Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen: Sicherung der Anreizkompatibilität als gesellschaftsrechtliche Gestaltungsaufgabe [1 ed.] 9783896448385, 9783896730824

Die Verfasserin untersucht in einer interdisziplinär – ökonomisch und juristisch – angelegten Analyse die Anreizkompatib

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German Pages 134 Year 2000

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Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen: Sicherung der Anreizkompatibilität als gesellschaftsrechtliche Gestaltungsaufgabe [1 ed.]
 9783896448385, 9783896730824

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Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen

Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Herausgeber: Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein

Band 27

Bettina Korn

Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen Sicherung der Anreizkompatibilität als gesellschaftsrechtliche Gestaltungsaufgabe

Verlag Wissenschaft & Praxis

β

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Korn, Bettina : Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen. Sicherung der Anreizkompatibilität als gesellschaftsrechtliche Gestaltungsaufgabe / Bettina Korn. - Sternenfels : Verl. Wiss. und Praxis, 2000 (Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim ; Bd. 27) ISBN 3-89673-082-7 NE: Stiftung Kreditwirtschaft : Studienreihe der Stiftung ...

ISBN 3-89673-082-7 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2000 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

5

Geleitwort Mit der Studienreihe möchte die Stiftung Kreditwirtschaft Arbeiten, die an der Universität Hohenheim zu bank- und finanzwirtschaftlichen Themengebieten entstanden sind, einem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Die veröffentlichten Schriften sollen den Gedankenaustausch zwischen Universität und Praxis fördern.

Die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder als Form der erfolgsbezogenen Entlohnung hat in jüngster Zeit ein starkes Interesse von Wissenschaft und Praxis gefunden. Chancen und Risiken, die mit diesem Vergütungsinstrument verbunden sind, werden kontrovers beurteilt. Dabei ist die Eignung der Aktienoptionen im Hinblick auf mögliche Konflikte zwischen Management- und Aktionärsinteressen besonders umstritten.

Die Verfasserin untersucht in einer interdisziplinär - ökonomisch und juristisch angelegten Analyse die Anreizkompatibilität des Vergütungsinstruments der Aktienoption. Sie legt zunächst dar, wie Aktienoptionspläne gestaltet werden müssen, damit es nicht zu Disproportionalitäten bei der Gewinn- und Verlustbeteiligung der Aktionäre und der Vorstände kommt, die die gewollten Anreizwirkungen gefährden können. Sodann wird behandelt, wie eine anreizkompatible Ausgestaltung sichergestellt werden kann. Die Verfasserin arbeitet heraus, daß es sich hierbei um eine gesellschaftsrechtliche Gestaltungsaufgabe handelt, d. h. um die Bereitstellung einer zielführenden Kompetenzordnung. Dabei wird der bislang in der Literatur weitgehend vernachlässigten Frage nachgegangen, ob der Optionsplan als solcher - und nicht nur Elemente seiner Durchführung - zum Gegenstand einer Beschlußfassung der Hauptversammlung gemacht werden muß. Die Verfasserin kommt durch eine Gesamtschau aller einschlägigen Kompetenznormen des Aktienrechts und der dazu entwickelten Rechtsprechung sowie unter Berücksichtigung der ökonomischen Potentiale für die Gefährdung der Interessen der Aktionäre zu dem Ergebnis, daß reale Optionspläne einer Mitwirkung der Hauptversammlung in Form eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses und virtuelle Optionspläne einer Mitwirkung in Form eines einfachen Mehrheitsbeschlusses bedürfen.

6

Wir wünschen dem 27. Band der Studienreihe, daß er reges Interesse finden möge.

Hohenheim, im August 1999

Prof. Dr. Joh. Heinr. von Stein (Herausgeber)

Prof. Dr. Lothar Vollmer (Betreuer)

7

Vorwort Die vorliegende Abhandlung über die Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen entstand auf der Grundlage einer an der Fakultät V Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hohenheim im Jahr 1998/99 eingereichten Diplomarbeit. Sie wurde wesentlich überarbeitet und um aktuelle Literaturquellen ergänzt.

Danken möchte ich vor allem meinem akademischen Lehrer und Erstgutachter, Herrn Prof. Dr. Lothar Vollmer, für seine konstruktiven Anregungen, mit denen er den Entstehungsprozeß der Arbeit begleitet hat. Herrn Prof. Dr. Ernst Troßmann danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Joh. Heinr. von Stein, der die Arbeit in die von ihm herausgegebene Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft aufnahm.

Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, auf deren Unterstützung ich in jeglicher Hinsicht immer vertrauen konnte. Dafür möchte ich ihnen herzlich danken.

Hohenheim, im August 1999

Bettina Korn

9

Inhaltsverzeichnis Seite

Abkürzungs Verzeichnis

15

Einführung

19

Teil 1: Das Vergütungsinstrument der Aktienoption: Zielbestimmung und -beurteilung

A. Grundlegende Kennzeichnung von Aktienoptionen

25

I.

Präzisierung des Begriffs der Aktienoption

25

II.

Aktienoptionen im Agency-theoretischen Kontext

27

1. 2. 3.

ΠΙ.

Die Unternehmung als ein Gefüge von PrinzipalAgent-Beziehungen

27

Charakteristika der Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Aktionären und Vorstand

28

Aktienoptionen im System der Mechanismen zur Kontrolle des Vorstands Verhaltens..

31

Die Gewährung von Aktienoptionen als Ausdruck einer Shareholder-Value-orientierten Unternehmungssteuerung

IV. Zwischenergebnis

32 33

Ökonomische Bedeutung und rechtliche Zulässigkeit der Shareholder-Value-Maxime

35

I.

Theoretische Grundlagen des Shareholder-Value-Ansatzes

35

1.

Der Erwerb von Aktien als Investitionsentscheidung

36

2.

Bedeutung und Ermittlung des Shareholder Value

36

3.

Der kapitalmarkttheoretische Hintergrund des Shareholder-Value-Ansatzes

38

Fazit

40

4. II.

Beurteilung des Shareholder-Value-Ansatzes aus ökonomischer Sicht 1.

41

2.

Zweiter Problembereich: Mono variable Zielkonzeption

3.

Dritter Problembereich: Potentielle Myopie der Unternehmungsführung

45

Fazit

46

4. III.

Erster Problembereich: Interessenhomogenität der Anteilseigner

40

Beurteilung der aktienrechtlichen Kompatibilität des ShareholderValue-Ansatzes 1. 2. 3.

..42

47

Erster Problembereich: Individualistische Perspektive des Shareholder-Value-Ansatzes

48

Zweiter Problembereich: Monovariable Zielfunktion des Shareholder-Value-Ansatzes versus Unternehmensinteresse

50

Fazit

53

IV. Zwischenergebnis

53

11

Teil 2: Das Vergütungsinstrument der Aktienoption: Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen

A. Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder: Ökonomische Analyse I.

II.

Die Vergütungsgestaltung im Spannungsfeld zwischen Verhaltenssteuerung und Risikoallokation

57

Aktienoptionen: Ein effizientes Anreiz- und Steuerungsinstrument?

59

1. 2.

3.

Beurteilung der Geeignetheit des Aktienkurses als Bezugsgröße der Vergütung

60

Die spezifischen Anreizwirkungen von Aktienoptionen unter besonderer Berücksichtigung der asymmetrischen Gewinn- und Verlustbeteiligung

64

Die Ausgestaltung der Optionsbedingungen: Schlüssel zur Anreizkompatibilität

67

a)

Die Fixierung von Basispreis und Target

67

b)

Unübertragbarkeit der Optionen

70

c)

Optionslaufzeit, Erstausübungsfrist und Mindesthaltefrist für bezogene Aktien

70

Sonstige Gestaltungsprobleme

72

d) 4. 5.

III.

57

Aktienoptionen unter dem Aspekt eines KostenNutzen-Vergleichs

73

Die ökonomische Bedeutung des Vergütungsinstruments der Aktienoption

74

Sicherstellung der Anreizkompatibilität von Aktienoptionen: Die Funktion des Rechts aus ökonomischer Sicht 1.

Aktienoptionen und die Funktion des Gesellschaftsrechts aus ökonomischer Sicht

76 76

2.

Aktienoptionen und die Funktion des Insiderrechts aus ökonomischer Sicht a) b)

78

Zur Notwendigkeit einer Insiderregelung aus Gründen des Individualschutzes

79

Zur Notwendigkeit einer Insiderregelung aus Gründen des Funktionenschutzes

80

IV. Zwischenergebnis

82

Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder: Rechtliche Analyse

83

I.

Binnenorientierte rechtliche Analyse: Aktienoptionen aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive 1.

Aktienoptionen unter dem Aspekt der Kompetenzverteilung: Wesentliche Literaturstandpunkte a) b)

c) 2.

83 85

Die Rolle des Aufsichtsrats bei der Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder

85

Die Rolle der Hauptversammlung bei der Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder

87

aa) Bedienung der Aktienoptionen: Die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei der Schaffung junger Aktien gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 3 AktG

88

bb) Bedienung von Aktienoptionen: Die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung beim Erwerb eigener Aktien gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG

92

Kritische Würdigung

93

Aktienoptionen unter dem Aspekt der Kompetenzverteilung: Ein Lösungsansatz

94

a)

Problemaufriß

95

b)

Die Vorstands Vergütung: Bloße Abschlußkompetenz oder umfassende Regelungskompetenz des Aufsichtsrats nach geltendem Aktienrecht?

95

13

c)

Mögliche Gestaltungsvarianten der Kompetenzverteilung aa)

d)

Gewinnbeteiligung als Element eines Vergütungssystems

103

Bestimmung eines sachgerechten Lösungsansatzes

104

Die Kompetenzregelung bei der Gewinnbeteiligung im Vergütungskontext

bb) Die Kompetenzregelung bei der Gewährung von Aktienoptionen im Vergütungskontext

II.

Zwischenergebnis

Außenorientierte rechtliche Analyse: Aktienoptionen aus insiderrechtlicher Perspektive 1. 2. 3. 4.

102

bb) Aktienoptionen als Element eines Vergütungssystems

aa)

3.

102

105 108 111

112

Die gegenwärtige Rechtslage: Das Regelungsgefüge der §§ 12 ff. WpHG

112

Insiderrechtliche Relevanz des Vergütungsinstruments der Aktienoption

115

Implikationen für die Ausgestaltung des Vergütungsinstruments der Aktienoption

116

Zwischenergebnis

117

Zusammenfassung Literaturverzeichnis

119 123

15

Abkürzungsverzeichnis

μ

Erwartungswert

σ

Standardabweichung

σ2

Varianz

ABl.EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

a. E.

am Ende

AG

Aktiengesellschaft oder: Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz vom 06.09.1965 (BGBl. I S . 1089), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung des Kaufmannsund Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22.06.1998 (BGBl. I S . 1474)

APT

Arbitrage Pricing Theory

APV

Adjusted Present Value

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.08.1896 (RGBl. S. 195), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften vom 25.06.1998 (BGBl. I S . 1580)

16

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

Β GHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CAPM

Capital Asset Pricing Model

DAX

Deutscher Aktienindex

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

Einl.

Einleitung

etc.

et cetera

f.

folgend

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

folgende

Fn.

Fußnote

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 03.11.1995 (BGBl. I S . 1492)

Hrsg.

Herausgeber

i. d. R.

in der Regel

i.V.m.

in Verbindung mit

Jg.

Jahrgang

17

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.04.1998

LG

Landgericht

m. w. Ν.

mit weiteren Nachweisen

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 04.05.1976 (BGBl. I. S. 1153), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28.10.1994 (BGBl. I S . 3210)

Nr.

Nummer

OLG

Oberlandesgericht

Rdn.

Randnummer

RGBl.

Reichsgesetzblatt

S.

Seite, Satz

Sp.

Spalte

StuW

Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

u. a.

unter anderem

vgl.

vergleiche

WM

Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift)

WpHG

Gesetz über den Wertpapierhandel vom 26.07.1994 (BGBl. I S . 1749), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bankund wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGBl. I S . 2518)

z.B.

zum Beispiel

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

18

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

19

Einführung Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich^ am 1. Mai 1998 erfuhr das Aktiengesetz zahlreiche Änderungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt dieser Novellierung besteht in der expliziten aktienrechtlichen Adaption des Vergütungsinstruments der Aktienoption, dessen Ursprung im anglo-amerikanischen Rechts- und Unternehmenskulturkreis angesiedelt ist. Damit reagierte der Gesetzgeber auf die zunehmende praktische Relevanz von Aktienoptionsprogrammen in Deutschland, welche ihrerseits durch die verstärkte Orientierung der Aktiengesellschaften an den Erwartungen der internationalen Finanz- und Kapitalmärkte hervorgerufen wurde und wird. 2) Die oben aufgezeigten Entwicklungstendenzen sind Anlaß, sich mit dem Vergütungsmodell der Aktienoption detailliert auseinanderzusetzen. Den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bilden Aktienoptionen als Gestaltungselement eines monetären Anreizsystems für Vorstandsmitglieder: Die Gewährung von Aktienoptionen an Mitglieder der Geschäftsleitung stellt eine Form der erfolgsbezogenen Entlohnung dar, deren grundlegendes Charakteristikum die Anknüpfung der Vorstandsvergütung an die Entwicklung des Börsenkurses und damit an die für die Aktionäre der Gesellschaft erwirtschaftete Wertsteigerung ist. Mit dem Vergütungsinstrument der Aktienoption wird die Zielsetzung verfolgt, die Interessen des Managements an die der Anteilseigner anzugleichen, um opportunistischem Verhalten eigennutzenmaximierender Vorstandsmitglieder zu Lasten der Aktionäre entgegenzuwirken. Aufgrund der mit der Begebung von Aktienoptionen intendierten Orientierung des Vorstandshandelns am Aktionärsinteresse ist dieses Vergütungsmodell als Instrument zur Umsetzung des ShareholderValue-Gedankens zu kennzeichnen. Die Notwendigkeit der Einführung von Aktienoptionsprogrammen in deutschen Gesellschaften wird zum einen mit der zunehmenden Internationalisierung der Kapitalmärkte und der wachsenden Bedeutung institutioneller Großanleger begründet: Wenn deutsche Unternehmungen im weltweiten Wettbewerb um Risikokapital bestehen wollen, so sind sie gezwungen, den Renditeerwartungen potentieller Investoren zu entsprechen, was wiederum eine konsequente Ausrichtung der Unternehmungsführung auf die langfristige Steigerung des υ 2)

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998, in: Bundesgesetzblatt Jg. 1998, Teil I, Nr. 24, S. 786-794. Vgl. Bundesregierung (1998), S. 11.

20 Shareholder Value und eine glaubwürdige Signalisierung dieser Strategie an die Kapitalmärkte erfordert.^ Die Adaption des Vergütungsmodells der Aktienoption wird außerdem als ein wesentlicher Faktor im Wettbewerb um Führungskräfte angesehen, denn der Bezug von Aktienoptionen ist Bestandteil der Erwartungshaltung leistungsorientierter und fachlich hochqualifizierter Manager hinsichtlich ihrer Entlohnung.2) Die Entscheidung für ein international verbreitetes Vergütungssystem wie das der Aktienoptionsprogramme ist somit notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Internationalisierung des Managements, welche vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung der Absatzmärkte in zunehmendem Maße an Bedeutung gewinnt. 3) Offensichtlich nehmen Aktienoptionen als Anreiz- und Steuerungsinstrument sowohl im Wettbewerb um den Produktionsfaktor Arbeit als auch im Wettbewerb um den Produktionsfaktor Kapital eine Schlüsselstellung ein. Die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder ist jedoch in der wissenschaftlichen Diskussion nicht unumstritten. Die Kontroverse bezieht sich auf die Frage, ob mit dem Einsatz von Aktienoptionen als Vergütungsinstrument - insbesondere vor dem Hintergrund der spezifischen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland - adäquate Anreize für das Vorstandshandeln gesetzt werden. Kritisch wird angemerkt: Aktienoptionen als Bestandteil der Vorstandsvergütung würden nicht auf eine Konvergenz der Interessen von Anteilseignern und Managern hinwirken, wenn Vorstandsmitglieder lediglich an der Chance eines Kursgewinns, nicht aber an dem Risiko eines Kursverlustes beteiligt sind. 4) Auch besteht die Auffassung, daß Vorstandsmitglieder durch die Begebung von Aktienoptionen zu einer den langfristigen Unternehmungserfolg gefährdenden Politik der „schnellen Kursgewinne" 5) angehalten werden könnten. Fraglich ist außerdem, inwieweit die aufgrund von Börsenkurssteigerungen mit Aktienoptionen erzielten Gewinne tatsächlich auf die von den Vorstandsmitgliedern erbrachten Leistungen zurückzuführen sind, denn die Entwicklung des Aktienkurses wird auch von exogenen Faktoren wie Zinsniveauschwankungen, Wechselkursbewegungen oder sonstigen allgemeinen Konjunktureinflüssen bestimmt.6) Ein weiteres mit Aktienoptionen in Zusammenhang

υ

2) 3) 4) 6)

Vgl. ζ. B. Bundesregierung (1998), S. 11, Schwarz/Michel (1998), S. 490, von Werder (1998), S. 80, Köhler (1997), S. 260 f., 268, Deutsches Aktieninstitut e. V. (1996), S. 3, Seibert (1998), S. 32, Weiß (1999), S. 353. Vgl. ζ. B. Köhler (1997), S. 254, von Rosen (1997), S. 373, Bundesregierung (1998), S. 23, Clotten (1998), S. 103, Weiß (1999), S. 353. Vgl. Schwarz/Michel (1998), S. 490. Vgl. Bernhardt/Witt (1997), S. 90. Bernhardt/Witt (1997), S. 95. Vgl. ζ. B. Claussen (1997), S. 1826; Baums (1997), S. 12.

21

gebrachtes Risiko wird in einer durch „Selbstbedienung"^ des Vorstandes hevorgerufenen, nicht zu rechtfertigenden exzessiven Vergütung gesehen. In der derzeit geführten Diskussion über mögliche inadäquate Anreizwirkungen von Aktienoptionsprogrammen nimmt letztlich auch die kritische Betrachtung des dem Vergütungsmodell zugrundeliegenden Shareholder-Value-Ansatzes eine zentrale Stellung ein. Insbesondere wird die dem Shareholder-Value-Konzept und damit dem Steuerungsinstrument der Aktienoption immanente alleinige Ausrichtung des Vorstandshandels auf die Interessen der Aktionäre - genauer auf die Interessen optimal diversifizierter Anteilseigner - in Frage gestellt. Dem Interessenmonismus des Shareholder-Value-Ansatzes werden neben Bedenken aus ökonomischer Sicht 2) vor allem auch Zweifel an seiner Vereinbarkeit mit der in Deutschland gesetzlich verankerten Mitbestimmung einerseits 3) und der verbandsrechtlichen Konzeption des deutschen Aktienrechts andererseits 4* entgegengesetzt. Bei genauer Betrachtung läßt sich die Kontroverse über die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder auf zwei Problemkreise reduzieren: Der erste Problembereich umfaßt die normative Bestimmung der für die Vorstandstätigkeit maßgeblichen Ziele und folgerichtig die Problematik der ökonomischen Bedeutung und rechtlichen Zulässigkeit der von Vertretern des ShareholderValue-Ansatzes postulierten Handlungsmaxime der Steigerung des Aktionärsvermögens. Der zweite Problembereich betrifft die Frage, inwieweit Aktienoptionen ein ökonomisch sinnvolles und ein mit der deutschen Rechtsordnung harmonierendes Instrument zur Orientierung des Managements auf die für die Aktionäre geschaffene Wertsteigerung sind, wenn man denn diese Zielbestimmung des Vorstandshandelns als sachgerecht anerkennt. Beide skizzierten grundlegenden Problematiken zu analysieren und einer Lösung zuzuführen, ist Zielsetzung der vorliegenden Arbeit. Die genannten zwei Problemkreise geben gleichzeitig die grundsätzliche Struktur der Arbeit vor. Teil 1 beschäftigt sich mit den Aktienoptionsprogrammen zugrundeliegenden Zielen: Nach einer im Kapitel A vorzunehmenden systematischen Herleitung dieser auf der Grundlage der Prinzipal-Agent-Theorie erfolgt im Kapitel Β eine Bewertung des Shareholder-Value-Ansatzes aus ökonomischer und rechtlicher Perspektive. Teil 2 beinhaltet die Auseinandersetzung mit den spezifischen Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen, die einem auf Aktienoptionen basierenden System der erfolgsabhängigen Entlohnung als möglichem Instrument zur Umsetzung des 1} 2) 3) 4)

Claussen (1997), S. 1826. Vgl. ζ. B. Eberhardt (1998), S. 140 ff., Mülbert (1995), S. 133 ff. Vgl. ζ. B. Bernhardt/Witt (1997), S. 93 f. Vgl. Mülbert (1997), S. 156 ff.

22

Shareholder-Value-Gedankens immanent sind, d. h. der Beurteilung der Zielsetzung folgt die Beurteilung der Adäquanz des Mittels. Dazu wird in Kapitel A der Versuch unternommen, die ökonomische Bedeutung von Aktienoptionen als Bestandteil der Vorstandsvergütung unter besonderer Berücksichtigung des Spannungsfeldes zwischen Verhaltenssteuerung einerseits und Risikoallokation andererseits herauszuarbeiten. Darauf aufbauend folgt im Kapitel Β eine Erörterung der mit der Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder verbundenen rechtlichen Fragen, wobei zwischen der gesellschaftsrechtlichen und der insiderrechtlichen Perspektive unterschieden wird. Abschließend werden die Arbeitsergebnisse zusammenfassend dargestellt.

23

Teil 1: Das Vergütungsinstrument der Aktienoption: Zielbestimmung und -beurteilung Vielschichtigkeit kennzeichnet die mit der Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandmitglieder verbundene Problematik. Umstritten ist nicht nur die Verwendung von Aktienoptionen als Instrument zur Erreichung eines gegebenen Zieles, sondern insbesondere auch das Ziel an sich. Folgerichtig erfordert eine systematische Untersuchung der ökonomischen Sinnhaftigkeit und rechtlichen Zulässigkeit von Aktienoptionen eine zweistufige Analyse: Der Beurteilung des Mittels ist die Beurteilung des Zieles voranzustellen. Aus diesem Grund werden in Teil 1 die mit dem Vergütungsinstrument der Aktienoption verfolgten Ziele zunächst herausgearbeitet und dann einer Bewertung, welche sowohl ökonomische als auch rechtliche Aspekte umfaßt, unterzogen.

25

Α. Grundlegende Kennzeichnung von Aktienoptionen Gegenstand des folgenden Kapitels ist neben der Determination des dieser Arbeit zugrundeliegenden Aktienoptionsbegriffs das Aufzeigen der dem Einsatz von Aktienoptionsprogrammen immanenten Zielsetzung. Die Bestimmung und Einordnung der angestrebten Ziele setzt einen Rückgriff auf die Agency-Theorie und den mit ihr im engen Zusammenhang stehenden Shareholder-Value-Ansatz voraus.

I.

Präzisierung des Begriffs der Aktienoption

Der Begriff der Aktienoption wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Vielmehr sind unterschiedlich weit gefaßte Begriffsbestimmungen anzutreffen: Unabhängig vom Verwendungszweck und der konkreten Kontraktausgestaltung kann eine Aktienoption zunächst allgemein als das Recht gekennzeichnet werden, eine bestimmte Anzahl von Aktien einer Gesellschaft zu einem im voraus festgelegten Preis, dem sogenannten Basispreis, innerhalb eines zukünftigen Zeitraums oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen bzw. zu verkaufen. Zentrales Charakteristikum von Aktienoptionen ist eine asymmetrische Rollenverteilung zwischen Optionskäufer und -Verkäufer: Während der Käufer einer Aktienoption gegen Zahlung einer Optionsprämie ein aktives Entscheidungsrecht über das Wirksamwerden eines schwebend unwirksamen, auf Lieferung von Aktien lautenden Basisvertrages erwirbt, besteht die Rechtsposition des Verkäufers der Option neben dem Anspruch auf Erhalt der Prämie aus der passiven Verpflichtung zur Erfüllung des Basisvertrages, wenn der Optionskäufer dies verlangt. 2) Innerhalb der Gruppe der Aktienoptionen ist zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen zu differenzieren. Aktienkaufoptionen {Calls) räumen ihrem Inhaber ein Recht auf Bezug von Aktien ein, Verkaufsoptionen (Puts) hingegen ein Recht auf

υ 2)

Vgl. ζ. B. Hielscher (1992), S. 23 f., Fabozzi/Modigliani (1996), S. 250. Vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 291, Steiner/Bruns (1998), S. 267, Terstege (1995), S. 10 f.

26 Veräußerung der dem Geschäft zugrundeliegenden Wertpapiere. !) Da der Inhaber einer Call-Option diese nur dann ausüben wird, wenn der aktuelle Kurswert der Aktie den vereinbarten Basispreis übersteigt, steht seinen prinzipiell unbegrenzten Gewinnmöglichkeiten lediglich ein maximaler Verlust in Höhe der gezahlten Optionsprämie gegenüber. Spiegelbildlich verhalten sich Gewinn- und Verlustpotential des Verkäufers eines Calls. Für Put-Optionen gilt analog, daß eine Ausübung des erworbenen Rechts nur dann erfolgt, wenn der aktuelle Wert der Aktie hinter dem im Optionsbegründungs vertrag festgesetzten Basispreis zurückbleibt. Folglich stellt auch hier die Optionsprämie den maximalen Verlust des Optionskäufers und den maximalen Gewinn des Stillhalters dar. Im Gegensatz zu Kaufoptionen sind jedoch die Gewinnmöglichkeiten des Optionsinhabers und damit das Verlustpotential des Optionsverpflichteten insofern beschränkt, als daß der Aktienkurs nicht negativ werden kann. Im Zusammenhang mit der Vergütung von Führungskräften wird in der Literatur neben der allgemeinen, weit gefaßten Definition von Aktienoptionen noch ein spezifischer Aktienoptionsbegriff verwendet, 2) auf dem, soweit nichts anderes erwähnt, auch die vorliegende Arbeit basiert: Diese Begriffsextension umfaßt Kaufoptionen auf eigene Aktien, welche eine Gesellschaft an ihre Organe und Mitarbeiter unentgeltlich als Bestandteil der langfristigen erfolgsbezogenen Vergütung gewährt. Charakteristisch für Aktienoptionen im Sinne dieser Definition ist ihre in der Verhaltenssteuerung liegende Zielbestimmung. Desweiteren sind sie üblicherweise unveräußerlich und weisen eine im Vergleich zu börsennotierten Optionen lange Laufzeit auf. Entspricht der Basispreis dem Börsenkurs der Aktie im Zeitpunkt der Begründung des Optionsrechts, so erfolgt die Einräumung der Bezugsrechte meist unter der aufschiebenden Bedingung des Erreichens eines vorgegebenen Zieles {target), welches beispielsweise in einer bestimmten Aktienkurssteigerung bestehen kann. Als Vergütungsbestandteil begebene Aktienoptionen können auch in der Regel nur in bestimmten Perioden der Optionslaufzeit bzw. nach Ablauf einer Mindesthaltefrist ausgeübt werden, weswegen sie weder eindeutig dem Optionsrechtstypus der American Options noch dem der European Options zuordenbar sind. 3)

!) 2) 3)

Vgl. im folgenden Perridon/Steiner (1995), S. 291 f., RossAVesterfield/Jaffe (1996), S. 571 ff. Vgl. im folgenden Claussen (1997), S. 1825 f., Kohler (1997), S. 247, Baums (1997), S. 3,7. American Options und European Options stellen die beiden Optionsrechtsgrundformen hinsichtlich der zeitlichen Möglichkeit der Optionsausübung dar: American Options können zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der vereinbarten Optionslaufzeit, European Options nur am Ende dieser ausgeübt werden. Vgl. ζ. B. Perridon/Steiner (1995), S. 291, Terstege (1995), S. 22 f.

27

II. Aktienoptionen im Agency-theoretischen Kontext Um eine fundierte Kennzeichnung der mit Aktienoptionen intendierten Verhaltenssteuerung vorzunehmen, ist ein Heranziehen der Prinzipal-Agent-Modelle der modernen MikroÖkonomie unerläßlich.

1.

Die Unternehmung als ein Gefüge von Prinzipal-AgentBeziehungen

Den Ausgangspunkt für eine Agency-theoretische Einordnung von Aktienoptionen bildet die Sichtweise, daß eine Unternehmung als ein System von vertraglichen Beziehungen zwischen Individuen verstanden werden kann.^ Die Aktiengesellschaft stellt im Rahmen dieser Betrachtungsweise ein rechtliches Konstrukt dar, welches aufgrund seines Status als juristische Person, d. h. als „eigenständiger Zuordnungspunkt von Rechten und Pflichten" 2) , den Abschluß bilateraler Verträge zwischen den in einem Verband zusammengeschlossenen Risikokapitalgebern und den anderen an der Unternehmung beteiligten Individuen, wie Fremdkapitalgebern, Lieferanten, Kunden, Managern und sonstigen Mitarbeitern, ermöglicht, wodurch komplexe, multilaterale Vereinbarungen vermieden werden. Gleichzeitig fungiert die Rechtsfigur der Aktiengesellschaft als ein Standardvertrag, der die Beziehung der Risikokapitalgeber untereinander wie auch das Verhältnis ihres Verbandes zu außenstehenden Dritten regelt. 3) Eine Unternehmung kann jedoch nicht nur als ein Nexus von Verträgen, sondern auch als ein Netz von Prinzipal-Agent-Beziehungen beschrieben werden. 4) Gemeinsames Merkmal vieler zum Vertragssystem der Unternehmung gehörenden Vereinbarungen ist, daß eine Person (Agent) im Auftrag einer anderen Person oder einer Gruppe von Personen (Prinzipal) bestimmte Dienste ausführt. 5) Die Delegation von Aufgaben geht mit einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen an den Agenten einher: In der Regel besteht für den Prinzipal nicht die Möglichkeit, bei Vertragsabschluß das von dem Agenten geforderte Ver1} 2) 3) 4) 5)

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 310 f., Milgrom/Roberts (1992), S. 20. Kübler (1994), S. 208. Zum Begriff des „standard form" contract vgl. Macey (1992), S. 12. Vgl. Kessel (1995), S. 29. Zur Definition einer Prinzipal-Agent-Beziehung vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308.

28 halten für alle Eventualitäten genau zu spezifizieren, 1* weswegen in real existierenden Verträgen vielmehr abstrakte, generell formulierte, die Vertragsbeziehung im allgemeinen kennzeichnende Zielvorgaben verwendet werden. 2) Charakteristisch für das Prinzip der Aufgabenübertragung sind außerdem diskretionäre Handlungsspielräume des Agenten, welche sich mit einer aus asymmetrischer Informationsverteilung resultierenden eingeschränkten Durchsetzbarkeit der im Vertrag getroffenen Regelungen erklären lassen. Verfügt der Agent über private Informationen hinsichtlich der von ihm vorgenommenen Handlungen und deren Auswirkungen, so ist die Einhaltung des Vertrages einer Prüfung durch den Prinzipal zumindest partiell entzogen.3) Die Weite dieser Handlungsspielräume hängt wesentlich vom Umfang der an den Agenten delegierten Entscheidungsbefugnisse ab. Je abstrakter vertragliche Vereinbarungen gehalten sind, desto schwieriger gestaltet sich die Kontrolle des Agenten. Unter der Annahme, daß beide Vertragsparteien die Maximierung ihres eigenen Nutzens anstreben, führt das Vorhandensein von diskretionären Handlungsspielräumen im Zusammenwirken mit bestehenden Interessenkonflikten zwischen Agent und Prinzipal zu opportunistischem Verhalten des ersteren. Die aus dem für den Agenten existierenden Anreiz zu eigennützigem Verhalten entstehenden Kosten werden als Agency-Kosten bezeichnet.4* Sie umfassen neben den in Geldeinheiten ausgedrückten, durch suboptimales Agentenverhalten verursachten Nutzeneinbußen des Prinzipals insbesondere auch die Kosten der Überwachung des Agenten durch den Prinzipal und stellen einen gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust dar.

2.

Charakteristika der Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Aktionären und Vorstand

Das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Vorstand stellt eine zentrale Prinzipal-Agent-Beziehung in der als typischer Standardvertrag für Großunternehmungen fungierenden Aktiengesellschaft dar. Grundlegendes Merkmal des rechtlichen Konstrukts der Aktiengesellschaft ist die Aufspaltung der an sich einheitlichen Unternehmerfunktion in Risikoträgerschaft einerseits und Ressourcenmanagement andererseits: 5* Die Eigenkapitalgeber delegieren als Gruppe } 2) 3) 4) 5)

Selbst wenn dies theoretisch möglich wäre, ist gewöhnlich davon auszugehen, daß eine vollständige Spezifikation infolge prohibitiv hoher Kosten nicht gewählt würde. Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 127-132. Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 129. Hinsichtlich der Definition von Agency-Kosten vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308. Vgl. Baums (1995), S. 11, Kessel (1995), S. 32.

29

abgesehen von Grundlagenentscheidungen - alle Aufgaben der Verwaltung und des Managements ihres in die Gesellschaft eingebrachten Vermögens an einen angestellten, über Expertenwissen verfügenden Vorstand. In § 76 AktG erkennt der Gesetzgeber die aus der Komplexität der Materie und der erforderlichen Flexibilität resultierende Notwendigkeit der Einräumung von weitreichenden, wenn auch nicht unbegrenzten Entscheidungsbefugnissen für den Vorstand ausdrücklich an, indem diesem die eigenverantwortliche Geschäftsführung des Verbandes der Eigenkapitalgeber übertragen wird. Die Entscheidungsferne der Anteilseigner weist jedoch nicht nur Vorteile auf, sondern bedingt auch einen erheblichen Informationsvorsprung der Vorstandsmitglieder gegenüber ihrem Prinzipal und eröffnet diesen damit substantielle Freiräume, eigene, von den Interessen der Aktionäre divergierende Ziele zu verfolgen. Ausgedehnte Handlungsspielräume des Vorstandes treten insbesondere in Publikumsgesellschaften auf, da hier die Kontrolle des Managements durch die Eigenkapitalgeber den Charakter eines öffentlichen Gutes aufweist und infolge der damit verbundenen, free- rider' '-Problematik fast völlig versagt.1* Die zwischen Anteilseignern und Vorstandsmitgliedern bestehenden Interessenkonflikte werden in der positiven Agency-Theorie, welche beobachtbare Prinzipal-Agent-Beziehungen zu beschreiben und erklären versucht, 2) wie folgt gekennzeichnet: Das Interesse der Aktionäre richtet sich auf die Maximierung des Wertes ihrer kollektiven Investition, was - sieht man von der PrinzipalAgent-Problematik im Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern zunächst ab - aufgrund des Residualanspruchs der Aktionäre mit der Maximierung des Unternehmungswertes gleichgesetzt werden kann. 3) Vorstandsmitglieder hingegen streben infolge der Externalisierung von Kosten statt einer Steigerung des Aktionärsvermögens vielmehr die Nutzung unternehmerischer Ressourcen zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse an. Das spiegelt sich beispielsweise in übermäßigen Ausgaben für Verwaltungsgebäude und Büroeinrichtungen wider. Aber auch fehlendes Engagement bei der Leitung der Unternehmung läßt sich als Ausdruck der Verfolgung eigener Ziele kennzeichnen. Eine weitere Ausprägung eigennützigen Verhaltens des Managements sind dessen sogenannte „empire-building"- Tendenzen. Vorstandsmitglieder haben einen Anreiz, Investitionen zu tätigen, die zwar aufgrund ihres negativen Kapitalwerts das Aktionärsvermögen vermindern, jedoch ein Wachstum der Unternehmung

υ 2) 3)

Vgl. dazu Hart (1995), S. 127, Baums (1995), S. 11, Milgrom/Roberts (1992), S. 181. Zur Abgrenzung der positiven Agency-Theorie von der normativen, mathematisch orientierten Prinzipal-Agent-Theorie vgl. ζ. B. Picot/Neuburger (1995), Sp. 15 f. Vgl. im folgenden Jensen/Meckling S. 312 ff., Bamea/Haugen/Senbet (1985), S. 31 ff., Macey (1992), S. 23 f.

30

herbeiführen, denn die Größe einer Unternehmung determiniert in signifikantem Maße Macht, Prestige und auch Einkommen der Vorstandsmitglieder. 1* Eine subtilere Form der durch die Aufgliederung der einheitlichen Unternehmerfunktion bedingten Agency-Kosten geht aus den unterschiedlichen Risikoeinstellungen von Management und Anteilseignern hervor. 2) Während sich Aktionäre - insbesondere institutionelle Anleger - gewöhnlich an mehreren Gesellschaften beteiligen und somit ihr Portfolio diversifizieren können, sind die Möglichkeiten der Risikostreuung für Vorstandsmitglieder weitgehend begrenzt, da ihr Humankapital als bedeutender Bestandteil ihres Vermögens vollständig in den Projekten lediglich einer Gesellschaft gebunden ist. Folgerichtig ist davon auszugehen,-daß Vorstandsmitglieder eine höhere Risikoaversion aufweisen als Anteilseigner, was sich in einer eher auf die Begrenzung der Konkurswahrscheinlichkeit als auf die Maximierung des Aktionärsvermögens ausgerichteten Investitionspolitik niederschlägt. Ist eine Unternehmung nicht nur eigen- sondern auch fremdfinanziert, dann muß die oben getroffene Aussage, daß die Maximierung des Aktionärsvermögens grundsätzlich der Maximierung des Unternehmungswertes entspricht, relativiert werden. Essentiell für die Aktiengesellschaft ist eine in wirtschaftlicher Hinsicht auf den für den Aktienerwerb aufgewendeten Betrag beschränkte Haftung der Aktionäre. Dadurch haben diese die Möglichkeit und den Anreiz, durch verstärktes Investitieren in risikoreiche Projekte Vermögen von den Gläubigern auf sich „umzuverteilen": 3* Eine Investitionspolitik, welche die Volatilität des Unternehmungswertes vergrößert, führt einerseits zu einer Zunahme des Marktwertes des Eigenkapitals, andererseits zu einer Verringerung des Marktwertes des Fremdkapitals, denn die Eigenkapitalgeber leiten einen erhöhten Anteil des Verlustrisikos an die Fremdkapitalgeber weiter, stehen jedoch gleichzeitig gestiegenen Gewinnmöglichkeiten gegenüber. Diese als ,/isset-substitution"Problem bezeichnete Thematik läßt sich anschaulich illustrieren mit Hilfe einer optionstheoretischen Sichtweise der Stellung von Eigen- und Fremdkapitalgebern: Aufgrund der beschränkten Haftung gleicht die ökonomische Position der Eigenkapitalgeber der eines Inhabers einer Kaufoption, die Position der Fremdkapitalgeber hingegen entspricht der des Verkäufers eines Calls. 4) Da der

υ 2) 3) 4)

Vgl. Jensen (1986), S. 323. Vgl. im folgenden Prowse (1995), S. 4, Macey (1992), S. 24 f., Gray/Cannella (1997), S. 518 ff. Vgl. im folgenden Jensen/Meckling (1976), S. 334 ff, Baraea/Haugen/Senbet (1985), S. 33 ff., Kessel (1995), S. 62 ff., Milgrom/Roberts (1992), S. 495. Zur näheren Kennzeichnung der optionstheoretischen Sichtweise einer Unternehmung vgl. insbesondere Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 592 ff., Jensen/Meckling (1976), S. 336, Barnea/ Haugen/Senbet (1985), S. 33 ff.

31 Wert einer Kaufoption mit zunehmender Volatilität des Underlyings steigt,1* wirkt sich eine risikoreiche Investitionspolitik positiv auf die Eigenkapitalgeber, aber negativ auf die Fremdkapitalgeber aus. Daraus folgt, daß es für Anteilseigner rational sein kann, eine relativ riskante Investition mit negativem Kapitalwert, die per Definition den Unternehmungswert verringert, einer risikoärmeren Investition mit positivem Kapitalwert vorzuziehen, sofern das von den Fremdkapitalgebern aufgrund der Risikoabwälzung transferierte Vermögen den Rückgang des Unternehmungsweites überkompensiert. Auch wenn Konflikte zwischen Anteilseignern und Vorstandsmitgliedern den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bilden, dürfen die durch Fremdfmanzierung verursachten Agency-Kosten nicht völlig vernachläßigt werden, da sie gleichermaßen wie im Verhältnis zwischen Aktionären und Vorstand auftretende Agency-Kosten einen Wohlfahrtsverlust darstellen.

3.

Aktienoptionen im System der Mechanismen zur Kontrolle des Vorstandsverhaltens

Opportunistisches Verhalten der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären kann den Wert einer Unternehmung erheblich mindern. Das wirft die Frage nach Mechanismen auf, welche eine Senkung der aus der Trennung von Risikokapitalgeber- und Managerfunktion resultierenden Kosten bewirken. Neben unternehmungsexternen Kontrollmechanismen wie dem Markt für Unternehmenskontrolle, dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt für Manager, dem Monitoring seitens der Banken und der Konkurrenz auf den Produktmärkten lassen sich verschiedene interne Managementkontrollsysteme identifizieren. 2* Dazu gehören beispielsweise die Überwachung des Vorstandes durch Aufsichtsrat bzw. Abschlußprüfer und die Haftung der Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft. 3* Auch die erfolgsabhängige Vergütung von Vorstandsmitgliedern ist der Gruppe der internen Kontrollinstrumente zuzurechnen. Eine erfolgsbezogene Entlohnung der Vorstände ist geeignet, Agency-Kosten entgegenzuwirken, insofern eine von den Vorstandsmitgliedern angestrebte Einkommensmaximierung als Ausdruck der Verfolgung eigennütziger Interessen zugleich den Nutzen der Anteilseigner steigert. Durch das Mittel der erfolgsorientierten Vergütung kann das Verhalten des Manageυ 2)

3)

Vgl. ζ. B. Perridon/Steiner (1995), S. 296, RossAVesterfield/Jaffe (1996), S. 582. Hinsichtlich eines Überblicks über marktliche Kontrollmechanismen, deren Funktionsweise und Effizienz vgl. ζ. B. Prowse (1995), S. 5 f., Douma/Schreuder (1992), S. 80 f., Kessel (1995), S. 72 ff. Vgl. Baums (1995), S. 12.

32 ments gesteuert werden, auch wenn seine einzelnen Handlungen nicht beobachtbar und direkt kontrollierbar sind. Erfolgsbezogene Vergütungssysteme können verschiedenartig ausgestaltet sein. Aktienoptionen stellen eine mögliche Form der variablen Entlohnung dar. Sie werden zusammen mit vergünstigt begebenen Belegschaftsaktien (Performance Shares ), von der Entwicklung des Aktienkurses abhängigen Bonuszahlungen (Stock Appreciation Rights) und sogenannten Phantom Stock Plans, welche dem Management hypothetische Anteile an der Gesellschaft gewähren, den aktionärsvermögensorientierten Vergütungsformen zugeordnet.1* Diese sind von rechnungswesenbezogenen, an Jahresabschlußgrößen wie dem Bilanzgewinn, der Dividendenzahlung oder auch dem Umsatz anknüpfenden Tantiemen abzugrenzen.

III. Die Gewährung von Aktienoptionen als Ausdruck einer Shareholder-Valueorientierten Unternehmungssteuerung Mit Aktienoptionen wird versucht, eigennütziges Verhalten der Vorstandsmitglieder einzuschränken und ihr Handeln an den Interessen der Aktionäre auszurichten. Dadurch werden die Ziele, welche die Anteilseigner als eine Anspruchsgruppe unter vielen für die Unternehmung formulieren, letztlich zu Zielen der Unternehmung erhoben.2* Folgerichtig sind Aktienoptionen nicht nur als Mittel zur Überwindung eines im Vertragsgefüge der Unternehmung auftretenden Prinzipal-Agent-Konflikts, sondern gleichfalls als Instrument zur Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankes zu kennzeichnen. Die Philosophie des ShareholderValue-Ansatz läßt sich mit der Aussage umreißen, daß der Marktwert des von den Anteilseignern investierten Kapitals als zentraler Entscheidungsmaßstab bei der Unternehmungsführung heranzuziehen ist.3* Die Generierung von Nutzen für die Anteilseigner stellt die fundamentale Zielsetzung einer Unternehmung dar und verkörpert somit auch die für das Management maßgebliche Handlungsmaxime.

0 2) 3)

Vgl. im folgenden Bühner (1989), S. 2182, Baums (1997), S. 6. Zur Abgrenzung von Zielen für die Unternehmung von Zielen der Unternehmung vgl. Eberhardt (1998), S. 41 f. Vgl. dazu Rappaport (1995), S. 12 f., von Weizsäcker (1998), S. 15.

33

Eine Shareholder-Value-orientierte Unternehmungsstrategie zielt darauf ab, die Versorgung mit Eigenkapital und damit die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung sicherzustellen:1* In den letzten Jahren hat sich - ausgehend von den USA - aufgrund einer verstärkten Professionalisierung der Investitionsentscheidungen auf den Finanzmärkten das Machtverhältnis zwischen Aktionären und Management zugunsten der Anteilseigner verschoben.2* Dieser Prozeß wurde und wird begleitet von einer zunehmenden Internationalisierung der Kapitalmärkte. 3* Beide Entwicklungstendenzen haben zur Konsequenz, daß Unternehmungen den Renditeerwartungen der Eigenkapitalgeber in erhöhtem Maße Rechnung tragen müssen, wenn sie als Nachfrager auf dem Markt für Risikokapital konkurrenzfähig bleiben wollen.

IV. Zwischenergebnis Der Adaption von Aktienoptionsprogrammen liegt die Zielsetzung zugrunde, das Handeln eigennutzenmaximierender Vorstandsmitglieder durch eine anreizkompatible Vergütung auf das Aktionärsinteresse zu orientieren, um PrinzipalAgent-Konflikte zu überwinden, welche aus der in der Aktiengesellschaft vollzogenen Trennung von Risikoträgerschaft und Ressourcenmanagement resultieren. Da mit dem Vorstandshandeln die gesamte Unternehmungspolitik auf die Steigerung des Aktionärsvermögens ausgerichtet wird, entspricht diese Zielbestimmung der praktischen Umsetzung des Shareholder-Value-Konzepts.

υ 2) 3)

Vgl. von Rosen (1997), S. 370. Vgl. von Weizsäcker (1998), S. 15, von Werder (1998), S. 80 f., Hansen (1996), S. 48. Vgl. ζ. B. Deutsches Aktieninstitut e. V. (1996), S. 3, Köhler (1997), S. 260 f., Bundesregierung (1998), S. 11, von Werder (1998), S. 80.

35

··

Β. Ökonomische Bedeutung und rechtliche Zulässigkeit der Shareholder-Value-Maxime Aufbauend auf der Feststellung, daß Aktienoptionen als Mittel zur Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens fungieren, soll im nächsten Schritt der Abhandlung folgerichtig eine Beurteilung dieser Zielsetzung vorgenommen werden. Die Implementierung einer Shareholder-Value-orientierten Unternehmungssteuerung ist aus mehreren Gründen nicht unumstritten. Fraglich ist zum einen, inwieweit die primäre Berücksichtigung der Interessen der Anteilseigner an sich und in der Art und Weise, wie sie nach dem Shareholder-Value-Ansatz erfolgt, ökonomisch zu rechtfertigen ist. Zum anderen stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit des Shareholder-Value-Ansatzes mit der geltenden deutschen Rechtsordnung. Eine Erörterung dieser Problemfelder bedarf jedoch zunächst der genaueren Kennzeichnung des Shareholder-Value-Konzepts und seiner theoretischen Basis.

I.

Theoretische Grundlagen des ShareholderValue-Ansatzes

Das Konzept des Shareholder Value stellt den für die Anteilseigner erwirtschafteten Nutzen in den Mittelpunkt der strategischen Unternehmungsführung. Im folgenden soll nun dargestellt werden, welcher Nutzenbegriff dem Shareholder-Value-Ansatz zugrundeliegt und wie die Erfassung des Potentials einer Unternehmung, Nutzen für die Anteilseigner zu generieren, konzeptionell gestaltet ist.

36

1.

Der Erwerb von Aktien als Investitionsentscheidung

Der Shareholder-Value-Ansatz geht - analog der positiven Agency-Theorie von der Annahme aus, daß der Nutzen der Anteilseigner einzig und allein eine Funktion der finanziellen Vorteilhaftigkeit der Beteiligung ist: Der Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft erfährt eine Interpretation als Investitionsentscheidung.1* Die Vorteilhaftigkeit eines Aktienkaufs wird anhand der Kapitalwertmethode beurteilt. Daraus folgt, daß auf effizienten Kapitalmärkten, d. h. bei Vorhandensein hinreichender Informationen zur Wahrnehmung von Risiken und Ertragschancen, 2* Kapitalgeber nur dann in eine Unternehmung investieren, wenn die erwartete Rendite auf das eingesetzte Kapital die erwartete Rendite einer Alternativanlage mit identischen Risikocharakteristika übersteigt bzw. dieser mindestens gleicht. Die für die Befriedigung der von den Investoren gestellten Ertragserwartungen relevanten Rückflüsse setzen sich einerseits aus den Dividendenzahlungen, anderseits aus dem Kapitalgewinn zusammen.3* Bei börsennotierten Gesellschaften entspricht die Zunahme des Marktwerts der erworbenen Anteile der Aktienkurssteigerung und resultiert aus einer veränderten aggregierten Einschätzung aller Marktteilnehmer hinsichtlich des Barwerts sämtlicher für die Zukunft erwarteten Ausschüttungen.4*

2.

Bedeutung und Ermittlung des Shareholder Value

Der Shareholder-Value-Ansatz stellt ein Instrument zur Bewertung des Investitionsobjekts „Unternehmung" aus Sicht der Anteilseigner dar.5* Als Beurteilungsmaßstab für die Fähigkeit einer Gesellschaft, den monetären Ansprüchen der Anteilseigner gerecht zu werden, wird der Shareholder Value herangezogen. Er ist definiert als der ökonomische Wert des Eigenkapitals und läßt sich ermitteln aus der Differenz zwischen Unternehmungsgesamtwert und dem als bekannt unterstellten Marktwert des Fremdkapitals. 6* Bei der Berechnung des Unternehmungswertes findet in Analogie zu dem auf der Kapitalwertmethode basierenden Investitionskalkül potentieller Kapitalgeber die Discounted Cash-flow Analysis Anwendung: Der Unternehmungswert ist gleich der Summe der für die Zukunft erwarteten und auf den Bewertungsstichtag diskontierten Cash-flows. Der Begriff des Cash-flow repräsentiert den innerhalb einer Periode aus eigener Kraft erwirt]) 2) 3) 4) 5) 6)

Vgl. Eberhardt (1998), S. 112,116. Vgl. Bühner/Tuschke (1997), S. 502, siehe auch Teil 1, B.II.3. Vgl. z. B. Rappaport (1995), S. 53, Hansen (1996), S. 49, Lorson (1999), S. 1329. Vgl. Busse von Cölbe (1997), S. 274, Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 108. Vgl. im folgenden Eberhardt (1998), S. 109 f. Vgl. Rappaport (1995), S. 53 f.

37

schafteten Überschuß der zufließenden Zahlungsströme (Cash Inflows) über die abfließenden Zahlungsströme (Cash Outflows ), welcher grundsätzlich zur Befriedigung von Ansprüchen sowohl der Eigen- als auch der Fremdkapitalgeber zur Verfügung steht.1* Der Diskontierungsfaktor wird in der Regel berechnet als gewogenes Mittel von Fremd- und Eigenkapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital), wobei aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit der auf das Fremdkapital gezahlten Zinsen die Fremdkapitalkosten nach Steuern anzusetzen sind.2* Da auf effizienten Kapitalmärkten der heutige Aktienkurs bereits den Wert der zukünftigen Erträge der Gesellschaft widerspiegelt, kann eine überdurchschnittliche Rendite für die Anteilseigner nur dann erzielt werden, wenn zusätzlicher Shareholder Value geschaffen wird. 3* Aus dem Ziel der Maximierung des Shareholder Value leitet sich die Forderung nach der Maximierung des Unternehmungsgesamtwertes ab,4* die sich in folgenden Empfehlungen für die Investitionspolitik der Unternehmung niederschlägt: Es soll nur in diejenigen Projekte investiert werden, deren erwartete Rendite mindestens dem gewogenen durchschnittlichen Kapitalkostensatz entspricht. Sieht sich die Unternehmungsleitung mit der Situation konfrontiert, daß keine derartigen Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, so sind vorhandene freie Mittel über erhöhte Dividendenzahlung bzw. den Rückkauf eigener Aktien an die Aktionäre auszuschütten.

I} 2)

3)

4)

Vgl. Betsch/Groh/Lohmann (1998), S. 163, Eberhardt (1998), S. 100,119. Vgl. Rappaport (1995), S. 58 ff. Dieses als Entity-Methode bezeichnete Verfahren der Discounted Cash-flow Analysis ist zwar international weit verbreitet, jedoch nicht unumstritten, weil es nur unter engen Anwendungsprämissen - wie beispielsweise einem konstanten Fremdkapitalanteil - Bewertungsergebnisse ohne systematische Abweichungen produziert. Besser geeignet und als Referenzmodell anzusehen ist die Adjusted-Present- Va/we-Methode (APVMethode), welche den Wert der Unternehmung bei unterstellter reiner Eigenfinanzierung ermittelt und die aus der Fremdfinanzierung resultierenden finanziellen Nebeneffekte gesondert berücksichtigt. Vgl. Richter (1997), S. 228 ff., Drukarczyk (1997), S. 224. Zur näheren Kennzeichnung der APV-Methode vgl. Shapiro (1985), S. 549 f., Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 455 ff. Um ganz exakt zu sein, muß angefügt werden, daß sich der heutige Börsenkurs nicht nur auf den Shareholder Value, sondern auch auf die von den Marktteilnehmern erwartete Veränderung des Shareholder Value bezieht. Folgerichtig ist eine überdurchschnittliche Aktienrendite streng genommen nur bei Übertreffen der Erwartungen des Marktes möglich. Vgl. Hansen (1996), S. 49. Eine Steigerung des Shareholder Value auf Kosten der Fremdkapitalgeber, wie bei der Erläuterung des ,ASset-substitution"-?iob\zTCiS angeführt (siehe Teil 1, A.II.2), ist nicht Inhalt des Postulats der Vertreter des Shareholder-Value-Ansatzes. Das „asset-substitution"-Problem muß jedoch bei der Analyse von Aktienoptionen insoweit Berücksichtigung finden, als durch Aktienoptionen das Vorstandshandeln möglicherweise nicht auf eine Maximierung des Shareholder Value durch Maximierung des Unternehmungswertes, sondern auf eine Steigerung des Shareholder Value durch Vermögensumverteilung ausgerichtet wird. Vgl. dazu Teil 2, A.II.2.

38

3.

Der kapitalmarkttheoretische Hintergrund des Shareholder-Value-Ansatzes

Die Kapitalkosten einer Unternehmung sind als Diskontierungsfaktor eine zentrale Größe bei der Berechnung des Shareholder Value bzw. dessen Veränderung. Während die Abschätzung des Kostensatzes für das Fremdkapital anhand von Marktwerten erfolgt, entsprechen die Eigenkapitalkosten der erwarteten Mindestrendite, die der Investitionsentscheidung der Aktionäre zugrundeliegt. Diese wird mit Hilfe kapitalmarkttheoretischer Gleichgewichtsmodelle wie beispielsweise dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) ermittelt, 1* dessen wesentliche Aussagen und Annahmen im folgenden kurz skizziert werden sollen. Das CAPM baut auf der Portfoliotheorie nach Markowitz auf, einem mikroökonomischen Modell, das eine Antwort auf die Frage nach der optimalen Zusammenstellung des Portfolios eines Investors herzuleiten versucht.2* Die Portfoliotheorie geht von der Annahme risikoaverser Anleger aus, die nur bereit sind, in riskante Finanztitel zu investieren, wenn sie dafür mit einer dem Risiko angemessenen Rendite kompensiert werden. Zur Bewertung der Anlagealternativen wird das μ-σ-Prinzip herangezogen:3* Erwartete Rendite (μ) und die Streuung der möglichen künftigen Renditen um ihren Erwartungswert, gemessen als Standardabweichung (σ) bzw. Varianz (σ 2 ), sind die beiden alleinigen Kriterien für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit der einzelnen Investitionsmöglichkeiten. Die zentrale Aussage der Portfoliotheorie läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß durch eine Diversifikationsstrategie das Risiko eines Portfolios vermindert und so die „Rendite-Risiko-Position"4* des Anlegers verbessert werden kann: Solange die Renditen der angebotenen Wertpapiere nicht vollständig positiv korreliert sind, ist die Standardabweichung eines aus ihnen bestehenden Portfolios geringer als der mit den relativen Portfolioanteilen gewogene Durchschnitt der Standardabweichungen der einzelnen Assets; die erwartete Portfoliorendite hingegen setzt sich linear aus den gewichteten Erwartungswerten der Einzelrenditen zusammen.5* Der Risikoanteil eines Wertpapiers, der spezifisch für diesen Finanztitel bzw. für eine kleine Gruppe der am Markt gehandelten Wertpapiere ist und durch eine optimale Portfoliogestaltung }

2) 3) 4) 5)

Alternativ zum CAPM findet teilweise die Arbitrage Pricing Theory (APT) Anwendung. Zur Kennzeichnung dieses Modells vgl. Elton/Gruber (1995), S. 368 ff., Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 291 ff. Zum Verhältnis zwischen APT und CAPM vgl. Elton/Gruber (1995), S. 386 f. Vgl. Troßmann (1998), S. 383. Vgl. im folgenden Perridon/Steiner (1995), S. 230. Troßmann (1998), S. 391. Vgl. Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 255, 259.

39 beseitigt werden kann, wird als unsystematisches Risiko bezeichnet.1* Derjenige Bestandteil des Risikos, welcher allen verfügbaren Wertpapieren inhärent und folgerichtig auch nicht durch Aufnahme zusätzlicher Finanzanlagen in das Portfolio reduzierbar ist, heißt systematisches Risiko. Ein rational handelnder, nutzenmaximierender Investor strebt das Halten eines risikoeffizienten Portfolios an. Ein Portfolio gilt dann als effizient, wenn keine andere Investitionsalternative existiert, die bei gleicher oder geringerer Standardabweichung einen höheren Erwartungswert der Rendite aufweist, oder durch eine geringere Standardabweichung bei gleicher Renditeerwartung gekennzeichnet ist. 2) Sind die Anlagemöglichkeiten nicht nur auf risikobehaftete Assets beschränkt, sondern stehen auch risikofreie Wertpapiere zur Verfügung, so läßt sich unabhängig von der persönlichen Risikoneigung des Investors genau eine einzige optimale Mischung aus risikobehafteten Finanztiteln identifizieren, und jedes effiziente Portfolio stellt eine Kombination aus diesem optimalen Risikoportfolio und der risikolosen Anlageform dar. 3) Risikopräferenzen des Investors spiegeln sich somit nicht bei der Entscheidung über die Zusammensetzung des ausschließlich aus risikobehafteten Wertpapieren bestehenden Portfolios wider, sondern kommen erst bei der Aufteilung des Anlagebudgets auf risikolose und riskante Kapitalmarktinvestitionen zum Ausdruck. 4* Das CAPM als makroökonomisches Gleichgewichtsmodell zielt nun darauf ab, ausgehend von der durch die Portfoliotheorie bereiteten mikroökonomischen Fundierung eine Aussage über das aggregierte Verhalten aller Investoren und die für das Bestehen eines Kapitalmarktgleichgewichts notwendigen Wertpapierpreise und -renditen herzuleiten.5* Dazu wird die zentrale Annahme getroffen, daß alle Marktteilnehmer homogene Erwartungen hinsichtlich der Renditen und Risikocharakteristika der angebotenen Assets aufweisen und zu den gleichen Konditionen in eine risikolose Finanzanlage investieren können. Diese Prämisse impliziert eine für alle Investoren identische optimale Mischung aus risikobehafteten Wertpapieren, welche in logischer Konsequenz eine Kombination aller am Markt gehandelten risikobehafteten Finanzanlagen darstellt und deshalb als Marktportfolio bezeichnet wird. Aus der Zusammensetzung des Marktportfolios kann die von den Anlegern erwartete Rendite für jedes einzelne Wertpapier in Relation zum Marktportfolio abgeleitet werden.6* Nach den CAPM 1} 2) 3) 4)

®

6)

Vgl. im folgenden Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 270, 293 f. Vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 231, Troßmann (1998), S. 394. Vgl. Troßmann (1998), S. 404. Diese Aufgliederung der Investitionsentscheidung in zwei getrennte Teilentscheidungen wird als Tobin-Separationstheorem bezeichnet. Vgl. dazu ζ. B. Betsch/Groh/Lohmann (1998), S. 57. Vgl. im folgenden ζ. B. Elton/Gruber (1995), S. 294 ff. Vgl. Eberhardt (1998), S. 135.

40 entspricht die Renditeerwartung für ein bestimmtes Wertpapier der Summe aus dem Zinssatz der risikolosen Anlageform und einer Risikoprämie, wobei sich letztere nur auf das systematische Risiko des Assets bezieht, da alle Marktteilnehmer ein maximal diversifiziertes Portfolio halten.1* Das unsystematische Risiko findet wegen seiner Eliminierbarkeit bei der Berechnung der von Kapitalanlegern geforderten Mindestrendite und folgerichtig auch bei der Bestimmung des Eigenkapitalkostensatzes als Parameter des Diskontierungsfaktors der Unternehmung keine Berücksichtigung.

4.

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich die theoretische Basis des Shareholder-Value-Ansatzes als eine Kombination aus Discounted Cash-flow Analysis und kapitalmarkttheoretischen Gleichgewichtsmodellen kennzeichnen läßt. Folgerichtig sind dem Shareholder-Value-Konzept auch die Prämissen dieser Modelle immanent. Insbesondere ist die Annahme der Existenz eines für alle Anleger repräsentativen Investors hervorzuheben. Die Umsetzung des Shareholder-Value-Ansatzes entspricht letztlich der Ausrichtung der strategischen Unternehmungsführung an den Interessen eines optimal diversifizierten individuellen Anlegers. 2*

II. Beurteilung des Shareholder-ValueAnsatzes aus ökonomischer Sicht Aufgrund seiner konsequenten Zahlungsstromorientierung ist der ShareholderValue-Ansatz einerseits zweifelsohne den traditionellen Verfahren zur Unternehmungsbewertung und -Steuerung, die an buchhalterischen, periodisierten Erfolgsgrößen wie dem Jahresüberschuß anknüpfen und vielfältigen bilanz-

}

2)

Für eine nähere Erläuterung des Zusammenhangs zwischen der erwarteten Rendite und dem Risiko eines Wertpapiers nach dem CAPM vgl. ζ. B. Elton/Gruber (1995), S. 298, Ross/ Westerfield/Jaffe (1996), S. 276 ff., Lorson (1999), S. 1330. Soll die Vorteilhaftigkeit einer einzelnen Investitionsmöglichkeit beurteilt werden und weicht das systematische Risiko dieses Projekts von dem systematischen Risiko der Unternehmung ab, so ist die Risikoprämie entsprechend zu modifizieren. Vgl. dazu Drukarczyk (1993), S. 290, Schneider (1992), S. 517. Vgl. Mülbert (1997), S. 137.

41 politischen Manipulationsmöglichkeiten unterliegen, überlegen.1* Andererseits wird jedoch an einer strategischen Unternehmungsführung nach dem Konzept des Shareholder-Value auf verschiedenen Ebenen Kritik geübt. Im folgenden sollen nun die aus ökonomischer Sicht wesentlichsten drei Problemfelder des Shareholder-Value-Ansatzes aufgezeigt und erörtert werden.

1.

Erster Problembereichs Interessenhomogenität der Anteilseigner

Wie bei der Darstellung der theoretischen Grundlagen des Shareholder-ValueGedankens deutlich wurde, geht dieser Ansatz von der Annahme eines für alle Aktionäre repräsentativen Investors aus, der ein optimal diversifiziertes Portfolio hält und dessen erwarteter Nutzen nur durch Rendite und Risiko seiner Finanzanlagen determiniert wird. Die Maximierung des Marktwerts der Unternehmung stellt aus der Perspektive des Shareholder-Value-Ansatzes ein von allen Aktionären gleichermaßen präferiertes Unternehmungsziel dar. Bei Betrachtung real existierender Kapitalmärkte fällt jedoch auf, daß die Anteilseigner einer Gesellschaft nicht als homogene Gruppe mit homogenen Interessen und einem homogenen Erwartungsbildungsprozeß aufgefaßt werden können. Institutionelle Investoren, die ein annähernd risikoeffizientes Portfolio halten, verfolgen andere Ziele als private Kapitalanleger, deren Portfolio kaum eine optimale Risikostreuung aufweist. 2* Eine konfliktäre Interessenkonstellation kann sich beispielsweise bei der Frage ergeben, ob unternehmerische Ressourcen zur Erweiterung bestehender Geschäftseinheiten oder für eine Diversifizierungsinvestition Verwendung finden sollen:3* Es sei angenommen, daß sich beide Projekte sowohl hinsichtlich der erwarteten Cash-flows als auch in bezug auf ihre Standardabweichung, d. h. ihrem totalen Risiko entsprechen. Der Nutzen nicht diversifizierter Aktionäre würde aufgrund verminderter Ertragsschwankungen in einem Konglomerat eindeutig durch die Umsetzung der Diversifikationsstrategie maximiert, während für Anleger mit einem risikoeffizienten Portfolio diese Entscheidung dann suboptimal wäre, wenn das systematische Risiko des diversifizierenden Projekts das der Erweiterungsinvestition übersteigt. Die Problematik der dem Shareholder-Value-Ansatz inhärenten Negierung von Interessendivergenzen innerhalb der Gruppe der Anteilseigner tritt um so mehr hervor, wenn das Rationalitätspostulat der Portfoliotheorie in Frage gestellt wird: Ist das rationale Verhalten der Anteilseigner nicht dahingehend kongruent, daß 1} 2) 3)

Vgl. Eberhardt (1998), S. 135,139. Vgl. Mülbert (1995), S. 135. Vgl. im folgenden Mülbert (1997), S. 159 f.

42 sie alle ihrem Vorteilhaftigkeitskalkül das μ-σ-Prinzip zugrundelegen, so ergibt sich ein nahezu unbegrenztes Spektrum möglicher Anlegerziele. 1* Doch selbst wenn den wenig realitätsnahen Modellannahmen des CAPM bzw. der Portfoliotheorie vollständig entsprochen würde, stellt die Maximierung des Unternehmungswertes nicht notwendigerweise ein von allen Anteilseignern einmütig akzeptiertes Unternehmungsziel dar, denn bei Entscheidungen unter Unsicherheit sind hierfür weitergehende Voraussetzungen erforderlich. 2* Zum Beispiel ist die Marktwertmaximierung nur dann eine „objektiv richtige Zielfunktion" 3 *, sofern der Kapitalmarkt die Eigenschaft des spanning" aufweist. Die spanning property " stellt sicher, daß Anteilseigner uneingeschränkt die Möglichkeit haben, mittels Transaktionen am Kapitalmarkt denjenigen durch die Realinvestitionen der Unternehmung bedingten Prädispositionen der Einkommensströme entgegenzuwirken, welche aus ihrer jeweils individuellen Sicht unerwünscht sind. 4) Folgerichtig muß jede denkbare zukünftige Einkommensverteilung durch Kauf und Verkauf von Finanztiteln am Kapitalmarkt konstruierbar sein. Da real existierende Kapitalmärkte dieser Forderung nicht im vollen Umfang gerecht werden, ist das Kriterium der Marktwertmaximierung insbesondere bei innovativen Realinvestitionen, „die in besonders wirkungsvoller Weise neue Diversifikationsmöglichkeiten eröffnen" 5*, zumindest bei ausschließlich theoretischer Betrachtung als zweifelhaft anzusehen. Eine an der Marktwertmaximierung orientierte strategische Unternehmungsführung legitimiert sich trotz Heterogenität der Aktionärsinteressen jedoch insofern, als zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht der Praxis keine operationale alternative Zielfunktion zur Verfügung steht.6*

2.

Zweiter Problembereich: Monovariable Zielkonzeption

Im Mittelpunkt der Kontroverse um den Shareholder-Value-Ansatz steht jedoch im allgemeinen nicht die Problematik möglicher Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Aktionärstypen, sondern die Kritik richtet sich schwerpunktmäßig gegen die ausschließliche Einbeziehung von Anteilseignerinteressen in die Zielfunktion der Unternehmung. In der strikten Ausrichtung der Entscheidungen an der Maximierung des Shareholder Value wird eine Vernachlässigung der υ 2) 3) 4) 5) 6)

Vgl. Mülbert (1995), S. 135 f. Vgl. Ballwieser (1994), S. 1392 f., Mülbert (1995), S. 133. Wilhelm (1983), S. 531. Vgl. im folgenden Wilhelm (1983), S. 530 f. Wilhelm (1983), S. 531. Vgl. Ballwieser (1994), S. 1393.

43

Interessen der übrigen Stakeholders gesehen, was die Entwicklungsfähigkeit und damit langfristig auch die Überlebensfähigkeit einer Unternehmung gefährdet, Ineffizienzen hervorruft. 1* Statt einer Shareholder-Value-orientierten sollte vielmehr eine Stakeholder-Value-orientierte Unternehmungspolitik angestrebt werden, deren wesentliches Kennzeichen eine pluralistische Zielkonzeption ist. Im Rahmen des Stakeholder-Value-Ansatzes wird das oberste Ziel einer Unternehmung folgerichtig definiert als die Generierung eines optimalen Nutzens für alle strategisch wichtigen Anspruchsgruppen der Unternehmung, wobei der Nutzenbegriff sowohl die Befriedigung monetärer als auch nicht monetärer Ansprüche der an der Unternehmung Beteiligten umfaßt. 2) Zu den relevanten Anspruchsgruppen werden in der Regel Aktionäre, Management, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Fremdkapitalgeber, Öffentlichkeit und Staat gezählt.3* Mit welchen Argumenten läßt sich der Zielmonismus des Shareholder-ValueAnsatzes gegenüber dem von seinen Kritikern geforderten Zielpluralismus des Stakeholder-Value-Ansatzes rechtfertigen? Zur Begründung der ökonomischen Zweckmäßigkeit des Shareholder-ValueGedankens wird erstens auf die Art der Ansprüche der verschiedenen Stakeholders abgestellt:4* Während Anteilseigner ihr Einkommen aus der Unternehmung vollständig über Residualgewinne realisieren und infolgedessen auch das mit der Unternehmung verbundene Risiko tragen, sind andere Anspruchsgruppen überwiegend durch vertragliche Vereinbarungen, die feste Ansprüche begründen, an die Unternehmung gebunden. Aus der Übernahme des Risikos durch die Anteilseigner wird auf die Notwendigkeit geschlossen, deren Interessen oberste Priorität bei der Formulierung der Unternehmungsziele einzuräumen. Zwar kann dagegen eingewandt werden, daß aufgrund der beschränkten Haftung und der mit dem Aufbau firmenspezifischen Humankapitals verbundenen „/ioW-wp"-Problematik gleichfalls Inhaber fester Ansprüche Risiken ausgesetzt sind,5* jedoch - so wird von Befürwortern des Shareholder-ValueAnsatzes argumentiert - würden Inhaber fester Ansprüche ihre Interessen bereits bei den Vertragsverhandlungen geltend machen, was die Durchsetzung einer Kompensation für das eventuelle Erleiden von Verlusten einschließt. Dieser Argumentation ist nur bedingt zuzustimmen, denn ihre Gültigkeit ist auf 0 2) 3)

4)

Vgl. Janisch (1993), S. 105. Vgl. Janisch (1993), S. 34,117 f. Vgl. z. B. Janisch (1993), S. 119. Es ist jedoch anzumerken, daß je nach Detailvariante des Stakeholder-Value-Ansatzes unterschiedlich viele Anspruchsgruppen in die Betrachtung einbezogen werden. Vgl. dazu Blihner/Tuschke (1997), S. 502 f. Vgl. zu diesem Argument ζ. B. Macey (1992), S. 3, Ballwieser (1994), S. 1390, Busse von Cölbe (1997), S. 289 f, Bühner/Tuschke (1997), S. 502. Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 328, 351, Blair (1995), S. 238 f.

44 vollständige Verträge, d. h. auf Vereinbarungen, welche die Ansprüche für alle zukünftigen Umweltsituationen genau spezifizieren, beschränkt.1* Da diese in der Realität inexistent sind,2* ist eine vollständige Absicherung der Interessen der Inhaber fester Ansprüche durch Kontraktvereinbarungen nicht möglich. Eine zweite Argumentationslinie zur Begründung der adäquaten Ausgestaltung der Zielfunktion im Shareholder-Value-Ansatz stellt prinzipiell das Vorliegen eines konfliktären Verhältnisses zwischen den Interessen der Anteilseigner und denen der anderen Stakeholders in Frage. Es wird betont, daß unter der Bedingung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmungen die Maximierung des Shareholder Value der angemessenen Berücksichtigung der Interessen aller Anspruchsgruppen bedarf. 3* Die Maximierung des Nutzens für die Anteilseigner stellt gewissermaßen ein Maximierungsproblem unter Nebenbedingungen dar.4* In den Nebenbedingungen wird den Zielen der anderen Stakeholders Rechnung getragen, denn in einer Marktwirtschaft kann nur derjenige erfolgreich bestehen, der „seine Kunden gut und preiswert bedient, .. seine Mitarbeiter so behandelt, daß sie zu produktivem Arbeiten motiviert sind, .. sich in seiner jeweiligen lokalen Umgebung beliebt macht"5*. Das Vorliegen komplementärer statt konkurrierender Ziele läßt sich auch dann ableiten, wenn sich die Perspektive der Betrachtung von den für die Maximierung des Aktionärsvermögens notwendigen Bedingungen zu den für die Befriedigung der Stakeholder-Interessen erforderlichen Voraussetzungen verschiebt: Da die Eigenkapitalausstattung einer Unternehmung in entscheidendem Maße deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit determiniert, ist die Erfüllung der Renditeerwartungen der Aktionäre essentiell für die Generierung eines Nutzens für alle Anspruchsgruppen, denn auch in einer sozialen Marktwirtschaft können langfristig betrachtet nur rentable Unternehmungen beispielsweise sichere Arbeitsplätze bieten und einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Haushalte leisten.6* Dem Argument des langfristigen Gleichlaufs der Interessen von Anteilseignern und anderen Anspruchsgruppen ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn man die fundamentalen Prinzipien einer jeden Marktwirtschaft anerkennt: Die Verfolgung eigennütziger unternehmerischer Interessen ist treibende Kraft allen wirtschaftlichen Handelns, und der Wettbewerb fungiert als Bindeglied zwischen Eigennutzen und Gemeinwohl. Jedoch ist hervorzuheben, daß eine alleinige Ausrichυ 2) 3) 4) 5) 6)

Vgl. Blair (1995), S. 230. Zur Problematik unvollständiger Verträge siehe Teil 1, A.II. 1. Vgl. Rappaport (1995), S. 13. Vgl. Ballwieser (1994), S. 1390, kritisch: von Werder (1998), S. 74. von Weizsäcker (1998), S. 15. Vgl. Busse von Cölbe (1997), S. 289, von Rosen (1997), S. 371, kritisch: von Werder (1998), S. 75.

45

tung der Unternehmungspolitik an den Anteilseignerinteressen nur unter der Bedingung der Existenz ausreichend funktionsfähiger Märkte gerechtfertigt werden kann, denn im gegensätzlichen Fall ist die implizite Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen nicht gewährleistet. Ein drittes, im allgemeinen unumstrittenes Argument für die Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens und gegen eine Orientierung am StakeholderValue-Ansatz bezieht sich auf die komplexitätsbedingte mangelhafte Operationalisierbarkeit des letzteren Konzepts. Während im Shareholder-Value-Ansatz eine klare Direktive für das Handeln der Unternehmungsleitung vorgegeben wird, entzieht sich der Stakeholder-Value-Ansatz der Formulierung einer eindeutigen Zielfunktion. 1* Vertreter des Stakeholder-Value-Managements stellen zwar die Forderung nach einer bestmöglichen anspruchsgruppenspezifischen Nutzenschaffung auf, 2) konkretisieren jedoch weder, wie im einzelnen die (mehrdimensionalen) Ansprüche der verschiedenen Stakeholders ermittelt werden sollen, noch wie ein optimaler Interessenausgleich zwischen den Anspruchsgruppen erreicht werden kann.3* Eine weitgehend unbestimmte Zielvorgabe für den Vorstand eröffnet diesem jedoch erhebliche Spielräume für die Verfolgung eigennütziger Interessen, denn das Management kann sein Verhalten nahezu uneingeschränkt damit begründen, daß die getroffene Entscheidung irgendwelchen Ansprüchen irgendeiner Anspruchsgruppe dient.4*

3.

Dritter Problembereich: Potentielle Myopie der Unternehmungsführung

In einem engen Zusammenhang mit dem zuvor abgehandelten Problemfeld steht die Frage, inwieweit die Implementierung des Shareholder-Value-Ansatzes in einer kurzsichtigen Unternehmungsführung resultiert. Die Zielkonzeption des Shareholder-Value-Ansatzes ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß der Maximierung des Aktionärsvermögens oberste Priorität eingeräumt wird, sondern gleichzeitig ist charakteristisch, daß als Maßstab für die Fähigkeit einer Unternehmung, die Ansprüche der Anteilseigner zu befriedigen, einzig und allein monetäre Einflußfaktoren herangezogen werden. Diese ausschließliche Zahlungsstromorientierung birgt die Gefahr der Vernachlässigung von Investitionen in qualitative Erfolgsfaktoren - wie die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, aber υ 2) 3) 4)

Vgl. Bühner/Tuschke (1997), S. 502, Ballwieser (1994), S. 1390. Vgl. Janisch (1993), S. 110. Vgl. Eberhardt (1998), S. 182. Vgl. Macey (1992), S. 4 f., Blair (1995), S. 225, von Weizsäcker (1998), S. 15, Bühner/Tuschke (1997), S. 511 f., 514.

46 auch die Innovationsfähigkeit einer Unternehmung - in sich:1* Durch die Reduzierung derartiger Maßnahmen lassen sich aufgrund verringerter Auszahlungen rechnerisch leicht Ergebnisverbesserungen erzielen, denn die negativen Auswirkungen einer solchen Strategie auf zukünftige Cash-flows werden quantitativ nur sehr unvollkommen erfaßt. In logischer Konsequenz ist somit auch fraglich, ob die Maximierung des Shareholder-Value tatsächlich unter Nebenbedingungen, in welchen die Ziele der anderen Stakeholders Berücksichtigung finden, erfolgt, selbst wenn diese Art der Problemformulierung im ureigenen Interesse der Anteilseigner liegt. Wesentlich für die praktische Relevanz der Problematik myopischer Unternehmungspolitik ist letztlich der Grad der Informationseffizienz des Kapitalmarktes.2* Spiegeln die auf dem Kapitalmarkt zustandekommenden Preise zu jedem Zeitpunkt alle verfügbaren Informationen über den Unternehmungswert unverzerrt wider, 3* so werden Unternehmungen, die unzureichend in „weiche" Einflußgrößen des unternehmerischen Erfolgs investieren, durch Kursverluste sanktioniert und dem Management damit korrektive Signale für die Unternehmungssteuerung übermittelt. Sind diese Marktbedingungen jedoch nicht gegeben, dann muß die ökonomische Sinnhaftigkeit einer alleinig Cash-flow-orientierten Unternehmungsführung in Zweifel gezogen werden.

4.

Fazit

Hinsichtlich der ökonomischen Bedeutung des Shareholder-Value-Ansatzes läßt sich folgendes Ergebnis festhalten: Der Shareholder-Value-Ansatz stellt ein zur marktwirtschaftlichen Ordnung komplementäres Konzept der Unternehmensbewertung und -Steuerung dar. Substantiell für seine ökonomische Zweckmäßigkeit ist das Vorhandensein funktionsfähiger Märkte, insbesondere das Vorliegen eines informationseffizienten und annähernd vollständigen Kapitalmarktes. Wenngleich die theoretisch notwendigen Bedingungen für die Optimalität der Maximierung des Shareholder Value als Leitlinie unternehmerischen Handelns in der Realität nicht vollkommen erfüllt sind, legitimiert sich eine Shareholder-Value-orientierte Unternehmungsführung aufgrund der Inexistenz operationaler alternativer Zielsetzungen.

υ 2) 3)

Vgl. Janisch (1993), S. 102 f., Eberhardt (1998), S. 142 f. Vgl. Mülbert (1997), S. 139 f. Für eine nähere Kennzeichnung der efficient market hypothesis siehe den grundlegenden Artikel von Fama (1970). Siehe auch Teil 2, A.II.l.

47

III. Beurteilung der aktienrechtlichen Kompatibilität des ShareholderValue-Ansatzes Kritisch wird die Maximierung des Shareholder Value als Leitmaxime für die Vorstandstätigkeit nicht nur aus ökonomischer, sondern insbesondere auch aus rechtlicher Sicht betrachtet. Analog der auf ökonomischer Ebene geführten Diskussion richten sich die Bedenken hinsichtlich der aktienrechtlichen Kompatibilität des Shareholder-Value-Ansatzes vor allem auf die extreme Akzentuierung der Aktionärsinteressen. 1* Daneben ist jedoch noch eine weitere Dimension der rechtlichen Kontroverse um das Unternehmungsziel der Marktwertmaximierung erkennbar, die sich in der Problematisierung eines möglichen Widerspruchs zwischen der dem Shareholder-Value-Ansatz inhärenten Orientierung am Individualinteresse eines optimal diversifizierten Anlegers und der verbandsbezogenen Konzeption des geltenden Aktienrechts widerspiegelt. 2* Die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit des Shareholder-Value-Ansatzes ist eine Frage nach den dem Vorstand eingeräumten Rechten und ihm auferlegten Pflichten bei der Leitung eines Unternehmens.3* Gemäß § 76 Abs. 1 AktG obliegt dem Vorstand die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft. Leitung bedeutet in diesem Sinnzusammenhang Geschäftsführung für die Aktiengesellschaft, da nicht von einer hierarchischen Überordnung des Vorstandes in bezug auf die zu einem Verband zusammengeschlossenen Anteilseigner auszugehen ist.4* Dient die Gesellschaft als Unternehmensträger, so beinhaltet die Geschäftsführungsfunktion in logischer Konsequenz die Leitung des Unternehmens.5* Zwar räumt der Gesetzgeber in § 76 Abs. 1 AktG durch den Grundsatz der eigenen n 2) 3)

4) 5)

Vgl. ζ. B. Schneider (1996), S. 1771 f., Hüffer (1997), S. 217 f., Seniler (1995b), S. 298. Vgl. Mülbert (1997), S. 131,156 ff. In der folgenden rechtlichen Analyse wird anstelle des bisher verwendeten Terminus der Unternehmung der Begriff des Unternehmens Verwendung finden, da letzterer das rechtswissenschaftliche Schriftum prägt. Vgl. Mülbert (1997), S. 155. Zur Abgrenzung der Gesellschaft als Anteilseignerverband und Unternehmensträger vom Unternehmen als organisatorischen Zusammenschluß von personellen und sachlichen Mitteln zu einer wirtschaftlichen Einheit vgl. Rittner (1980), S. 331 ff., Schmidt (1994), S. 81 ff., Hopt (1993), S. 535. Diese Betrachtungsweise korrespondiert mit der in Teil 1, A.II.l vorgenommenen Unterscheidung beider Ebenen aus einer eher ökonomischen Perspektive. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist die Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger jedoch nicht unumstritten; die Aktiengesellschaft wird teilweise als Aktienunternehmen gekennzeichnet. Vgl. ζ. B. Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 6 f., Schilling (1997), S. 375.

48

Verantwortung dem Vorstand ein weitreichendes unternehmerisches Ermessen bei der Erfüllung seiner Leitungsaufgabe ein, gleichwohl ist eine rechtskonforme Ermessensausübung immer an die sachgerechte Wahrnehmung der für die Vorstandstätigkeit maßgeblichen Interessen geknüpft. 1* Zu untersuchen ist nun, inwieweit die Maximierung des Shareholder Value als primäres Unternehmensziel und die Leitungsverantwortung des Vorstandes in einem konfliktären Verhältnis zueinander stehen.

1.

Erster Problembereich: Individualistische Perspektive des Shareholder-Value-Ansatzes

Unumstritten ist die Bindung des Vorstandes als Organ des Anteilseignerverbandes an das Aktionärsinteresse. Die ökonomische Analyse hat jedoch gezeigt, daß auf real existierenden Märkten die Kongruenz der Individualinteressen der Aktionäre nicht vorausgesetzt werden kann.2* Ausgehend von diesem Faktum wird argumentiert, daß der Gesetzgeber, um weitreichenden Handlungsspielräumen des Vorstandes bei der Vornahme eines Ausgleichs der verschiedenartigen Interessen entgegenzuwirken, den Vorstand auf die Verfolgung eines Verbandszwecks verpflichte, der nicht dem gemeinsamen Nenner der individuellen Anteilseignerinteressen entspricht, 3* sondern einen von den tatsächlichen Einzelinteressen losgelösten Zweck darstellt. 4* Dieses verselbständigte, überindividuell aggregierte Anteilseignerinteresse als Leitungsmaxime für die Vorstandstätigkeit könnte einer Shareholder-Value-orientierten und folgerichtig am Individualinteresse eines optimal diversifizierten Anlegers ausgerichteten Unternehmensführung entgegenstehen.5* Die unternehmenspolitische Strategie der Marktwertmaximierung wäre nur in den Fällen mit geltendem Aktienrecht vereinbar, in denen der zu verfolgende entindividualisierte Verbandszweck eine Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens aufgrund der Notwendigkeit einer wettbewerbsfähigen Stellung am Eigenkapitalmarkt erfordert. 6* Die Maximierung des Shareholder Value wird im Rahmen dieser Argumentation somit ausschließlich als Mittel zum Zweck, jedoch nicht als Unternehmensziel an sich anerkannt. υ 2) 3) 4)

6)

Vgl. Hüffer, Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 76 Rdn. 12, Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 14. Siehe Teil 1, B.II.l. Vgl. auch Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rdn. 22. So jedoch ζ. B. Zöllner, Kölner Kommentar zum AktG, Einl. Rdn. 107, Hefermehl, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rdn. 19. Vgl. Mülbert (1995), S. 139 f. Vgl. Mülbert (1997), S. 131, 156 ff. Hinsichtlich des individualinteressenbezogenen Blickwinkels des Shareholder-Value-Ansatzes siehe Teil 1, B.I.3. Vgl. Mülbert (1997), S. 161 ff.

49

Für die normtypische Aktiengesellschaft mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung wird der gegenüber den konkreten Interessen der einzelnen Anteilseigner verselbständigte Verbandszweck als langfristige Gewinnmaximierung zugunsten der gegenwärtigen Aktionäre konkretisiert. 1* Die Abgrenzung dieses Gewinnziels von der Shareholder-Value-Maxime erfolgt dahingehend, daß zwar analog dem Shareholder-Value-Ansatz eine Maximierung des Barwerts der Einzahlungsüberschüsse (Cash-flows ) angestrebt wird, 2* jedoch im Diskontierungsfaktor neben dem systematischen Risiko auch das unsystematische Risiko Berücksichtigung findet. 3* Die Bewertung des Unternehmens bzw. der zur Verfügung stehenden Investitionsalternativen soll gewissermaßen „unabhängig vom Marktkontext" 4 * d. h. unter Vernachlässigung der am Kapitalmarkt vorhandenen Portfoliodiversifikationsmöglichkeiten - vorgenommen werden. Fraglich ist, ob eine Zielbestimmung für das Vorstandshandeln, die im Grunde den von den Anteilseignern gemeinsam verfolgten Zweck unabhängig von der realen Aktionärsstruktur mit dem Individualinteresse eines nicht diversifizierten Anlegers gleichsetzt,5* einer sinnvollen Interessenabwägung und damit einer sachgerechten Konkretisierung des geltenden Aktienrechts entspricht, denn »Aktienrecht läßt sich wie alles Recht als Versuch verstehen, unter kollidierenden Interessen einen brauchbaren Ausgleich zu schaffen oder zu ermöglichen" 6*. Vor dem Hintergrund, daß für die Anteilseigner einer normtypischen Aktiengesellschaft nicht der gemeinsame Betrieb eines Unternehmens,7* sondern die gemeinsame Vermögensanlage in einem Unternehmen" 8*, die nicht losgelöst vom Marktkontext gesehen werden kann, das bindende Element ist, erscheint es meines Erachtens willkürlich, das Interesse eines nicht diversifizierten Investors zur ausschließlichen Leitmaxime für das Vorstandshandeln zu erheben. Der Feststellung der Existenz einer aktienrechtlichen Verpflichtung des Vorstandes auf einen von den Individualinteressen der Anteilseigner vollständig entkoppelten Verbandszweck ist deshalb nicht zu folgen.

υ 2) 3) 4) 5)

6) 7) 8)

Vgl. im folgenden Mülbert (1997), S. 141,157 f. Vgl. Teil l.B.1.2. Zur Unterscheidung zwischen systematischem und unsystematischem Risiko vgl. Teil 1, B.I.3. Mülbert (1997), S. 171. Zur Identität von entindividualisiertem Verbandszweck und dem Einzelinteresse eines nicht diversifizierten Anteilseigner vgl. die von Mülbert (1997), S. 159 f. angeführten Konfliktfelder zwischen Marktwert- und Gewinnmaximierung, aber auch Mülbert (1997), S. 158, Fn. 105. Zöllner, Kölner Kommentar zum AktG, Einl. Rdn. 104. So aber Rittner (1980), S. 337. Wiedemann (1980), S. 155 (Hervorhebung vom Verfasser), Vgl. auch Mülbert (1995), S. 158 ff.

50 Letztlich stellt sich nicht die Frage, ob „methodologischer Individualismus"1* des Shareholder-Value-Ansatzes und überindividuell aggregiertes Anteilseignerinteresse in einem unauflöslichen Widerspruch zueinander stehen. Zu prüfen ist vielmehr, inwieweit eine am Shareholder Value orientierte Unternehmensführung trotz der ihr immanenten Negierung der real existierenden Interessenheterogenität der Aktionäre mit einer sachgerechten Wahrnehmung der verschiedenen Anteilseignerinteressen durch den Vorstand vereinbar ist. Für die Begründung der Zulässigkeit des Unternehmensziels der Marktwertmaximierung lassen sich folgende zwei Argumente anführen: Zum einen kann die Sicherung der Versorgung mit Eigenkapital zu günstigen Konditionen bei zukünftigen Kapitalerhöhungen als gemeinsames Interesse aller Anteilseigner betrachtet werden - eine wettbewerbsfähige Stellung am Markt für Risikokapital setzt jedoch aufgrund der ausgeprägten Konzentration der Anlageentscheidungen in den Händen einiger weniger, weitgehend optimal diversifizierter institutioneller Akteure eine am Shareholder-Value-Ansatz ausgerichtete Unternehmenspolitik voraus.2* Zum anderen hat die ökonomische Analyse des Shareholder-ValueAnsatzes auch gezeigt, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine der Marktwertmaximierung in ihrer theoretischen Fundierung überlegene operationale Unternehmenszielkonzeption zur Verfügung steht.3* Folgerichtig ergibt sich aus der dem Shareholder-Value-Ansatz inhärenten Orientierung am Individualinteresse eines optimal diversifizierten Anlegers nach meiner Ansicht nicht dessen Unvereinbarkeit mit geltendem Aktienrecht.

2.

Zweiter Problembereich: Monovariable Zielfunktion des Shareholder-Value-Ansatzes versus Unternehmensinteresse

In die Prüfung der aktienrechtlichen Kompatibilität des Shareholder-ValueAnsatzes ist außerdem das Faktum einzubeziehen, daß nach herrschender Meinung der Vorstand bei der Erfüllung seiner Leitungsfunktion nicht einer ausschließlichen Bindung an das Aktionärsinteresse unterliegt, sondern gleichfalls berechtigt, aber auch verpflichtet ist, der interessenpluralistischen Struktur des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens Rechnung zu tragen und folgerichtig die Interessen der Arbeitnehmer bzw. der Allgemeinheit in seinen

1) 2) 3)

Mülbert (1997), S. 172. Zur Bedeutung institutioneller Anleger vgl. von Werder (1998), S. 80 f. Siehe Teil 1, B.II. 1.

51 Leitungsentscheidungen sachgerecht zu berücksichtigen. 1* Diese Auffassung der Ausstrahlung unternehmensrechtlich fundierter Zielkonzeptionen auf die gesellschaftsrechtlich vorgegebene Verhaltensmaxime für den Vorstand basiert vor allem auf der in Art. 14 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich statuierten Sozialpflichtigkeit des Eigentums,2* teilweise wird auch eine implizite Fortgeltung der sogenannten „Gemeinwohlklausel" des § 70 Abs. 1 AktG von 1937 trotz deren NichtÜbernahme in den Wortlaut des geltenden Aktienrechts unterstellt. 3* Das Bestehen einer Verpflichtung des Vorstandes zur angemessenen Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen wird für mitbestimmte Aktiengesellschaften daneben gestützt durch die mit dem MitbestG 1976 vollzogene Institutionalisierung der „quasi-paritätischen" Repräsentation von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat. 4) Nachfolgend ist zu untersuchen, inwieweit sich die monovariable Ausgestaltung der Unternehmenszielfunktion im Rahmen des Shareholder-Value-Konzepts mit einem interessenpluralistischen Verständnis der Leitungsverantwortung des Vorstandes als vereinbar erweist. Dazu muß der Frage der sachgerechten Gewichtung der verschiedenen Stakeholder-Interessen nachgegangen werden. Eine Antwort hierauf läßt sich jedoch nur aus dem Kontext der rechtlich verfaßten Wirtschaftsund Sozialordnung ableiten, denn „die innere Ordnung der Wirtschaftsunternehmen ... [muß] nach den gleichen Ordnungsprinzipien ausgerichtet werden wie die sie umgebende Gesamtwirtschaftsordnung, wenn Widersprüche ... vermieden werden sollen"5*. Wenngleich nicht von einer verfassungsrechtlichen Verankerung einer spezifischen Ausgestaltung des Wirtschaftssystems auszugehen ist,6* so beinhaltet das Grundgesetz dennoch die Entscheidung für eine grundsätzlich freiheitlich-dezentrale privatautonome Wirtschaftsund Sozialordnung. 7* Das essentielle Regulativ einer an der Privatautonomie orientierten Wirtschaftsordnung besteht in funktionsfähigen Risikokapital1}

2)

3)

4) 5) 6) 7)

Vgl. ζ. B. Hüffer, Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 76 Rdn. 12, Hefermehl, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rdn. 21, Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 14, 16, Kübler (1994), S. 232, Raiser (1992), S. 89 f., Schilling (1997), S. 377. Gegenteiliger Ansicht: Mülbert (1997), S. 155 f. Vgl. ζ. B. Raiser (1992), S. 90, Wiedemann (1980), S. 339, Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 32, Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rdn. 21. Anderer Auffassung: Mülbert (1997), S. 150. Vgl. ζ. B. Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 1, 16, Kübler (1994), S. 231. Kritisch hingegen : Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rdn. 20, Mülbert (1997), S. 148 f. Vgl. Schneider (1996), S. 1771 f., Kübler (1994), S. 232, Hopt (1993), S. 536, 540, Semler (1995b), S. 293 ff. Vollmer (1977), S. 820. Vgl. BVerfGE 4, S. 17 f., BVerfGE 50, S. 336 f. Vgl. Vollmer (1977), S. 820.

52

märkten. Folgerichtig sind auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene die Interessen der Aktionäre in den Mittelpunkt des Vorstandshandelns zu rücken. Durch die ökonomische Analyse des Shareholder-Value-Ansatzes wurde gleichfalls aufgezeigt, daß unter der Bedingung des Wettbewerbs - dem zweiten bedeutsamen Ordnungsprinzip eines privatautonom dezentral organisierten Wirtschaftssystems - bei langfristiger Betrachtung nicht von einem konfliktären Verhältnis der Interessen von Anteilseignern, Arbeitnehmern und der Allgemeinheit, sondern vielmehr von einer „praktischen Konkordanz" 1* dieser auszugehen ist. 2) Verbindendes Element der im Unternehmen zusammentreffenden Interessensphären ist das Unternehmensinteresse, verstanden als das gemeinsame Interesse aller Beteiligten am Bestand und dauerhaftem Erfolg des Unternehmens.3* Das Unternehmensinteresse stellt die oberste Richtschnur für das Vorstandshandeln dar,4* denn es verknüpft die primäre Ausrichtung der Leitungsentscheidungen an den Zielen der Aktionäre mit einer der Gesamtwirtschaftsordnung angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Arbeitnehmern und Allgemeinheit. Eine Shareholder-Value-orientierte Unternehmensführung, welche die Sicherstellung der wirtschaftlichen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit bezweckt, ist somit grundsätzlich mit einer sachgerechten Ermessensausübung des Vorstandes vereinbar bzw. kann für diese geradezu erforderlich sein. Zwar mögen im konkreten Einzelfall aus der Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens resultierende Maßnahmen kurzfristig gesehen konfliktär zu den Interessen der anderen Anspruchsgruppen verlaufen, jedoch ist hier darauf zu verweisen, daß insbesondere die Belange von Arbeitnehmern bereits durch vielfältige gesetzliche Schutzvorschriften abgesichert werden.5* Hingegen findet die aktienrechtliche Kompatibilität des Shareholder-Value-Ansatzes dort ihre Grenzen, wo sich die Gefahr einer myopischen Unternehmenssteuerung zu realisieren droht, der langfristige Unternehmenserfolg durch Vernachlässigung von Investitionen in qualitative Erfolgsfaktoren wie beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit in Frage gestellt wird. 6* Die rechtliche Zulässigkeit des Shareholder-Value-Ansatzes folgt letztlich seiner ökonomischen Sinnhaftigkeit.

υ 2) 3)

4) 6)

Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 19. Siehe Teil 1,B.II.2. Vgl. Schilling (1997), S. 377, 379, Hüffer, Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 76 Rdn. 13, 15, Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 23. Es ist jedoch zu betonen, daß der Begriff des Unternehmensinteresses in der Literatur keineswegs einheitlich verwendet wird. Vgl. dazu Zöllner, Kölner Kommentar zum AktG, Einl. Rdn. 129 ff. Vgl. Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 23, Raiser (1992), S. 89. Vgl. Schilling (1997), S. 381. Siehe Teil 1,B.II.3.

53

3.

Fazit

In der rechtlichen Analyse wurde deutlich, daß grundsätzlich von der Vereinbarkeit des Shareholder-Value-Ansatzes mit geltendem Aktienrecht ausgegangen werden kann. Weder die individualistische Perspektive des ShareholderValue-Ansatzes noch seine monovariable Zielfunktion stehen im allgemeinen der rechtlichen Zulässigkeit entgegen. Die Maximierung des Shareholder Value widerspricht nur dann der Leitungsverantwortung des Vorstandes, wenn die ökonomische Zweckmäßigkeit dieses Prinzips der Unternehmensführung aufgrund der Inexistenz funktionsfähiger Märkte bezweifelt werden muß.

IV. Zwischenergebnis Das mit der Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder verfolgte Ziel der Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens läßt sich als konsequente Ausrichtung der strategischen Unternehmungsführung an den vermögensrechtlichen Individualinteressen eines optimal diversifizierten Anteilseigners kennzeichnen. Unter der Prämisse der hinreichenden Markteffizienz stellt diese Orientierung meinem Erachten nach sowohl eine ökonomisch sinnvolle als auch rechtlich zulässige Leitmaxime unternehmerischen Handelns dar.

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Teil 2: Das Vergütungsinstrument der Aktienoption: Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen Ausgehend von der Erkenntnis der grundsätzlichen ökonomischen Sinnhaftigkeit und rechtlichen Zulässigkeit des mit dem Vergütungsmodell der Aktienoptionen angestrebten Ziels ist nun zu hinterfragen, inwieweit Aktienoptionen als ein aus ökonomischer Sicht geeignetes und als ein mit dem geltenden Recht harmonierendes Instrument zur Orientierung des Vorstandsverhaltens auf die Maximierung des Shareholder Value charakterisiert werden können: Der Beurteilung der Zielsetzung folgt die Beurteilung der Adäquanz des Mittels. Analog der Bewertung des Shareholder-Value-Ansatzes wird die ökonomische Analyse wiederum der rechtlichen Analyse vorangestellt.

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Α. Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder: Ökonomische Analyse Agency-Kosten im Verhältnis zwischen Vorstandsmitgliedern und Anteilseignern resultieren aus dem Zusammenspiel von eigennutzenmaximierendem Verhalten, dem Bestehen diskretionärer Handlungsspielräume und konfliktären Interessen.1* Die Möglichkeit, mit der Gewährung von Aktienoptionen diesen Kosten durch die Schaffung eines Eigeninteresses des Managements an der Maximierung des Shareholder Value entgegenzuwirken, ist aus ökonomischer Sicht nicht unumstritten. Als Kritikpunkte werden beispielsweise eine mangelnde Leistungsbezogenheit der mit Aktienoptionen erzielten Gewinne und die fehlende Verlustbeteiligung von Vorstandsmitgliedern angeführt. 2* Im folgenden soll der Frage der Anreizkompatibilität des Vergütungsinstruments der Aktienoption nachgegangen und Grundsätze für den Einsatz und die Ausgestaltung von Aktienoptionsprogrammen herausgearbeitet werden. Da jedoch die Steuerung von Handlungen des Managements mittels der Internalisierung von Kosten opportunistischen Verhaltens nicht losgelöst vom Aspekt der Risikoallokation gesehen werden kann, ist zunächst auf das Verhältnis zwischen Anreiz- und Risikoallokationsziel einzugehen.

I.

Die Vergütungsgestaltung im Spannungsfeld zwischen Verhaltenssteuerung und Risikoallokation

Verfügt der Agent über private Informationen hinsichtlich der von ihm vorgenommenen Handlungen und deren Auswirkungen, so sind seine Entscheidungen einer direkten Kontrolle durch den Prinzipal entzogen. Eine Steuerung des Managementverhaltens ist dennoch mit Hilfe einer vom Erfolg der Unternehmung abhängigen Entlohnung möglich. Da aber das der Vergütung zugrundeliegende Ergebnis nicht allein von dem erbrachten Arbeitseinsatz der Vorstandsυ 2)

Siehe Teil 1, A.II.l. Vgl. ζ. B. Bernhardt/Witt (1997), S. 90, 94 f.

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mitglieder, sondern gleichermaßen von der Realisation bestimmter, durch sie nicht beeinflußbarer Umweltzustände abhängig ist, geht in logischer Konsequenz jede Form der Erfolgsbeteiligung mit einer Verlagerung von systematischem wie auch unsystematischem Risiko auf die Vorstandsmitglieder einher.1* Unter dem Gesichtspunkt der Risikoallokation ist dies jedoch dann suboptimal, wenn die Anteilseigner überwiegend ein hinreichend diversifiziertes Portfolio halten und ihnen somit Neutralität in bezug auf das unsystematische Risiko unterstellt werden kann, Vorstandsmitglieder hingegen aufgrund der Gebundenheit ihres Humankapitals in den Projekten lediglich einer Gesellschaft als risikoavers anzusehen sind:2* Die Überwälzung unsystematischen Risikos von den Anteilseignern auf das Management führt - isoliert von Anreizwirkungen der erfolgsabhängigen Vergütung betrachtet - zu einer Reduzierung des Nutzens des Managements bei konstantem Nutzenniveau der Anteilseigner, was je nach Verhandlungsmacht der Vorstandsmitglieder höhere Vergütungsforderungen dieser bedingen kann.3* Der Aspekt einer eventuellen Kompensation des Managements für dessen verschlechterte Risikoposition ist - zumindest aus gesamtwirtschaftlicher Sicht - sekundär, da hier lediglich die Frage der Verteilung des Gesamtnutzens auf Prinzipal und Agent angesprochen ist, zentral dagegen ist die Erkenntnis, daß eine erfolgsbezogene Vergütungsgestaltung ambivalente Wirkungen auf das Gesamtnutzenniveau aufweist: Den Wohlfahrtsgewinnen infolge sinkender Agency-Kosten stehen Wohlfahrtsverluste aufgrund einer suboptimalen Risikoallokation gegenüber. Folgerichtig ist an ein effizientes Vergütungssystem die Anforderung der Gewährleistung eines optimalen Ausgleichs zwischen Anreizkompatibilitäts- und Risikoallokationsziel zu stellen.4* Fixum und erfolgsabhängige Enüohung müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen.5* Der Anteil erfolgsbezogener Vergütungsbestandteile ist nur soweit zu erhöhen, solange der aus einer verbesserten Verhaltenssteuerung resultierende Grenznutzen die durch eine verschlechterte Risikoaufteilung hervorgerufenen Grenzkosten übersteigt.

υ 2) 3)

4) 5)

Vgl. Rinker (1997), S. 46. Hinsichtlich der Abgrenzung des Begriffs des unsystematischen Riskos von dem des systematischen Risikos siehe Teil 1, B.I.3. Die unterschiedlichen Risikoeinstellungen von Vorstandsmitgliedern und Anteilseignern betreffend vgl. Teil 1, A.II.2. Auf dieses Problem im Zusammenhang mit Aktienoptionen hinweisend Menichetti (1996), S. 1689. Vgl. auch Gray/Cannella (1997), S. 520. Hinsichtlich der Verlagerung systematischen Risikos kann keine eindeutige Feststellung der Veränderung des Gesamtnutzens getroffen werden, da beide Parteien risikoavers in bezug auf das systematische Risiko eingestellt sind und folgerichtig eine Aussage über die optimale Risikoverteilung der exakten Kenntnis der Nutzenfünktion von Prinzipal und Agent bedarf. Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 217. Vgl. Baums (1997), S. 5.

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Die optimale Intensität der Erfolgsbeteiligung wird zum einen determiniert durch den Grad der Risikoaversion jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, denn mit zunehmender Risikoabneigung steigen die Kosten für den Anreizcharakter des Entlohnungssystems.1* Diese Aussage stellt nicht nur einen konkreten Gestaltungshinweis dar, in ihr spiegeln sich gleichfalls die Grenzen der Praktikabilität einer optimalen Konstruktion monetärer Anreizsysteme wider: Die Möglichkeit der Vornahme einer effizienten Gewichtung fester und variabler Vergütungsbestandteile setzt die Kenntnis der genauen Risikonutzenfunktion eines jeden Managers voraus - eine realitätsferne Annahme. Eine zweite wesentliche Bestimmungsgröße der optimalen Anreizintensität ist die Genauigkeit, mit der die Leistung der Vorstandsmitglieder erfaßt wird. 2* Je geringer die Korrelation zwischen der erbrachten Leistung und der Bemessungsgrundlage der Vergütung ist, desto höher fällt der Risikotransfer von den Anteilseignern zu den Vorstandsmitgliedern aus, aber desto weniger kommt die Motivationswirkung zum Tragen. Die Wahl einer geeigneten Bezugsgröße der erfolgsabhängigen Vergütung ist essentiell für die Effizienz eines monetären Anreizsystems - nicht nur unter dem Aspekt des Erzielens möglichst nachhaltiger Anreizeffekte bei möglichst geringer Risikoübertragung, sondern letztlich auch unter dem Gesichtspunkt der Zielidentität: Die von den Vorstandsmitgliedern angestrebte Einkommensmaximierung muß auf das Anteilseignerinteresse ausgerichtet werden.3*

II. Aktienoptionen: Ein effizientes Anreiz- und Steuerungsinstrument? Aktienoptionen knüpfen die Vorstandsvergütung an die Entwicklung des Börsenkurses an. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, den Aktienkurs als Bezugsgröße der erfolgsabhängigen Vergütung im allgemeinen und die spezifischen Anreizwirkungen und Risikoallokationseffekte des Vergütungsinstruments der Aktienoptionen im besonderen einer Beurteilung zu unterziehen. Dabei sollen insbesondere auch mögliche Vor- und Nachteile, die Aktienoptionen gegenüber

2) 3)

Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 222, Winter (1996), S. 6, Rinker (1997), S. 46 f. Vgl. Baums (1997), S. 6, Milgrom/Roberts (1992), S. 222. Vgl. Bühner (1989), S. 2181.

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anderen Formen der erfolgsbezogenen Entlohnung wie beispielsweise einer rechnungswesenorientierten Vergütungsgestaltung aufweisen, 1* angesprochen werden.

1.

Beurteilung der Geeignetheit des Aktienkurses als Bezugsgröße der Vergütung

Mit dem Mittel der erfolgsabhängigen Entlohnung kann nur dann eine Parallelisierung der Interessen von Anteilseignern und Management erzielt werden, wenn ein direkter Zusammenhang zwischen der Bemessungsgrundlage der Vergütung und dem für die Aktionäre generierten Nutzen, d. h. der Steigerung des Wertes des durch sie investierten Kapitals, besteht.2* Unter der Prämisse der Informationseffizienz des Kapitalmarktes ist durch die Bindung der Vorstandsvergütung an die Entwicklung des Aktienkurses als Spiegelbild der aggregierten Einschätzung aller Marktteilnehmer hinsichtlich des Wertes des Eigenkapitals diese Voraussetzung grundsätzlich gegeben. Werden hingegen in der Preisbildung am Aktienmarkt nicht alle verfügbaren kursrelevanten Informationen korrekt berücksichtigt und insbesondere Investitionen in qualitative Erfolgsfaktoren nicht hinreichend honoriert, so stellt der Aktienkurs aufgrund seiner Kurzsichtigkeit eine inadäquate Steuerungsgröße für das Vorstandshandeln dar, welche langfristig die Mehrung des Aktionärsvermögens gefährdet. 3* Da die für die Aktionäre erwirtschaftete Rendite sowohl den Kapitalgewinn als auch geleistete Dividendenzahlungen umfaßt, muß die oben getroffene Aussage des bei einer Anknüpfung der Vorstandsvergütung an den Aktienkurs bestehenden Parallelismus der Interessen von Management und Anteilseignern dahingehend präzisiert werden, daß das Kriterium der Zielidentität neben der Informationseffizienz des Kapitalmarktes gleichzeitig die explizite Berücksichtigung ausgeschütteter Dividenden in der Prämienfunktion verlangt. Eine isolierte Bindung der Vorstandsvergütung an den Börsenkurs würde ein Management, das hohe Dividendenzahlungen vornimmt, systematisch benachteiligen und somit die Ausschüttungspolitik der Gesellschaft dem Einfluß persönlicher Thesaurierungsinteressen des Vorstandes aussetzen,4* wenngleich dahingestellt bleiben soll,

1} 2) 3) 4)

Hinsichtlich eines Überblicks über erfolgsabhängige Vergütungssysteme vgl. Teil 1, A.II.3. Vgl. Bühner (1989), S. 2182, Rappaport (1995), S. 179. Zur Interpretation des Aktienerwerbs als Investitionsentscheidung vgl. Teil 1, B.I.l. Vgl. Teil 1, B.II.3. Vgl. Baums (1997), S. 14,16 f., Aha (1997), S. 2228, Menichetti (1989), S. 1689.

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welche Implikationen eine restriktive Dividendenpolitik - unabhängig von den getroffenen Investitionsentscheidungen - für den Unternehmungswert aufweist. 1* Aus der unter den genannten Vorausetzungen bestehenden unmittelbaren Beziehung zwischen Shareholder Value und Aktienkurs begründet sich die Überlegenheit dieser Bezugsgröße gegenüber traditionellen, auf Daten des externen Rechnungswesens basierenden Bemessungsgrundlagen der erfolgsabhängigen Vergütung. Die am weitesten verbreitete und in § 86 Abs. 1 AktG ausdrücklich vorgesehene Form der variablen Gehaltsvereinbarung sind gewinnabhängige Tantiemen. Eine Anknüpfung der Vorstandsvergütung an den Jahresgewinn kann aus mehreren Gründen zu einem diskrepanten Verhältnis von Aktionärsinteresse und Einkommensmaximierung des Managements führen: Die der Berechnung des Jahresüberschusses zugrundeliegenden Aufwendungen und Erträge sind periodisierte Größen, welche nicht den tatsächlichen Verlauf der Zahlungsströme widerspiegeln.2* Zum zweiten findet in Gewinnkennzahlen das mit der Investition in eine Unternehmung verbundene Risiko keine Berücksichtigung. 3* Außerdem können alleinig vom Periodengewinn abhängige Tantiemen aufgrund der fehlenden Zukunftsorientierung ihrer Bezugsgröße insbesondere bei Vorstandsmitgliedern, die in absehbarer Zeit aus ihrem Amt ausscheiden, eine substantielle Fehlsteuerung infolge der Förderung kurzsichtiger unternehmerischer Verhaltensweisen bewirken. 4* Im Gegensatz dazu impliziert die Anknüpfung der Vorstandsvergütung an den Aktienkurs eine Bindung der Entlohnung an sämtliche für die Zukunft erwartete Erträge der Gesellschaft und entkoppelt somit den Zeithorizont der Vergütung von der verbleibenden Amtszeit des Managers. Die Anreizkompatibilität eines Vergütungssystems, das auf Jahresabschlußdaten basiert, ist letztlich auch angesichts deren Gestaltbarkeit durch bilanzpolitische Maßnahmen in Frage zu stellen.5* Die Vorteilhaftigkeit des Aktienkurses als Bezugsgröße der erfolgsabhängigen Entlohung hinsichtlich dieses Aspektes muß jedoch relativiert werden, da hier ebenso die Möglichkeit manipulativer Einflußnahme der Vorstandsmitglieder auf ihre Vergütung prinzipiell nicht ausgeschlossen ist. Dafür wäre es notwendig, von der Gültigkeit der Hypothese der Informationseffizienz des Kapitalmarktes in ihrer strengsten Form auszugehen: Im Aktienkurs müßten sich nicht nur - wie bisher unterstellt - alle verfügbaren bewertungsrelevanten }

2) 3) 5)

Hier ist ζ. B. die Frage angesprochen, obfreie Mittel zum Rückkauf eigener Aktien oder zur Dividendenzahlungen verwendet werden sollen, bzw. inwieweit eine Schütt-aus-hol-zurückStrategie als vorteilhaft anzusehen ist. Vgl. zu dieser Problematik z. B. Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 481 ff. Vgl. Eberhardt (1998), S. 101. Vgl. Bühner (1989), S. 2182. Vgl. Gray/Cannella (1997), S. 524 f., Baums (1997), S. 19 f., Köhler (1997), S. 259. Vgl. Bühner (1989), S. 2182, Baums (1997), S. 11, Lutter (1997), S. 3.

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Informationen, sondern zusätzlich auch alle für den Preisbildungsprozeß maßgeblichen Insiderinformationen korrekt widerspiegeln.1* Diese Annahme erscheint aber mit Blick auf die Kapitalmarktrealität sichtlich zu weitgehend. Folgerichtig setzt die Wirksamkeit der mit der Anknüpfung der Vorstandsvergütung an den Aktienkurs angestrebten Managementkontrolle durch den Kapitalmarkt begleitende Regelungen voraus, welche kontraproduktiven Verhaltensweisen der Vorstandsmitglieder in Form der Verbreitung ungerechtfertigt positiver Prognosen bzw. der Zurückhaltung negativer Nachrichten entgegenwirken. 2* Für die Beurteilung der Geeignetheit des Aktienkurses als Bezugsgröße der variablen Entlohnung ist jedoch nicht nur auf die Zielidentität, sondern gleichfalls auf die Genauigkeit abzustellen, mit der dieser Performance-Maßstab die Leistung der Vorstandsmitglieder erfaßt, denn - wie bei der Darstellung des Spannungsverhältnisses von Anreiz- und Risikoallokationsziel deutlich wurde determiniert der Grad der Abhängigkeit der Vergütungsbemessungsgrundlage von exogenen, dem Einfluß der Vorstandsmitglieder entzogenen Faktoren entscheidend die Effizienz eines monetären Anreizsystems. Dazu ist zunächst anzumerken, daß der Aktienkurs für die Vorstandsvergütung insoweit eine adäquate Bezugsgröße darstellt, als er der Gesamtverantwortung des Vorstandes entsprechend die aggregierte Leistung aller Mitarbeiter reflektiert. 3* Zentraler Kritikpunkt ist hingegen die starke Reaktionsverbundenheit des Aktienkurses mit gesamtwirtschaftlichen, branchenspezifischen sowie unternehmensspezifischen Parametern, die außerhalb des Einflußbereiches der Vorstandsmitglieder liegen.4* Kurssteigerungen können beispielsweise unabhängig von der Geschäftspolitik des Vorstandes durch eine günstige Kapitalmarktzins- bzw. Wechselkursentwicklung ausgelöst werden und folgerichtig eine ungerechtfertigt hohe Vergütung der Vorstandsmitglieder bedingen. Diesen sogenannten Windfall Profits stehen andererseits gleichermaßen potentielle Windfall Losses gegenüber.5* Die Problematik eines eingeschränkten Kausalzusammenhangs zwischen Aktienkurs und Managementleistung verschärft sich meines Erachtens mit der steigenden Volatilität der Preise auf Kapital- und Devisenmärkten aufgrund der zunehmenden internationalen Vernetzung dieser Märkte. Aus dem hohen Grad der Abhängigkeit des Aktienkurses von exogenen Einflußgrößen folgt, daß einer Anknüpfung der Vorstandsvergütung an die absolute Kursentwicklung die Bindung } 2) 3) 4) 5)

Vgl. zu den unterschiedlichen Stufen der Informationseffizienz den grundlegenden Artikel von Fama (1970), aber auch ζ. B. Ohr (1987), S. 206, Ross/Westerfield/Jaffe (1996), S. 337 ff. Siehe dazu Teil 2, A.II.3.a), c) und Teil 2, A.III.2. Vgl. Baums (1997), S. 12, Rappaport (1995), S. 187. Vgl. z. B. Bernhardt/Witt (1997), S. 94 f., Peltzer (1996), S. 313, Rappaport (1995), S. 184. Vgl. Köhler (1997), S. 258.

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der variablen Gehaltskomponente an die Kursperformance in Relation zu einem Referenzindex überlegen ist.1* Als Vergleichsmaßstab kann entweder ein allgemeiner Marktindex oder eiii spezifischer Branchenindex herangezogen werden. Durch die Verwendung eines Gesamtmarktindexes wird die Bemessungsgrundlage der Vergütung von den Auswirkungen makroökonomischer kursrelevanter Faktoren - d. h. überwiegend vom systematischen Risiko - bereinigt, während relative Performance-Pläne, welche auf einen Branchenindex Bezug nehmen, zusätzlich Windfall Profits bzw. Windfall Losses eliminieren, die aus exogenen branchenspezifischen Kursdeterminanten resultieren. Eine Independenz der Vorstandsvergütung von managementunabhängigen unternehmensspezifischen Einflüssen kann mit einer Indexierung jedoch nicht erreicht werden.2* Hier liegen die Grenzen der Genauigkeit einer auf dem Aktienkurs basierenden Leistungsbeurteilung. Abschließend ist hinsichtlich der Frage nach der Vorteilhaftigkeit der Orientierung an einem Branchenindex gegenüber einem gesamtmarktbezogenen Benchmarking anzumerken, daß durch erstere einerseits zwar auch Einflüsse, die dem unsystematischen Risiko zuzurechnen sind, beseitigt werden können, andererseits hingegen die Gefahr einer Fehlsteuerung des Managementverhaltens besteht: Es könnten für die strategische Entscheidungsfindung des Vorstandes Anreize gesetzt werden, in unattraktiven Geschäftsfeldern zu verharren. 3* Außerdem ist es für diversifizierte bzw. auf neuen Märkten operierende Unternehmungen oft nicht möglich, eine adäquate spezifische Bezugsgruppe von Wettbewerbern zu finden. 4* Wenngleich die Notwendigkeit der Indexierung offensichtlich ist, so muß die Wahl des Vergleichsmaßstabs letztlich vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß unter der Voraussetzung einer sachgerechten Ausgestaltung des Vergütungssystems und der Prämisse eines hinreichend informationseffizienten Kapitalmarktes, dessen Preise zumindest alle öffentlich verfügbaren Informationen korrekt widerspiegeln, der Aktienkurs für börsennotierte Gesellschaften eine geeignete Bezugsgröße der erfolgsbezogenen Entlohnung von Vorstandsmitgliedern darstellt, welche gewinnabhängigen Bemessungsgrundlagen überlegen ist.

υ 2) 3) 4)

Vgl. Bundesministerium der Justiz (1996), S. 2138, Baums (1997), S. 11, 13, 19, Schwarz/ Michel (1998), S. 49, Menichetti (1996), S. 1690 f. Kritisch: Aha (1997), S. 2227. Vgl. Kohler (1997), S. 260, Baums (1997), S. 13. Vgl. Rappaport (1995), S. 188, Baums (1997), S. 13. Vgl. Aha (1997), S. 2227, Rappaport (1995), S. 188, Weiß (1999), S. 358.

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2.

Die spezifischen Anreizwirkungen von Aktienoptionen unter besonderer Berücksichtigung der asymmetrischen Gewinn- und Verlustbeteiligung

Aufbauend auf der Erkenntnis der im Grundsatz bestehenden Adäquanz eines an die Aktienkursentwicklung anknüpfenden Vergütungssystems ist nun zu prüfen, inwieweit die besondere Art und Weise, in der Aktienoptionen die Vorstandsvergütung an den Aktienkurs binden, als anreizkompatibel gekennzeichnet werden kann. Aktienoptionen stellen ein sehr flexibel ausgestaltbares Vergütungsinstrument dar, von welchem auf mehreren Ebenen Anreizimpulse für das Vorstandshandeln ausgehen können: Zum einen ist offensichtlich, daß aufgrund der positiven Korrelation zwischen dem Wert einer Kaufoption und dem Kurs der dem Optionsvertrag zugrundeliegenden Aktie den Vorstandsmitgliedern ein Interesse an einer möglichst hohen Aktienkurssteigerung vermittelt wird. Insbesondere besteht für das Management der Anreiz, ein Aktienkursniveau zu erreichen, welches den Basispreis übersteigt, denn nur dann ist die Ausübung der Option ökonomisch sinnvoll.1* Verhaltenssteuernde Wirkungen können zum zweiten dadurch ausgelöst werden, daß das Ausübungsrecht für die Option an die Bedingung der Realisation einer bestimmten Zielgröße während der Haltefrist der Option geknüpft wird. 2* Dieses sogenannte Jarget" muß nicht notwendigerweise einen Bezug zur erzielten Aktienrendite aufweisen, 3* wenngleich eine derartige Anbindung aus Gründen der Identität von Management- und Aktionärsinteresse und der Konsistenz des Vergütungssystems anzustreben ist. Eine eigenständige Bedeutung kommt dem target - sofern definiert als geforderte Mindestrate der Kurssteigerung - jedoch nur dann zu, wenn es über dem festgelegten Basispreis liegt. Da das Kriterium der Anreizkompatibilität verlangt, daß das Management nicht bei jeder Kurssteigerung, sondern ausschließlich bei der Schaffung von Shareholder Value Vermögensvorteile aus den gewährten Aktienoptionen ziehen soll, sind Basispreis bzw. ein von ihm abweichendes target zentrale Gestaltungsparameter eines Aktienoptionsprogramms, deren Bestimmung maßgeblich über die Effizienz des Vergütungssystems entscheidet.4* Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung richten nicht per se das Vorstandshandeln an der Maximierung

υ 2) 3) 4)

Vgl. Teil Ι,Α.Ι. Vgl. Baums (1997), S. 7. Möglich wäre ζ. B. auch die Vorgabe einer bestimmten Umsatzsteigerung. Vgl. Baums (1997), S.7. Vgl. dazu im einzelnen Teil 2, A.II.3.a).

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des Shareholder Value aus, notwendige Voraussetzung dafür ist die adäquate Gestaltung der Optionsbedingungen. Eine dritte Ebene von Anreizwirkungen des Vergütungsinstruments der Aktienoption läßt sich aufgrund dessen Charakteristikums der asymmetrischen Gewinnund Verlustbeteiligung identifizieren. In der Kontroverse um die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder wird als Kritikpunkt häufig hervorgebracht, daß diese Form der variablen Entlohnung nicht zu einem Gleichlauf der Interessen von Management und Anteilseignern führe, da Vorstandsmitglieder lediglich an der Chance eines Kursgewinns, nicht aber am Risiko eines Kursverlustes beteiligt würden.1* Daraus leitet sich dann auch die Forderung ab, statt Aktienoptionen Aktienpakete als Vergütungsbestandteil für Führungskräfte vorzusehen.2* Zum einen ist hinsichtlich dieser gegen Aktienoptionen angeführten Bedenken anzumerken, daß die Gewährung von Aktienoptionen unter der Prämisse der Kürzung anderer Gehaltskomponenten sehr wohl in einer Verlustbeteiligung - wenngleich in keiner proportionalen - resultiert: Jede, auch die nicht börsengehandelte Option hat einen ökonomischen Wert, der rechnerisch ermittelt werden kann.3* Werden die bezogenen Optionen aufgrund einer unvorteilhaften Aktienkursentwicklung bis zum Ende ihrer Laufzeit nicht ausgeübt, so verfallen sie und das Management erleidet einen Verlust in Höhe des originären ökonomischen Wertes der Bezugsrechte, unabhängig davon, um wieviel der Aktienkurs hinter dem Basispreis bzw. dem target zurückbleibt. Zum anderen läßt sich feststellen, daß die den Aktienoptionen inhärente Asymmetrie von Verlustrisiko und Gewinnpotential nicht zu einer Divergenz, sondern vielmehr zu einer Konvergenz der Interessen von Management und Anteilseignern führt: Mit dem Vergütungsinstrument der Aktienoption wird Vorstandsmitgliedern der Anreiz für eine riskantere Investitionspolitik vermittelt, denn der Wert der Optionsrechte steigt mit zunehmender Volatilität des Unternehmungswertes.4* Folgerichtig können durch die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder Agency-Kosten reduziert werden, die aus der unterschiedlichen Risikoeinstellung von Management und Anteilseignern resultieren und sich in einer übervorsichtigen, für die Maximierung des Shareholder Value suboptimalen Investitionspolitik niederschlagen.5* Dieser Wirkungsmechanismus verdeutlicht

1) 2) 3) 4)

®

Vgl. z. B. Bernhardt/Witt (1997), S. 90, Bühner (1989), S. 2185. Vgl. Bernhardt/Witt (1997), S. 97. Vgl. im folgenden Baums (1997), S. 8. Vgl. Ramsay (1993), S. 359, Milgrom/Roberts (1992), S. 441, Menichetti (1996), S. 1689, Baums (1997), S. 8 f., Knoll (1998), S. 136. Empirischer Nachweis bei DeFusco/Johnson/Zorn (1990), S. 626. Siehe Teil 1, A.II.2.

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noch einmal die Notwendigkeit, Verhaltenssteuerung und Risikoallokation nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang zu betrachten. Aktienoptionen rufen nur dann Ineffizienzen aufgrund ihrer Charakteristik der asymmetrischen Gewinn- und Verlustbeteiligung hervor, wenn das Vorstandshandeln auf eine übermäßig risikofreudige, den Unternehmungswert mindernde Investitionspolitik ausgerichtet wird. 1* Die in diesem Fall bestehende Anreizinkompatibilität von Aktienoptionen hat ihre Ursache jedoch nicht in einem Auseinanderfallen von Management- und Aktionärsinteresse, sondern in der Realisation des ,s2sset-substitution"-Problçms in der Beziehung zwischen Eigenund Fremdkapitalgebern: 2* Wohlfahrtsgewinne aus der Reduzierung von AgencyKosten im Verhältnis zwischen Vorstand und Anteilseignern werden mit Wohlfahrtsverlusten aus gestiegenen Agency-Kosten im Verhältnis zwischen Aktionären und Fremdkapitalgebern erkauft. Einer suboptimal hohen Risikobereitschaft der Vorstandsmitglieder kann mit der Gewährung simultaner Kauf- und Verkaufsoptionen entgegengewirkt werden. Die Vorstandsmitglieder sind bei dieser Ausgestaltung der variablen Vergütung nicht nur Inhaber von Kaufoptionen, sondern gleichzeitig Verpflichtete von Verkaufsoptionen auf eigene Aktien der Gesellschaft und nehmen dadurch stärker am Verlustrisiko teil.3* Die Antwort auf die Frage, inwieweit die alleinige Begebung von Aktienkaufoptionen an Vorstandsmitglieder aber überhaupt in einer übermäßig riskanten Investitionspolitik resultiert bzw. welche Kombination aus Puts und Calls hinsichtlich des Risikoverhaltens der Vorstandsmitglieder den optimalen Mix darstellt, ist analog der Bestimmung des effizienten Verhältnisses von Fixum und erfolgsabhängiger Vergütung - abhängig von der individuellen Nutzenfunktion eines jeden Managers.4* Eine allgemeingültige Aussage kann nicht getroffen werden. Folgerichtig spiegeln sich hier erneut die Grenzen der Praktikabilität der optimalen Ausgestaltung monetärer Anreizsysteme wider, denn die Kenntnis der individuellen Risikonutzenfunktionen ist eine unrealistische Annahme.

0 2) 3) 4)

Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 441. Hinsichtlich der Kennzeichnung des „asset-substitution"-PT0b\eins Vgl. dazu Bühner (1989), S. 2185. Siehe Teil 2, A.I.

siehe Teil 1, A.II.2.

67

3.

Die Ausgestaltung der Optionsbedingungen: Schlüssel zur Anreizkompatibilität

Sowohl die Untersuchung der Geeignetheit des Aktienkurses als Bemessungsgrundlage der erfolgsabhängigen Vergütung im allgemeinen als auch die Frage nach der Adäquanz der spezifischen Anreizwirkungen von Aktienoptionen im besonderen hat gezeigt, daß die ökonomische Sinnhaftigkeit des Vergütungsinstruments der Aktienoption letztlich maßgeblich von der Ausgestaltung der einzelnen Optionsbedingungen bestimmt wird. Aus diesem Grund soll im folgenden auf die wesentlichsten Gestaltungsparameter eines Aktienoptionsprogramms näher eingegangen werden.

a) Die Fixierung von Basispreis und Target Ein Aktienoptionsprogramm wird nur dann dem Kriterium der Anreizkompatibilität gerecht, wenn die Erwirtschaftung der von den Aktionären erwarteten Mindestrendite eine notwendige Voraussetzung für Ausübungsgewinne des Managements ist. 0 Die Erfüllung der Aktionärserwartungen und damit die Schaffung von Shareholder Value kann entweder über die Festlegung des Basispreises oder über die Bestimmung eines auf den Aktienkurs bezogenen, vom Basispreis abweichenden targets sichergestellt werden. Zunächst ist darzustellen, wie der Parameter des Basispreises gestaltet sein muß, um über ihn die Generierung von Nutzen für die Anteilseigner zu gewährleisten: In Betracht kommt ein Basispreis, der im Zeitpunkt der Optionsausgabe dem gerade geltenden Aktienkurs entspricht, jedoch nicht statisch auf diesem Niveau verbleibt, sondern periodisch (ζ. B. jährlich) um den erwarteten Mindesterfolg angehoben wird. 2) Die Erhöhung des Basispreises sollte an die von einer adäquaten Vergleichsgruppe erzielte Kursperformance gekoppelt sein, da durch diese Indexierung die von den Aktionären erwartete Mindestrendite abgeschätzt und eine aus der Reaktionsverbundenheit des Aktienkurses mit managementunabhängigen externen Faktoren resultierende ungerechtfertigte Vergütung bzw. Bestrafung der Vorstandsmitglieder eingeschränkt werden kann. 3) Um die Schaffung von Shareholder Value über den Basispreis abzusichern, kann dieser alternativ auch als Differenz zwischen dem Börsenkurs am Tag der Optionsausübung und einem sogenannten Performanceabschlag festgesetzt werden. Der Performanceabschlag spiegelt die relativ bessere Aktienkursentwicklung der Gesellschaft gegenüber

1} 2) 3)

Vgl. ζ. B. Menichetti (1996), S. 1690. Vgl. zu dieser Konstruktion Menichetti (1996), S. 1690. Siehe Teil 2, A.II. 1.

68 einem Referenzindex wider. 1* Eine Gestaltungskonzeption dieser Art liegt beispielsweise dem Aktienoptionsprogramm der Henkel KGaA zugrunde:2* Dem Vorstand - und ca. 180 weiteren Führungskräften - wird das Recht gewährt, Henkel-Aktien zum Börsenkurs im Ausübungszeitpunkt der Option abzüglich eines Abschlags von 2 D M je Prozent relativer Performance der Henkel-Aktie im Vergleich zum D A X zu beziehen.3* Eine ähnliche Fixierung des Optionspreises weist das Aktienoptionsprogramm der Dresdner Bank AG auf: Im Rahmen dieses Modells orientiert sich der Performanceabschlag an der in Prozentpunkten gemessenen Differenz zwischen der Rendite der Dresdner-Bank-Aktie und der des europäischen Bankenindexes Banken-Stoxx.4* Bei einer ,3esserentwicklung" der Dresdner-Bank-Aktie von weniger als 5 Prozentpunkten entspricht der Performanceabschlag der Renditendifferenz, während er bei einer relativen Performance von mehr als 5 Prozentpunkten das Zweifache des Unterschiedes in der Wertentwicklung beträgt.5* Auch im auf der Hauptversammlung 1998 beschlossenen Aktienoptionsprogramm der Deutschen Bank AG wird versucht, die Anreizkompatibilität über die Anknüpfung des Basispreises an einen Performanceabschlag sicherzustellen. Dem Modell der Deutschen Bank AG sind jedoch Konstruktionsfehler dahingehend immanent, als zum einen auf eine Indexierung verzichtet und zum anderen die Berechnung des Performanceabschlags auf eine vom Jahresbilanzgewinn abgeleitete Bezugsgröße gestützt wird: Der Basispreis entspricht dem Börsenkurs am Tag der Optionsausübung dividiert durch die um eins erhöhte Wachstumsrate des Gewinns pro Aktie6* - eine komplizierte und dem Kriterium der Zielidentität widersprechende Fixierung des Ausübungspreises.7* Die zweite grundlegende Gestaltungsvariante eines Aktienoptionsprogramms besteht darin, einen statischen, zum Beispiel dem Aktienkurs im Zeitpunkt der Optionsausgabe identischen Basispreis festzusetzen und Ausübungsgewinne der Vorstandsmitglieder über ein target von der Realisation des erwarteten Mindesterfolgs abhängig zu machen. Das Erreichen des targets stellt eine aufschiebende Bedingung dar (vgl. § 158 Abs. 1 BGB), unter der die Einräumung des Bezugsrechts vorgenommen wird. Unter der Vorausetzung einer adäquaten 1} 2) 3) 4)

6) 7)

Vgl. Claussen (1997), S. 1827. Hinsichtlich eines Überblicks über aktuelle Optionsprogramme deutscher Unternehmungen vgl. Pellens/Crasselt/Rockholtz (1998), S. 21 ff. Der maximale Abschlag wurde auf 30 DM je Option bzw. auf 15.000 DM je 100.000 DM Festgehalt begrenzt. Vgl. Balzer/Sommer (1998), S. 218, ausführlich zur Konzeption des „Long Term Incentive Plan" der Dresdner Bank AG Clotten (1998), S. 108 ff. Vgl. Balzer/Sommer (1998), S. 218. Vgl. Balzer/Sommer (1998), S. 218, Dunsch (1998), S. B5. Vgl. Teil 2, A.II. 1.

69

Bestimmung des targets , d. h. einer Orientierung an der im Referenzzeitraum von einer Vergleichsgruppe erzielten Rendite, sind auch Aktienoptionsprogramme dieses Typs grundsätzlich mit dem Kriterium der Anreizkompatibilität vereinbar. In der Praxis anzutreffende Programme, in welchen die Ausrichtung des Vorstandshandelns an der Schaffung von Shareholder Value über die Festlegung einer Ausübungsbedingung gewährleistet werden soll, weisen jedoch oft erhebliche Defizite auf. Ein Beispiel dafür ist das Aktienoptionsprogramm der Daimler Benz AG: In diesem Vergütungsmodell entspricht der Basispreis dem Börsenkurs der Daimler-Benz-Aktie am Tag nach der im Emissionsjahr der Option stattfindenden Hauptversammlung. 0 Als target wurde eine Aktienkurssteigerung von 15 Prozent gegenüber dem Basispreis vorgesehen. Diese Ziel vorgäbe, die sich ausschließlich auf den Kurs der eigenen Aktie der Gesellschaft bezieht, ist zum einen infolge der fehlenden Indexanbindung und der damit ausbleibenden Bereinigung der Vergütung von Windfall Profits bzw. Windfall Losses kritisch zu beurteilen. Zum anderen ist die Vorgabe einer absoluten Mindestkurssteigerung von 15 Prozent aufgrund ihrer Entkopplung vom zeitlichen Rahmen der Realisierung der Kurssteigerung - insbesondere angesichts einer zehnjährigen Laufzeit der Option 2) - in Frage zu stellend Wenn die Daimler-Benz-Aktie während der Laufzeit der Bezugsrechte lediglich die Rendite von Bundesanleihen erreicht und folgerichtig die Performance deutlich hinter den Aktionärserwartungen zurückbleibt, 4) können die Begünstigten dennoch zusammen einen Vermögens vorteil von 1,4 Milliarden D M aus den Optionen ziehen.5) Analoge Konstruktionsfehler zeigen sich im Aktienoptionsprogramm der Volkswagen AG:6) Hier wurde als target eine Kurssteigerung von 10 Prozent bei einer fünfjährigen Laufzeit der Bezugsrechte festgesetzt. Abschließend ist zur sachgerechten Fixierung von Basispreis und target anzumerken, daß die Ermittlung der Wertentwicklung der Aktie einer Gesellschaft relativ zu einem Index anhand längerfristiger Durchschnittskurse Vorteile

υ 2) 3) 4)

** 6)

Vgl. ζ. B. Kohler (1997), S. 252. Vgl. Kohler (1997), S. 252. Diese Problematik insoweit verkennend Lutter (1997), S. 6, OLG Stuttgart (1998), S. 1489, LG Frankfurt/M. (1997), S. 1033. Die Renditeerwartung für ein Wertpapier entspricht dem Zinssatz einerrisikolosenAnlageform zuzüglich einer Risikoprämie! Siehe Teil 1, B.I.3. Vgl. Wenger, Ekkehard: Gegenantrag zur Hauptversammlung der Daimler Benz AG 1998, Balzer/Sommer (1998), S. 218. Vgl. ο. V. (1998), S. 14, Balzer/Sommer (1998), S. 219.

70 gegenüber einem stichtagsbezogenen Vergleich beider Renditen aufweist. 1* Duch erstgenannte Ausgestaltung können Einflüsse kurzfristiger erratischer Schwankungen des Aktienkurses der Gesellschaft bzw. des Indexes auf die Vergütung weitgehend eliminiert werden. Insbesondere wird dadurch aber auch manipulativen Verhaltensweisen des Vorstandes entgegengewirkt, denn Vorstandsmitglieder mögen zwar infolge ihres Insiderwissens den Aktienkurs in einem spezifischen Zeitpunkt beeinflussen können,2* längerfristig betrachtet besteht für das Management aufgrund des temporären Charakters ihres Wissensvorsprungs diese Möglichkeit jedoch nicht.

b) Unübertragbarkeit der Optionen Das mit der Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder verfolgte Ziel ist die Orientierung des Vorstandshandels an der Maximierung des Shareholder Value. Würde Vorstandsmitgliedern die Möglichkeit der Veräußerung der bezogenen Optionen eröffnet sein, so könnten diese sich dem Motivationsanreiz entziehen - das Vergütungsinstrument der Aktienoption wäre seiner verhaltenssteuernden Wirkung beraubt.3* Folgerichtig ist die Unübertragbarkeit der gewährten Aktienoptionen conditio sine qua non für deren Anreizkompatibilität.

c) Optionslaufzeit, Erstausübungsfrist und Mindesthaltefrist für bezogene Aktien Die Maximierung des Shareholder Value verstanden als langfristige Wertsteigerung des Aktionärsvermögens setzt in logischer Konsequenz langfristig wirkende Anreize voraus. Daraus folgt zum einen, daß Aktienoptionen als Vergütungsbestandteil mit einer im Verhältnis zu börsennotierten Optionen relativ langen Laufzeit ausgestattet sein sollten, denn für die Umsetzung einer Shareholder-Value-orientierten Unternehmungsstrategie benötigt das Management einen gewissen zeitlichen Spielraum, wenn sich die Versuche, den Aktienkurs zu beeinflussen, nicht auf kontraproduktive Verhaltensweisen in Form der Verbreitung ungerechtfertigt positiver Nachrichten bzw. die Zurückhaltung υ

2) 3)

Vgl. Baums (1997), S. 16, 18. Dies wurde beispielsweise bei der Konstruktion des Aktienoptionsprogramms der Henkel KGaA berücksichtigt: Hier werden die Durchschnittskurse sowohl des DAX als auch der Henkel-Aktie während des zweiten Halbjahres des Kalendeijahres vor dem Jahr der Optionsausgabe bzw. die Durchschnittskurse während des zweiten Halbjahres des zweiten Kalendeijahres nach dem Emissionsjahr der Berechnung des Performanceabschlags zugrundegelegt. Siehe Teil 2, A.II. 1. Vgl. Baums (1997), S. 17, Köhler (1997), S. 252, Bundesministerium der Justiz (1996), S. 2138, Kallmeyer (1999), S. 99.

71 negativer Informationen beschränken sollen. 0 Zum anderen bedarf die Gewährleistung einer wirksamen zielidentischen Verhaltenssteuerung der Festlegung einer Wartefrist zwischen dem Optionsrechtsbezug und der erstmaligen Ausübungsmöglichkeit.2) Als sachgerecht wird im allgemeinen eine Erstausübungsfrist von 3 Jahren betrachtet, 3) wenngleich im Einzelfall, wie bei der Vergütung von Führungskräften sehr innovativ ausgerichteter Unternehmungen mit extrem kurzen Produktlebenszyklen, auch eine kürzere Wartefrist angemessen sein kann. 4) Der Gestaltungsparameter einer dreijährigen Mindestwartezeit zwischen Einräumung der Option und deren Ausübung findet sich beispielsweise im Aktienoptionsprogramm der Henkel KGaA und in dem der Schwarz Pharma AG wieder. 5) Das Modell der Daimler Benz AG hingegen sieht an sich keine Erstausübungsfrist für die gewährten Optionen vor 6) - ein weiteres Indiz für die anreizinkompatible Ausgestaltung dieses Aktienoptionsprogramms, wenngleich dem Konstruktionsfehler der Inexistenz einer Erstausübungsfrist mit einer vom Vorstand verbindlich zugesagten zweijährigen Mindestwartezeit entgegenzuwirken versucht wurde. 7) In einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit der Festlegung einer Wartezeit zwischen Optionsgewährung und -ausübung steht die Bestimmung einer zeitlich befristeten Verkaufssperre für die bezogenen Aktien. Auf den ersten Blick erscheint eine Mindesthaltefrist in bezug auf die erworbenen Aktien ökonomisch sinnvoll, da mit Hilfe dieses Gestaltungsparameters die verhaltenssteuernde Wirkung von Aktienoptionsprogrammen auf einen gewissen Zeitraum nach der Optionsausübung ausgeweitet und somit zusätzlich die Langfristigkeit der Anreizeffekte gefördert werden kann. 8) Es wird argumentiert, daß sich insbesondere eine aus dem Aufbau einer privaten Vermögensposition in Aktien der eigenen Gesellschaft resultierende Verlustbeteiligung der Vorstandsmitglieder positiv auf deren Motivation auswirken würde. 9) Diese Argumentation greift jedoch zu kurz, denn der Aspekt der Verhaltenssteuerung darf nicht losgelöst vom Gesichtspunkt der Risikoallokation gesehen werden: Zum einen ist der Grenznutzen einer verbesserten Verhaltensbeeinflussung den durch eine υ 2) 3) 4) 6) 7) 8) 9)

Vgl. Teil 2, A.IL 1. Vgl. Aha (1997), S. 2226, Lutter (1997), S. 6, Baums (1997), S. 10,18, Kohler (1997), S. 248. Vgl. Bundesregierung (1998), S. 24, Bundesministerium der Justiz (1996), S. 2138, Lutter (1997), S. 6, Baums (1997), S. 18. Vgl. Bundesregierung (1998), S. 24. Vgl. Aha (1997), S. 2226, Claussen (1997), S. 1828. Vgl. Köhler (1997), S. 253. Diese verbindlich zugesagte Haltefrist von 2 Jahren als angemessen betrachtend OLG Stuttgart (1998), S. 1489. Vgl. Baums (1997), S. 10, Menichetti (1996), S. 1689,1691. Vgl. Menichetti (1996), S. 1691.

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verschlechterte Risikoposition des Management bedingten Grenzkosten gegenüberzustellen,1* zum anderen muß die Dependenz des Vorstandsverhaltens von der Risikoallokation Berücksichtigung finden. 2* Aktien als Vermögensbestandteil weisen gerade nicht die dem Vergütungsinstrument der Aktienoption inhärente Asymmetrie von Verlustrisiko und Gewinnpotential auf, welche Agency-Kosten, die ihre Ursache in der unterschiedlichen Risikoeinstellung von Management und Anteilseignern haben, reduziert. Außerdem kann die Notwendigkeit bestehen, wenigstens einen Teil der erworbenen Aktien unmittelbar nach Optionsausübung zu veräußern, um die Entrichtung des Basispreises bzw. anfallende Steuern finanzieren zu können.3* Folgerichtig sind zumindest relativ lange obligatorische Haltefristen für die bezogenen Aktien eher kritisch zu beurteilen.4* Die Ausrichtung des Vorstandshandels an der langfristigen Wertsteigerung des Aktionärsvermögens sollte besser über den Gestaltungsparameter der Erstausübungsfrist in Verbindung mit einer zeitlich gestaffelten tranchenweise Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder als durch die Festlegung einer Verkaufssperre für die mit den Optionen erworbenen Aktien gewährleistet werden.

d) Sonstige Gestaltungsprobleme Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Anknüpfung der Vorstandsvergütung an die aus Kapitalgewinn und ausgeschütteter Dividende bestehende Aktienrendite einer isolierten Bindung der Entlohnung an den Börsenkurs vorzuziehen ist, um nicht die Ausschüttungspolitik der Gesellschaft dem Einfluß persönlicher Thesaurierungsinteressen der Vorstandsmitglieder auszusetzen.5* Aus diesem Grund sollten die Optionsbedingungen die explizite Berücksichtigung des Barwerts der geleisteten Dividendenzahlungen bei der Erfolgsbeurteilung des Managements vorsehen. Neben einem Dividendenschutz sollte auch eine Verwässerungsschutzklausel Bestandteil der Optionsvereinbarungen sein, denn Vorstandsmitglieder könnten einen Wertverlust ihrer Optionen erleiden, wenn vor deren Ausübung beispielsweise eine Kapitalerhöhung durchgeführt und den Inhabern der Aktienoptionen kein Bezugsrecht eingeräumt wird. 6* Folgerichtig besteht bei Fehlen eines Verwässerungsschutzes - analog der Dividendenproblematik - die Gefahr, daß persönliche Einkommensmaximierungsinteressen der Vorstandsmitglieder unge-

2) 3) 4)

®

Siehe Teil 2, A.I. Siehe Teil 2, A.II.2. Vgl. Baums (1997), S. 18, Casper (1999), S. 367. So im Ergebnis wohl auch Peltzer (1996), S. 313. Siehe Teil 2, A.II. 1. Vgl. Baums (1997), S. 19.

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wollte Rückwirkungen auf die Kapitalbeschaffungsmaßnahmen der Gesellschaft aufweisen. Abschließend ist anzumerken, daß Aktienoptionen aufgrund des mit ihnen verfolgten Ziels der Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen an der Maximierung des Shareholder Value bei einer Beendigung der Vorstandstätigkeit ihren ökonomischen Sinn verlieren. 1} Deshalb sollten die Optionsbedingungen sachgerechte Regelungen für mögliche Fälle des Ausscheidens von Vorstandsmitgliedern aus ihrem Amt - wie beispielsweise der Beendigung der Vorstandstätigkeit durch Abberufung, Pensionierung oder Tod - beinhalten.

4.

Aktienoptionen unter dem Aspekt eines Kosten-NutzenVergleichs

Als Vorteil der Entlohnung von Vorstandsmitgliedern mittels Aktienoptionen wird oft auf den liquiditätsschonenden Charakter dieses Vergütungsinstruments verwiesen: 2) Während jede Form der Tantieme als auch das Festgehalt eine Reduzierung des Cash-flows der Gesellschaft bedingt, verursachen Aktienoptionen keinen Liquiditätsabfluß, sondern führen bei ihrer Ausübung aufgrund der damit verbundenen Kapitalerhöhung vielmehr zu einem Zahlungsmittelzufluß und einer dauerhaften Stärkung der Eigenkapitalbasis der Unternehmung.3* Insbesondere jungen innovativen Unternehmungen eröffnet das Vergütungsinstrument der Aktienoption die Möglichkeit, Führungskräfte mit adäquater Qualifikation zu gewinnen und an die Gesellschaft zu binden, ohne durch hohe (fixe) Personalaufwendungen belastet zu sein. 4) Wenngleich dieser Argumentationslinie grundsätzlich zuzustimmen ist, muß jedoch deutlich hervorgehoben werden, daß Aktienoptionen keineswegs ein kostenloses Vergütungs- und Motivationsinstrument darstellen.5* Aus der Emission junger Aktien zur Erfüllung der von der Gesellschaft eingegangenen Optionsverpflichtung resultiert für die Aktionäre ein negativer Kapitalverwässerungseffekt, denn das Management wird die Option nur dann ausüben, wenn der aktuelle Marktwert über dem vereinbarten Basispreis liegt. In dieser - zwar vom Eintreten der Optionsbedingungen abhängigen, jedoch potentiell vorhandenen - Verwässerung der Vermögensposition der Altaktionäre spiegelt sich der ökonomische Wert der an die 1} 2) 3) 4)

®

Vgl. im folgenden Hüffer (1997), S. 236, Baums (1997), S. 19, Lutter (1997), S. 7. Vgl. ζ. B. von Rosen (1997), S. 379, Kohler (1997), S. 256, Schwarz/Michel (1998), S. 490. Vgl. Köhler (1997), S. 256, Lutter (1997), S. 3. Vgl. Bundesregierung (1998), S. 23, Schwarz/Michel (1998), S. 490, von Rosen (1997), S. 379, Weiß (1999), S. 353. Vgl. ζ. B. Knoll/Möller (1999), S. 70.

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Vorstandsmitglieder gewährten Aktienoptionen wider. Die Implementierung eines Aktienoptionsprogramms ist aus Sicht der Aktionäre ausschließlich unter der Voraussetzung ökonomisch sinnvoll, daß die langfristige Steigerung des Shareholder Value aufgrund reduzierter Agency-Kosten zuzüglich des positiven Liquiditätseffekts im Falle verringerter Tantieme- bzw. Festgehaltszahlungen den langfristigen Kapitalverwässerungseffekt übersteigt.1* Die Dimension, in der eine Verwässerung der Vermögenswerte der Aktionäre erfolgt, wird determiniert vom Ausmaß der Belohnung des Managements für das Erreichen einer bestimmten Aktienkurssteigerung. Der Umfang der leistungsbezogenen Vergütung wiederum kann entweder durch die Anzahl der zu beziehenden Aktien oder über die Festlegung des Basispreises beeinflußt werden.2* Der Basispreis ist somit nicht nur Schlüsselgröße für die Zielkongruenz der Verhaltenssteuerung, sondern gleichzeitig wesentlicher Kostenparameter eines Aktienoptionsprogramms.

5.

Die ökonomische Bedeutung des Vergütungsinstruments der Aktienoption

Unter der Prämisse der sachgerechten Ausgestaltung der einzelnen Optionsbedingungen bei gleichzeitiger Existenz eines funktionsfähigen Kapitalmarktes, auf dem die Asset-Preise zumindest alle den Marktteilnehmern verfügbaren Informationen korrekt widerspiegeln, können Aktienoptionen als ein aus ökonomischer Sicht geeignetes Instrument zur Orientierung des Vorstandsverhaltens auf die Steigerung des Aktionärsvermögens gekennzeichnet werden, wenn auch der optimalen Konstruktion eines monetären Anreizsystems in der Praxis aufgrund der Notwendigkeit der Verwendung einer hypothetischen, für alle Vorstandsmitglieder gleichermaßen gültigen individuellen Nutzenfunktion gewisse Grenzen gesetzt sind. Die Implementierung eines Aktienoptionsprogramms kann folgerichtig als glaubwürdiges Signal der konsequenten Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens an die Kapitalmärkte fungieren und einen wichtigen Erfolgsfaktor im weltweiten Wettbewerb um Risikokapital darstellen.3* Mit der Eignung des Vergütungsinstruments der Aktienoption zur Überwindung des Prinzipal-Agent-Konflikts zwischen Management und Anteilseignern läßt sich letztlich auch die Bedeutung von Aktienoptionen im Wettbewerb um n 2) 3)

Vgl. Menichetti (1996), S. 1690, Fuchs (1997), S. 661. Beide Autoren ziehen jedoch eventuelle positive Liquiditätseffekte nicht in ihre Betrachtung ein. Vgl. Baums (1997), S. 16. Siehe Teil 1, A.III.

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Führungskräfte erklären: International sind Aktienoptionen als erfolgsabhängige Vergütungskomponente Bestandteil der Erwartungshaltung leistungsorientierter und fachlich hochqualifizierter Manager hinsichtlich ihrer Entlohnung,1* denn Aktienoptionen stellen bei adäquater Ausgestaltung eine Möglichkeit des Rinding commitment