGH vom 27.3.2012 VI ZR 144/11 Der Betreiber eines Informationsportals, der erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien (RSS-Feeds) ins Internet stellt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist erst verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. (Notice and Takedown) BGH vom 9.11.2011 I ZR 150/09 Derjenige, der sich von einem ausländischen Anmelder eines Domainnamens gegenüber der DENIC als administrativer Ansprechpartner benennen und registrieren lässt, haftet nicht schon deswegen als Störer für mögliche mit der Registrierung verbundene Verletzungen von Rechten Dritter. (Haftung des Admin-C) BGH vom 25.10.2011 VI ZR 93/10 Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. (Notice and Takedown)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 17.8.2012 I ZR 57/09 Eine Verhaltenspflicht des Betreibers, deren Verletzung eine Wiederholungsgefahr begründen kann, entsteht erst nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung. Damit kann in derjenigen Verletzungshandlung, die Gegenstand einer Abmahnung oder sonstigen Mitteilung ist, mit der der Betreiber des OnlineMarktplatzes erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, keine Verletzungshandlung gesehen werden, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet. Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich. (Stiftparfüm; Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) BGH vom 17.12.2010 V ZR 44/10 Der Betreiber einer Internetplattform ist als Störer für eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums durch ungenehmigte Verwertung von Fotos des Grundstücks auf seiner Plattform nur bei einer für ihn erkennbaren Eigentumsverletzung verantwortlich. (Störerhaftung) BGH vom 7.12.2010 VI ZR 34/09 Die Weitergabe von Bildnissen durch ein Bildarchiv an ein Presseunternehmen kann mit Blick auf die Pressefreiheit nicht als Verbreitungshandlung i.S.d. § 22 KUG qualifiziert werden. (Weitergabe von Bildnissen) BGH vom 18.11.2010 I ZR 155/09 Eine markenmäßige Verwendung eines Domainnamens liegt regelmäßig vor, wenn auf der unter dem Domainnamen erreichbaren Internetseite ein elektronischer Verweis (Link) angebracht ist, der zu einem Produktangebot führt. Ist mit dem entsprechenden Programm des Diensteanbieters keine besondere Gefahr für die Verletzung von Kennzeichenrechten Dritter verbunden, trifft dessen Anbieter auch im Rahmen einer Störerhaftung keine allgemeine Pflicht, die in sein System von Kunden eingestellten Domainnamen auf Kennzeichenverletzungen zu prüfen. (Diensteanbieter; Störerhaftung) BGH, Urteil vom 14.10.2010 I ZR 191/08 Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit unterfallenden Beitrag elektronische Verweise (Links) auf fremde Internetseiten in der Wiese eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen
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I. Haftung im Netz sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst. (Presse- und Meinungsfreiheit; Links) BGH vom 22.7.2010 I ZR 139/08 Der Betreiber eines Internetmarktplatzes, der Dritten dort die Möglichkeit eröffnet, Verkaufsangebote ohne seine Kenntnisnahme in einem vollautomatischen Verfahren einzustellen, ist nicht verpflichtet, sämtliche Verkaufsangebote, die die Marken eines Markeninhabers anführen, einer manuellen Bildkontrolle darauf zu unterziehen, ob unter den Marken von den Originalerzeugnissen abweichende Produkte angeboten werden. Der Betreiber eines Internetmarktplatzes haftet regelmäßig nicht nach §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 6, § 8 Abs. 1 UWG als Täter oder Teilnehmer, wenn in Angeboten mit Formulierungen „ähnlich“ oder „wie“ auf Marken eines Markeninhabers Bezug genommen wird. (Haftung; Internetmarkplatz) BGH vom 12.5.2010 WRP 2010, 912 Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen. (WLAN; Verkehrspflichten) BGH vom 12.11.2009 WRP 2010, 922 – marions-kochbuch.de Der Betreiber eines Internetportals, in das Dritte für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte (hier: Rezepte) stellen können, haftet für diese Inhalte nach den allgemeinen Vorschriften, wenn er die eingestellten Inhalte vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und sie sich damit zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn für die Nutzer des Internetportals erkennbar ist, dass die Inhalte (ursprünglich) nicht vom Betreiber, sondern von Dritten stammen. Ein Hinweis darauf, dass sich der Portalbetreiber die Inhalte zu eigen macht, liegt auch darin, dass er sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen. (Zueigenmachen) BGH vom 7.10.2009 CR 2009, 794 mit Anm. Rössel = GRUR 2009, 1167 mit Anm. Matthes/Liedtke = WRP 2009, 1520 = K&R 2009, 797 – Partnerprogramm Unterhält ein Unternehmen ein Werbepartnerprogramm, bei dem seine Werbepartner auf ihrer Website ständig einen Link auf die das Angebot dieses Unternehmens enthaltende Internetseite bereitstellen, so sind diese Werbepartner jedenfalls dann als Beauftragte des Unternehmens im Sinne von § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen, wenn ihnen für jeden Besucher, der über diesen Link zu dem Unternehmen
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht gelangt und mit diesem einen Geschäftsabschluss tätigt, eine Provision gezahlt wird und der betreffende Werbepartner erst nach einer Überprüfung durch den Unternehmer selbst, der den Werbepartnern eine Auswahl für die Gestaltung der Werbemittel vorgibt, in das Partnerprogramm aufgenommen wird. Die Haftung nach § 14 Abs. 7 MarkenG beschränkt sich dabei auf das Handeln des Beauftragten auf eine bestimmte zum Partnerprogramm angemeldete Website, wenn nur über diese Website getätigte Links abgerechnet werden und der Auftraggeber auch nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte noch anderweitig für ihn tätig wird. (Affiliates) BGH vom 30.6.2009 CR 2009, 730 = GRUR 2009, 1093 = NJW-RR 2009, 1413 = WRP 2009, 1262 = MMR 2009, 752 = K&R 2009, 644 Der Verpächter einer Domain hat keine Prüfungspflichten für die Website seines Pächters außer er hat konkrete Anhaltspunkte für eine (auch zukünftige) Rechtsverletzung. (Domainpacht; Prüfungspflichten; Persönlichkeitsrecht) BGH vom 11.3.2009 CR 2009, 450 = GRUR 2009, 597 = WRP 2009, 730 = MMR 2009, 391 – Halzband Benutzt ein Dritter ein fremdes Mitgliedskonto bei Ebay, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Konto gekommen ist, weil der Inhaber dieses nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter geschützt hat, muss der Inhaber sich so behandeln lassen, wie wenn er selbst gehandelt hätte. Eine bei der Verwahrung der Zugangsdaten für das Mitgliedskonto gegebene Pflichtverletzung stellt einen eigenen, gegenüber den Grundsätzen der Störerhaftung und den bestehenden Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts selbständigen Zurechnungsgrund dar. (Passwortschutz; Haftung für Weitergabe) BGH vom 30.4.2008 I ZR 73/05 Der Markeninhaber, der gegen einen Störer vorgeht, muss ein Handeln im geschäftlichen Verkehr derjenigen Personen darlegen und gegebenenfalls beweisen, die gefälschte Markenprodukte auf der Internet-Plattform anbieten. Hat er einen Sachverhalt dargelegt und bewiesen, der ein Handeln im geschäftlichen Verkehr nahelegt, kann der Betreiber der Internet-Plattform nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast seinerseits gehalten sein, zum Handeln der Anbieter substantiiert vorzutragen, wenn er ein Handeln im geschäftlichen Verkehr in Abrede stellen will. (Internet-Versteigerung III) BGH vom 10.4.2008 CR 2008, 727 mit Anm. Rössel = WRP 2008, 1517 = MMR 2008, 818 = K&R 2008, 677 – Namensklau im Internet Wird der Betreiber einer Internet-Auktionsplattform wegen Verletzung eines Kennzeichen- oder Namensrechts nach den Grundsätzen der Entscheidung „Internet-Versteigerung I“ als Störer in Anspruch genommen, trifft den Gläubiger grund-
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I. Haftung im Netz sätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es dem Betreiber technisch möglich und zumutbar war, nach dem ersten Hinweis auf eine Verletzung zu verhindern. Da der Gläubiger regelmäßig über entsprechende Kenntnisse nicht verfügt, trifft den Betreiber die sekundäre Darlegungslast; ihm obliegt es daher, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen er ergreifen kann und weshalb ihm – falls diese Maßnahmen keine lückenlosen Schutz gewährleisten – weitergehende Maßnahmen nicht zuzumuten sind. (Prüfungspflichten; Umfang; Darlegungslast) BGH vom 12.7.2007 NJW 2008, 758 = CR 2007, 728 mit Anm. Härting = MMR 2007, 634 mit Anm. Köster/Jürgens = K&R 2007, 517 Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform hinsichtlich fremder jugendgefährdender Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht, zu deren Begründung es eines konkreten Hinweises auf ein bestimmtes jugendgefährdendes Angebot eines bestimmten Anbieters bedarf. Der Betreiber der Plattform ist nicht nur verpflichtet, dieses konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern muss auch zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen, damit es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Zusätzlich können sich besondere Prüfungspflichten hinsichtlich anderer Angebote des Versteigerers ergeben, der das ursprüngliche jugendgefährdende Angebot eingestellt hat. (jugendgefährdende Medien bei Ebay) BGH vom 26.4.2007 CR 2007, 521 = MMR 2007, 505 = WRP 2007, 797 Ist ein Diensteanbieter nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie (2000/31/EG) verpflichtet, vor Vertragsabschluss mit einem Nutzer des Dienstes eine Telefonnummer anzugeben, um eine schnelle Kontaktaufnahme und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zu ermöglichen? Muss ein Diensteanbieter sonst wenigstens neben der Angabe der Adresse der elektronischen Post vor einem Vertragsschluss mit einem Nutzer des Dienstes nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie einen zweiten Kommunikationsweg eröffnen? Reicht es für einen zweiten Kommunikationsweg dann aus, dass der Diensteanbieter eine Anfragemaske einrichtet, mit der der Nutzer sich über das Internet an den Diensteanbieter wenden kann, und die Beantwortung der Anfrage des Nutzers durch den Diensteanbieter mittels E-Mail erfolgt? (Internet-Versicherung) BGH vom19.4.2007 NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = K&R 2007, 387 mit Anm. Jürgens = BGH-R 2007, 825 mit Anm. Härting = WRP 2007, 964 Die Unanwendbarkeit des Haftungsprivilegs gemäß § 10 Satz 1 TMG auf Unterlassungsansprüche gilt nicht nur für den auf eine bereits geschehene Verletzung gestützten, sondern auch für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Das deut-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht sche Recht gewährleistet die Haftung von „Mittelspersonen“ durch die deliktsrechtliche Gehilfenhaftung und insbesondere durch die Störerhaftung. (Internet-Versteigerung II) BGH vom 27.3.2007 NJW 2007, 2558 = CR 2007, 586 mit Anm. Schuppert = MMR 2007, 518 = K&R 2007, 396 mit Anm. Volkmann = WRP 2007, 795 = ZUM 2007, 533 mit Anm. Schmelz Ein Unterlassungsanspruch wegen eines in ein Meinungsforum im Internet eingestellten ehrverletzenden Beitrags kann auch dann gegen den Betreiber des Forums gegeben sein, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist. (ehrverletzender Beitrag im Meinungsforum im Internet) BGH vom 20.7.2006 NJW 2006, 3633 = CR 2006, 850 mit Anm. Zimmerlich = WRP 2006, 1507 = BGH-R 2006, 1487 mit Anm. Reinholz Die Angabe einer Anbieterkennzeichnung bei einem Internetauftritt, die über zwei Links erreichbar ist, kann den Voraussetzungen entsprechen, die an eine leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit i.S. von § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV zu stellen sind. Um den Anforderungen des § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB an eine klare und verständliche Zurverfügungstellung der Informationen i.S. von § 1 Abs. 1 BGB-InfoV im Internet zu genügen, ist es nicht erforderlich, dass die Angaben auf der Startseite bereitgehalten werden oder im Laufe eines Bestellvorgangs zwangsläufig aufgerufen werden müssen. (Anbieterkennzeichnung im Internet) BGH vom 16.3.2006 NJW 2006, 1971 Der Inhaber eines Telefonanschlusses wird aus den im Wege der Nutzung seines Netzzuganges durch Dritte geschlossenen Telekommunikationsdienstleistungsvertrages verpflichtet, wenn er die Inanspruchnahme des Anschlusses zu vertreten hat. (R-Gespräch) BGH vom 1.4.2004 NJW 2004, 2158 = CR 2004, 613 mit Anm. Dietlein = MMR 2004, 529 = WRP 2004, 899 Zur Störerhaftung eines Presseunternehmens, das neben einem im Rahmen seines Internetauftritts veröffentlichten redaktionellen Artikel die Internetadresse eines Glücksspielunternehmens angibt, das zwar im Besitz einer Erlaubnis eines anderen EU-Mitgliedstaates ist, aber über das Internet Glücksspiele auch für inländische Teilnehmer bewirbt und veranstaltet. (Schöner Wetten)
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I. Haftung im Netz BGH vom 11.3.2004 CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 mit Anm. Hoeren = K&R 2004, 486 Die Haftungsprivilegierung des § 11 TDG ist nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar. Eine Störerhaftung des Internet-Auktionshauses setzt voraus, dass für Diensteanbieter zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestehen, um solche Markenverletzungen zu unterbinden. Wird einem Diensteanbieter ein Fall einer Markenverletzung bekannt, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass es zu weiteren Markenverletzungen kommt. (Internet-Versteigerung) BGH vom 23.9.2003 CR 2004, 48 = MMR 2004, 166 Die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 TDG a.F. sind anspruchsbegründende Merkmale für eine Haftung des Internetproviders für fremde Inhalte nach § 823 BGB, so dass die Darlegungs- und Beweislast den Anspruchsteller trifft. Der Begriff Kenntnis i.S.d. § 5 Abs. 2 TDG a.F. bezeichnet die positive Kenntnis. (Haftung des Internetproviders für fremde Inhalte) OLG Hamburg vom 29.11.2012 3 U 216/06 Der Betreiber eines Online-Marktplatzes bleibt im Sinne der EuGH-Rechtsprechung neutral und nimmt keine „aktive Rolle“ im Hinblick auf rechtsverletzende Verkaufsangebote seiner Nutzer ein, wenn er bei einem Suchmaschinenbetreiber für bestimmte Suchworte eine sogenannte Adword-Anzeige schaltet, die dergestalt verlinkt ist, dass der Suchende nach Eingabe des Suchwortes und nach Anklicken der darauf angezeigten Adword-Werbung auf den Suchbereich des Online-Marktplatzes geleitet wird, wo eine dem Suchwort entsprechende Ergebnisliste angezeigt wird, die sowohl rechtmäßige als auch rechtsverletzende Angebote der Marktplatznutzer enthält. (Keine aktive Rolle; Adwords) OLG Hamm vom 13.9.2012 I-4 U 71/12 Die Benutzung eines fremden Markennamens für den Vertrieb ähnlicher Waren im Rahmen einer Google-Adwords-Werbung stellt eine Kennzeichenverletzung dar. Wird die Google-Adwords-Werbung durch eine beauftragte Firma, die eine Einkaufssuchmaschine betreibt, veröffentlicht, ist die kennzeichenrechtliche Verletzung dem auftraggebenden Unternehmen auch dann zuzurechnen, wenn es von der Kennzeichenverletzung keine Kenntnis erlangt und der Werbung nicht zugestimmt hatte. (Adwords; Kennzeichenverletzung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Brandenburg vom 9.5.2012 13 U 50/10 Hat der Betreiber einer Anzeigenplattform für Kraftfahrzeuge den Händlerzugang eines Verkaufsinteressenten wegen Betrugsverdachtes gesperrt, so erfordert die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG keine Unterbindung der Weiterleitung einer E-Mail an dessen Registrierungsadresse. (Haftungsprivilegierung) OLG Stuttgart vom 19.4.2012 2 U 91/11 Ein Domainparkinganbieter, der von einer Markenverletzung aufgrund einer konkurrierenden Tippfehlerdomain Kenntnis erlangt, ist grundsätzlich zur Beseitigung der Rechtsverletzung verpflichtet. Er ist nicht berechtigt, ein Tätigwerden erst von der Übersendung einer Kopie der Markenurkunde abhängig zu machen. (Notice and Takedown) OLG Hamburg vom 14.3.2012 5 U 87/09 Die streitgegenständlichen Werke wurden in dem Moment öffentlich zugänglich gemacht, in dem die jeweiligen RapidShare-Links im Rahmen von DownloadlinkSammlungen im Internet dritten Personen uneingeschränkt zur Verfügung gestellt worden sind. Allein der Upload eines urheberrechtlich geschützten Werkes auf den Dienst eines Sharehosters lässt keinen verlässlichen Rückschluss zu, dass es sich hierbei zwingend um eine ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgte rechtswidrige Nutzung handeln muss. (Sharehost; öffentlich zugänglich machen eines Werks) OLG Dresden vom 8.2.2012 4 U 1850/11 Ein Auskunftsanspruch auf Benennung des Urhebers einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerung kann aus § 242 BGB auch gegen einen Blogbetreiber gerichtet werden. (Auskunftsanspruch) OLG Hamburg vom 17.1.2012 3 W 54/10 Der Admin-C hat keine Überwachungspflichten hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der ihm zugeordneten Internetseiten, weil ihm eine rechtliche Überprüfung auf etwaige Rechtsverletzungen regelmäßig unzumutbar ist. Daher haftet er auch nicht als Gehilfe des Domaininhabers für die Verletzung der Informationspflicht. (Keine Überwachungspflichten für Admin-C)
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I. Haftung im Netz OLG Köln vom 22.11.2011 15 U 91/11 Macht sich ein Internet-Forumsbetreiber den in einem von ihm eingestellten Beitrag implementierten Presseartikel einer Zeitung zu eigen, welcher unwahre persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptungen beinhaltet, so haftet der Internet-Forumsbetreiber als unmittelbarer Handlungsstörer auf Unterlassung. (Zueigenmachen eines Beitrags) OLG Hamburg vom 4.11.2011 5 U 45/07 Der Betreiber einer Internethandelsplattform ist jedenfalls dann als Störer für Urheber- und Markenrechtsverletzungen, die durch Nutzer der Plattform begangen werden, anzusehen, wenn er auf die Rechtsverletzung hingewiesen wurde und in der Folge das Angebot nicht sperrte bzw. keine Vorsorge vor weiteren ähnlichen Verletzungshandlungen getroffen hat, etwa auch durch manuelle Suche in den Angeboten der Nutzer. (Störerhaftung; Internethandelsplattform) OLG München vom 29.9.2011 29 U 1747/11 Zur Haftung eines Internet-Suchmaschinenbetreibers für Suchergebnisse, die von der Suchmaschine als Textfragmente generiert und angezeigt werden. Zur Haftung eines Internet-Suchmaschinenbetreibers für Suchvorschläge, die von der Suchmaschine im Rahmen einer sog. Autocomplete- und einer sog. Verfeinerungsfunktion, insbesondere anknüpfend an die Häufigkeit entsprechender Suchanfragen anderer Nutzer im Internet oder andere statistische Merkmale, generiert und angezeigt werden. (Haftung im Rahmen von Autocompletefunktion) Kammergericht vom 15.7.2011 5 U 193/10 Der Betreiber eines Internet-Hotelbewertungsportals ist nicht verpflichtet, die bei ihm eingehenden Hotelbewertungen vor Veröffentlichung auf die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen zu überprüfen. Berücksichtigt man den Zeitraum, der für eine derartige Prüfung erforderlich ist, insbesondere wenn Dienstleistungen im Ausland bewertet werden, und den damit verbundenen Verlust an Aktualität der Informationen, rechtfertigt die Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung dieser drei Aspekte und des Verkehrsinteresses an spontanen und authentischen Bewertungen von anderen Verbrauchern dieses Ergebnis. (Keine Überprüfungspflicht auf Richtigkeit von Einträgen) OLG Hamburg vom 26.5.2011 3 U 67/11 Für einen verständigen Nutzer einer Internetsuchmaschine ist offenkundig, dass einer Internetsuchmaschine nur Nachweisfunktion für das Auffinden fremder Informationen zu dem jeweiligen vom Nutzer der Suchmaschine eingegebenen
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Suchbegriff zukommt. Eine „Maschine“ kann nicht „meinen“ oder „behaupten“ oder wie auch immer geartete eigene Aussagen treffen. (kein Zueigenmachen von Suchergebnissen) OLG Hamburg vom 22.12.2010 5 U 36/09 Ein Internetprovider steht nicht nur in einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber einem verletzten Rechtsinhaber, sondern ihm obliegen auch Rechtspflichten gegenüber anderen Nutzern seiner Dienste, die sich rechtstreu verhalten sowie gegenüber Personen und Unternehmen, die mithilfe seines Dienstes erreicht und kontaktiert werden können, ohne dass sich der Provider mit ihnen in einem individuellen Rechtsverhältnis befindet. Für den Fall der Urheberrechtsverletzung durch das unerlaubte Zugänglichmachen von Spielfilmen ist die Anordnung der geforderten DNS-Sperre für die Provider nicht zumutbar. (Rechtpflichten gegenüber Nutzern; DNS-Sperre) OLG Hamburg vom 29.9.2010 5 U 9/09 Die im Nutzerbereich der Internetseite sevenload.de von Dritten hochgeladenen Video-Filme stellen keine eigenen Inhalte der Seitenbetreiberin i.S.d. § 7 Abs. 1 TMG dar. Verletzen die Filme fremde Urheberrechte, haftet die Seitenbetreiberin nicht als Täterin oder Teilnehmerin auf Unterlassung. Sie ist jedoch verpflichtet, das jeweilige Video bei einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung unverzüglich zu sperren und dafür Vorsorge zu treffen, dass es nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt. (Notice and Takedown) OLG Düsseldorf vom 7.7.2010 VI-U (Kart) 12/10 Erhält der Betreiber eines Internetportals frühestens nach einem Ticketverkauf von Eintrittskarten für die 1. Bundesliga Kenntnis von dem betreffenden Geschäft, schließt dies die Annahme aus, er leiste zu konkreten gewerblichen oder kommerziellen Weiterverkäufen wissentlich und willentlich dadurch Hilfe, dass er ein Internetportal bereit stellt. Alleine die Zurverfügungstellung des Verkaufsmediums und die Mitwirkung bei der Abwicklung des aus dem geschlossenen Vertrag resultierenden Zahlungsverkehrs zielt nicht darauf ab, den Verkäufer zum Bruch seiner vertraglich eingegangenen Verpflichtungen zu veranlassen. (kommerzielle Weiterverkäufe über Verkaufsmedium) OLG Düsseldorf vom 27.4.2010 MMR 2010, 483 mit Anm. Schröder Rapidshare ist eine Sperrung bestimmter Dateinamen mangels Geeignetheit nicht zumutbar, ebenso wenig eine menschliche, gezielte Überprüfung bestimmter Inhalte mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit für Rechtsverletzungen oder eine Sperrung bestimmter IP-Adressen. (Rapidshare; Prüfungspflichten)
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I. Haftung im Netz OLG Hamburg vom 2.3.2010 MMR 2010, 490 mit Anm. Kazemi Bei Suchmaschinenergebnissen ist der Text des Fundergebnisses jeweils im Zusammenhang mit der Originalseite zu lesen, der er entstammt. Es ist davon auszugehen, dass der Rezipient von der offensichtlichen Unvollständigkeit des Snippets weiß und dass er sich deshalb sein Verständnis nur im Kontext mit dem Gesamtbeitrag bildet. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers für Texte, die sich rechtmäßig auf einer Internetseite befinden, allein wegen der Verkürzung des Texts kommt nicht in Betracht. (Snippets; Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG Frankfurt a.M. vom 8.2.2010 14 U 221/09 Ein Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist anzunehmen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele wie beispielsweise das Gebührenerzielungsinteresse sind. Die Anzahl der Abmahnungen allein belegen noch keinen Missbrauch, wenn spiegelbildlich eine entsprechende Vielzahl von Verstößen vorliegt. (Unterlassungsanspruch; Abmahnungen) OLG Köln vom 23.12.2009 CR 2010, 336 mit Anm. Kremer = IPRB 2010, 107 (mit Anm. Vohwinkel) Der Inhaber eines Internetanschlusses trägt die (sekundäre) Darlegungslast, wenn er geltend macht, die seinem Anschluss zugeordneten Tauschbörsenangebote stammten nicht von ihm persönlich, sondern von Familienmitgliedern. Dieser Darlegungslast genügt nicht, wer sich zur Frage der Anschlussbenutzung durch den Ehegatten ausschweigt, eine Nutzung der „älteren“ (von fünf) Kindern einräumt und (lediglich) behauptet, „im Rahmen der Erziehung die Kinder immer wieder darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass keine Inhalte aus dem Internet downgeloaded und keine Tauschbörsen benutzt werden dürfen“, wenn die so belehrten Kinder das Internet im Übrigen unkontrolliert nutzen können. (Anschlussinhaber; sekundäre Darlegungslast) OLG Düsseldorf vom 24.11.2009 I-20 U 137/09, 20 U 137/09 Der Betreiber sog. Reiseportale im Internet, auf denen sich auch Reiseangebote befinden, haftet als Störer auf Unterlassung der Versendung unverlangter WerbeEmails an Empfänger, deren Adressen er aus einer gekauften Adress-Datenbank ermittelt hat. Verantwortlich ist insoweit auch der Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter einer Betreibergesellschaft derartiger Portale, wenn er keine Maßnahmen veranlasst hat, um die unlautere Email-Werbung zu verhindern. (Reiseportal; Störerhaftung)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Kammergericht vom 3.11.2009 MMR 2010, 495 Der Betreiber einer Suchmaschine haftet wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung auf Unterlassung, wenn ein automatisch erzeugtes Snippet einen Originaltext derart sinnentstellend verkürzt, dass nunmehr eine rechtsverletzende unwahre Behauptung erscheint. Den Besonderheiten von Suchmaschinen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass für den Zeitpunkt der haftungsauslösenden Pflichtverletzung nicht auf die automatisierte Erstellung des Suchmaschineneintrags, sondern auf die Untätigkeit nach Anzeige des rechtswidrigen Inhalts abgestellt wird. (Snippets; Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG München vom 13.8.2009 6 U 5869/07 Ein Domain-Parking-Unternehmen haftet nur dann als Mittäter bzw. Teilnehmer einer Markenrechtsverletzung, die der Domain-Parker durch die Verwendung einer Wortmarke als so genanntes Keyword für Internet-Marketing begeht, wenn dieses Keyword von einem seiner Mitarbeiter manuell ausgewählt wird oder das von seinem Kunden ausgewählte Keyword von einem seiner Mitarbeiter geprüft und freigeschaltet worden ist. Die Haftung als Störer wegen einer Schutzrechtsverletzung setzt die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung zuzumuten ist. (Domain-Parking; Störerhaftung; Prüfungspflichten) OLG München vom 30.7.2009 6 U 3008/08 Der Pflichtenkreis des Admin-C betrifft allein das Innenverhältnis zwischen dem Domaininhaber und der Denic. Diese rechtliche Konstellation verbietet es, Prüfungspflichten des Admin-C im Außenverhältnis zu Dritten anzunehmen. Vielmehr ist allein der Anmelder für die Zulässigkeit einer bestimmten Domainbezeichnung verantwortlich, der Admin-C kommt nicht als Störer in Betracht. (Prüfungspflichten des Admin-C) Kammergericht vom 10.7.2009 MMR 2010, 203 Dem Betreiber einer Internetplattform zum Einstellen von Porträtaufnahmen ist es zumutbar, vom Urheber eine ausdrückliche Versicherung einzuholen, dass ein Einverständnis der abgebildeten Person mit der Veröffentlichung besteht. (Fotoplattform; Einverständnis) OLG Zweibrücken vom 14.5.2009 MMR 2009, 541 Ein zu Eigen machen von Inhalten eines Internetforums durch den Forenbetreiber liegt nicht schon deswegen vor, weil Teile der Forenmitgliedschaft kostenpflichtig sind oder weil der Betreiber sich umfangreich Rechte an den Foreninhalten einräumen lässt. Die Prüfungspflicht eines Forenbetreibers darf nicht soweit gehen, dass
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I. Haftung im Netz der Diensteanbieter anlassunabhängig („pro-aktiv“) nach Rechtsverletzungen jedweder Art zu suchen hat. (Internetforum; Zueigenmachen; Prüfungspflichten) OLG Oldenburg vom 8.5.2009 MMR 2009, 547 = K&R 2009, 492 Die bloße Nutzung einer Internet-Tauschbörse allein lässt keinen tragfähigen Schluss darauf zu, dass der Nutzer weiß oder damit rechnet, dass auch die von ihm auf seinen PC heruntergeladenen und in einem Ordner „incoming“ gespeicherten (hier: gewaltpornografischen) Dateien ohne sein weiteres Zutun sofort der Tauschgemeinschaft zugänglich sind. (Verbreitung gewaltpornographischer Schriften; Tauschbörsen; Upload-Kenntnis) OLG Koblenz vom 23.4.2009 K&R 2009, 493 = MMR 2009, 549 Der Admin-C haftet als Störer für namensrechtsverletzendes Domain-Grabbing, wenn er sich gegen Entgelt bereit erklärt hat, sich zukünftig für beliebig viele Domains als Admin-C zur Verfügung zu stellen und dabei Kenntnis davon hat, dass mittels Software frei gewordene Domains in erheblichem Umfang ermittelt und anschließend registriert werden. (Admin-C; Prüfungspflichten; Domain-Grabbing) OLG Dresden vom 10.3.2009 MMR 2009, 773 Ein Unternehmen, das für eine Werbeaktion eine Direktmarketing-Agentur beauftragt, ist nicht als Störer verantwortlich, wenn diese ohne vertragliche Grundlage ein Subunternehmen beauftragt, das die übermittelten E-Mail-Adressen nicht dahin überprüft, ob die Adressinhaber einer Werbung per E-Mail zugestimmt haben. (Störerhaftung; Auftraggeber) OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2009 MMR 2009, 401 Bei der Verwendung einer fremden Marke als Metatag ist eine markenmäßige Benutzung nicht gegeben, wenn bei der Eingabe der Marke in eine Suchmaschine direkt auf der Trefferliste angezeigt wird, dass es sich bei der Seite nicht um die Produkte der Marke handelt, sondern um eine Abmahnung, an der der Markeninhaber beteiligt war. (Haftung; Blogbetreiber; Markenverletzung) OLG Düsseldorf vom 24.2.2009 CR 2009, 391 = MMR 2009, 402 = K&R 2009, 338 Einem Unternehmen, dass im Internet eine Plattform für Fremdversteigerungen betreibt, ist es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor der Veröffentlichung auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu überprüfen. Die Betreiber einer solchen Plattform müssen beim Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung, das Angebot nicht
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht nur unverzüglich sperren, sie müssen auch dafür Sorge trage, dass es möglichst nicht zu weiteren solchen Rechtsverletzungen kommt. Die Betreiber haften allerdings nur, wenn ihnen angezeigt wird, dass der markenverletzende Anbieter im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat. (Ebay; Prüfungspflichten) OLG Brandenburg vom 17.2.2009 MMR 2009, 558 Wer durch einen unberechtigten Hinweis auf Geschmacksmusterrechte die Schließung des Ebay-Accounts eines gewerblichen Verkäufers bewirkt, ist diesem gegenüber zum Schadensersatz wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verpflichtet. (unberechtigte Account-Sperrung; Schadensersatz) OLG Hamburg vom 4.2.2009 MMR 2009, 479 Wird in einem Internetforum von einem Nutzer ein Beitrag und ein Foto eingestellt, durch welches die Rechte eines Dritten verletzt werden, und dieses Foto nach einem Hinweis vom Rechtsinhaber an den Forenbetreiber von diesem sofort gelöscht wird, haftet der Forenbetreiber nicht, wenn es eine erstmalige rechtsverletzende Bildveröffentlichung ist und es zu keiner weiteren Rechtsverletzung kommt. (Forenbetreiberhaftung; Prüfungspflichten) OLG Düsseldorf vom 3.2.2009 CR 2009, 534 = MMR 2009, 336 = K&R 2009, 407 Die Pflichten eines Admin-C beziehen sich allein auf das Innenverhältnis zwischen der DENIC und dem Domaininhaber. (Prüfungs-)Pflichten im Außenverhältnis zu Dritten durch den Admin-C verbietet schon die rechtliche Konstellation. (Admin-C; Prüfungsplichten) OLG Karlsruhe vom 30.1.2009 CR 2009, 535 = MMR 2009, 404 = K&R 2009, 417 Veröffentlicht ein Sportverband die Sperren einzelner Sportler auf der eigenen Internetseite, ist dies rechtlich zulässig, da es der Person keinen erheblichen Personenschaden zufügt. (Spielsperre; Sportverband; Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG Hamburg vom 28.1.2009 MMR 2009, 405 Musikwerke, die in einer Weise vorgehalten werden, dass Nutzer eines Zugangsvermittlers zum UseNet sie identifizieren und sich als Audiodateien übermitteln lassen können, so dass diese nach der Übermittlung im Regelfall (wieder) als Musikwerke wahrnehmbar sind, werden i.S.d. § 19a UrhG öffentlich zugänglich ge-
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I. Haftung im Netz macht; hierbei spielt es keine Rolle, ob die Datei auf dem Transportweg in einer Weise Verschlüsselt waren, die eine Wahrnehmung unmöglich macht. (UseNet-Provider; Störerhaftung) OLG Hamburg vom 14.1.2009 CR 2009, 812 = MMR 2009, 405 Musikwerke, die in einer Weise vorgehalten werden, dass Nutzer eines Zugangsvermittlers zum Usenet sie identifizieren und sich als Audiodateien übermitteln lassen können, so dass diese nach der Übermittlung im Regelfall (wieder) als Musikwerke wahrnehmbar sind, werden i.S.d. § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht; hierbei spielt es keine Rolle, ob die Dateien auf dem Transportweg in einer Weise verschlüsselt waren, die eine Wahrnehmung unmöglich macht. (Störerhaftung; Alphaload; Usenet-Provider) OLG Hamburg vom 10.12.2008 ZUM 2009, 642 Der Betreiber eins Internetangebotes kann sich auch Inhalte zu Eigen machen, die erkennbar von Dritten hochgeladen wurden. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann etwa dann der Fall sein, wenn solche Inhalte derart in das Angebot des Betreibers eingebunden werden, dass sie als Teil seines eigenen Angebots erscheinen. (Zueigenmachen von Inhalten; Disclaimer) OLG Stuttgart vom 26.11.2008 CR 2009, 187 = MMR 2009, 190 Der durchschnittliche Nutzer einer Suchmaschine weiß, dass die Suchergebnisse nicht auf der intellektuellen Leistung von Menschen beruhen, sondern aufgrund eines automatisierten Vorgangs zustande kommen und die Ergebnisse ohne menschliche Einwirkung angezeigt werden. (Suchmaschinen-Snippets; Persönlichkeitsverletzung) OLG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008 CR 2009, 189 = MMR 2009, 194 = K&R 2009, 60 Der Betreiber eines Internetportals für kostenlose anonyme Kleinanzeigen hat auf Grund einer ihn treffenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht Vorkehrungen zu treffen, dass gewerbliche Anbieter ihrer Verpflichtung zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift nachkommen. An diese erforderlichen Maßnahmen sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. (Portalbetreiberhaftung; Impressumsverstoß; Verkehrspflichten) OLG Köln vom 26.9.2008 MMR 2009, 197 = K&R 2009, 128 = ZUM 2009, 68 = GRUR-RR 2009, 4 Der Internetportalbetreiber, dessen Geschäftsmodell darin besteht, dass durch Dritte – nicht die Kunstschaffenden selbst – Kunstwerke zum Kauf angeboten werden und dass die Werke länger als eine Woche nach Kaufabschluss noch im Netz
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht für jedermann einsehbar sind, ist Gehilfe der Rechtsverletzung des Veräußerers, der das Werk über die durch § 58 Abs. 1 UhrG gezogenen Grenzen hinaus öffentlich zugänglich gemacht hat. (Portalbetreiberhaftung; Gehilfenhaftung) OLG München vom 11.9.2008 CR 2009, 111 = WRP 2008, 1471 = MMR 2009, 126 = K&R 2008, 756 Ist für ein Unternehmen, das im Rahmen eines Affiliate-Programms im Internet werben will, klar erkennbar, dass Inhalte der für seine Werbung vorgesehenen Internetseiten dauerhaft und in erheblichem Ausmaß jugendgefährdend sind, so trifft es eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, seine Werbung auf diesen Seiten zu verhindern. (Affiliate; Verkehrspflichten; jugendgefährdende Medien) OLG Köln vom 15.8.2008 CR 2009, 118 = MMR 2009, 48 = K&R 2008, 692 mit Anm. Stadler = ITRB 2009, 6 (Brennecke) Den für eine Domain eingetragenen Admin-C treffen grundsätzlich keine Prüfungspflichten hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. (Admin-C; Prüfungspflichten) OLG Hamburg vom 5.8.2008 7 U 29/08 Ein Domaininhaber, der seine Domain einem Dritten überlässt, haftet nicht als Mitstörer für eine Rechtsverletzung auf dieser Internetseite, wenn er unverzüglich die Unterbindung der Rechtsverletzung veranlasst. (Domainpacht; Doamininhaber; Haftung) OLG Hamburg 24.7.2008 WRP 2008, 1569 Eine Internetauktionsplattform kann als Täter oder Teilnehmer durch Unterlassen für rechtsverletzende oder wettbewerbswidrige Angebote eines seiner Nutzer in Anspruch genommen werden, wenn der trotz vorangegangener Hinweise auf gleichartige rechtsverletzende Angebote nichts unternimmt um weitere Rechtsverletzungen künftig zu verhindern. Ist der Anbieter der Ware im geschäftlichen Verkehr nach dem Markengesetz tätig, so haftet das Auktionshaus mitunter in Form der Beihilfe durch Unterlassen. Ist der Anbieter nur Privat, Haftete das Auktionshaus als Täter durch Unterlassen. (Online-Auktionshaus; Täterschaft und Teilnahme) OLG Hamburg vom 2.7.2008 MMR 2008, 823 = ZUM-RD 2008, 527 Der Betreiber einer Internetplattform, die Usern Serverplatz zur Hinterlegung von Dateien zur Verfügung stellt und diese Dateien später von anderen Usern heruntergeladen werden können, ist nicht nur dazu verpflichtet ein rechtsverletzendes
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I. Haftung im Netz Angebot, von dem er Kenntnis erlangt hat, unverzüglich zu sperren, er muss auch dafür Sorgen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. (Rapidshare; Pflichten) OLG Frankfurt a.M. vom 1.7.2008 CR 2008, 582 mit Anm. Hornung = MMR 2008, 603 mit Anm. Mantz = K&R 2008, 543 Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses haftet nicht als Störer, wenn sein WLAN durch unberechtigte Dritte genutzt wird, zu denen er in keinerlei Verbindung steht. Er haftet auch nicht wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Form von Schadensersatz für von unberechtigten Dritten verursachte Schäden durch seine WLAN-Verbindung. (WLAN; Urheberrechtsverletzung Dritter; Störerhaftung) OLG Nürnberg vom 22.6.2008 CR 2008, 654 = MMR 2009, 131 = K&R 2008, 614 = ZUM 2009, 249 Ein Suchmaschinenbetreiber ist vor der Abmahnung eines Dritten, der sich in einer verlinkten Seite in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht, nicht Störer einer Rechtsverletzung. Dem Betreiber einer weltweitgroßen Suchmaschine ist es zumutbar und auch möglich, jedenfalls behaupteten Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Inhalte der von ihr verlinkten Seiten nachzugehen. Es würde die Prüfungspflicht allerdings überspannen, wenn der Betreiber jedem behaupteten Vorwurf nachgehen muss. (Prüfungspflichten; Suchmaschinenbetreiberhaftung) OLG Düsseldorf vom 20.5.2008 CR 2009, 40 = MMR 2008, 675 = ZUM 2008, 866 Durch einen eDonkey-Server selbst werden nicht urheberrechtliche Verwertungsrechte verletzt, allenfalls ermöglicht er eine solche Verletzung durch den User. Nach erhalt einer Mitteilung von Urheberrechtsverletzungen kann von dem Serverbetreiber nicht verlangt werden, dass er einen großflächigen Wortfilter einstellt um daraufhin durch eine händische Kontrolle illegale Inhalte von den legalen zu trennen. (eDonkey-Server; Überwachungspflichten, Betreiberhaftung) OLG Frankfurt a.M. vom 12.2.2008 GRUR-RR 2008, 385 Das Haftungsprivileg des § 8 Abs. 2 TDG (= § 7 Abs. 2 TMG) setzt voraus, dass es sich bei einer beanstandeten urheberrechtlichen Nutzung um fremde Informationen handelt; außerdem schließt es Unterlassungsansprüche nicht aus. (Haftungsprivileg; Unterlassungsanspruch)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht OLG Köln vom 8.2.2008 CR 2008, 521 = K&R 2008, 465 Der Betreiber eines Affiliate-Systems haftet auch für die Wettbewerbsverstöße seiner Vertriebspartner, auch wenn diese durch den Verstoß gegen vertragliche Abreden handelten. (Affiliate-Haftung) OLG Frankfurt a.M. vom 22.1.2008 CR 2008, 242 = MMR 2008, 166 = K&R 2008, 185 = WRP 2008, 377 = ITRB 2008, 53 = ZUM 2008, 230 Der sog. Access Provider ist auch unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht für den Inhalt der Webseiten, zu denen er seinen Kunden den Zugang vermittelt, grundsätzlich nicht verantwortlich. (keine Haftung des Access Providers für Inhalte von Webseiten) OLG Düsseldorf vom 15.1.2008 K&R 2008, 183 = MMR 2008, 254 = ZUM 2008, 332 Eine Überwachungspflicht des Usenet-Betreibers dahingehend, das Usenet ständig daraufhin zu überprüfen, ob eine bestimmte Urheberrechtsverletzung erneut auftritt und eine Verpflichtung gegebenenfalls diese Verletzung zu unterbinden, ist nicht zumutbar. (Überwachungspflicht des Usenet-Betreibers)
J. Kollisionsrecht EuGH vom 6.9.2012 C-190/11 Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde. (Kein Erfordernis eines Fernabsatzvertrags bei Verbrauchergerichtsstand) EuGH vom 19.4.2012 C-523/10 – Wintersteiger Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Marke eingetragen ist, oder die Gerichte
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J. Kollisionsrecht des Mitgliedstaats, in dem der Werbende niedergelassen ist, angerufen werden können. (Internationale Zuständigkeit bei Markenverletzung durch AdWord-Werbung) EuGH vom 15.3.2012 C-292/10 Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) findet in einem Fall keine Anwendung, in dem der Ort der Niederlassung des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft unbekannt ist, da diese Bestimmung nur dann anwendbar ist, wenn der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der betreffende Anbieter tatsächlich niedergelassen ist, feststeht. (E-Commerce; Binnenmarkt; Unbekannter Ort der Niederlassung) EuGH vom 25.10.2011 C-509/09, C-161/10 – eDate Advertising Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben. Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist. Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ist dahin auszulegen, dass er keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlangt. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/31 gestatteten Ausnahmen im koordinierten Bereich sicherstellen, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht. (Zuständigkeit des Gerichts bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz) EuGH vom 9.6.2011 C-87/10 Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Bei der Prüfung, ob der Lieferort „nach dem Vertrag“ bestimmt ist, muss das angerufene nationale Gericht alle einschlägigen Bestimmungen und Klauseln dieses Vertrags, einschließlich der allgemein anerkannten und im internationalen Handelsverkehr üblichen Bestimmungen und Klauseln wie der von der Internationalen Handelskammer formulierten Incoterms („international commercial terms“) in der im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung berücksichtigen, die eine eindeutige Bestimmung dieses Ortes ermöglichen. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen. (Bestimmung des Lieferorts beim Versendungskauf) EuGH vom 7.12.2010 C-144/09 – Pammer/Alpenhof Ein Vertrag über eine Frachtschiffsreise wie der im Ausgangsverfahren der Rechtssache C-585/08 fragliche stellt einen Reisevertrag, der für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsieht, im Sinne von Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dar. Für die Feststellung, ob ein Gewerbetreibender, dessen Tätigkeit auf seiner Website oder der eines Vermittlers präsentiert wird, als ein Gewerbetreibender angesehen werden kann, der seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 „ausrichtet“, ist zu prüfen, ob vor einem möglichen Vertragsschluss mit dem Verbraucher aus diesen Websites und der gesamten Tätigkeit des Gewerbetreibenden hervorgeht, dass dieser mit Verbrauchern, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten, darunter dem Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers, wohnhaft sind, in dem Sinne Geschäfte zu tätigen beabsichtigte, dass er zu einem Vertragsschluss mit ihnen bereit war. (Internationale Zuständigkeit bei Präsentation einer Reise oder eines Hotels auf einer Website) EuGH vom 25.2.2010 NJW 2010, 1059 Artikel 5 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich EuGVVO ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen. (Internationale Zuständigkeit; Versendungskauf; Erfüllungsort)
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J. Kollisionsrecht EuGH vom 6.11.2003 NJW 2004, 139 – Gambelli Eine nationale Regelung, die – strafbewehrte – Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, enthält, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. EG Artikel 43 und EG Artikel 49 EG dar, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen. (Italienisch-britische Internetsportwetten) EuGH vom 1.10.2002 NJW 2002, 3617– Henkel Die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind so auszulegen, dass eine vorbeugende Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Untersagung der Verwendung angeblich missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, im Sinne von Artikel 5 Nr. 3 EuGVÜ zum Gegenstand hat. (Gerichtsstand; unerlaubte Handlung) BGH vom 28.6.2012 I ZR 35/11 – Hi Hotel Für die internationale Zuständigkeit der nationalen Gerichte kommt es grundsätzlich nur darauf an, ob der Kläger schlüssig vorgetragen hat, dass im Inland ein i.S.d. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO schädigendes Ereignis eingetreten ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist. (Internationale Zuständigkeit im Urheberrecht) BGH vom 8.5.2012 VI ZR 217/08 Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassenen Anbieters jedenfalls dann international zuständig, wenn die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, den Mittelpunkt ihrer Interessen in Deutschland hat. § 3 TMG enthält keine Kollisionsnorm, sondern ein sachrechtliches Beschränkungsverbot.
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Zur Zulässigkeit des Bereithaltens nicht mehr aktueller Beiträge in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil eines Internetportals (Online-Archiv), in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird. (Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Internetveröffentlichungen) BGH vom 1.2.2012 XII ZR 10/10 In Fällen, in denen der Internetauftritt eines Gewerbetreibenden das Merkmal des „Ausrichtens“ erfüllt, ist die Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO nicht von der Voraussetzung abhängig, dass der Vertrag im Wege des Fernabsatzes abgeschlossen wurde. Es kann genügen, wenn zwischen dem Internetauftritt des Gewerbetreibenden und dem späteren Vertragsschluss ein Kausalzusammenhang besteht. (Verbrauchergerichtsstand bei Online-Werbung) BGH vom 29.11.2011 XI ZR 172/11 Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO erweitert gegenüber der Vorgängervorschrift des Art. 13 EuGVÜ den Anwendungsbereich für Verbraucherklagen auf Fälle, in denen der Vertragspartner seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers lediglich ausgerichtet hat. Veranlasst worden ist diese Erweiterung durch den Wunsch, auch Verträge zu erfassen, die über eine vom Unternehmer unterhaltene aktive Internetseite abgeschlossen werden, beschränkt sich jedoch nicht auf solche Vorgänge. (Weiter Verbrauchergerichtsstand im Vertragsverhältnis) BGH vom 12.4.2011 XI ZR 341/08 Bei dem Kontoführungsvertrag, in dem die Schiedsklausel enthalten ist, handelt es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF, weil Bank- und Börsengeschäfte, die der Pflege des eigenen Vermögens dienen, grundsätzlich nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gelten. Liegt danach eine Vereinbarung eines Verbrauchers vor, auf die sich die Schiedsabrede bezieht, so sind in entsprechender Anwendung von Art. 29 Abs. 3 Satz 1 EGBGB aF die allgemeinen die Form betreffenden Kollisionsregeln des Art. 11 Abs. 1 bis 3 EGBGB aF nicht anwendbar und es gilt unabhängig von einer getroffenen Rechtswahl für die Form das Recht des Aufenthaltsorts des Verbrauchers, ohne dass ein Günstigkeitsvergleich stattfindet. (Kontoführungsvertrag; Schiedsabrede; Verbrauchervertrag) BGH vom 29.3.2011 VI ZR 111/10 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen wird nicht schon dadurch begründet, dass der Betroffene an seinem Wohnsitz im Inland die Äußerungen abgerufen hat und diese vereinzelt
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J. Kollisionsrecht Geschäftspartnern bekannt geworden sind. Richten sich die in fremder Sprache und Schrift gehaltenen Berichte über Vorkommnisse im Ausland ganz überwiegend an Adressaten im Ausland, ist der für die internationale gerichtliche Zuständigkeit maßgebliche deutliche Inlandsbezug nicht gegeben. (Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Internetveröffentlichung) BGH vom 23.6.2010 VIII ZR 135/08 Bei einem grenzüberschreitenden Versendungskauf ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Ein nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO bestehender besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes erfasst sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich. Das gilt ungeachtet der jeweils gewählten Klageart oder Rechtsschutzform. (Erfüllungsorts bei grenzüberschreitendem Versendungskauf) BGH vom 2.3.2010 WRP 2010, 653 = K&R 2010, 338 mit Anm. Degmair Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann. (Internationale Zuständigkeit; Online-Zeitung; New York Times) BGH vom 11.2.2010 I ZR 85/08 – Ausschreibung in Bulgarien Das anwendbare materielle Wettbewerbsrecht ist grundsätzlich auch dann nach dem Marktortprinzip zu bestimmen, wenn sich der wettbewerbliche Tatbestand im Ausland ausschließlich unter inländischen Unternehmen abspielt oder sich gezielt gegen einen inländischen Mitbewerber richtet, der dadurch im Wettbewerb behindert wird. (Anwendbares materielles Recht bei Wettbewerb zwischen Inländern im Ausland) BGH vom 10.11.2009 GRUR 2010, 261 = WRP 2010, 108 = MMR 2010, 211 = K&R 2010, 45 Dem EuGH werden Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese betreffen unter anderem die Frage in welchem Mitgliedsstaaten der EU eine Unterlassungsklage gegen den Be-
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht treiber einer Internetseite mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten erhoben werden. (Persönlichkeitsrechtsverletzung; internationale Zuständigkeit) BGH vom 9.7.2009 NJW 2009, 3371 mit Anm. Staudinger/Czaplinski Für die Klage eines Verbraucherschutzvereins, mit der dieser von einem Firma mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft begehrt, die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, sind die deutschen Gerichte international zuständig. (Internationale Zuständigkeit; AGB) BGH vom 17.9.2008 NJW 2009, 298 = CR 2009, 174 = MDR 2009, 44 = K&R 2009, 47 Durch den Begriff des Ausrichtens einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers i.S.d. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO sollte neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des jeweiligen Verbrauchers gerichteten Werbung vor allem auch der so genannte elektronische Handel über das Internet erfasst werden, bei dem ein Vertragsschluss auf ausschließlich elektronischem Wege zustande kommt. Die Zugänglichkeit einer nur passiven Website als solche und der Umstand, dass sich der Verbraucher des Angebots einer Dienstleistung oder der Möglichkeit, Waren zu kaufen, durch eine solche in seinem Mitgliedstaat zugängliche Website bewusst wird, sind nicht ausreichend, um den Kompetenztatbestand zu erfüllen. Vielmehr ist erforderlich, dass diese Website auch zum Vertragsschluss im Fernabsatz auffordert, und dass tatsächlich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit welchem Mittel auch immer. Darüber hinaus ist für die Erfüllung des Merkmals des „Ausrichtens“ der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers erforderlich, dass er dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt. Anwendbar ist die Vorschrift, gerade im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter und die Notwendigkeit einer autonomen und engen Auslegung ihrer Voraussetzungen, deshalb nicht, wenn ein Verbraucher auf Auslandsreisen „zufällig“ Verträge mit einem „Unternehmer“ abschließt. (Internationale Zuständigkeit; Verbraucherverträge) BGH vom 5.10.2006 CR 2007, 34 = MMR 2007, 104 Ist nach einem bilateralen Abkommen der Schutz von geographischen Herkunftsangaben im Herkunftsland unter den selben Bedingungen zu gewährleisten wie im Recht des Marktorts, so kann eine Bewertung nach dem Recht des Firmensitzes keine günstigere Beurteilung nach sich ziehen als eine Bewertung nach dem Recht des Marktorts. (Pietra di Soln; geographische Herkunftsangaben)
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J. Kollisionsrecht BGH vom 30.3.2006 MMR 2006, 461 m. Anm. Hoeren = CR 2006, 539 = WRP 2006, 736 – Arzneimittelwerbung im Internet Nach Art. 15 Abs. 1c EuGVVO ist für die Annahme einer Verbrauchersache Voraussetzung, dass dem Vertragsschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein Angebot oder eine Werbung vorausgehen musste. (Ausrichten; Verbraucherverträge; Gerichtsstand) BGH vom 24.10.2005 NJW 2006, 689 Für Unterlassungsklagen wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung gem. § 1004 BGB, die ein im EU-Ausland wohnender Beklagter im Inland begangen hat und deren Wiederholung droht, sind die deutschen Gerichte international zuständig gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. (Unterlassungsklage; Gerichtsstand) BGH vom 13.10.2004 NJW 2005, 1435, 1436 = CR 2005, 359 = K&R 2005, 178 – Hotel Maritime Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte reicht es aus, dass die Verletzung des geschützten Rechtsguts im Inland behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nicht jedes im Inland abrufbare Angebot ausländischer Dienstleistungen im Internet kann bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche auslösen. Erforderlich ist, dass das Angebot einen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist. (hotel-maritime.dk; Schutzlandprinzip) BGH vom 7.11.2002 GRUR Int. 2003, 470 Erdgebundene Rundfunksendungen, die über einen inländischen Sender an die Öffentlichkeit ausgestrahlt werden, unterliegen auch dann dem Tatbestand des Senderechts (§ 20 UrhG), auf den die §§ 76 und 86 UrhG Bezug nehmen, wenn sie von einem grenznahen Senderstandort aus gezielt für die Öffentlichkeit im benachbarten Ausland abgestrahlt werden und im Inland nur in sehr geringem Umfang empfangen werden können. Es ist bei solchen Rundfunksendungen Sache des Bestimmungslandes als Schutzland zu entscheiden, ob es die Sendungen den nach seiner Rechtsordnung gewährten Schutzrechten unterwirft. Geschieht dies, ist bei der Bemessung der Höhe von Vergütungsansprüchen, die eine Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten nach inländischem Recht wegen solcher für das Ausland bestimmter Rundfunksendungen geltend machen kann, zu berücksichtigen, dass die Rundfunksendungen auch im Bestimmungsland mit entsprechenden Vergütungsansprüchen belastet sind. (erdgebundene Rundfunksendungen; Anwendung deutschen Urheberrechts; Sender Felsberg)
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht BGH vom 2.5.2002 GRUR Int. 2003, 71 = WRP 2002, 1156 – FROMMIA Für die Übertragung einer inländischen Marke zwischen ausländischen Beteiligten ist nach dem im Immaterialgüterrecht geltenden Territorialitätsprinzip deutsches Recht maßgeblich. An dem Erfordernis des Übergangs des Geschäftsbetriebs für die Übertragung des Unternehmenskennzeichens ist auch unter der Geltung des Markengesetzes grundsätzlich festzuhalten. Zu den Voraussetzungen einer nur zeitweisen Stillegung des Geschäftsbetriebs, der den Schutz des Unternehmenskennzeichens nicht entfallen lässt. (Markenrecht; internationales Privatrecht) OLG Köln vom 11.9.2012 15 U 62/12 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kann auch bezüglich einer Internetveröffentlichung einer deutschsprachigen ausländischen Zeitung zu bejahen sein, wenn sich ein Inlandsbezug der Berichterstattung aus dem Umstand ergibt, dass die dort erwähnte und im Bild dargestellte Person Deutscher ist. Eine identifizierende Berichterstattung kann auch ohne Namensnennung oder mit nur abgekürzter Namensnennung daraus hergeleitet werden, dass das Gesicht der abgebildeten Person nur teilweise abgedeckt ist und die Person jedenfalls von Dritten, die sie persönlich kennen, unschwer erkannt wird. (Internationale Zuständigkeit bei Internetveröffentlichungen einer ausländischen Zeitung) OLG München vom 6.9.2012 34 AR 324/12 Die Rechtsauffassung, dass der Wohnsitz des Klägers bei geltend gemachter Urheberrechtsverletzung im Internet einen ausreichenden Bezug zur Rechtsverletzung darstellt und damit einen Gerichtsstand begründet, erscheint gut vertretbar. Ebenso vertretbar ist auch eine Rechtsauffassung, die den „fliegenden Gerichtsstand“ der bestimmungsgemäßen Verbreitung einschränkt und einen gewissen Ortsbezug fordert, ohne den (Wohn-)Sitz der klagenden Partei als zuständigkeitsbegründend zu berücksichtigen. (Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet) OLG Frankfurt a.M. vom 24.5.2012 6 U 103/11 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht gegeben, wenn die beanstandete Aussage in englischer Sprache auf der für England bestimmten Unterseite eines Internetauftritts veröffentlicht worden ist und sich in diesem Internetauftritt auch eine für Deutschland bestimmte deutschsprachige Unterseite befindet; dies gilt selbst dann, wenn die Aussage einen inhaltlichen Bezug zur in Deutschland ansässigen Klägerin hat. Die „Konnexität“ im Sinne von § 33 I ZPO begründet lediglich einen besonderen Gerichtsstand und stellt keine allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Wi-
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J. Kollisionsrecht derklage dar; sie ist daher entbehrlich, wenn sich die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage bereits aus anderen Vorschriften ergibt. In einer Presseerklärung abgegebene kritisierende Werturteile über einen Mitbewerber stellen eine unlautere Herabsetzung dar, wenn sie nach dem Kontext einen falschen Eindruck über die Hintergründe erwecken oder unklar bleibt, auf welcher konkreten Tatsachengrundlage die Bewertung beruht. Die Verpflichtung zur Angabe des Endpreises für Flugdienste (Art. 23 EU-LuftverkehrsdiensteVO) trifft auch den Vermittler von Flugdiensten, der in den Endpreis die an ihn zu zahlende Vermittlungsgebühr einbeziehen muss; der Endpreis unter Einschluss dieser Gebühr muss bereits bei der erstmaligen Nennung des Flugpreises für eine bestimmte Verbindung genannt werden. (Internationale Zuständigkeit; Angabe des Flugendpreises im Internet) OLG München vom 2.2.2012 29 U 3538/11 Wenn ein österreichisches Finanzdienstleistungsunternehmen im Rahmen seines Internet-Auftritts unter einer österreichischen Domain in einer Flash-Präsentation zum Thema „Sparen & Vorsorgen“ in urheberrechtsverletzender Weise Fotografien, Grafiken und Texte verwendet, an denen dem (deutschen) Betreiber einer Internet-Plattform die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte zustehen, so ist für eine Unterlassungsklage keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt insbesondere nicht aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Zwar fallen grundsätzlich auch Klagen aus Urheberrechtsverletzungen unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung und der Ort des schädigenden Ereignisses i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist; der Erfolgsort liegt hier jedoch nicht (auch) in der Bundesrepublik Deutschland, weil sich der streitgegenständliche Internetauftritt bestimmungsgemäß nur in Österreich hat auswirken sollen. Dazu ist als konkreter Anhaltspunkt festzustellen, dass sich das Finanzberatungsangebot ausweislich der Werbung „Vereinbaren Sie deshalb noch heute Ihren persönlichen Beratungstermin“ an einen Personenkreis richtet, der so loziert ist, dass die Vereinbarung persönlicher Beratungstermine mit dem im Graz ansässigen Unternehmen unter Berücksichtigung der räumlichen Entfernung noch sinnvoll ist. Dies ist in Bezug auf in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Personen gerade nicht der Fall. (Internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverstößen im Internet; Sparen und Vorsorgen) OLG München vom 12.9.2011 29 W 1634/11 Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine richterliche Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG kann nicht auf Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO gestützt werden, wenn der betreffende Internet-Service-Provider seinen Sitz in Großbritannien hat. Das Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG stellt keine Rechtsstreitigkeit im Sinne der genannten Verordnung (EG) Nr. 44/2001 dar. Es handelt sich dabei nicht um ein gegen einen Dritten gerichtetes kontradiktorisches Auskunftsverfahren, sondern um ein Verfahren betreffend eine (vorherige) gerichtliche Entscheidung, welche die Verwendung von Verkehrsdaten zur Auskunftserteilung zulässt.
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht Verletzte i.S.d. § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG sind, bezogen auf § 85 UrhG, der Inhaber eines Leistungsschutzrechts nach § 85 UrhG sowie der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts bezüglich eines solchen Leistungsschutzrechts. Der Inhaber eines diesbezüglichen einfachen Nutzungsrechts ist hingegen nicht Verletzter. (Internationale Zuständigkeit bei Gestattungsanordnungen zur Verkehrsdatenauskunft) OLG Köln vom 25.3.2011 6 U 87/10 Ein sog. Sharehoster, der (umfangreichen) virtuellen Speicherplatz zur Verfügung stellt, ist für Ansprüche aus § 101 Abs. 1 UrhG passivlegitimiert, wenn der Rechtsverletzer den Speicherplatz zum Einstellen urheberrechtlich geschützter Werke nutzt und durch Verlinkung auf einer weiteren Internetseite der Öffentlichkeit den Zugriff auf die eingestellten Werke ermöglicht. Das Statut für Verletzungen von Datenschutzrechten der Anbieter ist nicht vom Urheberrechtsstatut erfasst, sondern gesondert nach § 40 Abs. 1 EGBGB zu ermitteln, wonach der Handlungsort und damit der Sitz des Sharehosters maßgeblich ist. (Sharehoster; Passivlegitimation) OLG Stuttgart vom 17.2.2011 2 U 65/10 Beim Versandhandel mit Medikamenten ist die Einrichtung einer Telefonberatung, die für den Patienten mit Kosten in Form von Telefonentgelten verbunden ist, welche über die ihm bei Festnetzgesprächen aufgrund seines Telefontarifs normalerweise entstehenden hinausgehen, mit der Beratungspflicht in §§ 20, 17 ApBetrO unvereinbar. Eine ausländische Versandapotheke bedarf der deutschen Apothekenerlaubnis, wenn sie Arbeitsgänge in Deutschland ausführen lässt, die dem pharmazeutischen Bereich der Apotheke zuzurechnen sind, sei es unmittelbar oder weil sie Auswirkungen auf die Arzneimittelsicherheit oder die Volksgesundheit haben können. Zur Unterlauterkeit von Angaben, durch die eine ausländische Versandapotheke beim Verbraucher den Eindruck erweckt, sie habe ihren Sitz in Deutschland bzw. sein Vertragspartner werde nicht eine ausländische Versandapotheke sondern eine deutsche Drogeriemarktkette. Die von einer ausländischen Versandapotheke gegenüber Kunden in Deutschland verwendete Klausel „Anwendbares Recht/Gerichtsstand: für alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten gilt ausschließlich niederländisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“ benachteiligt den deutschen Verbraucher unangemessen. (Rechtsbruch; ausländische Versandapotheke) OLG München vom 8.10.2009 IPRB 2010, 105 Deutsche Gerichte sind für Markenverletzungen im Internet international zuständig, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß in Deutschland auswirken
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J. Kollisionsrecht soll. Es reicht nicht aus, wenn der Internetauftritt in Deutschland bloß abrufbar ist. (Markenverletzungen; internationale Zuständigkeit; Refoderm) OLG Celle vom 24.7.2009 CR 2010, 17 = K&R 2009, 655 Der in einer Auftragsbestätigung enthaltene Hinweis auf die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Einsehbarkeit auf der Internetseite des Verwenders oder in dessen Geschäftsräumen genügt auch im kaufmännischen Rechtsverkehr den Formerfordernissen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO an den Abschluss einer Vereinbarung über einen internationalen Gerichtsstand nicht, wenn der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht zugleich übersandt wird oder ihm im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung aufgrund vorangegangener Verträge bereits vorliegt. (Gerichtsstandsvereinbarung; AGB) OLG Rostock vom 20.7.2009 K&R 2009, 657 Der Begehungsort bei einer im Internet begangenen Verletzung ist auch jeder Ort, an dem die verbreitete Information dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird und keine bloß zufällige Kenntnisnahme vorliegt. Auf den Standort des Mediums kommt es nicht an. Wird ein Warenangebot über das Internet verbreitet, so wird dadurch eine örtliche Zuständigkeit am Ort der Kenntniserlangung begründet, wenn sich dieses Angebot dort auf potentielle Kunden auswirken kann. Beim Angebot von Waren im Internet trifft das in der Regel zu, anders als etwa bei rein örtlichen, im Internet beworbenen Dienstleistungen. (Wettbewerbsverstoß; fliegender Gerichtsstand) OLG München vom 7.5.2009 K&R 2009, 489 Der Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen im Internet ist der Gerichtsstand in dessen Ort die unerlaubte Handlung vorgenommen wird. (Gerichtsstand; Inland; Urheberrechtsverletzung) OLG Hamburg vom 8.4.2009 MMR 2010, 185 Bei § 3 TMG Norm handelt es sich nicht um eine Kollisionsnorm zur Bestimmung des maßgeblichen Rechts, sondern um eine Sachnorm. (Herkunftslandprinzip; E-Commerce-RL) OLG Düsseldorf vom 30.12.2008 NJW 2009, 701 Deutsche Gerichte sind international nicht zuständig bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Lokalteil einer US-amerikanischen Zeitschrift, wenn diese nicht
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Anhang: Rechtsprechungsbersicht regelmäßig in Deutschland in den Verkehr gebracht wird und auch die Veröffentlichung im Online-Archiv nicht für Deutschland bestimmt ist. (Gerichtsstand; Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG Hamburg vom 29.7.2008 7 U 22/08 Ist der Internetauftritt des Verletzers bestimmungsgemäß auch in Deutschland abrufbar, folgt aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, dass in der Sache deutsches Recht anwendbar ist. Aus § 3 Abs. 2 TMG folgt zunächst nichts anderes, da diese Norm so zu verstehen ist, dass auch danach prinzipiell das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Internetauftritt abgerufen wird, und der Betreiber des Internetauftritts dadurch geschützt wird, dass er nicht haftet, wenn er nach dem Recht des Staates, in dem er ansässig ist, von der Verantwortung frei ist. (Herkunftslandsprinzip) OLG Düsseldorf vom 22.4.2008 MMR 2008, 748 Eine inländische Kennzeichenbenutzung durch Verwendung eines geschützten Zeichens in einer .com-Domain kann nicht schon allein deshalb bejaht werden, weil Internetseiten von jedem Ort der Welt abrufbar sind. Es ist erforderlich, dass das kennzeichenverletzende Angebot einen hinreichend wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist. (Territorialitätsprinzip; .com-Domain; Markenrechtsverletzung)
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Literaturverzeichnis Abel, Stefan: Generische Domains – geklärte und ungeklärte Fragen zur Zulässigkeit beschreibender second-level-domains nach dem Urteil des BGH vom 17.5.2001; WRP 2001, S. 1426; [zitiert: Abel, WRP 2001] Ahrens, Claus: Napster, Gnutella, FreeNet & Co. – die immaterialgüterrechtliche Beurteilung von Internet-Musiktauschbörsen; ZUM 2000, S. 1029; [zitiert: Ahrens, ZUM 2000] Aigner, Dietmar; Hofmann, Dietrich: Fernabsatzrecht im Internet; 1. Auflage; München; 2004; [zitiert: Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet] Aigner, Dietmar; Hofmann, Dietrich: Virtuelle Kaufhäuser – Auswirkungen des Fernabsatzgesetzes; MMR Beilage 8/2001, S. 30; [zitiert: Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001] Alpert, Frank: Kommerzielle Online-Nutzung von Computerprogrammen; CR 2000, S. 345; [zitiert: Alpert, CR 2000] Alpert, Frank: „Vorvertragliche“ Vergütungsansprüche bei Webdesignern, Werbeagenturen und EDV-Dienstleistern beim Werkvertrag; CR 2001, S. 213; [zitiert: Alpert, CR 2001] Alpert, Frank: Virtuelle Marktplätze im Internet: Typische Haftungsrisiken des Anbieters von B2B-Portalen; CR 2001, S. 604; [zitiert: Alpert, CR 2001] Altenburg, Stefan; Reinersdorf, Wolfgang von; Leister, Thomas: Telekommunikation am Arbeitsplatz; MMR 2005, S. 135; [Altenburg/Reinersdorf/Leister, MMR 2005] Altenhain, Karsten: Die gebilligte Verbreitung missbilligter Inhalte – Auslegung und Kritik des § 5 Teledienstegesetz; AfP 1998, S. 457; [zitiert: Altenhain, AfP 1998] Apel, Jürgen; Steden, Robin: Urheberrechtsverletzungen durch Werbeblocker im Internet; WRP 2001, S. 112; [zitiert: Apel/Steden, WRP 2001] Arning, Marian; Forgó, Nikolaus; Krügel, Tina: Datenschutzrechtliche Aspekte der Forschung mit genetischen Daten; DuD 2006, S. 700; [zitiert: Arning/Forgó/Krügel, DuD 2006] Arnold, Arnd; Dötsch, Wolfgang: Verschärfte Verbraucherhaftung beim Widerruf?; NJW 2003, S. 187; [zitiert: Arnold/Dötsch, NJW 2003] Arnold, Bernhard: Das Verbot von Umgehungsmitteln – § 95a UrhG erstmals auf dem Prüfstand beim BGH; NJW 2008, S. 3545; [zitiert: Arnold, NJW 2008] Arnold, Dirk: Verbraucherschutz im Internet; CR 1997, S. 526; [zitiert: Arnold, CR 1997] Attendorn, Thorsten: Wegfall der Haftungsprivilegierung für Links nach der TDG-Novelle; MMR 6/2002, S. V; [zitiert: Attendorn, MMR 6/2002] Ayad, Patrick: Schuldrechtsreform: das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in der Vertragspraxis; DB 2001, S. 2697; [zitiert: Ayad, DB 2001] Bachmann, Birgit: Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlungen im Internet; IPRax 1998, S. 179; [zitiert: Bachmann, IPrax 1998] Bachmann, Peter; Mayerhöfer, Alexander: Internet-Auktionen im Lichte des § 34 GewO; GewArch 2000, S. 274; [zitiert: Bachmann/Mayerhöfer, GewArch 2000] Backu, Frieder; Hertneck, Danielle: Haftung des Access-Provider; ITRB 2008, S. 35; [zitiert: Backu/Hertneck, ITRB 2008] Bär, Wolfgang: Zu strafprozessualen Zugriffsmaßnahmen auf zwischengespeicherte E-Mails; MMR 2000, S. 176; [zitiert: Bär, MMR 2000] Bär, Wolfgang: Telekommunikationsüberwachung und andere verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Gesetzliche Neuregelung zum 1.1.2008; MMR 2008, S. 215; [zitiert: Bär, MMR 2008]
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Stichwortverzeichnis Die Zahlen verweisen auf die Randnummern. Halbfette Zahlen bezeichnen die Hauptfundstellen. Abfangen von Kunden 1445, 2008 Abnahme 665 f. Abo-Fallen 1508 Absatzbehinderung 2002 Access Provider 276, 356 ff., 692 ff., 1391, 2072 ff., 2118 f., 2176 ff. – Bandbreite 705 – fingierte Erklärungen 709 – Haftungsbeschränkung 784 – Preisanpassungsklauseln 707 – Rechtnatur 694 ff. Admin-C (Administrative Contact) 744 ff., 1811, 2210 ff. Alleinstellungsbehauptung 1988 Allgemeine Geschäftsbedingungen 238, 588 ff., 772, 1141, 1575 ff., 2368 – Anwendungsbereich 590 ff. – ausdrücklicher Hinweis 598 ff. – Beweisfragen 618 ff. – Einbeziehung in den Vertrag 595 ff. – Einverständnis 613 ff. – fremdsprachliche 632 f. – Hyperlink 592, 599 ff., 773 f. – Inhaltskontrolle 634, 726, 1575 – Lesbarkeit 627 – Möglichkeit der Kenntnisnahme 605 f. – Transparenzgebot 240, 612, 626 ff., 703, 778 f., 1078 – überraschende Klauseln 621 ff., 1740 – Übersichtlichkeit und Verständlichkeit 621 ff., 1740 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 85 ff., 150, 329 ff., 350 ff., 1760 – Anwaltsschreiben 99 ff. – Arbeitnehmer 329 ff., 340 f., 350 ff. – Briefe 82 ff. – Domains 1967 – E-Mails 82 ff. – E-Mail-Werbung 1704 ff. – Foren 2185 – Haftung 2065, 2069 – Informationsinteresse 9 f., 24 – Kollisionsrecht 167, 2415 ff. – Meinungsfreiheit 6 ff. – Online-Publikationen 15 ff., 2405 – Suchmaschinen 2207 ff. – Sphärenthorie 30 ff. – Videoportal 2108, 2193 ff.
Anfechtung 398, 514 ff. – Arglistige Täuschung 538 f. – Eingabefehler 517 ff., 527 ff., 967 f. – Erklärungsirrtum 516 ff. – Irrtum des Anbieters 522 ff. – Irrtum des Bestellers 517 ff. – Kalkulationsfehler 522 ff. – Schadensersatzanspruch 520 f. – Softwarefehler 523 ff. – Übermittlungsfehler 532 ff. Annahmefristen 444 Anonymität 17 f. Anscheinsbeweis 584 f. Anscheinsvollmacht 566 ff., 578, 586 Anschrift, ladungsfähige 889, 891, 953, 990, 998, 1527 anwaltliches Berufsrecht 1541 ff. anwendbares Recht siehe Kollisionsrecht Archivschätze 1294 ASP-Verträge (Application Service Provinding) 750 ff. Auktionsplattformen 460 ff., 2121 AuthInfo-Verfahren 735 Bannerwerbung 1779 Behinderung 1413, 1418, 1442 ff. – gezielte 1442 ff., 1453, 1673, 1688, 1785, 2012, 2039 – unlautere 1442 ff., 1455 ff., 1836 ff., 1843, 1970, 2011 Belehrungsmuster 993 ff. Berufsträger, kammerangehörige 1532 Bestandsdaten 193 ff., 242 ff. Bestätigungsmail 447 f., 969 Bewertungsportale 103 ff. Blickfangwerbung 1614 ff. Bogsch-Theorie 2332, 2342 ff. Change Management 667 ff. Cheats 1457 ff. CISG (Convention on Contracts for the International Sale of Goods) 2313 f. Cloud Computing 754 ff. Cold Calling 1719 Community-Shopping siehe Powershopping Computer-Grundrecht (IT Grundrecht) 150, 278
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Stichwortverzeichnis Computerprogramm 1029, 1186 ff., 1230, 1345, 1365 Content-Provider 1203, 1211 Cookies 267 ff., 280, 363 Copyrightvermerk 1194, 1203 ff. Datenbankwerke 1170, 1213, 1258 ff. Datenschutzbestimmungen 225 f., 229 f., 237 Datenschutz Grundverordnung 362 ff. – Personenbezug 366 ff. – Schutzgut 364 f. – Verbotsprinzip 378 ff. Datenschutzrecht 148 ff. – Chilling Effects 159 – Diskriminierungsschutz 162, 192 – Einwilligungserklärung 1742 ff. – Einwilligungsprinzip 222 ff. – Persönlichkeitsrecht 150, 174, 255, 329 ff., 350 ff. Datenspuren 149, 266, 341, 343 Datenträger – dauerhafter 508 – entsiegelte 1042 ff. Datenverarbeitung ohne Einwilligung 242 ff. Deeplink 1200 ff., 1310 f., 1777 f. Deliktsrecht 549, 1404, 1712, 1759 ff., 2395 ff., DENIC 729, 735 f., 1807 ff., 2046 ff. – Störerhaftung 2049, 2211 ff. Dialer 309 ff. Digital Rights Management (DRM) 1127 Distanzgeschäfte 824 ff. DNS (Domain-Name-System) 1805, 2179 Domaingrabbing 1828, 1829 ff., 1885 Domainrecht 1795 ff. – Anspruchsgegner 2041 ff. – Anspruchsgrundlagen 2023 – Anspruchsziele 2019 ff. – BRAO 1542 – Domainhandel 728, 1839 – Domainpacht 740 ff., 2140 – Domainverträge 728 ff. – Gattungsbegriffe 1669 f., 1686 f., 1832, 1984 ff., 2011 – Hash 735 – Kennzeichnungskraft 1859 f. – Markenrecht 1828, 1846 ff., 1934 ff., 2042 – Namensrecht 1678, 1700, 1828, 1922 ff., 1953 ff., 2035 ff.
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– Tippfehler-Domains 1982, 2008 ff., 2038, 2051, 2063 – Umlaut-Domains 1982, 2008 ff. – Wettbewerbsrecht 1982 ff. Domains 1795 ff. – Endungen 1800 ff., 1906, 2018 – generische Domains 1800 – geografische Domains 1801 – Inhaber 732 ff. – Rechtsnatur 1817 ff. – Registrierung 729 ff., 1838 – Second-Level-Domain 1798 – Service 743 ff. – Sperrung 2047 – Subdomains 1799 – Top-Level-Domain 1798 – Übertragung 728, 737 ff. – Vergabe 1805 ff. Doorwaypages 1701 ff. Download-Plattformen 480 ff., 769 ff. Dual Use 801 ff. Duldungsvollmacht 563 ff., 571 Ebay siehe Internetauktionen E-Cards 1773 E-Commerce 785, 984, 1478, 1500, 2066 f. – Informationspflichten 965 ff. – Richtlinie 965, 2076 f., 2198, 2207, 2353 f. Eingabefehler 517 ff., 967 ff. Eingangsbestätigung 431, 434, 436, 445 ff., 969 Einspeisungsstaat 2332, 2348 Einwilligung 117 ff., 143 ff., 214, 222 ff., 274, 281, 374 ff., 1242 ff., 1303, 1734 ff., 1739 ff. elektronische Willenserklärung siehe Willenserklärung E-Mail-Werbung 1705, 1723 f., 1736 f. – Deliktsrecht 1712 – Geschäftsbeziehungen, laufende 1755 – Wettbewerbsrecht 1716 ff. Embedded Content 1314 Empfängerhorizont 394 ff., 407 Empfangsbote 415, 423, 532, 534 f. Empfehlungsmarketing 1771 f. Empfangsvorkehrungen 421 Erfolgsort 2365 f., 2371 ff. Erklärungsbewusstsein 392 ff., 398 Erklärungsbote 532 f., 821
Stichwortverzeichnis Fernabsatzrecht 785 ff. – Anwendungsausnahmen 829 ff. – Anwendungsbereich 787 ff. – Dauerschuldverhältnisse 850 f., 948 – Dienstleistungen 814 f. – Distanzgeschäfte, systematische 824 – Dual Use 801 ff. – Fernkommunikationsmittel 878 f., 816 ff. – Finanzdienstleistungen 815, 851, 853, 874, 877, 928 ff., 949, 962, 1012, 1016 ff., – Informationspflichten 852 ff. – Internetauktionen 805 ff., 1059 ff. – Rückgaberecht 1114 ff. – Unternehmer 795 ff. – Verbraucher 792 ff. – Vertragsschluss 816 ff. – Vertriebssystem 822 ff. – Warenlieferungen 814 – Widerruf 979 ff. Fernabsatzrichtlinie 842 – für Finanzdienstleistungen 1012 – Vollharmonisierungsgrundsatz 1012 Fernkommunikationskosten 925 ff. Fernkommunikationsmittel 816 ff. Fernmeldegeheimnis 92, 150, 282 ff., 309 f., 315 ff., 326 ff., 343 ff., 359 ff., 2178 Fernunterrichtsverträge 831 Filesharingsdienste 2241 ff. Filtersoftware 718 ff., 1703, 2162 First Come – First Served 730, 1808, 1814 Form, elektronische 490 ff. – De-Mail 502 – Signatur, elektronische 494 – Signatur, fortgeschrittene elektronische 495 f. – Signatur, qualifizierte elektronische 497 ff. Frames 1310 ff., 1775 ff. – Urheberrecht 1310 ff. – Wettbewerbsrecht 1775 ff. Freizeitveranstaltungen 844 Formerfordernisse 485 ff. Formvereinbarungen 509 ff. Gästebuch, virtuelles 1555 Gebrauchsgraphik 1158 Gerichtsstand, fliegender 2404 ff. Gerichtsstandsvereinbarung 2366 ff., 2378 – AGB 2368 – Kaufleute 2369 – Verbraucher 2377 ff.
Geschäftsfähigkeit 547 ff. – Kollisionsrecht 2310 Geschäftsverkehr, elektronischer 452, 517, 852, 936, 967 Gestaltungshöhe 1134 f., 1138., 1156 f., 1208 Gewerbebetrieb, eingerichteter und ausgeübter 108, 113, 178, 1760 ff., 2028 Glücksspiele 1562 ff. Grundrechtsausübung 151, 223 Haftung 2065 ff. – Access Provider 2069 ff., 2072 ff. 2118 ff., 2176 ff., 2242 – außervertragliche 2316 ff., 2389 ff. – Caching 1234, 2130, 2242 – Domaingrabbing 1828 ff. – fremde Inhalte 2069 ff., 2081 ff. – Host Provider 2069 ff., 2121 ff., 2176 – Hyperlinks 2198 ff. – Kollisionsrecht 2316 ff. – Privilegien 2072 ff. – rechtswidrige Handlungen 2069 – Suchmaschinen 2207 ff. – Telemediendienste 2278 ff. – Urheberrecht 2332 ff. – Webdesignvertrag 670 ff. Handlungsort 2320, 2325 – im Internet 2332, 2339 ff. Handlungswille 389 f., 396 ff. Hausrecht, virtuelles 769, 1452 ff. Haustürwiderrufsrecht 2293 Herkunftslandprinzip 2353 ff. Hidden Content 1679 ff. Host Provider 710 ff., 1391, 2072 ff., 2121 ff., 2176 ff., 2181 Hyperlink – AGB 237, 592, 599 ff., 606 f., 773 f. – Haftungsfragen 2198 ff. – Internet-Werbevertrag 762 ff. – Urheberrecht 1185, 1310 ff. – Wettbewerbsrecht 1501, 1775 ff. ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) 1805 ff. Identität 1891 ff. – Identitätsklau 2238 ff. IDN (Internationalized Domain Names) 1804, 2013 f. Impressumspflicht 1519 ff., 2155, 2219 – Einbindung 1524 ff. – Pflichtangaben 1526 ff. – Sanktionen 1539 ff.
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Stichwortverzeichnis Informationelle Selbstbestimmung 15, 150, 153 ff., 288 Informationspflichten 852 ff. – Ausnahmen 957 ff. – E-Commerce 965 ff. – Form 865 ff., 941 ff. – Gesamtpreis 901 – Hervorhebungspflicht 953 ff. – Inhalt der Pflichtangaben 883 ff., 946 ff. – Klarheit 878 ff. – Lieferbedingungen 909 f. – Lieferkosten 903 ff. – nachvertragliche 938 ff. – Rechtzeitigkeit 859 ff. – Sanktionen 978 ff. – Übersendung der Vertragsbedingungen 962 ff. – Versandkosten 903 ff. – Verständlichkeit 865, 878 ff. – vorvertragliche 856 ff. – Zahlungsbedingungen 909 f. Internationales Privatrecht 2264 ff. Internationales Zuständigkeitsrecht 2270, 2361 ff. Internetadressen siehe Domains Internetauktionen 460 ff., 540 ff., 805 ff., 887, 1011, 1059 ff., 1496, 2148 – Angebotsgebühren 466 – Anfechtung von Kaufverträgen 540 ff. – Bewertungssystem 467 – Kaufverträge 467 ff. – Nutzungsbedingungen 464, 474 ff. – Powerseller 807 ff., 1061, 1535 – Scheingebote 1789 – Sofortkauf 472 f., 541, 1510 – Verkaufsprovision 466 Internetprovider siehe Provider Internet-Verzeichnisse 1273 Internetwerbung 871, 1498, 1542 IP-Adresse 271 ff., 356 ff., 1391 ff., 1795 ff. Irreführungsverbot 1409, 1547, 1587 ff. IT-Grundrecht 150, 278 Jugendschutz 1564 ff., 2148 ff., 2166 Kauf auf Probe 1006 f., 1011 Kaufrecht 640 ff. Keyword-Advertising 1682 ff Kollisionsrecht 2264 ff. – Erfolgsortprinzip 2318 ff. – Haftungsrecht 2316 ff.
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Markenrecht 2348 ff. Marktortprinzip 2327 f. Recht, anwendbares 2268 Rechtswahl 2275 ff. Rechtswahl, fehlende 2301 ff. Schutzlandprinzip 2333 ff., 2349 Sonderanknüpfung 2290, 2309 ff. UN-Kaufrecht 2313 ff. Urheberrecht 2332 ff. Verbraucherverträge 2292, 2312, 2371 ff. – Wettbewerbsrecht 2327 ff., 2357 f., 2432 ff. Kopierschutz 1247 ff. Kundenfang 1412, 1419 ff., 1444 Kundenbewertungssystem als irreführende Werbung 1602 Leistungsvorbehalte 898 ff. Letter of Intent 653 Lieferkosten 667, 903 ff., 935, 1489 ff., 1502 ff., 1512, 1517 Lieferung – unvollständige 1003 – verzögerte 1001 – wiederkehrende 1004 Linkingverträge (Werbeverträge) 757 ff. Live-Auktionen 469, 1060 Lockangebot 1627 ff., 1786 Löschungsanspruch 1319, 1836, 1874, 1895, 1931, 1935 f., 1959, 2029, 2034, 2049 Lotteriegeschäfte 1056 ff. Mailfilter 420 Markeneintragung 1841 ff. Markenrecht – Benutzung, kennzeichenmäßige 1867 ff. – Domains 1825 ff., 2042, 1848 ff. – Kollisionsrecht 2348 ff. Markenregister 1848 Marktortprinzip 2327 ff. Marktstörung 1416 Mediendienste 2078 ff. Mediendienste-Staatsvertrag 2066 f. Metatags 1668 ff. Miturheberschaft 1193, 2346 Multimediawerk 1322 Music-on-Demand-Dienst 1222 Namensanmaßung 1923, 1929 f., 1945, 1948, 1974 Namensleugnung 1923, 1933, 1945, 1948, 1974
Stichwortverzeichnis Namensrecht 1678, 1700, 1828, 1922 ff., 2035 ff., 2044 f., 2212 f., – Gleichnamige 1953 ff. – Ortsbezeichnungen 1971 ff. Name-Server 1797 Newsletter 757, 766 ff., 1450, 1748 ff. NIC (Network Information Center) 1806 Notice-and-Take-Down 2140, 2159 f. Nutzungsdaten 193 ff., 242 ff. Nutzungsprofile 200, 264 ff. Öffentliche Wiedergabe 1214 ff., 1260 ff. Online-Auktionen siehe Internetauktionen Online-Durchsuchung 150, 278, 287, 299 f., 320 Online-Publikationen 15 ff. – Anonymität 17 ff. – Prangerwirkung 20 ff. Online-Videorekorder 1224 ff. Opt-In-Regelung 1723 ff., 1743 ff., 1747 ff. Opt-Out-Regelung 1743 Passwortschutz 570, 583 f., 1045, 2250 Personalisierte Werbung 265 Personenbezogene Daten 176 ff., 273 ff., 304 f. 1439 – Begriff 176 – Bestimmbarkeit 184 ff. – E-Mails 184 ff. – Pseudonyme 205 ff. – Risikoorientierter Ansatz 183 ff. – Unternehmensdaten 178 – Verwendungszusammenhang 182 ff. – Werturteile 180 f. Persönlichkeitsrecht 1 ff., 150, 174, 255, 329 ff., 350 ff., 1319, 1712, 1760, 2325, 2396 – Urheberpersönlichkeitsrecht 1196 ff. Plattformvertrag 769 ff. Pop-Under 1782 Pop-Up 1780 f. Pop-Up-Blocker 1781 Powershopping 1793 ff. Preisangabenverordnung 901, 1471 ff. Preisklarheit 1474, 1500 ff. Preissuchmaschine 1512 Pressespiegel 1330 ff. Prioritätsgrundsatz 1954 ff., 2020 Privatkopie 1343 ff. Provider 190, 289 ff., 415, 418 ff., 423, 533 ff., 1390 ff., 1769 f., 2055 – Haftung 2072 ff.
Providerverträge 683 ff. – Access-Provider-Verträge 692 ff. – Host-Provider-Verträge 710 ff. – Internet-System-Verträge 684 ff. – Mail-Account-Verträge 715 ff. Providerwechsel 735 Prüfungspflichten 2138 ff. Quellcode – Offenlegung 659 – Urheberrecht 1186 ff. – Webdesignverträge 659 ff. Raubkopien 1043, 2178 Rechtswahl 2271 ff. – ausdrückliche 2276 – fehlende 2301 ff. – Formwirksamkeit von Rechtswahlklauseln 2281 f. – Schranken 2238 ff. – stillschweigende. 2277 – Verbraucherverträge 2287 ff., 2306 ff. Reverse Auctions 1791 f. R-Gespräch 576 ff. Rom-I-VO 2272 ff. Rom-II-VO 2316 ff. Rückgaberecht 911 ff., 979 ff., 1114 ff. Rücksendekosten 922, 1080 ff. Rufausbeutung 1672, 2008 Sache, vertretbare 642 Sachlichkeitsgebot 1547 ff., 1996 f. Sampling 1154 f., 1323 Schriftformklauseln 513 f. Schutzlandprinzip 2332 ff., 2348 ff. Screen Scraping 1274 ff., 1453 Senderecht 1215, 1222 ff., 2342 f. Serverstandort 2322 Sharehoster-Dienst 2244 f. Signatur 487 ff. – elektronische 494 – fortgeschrittene elektronische 495 f. – qualifizierte elektronische 497 ff. Sniper-Programme 1790 Snippets 2087 f. Social Networks 1 – Allgemeines Persönlichkeitsrecht 1 – Datenschutzrecht 154 – E-Mail-Adressen 185 – Haftung 2068 f. – Haftungsprivilegierung 2121 – Impressum 1536 – Nutzungsbedingungen 769 ff. – Nutzungsprofile 264 ff. – Recht am eigenen Bild 121
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Stichwortverzeichnis Software 1186 ff. – Inkompabilität 425 Spamming 1712 ff. – Ausuferungsgefahr 1762 Spekulative Verträge 1065 ff. Sperrung 1454, 2047, 2124 f., 2131, 2176 ff., 2246 Sphärentheorie 30 ff. Spitzenstellungswerbung 1621 ff., 1989 f. Spyware 1785 Stellvertretungsrecht 550 ff. – Anscheinsvollmacht 566 ff. – Beweisanforderungen 582 ff. – Duldungsvollmacht 563 ff. – Eigengeschäft 552 f. – Handeln unter fremdem Namen 551 ff. Störerhaftung 2131 ff. – AccessProvider 2176 f. – Admin-C 2210 ff. – Affiliate-Werbung 2231 ff. – Blogs 2182 ff. – Foren 2182 ff. – Filesharing 2241 ff. – Foto-Communities 2193 – Hyperlinks 2198 ff. – Identitätsklau 2238 ff. – Prüfungspflichten 2138 ff. – Sharehoster 2244 – Ungesichertes WLAN 2258 – Usenet Provider 2241 ff. – Verkehrspflichten 2138 ff. – Videoportale 2196 f. – Werbetreibende 2226 ff. Streaming 1222 f. – Stream-Downloader 1254 ff., 1358 f. Suchmaschinen – Haftung 2207 ff. – Urheberrecht 1138, 1182, 1272 – Wettbewerbsrecht 1665 ff. Suchmaschinen-Optimierung 757, 765 f., 1138 Tatortprinzip 2319 Tauschbörsen 1220, 1350 ff., 1388, 1394 Tech-C (Technical Contact) 1811 Teledienste 2078 ff. Telefax-Werbung 1720 Telefon-Werbung 1719 Telekommunikationsgeheimnis 282 ff., 719 f. Telemediengesetz 2078 ff.
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– Haftung der Plattformbetreiber 2121 ff. – Haftung der Provider 2072 ff. – Haftung für eigene Informationen 2081 ff. – Haftung für fremde Informationen 2081 ff. – Haftungsprivilegierung 2072 ff. – Kontrolle eingestellter Inhalte 2104 ff. „Tell-a-Friend“-Funktion 1771 f. Territorialitätsprinzip 2332 ff., 2348 f. Textform 487, 506 ff. Thumbnails 1232, 1236, 1241 ff., 1327 Tippfehler 2008 ff. Titelschutz 1861 ff., 1901 f. touristische Dienstleistungen 842 ff. Traffic 1665 Transmission Control Protocol (TCP) siehe IP-Adresse Transparenzgebot 240, 612, 626 ff., 703, 778 f. Trennungsgebot 201, 1685, 1777 ff. Übermittlungsfehler 532 ff. – Empfangsbote 534 – Erklärungsbote 533 überraschende Klauseln 621 ff., 1740 umgekehrte Versteigerung siehe Reverse Auctions Umlautdomains 2013 f. UN-Kaufrecht 2271, 2313 ff. – Ausnahmeklauseln 2314 Unternehmenskennzeichen 1476 ff., 1846, 1852 f., 1857 ff. Unternehmenspersönlichkeitsrecht 111 Unternehmensregister 885 Unterscheidungskraft 1847, 1905, 1949, 2017 f. Urheber 1126 ff., 1171, 1191 ff. Urheberpersönlichkeitsrecht 1196 ff. – Integritätsinteresse 1206 ff. – Namensnennungsrecht 1197 ff. – Veröffentlichungsrecht 1204 f. Urheberrecht 1124 ff. – Abmahnung 1362, 1380 – Abstracts 1307 – Abziehen von Daten 1273 ff. – Ansprüche des Rechteinhabers 1362 ff. – Auskunft 1385 ff. – Bearbeitung 1303 ff. – Digitalisierung von Texten 1304
Stichwortverzeichnis – Download siehe Urheberrecht (Vervielfältigung) – Einspeisung 1214 ff. – Framing 1310 – Haftung 1365 ff. – Hyperlink 1185, 1200, 1310 ff. – Inhaltsschutz 1133 – Kollisionsrecht 2332 ff. – Linking 1200, 1310 f. – Lizenzgebühr 1362, 1365 ff. – Nutzungsart 1286 ff., 1294 ff. – Nutzungsrecht 1282 ff. – öffentliche Wiedergabe 1215 ff., 1264 – öffentliche Zugänglichmachung 1214 ff. – Privatkopie 1343 ff. – Sampling 1154 f., 1323 – Schadensersatz 1362, 1365 ff. – Schmerzensgeld 1362, 1365 ff. – Schöpfer 1191 – Schranken 1315 ff. – Umformatierung 1304 – Unterlassung 1362, 1364 – Upload siehe Urheberrecht (Einspeisung) – Vermutung der Urheberschaft 1194 f. – Vervielfältigung 1227 ff. – Verwertungsrechte 1212 ff. – Zitatrecht 1320 ff. – Zweckübertragungsgrundsatz 1297 ff. Urheberrechtliche Schutzgegenstände 1132 ff. – Computerspiele 1165 – Darstellungen, plastische 1161 f. – Datenbanken 1173 – Datenbankwerke 1170 – Design 1156 ff. – Filmwerke 1164 f. – Fotos 1162 f. – Karten 1166 f. – Laufbilder 1164 f. – Lichtbilder 1162 f. – Lichtbildwerke 1162 f. – Musik 1151 ff. – Quellcodes 1188 f. – Sammelwerke 1169 f. – Schöpfung, persönliche geistige 1131 ff. – Skizzen 1166 f. – Sprachwerke 1136 ff. – Tabellen 1166 f. – Urheber 1126 ff., 1171 – Videos 1164 f.
– Website-Inhalte 1133 ff. – Werke der bildenden Kunst 1156 ff. User Generated Content 149 Verbraucherschutz – AGB 588 ff. – Fernabsatzrecht 785 ff. – Herkunftslandprinzip 2353 – Rechtswahl 2287 ff. – UN-Kaufrecht 2314 – Verbraucherschutzrichtlinien 2292 ff. Verbraucherverträge – Kollisionsrecht 2271, 2291, 2306 ff., 2312, 2377 ff. Verkaufsprospekt 1115 ff. Verkehrspflichten 2138 ff. Verlinkung 758 ff. Versandkosten 903 ff., 1088, 1474, 1489 ff., 1502 ff., 1517 f. Verschlüsselungsverfahren, asymmetrische 495 f. Versicherungsverträge 815, 834 f. Versteigerung 1059 ff., 1496, 1788 ff., 1824 Vertragsrecht 384 ff., 2271 ff. – AGB 588 ff. – Anfechtung 398, 515 ff. – Annahme des Antrags 443 ff. – Antrag 437 ff. – Bestellbutton 452 ff. – Formerfordernisse 485 ff. – Geschäftsfähigkeit 547 ff. – Stellvertretungsrecht 550 ff. – Vertragsanbahnung 437 – Willenserklärung, elektronische 387 ff. – Zustandekommen von Verträgen 460 ff. Vertragsstrafen 678 Vervielfältigungsrecht 1227 ff. – Nutzungsrecht 1238 ff. Verwechslungsgefahr 1696, 1849, 1855, 1891 ff., 1961 Verwertungsrechte 1212 ff. – Vervielfältigungsrecht 1227 ff. – Wiedergabe, öffentliche 1214 ff. Virtuelles Hausrecht 1452 ff. Volkszählungsurteil 153, 160, 182, 192 Vorratsdatenspeicherung 150, 358 f. Vorsprung durch Rechtsbruch 1466 ff. Wartungsvertrag 952 Webdesignverträge 637 ff. – Abnahme 665 f.
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Stichwortverzeichnis – Bearbeitungsrecht 658 – Change Management 667 ff. – Fertigstellungsfristen 675 f. – Gewährleistung 678 f. – Haftung 670 f. – Lieferverpflichtung 641 – Mitwirkungspflichten 673 f. – Nutzungsrechte 656 ff. – Pflege 677 ff. – Pflichtenheft 653 f. – Planungsleistung 645 – Projektablauf 650 f. – Rechtseinräumung 656 ff. – Vertragsgegenstand 638 ff. – Vertragsstrafen 676 – Vertragszweck 660 Website-Pflege 677 ff. – Aktualisierung, inhaltliche 681 – Funktionstüchtigkeit 677 Werbebanner 757 ff., 1556, 1728 ff. Werbeverträge 757 ff. Werbung – kontextsensitive 1783 – vergleichende 1638 Werk 1134, 1138 ff. Werkart 1133, 1286 ff. Werktitel 1846, 1852 f., 1857 ff. Wettbewerbshandlung 1402, 1410 ff., Wettbewerbsrecht 1398 ff. – Ausbeutung 1414, 1463 ff. – Behinderung 1413, 1442 ff. – Berufsrecht 1541 ff. – Gewinnspiele 1428 ff. – Internetauktionen 1496, 1786 ff. – Irreführungsverbot 1587 ff. – Kollisionsrecht 2327 ff. – Kundenfang 1412, 1419 ff. – Leistungsübernahme, unlautere 1778 – Marktortprinzip 2327 f. – Marktstörung 1416 – Online-Werbeformen 1775 ff. – Preisangaben 1471 ff. – Preisausschreiben 1428 ff. – Rechtsbruch 1415, 1466 ff. – Sachlichkeitsgebot 1547 ff. – Spamming 1712 ff. – Suchmaschinen 1665 ff. – Trennungsgebot 1685, 1777, 1779 – Verschleiern der Absenderangaben 1705 ff. – Verschleierung von Werbung 1420 ff. – Werbung, vergleichende 1638 ff.
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Wettgeschäfte 1056 f. Widerrufsbelehrung 987 ff., 1084 – Form 989 – Inhalt 990 ff. – Musterbelehrung 993 ff. Widerrufsrecht 979 ff. – Ausnahmen 1020 ff. – Ausübung 1075 ff. – Einschränkungen 1090 f. – Erlöschen 1018 ff. – ewiges Widerrufsrecht 1014 ff. – Fristbeginn 984 ff. – Fristende 1008 ff. – gesetzliches Widerrufsrecht 980 ff. – Hinsendekosten 1088 ff. – Rückgewähr 1077 ff. – Rücksendekosten 11080 ff. – Wertersatz 1092 ff. – Widerrufserklärung 1075 f. – vertragliches Widerrufsrecht 1072 ff. Willenserklärung, elektronische 385 ff. – Abgabe 399 ff. – Abgabezeitpunkt 400 ff. – Erklärungsbewusstsein 390, 392 ff. – Handlungswille 390 ff. – Zugang 409 ff. – Zugangsbeweis 430 ff. – Zugangsstörungen 422 ff. – Zugangszeitpunkt 412, 415 ff. Zahlungsbedingungen 909 f. Zeichenidentität 1891, 1906 Zeitungsabonnements 1053 ff. Zertifizierungsdiensteanbieter 498 ff. Zitatrecht 1320 ff. Zugänglichmachung, Recht der öffentlichen 1214 ff. Zugangshindernisse 1247 Zuständigkeit deutscher Gerichte – Ansprüche, außervertragliche 2389 ff. – Ansprüche, deliktische 2395 ff. – Ansprüche, vertragliche 2365 ff. – Domainrecht 2056 ff. – Gerichtsstandsvereinbarung 2365 ff. – Markenrecht 2440 ff. – Urheberrecht 2436 f. – Wettbewerbsrecht 2432 ff. Zuordnungsverwirrung 1931 f. Zweckübertragungsgrundsatz 1297 ff.