Vorgaben des Grundgesetzes für die Lösung sachenrechtlicher Zuordnungs- und Nutzungskonflikte [1 ed.] 9783428540167, 9783428140169

Thomas Regenfus analysiert, welche Vorgaben das Grundgesetz für das Sachenrecht entfaltet und inwieweit die vom BVerfG e

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Vorgaben des Grundgesetzes für die Lösung sachenrechtlicher Zuordnungs- und Nutzungskonflikte [1 ed.]
 9783428540167, 9783428140169

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Das Bürgerliche Recht Habilitationen Band 1

Vorgaben des Grundgesetzes für die Lösung sachenrechtlicher Zuordnungs- und Nutzungskonflikte

Von Thomas Regenfus

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS REGENFUS

Vorgaben des Grundgesetzes für die Lösung sachenrechtlicher Zuordnungs- und Nutzungskonflikte

Das Bürgerliche Recht Habilitationen Band 1

Vorgaben des Grundgesetzes für die Lösung sachenrechtlicher Zuordnungs- und Nutzungskonflikte

Von Thomas Regenfus

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Habilitationsschrift angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 2195-9641 ISBN 978-3-428-14016-9 (Print) ISBN 978-3-428-54016-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84016-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ∞



Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Anregung, sich intensiver mit den Wechselwirkungen zwischen Eigentumsgarantie und Sachenrecht zu befassen, geht zurück auf Prof. Dr. Klaus Vieweg. Seine Beschäftigung mit dem Bereich des Nachbarrechts zeigte an zahlreichen Stellen, dass die immissionsschutzrechtlichen Regelungen des BGB nicht ohne einen Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen interpretiert und angewandt werden können. Mit zunehmender Tiefe der Untersuchung und durch die Einbeziehung weiterer Sachbereiche wurde es erforderlich, zunächst die zentralen Fragen nach Mechanismus und Intensität der Geltung der Grundrechte, speziell der Eigentumsgarantie, aufzuarbeiten. In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, wie Detailregelungen auf scheinbar allgemein formulierte Sätze und Prinzipien zurückgeführt und mit diesen erklärt werden können. Eine solche Untersuchung kann naturgemäß nur die wichtigsten und typischen Situationen exemplarisch behandeln. Sie erlaubt jedoch zum einen, die Strukturen zu beleuchten und zu verstehen, auf denen die Rechtsordnung beruht, und zum anderen, zur Lösung konkreter Fragestellungen beizutragen, die die juristische Praxis immer wieder beschäftigen. Zu großem Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. Klaus Vieweg, der die Themenstellung vorgeschlagen und mich motiviert hat, die ursprünglich als Dissertation geplante Arbeit weiter als Habilitationsschrift auszubauen. Mit vielfältigen Anregungen und durch stetigen Austausch hat er den Fortgang der Arbeit laufend betreut. Mein Dank gilt weiter Herrn Prof. Dr. Heinrich de Wall für die Fertigung des Zweitgutachtens, Herrn Prof. Dr. Hans Kudlich als weiterem Mitglied des Fachmentorats sowie Herrn Prof. Dr. Hanns Prütting, der sich bereit erklärt hat, das externe Gutachten zu erstellen. Für Zuspruch und Unterstützung danke ich meiner Familie, vor allem meiner Mutter. Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Habilitationsschrift angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden auf den Stand November 2012 gebracht. Erlangen/Kleinsendelbach, im Dezember 2012

Thomas Regenfus

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

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A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

C. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Teil 2 Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht A. Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Theorien einer unmittelbaren Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansätze zur Begründung einer mittelbaren Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Generalklauseln als Einfallstore“ und „Ausstrahlungswirkung der objektiven Wertordnung“: Die „mittelbare Drittwirkung“ im klassischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechte als Institutsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtsgeltung aufgrund der Tätigkeit staatlicher Organe . . . . . . . . . 4. Drittwirkung als Folge der grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Begründung der Rechtsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkung der Schutzpflicht gegenüber dem Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . c) Wirkung der Schutzpflicht gegenüber der Rechtsprechung . . . . . . . . . aa) Schutzpflichtverwirklichung durch Ausfüllung der Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Schutz durch Eingriff“ ohne gesetzliche Ermächtigung? . . . . . . d) Eignung der Schutzpflichtlehre als Erklärungsansatz der Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung zur Herleitung der Grundrechtsgeltung im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgeprägtheit als Besonderheit des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Philosophische Ideen zum Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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39 44 46 51 51 54 56 56 57 59 61 62 62 62

8

Inhaltsverzeichnis 2. Eigentumsfunktionen nach der Ökonomischen Analyse des Rechts . . . . . 3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und moderne Staatsrechtswissenschaft: Freiheitssichernder Charakter des Eigentums . . . . . . . 4. Nutzungs- und Verfügungsbefugnis als grundlegender Inhalt des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erforderlichkeit einer legislativen Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang der Bestandsgarantie vor der Wertgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Wirkrichtung der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentumsschutz als Substanzgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folge: Nachrangigkeit jeden finanziellen Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . aa) Strenge Anforderungen an die Zulässigkeit von Enteignungen . . bb) Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . . . . 2. Wesen und Inhalt der Sozialpflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG . . . . . . 3. Schutzgehalt der Eigentumsgarantie gegenüber der Legislative bei der Ausgestaltung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG . . . . . a) Der „verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff“ als Vorgabe für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konstruktionsproblem einer Bindung des Gesetzgebers . . . . . . . . bb) Der „offene“ Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangsthese: Fehlen vorgegebener Eigentumsinhalte . . . . (2) Verfassungsrechtlicher Schutz nur konkreter, erworbener Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vorgaben für die Eigentumsordnung: Die Institutsgarantie des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigentum als zunächst unbegrenztes Freiheitsrecht (Trennung Eigentumsbegriff – Eigentumsinhalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangsthese: Eigentum als prinzipiell unbeschränktes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Folgen für die verfassungsrechtliche Behandlung schrankenziehender Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Analyse und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterschiedliche Schutzwirkungen und -intensitäten beider Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Flexibilität und Regelungsfreiraum für den Gesetzgeber . . . . (3) Vereinbarkeit eines eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs mit der „Rechtsgeprägtheit des Eigentums“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Prägung des Eigentums auf der verfassungsrechtlichen Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vergleich mit anderen „normgeprägten Grundrechten“ . .

66 67 70 71 73 73 73 73 75 75 76 79 80 80 80 81 81 83 84 85 85 87 88 89 92

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Inhaltsverzeichnis (4) Wortlautbefund des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . (5) Bedeutung der „Situationsgebundenheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Bedeutung des Sozialpflichtigkeitsgebots des Art. 14 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Fehlen eigentumsspezifischer Gehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesetzmäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vertrauensschutz/Rückwirkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . (d) Entschädigungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Inhalt des Entschädigungsgebots bei Art. 14 GG und anderen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Entschädigung als Mittel zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Ursprung des Gebots einer Entschädigung für Sonderlasten in Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsprinzip – Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Folgerung: Systemfremde Abweichung von allen anderen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Entbehrlichkeit der Institutsgarantie im klassischen Sinn . . . (9) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ermittlung und Einordnung der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zur Dogmatik der Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Textbefund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bestandsschutz für das konkrete Eigentum . . . . . . . . . . . . (b) Abwägungsgebot im Bezug auf den Eigentumsinhalt . . . (c) Abhängigkeit der zulässigen Intensität der Sozialbindung von der Art des Eigentumsgegenstands . . . . . . . . . . (d) Institutsgarantie als äußerste Schranken-Schranke . . . . . . (e) „Deutschrechtlicher“ und „römischrechtlicher“ Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verpflichtung des Gesetzgebers zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rückschlüsse auf den Inhalt der materiellen Vorgaben . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen für die Zugehörigkeit von Rechten zum Eigentum i. S. d. Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen für den von Art. 14 GG geschützten Personenkreis . . . . . III. Einordnung privatrechtlicher Regelungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Enteignungen, Art. 14 Abs. 3 GG . . a) Erscheinungsformen der Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeinwohlanforderungen und Bedeutung des Enteignungszwecks – Zulässigkeit von „Enteignungen zugunsten Privater“ . . . . . c) Entschädigungs- und Rechtsweggarantie; Rechtsfolgen verfassungswidriger Enteignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung privatrechtlicher Regelungen in die Systematik des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Möglichkeit der Zuordnung allein aufgrund der zivilrechtlichen Natur einer Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansätze zur Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen und Enteignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sonderopfer- und Schweretheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rein formale Abgrenzung – „neoklassischer“ Enteignungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Enteignung als Güterbeschaffung („klassischer Enteignungsbegriff“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eingriffsfinalität als maßgebliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Güterbeschaffungsvorgang als Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Entziehung“ als Kennzeichen der Enteignung . . . . . . . . . . . . (3) Keine „Zufallsenteignungen“ – Kein „Umschlagen“ trotz hoher Eingriffswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Behandlung der Fälle der „Aufopferungsenteignung“ . . . . . . (5) Indizien für einen Entzugscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Indiz: Vorliegen eines formellen Rechtsüberganges . . . . (b) Gegenindiz: Nutzen für gegenwärtigen Rechtsinhaber oder die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenbemerkung: Einordnung von sicherheits- und strafrechtlichen Einziehungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . (d) Indiz: Charakter als Maßnahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnisse – Zusammenfassung der Struktur des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerung und Ergebnis: Zivilrechtliche Normen als typische Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Bereich des Zivilrechts, insbesondere des Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verwirklichung der Substanzgarantie als primärer Inhalt des Art. 14 Abs. 1 GG in den Bestimmungen des Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsbedürftige Konstellationen und verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachenrechtliche Bestimmungen als Regeln zur Lösung von Grundrechtskollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Fälle der Beschränkung von Eigentümerbefugnissen (Immissionen und Notwegerecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderlichkeit von Beschränkungen der Befugnisse des Eigentümers im Interesse anderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Möglichkeit zur Rechtfertigung von Befugnisbeschränkungen durch die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) . . . (2) Rechtfertigung durch Grundrechte anderer Privater als „verfassungsimmanente Schranken“ des Eigentums . . . . . . . . (a) Inhalt und Anwendbarkeit bei Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . (b) Ermittlung des Schutzbereichs durch Grundrechtsinterpretation als Voraussetzung einer Kollision . . . . . . . . . . . . (aa) Unterscheidung von gegenständlichem Schutzbereich und sachlicher Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . (bb) Konsequenzen (am Beispiel des Sprayer-Beschlusses) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Einfluss der grundrechtlichen Leistungsansprüche . (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anwendung auf die Fälle des § 906 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anwendung auf die Fälle des § 917 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fälle des Rechtsverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein genereller Vorrang des Eigentums gegenüber anderen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis – Weitere Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Verhältnismäßigkeit“ bei der Schaffung privatrechtlicher Regeln . . . . . . a) Gegenläufige Wirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips innerhalb der einzelnen Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Prinzip der „Praktischen Konkordanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bindung der Legislative an die Verfassung und Kontrolldichte der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schwächere Grundrechtsgefährdungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung – Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Dimensionen des Entscheidungsspielraums – Beispiele für die Verwirklichung der Praktischen Konkordanz in sachenrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Entscheidung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Vorgaben aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen . . . . . aa) Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhaltsbestimmungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungspflichten aufgrund von Unterprinzipien des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsstaatliches Bestimmtheitsgebot und Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit als kollidierende Anforderungen . . . . . . . bb) Vorteile absoluter Regeln gegenüber Einzelfallentscheidungen . . (1) Rechtsgebietsübergreifende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswirkungen im Sachenrecht – Differenzierung zwischen Zuordnungsregeln, rechtsinhaltsprägenden Ansprüchen und sonstigen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Besonderer Charakter von Zuordnungsregeln . . . . . . . . . . (b) Anspruchsnormen zum Inhalt des dinglichen Rechts . . . (c) Sonstige sachenrechtliche Anspruchsnormen . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verwirklichung von Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit durch Differenzierung und Typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Individuelle und generalisierte/typisierende Umsetzung des Verhältnismäßigkeitgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beispiele ausdifferenzierter Regelungssysteme . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis – Maßstäbe und Leitlinien für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausfüllung offener Begriffe durch die Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beachtung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beachtung des Vorrangs des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verbot der eigenständigen Korrektur des Gesetzes . . . . . . . . . (2) Beachtung gesetzgeberischer Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Größe des Entscheidungsfreiraumes in besonderen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überprüfung fachgerichtlicher Urteile durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kongruenz mit den materiellen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkung auf „spezifisches Verfassungsrecht“ . . . . . . . . . . . . 6. Anwendbarkeit einzelner zivilrechtlicher Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . a) Merkmale „ausfüllungsfähiger“ Begriffe im Gesetzestext . . . . . . . . . .

199 199 202 204 204 205 205 207 207 210

211 211 212 213 214 215 215 216 217 220 220 221 221 222 222 224 225 227 227 228 230 230

Inhaltsverzeichnis b) Besondere Abwägungsklauseln in sachenrechtlichen Normen – Vorrang „besonderer“ Abwägungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit einiger allgemein geltender ausfüllungsfähiger Normen des BGB auf dingliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . bb) Restitutorischer Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Treu und Glauben (§ 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unzumutbarkeit der Anspruchserfüllung (§ 275 Abs. 2 BGB) . . ee) Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis zu I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entschädigungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Wirkung: Trennung von Rechtsverlust und Vermögensfolgen 2. Determinationsfaktoren für eine Ausgleichspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Dichte“ des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . b) Kriterien für das Bestehen einer Entschädigungspflicht in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kernkriterium: Außergewöhnlichkeit infolge Umfangs und/oder Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besondere Faktoren und Konstellationen im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeinheit als Begünstigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Identität von Normbegünstigtem und Bereicherten (Zweipersonenfälle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Divergenz von Normbegünstigtem und Bereicherten (Dreipersonenfälle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nur formeller gerechtfertigter Rechtsübergang (Zweipersonenfälle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beachtlichkeit von Rückwirkung auf Freiheiten des Anspruchsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formelle Anforderungen an Ausgleichsregelungen im Zivilrecht . . . . . . . a) Diskussion und Argumentation im Bereich des öffentlichen Rechts . aa) Entscheidung über die Lastenverteilung durch den Gesetzgeber . bb) Verwerfungsmonopol und Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG cc) Budgetrecht des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) „Verfahrensrechtliches Junktim“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragbarkeit auf zivilrechtliche Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . 4. Rahmenvorgaben für Ausgestaltung der Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . a) Art des Ausgleichs (pauschale Zahlung oder Ersatz konkreter Schäden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang des Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über die vorhandenen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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231 232 232 234 235 236 236 237 238 238 239 239 241 244 245 245 246 247 248 249 249 250 250 250 252 252 252 253 256 256 257 257

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Inhaltsverzeichnis bb) Verkehrswertentschädigung als Minimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schadensersatz bei bewusster Erlaubnis gefährlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schadensersatz in notstandsähnlichen Fällen . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausgleich der Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 951 Abs. 1 S. 1 und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB als Aufopferungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz des Bereicherten als Rechtfertigung einer Reduzierung des Anspruchsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Person des Anspruchsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erforderlichkeit einer staatlichen Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gründe einer besonderen Verantwortung für die Realisierbarkeit von Ersatzansprüchen gegen Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis – Möglichkeiten zur Sicherung der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verjährungs- und Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258 259 260 262 263 264 265 265 266 269 269 269 271 273

Teil 3 Grundstrukturen und -prinzipien zentraler sachenrechtlicher Regelungen 275 A. Regelungen zum Schutz des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arten und Effektivität einzelner Regelungen zum Schutz absoluter Rechte . II. Zivilrechtliche Abwehr-, Haftungs- und Bereicherungsansprüche . . . . . . . . . 1. „Verhalten“ als Anknüpfungspunkt zivilrechtlicher Abwehr- und Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handlungsunrecht und Erfolgsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbare und mittelbare Rechts(guts)verletzungen . . . . . . . . . . . . c) Schutzpflichtverletzung wegen mangelnder Möglichkeiten der Abwehr von Störungen und unzureichender Schadensersatzansprüche? . 2. Folgerungen für die negatorischen Abwehransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtswidrigkeit und Duldungspflicht bei den Ansprüchen aus § 1004 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschuldensunabhängigkeit der negatorischen Ansprüche . . . . . . . . . c) Mittel zur Optimierung des negatorischen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgerungen für das Verhältnis von § 903 S. 1 zu § 985 und § 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen für Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung für rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten als Regelfall . . . . . .

275 275 278 279 279 280 282 284 284 286 287 288 289 289

Inhaltsverzeichnis b) Die „Zurechnung“ als Voraussetzung einer Schadensersatzhaftung . . c) Zurechnungsgrund bei der Verschuldenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inhaltliche Kongruenz der Verhaltenspflichten bei der Verschuldenshaftung mit den allgemeinen Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zurechnungsgrund und Präventionswirkungen bei der verschuldensunabhängigen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Art und Umfang der Ersatzleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgerungen für Bereicherungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhaltliche Festlegung der Handlungsbereiche für die Bürger – Zuständigkeiten von Legislative und Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 290 291 293 294 299 300 302 302

B. Einfachrechtliche Regelungen zur Nutzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit – Prinzipien des Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsrechtliche Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiede zum Komplex „Abwehrrechte“ – Dritt- und Verkehrsinteressen als berücksichtigungsbedürftige Gegenbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsrelevanz unzureichender Gestaltungsformen und Verfügungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfügungsbefugnis als Inhalt der Verfassungsgarantie des Art. 14 GG b) Herleitung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Zurverfügungstellung rechtlicher Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Eröffnung des Schutzbereichs auf Seiten des Erwerbers . . . . . . 3. Strukturvorgaben im Hinblick auf beschränkt dingliche Rechte aus dem Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Trennungs- und Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorteile des Abstraktionsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgleich durch das Bereicherungsrecht (Leistungskondiktion) . . . . . . . . 3. „Durchbrechungen“ des Abstraktionsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Durchschlagen“ von Mängeln des obligatorischen Geschäfts . . . . . . b) Parteigestaltungen (Bedingung oder Geschäftseinheit) . . . . . . . . . . . . . III. Publizitätsprinzip und Traditionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Typenzwang (numerus clausus der dinglichen Rechte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirkung als „Vertrag zu Lasten Dritter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheit des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Rechtfertigung des Typenzwangs . . . . . . . . . . . . . . d) Prüfungsmaßstab für den Anspruch auf Zurverfügungstellung bestimmter Rechtsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306 306 306 307 307 308 310 311 313 313 315 316 316 317 318 322 322 323 323 325 325 326

16

Inhaltsverzeichnis 3. Gebot weitgehender Gestaltungsfreiheit unter Verwendung der vorgefundenen Rechtsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen des möglichen Inhalts dinglicher Rechte aus dem Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwirklichung bei den gewöhnlichen Dienstbarkeiten (einschl. Nießbrauch) und den Verwertungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfälle von Dienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwirklichung beim Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verbot dinglicher Verfügungsbeschränkungen (§ 137 S. 1 BGB) . . . . . . . . . . 1. Historische und verfassungsrechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Schutz des Eigentümers vor sich selbst“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erhaltung der Umlauffähigkeit von Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherheit des Rechtverkehrs vor nicht erkennbaren Drittrechten – Absicherung des numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schutz der Gläubiger vor dem Entzug haftender Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

328 328 329 331 333 333 334 336 339 339 339 340 343 345 346 348

D. Zusammenfassung zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Teil 4 Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen und Rechtsverhältnisse des Sachenrechts

351

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten wegen unberechtigten Umgangs mit fremden Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 I. Vindikationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Bedeutung des Vindikationsanspruchs für das Eigentum . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit anspruchshemmender Tatbestände auf § 985 BGB . . . . . a) Voraussetzungen und Rechtfertigung von Einreden aus § 226 und § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragbarkeit auf den Vindikationsanspruch und den negatorischen Abwehranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schikane und Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergleichbare Rechtsinstitute im BGB als Anhaltspunkte . . . (2) Konsequenzen und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wiederzusammenführung von Eigentum und Besitz . . . . . . .

351 354 354 355 356 357 357 358 360

Inhaltsverzeichnis II. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusendung unbestellter Waren (§ 241a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensersatz bei fahrlässigen Beschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarechtliche Vorgaben für § 241a BGB – Grundgesetz als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . d) Legitimierende Ziele, Prüfungsmaßstab, Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnismäßigkeit i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßstäbe repressiver strafrechtlicher Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatschuldprinzip und Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorliegen einer „Strafe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe für die Einziehung zur präventiven Gefahrenabwehr und als sonstiger Tatfolge . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Rechtfertigung des faktischen Erwerbs durch den Besitzer dd) Mangelnde Effektivität des Mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Gefahr von Eingriffen in das Eigentum redlicher Versender . . . . ff) Keine mangelnde Schutzwürdigkeit des Eigentümers . . . . . . . . . . gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadensersatz bei vorsätzlichen Beschädigungen – Preisgaberecht . . . . . B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundkonstellation: Konflikt benachbarter Grundstückseigentümer . . . . . . . 1. Voraussetzungen und Inhalt des Störungsbeseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Störerbegriff und Rechtsfolgen des negatorischen Anspruchs . . . . . . . aa) Pflichten aus § 1004 BGB und Schadensersatzpflichten als Eingriffe in das Eigentum des Störers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Störerverantwortlichkeit (1) Grundlagen der Störerhaftung im Polizei- und Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtfertigung und Begrenzung der „reinen Zustandsstörerhaftung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zivilrechtlicher Störerbegriff und Beseitigungspflicht in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verantwortlichkeit aufgrund Handlungs- oder Zustandsstörereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Störerhaftung als negatorische Kausalhaftung . . . . . . . . . . . . . (3) Störerhaftung allein kraft Eigentümerstellung („Eigentumstheorie“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 361 364 365 365 365 366 368 369 372 372 372 373 376 379 380 381 382 382 383 384 385 385 386 386 387 387 388 390 390 393 394

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Inhaltsverzeichnis (4) Rechtsusurpationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmung des Anspruchsverpflichteten bei den negatorischen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umfang der Verpflichtung aufgrund der negatorischen Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Notwendigkeit der Abgrenzung zum Schadensersatz . . . (b) Rechtfertigung der Kostentragungspflicht für Beseitigungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Parallelbetrachtung zur Störerhaftung im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Versuche zur Einschränkung der Haftung auf der Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Keine Rechtfertigung durch größere Schutzeffektivität . (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit einzelner verfassungsrechtlicher Anforderungen für das öffentliche Sicherheitsrecht auf den negatorischen Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wegfall der Störerverantwortlichkeit durch Dereliktion . (b) Bedarf und Vereinbarkeit einer weiteren Einschränkung der Haftung des Zustandsstörers auf Beseitigung – Anwendbarkeit von § 251, § 254 und § 275 Abs. 2 BGB . . (c) Figur des „mittelbaren Störers“ und „Vorrangige Inanspruchnahme des Handlungsstörers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ersatz von Schäden bei der Durchführung der Störungsbeseitigungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässiges Maß an Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung anderer Rechtsnormen durch und neben § 906 BGB (1) Konkretisierung der „Wesentlichkeit“ durch öffentlich-rechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wirkung als Schutzgesetz außerhalb des § 906 BGB . . . . . . . (a) Auswirkungen und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sonderfall: „Verwaltungsakt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verfassungsrechtliche Bewertung der Divergenz der Schutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswirkungen öffentlich-rechtlicher Verbote mit Erlaubnisvorbehalt auf nachbarliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verhinderung der Erfüllung der Beseitigungs-/Unterlassungspflichten durch öffentlich-rechtliche Verbote mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Formelle Verfassungsmäßigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1, Art. 31 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Grundrechtliche Betroffenheit des Nachbarn . . . . . . . . . .

394 397 397 399 399 400 402 402 403 405

406 406

409 411 414 415 416 416 421 421 422 424 425

425 426 427

Inhaltsverzeichnis (d) Auswirkungen auf die Auslegung der Befreiungstatbestände und die Antrags-/Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . (e) Verwirklichung in Zivilprozess und Zwangsvollstreckung bb) Konkretisierung durch Technische Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestimmung des Maßes der „Wesentlichkeit“ in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB: Der „verständige Durchschnittsmensch“ . . . . . . . . . . . . (1) Vom „normalen“ zum „verständigen“ Durchschnittsmenschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beispiele beachtlicher Abwägungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfassungsrechtliche Betrachtung – Kriterien für die Beachtlichkeit einzelner Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mangelnde Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Begrenzung des Einflusses öffentlicher Belange . . . . . . . (c) Voraussetzung der Einbeziehung eines öffentlichen Belangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Berücksichtigung des Vertrauensschutzes – Steuerungswirkungen des § 906 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stand der Rechtsprechung und Literatur zur Relevanz der „Priorität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einordnung als Aspekt der „Wesentlichkeit“ oder Behandlung im Rahmen der „Ortsüblichkeit“ – § 906 Abs. 2 S. 1 BGB als Ausdruck des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ökonomische Betrachtung des § 906 Abs. 2 S. 1 u. 2 BGB – Garantie des unerlässlichen Mindestschutzes . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassende Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz gegen „negative“ und „ideelle“ Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Stand der Rechtsprechung und Literatur – Praktisch relevante Fälle und Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Negative Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einfachrechtliche und verfassungsrechtliche Verankerung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleich mit ähnlichen Sachbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Maßstäbe für die Zulässigkeit „negativer Immissionen“ . . . . cc) Ideelle Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bedeutung der „inneren Verarbeitung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zulässigkeitsmaßstäbe für „ideelle Immissionen“ . . . . . . . . . . dd) Konsequenz: Verpflichtung zur Schaffung eines Schutzes überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss des negatorischen Abwehranspruchs gegen Entschädigung . . a) Kodifiziert: § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und besondere öffentlich-rechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ortsübliche, nicht auf zumutbare Weise vermeidbare Immissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 428 429 430 433 433 436 439 440 440 442 446 446

447 450 452 452 453 454 454 455 458 460 460 463 466 467 467 467

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Inhaltsverzeichnis bb) Privatrechtsgestaltende Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ungeschrieben: Anspruchsausschluss durch andere öffentlich-rechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ungeschrieben: Faktische Duldungspflicht im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis („nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch“) . . . aa) Darstellung der Rechtsprechung und Argumente . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . (1) Einordnung als Quasi-Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlen der sachlichen Voraussetzungen für eine Begründung des „nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ im Wege der Analogie und aus dem Aufopferungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . (a) Analogie zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Planwidrigkeit der Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . (bb) Identität der Sach- und Interessenkonstellation . . . . (b) Gesamtanalogie zu anderen Ausgleichsansprüchen . . . . . (3) Materielle Vereinbarkeit eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit den Grundrechten des Eigentümers als Anspruchsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ungeschrieben: Anlagen, deren Betrieb dem öffentlichen Interesse dient („bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch“) . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung der Rechtsprechung und Argumente . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungsrechtliche Problematik und Prüfungsmaßstab . . . (2) Möglichkeit einer Analogie zu § 14 BImSchG, § 75 VwVfG u. ä. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsfortbildung auf der Basis des § 906 BGB . . . . . . . . . . . (4) Keine Möglichkeit einer positivgesetzlichen Regelung . . . . . (a) Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vorrang der Substanzgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte zur partiellen Mitbenutzung benachbarter Grundstücke . . . . . . . . . . . 1. Notwegerecht (§ 917 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an Auslegung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale b) Umfang des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahrensmäßige Absicherung des Entschädigungsanspruchs . . . . . . 2. Überbau (§ 912 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kollidierende einfachrechtliche Prinzipien und Lösung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fälle entsprechender Anwendung der § 912 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . .

468 469 472 472 475 475

477 478 478 480 483

485 487 488 488 490 490 492 493 496 497 497 499 500 500 500 503 504 505 505 507 509

Inhaltsverzeichnis d) Ausschluss der Beseitigung wegen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzanlagen (§ 921 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsinhalt und -ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Aspekte der „Verdinglichung der Grenzanlagen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nutzung fremden Eigentums für politische o. ä. Äußerungen . . . . . . . . . . a) Duldungspflichten unmittelbar kraft Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . b) Einschränkung gesetzlicher Duldungspflichten durch Grundrechte . . III. Konflikte bei vertikal benachbarten Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konfliktregelungen im Bergrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grund der rechtlichen Sonderbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Voraussetzungen des Abbaus von Bodenschätzen . . . . . . . c) Verfassungsrechtliche Untersuchung des geltenden Bergschadensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Duldungspflicht des Oberflächeneigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentlich-rechtlicher Drittschutz im Betriebsplanverfahren . . . . dd) Verfassungskonformität des Ausschlusses zivilrechtlicher Abwehransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einordnung der Duldungspflicht gegenüber vom Bergbau hervorgerufenen Einwirkungen als Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsrechtlicher Schutz für den Bergbauunternehmer . (3) Möglichkeit eines Anspruchs auf besondere Schutzvorkehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Möglichkeit eines Verzichts auf Duldungspflicht überhaupt . (5) Einfluss des Regelungsgefüges des Bergschadensrechts . . . . (6) Bedeutung des Verwaltungsverfahrens und Anforderungen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der privatrechtlichen Duldungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verfassungskonformität der Anpassungsobliegenheiten . . . . . . . . 2. Untertagespeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Interesse an der Ausschließung“ in § 905 S. 2 BGB als zentrales Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Voraussetzungen für ein Ausschließungsinteresse . . . bb) Kein Erfordernis einer Oberflächenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entgelterzielungsabsicht als Grund eines Ausschließungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Funktion der Ausschließungsbefugnisse für das Eigentum . . (2) Mangelnder Bedarf nach einem Abwehranspruch bei fehlender Möglichkeit zur Ausübung bestimmter Nutzungen . . . . .

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510 511 511 512 514 515 517 520 520 520 521 523 523 524 525 527

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532 534 536 536 537 537 538 539 540

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Inhaltsverzeichnis (3) Folgerungen für die rechtliche Zulässigkeit der Untertagespeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermeidung von Schäden als Grund eines Ausschließungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfordernis eines finanziellen Ausgleichs für die Mitbenutzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch für Schäden . . . . bb) Ausgleich für die Benutzung als solche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung von Leitungen zu Zwecken der Telekommunikation . . . . . a) Grund und verfassungsrechtliche Einordnung der Sonderregelungen b) Ausweitung bestehender anderweitiger Gestattungen zur Unterhaltung von Leitungen, § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsinhalt und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Untersuchung der Ausweitung der Duldungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verminderung faktischer Nutzungsmöglichkeiten durch die Leitung selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nutzbarkeitseinschränkung durch zusätzliche Arbeiten . . . . . (a) Vorliegen eines Eigentumseingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beeinträchtigungen durch künftige Arbeiten (Wartung/ Reparatur) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Beeinträchtigungen durch die Verlegungsarbeiten . . . . . . (3) Ausgleich für die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten . (a) Der Ausschluss des Verbietungsrechts als Eigentumseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Legitimität und Notwendigkeit eines Anspruchs auf Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Vorgaben für die Höhe der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Duldungspflicht, § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung durch die Verlegung und spätere Arbeiten . . . . bb) Beeinträchtigung durch die Leitung selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit eines Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . d) Erforderlichkeit einer verfahrensrechtlichen Absicherung der Entschädigungszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abhängigkeit der Duldungspflicht von vorheriger Zustimmung . bb) Regelung zur Verjährung in § 77 TKG n. F. und § 58 TKG a. F. . cc) Kein Erfordernis einer subsidiären Haftung des Staates . . . . . . . . 4. Nutzung des Luftraums über Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nutzungskonflikte in Mehrfamilienhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Untersuchung ausgewählter Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

541 542 543 543 544 545 545 547 547 548 549 550 550 551 551 553 553 554 555 558 559 559 560 561 562 562 563 565 566 567 567

Inhaltsverzeichnis

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a) Regelungskompetenzen der Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . aa) Wohnungseigentum als Eigentum i. S. v. Art. 14 GG . . . . . . . . . . . bb) Legitimation besonderer und strengerer Regelungen durch das Zusammenleben auf verhältnismäßig engem Raum . . . . . . . . . . . . cc) Gestaltungsfreiraum der Eigentümergemeinschaft und Schutz des Einzelnen gegen unzumutbare Mehrheitsentscheidungen . . . dd) Erhaltung des einheitlichen optischen Erscheinungsbildes als relevantes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Änderung der für das Sondereigentum vorgesehenen Nutzung . . ff) Aufopferungsanspruch nach § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG . . . . . . . . . . . . b) Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Untersuchung ausgewählter Regelungen des Mietrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkungen zur Eröffnung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie im Bereich des Vertragsrechts und des Mietrechts . . . . . . . . . aa) „Der Mieter als Eigentümer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 14 GG als Maßstab mietrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . (1) Begriff und Bedeutung der „Privatautonomie“ und „Vertragsfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz der Vertragsfreiheit durch die Grundrechte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einzelne Komponenten der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . b) „Kauf bricht nicht Miete“ (§ 566 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorkaufsrecht des Mieters (§ 577 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eingriffswirkungen beim Veräußerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriffswirkungen beim (verhinderten) Käufer . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Schutz des Erwerbsvorgangs als solchen durch Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Schutz durch Art. 14 GG gegen die Vernichtung des Übereignungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Folgerungen – Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Parabolantennen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abwehransprüche gegen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen (Allein-) Verwertung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang der Befugnis zur wirtschaftlichen Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz von Veräußerungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Gastank-Fälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

568 568

C. Schutz des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirkung und Rechtfertigung der possessorischen Besitzschutzansprüche . . . 1. Kontinuitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Friedenstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Persönlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 4. Zwischenergebnis – Konsequenzen für die Selbsthilferechte . . . . . . . . . . . 607 II. Konsequenzen für einen Schutz des Besitzes als Vermögensgut . . . . . . . . . . . 608

D. Konflikte im Zusammenhang mit beschränkt dinglichen Rechten . . . . . . . . I. Dienstbarkeiten: Möglichkeiten einer Anpassung des Inhalts an veränderte tatsächliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungstaugliche Rechtsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktiver/erweiterter/überwirkender Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . b) Clausula rebus sic stantibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auf die beschriebenen zivilrechtlichen Konfliktsituationen . a) Erweiterung des Inhalts der Dienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vollständiger Wegfall der Dienstbarkeit bei tatsächlichen Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterung der Befugnisse aus der Dienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . (1) Kollision von Eingriffsverbot und Schutzgebot . . . . . . . . . . . . (2) Lösung nach den Grundsätzen zum „aktiven Bestandsschutz“ – § 242 und §§ 1020 ff. BGB als einfachrechtliche Eingriffsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Untersuchung der Lösung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung des Inhalts der Dienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussbemerkung – Mögliche beachtliche Interessen . . . . . . . . . . . . . II. Dingliche Sicherungsrechte: Übertragbarkeit der Bürgschafts-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bürgschafts-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsrelevanz der Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchung der Übertragbarkeit der „Bürgschaftsrechtsprechung“ auf dingliche Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entsprechende Anwendung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatliche Schutzpflichten als Grundlage der Bürgschafts- und Minderjährigen-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bb) Übertragbarkeit der leitenden Gedanken zum Schuldnerschutz . . cc) Abwägung mit den Interessen anderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungsrechtlicher Schutz für dingliche Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

609 610 610 612 612 613 615 615 615 616 616

616 617 619 620 622 624 624 624 625 628 628 628 629 629 630 632 632

Inhaltsverzeichnis (2) Verwendbarkeit des Eigentums als Kreditsicherungsmittel . . (3) Regelfall: Fehlende Zurechenbarkeit gegenüber dem Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkung des Zustimmungs- und Bewilligungserfordernisses durch das Unschädlichkeitszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der gesetzlichen Regelung im EGBGB und im BayUnschZG . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung des Rechtsinstituts „Unschädlichkeitszeugnis“ . . . . . . b) Vereinbarkeit der Verfahrensregelungen mit grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit der Übertragung der Entscheidung auf ein Gericht . . . . . E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erwerb vom Nichtberechtigten kraft Rechtsscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorfragen: Einordnung in das System des Art. 14 GG und Bedarf nach verfassungsrechtlicher Rechtfertigung – Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . 2. Gutgläubiger Erwerb bei entgeltlichen Erwerbsvorgängen . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung der Regelung im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung durch kollidierende Interessen konkreter Privater . . . . aa) Konzepte einer „individuellen Rechtfertigung“ . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzwürdigkeit und Möglichkeiten der Verhinderung des Rechtsscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mangelnde Aussagekraft des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Berücksichtigung der Entscheidung des Eigentümers für die Ausnutzung der Wertkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung durch Allgemeininteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kerngedanken: Verkehrsschutz und Beschleunigung des Warenumsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unabhängigkeit der Verkehrsschutzinteressen von der konkreten Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Reduzierung der Transaktionskosten und des Nachforschungsaufwandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung und Sachgerechtigkeit der vorhandenen Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestehende Ausgleichsansprüche – Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . bb) Bedarf nach Verstärkung der Ansprüche gegen den Verfügenden cc) Bedarf nach Ansprüchen gegen den Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) „Öffentliche Versteigerung“ und „Rückerwerb des Nichtberechtigten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gutgläubiger Erwerb bei unentgeltlichen Erwerbsvorgängen . . . . . . . . . . . a) Abweichende Interessenlage – Darstellung der Regelung im BGB . .

25 633 634 636 637 637 638 638 641 645 646 647 647 649 649 650 650 651 653 654 655 655 656 657 659 659 660 662 665 665 668 668

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Inhaltsverzeichnis b) Argumente der Kritiker der Lösung des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Untersuchung der Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Legitimation durch Abgrenzungsprobleme bei der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtssicherheit gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorhandene und zu berücksichtigende Individualinteressen . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzlicher Erwerb nach Umbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbindung, Vermischung und Vermengung (§§ 946–948 BGB) . . . . . . . a) Bildung von Miteigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehung von Alleineigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verarbeitung (§ 950 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsinhalt und Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherungsbedürfnis der Eigentümer der Ausgangsstoffe . . . . . . . . . . . c) Sonderfragen im Zusammenhang mit künstlerischer Betätigung . . . . aa) Rechtswidrigkeit von Bearbeitungen fremder Sachen . . . . . . . . . . bb) Kein zwingender Eigentumserwerb infolge künstlerischer Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beseitigungsbefugnis des Eigentümers trotz fremden Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Neuerwerb und Fruchterwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungskonzepte und ideengeschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . b) Wirkungsweise der Eigentumsgarantie beim originären Erwerb . . . . . aa) Vorgaben für die Schaffung und Ausgestaltung originärer Eigentumserwerbstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Wirkungen des Art. 14 GG in Fällen des originären Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb von Erzeugnissen und Bestandteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundregel (§ 958 Abs. 1 BGB): Jedermann-Recht . . . . . . . . . . . . . . . b) Aneignungsverbote (§ 958 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionen von § 958 Abs. 2 Var. 1 und Var. 2 BGB . . . . . . . . . . bb) Gesetzgebungskompetenz für Aneignungsverbote . . . . . . . . . . . . . c) Landesrechtliche Aneignungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Formelle Vereinbarkeit mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verhältnis des Kompetenzkatalogs im GG zu den Vorbehalten zugunsten der Landesgesetzgebung im EGBGB . . . . . . . . (3) Einordnung der Aneignungsrechte als „Bürgerliches Recht“

668 670 670 671 671 673 674 675 675 676 677 677 679 681 681 684 684 686 686 686 687 687 688 689 691 691 691 691 692 693 693 693 694 695

Inhaltsverzeichnis (4) Zulässigkeit nach Art. 72 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 111 EGBGB bb) Materielle Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fortgeltung des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf als Grundrecht . . . 4. Schatzfund (§ 984 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Regelungen im BGB und im Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Sonderregelungen . aa) Erwerbsrechte als „Schatzregal“ i. S. d. Art. 73 EGBGB . . . . . . . . bb) Zulässigkeit als denkmalschutzrechtliche Regelung nach Art. 70 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entdeckeranteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigentümeranteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Betroffenheit von Eigentümerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigentumsdogmatische Qualifizierung des Eingriffs; Prüfungsmaßstab, Ziellegitimität, Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Angemessenheit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Möglichkeit einer Regelung durch andere, nur wenig ineffektivere Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forschungsfreiheit und Allgemeininteresse an plastischer Vermittlung geschichtlichen Wissens . . . . . . . . . . . . (c) Kooperationsbereitschaft des Eigentümers . . . . . . . . . . . . (d) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Gewicht der Eigentümerinteressen bei Altersfunden . . . . (f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anhang: Einordnung landesrechtlicher Ablieferungspflichten . . . . . . .

27 697 699 700 701 701 703 703 706 708 708 709 710

711 713 713 714 715 715 716 718 719

Teil 5 Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

721

A. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 B. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777

Abkürzungsverzeichnis BayKJG

Gesetz über Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinderund Jugendspieleinrichtungen (KJG), v. 20.7.2011, GVBl. 304 m.w. N. mit weiteren Nachweisen NRBeschrG Gesetz zur Beschränkung der Nachbarrechte gegenüber Betrieben, die für die Volksertüchtigung von besonderer Bedeutung sind, v. 13.12.1933, RGBl. I, 1058 SV Sondervotum (zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts) Vorentwurf Sachenrecht Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Sachenrecht mit Begründung, Berlin 1880, hrsg. von Johow, Reinhold

Teil 1

Einleitung A. Ausgangslage Der Umfang der Befugnisse, die dem Eigentümer beim Gebrauch seiner Sachen zustehen, ist seit jeher Anlass für Rechtsstreitigkeiten, da an dieser Stelle die Herrschafts- und Freiheitssphären der einzelnen Mitglieder eines Gemeinwesens in einzigartiger Weise zusammenstoßen. Der Eigentümer, der nach § 903 S. 1 BGB1 im Grundsatz beliebig mit seiner Sache verfahren und jedem anderen ein dabei nachteiliges Verhalten verbieten darf, muss Einschränkungen seiner Rechtsmacht aufgrund eine Vielzahl von Regelungen hinnehmen, die sich aus den verschiedensten Bereichen der Rechtsordnung ergeben. Bei derartigen Geund Verboten mag zuerst an Befugniseinschränkungen aus dem Bereich des öffentlichen Rechts gedacht werden, doch resultieren sie in mindestens ebenso bedeutender Weise aus der Zivilrechtsordnung selbst. Konfliktpotential bergen hier die Befugnisse anderer Eigentümer – im praktisch häufigsten und wohl auch wichtigsten Fall: benachbarter Grundstückseigentümer –, die Rechtspositionen beschränkt dinglicher Rechte anderer Personen an der Sache und die Rechte beliebiger dritter Personen. Die Ausnutzung solcher Befugnisse geht, auch wenn sie meist nur eine Mitbenutzung oder ein beeinträchtigendes Verhalten in einzelnen Beziehungen gestatten, regelmäßig mit nachteiligen Wirkungen für den Eigentümer einher. In einer Rechtsordnung, in der die Grundrechte verbindliche Vorgaben für jedes Handeln des Staates und seiner Organe entfalten, werden auch die Eigentumsnutzung und die daraus resultierenden Konflikte der Bürger untereinander von der Verfassung beeinflusst. Dies beruht darauf, dass das Eigentum als Recht zu seiner Existenz ein staatliches Tätigwerden – in Gestalt der Rechtssetzung durch die Gesetzgebung – voraussetzt und in einem Rechtsstreit staatliche Gerichte darüber entscheiden, welche Befugnisse dem Eigentümer gegenüber den anderen Personen zustehen. Der Eigentumsschutz gegenüber den staatlichen Organen, der in Art. 1 Abs. 3 und Art. 14 GG niedergelegt ist, wirkt daher mittelbar auch auf die Beziehungen der Privatrechtssubjekte untereinander ein. Das bürgerliche Recht und der von ihm geregelte Bereich der Interaktion der Privaten ist 1 Wenn in dieser Arbeit von § 903 BGB die Rede ist, ist damit ausschließlich dessen Satz 1 (der ursprünglich einzige Satz der Vorschrift) gemeint.

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Teil 1: Einleitung

allerdings gerade das Feld, auf dem die Befugnisse, die das Eigentum verleiht, im Regelfall ausgeübt werden und sich so aktualisieren; die Garantie des Eigentums im Grundgesetz gegenüber der Staatsgewalt erscheint daher nur als eine Ausweitung dieses – an sich ursprünglichen und primären – Funktionsraumes. Die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik und die zivilrechtlichen Regelungen über die im Eigentum enthaltenen Befugnisse gegenüber den anderen Privaten stehen deshalb in einer intensiven Wechselbeziehung. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts können somit auch dann Veränderungen der Rechtslage im Bürger-Bürger-Verhältnis nach sich ziehen oder entsprechende legislative Schritte erfordern, wenn sie unmittelbar einen Konflikt des Eigentumsrechts mit anderen „allgemeinwohlbezogenen“ Belangen in der Staat-Bürger-Beziehung zum Gegenstand haben. Derartige Entscheidungen sind in den letzten Jahrzehnten in großer Zahl ergangen: Die Beschlüsse zum Kleingartengesetz,2 zu den Pflichtexemplaren3 und – als prominentester – zur Nassauskiesung4 haben sowohl Staats- als auch Zivilrechtler Anfang der 1980er Jahre veranlasst, sich intensiv mit der Frage zu befassen, inwieweit eine „Eigentumswende“ erfolgt ist und von welchem Grundverständnis beim verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz künftig auszugehen ist. Die Konsequenzen, die aus der „neuen“ Rechtsprechung zu ziehen waren, wurden sehr unterschiedlich beurteilt; dabei wurde die Bedeutung für die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und Verwaltungsgerichte zumeist vorrangig im Hinblick auf das Staatshaftungsrecht5 diskutiert. Zum Teil schienen die Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung einerseits und Enteignung andererseits sowie die damit scheinbar untrennbar verbundene Entschädigungsfrage zunächst sogar eher weniger klar als früher. Demgemäß bemängelten zahlreiche wissenschaftlicher Abhandlungen,6 dass lediglich eine Verschiebung zahlreicher Problematiken aus dem Bereich der Enteignungen hinein in den Regelungskomplex der Inhalts- und Schrankenbestimmungen erfolgt sei. Weitergehende Folgerungen zu den Konsequenzen für die Zivilrechtsordnung, insbesondere für das Sachenrecht, wurden allerdings nur vereinzelt gezogen. Grund hierfür dürfte zum einen gewesen sein, dass derartige Folgerungen bereits mangels tragfähiger und anerkannter Ausgangsbasis kaum möglich waren, und zum anderen, dass wegen der proklamierten Trennung von verfassungsrechtlichem und zivilrechtlichen Eigentumsbegriff die Intensität und Komplexität der Wechselwirkungen eher ver2

BVerfGE 52, 1. BVerfGE 58, 137. 4 BVerfGE 58, 300; zu den Hintergründen und Folgewirkungen dieser Entscheidung vgl. Lege, JZ 2011, 1084 ff. 5 Hier zu verstehen im weiten Sinn als „Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen“, also einschließlich des Enteignungsrechts und der sonstigen Ausgleichsansprüche für hoheitliche Eigentumseingriffe. 6 Vgl. unten Teil 2 C.II.3.a). 3

B. Untersuchungsgegenstand

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deckt wurde. Eine vollständige Antwort auf die genannten Fragenkomplexe konnte in der Folgezeit auch den Entscheidungen des BVerfG zu den Fischereirechten7 und zum bergrechtlichen Vorkaufsrecht8 nicht entnommen werden. Die vermisste Klarheit über die Linie des BVerfG zu diesen Punkten wurde erst durch eine Gruppe von Entscheidungen im Zeitraum von 1999 bis 2005 erzielt. Sie führen dabei die entwickelten Grundsätze inhaltlich weiter, indem sie zusätzliche Forderungen an die einfachgesetzliche Lage aufstellen. Sachlich befassen sich auch diese Entscheidungen überwiegend mit Fallgestaltungen aus dem Verwaltungsrecht, so etwa der Beschluss zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz,9 zur Zustandsstörerhaftung für Altlasten10 und zur Baulandumlegung.11 Daneben ergingen in diesem Zeitraum die Entscheidungen zum Aktienrecht12 und zum Versicherungsrecht13, also zu Gebieten des Privatrechts.

B. Untersuchungsgegenstand Zivilrechtliche Normen unterliegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben und der verfassungsgerichtlichen Kontrolle und müssen ihnen genügen, so dass die beschriebenen Entwicklungen in der Eigentumsdogmatik nicht vor den Bestimmungen Halt machen, die das Verhältnis von Privatpersonen untereinander regeln. Damit wird die Frage aktuell, ob und ggf. wie das bürgerliche Recht, insbesondere die Regeln des Sachenrechts, an diese neu erkannten und neu entwickelten Anforderungen anzupassen sind. In dieser Arbeit sollen daher die Auswirkungen des Verfassungsrechts und der jüngeren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung – einschließlich der hierzu veröffentlichten Literatur – auf die materiellen sachenrechtlichen Normen des BGB und einiger Nebengesetze sowie auf die zu ihnen ergangene Rechtsprechung untersucht werden. Dabei können gleichzeitig die verfassungsdogmatischen Ansätze auf ihre Praktikabilität und Schlüssigkeit hin untersucht werden. Wegen der großen Zahl an Normen und Einzelkonstellationen kann dies jedoch nicht umfassend und flächendeckend, sondern nur anhand der grundlegenden sachenrechtlichen Strukturen und einiger ausgewählter Konfliktsituationen erfolgen, die als Modell für andere Bereiche dienen können. Der überwiegende Teil dieser Untersuchung befasst sich deshalb mit den Bestimmungen, die die Befugnisse zum Gegenstand haben, die ein dingliches Recht 7

BVerfGE 70, 191. BVerfGE 83, 201. 9 BVerfGE 100, 226. 10 BVerfGE 102, 1. 11 BVerfGE 104, 1. 12 BVerfGE 100, 289; BVerfG NJW 2001, 279. 13 BVerfGE 114, 1 und BVerfGE 114, 73. 8

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Teil 1: Einleitung

seinem Inhaber gegenüber jeder anderen Person gewährt. Diese Regelungen sind als Primäransprüche auf die Verwirklichung des Rechts gerichtet, gewähren also Ansprüche auf Unterlassung eines bestimmten Verhaltens oder auf Beseitigung von nachteiligen Zuständen. Beispiele sind der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§ 985 BGB) und der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei anderen Störungen (§ 1004 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB) einschließlich der damit zusammenhängenden Regelungen über die Duldungspflichten, die diese Ansprüche einschränken oder ausschließen (vgl. § 1004 Abs. 2 BGB). Hier steht die Frage im Mittelpunkt, wie umfangreich die Befugnisse, die das Eigentum oder andere Rechte an Sachen geben, in den jeweiligen Situationen sind und aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben sein müssen; da mit diesen Bestimmungen Handlungsbefugnisse verteilt werden, sind immerhin die grundrechtlich geschützten Interessen beider Betroffener – des Eigentümers und des anderen Bürgers – zu beachten. Eng mit diesen Ansprüchen sind Sekundäransprüche verknüpft, die in Gestalt von Schadensersatz für die verschuldete oder unverschuldete Herbeiführung von Schäden, als Bereicherungsansprüche wegen ungerechtfertigten Eingriffs in fremde Rechtspositionen oder als Aufopferungsentschädigungsansprüche i. e. S. anzutreffen sind. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht auf Unterlassung oder Beseitigung künftiger oder gegenwärtiger Störungen gerichtet sind, sondern an zurückliegende Ereignisse anknüpfen und einen Vermögensausgleich zugunsten des Inhabers eines dinglichen Rechts vornehmen. Die genannten Fragen und Wertungen, wie weit sich welche Person zu Lasten einer anderen entfalten darf, wirken hier z. B. beim Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit auf die deliktischen Ersatzansprüche ein. Für diese Ansprüche ist zu klären, unter welchen Bedingungen der Gesetzgeber sie kraft Verfassungsrechts schaffen darf und schaffen muss, und welche zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen sie ggf. aufweisen müssen und können. Diese Gruppe von Regelungen weist insgesamt eine gewisse Nähe zum Schuldrecht auf,14 da es sich jeweils um Ansprüche i. S. d. § 194 Abs. 1 BGB handelt und sich meist ausschließlich zwei Personen – der Eigentümer und ein Anspruchsgegner – gegenüberstehen. Den zweiten großen Kreis der zu untersuchenden Regelungen bilden die Zuordnungsregeln. Nach diesen Regelungen, zu denen die originären und derivativen Erwerbs- und Verlusttatbestände gehören, bestimmt sich, wem ein dingliches Recht zusteht. Sie betreffen somit die Rechtsinhaberschaft als Grundlage der genannten primären und sekundären Ansprüche, gewähren aber nicht selbst Ansprüche. Kennzeichnend für diese Regelungen ist, dass ihre Ausgestaltung häufig auch Interessen konkreter Dritter oder aller anderen Privatrechtssubjekte (sog. Verkehrsinteressen) berührt, so dass der Rechtssicherheit zusätzlich Einfluss und Gewicht zukommt.

14

Vgl. Mühl, NJW 1956, 1657 (1658); Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (187).

C. Gang der Darstellung

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C. Gang der Darstellung Die Normen des BGB-Sachenrechts und die anderen gesetzlichen Bestimmungen, die sich mit dem Schutz des Eigentums befassen, wurden bereits bei der Beschreibung des Untersuchungsgegenstands grob klassifiziert.15 Hierbei konnten auch die jeweils bestimmenden Interessenkonflikte einschließlich der dahinter stehenden Grundrechte skizzenartig aufgezeigt und die Tatbestandsmerkmale einiger Normen hervorgehoben werden, bei denen die Interessen und grundrechtlichen Wertungen im Sinne einer „mittelbaren Drittwirkung“ in die gesetzlichen Regelungen einfließen können und müssen. Der erste Hauptteil der Arbeit beginnt mit einer Analyse, in welcher Weise den Grundrechte im Privatrecht allgemein Wirkung zukommt (Teil 2 A.). Im anschließenden Abschnitt wird das Verständnis des BVerfG und der Literatur zu Struktur und Inhalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie kritisch untersucht. Dabei können bereits allgemeine Grundsätze zur Einordnung privatrechtlicher Regeln in das Regelungssystem des Art. 14 GG (Stichworte: Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung; verfassungsdogmatische Einordnung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen als Ausgestaltungsakte oder als Eingriffe) aufgestellt werden und aus der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung abstrakte Folgerungen für die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsnormen gezogen werden (Stichworte: Bedeutung der materiellrechtlichen Abwehransprüche und der gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen der Schutzpflichten; Entschädigungsgebot; jeweils Teil 2 B.). Mit dem Verhältnis von Verfassungsrecht und Gesetzgebung, der Aufgabe des BGB-Gesetzgebers und der Zivilrechtsprechung sowie der Art und Intensität grundrechtlicher Vorgaben hierzu befasst sich der folgende Abschnitt (Teil 2 C.). Die eher allgemeinen Erwägungen schließen mit dem Teil 3, in dem einerseits die unterschiedlichen Eigentumsschutzansprüche im weitesten Sinn, andererseits die grundlegenden Prinzipien und Strukturen des Sachenrechts einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Im 4. Teil der Arbeit sind die bisher erarbeiteten Maßstäbe auf einzelne Regelungsbereiche des Sachenrechts anzuwenden. Den Beginn hierzu bilden der Herausgabeanspruch des Eigentümers und das Verhältnis zwischen Eigentümer und nichtberechtigtem Besitzer (Teil 4 A.). Anschließend werden das Störer-Eigentümer-Verhältnis allgemein sowie in einigen Sonderkonstellationen und Nebengebieten weiter untersucht (Teil 4 B.). Dabei wird zunächst vertieft der Frage nachgegangen, welchen Inhalt die negatorischen Abwehransprüche aufweisen. Anschließend wird § 906 BGB mit seinen offenen Begriffen und den Wechselwirkungen mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften unter verfassungsrechtlichen 15 Eine Rechtfertigung dieser Einteilung wird, soweit erforderlich, im Verlauf der Abhandlung an geeigneter Stelle erfolgen.

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Teil 1: Einleitung

Blickwinkeln näher beleuchtet und die Rechtsprechung zu den „negativen“ und „ideellen“ Immissionen untersucht. Ferner wird die Problematik verschuldensunabhängiger Ausgleichsansprüche – in direkter Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und in Analogie hierzu bei „faktischem Duldungszwang“ und bei „gemeindienlichen Anlagen“ – einer Betrachtung aus verfassungsrechtlicher Perspektive unterzogen. Abschließend sind in diesem Zusammenhang bestimmte Formen der Mitbenutzung von Grundstücken in anderer Form – Duldung unter dem Grundstück umgehenden Bergbaus, Telekommunikationsleitungen, Notweg, Überbau, Grenzanlagen – sowie einzelne Problemfelder im Bereich des Wohnungseigentums und des Mietrechts zu behandeln.16 Gegenstand der weiteren Abschnitte sind die Besitzschutzrechte und -ansprüche (Teil 4 C.) und das Verhältnis der beschränkten dinglichen Rechte zum Vollrecht (Teil 4 D.). Im letztgenannten sind insbesondere Anpassungsprobleme bei Dienstbarkeiten und die Übertragbarkeit der Bürgschafts-Rechtsprechung17 des BVerfG auf dingliche Verwertungsrechte (Sicherungsrechte) anzusprechen. Abschließend sind die Regeln zum rechtsgeschäftlichen Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten und zum originären Erwerb, jeweils einschließlich damit verbundener Ausgleichsansprüche, auf ihre Kompatibilität mit dem GG hin zu untersuchen (Teil 4 E.). In einem Ausblick soll in Teil 5 – ausgehend von den im Laufe der Arbeit zutage getretenen Erkenntnissen – der Bedarf nach einer Ausweitung der dinglichen Rechte anhand neuerer Entwicklungen und Bedürfnisse kurz diskutiert werden. Anschließend werden die gewonnenen Ergebnisse zusammengefasst und dabei die ermittelten Prinzipien, die den Gesetzgeber und die Rechtsprechung leiten, nochmals thesenartig herausgearbeitet.

16 Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ergeben und Gegenstand spezieller Gesetzgebung sind, sollen dabei jedoch – aus Platzgründen – nicht gesondert erörtert werden. 17 BVerfGE 89, 214.

Teil 2

Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht A. Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht Eine Untersuchung der sachenrechtlichen Vorschriften des BGB und anderer zivilrechtlicher Gesetze muss von der Analyse ausgehen, wie verfassungsrechtliche Garantien – besonders das Eigentumsgrundrecht – in das Zivilrecht hineinwirken und Vorgaben für dieses entfalten. Diese Frage wird seit Inkrafttreten des Grundgesetzes intensiv diskutiert.1

I. Theorien einer unmittelbaren Drittwirkung Die „Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung“ in ihrer klassischen Form zieht aus dem Umstand, dass das Grundgesetz den Grundrechten eine im Vergleich zur WRV herausgehobene Stellung einräumt, den Schluss, dass die grundgesetzliche Rechts- und Werteordnung das gesamte Leben ordne und jedenfalls einige Grundrechte auch zwischen den Bürgern untereinander unbedingt und direkt gelten sollten.2 Bereits nach dem Verständnis der Aufklärung sollten die Grundrechte vorwiegend der Freiheitsverwirklichung der Bürger untereinander dienen.3 Für die unmittelbare Drittwirkung wird weiter das a-fortiori-Argument 1 Einen Überblick über das Schrifttum bis 1960 gibt Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 338 ff. – Die Problematik war bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes bekannt und Gegenstand der Erörterung in Rechtsprechung und Wissenschaft, vgl. RGZ 26, 337 (340); 45, 251 (253); 58, 130 (135), die eine unmittelbare Anwendung von Verfassungsrecht in zivilrechtlichen Streitigkeiten ablehnen, da die Verfassung nur eine Direktive für die Gesetzgebung enthalte; ferner Berkemann, EuGRZ 1986, 80 ff. Die Thematik stellt sich ferner auf europarechtlicher Ebene bei den Grundfreiheiten; diese weitere Facette (vgl. etwa Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (18 ff.)) kann hier nicht vertieft behandelt werden. 2 Laufke, FS Lehmann, S. 150 ff.; Krüger, RdA 1954, 365 (369); und besonders Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 17; sowie BAGE 1, 185 (193), dessen Präsident Nipperdey war. Vgl. ferner BGHZ 33, 145 (149 f.); 38, 317 (319 f.). 3 Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (940 ff.); Laufke, FS Lehmann, S. 147 ff.; vgl. allgemein auch Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (283 f.); ablehnend Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1224). – Lücke, JZ 1999, 377 (378 f.) stützt eine Grundrechtsverpflichtung juristischer oder natürlicher Personen auf Art. 19 Abs. 3 GG, da „gelten“ auch eine Grundrechtsverpflichtung bedeute und auch nach herrschendem Verständnis auch juristische Personen der Sozialpflichtigkeit unterliegen. Grundpflichten erlegen aber ihrem Wesen nach stets

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

(„Wenn schon der Staat als Hoheitsträger den Bindungen der Grundrechte unterliege, muss erst recht der Private an sie gebunden sein“) und der Umstand angeführt, dass jedenfalls bei Freiheitsbeeinträchtigungen, die außerhalb vertraglicher Beziehungen erfolgen, für den Betroffenen unerheblich sei, ob sie von einem Hoheitsträger oder einem Privaten ausgehen.4 Als Anhaltspunkt für die unmittelbare Drittwirkung im Text des Grundgesetzes wird Art. 1 Abs. 2 GG herangezogen, nach dem sich das gesamte Volk – also auch jeder einzelne Bürger – zu den Grundrechten bekennt.5 Zumindest einzelne Grundrechte seien daher – je nach ihrem Inhalt, Wesen und Funktion – in der Lage, unmittelbar normativ privatrechtliche Vorschriften und die durch diese begründeten privatrechtlichen Bindungen aufzuheben, zu modifizieren oder neu zu schaffen.6 Dies sei insbesondere der Fall, wenn ein Privater rechtlich oder zumindest faktisch eine mit dem Staat vergleichbare Herrschaftsposition besitzt („soziale Macht“),7 wie es etwa im Vereins- oder Verbandsrecht und vor allem im Arbeitsrecht der Fall sei.8 Charakteristisch und wesentlich für die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung ist, dass nach ihr die Grundrechtsnormen selbst dem anderen Bürger entgegengehalten werden können.9 Die sich hieraus ergebende Schwierigkeit, dass den Rechtssubjekten (einschließlich natürlicher Personen) Pflichten auf; die Beachtlichkeit der Grundpflichten beruht daher nicht auf dem Terminus „gelten“. 4 Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 319 ff. 5 Nipperdey, RdA 1950, 121 (125); Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (406 f.). – Als weiteres Argument wurde u. a. angeführt, die ausdrückliche Anordnung einer unmittelbaren Wirkung in Art. 9 Abs. 3 GG oder Bestimmungen der Landesverfassungen verlange nach einer Analogie, Nipperdey, RdA 1950, 121 (124); Krüger, RdA 1954, 365 (369); hiergegen statt vieler Erichsen, Jura 1996, 527 (530); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 175. 6 Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 15, 17 ff.; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 356 ff.; Laufke, FS Lehmann, S. 150, 166. – Die inhaltliche Reichweite könne allerdings im Einzelfall hinter der Wirkkraft der Grundrechte gegenüber dem Staat zurückbleiben, so Nipperdey, RdA 1950, 121 (125); ähnlich ders., Grundrechte und Privatrecht, S. 18; differenzierend nach „Persönlichkeitsbezug“, „Politischem Bezug“ und „Minimalbezug“ Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 394 ff. 7 Laufke, FS Lehmann, S. 148, 181 ff., Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 379 ff.; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (407 ff.); dargestellt auch bei Mikat, FS Nipperdey, S. 585; vgl. ferner Rüfner, GS Martens, S. 228. 8 Der Streit um „gleichen Lohn für Frauen und Männer“ diente plakativ dazu, die Notwendigkeit einer unmittelbaren Grundrechtsbindung nachzuweisen (vgl. Nipperdey, RdA 1950, 121 ff.; Schmidt-Rimpler u. a., AöR 76 (1950/51), 165 ff.; Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (339 f. m. Fn. 3)). Das BAG schloss sich der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung frühzeitig (beginnend mit BAGE 1, 185 (193 f.); 1, 258 (262 ff.); 4, 274 (276 ff.); 24, 438 (441)) zumindest der Formulierung nach an (vgl. die nähere Analyse bei Classen, AöR 122 (1997), 65 (67 f.)). Inzwischen folgt das BAG im Bereich des Individualarbeitsrechts den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung, vgl. BAGE 47, 363 (373); 48, 122 (138 f.); BAG NZA 1990, 144 (145); NZA 1986, 21 (21 f.); NJW 2003, 1685 (1686 f.). 9 So zutreffend herausgestellt von V. Götz, Verwirklichung, S. 37, und van der Walt, DÖV 2001, 805 (807 f.).

A. Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht

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beide beteiligten Privaten Freiheitsrechte für sich in Anspruch nehmen können, wird mit dem „Vertragsvorbehalt“ gelöst: Die Bürger können ihre Rechtspositionen durch Vereinbarungen untereinander abgrenzen, wenn die Verfassung einen geschriebenen Schranken- oder Gesetzesvorbehalt aufweist, der Wesensgehalt des betreffenden Grundrechts nicht berührt wird und eine echte Freiheitsbetätigung vorliegt (d.h. nicht eine Fremdbestimmung erfolgt ist, wie sie besonders bei einer „sozialen Macht“ als Gegenüber droht).10 Im Ergebnis stellt daher nur ein völlig willkürliches Verhaltens oder eine jedes vernünftigen Grundes entbehrende Differenzierung nach den missbilligten Kriterien der Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar.11 Mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts im Verfassungstext wollte der Verfassungsgeber zum Ausdruck bringen, dass die Grundrechte – anders als in der WRV – nicht nur Leitlinien für die Gesetzgebung sind.12 Eine Erweiterung des Adressatenkreises auf nicht-staatliche Akteure und eine Umgestaltung des Privatrechts war – wie sich auch aus Art. 1 Abs. 3 GG ex contrario entnehmen lässt – nicht beabsichtigt.13 Ein systematisches Argument dafür, dass die Grundrechte nur Freiheitsgefährdungen aus der Sphäre staatlicher Hoheitsträger betreffen, liefern die Schrankenbestimmungen der einzelnen Grundrechtsartikel, die sich durchwegs nur mit spezifisch „öffentlichen“ Zwecken als Rechtfertigungsgründe befassen.14 Der beschriebene a-fortiori-Schluss geht fehl, weil das Ver10 Vgl. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 329 ff., 384 ff. (insbes. S. 330, 389); Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 19 ff.; Laufke, FS Lehmann, S. 166 ff.; Krüger, RdA 1954, 365 (371 ff.); ablehnend Robbers, JuS 1985, 925 (928 f.). – Weiter zur Konstruktion des Vertrages unten Teil 4 B.IV.2.a)bb)(1). 11 Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 21 ff.; BAGE 13, 103 (105); 24, 438 (441); Starck, JuS 1981, 237 (243); Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 385. 12 Vgl. Anschütz, Art. 70 Anm. 4; ferner Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 11; Laufke, FS Lehmann, S. 156; Rüfner, GS Martens, S. 215. 13 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (205); ders., JuS 1989, 161 (162); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 48; ders., AcP 198 (1998), S. 171 (225); Dürig, FS Nawiasky, S. 158; Isensee, FS Großfeld, S. 491; Jellinek, BB 1950, 425; Maunz, FS Apelt, S. 118; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (43); Schmidt-Rimpler u. a., AöR 76 (1950/51), 165 (169 f.); Singer, JZ 1995, 1133 (1135); Starck, JuS 1981, 237 (244 f.). 14 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204); ders., JuS 1989, 161 (162); auch Schapp, ZBB 1999, 30 (32); Robbers, JuS 1985, 925 (928). Noch weiter Starck, Auslegung und Wirkungen, S. 25, der dem Grundrechtskatalog selbst einen solchen Zuschnitt entnehmen will; allgemein v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 16. – Hiermit hängt auch zusammen, dass die Lehre vom Vertragsvorbehalt sonderbare Blüten zeitigt: Fehlt eine Möglichkeit einer Beschränkung durch Gesetz, wäre ihm zufolge auch keine privatautonomen Disposition über das Grundrecht zulässig. Mitwirkungs- und Mitspracherechte des Auftraggebers im von Art. 5 Abs. 3 GG erfassten Bereich künstlerischer Leistungen wären ganz verboten (vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 38). Ein vertraglicher Verzicht auf Teilnehme an Demonstrationen in geschlossenen Räumen würde an Art. 8 GG scheitern, nicht aber bei Versammlungen unter freiem Himmel. Dieses Ergebnis hält sogar Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 387 für „unerwartet“, sieht darin aber, weil es kaum schwerwiegend sei, keinen Einwand gegen seine Konstruktion.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

hältnis Staat-Bürger nicht eine qualitative Steigerung zu den Bürger-Bürger-Beziehungen darstellt, sondern beide wesensmäßig andersartig sind: In dem von hoheitlicher Über-/Unterordnung geprägten Verhältnis des Bürgers zum Staat ist stets die Gefahr präsent, dass einseitig in Freiheitssphären des Einzelnen eingegriffen wird. Dagegen will das auf Gleichordnung beruhende Zivilrecht den Bürgern eine möglichst weitgehende eigenverantwortliche Freiheitsentfaltung ermöglichen, auch, indem sie in der konkreten Situation über die ihnen eröffnete Freiheit disponieren.15 Schließlich lässt sich eine Grundrechtsbindung Privater nicht darauf stützen, dass bisweilen eine „soziale Macht“ faktisch besteht: Zum einen kann ein freies Aushandeln von fairen Vertragsbedingungen trotz eines Machtgefälles möglich sein und umgekehrt auch ohne typisierbares Machtgefälle Bedarf nach Grundrechtswirkungen gegeben sein.16 Zum anderen besitzt – unabhängig von faktischen Stärkepositionen Privater – nur der Staat die rechtliche Befugnis, einseitig-verbindliche Regeln setzen und sie erforderlichenfalls mit Zwang durchsetzen; allein hiergegen sollen die Grundrechte den Einzelnen im Rechtsstaat bewahren.17

II. Ansätze zur Begründung einer mittelbaren Drittwirkung Die angestellten Überlegungen bedeuten nicht, dass die Grundrechte für die Beziehungen der Privatrechtssubjekte untereinander keinerlei Relevanz besitzen. Die vorgetragenen Argumente richten sich weniger gegen die einzelnen Ergebnisse der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung als gegen die von ihr angenommene Art und Weise der Wirkung auf die privaten Rechtsbeziehungen. Daher muss die Grundrechtswirkung im Privatrecht auf andere Weise erklärt werden; die hierzu diskutierten Ansätze knüpfen dabei an die verschiedenen „Grundrechtstheorien“ an.18 15 Vgl. Dürig, FS Nawiasky, S. 163 mit Fn. 8, 164; ders., DÖV 1958, 194 (196); ders., ZGesStW 109 (1953), 326 (340); H. Dreier, Jura 1994, 505 (510); V. Götz, Verwirklichung, S. 78; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); Krause, JZ 1984, 656 (658 f.); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (43); Mikat, FS Nipperdey, S. 589; Rüfner, GS Martens, S. 223; ders., HdbStR § 117, Rdnr. 69; Singer, JZ 1995, 1133 (1135); Starck, Auslegung und Wirkungen, S. 24; ferner – z. T. abweichend – Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 53 ff. 16 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (206 f.); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 52 m. Fn. 56; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 91; Rüfner, HdbStR § 117 Rdnr. 78; Rittner, JZ 2011, 269 (272); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 80; Schwabe, AöR 100 (1975), 442 (461 f.). Für einen abgestuften Maßstab (Verband, auf Mitgliedschaft in dem man zur Verwirklichung grundrechtlicher Freiheiten angewiesen ist – Geselligkeitsverein) daher BVerfG FamRZ 1987, 1047. 17 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (206); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 52 (Fn. 56); Isensee, FS Sendler, S. 48; Jung, JZ 2001, 1004 (1007); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1224); ähnlich H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (168). – Anders insoweit bei der Normsetzung durch Verbände, Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (22).

A. Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht

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1. „Generalklauseln als Einfallstore“ und „Ausstrahlungswirkung der objektiven Wertordnung“: Die „mittelbare Drittwirkung“ im klassischen Sinn Nach der klassischen Form der Lehre von der „mittelbaren Drittwirkung“ wird die Privatrechtsordnung von den Grundrechten dadurch beeinflusst, dass die Grundrechte (auch)19 eine objektive Wertordnung enthalten, der Bedeutung für alle Bereiche des Rechts zukommt. Diese verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen wirkten über die zivilrechtlichen Bestimmungen in vielfältiger und weitgehender Weise in das Privatrecht hinein20 und gäben ihm vielfältige Richtlinien und Impulse.21 Der auf diese Weise hineinwirkende „objektive Wertgehalt“ lässt sich aus der Grundrechtsnorm gewinnen, indem von jedem der drei Elemente, die das Grundrecht in seiner ursprünglichen subjektiven Bedeutung als Unterlassungsanspruch (1) des Bürgers (2) gegen den Staat (3) kennzeichnen, abstrahiert wird. Ergebnis ist das bloße Gesollt-Sein der jeweiligen Freiheit.22 Die vertikale Ausrichtung der Grundrechte wird auf diese Weise um eine in gewisser Weise universale Regelungsqualität erweitert.23 Der wesentliche „konstruktive“ Unterschied zur unmittelbaren Drittwirkung besteht somit darin, dass die Verfassung nicht selbst neue privatrechtliche Nichtigkeitsgründe, Ansprüche oder Verhaltenspflichten schafft,24 sondern bei den Bestimmungen des einfachen Rechts ansetzt. Voraussetzung einer Beeinflussung durch die Grundrechtsordnung ist damit, dass die Privatrechtsnormen für deren Einfluss offen sind. Die klassische Lehre von der „mittelbaren Drittwirkung“ 18 Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang bei Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 333 (334 f.); grundlegend zur Grundrechtstheorie als Vorverständnis und Interpretationsergebnis ferner Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, passim, z. B. S. 132 ff. 19 Der objektive Wertgehalt trete neben die primäre Abwehrfunktion der Grundrechte, ergänze sie und verstärke sie in ihrer Geltungskraft, könne aber nicht von ihr gelöst werden, vgl. BVerfGE 50, 290 (337); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (10, 16 ff.) m.w. N.; Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2101 ff.). 20 Vgl. Dürig, FS Nawiasky, passim; Mikat, FS Nipperdey, S. 582 f.; Rüfner, GS Martens, S. 216 f.; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (366); BVerfGE 25, 256 (263); 34, 269 (280); 49, 89 (142); 73, 261 (269); 75, 201 (218); 81, 242 (254); 89, 214 (229); BVerfG NJW 2004, 2008 (2009); BGH NJW 1986, 2944 (2944). 21 BVerfGE 7, 198 (205); 89, 214 (229); 96, 375 (398); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (10); Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 84 ff. 22 Vgl. Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (57); Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 (passim, insbes. S. 453, 457 f., 483 ff.); Sieckmann, Rechtstheorie 25 (1994), 163 (167 ff.). 23 Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (162). 24 Dürig, FS Nawiasky, S. 160 (Fn. 5); Classen, AöR 122 (1997), 65 (71); Rüfner, GS Martens, S. 219, 228 f.; ders., HdbStR § 117 Rdnr. 59; V. Götz, Verwirklichung, S. 78; ähnlich auch Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (559).

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stellt dabei besonders25 die zahlreichen Generalklauseln und wertausfüllungsbedürftigen Begriffe des Zivilrechts in den Mittelpunkt.26 Insbesondere bei der Anwendung und Auslegung dieser Bestimmungen sei zu fragen, ob eine bestimmte Deutungsweise zu einem Ergebnis führe, das mit der Verfassung nicht mehr in Einklang steht.27 Als Vorteil dieses Ansatzes wird genannt, dass den Gerichten anstelle eines starren Automatismus’ ein flexibles Instrument an die Hand gegeben28 und ein Vordringen der staatlichen Sphäre und einer Sozialisierung des Privatrechts verhindert werde.29 Vor allem sei die Geltungsintensität der Grundrechte geringer, was aber gerade sachgerecht sei, da der einzelne Private um seiner Freiheit willen grundsätzlich andere privilegieren oder diskriminieren dürfe und umgekehrt in eine eigene Ungleichbehandlung einwilligen könne. Die Grundrechte bildeten nur eine äußerst Grenze, die erst erreicht sei, wenn das Rechtsbewusstsein der Gemeinschaft die durch die Grundrechte gebotene Wertverwirklichung gestört sieht; demgegenüber müsse vieles andere, das dem Staat verboten ist, zwischen Privaten untereinander als „sozialadäquat“ noch zulässig sein.30 25 Aber nicht ausschließlich. Schon Dürig, FS Nawiasky, S. 177 f., stellt klar, dass die Grundrechte in den meisten Fällen nur die Richtigkeit des bestehenden Systems verdeutlichen oder zu einer Wertschärfung der Auslegung führen und nur ausnahmsweise zur Lückenfüllung herangezogen werden müssen. Vgl. auch Lücke, JZ 1999, 377 (383), und umfassend zur Grundrechtsverwirklichung durch differenzierte Regelsysteme unten C.I.4.b)cc); ferner Simon, AcP 204 (2004), 264 (291). – Weiter G. Hager, JuS 2006, 769 (770), der für möglich hält, dass die Grundsatznormen beim Fehlen einfachgesetzlicher Anknüpfungspunkte auch unmittelbar gelten können. 26 Dürig, FS Nawiasky, S. 176, 178; Maunz/Dürig/Dürig, Art. 1 Rdnr. 132; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 356; H. Dreier, Jura 1994, 505 (510); vgl. auch A. Blomeyer, JZ 1954, 309 (309 ff.); Starck, Auslegung und Wirkungen, S. 26; ders., JuS 1989, 237 (245). Aus der Rspr. vgl. BVerfGE 7, 198 (206); 73, 261 (269); 89, 214 (229); 90, 27 (33); 96, 375 (399); 103, 89 (100); BVerfG FamRZ 1987, 1047; NJW 2003, 2815 (2815); NJW 2004, 2008 (2009); NJW 2006, 596 (597 f.); BGH NJW 1986, 2944 (2944) m.w. N.; BAG NJW 2003, 1685 (1686); BayObLGZ 1996, 146 (148); OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 62 (62 f.). 27 So dargestellt von van der Walt, DÖV 2001, 805 (807 f.) nach BVerfGE 7, 198 (205 ff.); vgl. ferner BVerfGE 89, 214 (229); BVerfG NJW 2000, 2658 (2659). 28 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (209); ders., JuS 1989, 161 (162); Mikat, FS Nipperdey, S. 589; Pietzcker, FS Dürig S. 345. 29 Dürig, FS Nawiasky, S. 183 f.; ders., DÖV 1958, 194 (197); H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (169, Fn. 31); vgl. ferner Maunz/Dürig/Dürig, Art. 1 Rdnr. 132; Rüfner, GS Martens, S. 229 f. 30 Vgl. zum Ganzen Dürig, FS Nawiasky, S. 159 ff. mit Fn. 5; J. Hager, JZ 1994, 373 (377 f.); Jellinek, BB 1950, 425 (426); Mikat, FS Nipperdey, S. 591 ff.; Rüfner, GS Martens, S. 223; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 395 f.; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464); ähnlich Schmidt-Rimpler u. a., AöR 76 (1950/51), 165 (173); ferner Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (439): „Pflicht zur Gleichbehandlung (ist) die logische Negation der Priatautonomie“. – Dieses Ergebnis ist heute akzeptiert. Besondere Bedeutung kommt dem Aspekt, dass im Privatrechtsverkehr jeder die eigenen Wertvorstellungen durch entsprechenden Bedingungen gegenüber dem anderen verwirklichen darf, z. B. im kirchlichen Arbeitsrecht zu, vgl. BVerfGE 70, 138

A. Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht

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Gegen diese Konstruktion wurde eingewandt, dass – was an sich zutrifft – die Grundrechte nur punktuelle Freiheitsverbürgungen gegen typisierte Gefährdungslagen31 und nicht eine geschlossene, umfassende Ordnung auf dem Gebiet des Privatrechts enthalten.32 Diesem Umstand kann aber Rechnung getragen werden, indem der jeweilige Inhalt der Gewährleistung genau untersucht wird, bevor in eine Abwägung erfolgt.33 Der weitere Kritikpunkt, das Ausmaß, in dem die Grundwerte über diese „Ausstrahlungswirkung“ einfließt, und das Ergebnis des einzelnen Falles seien aufgrund der Vagheit der Verfassungswerte kaum vorhersehbar,34 wurzelt im Wertdenken selbst und stellt ein Anwendungsproblem dar:35 Werte und Rechtsprinzipien haben – im Unterschied zu definitiv geltenden Geboten oder Verboten – die Wirkungsweise von Optimierungsgeboten; ihre Anwendung erfolgt in der Form der Abwägung. Ihre Erfüllung ist damit zwangsläufig in unterschiedlichen Graden möglich und hängt von den konkreten tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ab.36 Die substantielle Ausfüllung der Prinzipien ist Aufgabe der Rechtsanwendung.37 Den Bestimmtheitsschwierigkeiten lässt sich weitgehend begegnen, wenn eine ausreichende Zahl von Entscheidungen des Gesetzgebers zu den Vorrangrelationen der einzelnen Werte gegenüber anderen (162, 167); BVerfG NJW 1994, 2346 (2347). Weiterer Anwendungsbereich ist das Erbrecht. Die Zivilrechtsprechung hat bis in die jüngeren Vergangenheit betont, dass erbrechtliche Gestaltungsformen, bei denen männliche Nachkommen bevorzugt wurden, wegen der Testierfreiheit des Erblassers (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG) wirksam sind. Sittenwidrigkeit (die nach § 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit führt) liegt nur bei bestimmten Verstößen, die aus besonderen Gründen als anstößig empfunden würden, vor, vgl. BGHZ 70, 313 (324 f.). Strenger scheint die Rechtsprechung neuerdings bei der Vereinbarkeit von Heiratsklauseln mit Art. 6 Abs. 1 GG zu sein, vgl. BVerfG NJW 2004, 2008 (2009 f.); BGHZ 140, 118 (128 ff., 132); BayObLGZ 1996, 204 (225 ff.). 31 Siehe nur Isensee, AfP 1993, 619 (621); ferner Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (186 ff.); Grimm, SV in BVerfGE 80, 137 (164); Lerche, FS Mahrenholz, S. 526; ders., ZZP 78 (1965), 1 (4); W. Schmidt, AöR 106 (1981), 497 (510 f.). 32 Vgl. Windel, Der Staat 37 (1998), 355 (389); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 77 ff.; ders., Jura 1997, 57 (59 ff.). 33 Vgl. unten C.I.2.a)bb)(2)(b). 34 In diese Richtung jeweils Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (939); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (212); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 85 ff.; J. Hager, JZ 1995, 373 (374); ders., Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 22; Isensee, FS Großfeld, S. 498, 511 f.; Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (167); Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 361 f., 370 ff.; Lerche, FS Odersky, S. 216; Lücke, JZ 1999, 377 (380 f.); Oldiges, FS Friauf, S. 288; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (58); Singer, JZ 1995, 1133 (1136). – Eher kritisch zum Wertdenken allgemein (und daher für ein stärkeres Festhalten am Eingriffs- und Schrankendenken) Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464 ff.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, VerfR, Rdnr. 299. 35 Ebenso feststellend Windel, Der Staat 37 (1998), 355 (388). 36 Vgl. Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (54 f.); Koller, Theorie des Rechts, S. 91 ff., 173 f. (in Anschluss an Dworkin); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 758; Sieckmann, Rechtstheorie 25 (1994), 163 (165 ff., 183); BKGG/ders., Art. 14 Rdnr. 34; vgl. auch Gern, JuS 1988, 534 (537) sowie – teils kritisch – Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 48 ff., 241 ff. 37 Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (58).

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vorliegt, weil die Gerichte dann auf methodisch nachvollziehbarem und überprüfbarem Wege die Wertverhältnisse auf den konkreten zu entscheidenden Fall übertragen können.38 Unberechtigt ist auch der Vorwurf, die Theorie der mittelbaren Drittwirkung setze unzutreffend voraus, dass das Grundgesetz überhaupt Vorgaben für das Privatrecht entfaltet.39 Richtig ist, dass Handlungen privater Dritter, die sich als Freiheitsbeeinträchtigungen auswirken, von den Grundrechten dann nicht tatbestandlich erfasst sind, wenn diese ausschließlich vor Eingriffen durch den Staat selbst schützen sollen:40 Will die Verfassung die materiellen Beziehungen der Bürger untereinander überhaupt nicht regeln, kann sich auch kein Zwang für den Richter ergeben, die Grundrechte bei der Rechtsanwendung zu beachten, da der Fall dann außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen liegt; infolge unterschiedlicher Regelungszwecke bestünde kein Überordnungsoder Vorrangverhältnis der Verfassung gegenüber dem Zivilrecht.41 Eine derartige „Bereichsausnahme“ der Grundrechte ist jedoch nicht gegeben.42 Sie lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass im Privatrecht Grundrechte verschiedener Bürger aufeinandertreffen und koordiniert werden müssen: Auch im Verwaltungsrecht treten Fälle von „Drittbetroffenheit“ häufig auf;43 für den betroffenen Bürger macht es keinen Unterschied, welchem Rechtsbereich die Norm oder Einzelmaßnahme angehört, die seine Freiheit einschränkt, und ob sie vorwiegend Interessen konkreter Mitbürger oder der Gesellschaft allgemein erfolgt. Auch wäre dem Gesetzgeber – da er zur Umsetzung seiner Ziele oftmals privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Bestimmungen alternativ einsetzen kann und vor Erlass einer konkreten Regelung eine Unterscheidung von öffentlichem Recht und Zivilrecht nicht möglich ist44 – eine Flucht ins Privatrecht eröffnet. Die Zu38 Vgl. Erichsen, Jura 1996, 527 (531); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 757 ff.; ferner Rüfner, HdbStR § 117 Rdnr. 73: „kein Grundsatzproblem“. 39 So Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 45 f., 82; ders., AcP 198 (1998), 171 (234 f.) der im Lüth-Urteil etwas Revolutionäres und eine Usurpation sieht, da erst damit die vorher vorhandene Beziehungslosigkeit von Verfassung und liberalem Zivilrecht endgültig aufgehoben wurde. Vgl. auch Windel, Der Staat 37 (1998), 355 (387 f.). – Historisch ist ein materieller Vorrang des Privatrechts gegenüber dem Verfassungsrecht nachzuweisen, vgl. Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 452 ff. 40 In diese Richtung Pietzcker, FS Dürig, S. 352; Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 48 ff.; Lerche, FS Odersky, S. 227 f. – Ähnlich die bei J. Hager, JZ 1994, 373 (374 in Fn. 15); V. Götz, Verwirklichung, S. 47, dargestellte Argumentation, der Staat gestalte im Bereich des Zivilrechts nur die Freiheitssphären zweier Grundrechtsträger untereinander aus, was vom Grundgesetz nicht erfasst werde. 41 Vielmehr ist dann Gleichrang bzw. Rangneutralität gegeben: Diederichsen, Rangverhältnisse, passim, insb. S. 53 m. Fn. 60; Lerche, FS Odersky, S. 217, 220, 223, 228. 42 Gegen eine solche auch Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 57 ff. 43 Siehe nur Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 18 ff. 44 Das jeweilige Gesetz schafft und definiert erst die Zuordnungssubjekte, anhand derer nach der Subjekts-/Sonderrechtstheorie die Abgrenzung zwischen Zivilrecht und

A. Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht

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ordnung zum Zivil- oder öffentlichen Recht kann daher nicht entscheidend sein.45 Öffentliches Recht und Privatrecht stehen vielmehr gleichermaßen unter dem Verfassungsrecht und müssen sich nach diesem ausrichten.46 Die Absicht, die Freiheit eines anderen Grundrechtsträgers zu erweitern oder zu sichern, kann daher nicht die Rechtfertigungsbedürftigkeit entfallen lassen,47 sondern nur als Rechtfertigung dienen. Die Lehre von der Ausstrahlungswirkung kann allerdings nicht erklären, weshalb eine falsche Auslegung ausfüllungsfähiger Begriffe des einfachen Rechts durch die Zivilgerichte einen Verstoß gegen spezifisches Verfassungsrecht darstellt, der mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar ist48. Das BVerfG betont, dass – zutreffend – ein Zivilrechtsstreit auch dann, wenn bei der Auslegung einöffentlichem Recht erfolgt. Diese Anknüpfung ist für die Beurteilung der Rechtswegfrage bei § 13 GVG und § 40 VwGO sachgerecht, weil die Zuweisung zu den unterschiedlichen Prozessordnungen und Verfahrensgrundsätzen davon abhängen soll, ob ein Hoheitsträger mit den ihm zustehenden Sonderkompetenzen gehandelt hat. Ist erst noch zu entscheiden, ob hoheitliches Handeln möglich sein soll, geht diese Anknüpfung jedoch zwangsläufig ins Leere. – Nach der „modifizierten Subjektstheorie“ gehören Rechtssätze, die die Beziehungen der natürlichen Personen und juristischen Personen des Privatrechts („jedermann“) als solchen untereinander regeln, dem Privatrecht an, während das öffentliche Recht die Rechtsnormen bilden, deren Zuordnungssubjekt (als Berechtigter oder Verpflichteter) der Staat oder seine Untergliederungen als solcher ist, indem sie gerade diesen berechtigen, verpflichten oder organisieren (so jeweils mit unterschiedlichen Ausprägungen und Gewichtungen Bachof, FG BVerwG S. 7 ff.; Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (333); Ehlers, Die Verwaltung 20 (1987), 373 (379 ff.); Erichsen, Jura 1982, 537 (540 f.); Ipsen/Koch, JuS 1992, 809 (812 ff.); Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (386 ff.); bereits ganz ähnlich RGZ 113, 301 (304)). Im Einzelfall ist dieser Ansatz mit anderen Kriterien zu kombinieren, insbes. mit der „Interessentheorie“ (Bachof, FG BVerwG S. 6, 15 f.; vgl. auch Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (390 f.); GemS-OGB, NJW 1990, 1527 (1527)). Die Abgrenzungskraft der Interessentheorie (nach Ulpian, Dig. 1, 1, 1, 2; RGZ 92, 310 (311, 313); zu ihr Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (321 f.)) leidet aber oft daran, dass die verfolgten Interessen selbst nicht scharf ermittelt und zugeordnet werden können (ablehnend daher Erichsen, Jura 1982, 537 (538); Ipsen/Koch, JuS 1992, 809 (810); BVerfGE 7, 342 (355)), zumal Individualinteressen Teil der Allgemeininteressen sein können und so durchaus auch von öffentlich-rechtlichen Normen geschützt werden (vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 167; M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2649)). 45 Canaris, JuS 1989, 161 (162 f.); J. Hager, JZ 1994, 373 (375); ders., Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 26, 34 f.; Pietzcker, FS Dürig, S. 350 ff.; siehe auch Rüfner, GS Martens, S. 221; ders., HdbStR § 117 Rdnrn. 66 ff.; Schick, BayVBl. 1962, 348 (348 f.). 46 Rüfner, GS Martens, S. 221; vgl. dazu auch Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 438 f.; Röthel, JuS 2001, 424 (425) m.w. N. 47 So aber Diederichsen, AcP 198 (1998), S. 171 (228 f.); ablehnend auch Simon, AcP 204 (2004), 264 (291). 48 So BVerfGE 7, 198 (207); die wohl als Begründung gedachte Aussage, der Bürger hätte einen Anspruch auf die Beachtung der objektiven Grundrechtsgehalte, ist selbst nicht begründbar; ähnlich in BVerfGE 18, 85 (92); BVerfG NJW 2005, 1561 (1565). – Diese Frage wird allerdings kaum problematisiert, vgl. Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 67.

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fachrechtlicher Bestimmungen Grundrechte zu beachten sind, materiell und prozessual ein bürgerlich-rechtlicher bleibt.49 Werden Grundrechte zur Auslegung des einfachen Rechts (und daher nur im Rahmen eines methodischen Arbeitens) herangezogen, wirken sie privatrechtsimmanent und damit nicht mit Verfassungsrang.50 Somit bleibt letztlich unbegründet, woraus sich das Verfassungsgebot51 zu prüfen, ob und wieweit Grundrechte berührt sind, ergibt. 2. Grundrechte als Institutsgarantien Nicht wesentlich von der soeben beschriebenen Konzeption unterscheiden sich die Ansätze, nach denen die Privatrechtswirkung der Grundrechte aus der Lehre von den Institutsgarantien hergeleitet wird.52 Unter „Institut“ wird ein Komplex an rechtlichen Regelungen für eine bestimmte Lebensordnung verstanden, die zum Funktionieren bestimmte Ordnungsfaktoren voraussetzt.53 Nach dem institutionalistischen Ansatz enthält jedes54 Grundrecht zunächst eine objektivierte Freiheit, die erst gegeben und durch entsprechende rechtliche Regelungen ausgestaltet werden müsse.55 49 BVerfGE 7, 198 (205 f.). – Ähnlich Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 17, der betont, dass der Umstand, dass eine Rechtsnorm Grundrechte konkretisiert, diese noch nicht zum Verfassungsrecht macht. 50 Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (408 ff.); inhaltlich ebenso Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (14 ff.); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 80; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 306, 369, 375 f.; Oldiges, FS Friauf, S. 288. 51 So etwa in BVerfGE 7, 198 (206); 84, 192 (195). 52 Ausführlich Windel, Der Staat 37 (1998), 385; vgl. ferner bei de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (377, Fn. 2); Dreier/Dreier, Vorb. Rdnrn. 107 f. 53 Vgl. im Einzelnen Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1532); H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (164 f., 187 ff.); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 128; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, passim; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (380); Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (396, 398); siehe ferner Weinberger, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 501 (504 ff.), der die Geltung des Rechts auf die vorgefundenen und gesellschaftlich akzeptierten Rechtsinstitute stützt. – Von den Institutsgarantien werden die institutionellen Garantien unterschieden, die öffentlich-rechtliche Organisationen zum Inhalt haben, vgl. Anschütz, Vor Art. 109 ff. Anm. 8 (S. 520 Fn. 2), und mit ihnen zusammen als Einrichtungsgarantien bezeichnet werden, vgl. Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (48). 54 Diesen Unterschied betonend Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1532); für eine bereichsdogmatische Untersuchung Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (165); ähnlich Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 333 (335). – Breiter vertreten wird der institutionelle Charakter für die wesentlichen Figuren des Privatrechts Eigentum, Erbrecht, Ehe, Familie und elterliche Gewalt, und zwar sowohl hinsichtlich des Grundgesetzes wie bereits zur WRV. Daneben wird teils u. a. die freie Presse genannt; eine Aufzählung findet sich etwa bei Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 32; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (381 f.); v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 23; kritisch Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2103). 55 Darstellung bei Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1532); de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (379); Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (58 ff.); Robbers, JuS 1985,

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Bei diesem Verständnis ergeben sich aus dem Grundrecht zwei Schutzwirkungen: Zum einen sind die in der Institutsgarantie enthaltenen verbindlichen Wertentscheidungen bei der Auslegung und Anwendung des Zivilrechts, insbesondere bei der Ausfüllung von Generalklauseln, zu beachten.56 Zum anderen verhindern die Institutsgarantien, dass die jeweiligen Rechtsverhältnisse durch eine Änderung der sie umsetzenden einfachgesetzlichen Regelungen aufgehoben oder in wesentlichen Teilen verändert werden.57 Diese Komponente, die auf den Schutz vor dem Gesetzgeber abzielt, war der eigentliche Grund für die Entwicklung der Lehre von den Instituten zur Zeit der WRV, die subjektive Abwehrrechte gegen die Legislative nicht kannte;58 die Institutsgarantien sollten hier zumindest eine gewisse Bindung des Gesetzgebers bewirken, indem sie ihn an einer Aushöhlung der Institute durch Abschaffung der wesentlichen Normen und Strukturen (des „Kernbereichs“) hinderten.59 Ein Bedarf, diese Behelfkonstruktion aus der Weimarer Zeit fortzuführen, besteht unter dem Grundgesetz nicht mehr, da nun die Gesetzgebung einer umfassenden Bindung an die Grundrechte unterliegt (Art. 1 Abs. 3 GG).60 Das Grundgesetz gewährleistet dem Individuum gegenüber allen Staatsgewalten nicht nur objektiv bestimmte Mindestinhalte, sondern gibt ihm einen vor dem Verfassungsgericht durchsetzbaren Anspruch auf Bewahrung seiner individuellen Freiheit.

925 (927): „normativ geordnete Freiheit“; entschieden ablehnend Erichsen, Jura 1996, 527 (529). 56 Vgl. BVerfGE 6, 55 (72); Maunz/Dürig/Dürig, Art. 1 Rdnr. 97; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 35; Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (408); zusammenfassend Jarass, AöR 110 (1985), 363 (367). 57 Statt aller Maunz/Dürig/Dürig, Art. 1 Rdnr. 97; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 33 f.; auch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 75 ff. (insbes. S. 78 f.). 58 Siehe nur Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 14 f.; Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (499). – Zu diesem Hintergrund vgl. näher unten B.II.3.a)bb)(3). 59 Vgl. – teils nur darstellend – Anschütz, Vor Art. 109 ff. Anm. 8; H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (489); Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 20; H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (173); Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 37 f.; Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (50); de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (381). 60 Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (passim, insb. 48 ff.); ausführlich unten bei 3. – Die Lehre von den Institutsgarantien führt auch dazu, dass die wesentlichen bestehenden bzw. vorgefundenen Normen des einfachen Gesetzesrechts Verfassungsrang erhalten; dies bewirkt die Gefahr der Perpetuierung der vorhandenen Rechtslage und widerspricht dem Vorrang der Verfassung. Vgl. Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (passim, z. B. S. 399); Böckenförde; NJW 1974, 1529 (1533); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 62; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (380 f.); v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 24); Müller-Freienfels, FS Rittner, S.458 m.w. N.; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 64.

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Die Figur der Institutsgarantie ist daher entbehrlich.61 Da sie die objektive Richtung der Grundrechte überbetont, birgt sie gleichzeitig die Gefahr einer Entsubjektivierung:62 Die Vorstellung, die Verfassung sichere nur einen gewissen Schutzstandard insgesamt, entbindet den Gesetzgeber weitgehend von den Schranken-Schranken, da Einschränkungen von Freiheitsrechten nicht mehr stets und bei jedem Individuum rechtfertigungsbedürftig sind, so dass der einzelne bereits unter relativ geringen Voraussetzungen auf sein konkretes Recht verzichten muss.63 Dies schwächt – besser: unterläuft – die Bedeutung der Grundrechte als Abwehrrechte des Einzelnen.64 Der Individualschutz gegen staatliche Eingriffe ist aber die primäre Funktion der Grundrechte; die objektiven Funktionen sollen diese nur verstärken, dürfen aber nie deren Verringerung bewirken.65 Der Individualcharakter und das höhere Schutzniveau führen damit zu einer Vermutung zugunsten des subjektiven Charakters der Grundrechte66 und sprechen gegen ein institutionalistisches Verständnis. 3. Grundrechtsgeltung aufgrund der Tätigkeit staatlicher Organe Der Einfluss der Grundrechte auf die Verhältnisse der Bürger untereinander wurde auch damit zu erklären versucht, dass die Gesetzgebung und die richterliche Entscheidung einschließlich deren Vollstreckung staatliche Hoheitsakte darstellen und damit jeweils wegen Art. 1 Abs. 3 GG der Grundrechtsbindung unterliegen.67 Das Zivilurteil, das zu Lasten einer Prozesspartei ergeht, oder die Rechtsnorm, die die Freiheitssphären des Bürger gegenüber anderen abgrenzt, seien als Eingriff in den Schutzbereich des Freiheitsrechts anzusehen, so dass

61 Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (50 f., 55 f.); siehe auch Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 35 f. 62 Starck, Auslegung und Wirkungen, S. 19 f.; eingehend Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (50 ff.); vgl. ferner H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (494); Merten, VerwArch 73 (1982), 103 (109 ff.); v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 24. 63 Vgl. Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1532); ferner Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 64, der hierin aber gerade die Vorteile dieser Lehre sieht. 64 Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (52); Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (163, 164 f.). 65 BVerfGE 50, 290 (337); Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (61); Maunz/Dürig/Dürig, Art. 1 Rdnr. 98; Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (162 ff.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 24; Starck, Auslegung und Wirkungen, S. 20. – Vgl. ferner Jarass, AöR 110 (1985), 363 (365); Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2100 ff.). 66 Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (60 f., 65). 67 Schwabe, AöR 100 (1975), 442 (443 f., 451 ff.); ders., JR 1975, 13 (14 f.); ders., AcP 185 (1985), 1 (1 ff.); teils zustimmend J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 27. – v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 33 weist auf die Ähnlichkeit zur state-action-Doktrin im US-amerikanischen Verfassungsrecht hin.

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sich die Drittwirkungsfrage letztlich als Scheinproblem erweist.68 Zwangslos ist dann auch zu erklären, dass das BVerfG das Urteil und ggf. das angewandte Gesetz auf eine Verletzung der Grundrechte einer Prozesspartei überprüfen und ggf. aufheben kann.69 Der soeben beschriebene Ansatz baut auf der Prämisse auf, dass alle Gesetze, Urteile und Vollstreckungsakte Eingriffsakte im Sinne der Grundrechtsdogmatik darstellen. Damit setzt er jedoch die (erst zu beweisende) Grundrechtsbindung der Bürger bereits implizit voraus: Art. 1 Abs. 3 GG schreibt zwar Normativität, Positivität und Aktualität der Grundrechte umfassend und für alle Staatsgewalten fest, so dass auch der Richter bei der Ausübung seiner Tätigkeit an die Grundrechte gebunden ist.70 Wichtig ist aber, zwei Gruppen von Rechtssätzen zu unterscheiden, die die Gerichte bei der Entscheidungsfindung zu beachten haben, nämlich einerseits die Bestimmungen, die das Verfahren betreffen (auf einfachgesetzlicher Ebene ZPO, GVG, FamFG usw.), und anderseits die Rechtssätze, aus denen sich das inhaltliche Ergebnis des Rechtsstreits ergibt (das materielle Recht des BGB und der Nebengesetze).71 Die gleiche Differenzierung ist im Hinblick auf die Bestimmungen der Verfassung vorzunehmen. Die in Art. 1 Abs. 3 GG festgelegte Grundrechtsbindung der Judikative bezieht sich uneingeschränkt nur auf die grundrechtsgleichen Rechte der Art. 101 ff. GG, die gerade das justizielle Verfahren betreffen und damit speziell an die Gerichte adressiert sind,72 sowie auf solche Grundrechtseingriffe, die im Laufe des Verfahrens durch die Rechtsprechungsorgane selbst erfolgen.73 Bei der sachlichen Entscheidung des Rechtsstreits hat der Richter dagegen nur die Normen zu beachten, die materiell auf den Rechtsstreit anwendbar sind.74 Ob und wieweit zu diesen die Grundrechte gehö68 H. Dreier, Jura 1994, 505 (509); Dreier/ders., Vorb. Rdnr. 98; Oldiges, FS Friauf S. 284; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1225). 69 Schwabe, JR 1975, 13 (15); ders., AöR 100 (1975), 442 (448 mit Fn. 17). 70 Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (81). 71 Dieser Unterschied zwischen den beiden Arten von Normen wird auch darin deutlich, dass die Normen der ZPO und des FamFG dem öffentlichen Recht zugeordnet werden, da sie spezifisch staatliche Hoheitsträger in dieser Funktion berechtigen und verpflichten, vgl. Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (210 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 179; BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 138. – Vgl. auch die Normtypen bei H. L. A. Hart, der zwischen „primären Regeln“ (Verpflichtungsregeln) und „sekundären Regeln“ (insbes. die Entscheidungs-/Erkenntnisregeln, die festlegen, wer über das Vorliegen eines Tatbestandes zu befinden hat) differenziert (bei Braun, Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert, S. 91 ff.; Koller, Theorie des Rechts, S. 162 ff. (mit eigener Differenzierung S. 170); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 148 e). 72 Vgl. BVerfGE 107, 395 (407). 73 Vgl. BVerfGE 106, 28 (48), das ergänzt, dass es dabei auf die Art des Verfahrens (Strafprozess oder Zivilprozess) nicht ankommt; BVerfGE 52, 203 (207): Bindung an die „insoweit maßgeblichen Grundrechte“. 74 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, VerfR, Rdnr. 353; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (629); Starck, JuS 1981, 237 (244); vgl. auch BVerfGE 7, 198 (203); 52, 203 (207).

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ren, ist gerade fraglich und klärungsbedürftig.75 Von der vertikalen Bindung der Legislative und der Judikative darf daher nicht auf eine horizontale Wirkung zwischen den Parteien geschlossen werden.76 Entsprechende Überlegungen gelten für das Stadium der Zwangsvollstreckung. Bei der Vollstreckung wird zwar – anders als im Erkenntnisverfahren – nicht nur der Inhalt privatrechtlicher Beziehungen festgestellt, sondern echte staatliche hoheitliche Zwangsgewalt eingesetzt.77 Der Zweck der Zwangsvollstreckung besteht jedoch ebenfalls ausschließlich darin, die materiell bestehende Verpflichtung durchzusetzen. Augenfällig ist dies bei der Vollstreckung einer Pflicht zur Vornahme einer vertretbaren Handlung nach § 887 ZPO und bei der Herausgabevollstreckung nach § 883 ZPO, bei denen jeweils nur der geschuldete Zustand unmittelbar hergestellt wird. Auch bei der Vollstreckung wegen Geldforderungen in Sachen oder Rechte unternimmt das Vollstreckungsorgan letztlich nicht mehr, als der Schuldner tun müsste, nämlich Vermögensgegenstände veräußern, um Geld zur Begleichung der Schuld zu beschaffen. Der Staat greift daher in Grundrechte des Vollstreckungsschuldners ein, aber ausschließlich im Interesse des Gläubigers, dessen Rechte durchgesetzt werden sollen.78 Umgekehrt nimmt der Gläubiger staatliche Hilfe nur deshalb in Anspruch, weil ihn das Gewaltmonopol daran hindert, selbst tätig zu werden.79 Die Zwangsvollstreckung von Zivilurteilen ist nur die letzte Stufe eines (Gesamt-)Prozesses, in dessen Mittelpunkt die Klärung sachlich-rechtlicher Fragen steht.80 Ebenso wie im Erkenntnisverfahren ist daher auch im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung zu differenzieren zwischen einerseits den Eingriffen in Freiheit und das Eigentum des Schuldners, die notwendige Mittel zur Durchsetzung der dem anderen Privaten gegenüber be75 So bereits Dürig, FS Nawiasky, S. 157 f.; später H. Dreier, Jura 1994, 505 (510); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 26 f. („zu kurz gegriffen“); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (376); v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 33; Rüfner, GS Martens, S. 220; ders., HdbStR § 117, Rdnr. 60; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 122 f., 126 f.; H. H. Rupp, JZ 2001, 271 (275); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1225). – Dagegen hält Schwabe, AöR 100 (1975), 442 (446 in Fn. 12) die Notwendigkeit und Berechtigung dieser Frage für unbewiesen. 76 Erichsen, Jura 1996, 527 (529 f.); Oldiges, FS Friauf, S. 284, 287, jeweils m.w. N.; sinngemäß auch Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (939 f.); Isensee, FS Großfeld, S. 499; i. E. auch BVerfGE 30, 173 (199). 77 D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (629 f.); Schwabe, AöR 100 (1975), 442 (446 in Fn. 12); Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (211 f.). Auch das BVerfG geht von dieser Sicht aus, vgl. BVerfGE 46, 325 (335); 49, 252 (256) (siehe aber unten Fn. 78); ferner OLG Zweibrücken MDR 1983, 500. 78 Ebenso BVerfGE 46, 325 (335); 48, 396 (401); BGHZ 32, 240 (244 f.); Haas, NVwZ 2002, 272 (275); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 653; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 83; kritisch Marotzke, NJW 1978, 133 (134, 136 f.). 79 Vgl. D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (626, 642); Isensee, FS Sendler, S. 48; Kirchhof, FG BVerfG, S. 57; Walker, JZ 2005, 1114 (1114); unten B.II.3.a)dd)(7)(b), Teil 4 C.I.2. 80 Ebenso Medicus, AcP 192 (1992), 35 (49).

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stehenden Verpflichtung sind und daher – als deren Annex – wie diese zu behandeln sind, und andererseits selbstständigen Eingriffen durch die handelnden Hoheitsträger, die sich im Rahmen der Vollstreckung ereignen.81 Solche liegen vor, wenn die staatlichen Organe die Pflichten, die die Art und Weise der Vollstreckungsdurchführung betreffen und die ihnen als Hoheitsträger spezifisch obliegen, gegenüber den am Vollstreckungsverfahren Beteiligten verletzen.82 Im Übrigen, soweit also nur die tenorierte Pflicht durchgesetzt wird, fehlt es an einem eigenständigen Eingriff.83 Soll eine petitio principii vermieden werden, darf somit der Erkenntnis- oder Vollstreckungsakt nicht alleine wegen seiner Qualität als staatliche Maßnahme zum Grundrechtseingriff qualifiziert werden. Unproblematisch und zutreffend ist der referierte Ansatz daher nur, soweit der Gesetzgeber selbst Pflichten auferlegt:84 Das Gesetz ist dann als Ermächtigungsgrundlage zum Handeln und damit als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff anzusehen, weil bereits die Auferlegung der Pflicht, fremdes Handeln zu dulden, eine Minderung der Freiheit bewirkt.85 Gleiches gilt für die nicht-dispositiven Regelungen des Vertragsrechts,86 weil 81 Demenstprechend enthält auch die Strafvollstreckung keine eigene sachliche Beschwer gegenüber Strafnorm und Urteil, vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (219); BVerfGE 43, 101 (106 f.); 61, 126 (135 f.); VGH Kassel NVwZ-RR 1995, 118; BGH NJW 2005, 3635 (3636 f.); ferner Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 52 dazu, dass Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme nicht die Pflicht, wegen der vollstreckt wird, sondern in erster Linie die Intensität des Pflichtenverstoßes in der Vollstreckung ist (d.h. des Nicht-Befolgens des Titels). 82 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (219). – Hiermit hängt zusammen, dass streng zwischen formellen und materiellen Einwendungen unterschieden wird und dementsprechend mit § 766 ZPO und § 767 ZPO zwei Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. 83 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (219); Haas, NVwZ 2002, 272 (275); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (49); OLG Zweibrücken MDR 1983, 500. – Die Entscheidungen, in denen der Eingriffscharakter von Vollstreckungsmaßnahmen bejaht wurde, betrafen ausschließlich Fragen des Ablaufs und der Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens (BVerfGE 46, 325 (334 f.): Durchführung der Zwangsversteigerung und rechtliches Gehör bei Zuschlag unter Verkehrswert; BVerfGE 49, 220 (225): faire Verhandlungsführung und wirksamer Rechtsschutz; BVerfGE 49, 252 (256 f.): rechtliches Gehör bei Fehler der Vorinstanzen; BVerfGE 51, 150 (156): faire Verfahrensführung). Dagegen wurde ausdrücklich klargestellt, dass im Interesse einer privatrechtlichen Pflicht Freiheiten beschränkt werden dürfen (BVerfGE 46, 325 (335)). 84 H. Dreier, Jura 1994, 505 (510); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 25 ff.; Jachmann, JA 1994, 399 (401); Kempen, DZWir 1994, 499 (502); D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (628); Röthel, JuS 2001, 424 (425); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 139 f.; vgl. auch v. Bar, RabelsZ 59 (1995), 203 (207); BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 146. 85 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 31 f. Insoweit ist eine Zurechnung des privaten Tun zum Staat möglich. 86 Vgl. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 67 f. – Für eine Einbeziehung auch der dispositiven vertragsergänzenden Vorschriften (im Einzelnen abweichend) Canaris, AcP 184 (1984), 201 (213 ff.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 36 f.; Jung, JZ 2001, 1004 (1005); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (47); dagegen Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 178.

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auch sie selbst verbindlich sein wollen und die Privatautonomie einschränken.87 Gerichtliche Urteile können mit diesem Ansatz nur erfasst werden, wenn das Gericht in ihnen ein bestehendes gesetzliches Gebot oder Verbot anwendet und auf dessen Grundlage der Klage stattgibt, da in diesem Fall eine materiellrechtlich bestehende Verpflichtung aus dem Verhältnis Staat-Bürger konkretisiert wird und die Abwehrfunktion der Grundrechte betroffen ist.88 Ein Eingriff fehlt es aber zum einen, wenn nicht über gesetzlich geregelte Rechte und Pflichten, sondern über privatautonom vereinbarte Ansprüche entschieden wird,89 und zum anderen, wenn die Prozesspartei nicht durch eine Verurteilung beschwert ist, sondern durch die Abweisung der Klage gegen einen privaten Dritten, der (angeblich) ihre Rechte verletzt. Die Eingriffswirkung lässt in den zuletzt genannten Konstellationen auch nicht daraus ableiten, dass die entsprechenden staatlichen Akte als Duldungsgebote betrachtet werden.90 Soweit im Zivilprozess rechtsgeschäftliche Verpflichtungen im Streit stehen, beruht nämlich die Verbindlichkeit privatautonomer Vereinbarung allein auf der Willensübereinstimmung der beteiligten Privatrechtssubjekte; die staatliche Gewalt verpflichtet nur zu ihrer Einhaltung und steht zur Hilfe, wenn das Vertrauen einer Vertragspartei durch Nicht- oder Schlechterfüllung des anderen verletzt ist.91 Der rechtliche Rahmen, der privatautonome Verträge zulässt und durch Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren deren Durchsetzung sicherstellt, kann nicht mit den Vereinbarungen selbst gleichgesetzt werden.92 Bei der Abweisung einer auf gesetzliche Bestimmungen gestützten Klage gilt, dass die Verweigerung einer Leistung – hier: staatlichen Schutzes – nach allgemeinen Grundsätzen nicht generell einen Eingriff darstellt, sondern nur dann, wenn zum 87 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 36; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (46 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 179; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 81, 242 (254); BVerfGE 114, 1 (35 ff.) mit teils kritischer Anm. Sachs, JuS 2006, 1026 (1027); vgl. ferner BGH NJW 1986, 2944 (2944) 88 Vgl. Oldiges, FS Friauf S. 287. 89 Medicus, AcP 192 (1992), 35 (49); Krause, JZ 1984, 656 (663); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 128 f.; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 56 f. 90 So aber Schwabe, AcP 185 (1985), 1 ff.; darstellend auch Oldiges, FS Friauf, S. 284, 287; Pietzcker, FS Dürig S. 347. 91 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (217); Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (320 f.); Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 28, 32 ff.; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (72); Isensee, FS Großfeld, S. 491; Pietzcker, FS Dürig, S. 349. – Von der hiervon abweichenden Tatbestandstheorie gehen dagegen z. B. Laufke, FS Lehmann, S. 180 f., 186; C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (459) aus. 92 Neben den bereits genannten Dreier/Dreier, Vorb. Rdnrn. 98 ff.; Isensee, FS Großfeld, S. 491; Kraft, BayVBl. 1992, 456 (459, 460); Krause, JZ 1984, 656 (663); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (49); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 129, 139; auch S. 243 ff. – Diese Vorstellung liegt auch BGHZ 70, 313 (324, 326) zugrunde, nach dem das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung (Familienstiftung) nichts an der Einordnung als privatrechtlichen Geschäfts ändert, weil sie zum privatrechtlichen Geschäft nur hinzutritt.

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Tätigwerden eine entsprechende, auf anderen Gründen beruhende Pflicht besteht.93 Das Urteil und die Zwangsvollstreckung können daher nicht als die maßgeblichen Eingriffsakte angesehen werden; die Freiheitssphäre des Bürgers wird vielmehr durch das Verhalten des anderen verletzt.94 Die Konstruktion von Duldungsgeboten würde eine umfassende Zurechnung privaten Verhaltens an den Staat bedeuten, die bei wertender Betrachtung sachlich unangemessen ist, da dem Staat im Spiel der Privatrechtssubjekte eher die Rolle des Schiedsrichters95 oder unbeteiligten Vermittlers96 zukommt, der das Geschehen nicht selbst beeinflusst, sondern nur beurteilt.97 Aus der Grundrechtsverpflichtung aller Staatsorgane folgt somit nicht ohne Weiteres eine Wirkung der Grundrechte unter den Bürgern.98 4. Drittwirkung als Folge der grundrechtlichen Schutzpflichten a) Inhalt und Begründung der Rechtsfigur Um einerseits die Situationen erfassen zu können, für die der soeben beschriebene Ansatz die Grundrechtswirkungen nicht erklären kann, und andererseits den Konstruktionsproblemen der klassischen Lehre von der „Ausstrahlungswirkung“ auszuweichen, bietet sich ein Rückgriff auf die grundrechtlichen Schutzpflichten an. Die Grundrechte erschöpfen sich danach nicht darin, dem Staat die Verletzung der Freiheitssphären durch die Tätigkeiten seiner Organe zu verbieten,99 sondern fordern ihn auch auf, sie Freiheitsrechte der Bürger aktiv gegen Angriffe und Gefährdungen zu verteidigen.100 Die zu verhindernden Bedrohungen können 93

Vgl. Hillgruber, ZRP 1993, 6 (8). Canaris, AcP 184 (1984), 201 (219 bei Fn. 66); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1638); sinngemäß auch H. Dreier, Jura 1994, 505 (510). 95 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 109; ähnlich Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (210 f.). 96 Jachmann, JA 1994, 399 (401); ähnlich BVerfGE 107, 395 (406): „als Instanz der unbeteiligten Streitentscheidung“. 97 H. Dreier, Jura 1994, 505 (510); Erichsen, Jura 1996, 527 (529); siehe ferner Kraft, BayVBl. 1992, 456 (458 ff.); Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 75. 98 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (passim, insb. S. 205, 222, 228); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (44). 99 Vgl. zum „klassischen“ Grundrechteingriff BVerfGE 105, 279 (299 f.); v. Münch/ Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 51a; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 238 ff.; Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (37 ff.): selbst, final, hoheitlich und unmittelbar. 100 BVerfGE 46, 160 (164); 53, 30 (57); 79, 174 (201 f.); BVerfG NJW 1996, 371; NVwZ 2010, 702 (703); BayVerfGHE 40, 58 (61, 64); 42, 188 (192, 194); BayVerfGH BayVBl. 2003, 560 (563); VerfGH Rh-Pf NZM 2005, 695 (695); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225 f.); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (378 ff.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 30; Hesse, FS Mahrenholz, S. 544; vgl. ferner Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (879); Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 6 ff.; Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 4 f. 94

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dabei natürlichen Ursprungs sein,101 auf dem Handeln anderer Staaten beruhen102 oder – hier relevant – von anderen Privaten ausgehen.103 Grundrechtsdogmatisch werden die Schutzpflichten, die sich bereits in den ersten theoretischen Abhandlungen zu Aufgabe und Rechtfertigung des Staates finden,104 meist als Ausprägung der objektivrechtlichen Grundrechtsfunktionen angesehen.105 Die Schutzpflichten sind der notwendige Ersatz dafür, dass in einer staatlichen Ordnung die Bürger darauf verzichten, selbst Gewalt zur Verteidigung und Durchsetzung ihrer Rechte anzuwenden, und somit logische Folge des staatlichen Gewaltmonopols.106 Im Verfassungstext des Grundgesetzes lassen sich die Schutzpflichten mit Art. 1 Abs. 3 GG belegen, der gleichermaßen zu Schutz und Achtung verpflichtet;107 soweit das Leben als Schutzgut betroffen ist, argumentiert das BVerfG häufig zusätzlich mit Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG.108 Ausdrückliche Hinweise auf Schutzpflichten finden sich schließlich in einigen Landesverfassungen (z. B. Art. 99 S. 2 BayVerf).109 Sie werden teils in eine umfassende „Staatsaufgabe Sicherheit“ eingeordnet.110

101

Zu dieser Fallgruppe besonders Sachs, JuS 2006, 262 (262, 263). So etwa im Fall der von der US-amerikanischen NASA betriebenen Cassini-Mission zum Saturn, BVerfG NJW 1998, 975 (975). Ähnlich BVerfGE 66, 39: Pershing-IIRaketen; BVerfGE 77, 170: C-Waffen-Lagerung; BGH NJW-RR 2004, 570 (571): Rückgabeinteressen der Eigentümer gegenüber anderem NATO-Staat. – Ablehnend insoweit Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 79, da fremde Staaten nicht der deutschen Rechtsordnung unterliegen. 103 E. Klein, NJW 1v989, 1633; H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (490); O. Klein, JuS 2006, 960 (960); Hesse, FS Mahrenholz, S. 544; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 17; Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rdnr. 37; ders., JuS 2006, 262 (262); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 195 f.; vgl. ferner BVerfGE 114, 1 ff.; 114, 73 ff.; Rupp, NVwZ 1991, 1033 (1037 f.). 104 Hobbes, De Cive, 6. Kapitel 3.; 13. Kapitel 6.; Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 2. Buch Kap. 7 §§ 3, 4; Kap. 11 § 8; Kap. 12 § 5; vgl. auch Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (940 f.); Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 4; Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (27). 105 BVerfGE 39, 1 (41 f.); 49, 89 (141 f.); 53, 30 (57); 56, 54 (73); 77, 170 (214); BGHZ 102, 350 (365); Enders, AöR 115 (1990), 610 (628); Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (162 f.); Kraft, BayVBl. 1992, 456 (460); ähnlich E. Klein, NJW 1989, 1633 (1636): „in den Grundrechten als Annex enthaltener Konkretisierungsauftrag“; anders Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, 946 (948), die Art. 3 Abs. 1 GG heranziehen. 106 Vgl. Isensee, FS Sendler, S. 46 ff., 61; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1635 f.); O. Klein, JuS 2006, 960 (960); Kraft, BayVBl. 1992, 456 (460). 107 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (226); Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 38 f.; Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (77 f.); Laufke, FS Lehmann, S. 152. 108 BVerfGE 39, 1 (41); 49, 89 (142); 88, 203 (251); 46, 160 (164); dazu P. M. Huber, Jura 1998, 505 (508 f.); vgl. ferner Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 5; Maunz, FS Apelt, S. 115 f.; eher ablehnend Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 80. 109 Vgl. Sachs, JuS 2006, 262 (262, Fn. 1); zu Art. 99 S. 2 BayVerf etwa BayVerfGH BayVBl. 2003, 560 (563). 102

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Als Erklärungsansatz für die Grundrechtsdrittwirkung wurden die Schutzpflichten bereits frühzeitig herangezogen,111 gerieten aber dann in den Hintergrund. Erst, nachdem sich die Figur der staatlichen Schutzpflicht im Bereich des Lebens- und Gesundheitsschutzes etabliert hatte,112 wurde sie im vorliegenden Kontext wieder aufgegriffen. Mit der Schutzpflichtlehre lässt sich dem Umstand, dass das der Freiheit nachteilige Handeln von einem nicht-staatlichen Subjekt ausgeht, angemessen Rechnung tragen: Gestattet eine staatliche Maßnahme (ein Rechtssatz der Legislative oder ein Urteil der Judikative) dem einen Bürger ein Handeln, das die Freiheit des anderen berührt, liegt darin für den anderen (nur) einen mittelbarer Eingriff.113 Die Wirkrichtungen der Grundrechte im Dreiecksverhältnis Bürger – Staat – Bürger werden damit getrennt betrachtet; Rechtsbeziehungen zwischen Störer und Opfer werden nicht unterstellt.114 Zu fragen ist jeweils, ob die Verfassung zulässt, dass ein Bürger den anderen in einer bestimmten Weise behandeln darf. Ebenso, wie der Bürger unverhältnismäßige Freiheitsbeeinträchtigungen durch den Staat mittels des Übermaßverbotes abwehren kann, kann er sich hier ggf. auf das „Untermaßverbot“ 115 berufen, das unzureichende Schutzvorkehrungen sanktioniert.116 110 So insbes. Isensee, HdbStR § 111 Rdnrn. 83 ff. m.w. N.; vgl. ferner v. Mangoldt/ Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 310: aus „den Grundrechten i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip in seiner grundrechtsfördernden Dimension“; ähnlich BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 136; zur Sicherheit als Staatszweck allgemein Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (28 f.). Siehe schließlich Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 306. 111 Dürig, FS Nawiasky, S. 176; BVerfGE 7, 198 (204 f.); Mikat, FS Nipperdey, S. 589. – Die obige Feststellung trifft auch Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1225); vgl. ferner G. Hager, JuS 2006, 769 (771). 112 Etwa in BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57); 54, 56 (73 ff.); 77, 170 (214 f.); BVerfG NJW 1996, 371; NJW 1998, 975 (976); NJW 1997, 2509 (2509); NVwZ 2000, 309 (310); NJW 2002, 1638; zum Ganzen E. Klein, NJW 1989, 1633 (1634 f.). 113 Statt vieler Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (210 f.; insoweit auch Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 68. 114 Isensee, FS Sendler, S. 61. 115 Nach überwiegendem Verständnis gewährleistet das Untermaßverbot – vergleichbar zum Übermaßverbot, das bei den Eingriffsabwehrrechten einen Mindestrest an Freiheit garantiert – ein Mindestmaß an Schutzverwirklichung, vgl. Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 165; ähnlich Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); ders., JuS 1989, 161 (163); J. Hager, JZ 1995, 373 (382); Hain, DVBl. 1993, 982 (983); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (383); O. Klein, JuS 2006, 960 (961); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 216 ff., insb. S. 218 f.; v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 309; wohl auch Preu, JZ 1991, 265 (268): keine Verhältnismäßigkeitsprüfung im herkömmlichen Sinn; zu gewissen Unterschieden vgl. ferner O. Klein, JuS 2006, 960 (962). Teils erfolgt eine Gleichstellung mit der Wesentlichkeitsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG (so v. Mangoldt/Klein/P. M. Huber, Art. 19 Abs. 2 Rdnrn. 132 ff.). Kritisch zur Figur Dreier/Dreier, Vorb. Rdnr. 103; ferner Schlink, FS BVerfG, S. 463, der darauf hinweist, dass eine unzureichende Erfüllung schlicht Nicht-Erfüllung ist; abweichend auch Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 100 ff. – Der vom

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b) Wirkung der Schutzpflicht gegenüber dem Gesetzgeber Adressat der Schutzpflicht ist primär der Gesetzgeber.117 Er muss den Schutzgehalt der Grundrechte gewährleisten und das Gebot des neminem laedere gegenüber jedermann aktivieren, indem er entsprechende einfachrechtliche Normen schafft.118 Ferner gilt, dass eine gesetzliche Regelung, die bei ihrer Anwendung zu einer nicht unerheblichen Grundrechtsfährdung führen kann, bereits selbst im Widerspruch zur Verfassung steht.119 Bei der Lösung des Konflikts zwischen den Schutzinteressen des Individuums einerseits und den kollidierenden privaten und öffentlichen Interessen andererseits verfügt der Gesetzgeber über einen großen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum.120 Schutzpflichten sind darauf ausgerichtet, den Eintritt bestimmter negativer Erfolge und Wirkungen zu verhindern. Im Gegensatz zu Unterlassungsgeboten, wie sie die Grundrechte als klassische Eingriffsverbote darstellen, sind Handlungsgebote niemals strikt, sondern von den tatsächlichen

Untermaßverbot geforderte Mindestschutz divergiert dabei zwischen den einzelnen Grundrechten, vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 221; O. Klein, JuS 2006, 960 (961) mit Bsp. und w.N. 116 Noch nicht vollständig geklärt ist, ob – wie es die h. M. ausgehend von BVerfGE 77, 170 (214); 77, 381 (402 f.); 79, 174 (201 f.); BVerfG NJW 1997, 2509 (2509); NVwZ 2010, 702 (704) annimmt – die Schutzpflichten auch subjektive Schutzansprüche enthalten (bejahend Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 84; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, 946 (948); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (493); O. Klein, JuS 2006, 960 (961); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 350; ablehnend Steinberg, NJW 1984, 457 (461)). Für einen Schutzanspruch spricht, dass nur so die Entfaltung des Individuums gesichert werden kann (zu diesem Argument der Optimierung Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (61)). In BVerfG NJW 1998, 3264 (3265) wird jedoch klargestellt, dass die Bejahung subjektiver Schutzansprüche in den o. g. Entscheidungen nur für exekutivisches Unterlassen galt; für die Legislative wurde die Frage offengelassen. 117 BVerfGE 39, 1 (44); statt vieler Classen, AöR 122 (1997), 65 (82); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (494 f.); Isensee, AfP 1993, 619 (628); ders., DZWir 1994, 309 (311); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 201. 118 H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (491); Lerche, Jura 1995, 561 (563); ferner ders., HdbStR, § 121 Rdnr. 42. – Da der grundrechtliche Anspruch nicht auf ein Unterlassen des Staates, sondern ein Tun gerichtet ist, sind die Schutzpflichten als Anspruchsnormen dem status positivus zuzurechnen, siehe nur Bartlsperger, FS Leisner, S. 1006; Isensee, AfP 1993, 619 (628); ders., HdbStR § 111 Rdnr. 92; ders., Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 7; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1639); Heintschel v. Heinegg/ Haltern, Jura 1995, 333 (336); Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 (479). 119 Vgl. BVerfGE 49, 89 (141). 120 BVerfGE 56, 54 (82); 77, 170 (214 f., 229); 77, 381 (405); 79, 174 (202); 88, 203 (262); 96, 56 (64); BVerfG NJW 1996, 371; NJW 1997, 2509 (2509); NVwZ 2000, 309 (310); NJW 2002, 1638 (1639); NVwZ-RR 2005, 227; NVwZ 2009, 171 (172); NVwZ 2010, 702 (703 f.); VerfGH Rh-Pf NZM 2005, 695 (695); BGH NJW 2005, 742 (746) zu Art. 14 Abs. 1 GG.

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und rechtlichen Möglichkeiten121 abhängig. Damit hängt zusammen, dass der objektiv bestehende Schutzauftrag zwar auf möglichst weitgehende Schutzverwirklichung angelegt ist,122 eine Verletzung der Schutzpflicht aber nur vorliegt, wenn selbst das das unbedingt gebotene Minimum nicht realisiert wird.123 Sie lassen zudem oftmals die Wahl, wie das vorgegebene Ziel erreicht werden soll.124 Aus dem wertend-politischen Einschlags der Entscheidung, in welchem Umfang und auf welche Weise die Schutzpflicht in der jeweiligen Situation verwirklicht werden soll, ergibt sich, dass die grundlegenden Vorgaben vom demokratisch unmittelbar legitimierten Gesetzgeber selbst zu treffen sind. Er muss die Sicherheitsbelange einzelner und der Gesamtheit der Bürger mit dem grundrechtlichen Freiheitsanspruch derjenigen, die von den möglichen Maßnahmen nachteilig betroffen sind, in einem gerechten und angemessenen Ausgleich bringen.125 Zulässig ist, die Entscheidung über das Schutzniveau in den Details auf die Exekutive zu übertragen. Die Bewertung der Risiken (insbesondere in quantitativer Hinsicht) und der einzelnen Gegenmaßnahmen stellt häufig eine höchst komplexe Frage126 dar, die umfangreiche Ermittlungen, Bewertungen und Sachverstand erfordert; das Verordnungsverfahren kann hierzu strukturell besser geeignet sein127 als das Gesetzgebungsverfahren, zumal es eine schnellere Reaktion auf neue Umstände – seien es Risikoeinschätzungen, wissenschaftliche Erkenntnisse oder technische Möglichkeiten – erlaubt.128

121 Vgl. BVerfGE 66, 39 (63): Eingriffe, vor denen staatliche Organe der Bundesrepublik nicht schützen können, sind ihr nicht zuzurechnen sind und lösen auch keine Schutzpflicht aus. 122 Jarass, AöR 110 (1985), 363 (383); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (495); deutlich BVerfGE 46, 160 (164 f.). 123 Vgl. zum Ganzen (jeweils mit unterschiedlichem Akzent) Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 89; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 196; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (461 ff.); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (558). 124 Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (54, 62); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 350. 125 Vgl. BVerfGE 46, 160 (165); 49, 89 (126 f.); 56, 54 (81); 70, 297 (311); 77, 381 (403); BayVerfGHE 42, 188 (194); Enders, AöR 115 (1990), 610 (631); Hain, DVBl. 1993, 982 (984); Isensee, HdbStR § 111 Rdnrn. 162 ff.; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (383); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1637); vgl. auch Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (279); ferner unten C.I.3.c)bb). 126 BVerfG NJW 1998, 3264 (3265); NVwZ 2000, 309 (310). 127 Zu diesem „funktionell-rechtlichem Ansatz“ allgemein Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 138 f., 174 ff.; ders., DVBl. 2001, 1309 (1312 ff.) m.w. N., der hierin (jedenfalls) eine anerkannte Maxime für einen Organisationsrechtssetzer und eine Maxime kluger Rechtspolitik sieht; vgl. ferner Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (293 f.). 128 BVerfGE 49, 89 (133 ff.); BVerwGE 72, 300 (314 ff.); vgl. ferner Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (883).

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c) Wirkung der Schutzpflicht gegenüber der Rechtsprechung aa) Schutzpflichtverwirklichung durch Ausfüllung der Generalklauseln Der Rechtsprechung kommt die Aufgabe zu, für die Umsetzung der von Legislative und ggf. Exekutive aufgestellten Direktiven zu sorgen,129 indem bei der Entscheidung des konkreten Falles ein hinreichender Grundrechtsschutz bewirkt wird.130 Als Aufforderung an den Richter, ausreichenden Schutz zu gewährleisten, sind auch die Generalklauseln des Zivilrechts zu verstehen.131 Oftmals bedarf es aber des Rückgriffs auf unbestimmte/ausfüllungsbedürftige Begriffe nicht, weil die maßgeblichen Wertungen vom Gesetzgeber bereits durch „strikte“ Normen ins positive Zivilrecht umgesetzt worden sind.132 129 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 225 m.w. N.; Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 90: „Vollzugsauftrag“. – Die beschriebene Komplexität und das Erfordernis einer laufenden fachübergreifenden Sichtung und Bewertung führen auch dazu, dass die Entscheidungen des Normgebers in einem gerichtlichen Verfahren, das auf einen konkreten Streitfall ausgerichtet ist, nur auf evidente Fehleinschätzungen hin überprüft werden können. Bei der Kontolle anhand des Verfassungsrechts kann ein Verstoß nur festgestellt werden, wenn der Gesetzgeber gar nicht tätig geworden ist oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Siehe zum Ganzen BVerfGE 56, 54 (81); 77, 170 (215); 77, 381 (405); 79, 174 (202); BVerfG NJW 1997, 2509 (2509); NVwZ 2000, 309 (310); NJW 2002, 1638 (1639); NVwZ 2010, 702 (703); VerfGH Rh-Pf NZM 2005, 695 (696); BGHZ 102, 350 (366); BGH NJW 2004, 1317 (1318 f.); OLG Frankfurt NZM 2005, 838 (839); Hesse, FS Mahrenholz, passim, insb. S. 549; Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 162; v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 310. 130 BVerfGE 49, 89 (138); Canaris, JuS 1989, 161 (163); vgl. auch BVerfG NVwZ 2009, 171 (175). 131 Canaris, JuS 1989, 161 (163); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); BVerfGE NJW 2003, 2815 (2816). Insofern sind die Gerichte zu einer drittschutzfreundlichen Interpretation des einfachen Rechts gezwungen (Enders, AöR 115 (1990), 610 (627)). – Damit schließt sich der Kreis zur Lehre von der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte. Dies überrascht allerdings insofern nicht als sich zum einen von Anfang an auch dort Schutzpflichtüberlegungen als Begründung finden und zum anderen die Schutzpflicht nur eine Teilkomponente objektiven Grundrechtswirkungen bildet. Besonders deutlich zeigt sich der Zusammenhang in BVerfGE 103, 89 (100), wo auf die Formel von der mittelbaren Drittwirkung durch Generalklauseln unmittelbar Überlegungen zur Schutzpflicht folgen. Röthel, NJW 2001, 1334 (1334) sieht durch diese Entscheidung zutreffend die Verbindung beider Figuren festgeschrieben. Vgl. ferner Lerche, Jura 1995, 561 (563): „beide Lösungslinien eng benachbart“; Erichsen, Jura 1996, 527 (532): „funktioneller Zusammenhang“; sowie Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (passim); v. Bar, RabelsZ 59 (1995), 203 (207, 208); Isensee, FS Großfeld, S. 498; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (366); Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (162 f.). Rose, DVBl. 1990, 279 (279 f.); Preu, JZ 1991, 265 (265 m.w. N.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 252 ff.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 78 f. 132 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (223, 224): schlichte Anwendung. – Die Kritik von Schwabe, JR 1975, 13 (13 f.); ders., AöR 100 (1975), 442 (447 f.), es bleibe offen, wie die Grundrechten beim Fehlen von „Einfallstoren“ wirken können, ist somit unberechtigt.

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bb) „Schutz durch Eingriff“ ohne gesetzliche Ermächtigung? Der beschriebene Wirkungsmechanismus wirft die Frage auf, wie ein Fachgericht zu verfahren hat, wenn sich aus der Verfassung eine staatliche Schutzpflicht ergibt, aber auf den Rechtsstreit keine einfachrechtliche Norm anwendbar ist, die ihre Verwirklichung erlaubt. Diese Problematik stellt sich im Zivilrecht mit erheblicher Schärfe, da der Staat hier Schutzansprüchen des einen Bürgers regelmäßig nur „auf Kosten eines anderen“ nachkommen kann.133 Nach teils vertretener Ansicht sollen staatliche Organe auch bei Fehlen einfachrechtlicher Instrumente dem Schutzauftrag nachkommen müssen, weil dieser erforderlichenfalls auch eine Rechtsfortbildung contra legem gebiete.134 Hiergegen spricht jedoch, dass die staatlichen Schutzpflichten die Staatsorgane nur zum Schutz nach Maßgabe und im Rahmen der ihnen in der Verfassung zugewiesenen Kompetenzen verpflichten. Schutzpflichten beschreiben Staatsaufgaben und verleihen nicht selbst die erforderliche Handlungsbefugnis.135 Da im Verfassungsstaat eine Reaktion auf die zu bewältigenden Situationen stets nur im Rahmen der Verfassung und mit verfassungsmäßigen Mitteln erlaubt ist,136 werden die allgemeinen Voraussetzungen und Grenzen staatlichen Handelns durch das Bestehen einer Schutzpflicht nicht außer Kraft gesetzt. Ein derartiges „Untätigbleiben“ stellt auch in Anbetracht des Art. 1 Abs. 3 GG keinen Verfassungsverstoß dar, da es bis zu einer Mediatisierung durch ein einfaches Gesetz, das die Verwirklichung ermöglicht, nicht Aufgabe der Fachgerichte ist, den Schutzauftrag zu verwirklichen. Das Fachgericht verletzt mithin nicht „seine“ Schutzpflicht.137 Noch deutlicher wird dies aus der grundrechtlichen Perspektive: Wegen des Vor133 Vgl. BVerfGE 81, 242 (255); 96, 56 (64); BayVerfGHE 40, 58 (63 f.); BayVerfGH BayVBl. 2003, 560 (563); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (252); Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (881); Hesse, FS Mahrenholz, S. 546; Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 9; Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (164); Laufke, FS Lehmann, S. 171; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (57); Oldiges, FS Friauf, S. 289; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 17 f.; Rüfner, GS Martens, S. 224; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 202. 134 In diesem Sinn etwa VGH Kassel DVBl. 1990, 63 (64 f.), der eine gesonderte Zulassung durch den Gesetzgeber verlangt, die aber ein bestehendes Verbot voraussetzt, welches allein aus den Grundrechten der Gefährdeten herrühren solle. Siehe ferner Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (11); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (385); eingeschränkt Isensee, FS Großfeld, S. 497 („nur im Ernstfall“); zu weiteren Nachweisen Röthel, JuS 2001, 424 (427 f.). 135 Vgl. Isensee, FS Sendler, S. 41, 59, 63; ders., FS Großfeld, S. 497, 508 f.; ders., HdbStR § 111 Rdnrn. 90, 139, 148, 150; H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (494 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 254; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1225); Wahl, UTR 14 (1991), 7 (26 f.). 136 Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (16); ganz ähnlich BayVGHE 45, 65 (71). 137 Hillgruber, JZ 1996, 118 (124); Wahl, UTR 14 (1991), 7 (26 f.); vgl. auch Böckenförde, HdbStR § 22 Rdnr. 24 (Fn. 35); BayVGHE 45, 65 (71), sowie – allgemein – Kelsen, JZ 1965, 465 (468).

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behalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) setzt eine Einschränkung der Freiheit eines Bürgers einen demokratisch-gewaltenteiligen Prozess voraus.138 Die Bindung der Gerichte an das Gesetz ist Konsequenz des Gesetzesvorbehalts; die Bindung an das Gesetz muss insofern Vorrang haben vor der Bindung an die Verfassung.139 Auch die Verwirklichung von Schutzpflichten unterliegt daher dem Vorbehalt des Gesetzes; andernfalls würde sich die freiheitssichernde Funktion der Grundrechte als „negative Kompetenznormen“ 140 in ihr Gegenteil verkehren.141 Aus diesen Überlegungen folgt z. B., dass es auch dann einer Rechtsgrundlage i. S. e. „Eingriffstitels“ bedarf, wenn ein Folgenbeseitigungsanspruch den Staat zum Handeln verpflichtet.142 Ebenso kann die Nutzung einer neuen Technologie, die mit Gefahren für die Allgemeinheit verbunden sein mag, trotz der Schutzpflicht nicht untersagt werden kann, solange der Gesetzgeber kein entsprechendes, sachlich anwendbares Verbot erlassen hat.143 Im Zivilrecht darf die Freiheit des einen Bürgers ebenfalls nur beschränkt werden, wenn eine einfachgesetzliche Rechtsnorm vorhanden ist, die wenigstens im Wege methodenkonformer Auslegung als Grundlage eines Anspruchs bzw. einer Einwendung herangezogen werden kann.144 Selbst bei einer „verfassungswidri138 Enders, AöR 115 (1990), 610 (633); Isensee, FS Sendler, S. 42, 60; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (396); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (491); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 229; vgl. auch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 80. 139 Röthel, JuS 2001, 424 (428); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 235: Gesetzesbindung und Grundrechtsbindung bleiben nebeneinander bestehen. Immerhin besitzt auch die Gesetzesbindung Verfassungsrang – Vgl. ferner die ganz ähnlichen Ausführungen in BVerfGE 111, 307 (328 ff.) zur der Beachtlichkeit der EMRK. 140 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 291; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (368); ähnlich Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (369). 141 Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (371); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (15, 50 f.); Classen, AöR 122 (1997), 65 (82, 85); Dreier/Dreier, Vorb. Rdnr. 102; Isensee, FS Großfeld, S. 497, 508; ders., HdbStR § 111 Rdnrn. 90, 148 ff.; Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 5; Preu, JZ 1991, 265 (269, 271); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 202, 229 ff.; Wahl, UTR 14 (1991), 7 (26 f.); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (555 ff.). Siehe ferner Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (392 f.); Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (164). 142 Vgl. BGHZ 130, 332 (335 f.) zur Obdachloseneinweisung, die wegen Zeitablaufs zu beenden ist; BVerwG NVwZ 1995, 272 (272); BVerwG Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 46; OVG Münster NJW 1984, 883 (883) jeweils zur Baubeseitigungsanordnung; BVerwGE 94, 100 (111 f.) zur Einziehung einer Straße, um Lärmbeeinträchtigungen rückgängig zu machen; allgemein Kraft, BayVBl. 1992, 456 ff. 143 So gegen den „Gentechnik-Beschluss“ des VGH Kassel DVBl. 1990, 63: Preu, JZ 1991, 265 (266); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (passim, insb. 557); 144 Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (50 f.); Classen, JZ 2003, 693 (697, 700 f.); ders., AöR 122 (1997), 65 (82); Engel, AöR 118 (1993), 169 (197); V. Götz, Verwirklichung, S. 60; Hillgruber, JZ 1996, 118 (123); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (491); Rüfner, GS

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gen Lücke“ kommt der Rechtsprechung keine Notkompetenz zu, die Lücke auf Kosten eines anderen zu füllen.145 Alles andere wäre im Ergebnis eine unmittelbare Drittwirkung.146 Dem erkennenden Gericht bleibt, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuleiten, damit das BVerfG die Unvereinbarkeit der Regelung mit den Grundrechten feststellt und den Gesetzgeber zum Handeln auffordert.147 d) Eignung der Schutzpflichtlehre als Erklärungsansatz der Drittwirkung Die Schutzpflichtlehre knüpft – wie die klassische Lehre der mittelbaren Drittwirkung – an privatrechtsimmanente Regeln, Begriffe und Generalklauseln an. Sie macht so die Verpflichtung eines Bürgers, die Freiheitssphäre des anderen zu beachten, davon abhängig, dass im einfachen Gesetz Anhaltspunkte für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen zu finden sind. Damit wird die Kompetenzordnung der Verfassung und den Vorbehalt des Gesetzes gewahrt. Erklären lässt sich auch, weshalb eine pflichtwidrige Missachtung von fremden Grundrechtspositionen durch Rechtsanwendungsorgane Verfassungsrelevanz besitzt und die Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eröffnet.148 Gleichwohl wird die bestätigende, nicht selbst handelnde Rolle der Rechtsprechung im Zivilrechtsstreit berücksichtigt.149 Martens, S. 228 f.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 231 ff.; Schwabe, AöR 100 (1975), 442 (466 f.); BVerfGE 81, 242 (255); BGHZ 63, 234 (235) m. zust. Anm. Kreft, LM BGB § 148 Preuß. Allg. BergG Nr. 13. 145 Röthel, JuS 2001, 424 (427 f.) m.w. N. 146 Vgl. Enders, AöR 115 (1990), 610 (619 f.); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); Rose, DVBl. 1990, 279 (280, 282); speziell zu Art. 14 BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 97. 147 Siehe hierzu Enders, AöR 115 (1990), 610 (632 f.); Hillgruber, JZ 1996, 118 (120); Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 156; Jung, JZ 2001, 1004 (1006); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); Röthel, JuS 2001, 424 (428 f.); Windel, Der Staat 37 (1998), 385 (390 f.). – Eine Ausnahme wird erwogen, wenn der Gesetzgeber für ein Rechtsgebiet bewusst auf jede Regelung verzichtet, wie etwa beim Arbeitskampfrecht. Nach BVerfGE 84, 212 (227); 88, 103 (115 f.) dürfen dann Schutzpflichten auch ohne gesetzliche Grundlage umgesetzt werden (vgl. Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 153; Classen, JZ 2003, 693 (696 ff.); Enders, AöR 115 (1990), 610 (632); Hillgruber, JZ 1996, 118 (120, 124); Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 161; ders., DZWir 1994, 309 (311 f.); Jachmann, JA 1994, 399 (402); Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 6 f., 90 ff.; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (504, 507); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 723 f., 823; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 226 ff.; Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (555 ff.)). Da im Sachenrecht eine hinreichende Vorstrukturierung durch die Rechtsordnung vorhanden ist und auch die allgemeinen Generalklauseln des BGB grundsätzlich bereitstehen, ist auf diesen möglichen Sonderfall jedoch hier nicht weiter einzugehen. 148 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (232); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); Jung, JZ 2001, 1004 (1007); BVerfGE 66, 116 (131): „auch klageabweisendes Urteil kann auf Verletzung von Verfassungsrecht beruhen“. 149 Oben bei Fn. 113 ff. – Anders Lücke, JZ 1999, 377 (382), der meint, auch die Schutzpflichtkonstruktion setzte implizit eine Grundrechtsverpflichtung des Privaten

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Der Schutzpflichtansatz erlaubt schließlich, den Besonderheiten der im Bereich des Privatrechts anzutreffenden Konstellationen Rechnung zu tragen:150 Da ein besonderes Schutzbedürfnis regelmäßig nur in typischen Gefahrenlagen oder dann besteht, wenn das Grundrechtssubjekts auf ein bestimmtes Verhalten anderer angewiesen ist151, ergibt sich, dass ein niedrigeres Niveau staatlichen Schutzes ausreichend ist, wenn eine Freiheitsbeschränkung privatautonom eingegangen wurde.152 Der Umstand, dass der Staat nicht auf sämtliche Situationen reagieren muss, aus der Nachteile für Rechtsgüter eines Einzelnen resultieren können, lässt sich zwanglos damit erklären, dass sein Handeln nur erforderlich ist, wenn die Stufe der bloßen Grundrechtsgefährdung allgemeiner Art überschritten ist und das Untätigbleiben einem „echten“ Eingriff qualitativ gleichsteht.153 Wegen der beschriebenen Vorzüge konnte sich die Lehre von den Schutzpflichten auch im Bereich des Europarechts durchsetzen. Die Beachtlichkeit der Grundfreiheiten des AEUV im Verhältnis der Bürger untereinander wird nunmehr ebenfalls weitgehend auf die Schutzpflichtwirkung („Garantenpflicht“) gestützt.154 Eine unmittelbare Drittwirkung wird nur noch bei Privatrechtssubjekten angenommen, die aufgrund einer ihnen eingeräumten Autonomie eine Befugnis zur Rechtsetzung zukommt, wie sie in anderen Mitgliedstaaten vom Staat selbst ausgeübt wird (sog. intermediäre Gewalten).155 Eine generelle Gleichsetzung voraus. Es ist aber gerade das Wesen dieser Dreieckssituation, dass der unmittelbar Handelnde nicht grundrechtsverpflichtet ist, einem anderen (dem Staat) aber ein Eingriff verboten ist und die Handlung des Nicht-Verpflichteten ihn insoweit angelastet wird, weil er nicht ausreichend für die Verteidigung gesorgt hat. 150 Vgl. Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 109 a. E.: Dem dreipoligen Verhältnis ist durch eine entsprechende, behutsame Wirkungsbestimmung Rechnung zu tragen. Für eine am konkreten Fall orientierte Lösung auch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 75 ff. (insb. S. 81 ff.). 151 Siehe nur Jung, JZ 2001, 1004 (1008). Die „Eigenverantwortlichkeit“ betonend etwa VerfGH Rh-Pf NZM 2005, 695 (696); zust. Anm. Sachs, JuS 2006, 262 (263); Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 169. 152 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); ders., AcP 185 (1985), 9 (9 f.); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnrn. 107, 109; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (61); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1636); Kempen, DZWir 1994, 499 (passim, insbes. S. 502 ff.); Pietzcker, FS Dürig, S. 362. 153 Vgl. BVerfGE 51, 324 (346 f.); 66, 39 (58); BVerfG NJW 1998, 975 (976), als Beispiele nennend ernste Gefahren für Leben oder Gesundheit; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 184. 154 EuGH, Rs. C-265/95, EuZW 1998, 84 (85), Tz. 32, 39 – französiche Bauernproteste; Burgi, EWS 1999, 327 (329 ff.); Streinz, SpuRt 2000, 221 (225); Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (466); P. M. Huber, NJW 2011, 2385 (2388); Kühling, NJW 1999, 403 (403 f.). 155 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-51/96 u. C-191/97, EuZW 2000, 371 (374), Tz. 47 f. – Deliège; Rs. C-176/96, EuZW 2000, 375 (377 f.), Tz. 35 f. – Lehtonen; Rs. C-281/98, EuZW 2000, 468 (469 f.), Tz. 31 f., 34 – Anagonese; Rs. C-438/05, NZA 2008, 124 (127), Tz. 33 ff., 65 – Viking Line; Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (15 ff.); Röthel,

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von rechtlicher und faktischer Regelungsmacht findet somit auch hier nicht statt.156 5. Zusammenfassung zur Herleitung der Grundrechtsgeltung im Privatrecht Für die Bindung der Gesetzgebung und der Rechtsprechung an die Grundrechte im Bereich des Privatrechts sowie die Grundrechtsverpflichtung des Bürgers selbst ist somit Folgendes festzuhalten: Die Legislative ist, wenn sie zivilrechtliche Gesetze erlässt, von der unmittelbaren Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG nicht ausgenommen. Gebote und Verbote privatrechtlichen Gesetzen müssen sich daher in vollem Umfang am Grundgesetz messen lassen.157 Berührt und zu beachten ist dabei entweder die Abwehr- oder die Schutzfunktion der Grundrechte: Zivilrechtliche Bestimmungen verstoßen gegen das Grundgesetz, wenn der Gesetzgeber seiner Pflicht, durch die Schaffung geeigneter Rechtsnormen die Integrität des Betroffenen effektiv zu schützen, nicht nachkommt, oder aber bei einer gesetzlichen Regelung (die dem Schutz konkreter Dritter oder der Verfolgung von Allgemeinwohlbelangen dienen kann) die Freiheit eines anderen zu stark einschränkt.158 Im Bereich der Judikative ist die Abwehrfunktion der Grundrechte betroffen, wenn ein gerichtliches Urteil eine Handlung oder Unterlassung anordnet und diese Pflicht auf ein Gesetz zurückgeht. Alle anderen Konstellationen – also der gesamte Bereich vertraglicher Verpflichtungen sowie die Abweisung einer auf Schutzgewähr zielenden Klage – lassen sich hingegen nicht mit der Abwehrfunktion erfassen, weil die Rechtsbeeinträchtigung nicht der Sphäre des Staates entstammt. Die Verletzung von Grundrechten kann sich hier nur aus einer im Gesetz ausgedrückten Verantwortung der Rechtsprechung (als Teil der Staatsgewalt) für die Integrität der Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen ergeben. Für die ErkläEuZW 2000, 379 (379 f.); Streinz, SpuRt 2000, 221 (225), die jeweils ein Nebeneinander und eine gegenseitige Ergänzung beider Ansätze annehmen; auch insoweit ablehnend Burgi, EWS 1999, 327 (331 f.). 156 Vgl. Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (459, 464 ff.); Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (15 ff.). 157 Siehe nur Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (332, Fn. 26); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (212 f., 228); ders., JuS 1989, 161 (162 f.); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 106; Dreier/Dreier, Vorb. Rdnr. 97; H. Dreier, Jura 1994, 505 (509 f.); P. Götz, Vergütungsanspruch, S.115 f.; V. Götz, Verwirklichung, S. 80; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, passim, insb. S. 26 f., 33; ders., JZ 1994, 373 (374 f.); Isensee, FS Großfeld, S. 490; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (377); Kempen, DZWir 1994, 499 (502); Schapp, JZ 1998, 913 (918); Singer, JZ 1995, 1133 (1136); Röthel, JuS 2001, 424 (425) m.w. N.; Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (971). 158 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 139 f. und S. 252 ff.; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 92 f.; BVerfGE 128, 226 (248 ff.).

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rung der Grundrechtswirkungen gegenüber der Rechtsprechung ist somit eine Kombination von Abwehr- und Schutzfunktion heranzuziehen.159 Aus der Perspektive des Privatrechtssubjekts bedeutet dies, dass Grundrechte anderer ihm niemals selbst Verhaltenspflichten auferlegen. Ist jedoch eine Norm vorhanden, die durch ausdrückliche Anordnung oder durch Einräumung von Auslegungs- und Wertungsspielraum die Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen eines anderen Bürgers zulässt, kann ihn eine Pflicht zur Handlung, Duldung oder Unterlassung treffen, die auf die Grundrechte des anderen zurückzuführen ist. Nur insoweit ist er zur Respektierung der fremden Freiheitssphäre verpflichtet. Der Bindung an die Grundrechte unterliegen damit zwar die Normen des Privatrechts, nicht aber der Privatrechtssubjekte selbst.160

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts Nach diesen generellen Ausführungen zum Verhältnis von Grundrechten und Zivilrecht ist zu untersuchen, ob und wieweit im Bereich der Eigentumsgarantie Besonderheiten bestehen. Nach verbreiteter Ansicht weicht die dogmatische Struktur der Garantie des Art. 14 GG in zentralen Punkten von der der übrigen Freiheitsgrundrechte ab. Um die Frage, welche der vertretenen Konzeption zutreffend ist, klären zu können, ist erforderlich, sich zunächst die ideengeschichtlichen und ökonomischen Hintergründe des Eigentums vor Augen zu führen.

I. Rechtsgeprägtheit als Besonderheit des Eigentums 1. Philosophische Ideen zum Eigentum Rechtliche Regelungen zum Umfang der Befugnisse, die dem Einzelnen an Sachen zustehen, finden sich in allen gesellschaftlichen Ordnungen der Vergangenheit und der Gegenwart. Die Eigentumsverfassung verleiht der gesamten Rechts- und Gesellschaftsordnung ihr Gepräge, da sie eng mit der jeweiligen Freiheitsvorstellung und dem Menschenbild zusammenhängt:161 Erst das für alle Bürger gleichermaßen bestehende Recht, Eigentum zu erwerben, macht die Men159 So neben den bereits Genannten Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (71 f.); Schmalholz, ZUR 2002, 257 (258); Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1236 f.). 160 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (passim, insb. S. 205, 222, 228); BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 144; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 68 f.; Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 134; Schapp, ZBB 1999, 30 (32); Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 77. 161 Vgl. Burmeister, FS Leisner, S. 657 f.; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 26 f.; Luhmann, Rechtstheorie Beiheft 11 (1991), S. 44 f., 52, 55; Mayer-Maly, FS Hübner, S. 146; zum Zusammenhang von Verfassungsrecht und Eigentumsethik ferner R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (175); Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (39 ff.); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 1; ferner BGHZ 6, 270 (278).

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schen wirklich gleich und beseitigt ständische Strukturen.162 Das Eigentum wird daher zu Recht zu den Menschenrechten gezählt.163 Das Erfordernis nach Anerkennung und verbindlicher Abgrenzung eines Bestandes an Gütern resultiert aus dem Bedürfnis, eine gegenständliche Basis für die Verwirklichung der eigenen Freiheit zu haben und gegenüber anderen zu sichern. Dem Menschen wohnt ein tiefsitzender Urtrieb danach inne, „Volleigentum“ an Sachen innehaben zu können.164 Aristoteles spricht in diesem Zusammenhang von der „Lust, die es gewährt, etwas als sein Eigentum bezeichnen zu können“.165 Gleichwohl wurde das Eigentum von jeher auch in Frage gestellt, so dass die Philosophie frühzeitig zu umfangreichen Untersuchungen über Wesen und Rechtfertigung des Eigentums veranlasst wurde.166 Aristoteles stellt hierbei den Gedanken in den Vordergrund, dass die Aussicht auf eine gesicherte und ausreichende Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern den Einzelnen ansporne, nach besten Kräften tätig zu werden, während Gemeineigentum zu einer eher gleichgültigen Haltung verleite. Die individuelle Zuordnung der Güter verhindere zudem Streitigkeiten darüber, wie viel sich jeder von dem „gemeinsamen Eigentum“ für den eigenen Bedarf nehmen dürfe.167 Eigentum ist damit eine Reaktion auf die Knappheit und Endlichkeit der Güter;168 Gelderwerb und Reichtum sind jedoch nicht selbst das gesuchte Gut, sondern werden nur eines anderen Guts wegen erstrebt.169 Bei Aristoteles findet sich bereits die grundlegende Unterscheidung, dass von einer Sache in zweierlei Weise Gebrauch gemacht werden kann, nämlich durch ihre Nutzung als Gebrauchsgegenstand und durch ihre Veräußerung.170 Der Scholastiker und Aristoteles-Rezipient Thomas von Aquin übernimmt im Wesentlichen diese Begründungsansätze in sein Konzept eines theologischen Naturrechts171.172 Für Thomas wird das Privateigentum zwar erst durch die lex 162 Vgl. Wiegand, FS Kroeschell, S. 638; Berg, JuS 2005, 961 (962) m.w. N.; Koller, FS Tammelo, S. 120, 133. 163 Statt vieler Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 ff. (passim); Leisner, HdbStR § 149 Rdnrn. 23 ff.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnrn. 1, 3; BVerfGE 50, 290 (344). 164 Vgl. Hattenhauer, S. 98; siehe aber auch Böhmer, NJW 1988, 2561 (2568), der die Kontinuität geringer einschätzt. 165 Aristoteles, Politik, 2. Buch 5. 166 Überblick bei Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 2; Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (33 ff.). 167 Aristoteles, Politik, 2. Buch 5.; vgl. zum Ganzen auch R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (160); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 2, 4. – Dieses Argument hält später auch Thomas Morus, Utopia, S. 55, dem güterkommunistischen Modell in Utopia entgegen, von dem ihm Raphael Hythlodeus berichtet. 168 Ebenso – ohne Rückgriff aus Aristoteles – Brunstäd, FG Binder, S. 124 f. 169 Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1. Buch 3. 4. 170 Aristoteles, Politik, 1. Buch 9. 171 Zum Begriff „religiöses“ oder „theologisches“ Naturrecht vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 135 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 411 ff.; Kelsen, FS Nipperdey, S. 60 ff. 172 Vgl. Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 66 a. 2 c.

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humana eingerichtet, ist aber bereits im Naturrecht angelegt.173 Das Eigentum unterliegt allerdings Vorbehalten und Grenzen: Da die zum Leben notwendigen Güter nur in begrenztem Umfang vorhanden sind, soll derjenige, der mehr als die für ihn ausreichende Menge besitzt, im Rahmen der von ihm geschuldeten Nächstenliebe einen Teil dem Bedürftigen abgeben.174 Diesen sozialen Ausgleich erhebt Thomas sogar zur unbedingten Pflicht, wenn das Überleben des Bedürftigen gefährdet ist.175 In der Philosophie der Aufklärung steht das Eigentum in engem Zusammenhang mit den Staatsvertragstheorien.176 Während die frühen Anhänger der Arbeitstheorie, insbesondere John Locke, davon ausgingen, dass der Eigentumserwerb auch im Naturzustand und ohne Konsens aller möglich ist177 und der Eintritt in die Gesellschaft nur dem besseren Schutz dient,178 betonten die Vertreter der Okkupationstheorie, dass ein stillschweigender Vertrag vorliegen müsse, der aus dem Faktum des Besitzes den Rechtstitel des Eigentums entstehen lässt.179 So beschreibt Thomas Hobbes180, dass ein Übergang vom „Krieg aller gegen alle“ 181 in einen Rechtszustand, der die natürliche Freiheit gegen den Zugriff an-

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Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 66 a. 2 ad 1; II-II q. 57 a. 3 c. Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 32 a. 5 c. 175 Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 32 a. 5 c. In Fällen äußerster Notlage verneint er somit – nach heutiger Terminologie und Systematik – die Rechtswidrigkeit des Diebstahls (II-II q. 66 a. 7 c.), da das Privateigentum dann quasi in öffentliches Eigentum bzw. Eigentum des Bedürftigen umgewandelt wird, und das Leben als höherwertiges Rechtsgut das Eigentum unbeachtlich macht. – Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 137 f., führt dies mit gesellschaftsvertraglichen Überlegungen dahin fort, dass für den Eigentumslosen jeder Eigentumsvertrag unverbindlich ist, weil er dann das fremde Eigentum auch im eigenen Interesse nicht mehr akzeptieren muss. 176 Sowohl bei den klassischen Vertretern des Sozialkontrakts (vgl. dazu Koller, FG Weinberger, S. 245 ff.) als auch nach dem heutigen demokratischen Staatsverständnis sind die Gesellschaftsvertragstheorien „hypothetisch“ zu verstehen, d.h. der Staat muss so angesehen werden, als beruhe die Herrschaft auf Zustimmung aller Beherrschten, siehe nur Braun, Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert, S. 130 f.; Koller, Theorie des Rechts, S. 138; Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (15 f.). Der Sozialkontrakt kann aber auch in diesem Sinn Rechtfertigungsgrund von Normen sein, indem danach gefragt wird, ob ihnen die allgemeine Zustimmungsfähigkeit zukommt, vgl. Koller, FG Weinberger, S. 244, 247 ff., 273 ff.; ferner bei Braun, a. a. O. 177 Locke, The Second Treatise of Government, V. 25, V. 29. Lediglich das Phänomen des Geldes erklärt Locke mit der Zustimmung, V. 50. 178 Vgl. Locke, The Second Treatise of Government, VII. 87; XI. 138; ferner Koller, FG Weinberger, S. 256, 258 f. 179 Vgl. R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (161); ders., JuS 1996, 580 (581 ff.); Luhmann, Rechtstheorie Beiheft 11 (1991), S. 47; Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (37 ff. [zu Locke], 42 ff. [zu Rousseau, der bereits den Konsens ins Spiel bringt]). – Zu diesen beiden Theorien unten Teil 4 E.III.1.a) bzw. E.II.2.a). 180 Insbesondere Hobbes, De Cive, 1., 2. und 6. Kapitel. 181 Hobbes, De Cive, 1. Kapitel 12; dazu Koller, FG Weinberger, S. 248 f.; vgl. auch bei Scholz, NJW 1983, 705 (705); P. M. Huber, Jura 1998, 505 (508). 174

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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derer schützt, erst vollzogen werden kann, indem jeder von seinem natürlichen Recht auf alles etwas abgibt und ausschließliche Sphären der anderen anerkennt.182 Der staatlichen Gewalt kommt die Aufgabe zu, die Freiheit und das Eigentum des einen gegen die übrigen zu sichern.183 Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen Staatsgründungskonsens und Eigentum bei Immanuel Kant, der die Staatsgründung anhand des Eigentums beschreibt.184 John Locke präsentiert dabei eine weitere sachliche Rechtfertigung der mit jeder Eigentumszuordnung verbundenen Ungleichverteilung der Güter: Da der Eigentumserwerb auf der Arbeit des Menschen beruht, lassen sich der Umfang der dem Einzelnen gehörenden Güter auf natürliche Anlagen und Fleiß zurückführen.185 Gleichwohl stellte auch er das Aneignungsrecht unter den doppelten Vorbehalt, dass sich jeder nur so viel nehmen darf, dass für die anderen noch genug gleich Gutes übrig bleibt, und wie er zum eigenen Verbrauch benötigt.186 Das Recht des Staates, den Umgang mit dem Eigentum im Interesse des Staates zu regeln, Steuern auf das Eigentum zu erheben und bei dringendem Bedarf die Gegenstände auch ganz für staatliche Zwecke einzuziehen, wird bei Pufendorf besonders betont.187 Im Fall einer solchen Inanspruchnahme hält Pufendorf eine Entschädigung durch den Staat oder die anderen Bürger für geboten.188 Ganz in Übereinstimmung mit § 903 S. 1 BGB beschreibt Pufendorf dabei das Eigentum als das Recht, nach

182

Hobbes, De Cive, 2. Kapitel 3., 4.; vgl. Koller, FG Weinberger, S. 249. Hobbes, De Cive, 6. Kapitel 1., 3.; vgl. auch Link, FS Scholz, S. 309 (312). 184 Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, § 4 ff. (S. 247 ff.); dazu R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (163 ff.); Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (46 ff.). Nach Kant ist allerdings „provisorisches“ Eigentum auch im Naturzustand möglich, vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, §§ 9, 15 (S. 256, 264); Schröder, FS Gernhuber, S. 963 ff. (insb. S. 973); Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (50 f.). 185 Vgl. Locke, The Second Treatise of Government, V. 27, 34; ferner R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (162); Koller, FG Weinberger, S. 252 f., 256, 260; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 2. 186 Locke, The Second Treatise of Government, V. 33 ff. (insbes. V. 36); dargestellt bei Koller, FG Weinberger, S. 260 f.; Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (37 ff., auch dazu, dass die Einführung des Geldes diesen Vorbehalt weitgehend egalisiert); Roellecke, JZ 1995, 74 (77). – Die Aneigenungsschranke ähnelt inhaltlich dem Almosenvorbehalt bei Thomas von Aquin. 187 Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 2. Buch Kap. 15 § 2, § 3 bzw. § 4. Vgl. zu Pufendorf, der aus dem Naturrecht ein System sozialer Pflichten ableitet, allgemein Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 448. 188 Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 2. Buch Kap. 15 § 4. – In der Sache ist dies die Entschädigungspflicht für Enteignungen. Pufendorf scheint hier auf dem ersten Blick nach der Schwere des Eingriffs abzugrenzen („wenn das, was beansprucht wird, den allgemein festgesetzten Teil . . . weit übersteigt“). Bei näherem Hinsehen ist ein solches Verständnis aber nicht zwingend, zumal er das Enteignungsrecht als Ausdruck des staatlichen Obereigentums (dominium eminens) ansieht und vom Recht zur bloßen Regelung des Eigentumsgebrauchs (§ 2) unterscheidet. 183

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

eigenem Belieben zu verfügen und andere von jeglichem Gebrauch derselben abzuhalten.189 G. W. F. Hegel fügt dem eine – gewissermaßen utilitaristische – Komponente hinzu, indem er darauf hinweist, dass die Selbstsucht jedes Einzelnen in einen Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse aller umschlage.190 Gustav Radbruch nennt später – trotz der Betonung der Pflichtigkeit des Eigentums – das Eigentum wegen seiner konstruktiven Vorgreiflichkeit für alle weiteren Überlegungen zu Rechten an Sachen eine „aller Rechtserfahrung vorausgehende Kategorie rechtlichen Denkens“ und eine „für die rechtliche Betrachtung unentbehrliche Denkform“.191 Für den Rechtspositivismus Hans Kelsens stellt die Frage der Rechtfertigung des Eigentums dagegen keine Angelegenheit des Rechts dar, da für ihn die Geltung des Rechts allein auf dem Erzeugungszusammenhang, nicht auf innerer Rechtfertigung beruht.192 Die Konstruktion des Eigentums wird von ihm in das Grundverständnis integriert, dass jede Rechtsordnung eine Zwangsordnung sei, und das Eigentum als Reflex der – erforderlichenfalls staatlich durchzusetzenden – Ausschließungsbefugnisse erklärt.193 2. Eigentumsfunktionen nach der Ökonomischen Analyse des Rechts Einige die vorgestellten Argumente werden in ihrem Kern auch noch heute – wenn auch in modifizierter Form und mit moderneren Formulierungen – herangezogen, um den Grund des Eigentums zu erklären und den Bedarf nach ihm zu begründen. So legitimiert die moderne ökonomische Analyse des Rechts Eigentumsrechte („property rights“) – und subjektive Rechte allgemein – im Wesentlichen damit, dass sie die Eigenverantwortlichkeit stärken und so der Volkswirt-

189 Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 1. Buch Kap. 12 § 3 („. . . pro arbitrio nostro disponere, & ab eorumdem usu quosvis alios arcere possimus . . .“). Eine ähnliche Formel verwendete bereits Bartolus vgl. HRG/Hagemann, I/ 885; Willoweit, HistJb 94 (1974), 131 (144 ff.); Luhmann, Rechtstheorie Beiheft 11 (1991), S. 46. – „Verfügen“ ist dabei allerdings – ebenso wie später in Mot. III, 262 – nicht ausschließlich im Sinne einer Veränderung der dinglichen Rechte an der Sache zu verstehen (vgl. unten 4.), sondern meint umfassend jede Art der Nutzung (vgl. sowohl den Kontext in Mot. III, 262, als auch die Formulierung in Art. 111 EGBGB: „tatsächliche Verfügungen“, dazu Mot. z. EGBGB, 192; vgl. ferner Olzen, JuS 1984, 328 (333), Liver, FS Gschnitzer, S. 247 zu Art. 641 SchweizZGB; anders Willoweit, HistJb 94 (1974), 131 (145). 190 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 199 (einschränkend aber in § 41); R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (172). 191 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 132. 192 Kelsen, JZ 1965, 465 (467 f.); vgl. ferner Weinberger, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 501 (502, 507). 193 Vgl. Römer, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 87 (88 ff.).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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schaft und dem Fortschritt dienen.194 Das Eigentum wirkt dabei zum einen als Stimulans wirtschaftlicher Betätigung, da es für eine individuelle Verteilung von Erfolg und Risiko privater Initiative und Leistung sorgt195 und dem Unternehmer die notwendige Sicherheit gibt, das Ergebnis seiner – u. U. risikobehafteten – Investitionen behalten zu dürfen.196 Zum anderen besteht bei einem freiem Zugang zu den verfügbaren Gütern im Allgemeinen kein Anreiz, deren Nutzung zu reduzieren und so begrenzte Ressourcen langfristig zu erhalten.197 Eigentumsrechte entfalten daher auch eine rohstoff- und umweltschützende Wirkung.198 Makroökonomisch soll die „Unsichtbare Hand des Marktes“ schließlich dazu führen, dass die Verfolgung des eigenen Interesses durch den Einzelnen auch eine insgesamt nützliche Güterverteilung bewirkt und dem Fortschritt dient.199 Als weitere Legitimation ist festzuhalten, dass die gegenseitige Anerkennung fremder Ausschließlichkeitsbereiche und des staatlichen Gewaltmonopols effizienter ist als die private Verteidigung des faktischen Besitzes, weil die Kosten privater Rüstung entfallen.200 Privates Eigentum leistet einen Beitrag zur Existenzsicherung, da die individuelle Zuweisung von Vermögensgütern die zweckmäßigste Form der Versorgung aller ist.201 3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und moderne Staatsrechtswissenschaft: Freiheitssichernder Charakter des Eigentums Das Bundesverfassungsgericht stellt – was als Fortführung dieser Erklärungsansätze gesehen werden kann – seinen Ausführungen regelmäßig voran, dass das Eigentum dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern und so die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens er194

Siehe nur Salje, Ökonomische Analyse, S. 156 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 67 f.; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 94 ff.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, passim (insbes. S. 143 f., 186 ff.). 195 Badura, FS Maunz, S. 111; Berg, JuS 2005, 961 (962). 196 Schmidt-Preuß, AG 1996, 1 (6); Ohly, GRUR 2011, 439 (440); dies erkennt auch Rittstieg, JZ 1983, 161 (167) an. 197 Siehe nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 522 ff.; ferner Kube, JZ 2001, 944 (950). 198 Hingewiesen sei an dieser Stelle auf das System der Treibhausgas-Emissionszertifikate nach dem TEHG. 199 Vgl. die Darstellung bei R. Dreier, JuS 1996, 580 (582); ferner Häberle, AöR 109 (1984), 36 (69); sowie Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 144. 200 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 525; zur „Friedensfunktion des Rechts“ allgemein Koller, Theorie des Rechts, S. 56, 58. 201 So bereits Brunstäd, FG Binder, S. 134; vgl. Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 37 zum Wohneigentum; Christ, DVBl. 2002, 1517 (1525): wertsichernde Vermögensanlage und Alterssicherung; ferner Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 4.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

möglichen soll.202 Das Eigentum soll die Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem Interesse von Nutzen sein.203 Der Bürger soll mit ihm in der Lage sein, sein Leben so einzurichten, wie er es für richtig hält.204 Art. 14 GG ergänzt damit als materialisierte Freiheit205 die von Art. 2 Abs. 1 GG im Allgemeinen garantierte umfassende Handlungsfreiheit der Person206 um eine besondere Handlungsfreiheit im Bezug auf erworbene Sachen.207 Eigentumsschutz ist somit im Kern Persönlichkeitsschutz;208 das Eigentum gewährt – wie alle Grundrechte – als Abwehrrecht des Individuums gegen den Staat209 einen status negativus.210

202 BVerfGE 24, 367 (400); 31, 229 (239); 42, 64 (76); 46, 325 (334); 50, 290 (339); 53, 257 (290); 68, 193 (222); 83, 201 (208); 88, 366 (377); 91, 294 (307); 97, 350 (370 f.); 102, 1 (15); 104, 1 (8); 105, 252 (277); 115, 97 (110); BVerfG NJW 1992, 36 (37); NVwZ 1999, 1329 (1329); NVwZ 2009, 1426 (1428); siehe auch Hattenhauer, S. 84 f.; Böhmer, NJW 1988, 2561 (2563); Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 665 f., 690. 203 BVerfGE 50, 290 (339); 52, 1 (30); 81, 29 (32); 100, 226 (241); 102, 1 (15); 104, 1 (9). 204 BVerfGE 68, 361 (375); 79, 292 (303 f., 305); vgl. auch Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 3, 4. 205 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 30. 206 So seit BVerfGE 6, 32 (36 f.); vgl. unten C.I.2.a)bb)(2)(b), Nw. in Fn. 831. 207 Inhaltlich so BVerfGE 31, 229 (239); 42, 64 (76), 53, 297 (290); 81, 29 (34); 88, 366 (377); 97, 350 (371); BVerfG NJW 2004, 2008 (2010); BVerfG wistra 2004, 378 (381); MedR 2006, 54 (55): jeweils „enger“ oder „innerer Zusammenhang mit persönlicher Freiheit“; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 335: „Privatautonomie auf vermögensrechtlichem Gebiet“; Papier, BB 1997, 1213 (1214); Brenner, DVBl. 1993, 291 (292); Brunstäd, FG Binder, S. 123; Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (334 f.); Kimminich, JuS 1978, 217 (219); Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 82 ff.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 38. Ablehnend dagegen Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 727. 208 Wieling, Sachenrecht, § 8 I a unter Hinweis auf BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239); BGHZ 6, 270 (276); vgl. ferner Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 44 ff.; BVerfGE 2, 380 (401), das auf die Ansiedlung zwischen Art. 13 und Art. 15 GG hinweist; Ohly, JZ 2003, 545 (550), zur Überlagerung von Sachherrschafts- und Persönlichkeitsschutz etwa bei Tagebuchaufzeichnungen oder entnommenen Organen. Im Ausgangspunkt ebenso Böhmer, NJW 1988, 2561 (2562); Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (345); Kimminich, JuS 1978, 217 (219). – Die Aussage, die Eigentumsgarantie sei „objektbezogen“, während Art. 12 GG „in erster Linie persönlichkeitsbezogen“ sei (BVerfGE 30, 292 (334)), soll nur die Abgrenzung beider Grundrechtsschutzbereiche verdeutlichen und bestreitet nicht den Persönlichkeitsbezug des Art. 14 GG. 209 BVerfGE 21, 362 (369 f.); 36, 281 (290). 210 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 28, 64; Depenheuer/Grzeszick, NJW 2001, 385 (387); Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 4, 7; Leisner, HdbStR, § 149 Rdnr. 5; vgl. auch F. Baur, FG Sontis, S. 182; Häberle, AöR 109 (1984), 36 (38, 67, 73 f.); Kübler, AcP 159 (1960), 236 (255); Schoch, Jura 1989, 113 (114); Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (105); ferner allgemein Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (504); Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2100). Aus der Rspr. BVerfG NJW 1998, 3264 (3264).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Die Wichtigkeit des Eigentums ergibt sich dabei – wie das Bundesverfassungsgericht betont – daraus, dass der einzelne Mensch regelmäßig wirtschaftliche Güter als sichere Basis benötigt, um von seinen anderen Freiheiten Gebrauch machen zu können. Der Staat schuldet grundsätzlich nicht, die tatsächlichen Voraussetzungen der Freiheitausübung zu schaffen und zu gewähren;211 vielmehr muss der Bürger sie sich selbst verschaffen und erhalten. Ohne ausreichenden Schutz der notwendigen gegenständlichen Basis wäre die Grundrechtsausübung selbst gefährdet. Damit erweist sich das Eigentum als eine materielle Voraussetzung allen Freiheitsgebrauchs212 und sichert auf diese Weise die Möglichkeiten des Einzelnen bei der freien Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen.213 Eigentum ist ferner Basis jeder wirtschaftlichen Betätigung.214 Auch wenn das Grundgesetz „wirtschaftpolitisch neutral“ ist215 und sich Vorgaben für die Wirtschaftsverfassung nur punktuell aus einzelnen Grundrechten ergeben, hat der Gesetzgeber aufgrund der klaren Entscheidung zugunsten des Eigentums keineswegs eine freie Hand.216 Vielmehr scheiden von vornherein alle Wirtschaftsordnungen aus, die Eigentum im Sinne von Volks- oder Gemeinschaftseigentum verstehen oder die von imperativer Staatsplanung geprägt sind.217 Als weitere Konsequenz aus der Grundentscheidung für das Eigentum ergibt sich, dass – auch wenn der Tauschwert des Eigentums als solcher nicht geschützt sein kann218 – ein staatsunabhängiger Markt garantiert sein muss,219 auf dem die Güter zum Verkauf angeboten und so der ihnen innewohnende Wert realisiert werden kann.220 211

Vgl. Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 333 (339 ff.). BVerfGE 79, 292 (304); 97, 350 (370 f.); Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (56, 67, 69); ders., JuS 2005, 961 (963); Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 667, 690; vgl. ferner Brunstäd, FG Binder, S. 123. 213 Vgl. BVerfGE 21, 362 (369); 62, 81 (101); 75, 192 (195); BVerfG NJW 1990, 1783; ferner Höfling, Staat 33 (1994), 493 (496): Eigentum ist nicht apolitisch. 214 BVerfGE 78, 58 (73 f.); 51, 193 (218); 97, 350 (371). Eine besondere Betonung der privaten Initiative und Risikobereitschaft findet sich in BVerfGE 58, 137 (159). 215 BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); dazu Leisner, BB 1975, 1 (2 ff.); ausführlich zur Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes und der „Neutralität“ Jarass, ZHR 139 (1975), 557 (559 ff.). 216 Mit der Entscheidung für das Privateigentum kann es eine echte, vollständige wirtschaftspolitische Neutralität eines Staates nicht mehr geben. Vgl. Leisner, BB 1975, 1 (2 ff.); Canaris, FS Lerche, S. 879; ferner Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (49 ff.); Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (346); Häberle, AöR 109 (1984), 36 (48 f.); Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (43 f.); Wendt, NJW 1980, 2111 (2111). 217 Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 30 ff. 218 BVerfGE 97, 350 (371; aber auch S. 376); 105, 17 (30); VG Hannover NVwZ-RR 1991, 643 (643). 219 Canaris, FS Lerche, S. 879; Leisner, BB 1975, 1 (4 ff.); auch Papier, BB 1997, 1213 (1216); Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, Kap. 12 I 1 b. 220 Vgl. zu den Grundsätzen und Grenzen dabei BVerfGE 97, 350 (371); BVerfG DÖV 2007, 251 (252). – Mit der Eigentumsgarantie hängt ferner die Sicherstellung ei212

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

4. Nutzungs- und Verfügungsbefugnis als grundlegender Inhalt des Eigentums Ausgehend von diesen philosophischen „Ideen“ und den wirtschafts- oder staatstheoretischen „Funktionen“ lässt sich das Eigentum grundlegend durch die Nutzungs- und die Verfügungsbefugnis beschreiben. Erstere – bisweilen auch „tatsächliche Verfügungsmacht“ genannt221 – erfasst die Nutzung der Sache selbst mit ihren körperlichen und funktionalen Eigenschaften durch Realakte. Die Verfügungsbefugnis erlaubt demgegenüber die vollständige oder teilweise Übertragung des Besitz- und Nutzungsrechts durch Rechtshandlungen auf einen anderen, durch die der „verkörperte“ Sachwert nutzbar gemacht wird.222 Beide Komponenten stehen – auch wenn zu früheren Zeiten die Verfügung eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat223 – nicht isoliert nebeneinander, sondern sind intensiv miteinander verschränkt: Verfügungen verändern die verbleibende Nutzbarkeit für den Rechtsinhaber; umgekehrt hängt der bei einer Verfügung als Entgelt erzielbare Preis (Sachwert) entscheidend von der Nutzbarkeit ab.224 Die dem Eigentum innewohnende Nutzungsbefugnis lässt sich dabei nur im Wege der Negation beschreiben:225 Inhalt des Eigentums ist, andere Personen – also die Nachbarn und den Staat, die ein Interesse an der Sachnutzung haben können – von jeglichem tatsächlichen oder rechtlichen Zugriff auf die Sache vollständig ausschließen zu können.226 Insoweit ist ein abstraktes Bild von dem, was zum Eigentum gehört, bereits vorrechtlich (d.h. unabhängig von der Charakterisierung in § 903 S. 1 BGB) vorhanden.

ner privatnützigen Ausgestaltung der Erbfolge zusammen, vgl. BVerfGE 93, 165 (173 f.); BVerfG NJW 2004, 2008 (2010); NJW 2005, 1561 (1562); Canaris, FS Lerche, S. 877; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 155; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 360, 393; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 212; Vyas, ZEV 2002, 1 (1); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 45. 221 Z. B. in Art. 111 EGBGB; vgl. oben 1., in Fn. 189. 222 Gast, JuS 1985, 611 (612); Hattenhauer, S. 89 f. 223 Zumindest in Deutschland überwog bis ins Mittelalter die Funktion des Eigentums als Gegenstand der realen Nutzung. Veräußerung und Belastung gewannen – soweit man von religiösen Schenkungen absieht – erst langsam an Bedeutung, zumal sie lange Zeit der Mitwirkung der Familienangehörigen oder künftigen Erben bedurften, vgl. HRG/Hagemann, I/887; zu fideikommissarischen Bindungen vgl. unten Teil 3 C.V.1. 224 Vgl. Hattenhauer, S. 89 f. 225 Hattenhauer, S. 85; ebenso für das bürgerliche Eigentum des BGB Böhmer, NJW 1988, 2561 (2568); vgl. auch Sontis, FS Larenz, S. 984 f. 226 Hattenhauer, S. 85; Hadding, JZ 1986, 926 (927 f.); Koller, FG Weinberger, S. 259; Larenz, FG Sontis, S. 139; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 200. Vgl. auch Gast, JuS 1985, 611 (612); Larenz, FG Sontis, S. 139; Mayer-Maly, FS Hübner, S. 153. – Wegen dieser Exklusivität der Nutzungsbefugnis erweist sich der Terminus „Sondereigentum“ als Pleonasmus, siehe nur Brunstäd, FG Binder, S. 123.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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5. Erforderlichkeit einer legislativen Ausgestaltung Auch wenn somit eine Vorgabe und ein Vorverständnis durchaus vorhanden sind, besteht ein unübersehbarer Unterschied zwischen dem Eigentum und anderen Freiheitsrechten, die in der Verfassung garantiert werden: Eigentum im eigentlichen Sinne ist ohne ein staatliches Tätigwerden undenkbar. Zwar lässt sich sein Gehalt außer- oder vorrechtlich ermitteln, doch liegt erst mit der rechtlichen Schaffung und Anerkennung dieser Befugnisse zugunsten seines Inhabers wirklich Eigentum vor. Anders als die bereits faktisch vorhandenen Rechtsgüter „körperliche Unversehrtheit“, „Meinungsfreiheit“ oder „Wohnung“ ist das Eigentum nicht bereits vollumfänglich vorgegeben und vorgefunden („sachgeprägt“).227 Da eine Handlung eines Individuums, mit dem dieses die tatsächliche Herrschaftsposition an der Sache erlangt (Okkupation, Verarbeitung), im Rechtsstaat nicht allein in der Lage ist, rechtliche Beziehungen zu den einzelnen anderen Mitbürgern oder gegenüber dem Staat zu begründen, muss die positivrechtliche Ausformung und Zuweisung als Recht durch die Gemeinschaft hinzukommen. Diese macht die Idee der Eigentümerbefugnisse und den bloßen Besitz erst zum Eigentum.228 Eigentum ist daher weniger ein Recht „an“ einer Sache als die Gesamtheit von Befugnissen gegenüber anderen bzw. Pflichten anderer im Hinblick auf den Umgang mit einer Sache.229 Nur durch die Anerkennung der Eigentümerbefugnisse und der damit einhergehenden Begründung der Pflicht aller übrigen Rechtssub-

227 Vgl. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 135, 138; Burgi, NVwZ 1994, 527 (529); P. M. Huber, Umweltschutz, S. 46; Jochum/Durner, JuS 2005, 320 (320); Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 668 f.; Schoch, Jura 1989, 113 (116); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 185; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 25 („grundlegender Unterschied“); teils anders Leisner, HdBStR, § 149 Rdnrn. 58 ff.; zum Umfang dieses Unterschieds auch S. 97. 228 Herzog, FS Zeidler, S. 1417 f.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 2 a); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 1; Kant, Metaphysik der Sitten, 1. Teil. Das Privatrecht, §§ 8 ff.; Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 45. 229 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 29 f.; Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (347); Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 42 f.; Gast, JuS 1985, 611 (612); Georgiades, FG Sontis, S. 163 ff.; Hadding, JZ 1986, 926 (927 f.) m.w. N.; Koller, Theorie des Rechts, S. 102; Kube, JZ 2001, 944 (944); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 860; Rittstieg, NJW 1982, 721 (722); ders., JZ 1983, 161 (164); Sontis, FS Larenz, S. 997 f.; vgl. ferner Brunstäd, FG Binder, S. 125 f.; Mager, AcP 193 (1993), 68 (78 f.); de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (397); Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, § 11 (S. 260 ff.); Röhl, JA 1999, 600 (600). Anders wohl die Vorstellung des BGB-Gesetzgebers (vgl. unten Teil 3 C.IV.1.; Johow, Vorentwurf Sachenrecht S. 2; bei Wiegand, FS Kroeschell, S. 626, 632, 636; Staudinger-Symposion 1998/ders., S. 108 f.) und von Locke (vgl. Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (37)). – Dies schließt nicht aus, gleichwohl das absolute Recht als solches anzuerkennen; dieses ist die Basis dieser Ansprüche (siehe nur Brehm, AcP 207 (2007), 268 (269 f.); C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (456)).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

jekte, diese Befugnisse zu wahren,230 wird die faktische Herrschaft zum Recht; erst dadurch kann „Mein“ und „Dein“ wirklich unterschieden werden.231 Das Bestehen von Befugnissen gegenüber Dritten und dem Staat, die den Inhalt des Eigentums bilden, setzt deren Statuierung durch den Staat logisch voraus, weshalb Eigentum ohne rechtliche Regelung nicht denkbar ist.232 Eigentum ist somit notwendig rechtsgeprägt.233 Ausdruck der Aufgabe, die Freiheit auch gegenüber anderen zu sichern, indem einfachrechtliche Bestimmungen geschaffen werden, ist bereits die Formulierung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, dem zufolge das Eigentum gewährleistet wird.234 Rechtsnormen, mit denen der Eigentumsinhalt definiert wird, indem die dem Eigentum innewohnenden Befugnisse abstrakt-generell festgelegt werden, sind die Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.235 Diesen Besonderheiten muss bei der Untersuchung des von Art. 14 GG gewährten Grundrechtsschutzes – besonders gegenüber der Legislative (unten II. 2.) – Rechnung getragen werden.

230 Der Umstand, dass das Eigentum jedem anderen Pflichten auferlegt, bedeutet nicht, dass auch sofort klagbare Ansprüche gegen jedermann bestehen. Klagbare Ansprüche entstehen vielmehr erst, wenn – wie § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zeigt – eine Person Anstalten macht, das geschützte Recht des anderen zu verletzen. Erst dann ist der Tatbestand des Anspruchs erfüllt, zumal vorher noch gar kein Bedarf danach bestand. Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, es träfe nicht jeden die Pflicht, die absoluten Rechte anderer zu respektieren. Vgl. Larenz, NJW 1955, 263; F. Baur, JZ 1966, 381 (383); Henckel, AcP 174 (1974), 97 (122 ff.); BGH NZM 2009, 834 (835); allgemein zu den grundlegenden Ansätzen zum Zusammenhang von Recht, Pflicht und Freiheit Auer, AcP 208 (2008), 584 ff. (passim). 231 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2568); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 29; Larenz, FG Sontis, S. 139. 232 v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 135; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (214); Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (605); Herzog, FS Zeidler, S. 1417; P. M. Huber, Umweltschutz, S. 46; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 4; Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (105); Schoch, Jura 1989, 113 (116); de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (380); siehe ferner unten B.II.3.a)dd)(7)(b). 233 Ausführlich Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 31 f.; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnrn. 29 f.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 1; Wahl, NVwZ 1984, 401 (405); Burgi, NVwZ 1994, 527 (527, 529). 234 Siehe nur Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 (496). 235 Dazu näher unten 2.; siehe etwa v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 208.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG 1. Vorrang der Bestandsgarantie vor der Wertgarantie a) Historische Wirkrichtung der Eigentumsgarantie In der Eigentumsgarantie wurde trotz dieser Bedeutung und Zusammenhänge lange Zeit weniger ein Schutz vor Verkürzung der Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse als das Verbot des Entzugs des Eigentumsgegenstandes durch den Staat gesehen. Als Zielrichtung der Eigentumsgewährleistung galt die Abwehr von – oft entschädigungslosen – Enteignungen, die die freie wirtschaftliche Entfaltung des Bürgertums zunichte zu machen drohte.236 Besonders der Bedarf des Staates oder öffentlicher Betriebe an Grundstücken zum Bau der Eisenbahnen und für andere Großvorhaben, später auch für Wohnungs- und Siedlungszwecke, stellte eine Gefahr für Inhaber privater Recht dar.237 Reaktion hierauf war Art. 153 Abs. 2 WRV, der den Zugriff auf das Eigentum von einer gesetzlichen Ermächtigung abhängig machte238 und eine Entschädigungspflicht jedenfalls als Grundsatz vorsah. Dies führte dazu, dass die Eigentumsgarantie lange Zeit nur als relative Entschädigungsgarantie begriffen239 und – abstrahiert ausgedrückt – Eigentumsschutz mit Vermögensschutz gleichgesetzt wurde.240 b) Eigentumsschutz als Substanzgarantie Die Aufgabe, dem Einzelnen eine autonome Lebensführung zu ermöglichen und ihm die gegenständliche Basis für eine wirtschaftliche Betätigung zu liefern,241 kann das Eigentum nur dann voll erfüllen, wenn es seinem Träger in seiner Substanz, d.h. mit seinen tatsächlich ausübbaren Befugnissen, und nicht nur als Vermögenswert erhalten bleibt. Unter dem Grundgesetz muss Eigentumsschutz deshalb auf die Sicherung der der Sache innewohnenden Gebrauchsmög236

Siehe nur die Zusammenfassung in BGHZ 6, 270 (281). Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 410; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 53; Ossenbühl, JuS 1993, 200 (201); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911 f.); Rennert, VBlBW 1995, 41 (41); Rittstieg, JZ 1983, 161 (163); Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 80 f., 85 ff. 238 Maurer, FS Dürig, S. 296. 239 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2562); Maurer, FS Dürig, S. 295 ff.; Papier, JuS 1989, 630 (630). – Wie dieser sowie Böhmer, NJW 1988, 2561 (2564 f.); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (909) und Schoch, Jura 1989, 113 (113) hervorheben, beruhen zahlreiche Entscheidungen zur Eigentumsgarantie darauf, dass die (insb. Zivil-)Gerichte wegen der weitgehenden textlichen Übereinstimmung von Art. 153 WRV und Art. 14 GG die Grundsätze der Weimarer Zeit unbesehen übernommen haben. 240 Kritisch zu dieser Entwicklung aber bereits Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 136 f.: „Im Vermögen denaturiert das Eigentum.“ 241 Vgl. oben I.3. 237

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

lichkeiten und -befugnisse gerichtet sein.242 Eigentumsschutz bedeutet daher in erster Linie eine Bestandsgarantie, die sich nur im Fall der zulässigen Enteignung in eine reine Wertgarantie umwandelt.243 Jede staatliche Regelung muss daher darauf ausgerichtet sein, die Nutzungs- und die Verfügungsbefugnis so weit wie möglich dem Rechtsinhaber zu belassen und Einschränkungen und Belastungen real zu vermeiden,244 damit dem Eigentümer der gewohnte245 Sachgebrauch an seinem konkreten Objekt246 und die Entscheidungsbefugnis über den Umgang damit erhalten bleibt. Eine vorschnelle Verweisung auf die Möglichkeit der Einnahmeerzielung durch Fremdnutzung oder auf den Wert(ersatz) würde die charakteristische zweifache Nutzungsmöglichkeit – zum gegenständlichen Gebrauch und als Tauschobjekt – um die erste reduzieren; der Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie würde um das zentrale Moment der freien und selbstbestimmten Ausgestaltung des Lebens verkürzt.247 Die Eigentumsgarantie soll damit sowohl die Nutzungs- und Verfügungsfreiheit einschließlich der Entscheidungsfreiheit sichern, ob und wann die Nutzung in natura und wann eine Ausnutzung des verkörperten Wertes durch (vollständige oder teilweise) Übertragung erfolgen soll. Treffend kann daher von einer primären „Nutzungsgarantie“ 248 oder primären „Substanzgarantie“ 249 gesprochen werden. 242 Vgl. BVerfGE 24, 367 (400); 38, 175 (181, 184 f.); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2563 f.); P. M. Huber, WM 1998, 633 (641); F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 21; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 10: „gegenstandsbezogen“; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 261. 243 BVerfGE 24, 367 (397, 400); BVerfG NJW 2000, 1402; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 343; Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2540); dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 233 f., 261; Leisner, DVBl. 1988, 555 (555); Stüer, NuR 1985, 263 (265); vgl. ferner Schoch, Jura 1989, 113 (114); Brüning, JuS 2003, 2 (5) m.w. N. 244 BVerfGE 100, 226 (244); BVerfG NVwZ 2003, 727 (728); zuvor Leisner, DVBl. 1988, 555 (555 f.); Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (899). 245 Insoweit wird sogar den Affektionsinteressen des Eigentümers an seiner Sache Rechnung getragen, vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (899); F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 46 f., 81; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1982, 152 (154); gegen deren Relevanz wohl noch RGZ 111, 224 (226). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Diskussion, inwieweit rein ideelle Interessen mittels des schuldrechtlichen Vertrags durchgestezt werden, etwa bei Hellwig, AcP 86 (1896), 223 ff.; demgegenüber v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 1 (34 ff., 91 ff.), bei dem sich auch die Definition von Interesse als „Gefühl der Lebensbedingtheit“ findet (S. 96). 246 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1982, 152 (154); Papier, BB 1997, 1213 (1214). 247 Vgl. BVerfGE 79, 292 (304); BVerfG NJW 1994, 241 (242); Papier, BB 1997, 1213 (1214); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 261. 248 Vgl. Ossenbühl, JZ 1999, 899 (899); ders., FS Leisner, S. 691; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 375; Jachmann, Besteuerung, S. 82 f.; BVerfG NJW 2003, 125 (126 f.).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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c) Folge: Nachrangigkeit jeden finanziellen Ausgleichs Die Wertgarantie ist der Substanzgarantie gegenüber subsidiär. Ein „Dulde und liquidiere“, wie es die §§ 74, 75 EinlPrALR250 vorsahen, entspricht nicht mehr dem personal orientierten Eigentumskonzept des Grundgesetzes.251 Da der Wertausgleich eine Verletzung der personalen Freiheit niemals beheben kann, kommt der Erhaltung der erworbenen Freiheit der unbedingte Vorrang vor dem Wertausgleich zu.252 Der Gesetzgeber darf nicht frei wählen, ob er Eingriffe vermeiden oder sie vorzunehmen und entschädigen will;253 wie Art. 14 Abs. 3 GG zeigt, wandelt sich die Bestandsgarantie nur unter besonderen Voraussetzungen in eine Wertgarantie um, welche somit sekundären Charakter hat.254 Aus all dem ist zweierlei abzuleiten: aa) Strenge Anforderungen an die Zulässigkeit von Enteignungen An die Zulässigkeit der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) sind erheblich strengere Anforderungen im Hinblick auf das „Wohl der Allgemeinheit“ zu stellen als bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung, da der Eigentümer nur unter den besonderen Bedingungen zwangsweise auf den Wertersatz statt auf die Sache selbst verwiesen werden darf. Die beiden Rechtsinstitute sind daher strikt zu unterscheiden; sie dürfen auch nicht nach der Eingriffsintensität im jeweiligen Fall abgegrenzt werden, sondern nur nach formalen Kriterien und auf der Ebene der Rechtsnorm.255 249 P. M. Huber, WM 1998, 633 (641). – Dieser Terminus wird im folgenden überwiegend verwendet, weil er besser zum Ausdruck bringt, dass das Gebot, vorrangig dem Eigentümer die innewohnenden Befugnisse zu erhalten, nicht nur im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung sondern auch das Verfügen besteht. 250 Wiedergabe des Wortlauts u. a. bei BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 211; Papier, JuS 1989, 630 (630); Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (473). Zum Bezug zur damals geltenden Fiskustheorie vgl. v. Bohlen, JW 1933, 2251 (2251). 251 Papier, DVBl. 2000, 1398 (1400); inhaltlich ebenso Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (897 ff.); Beckmann, DVBl. 1989, 669 (672); jeweils nach BVerfGE 58, 300 (324); vgl. ferner BVerfG NJW 2000, 1402; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 135. 252 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2563 f.); Grün, ZIP 1997, 491 (493); Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (899); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (518 ff.); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 233. – Ähnlich v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (401), nach dem die Wertgarantie nur nur zum Tragen kommen kann, wenn ein Eingriff in den Bestand – rechtlich oder faktisch – irreversibel ist. 253 So bereits BVerfGE 24, 367 (398). – Die soll nicht heißen, dass eine Verweisung auf die Wertgarantie absolut verboten wäre (so auch klarstellend Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (531)); es müssen nur hinreichende Gründe vorliegen (in diesem Sinne auch BVerfG NVwZ 2003, 727 (728)). 254 Statt vieler Breuer, DVBl. 1981, 971 (972) nach BVerfGE 24, 367 (397 f.); BVerfG NVwZ 2003, 727 (728); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 233 f.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

bb) Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen Das beschriebene Vorrangverhältnis gilt auch im Bereich der Inhalts- und Schrankenbestimmungen selbst. Von Bedeutung ist dies, weil gegenwärtig in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle der Gesetzgeber zur Verwirklichung seiner Ziele256 nicht Gegenstände vollständig in staatliches Eigentum überführt, sondern die Befugnisse des Eigentümers zum Umgang mit ihnen allgemein reduziert (oder zu derartigen Einschränkungen durch Verordnungen oder Verwaltungsakte ermächtigt) und – für Fälle erheblicher Belastungen – eine Ausgleichszahlung vorsieht. Eigentumsbeschränkungen dieser Art stellen gegenwärtig die eigentliche Gefahr für den Eigentümer dar.257 Der betroffene Eigentümer empfindet die tatsächlichen Belastungen durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oft nicht kategorial andersartig als die durch eine Enteignung; in ihrer Wirkung gehen sie eher fließend auf einer gleitenden Skala ineinander über.258 Wäre es dem Gesetz-/Verordnungsgeber uneingeschränkt erlaubt, „nur“ Befugnisse zu reduzieren und dem Eigentümer als Kompensation für diesen Verlust eine Geldentschädigung zu gewähren (sog. „ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung“), stünde ihm neben Art. 14 Abs. 3 GG eine zweite Möglichkeit offen, die Substanzgarantie zur Wertgarantie zurückzustufen, die überdies nicht den strengen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG unterläge.259 Der Staat könnte sich mit anderen Worten Befugnisse in großem Umfang ausschließen und die Zulässigkeit (i. S. v. Verfassungsmäßigkeit) dieser befugnisreduzierenden Normen durch finanziellen Ausgleich „erkaufen“.260 Im Ergebnis läge damit eine Enteignung unter dem Etikett einer Inhalts- und Schrankenbestimmung vor.261

255 Statt vieler v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 202; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 322; kritisch aber etwa Pietzcker, JuS 1991, 369 (370 ff.). Ausführlich dazu unten B.III.2.b)dd)(3). 256 In den meisten Fällen ist die Zielerreichung sowohl mittels einer Enteignung als auch mittels einer Inhalts- und Schrankenbestimmung praktisch möglich, siehe nur Schwabe, FS Thieme, S. 254 f. 257 Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 82; ähnlich ders., BB 1992, 73 (75); Ossenbühl, JZ 1999, 899 (899). 258 Herdegen, FS BVerfG, S. 283; F. Baur, NJW 1982, 1734 (1735); Schwabe, FS Thieme, S. 255; vgl. auch Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3740); ferner BVerfGE 83, 201 (213); BVerfG Beschl. v. 7.3.2002, Az. 1 BvR 1321/00, Absatz-Nr. 8. 259 Vgl. zum Ganzen BVerfGE 24, 367 (398); Herdegen, FS BVerfG, S. 282; Jochum/Durner, JuS 2005, 320 (323); Maurer, FS Dürig, S. 313; Rennert, VBlBW 1995, 41 (48). Siehe ferner v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (402); Axer, DVBl. 2001, 1322 (1322), die zutreffend bemerken, dass die Entschädigung für im Einzelfall unzumutbare Inhalts- und Schrankenbestimmungen eine Wertgarantie auf der Primärebene darstellt. 260 Maurer, FS Dürig, S. 313; Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (518). 261 Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (899); Hoppe, DVBl. 1993, 221 (225), nach BVerfGE 24, 367 (398).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Aus dem Vorrang der Substanzgarantie folgt deshalb auch, dass bei Inhaltsund Schrankenbestimmungen ein Geldausgleich für den Wegfall bisher ihm zustehender Befugnissen erst dann ein zulässiges Mittel zur Herstellung der Angemessenheit der Regelung darstellt, wenn weder die Befugnisminderung vermeidbar noch eine Kompensation auf andere Weise möglich ist.262 In erster Linie muss das Gesetz von sich aus (d.h. ohne Berücksichtigung der Ausgleichsansprüche) die Anforderung der Verfassung, unverhältnismäßige Belastungen real zu vermeiden, sowohl allgemein als auch im Einzelfall wahren.263 Mögliche Instrumente hierzu sind Übergangs-, Befreiungs- oder Ausnahmeregeln;264 denkbar ist auch die Einräumung eines Anspruchs auf Übernahme des Gegenstands.265 Für die „ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung“, bei der der finanzielle Ausgleich ein gesetzgeberisches Gestaltungsmittel sein sollte, um bei schwerwiegenden Befugniseinschränkungen die Verfassungskonformität herzustellen, und deren Einsatz in der Literatur zunächst266 weitgehend gebilligt wurde,267 bleibt damit nur wenig Raum: Stehen relativ geringgewichtige öffentliche Belange bedeutenden Eigentümerinteressen gegenüber, lässt sich die Verhältnismäßigkeit nicht durch eine finanzielle Entschädigung herstellen; die Belastung 262 Herdegen, FS BVerfG, S. 288; Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 59; Ossenbühl, JZ 1999, 899 (900); Papier, DVBl. 2000, 1398 (1403 f.); Roller, NJW 2001, 1003 (1008); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 237, 266; zeitlich vor BVerfGE 100, 226 bereits Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (233); Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (899). 263 BVerfGE 100, 226 (242 f., 244 f.); BVerfG NVwZ 2003, 727 (728); NVwZ 2010, 512 (514); NVwZ 2012, 429 (430 f.); dem folgend BVerwGE 116, 144 (149 f.); BVerwG BayVBl. 2001, 440 (441); BayVGH NJW 2005, 2569 (2570); OVG Münster ZUR 2006, 256 (257); v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (399); Christ, DVBl. 2002, 1517 (1528); Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3737); zuvor bereits Maurer, FS Dürig, S. 312. Vgl. auch Erbguth, JuS 1988, 699 (705 f.). 264 BVerfGE 100, 226 (245); BVerfG NVwZ 2003, 727 (728); NVwZ 2010, 512 (514); NVwZ 2012, 429 (431); Papier, DVBl. 2000, 1398 (1402 f.), der an diesen Entscheidungen als Senats-/Kammervorsitzender und Berichterstatter mitgewirkt hat; zustimmend Hendler, DVBl. 1999, 1501 (1502); Herdegen, FS BVerfG, S. 282, 288; Kischel, JZ 2003, 604 (607); zuvor bereits ebenso BGHZ 121, 328 (337). – Derartige Regelungen finden sich in einer Vielzahl von Gesetzen etwa im Bereich des Denkmalschutzrechts (§ 31 DSchPflG RP), des Naturschutzrechts (§ 68 Abs. 1 u. 2 BNatSchG 2009, Art. 41 BayNatSchG, § 7 Abs. 3 LG NW, § 49 Abs. 1 u. 2 NatSchG RP) oder des Wasserrechts (§ 14 Abs. 3 u. 6, § 20 Abs. 2, § 37 Abs. 3, § 52 Abs. 4 WHG, § 15 WasG RP). 265 Vgl. BVerfGE 100, 226 (245 f.); BVerwGE 94, 1 (12); BGHZ 121, 328 (342); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 220; ausführlich Breuer, FS Bartlsperger, S. 17 ff. – Als Beispiele hierfür sind § 31 DSchG NW, § 57 Abs. 3 NatSchG BW, § 94 WasG BW, § 135 WasG NW und § 22 Abs. 7, § 32, § 40 Abs. 2, § 44 Abs. 9, § 145 Abs. 5, § 168, § 173 Abs. 2, § 176 Abs. 4 BauGB zu nennen. 266 Nach den Entscheidungen BVerfGE 52, 1; 58, 137; 58, 300. 267 Erbguth, JuS 1988, 699 (699, 700, Fn. 17); Pietzcker, JuS 1991, 369 (370); Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (14 f.); Schink, DVBl. 1990, 1375 (1384) „gesetzgeberische Gestaltungsfreiheiten erweitert“; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnrn. 65 f.; ferner Osterloh, DVBl. 1991, 906 (908); Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2543 f.).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

muss im Interesse des Bürgers unterbleiben.268 Die Frage nach einer Entschädigung stellt sich weitgehend nur in Fällen, in denen die Befugnisbeschränkung bereits selbst rechtmäßig ist, weil sie geeignet, erforderlich und auch angemessen ist; nur ganz ausnahmsweise269 kann eine Entschädigung eine an sich verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung rechtmäßig machen.270 Alles andere würde die Substanzgarantie hinter die Wertgarantie zurücktreten lassen. Eine hiernach ausnahmsweise zulässige Ausgleichsregelung muss auf einer hinreichend konkreten gesetzlichen Grundlage beruhen.271 Andernfalls könnte dem Gesetzgeber durch „Ergänzung“ der getroffenen Regelung eine Gesamtregelung unterschoben werden, die er gar nicht gewollt hat: Die Frage, ob eine finanzielle Ausgleichsregel geschaffen wird, kann selbstständiger Teil seiner Inhaltsund Schrankenbestimmung sein, da durch die Schaffung einer Kompensationspflicht oder das bewusste Absehen von ihr die ökonomischen Lasten – etwa für den Umweltschutz – verteilt werden.272 Ordnet der Gesetzgeber bewusst keine Entschädigung an, weil er dem Betroffenen auch die wirtschaftlichen Folgen der Befugnisreduzierung auferlegen will, könnten die Gerichte die beabsichtigte Steuerungswirkung konterkarieren. Die richtige Reaktion auf eine die übermäßig Befugnisse einschränkende Regelung kann daher nur die Kassation sein, nicht deren „Heilung“.273 Aus dem Vorrang der Substanzgarantie folgt schließlich, dass der Bürger Gesetze, die er als übermäßige Belastung („enteignend“) ansieht, nicht hinnehmen und dafür eine Entschädigung verlangen darf, sondern sie gerichtlich angreifen muss (kein „Dulde und liquidiere“; Vorrang des Primärrechtsschutzes); auch er kann sich seine Freiheit nicht „abkaufen lassen“.274 268 Hendler, DVBl. 1999, 1501 (1502); Ossenbühl, JZ 1999, 899 (900) nach BVerfGE 100, 226 (245); daran festhaltend Kischel, JZ 2003, 604 (607); zusammenfassend Jochum/Durner, JuS 2005, 322 (322 f.). 269 Diese ist gegeben, wenn die öffentlichen Belange von annähernd gleichem Gewicht sind wie die privaten Interessen: Da es für die Verhältnismäßigkeit auf die Regelung insgesamt ankommt und hierbei alle Auswirkungen für den Betroffenen einzubeziehen sind, können die Vermögensnachteile durch die Ausgleichszahlung so weit kompensiert werden, dass ein insgesamt verhältnismäßiger Normkomplex vorliegt. Vgl. Hendler, DVBl. 1999, 1501 (1502 f.); Maurer, FS Dürig, S. 313; BGHZ 121, 328 (337); Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1422); zur Stufenabfolge der Prüfung unten B.II.3.a) dd)(7)(d)(aa). 270 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 234. 271 BVerfGE 100, 226 (245); zustimmend Breuer, FS Bartlsperger, S. 29; Kischel, JZ 2003, 604 (605); zuvor bereits Böhmer, NJW 1988, 2561 (2566); Heidenreich/Tausch, NuR 1992, 210 (212); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (514, 518 ff.). 272 Osterloh, DVBl. 1991, 906 (910 f.); vgl. auch BGHZ 102, 350 (355 ff.). 273 Ebenso inhaltlich Maurer, FS Dürig, S. 312. – Richterrecht genügt daher nicht, Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3739); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (514, 518 ff., 521); unten C.II.3.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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2. Wesen und Inhalt der Sozialpflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG Der Eigentümer lebt mit seiner Sache nicht isoliert, sondern ist in die Gemeinschaft eingebettet. Nutzung und Verfügung bleiben deshalb regelmäßig nicht innerhalb der Sphäre des Eigentümers. Den Interessen des Eigentümers nach möglichst weitgehender Nutzungsbefugnis und freier Veräußerbarkeit stehen vielmehr oftmals öffentliche Belange gegenüber, zu deren Verwirklichung Einschränkungen der Befugnisse erforderlich sind.275 Die Beachtlichkeit dieser Allgemeinwohlbelange für den Gesetzgeber ist im Sozialpflichtigkeitsgebot des Art. 14 Abs. 2 GG zusammengefasst; dieses bildet ein Gegengewicht zum Nutzen für den Eigentümer und drückt die Absage an einen unbedingten Vorrang des Individualinteresses aus.276 Die Pflicht zur Rück-

274 Breuer, FS Bartlsperger, S. 29; Brüning, JuS 2003, 2 (3, 5); Lege, JZ 2011, 1084 (1087); Papier, JuS 1985, 184 (186); Pietzcker, JuS 1991, 369 (371); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 452; BVerfGE 58, 137 (145); 58, 300 (320 ff.); BVerfG NJW 2000, 1402. – Kritisch zur Pflicht, Eigentumseingriffe abzuwehren, Wilhelm, JZ 2000, 905 (912, in Fn. 56), da dem Betroffenen ein bestimmter Schutz gegen seinem Willen aufoktroyiert werde, obwohl er sich mit der Entschädigung abfinden möchte. Bei genauer Betrachtung muss er sich diesen Schutz jedoch nicht aufdrängen lassen, da er stets das Grundstück an den Hoheitsträger verkaufen, eine Verbotsdienstbarkeit bestellen oder entsprechende vertragliche Vereinbarungen treffen kann (wie es mit dem „Vertragsnaturschutz“ verbreitet ist). Die Einhaltung dieses Weges ist aus budgetrechtlichen und rechtsstaatlichen Gründen, die nicht ausschließlich den Betroffenen, sondern auch die Haushaltsprärogative sowie das Funktionieren und die Kontrolle der Verwaltungsabläufe gewährleisten wollen, unumgänglich. Entsprechendes gilt für die Überlegungen von Axer, DVBl. 2001, 1322 (1328 ff.), die Eigentumsgarantie schütze auch die Entscheidungsfreiheit, sein Eigentum zu verteidigen oder für einen guten Preis aufzugeben. Das Wesen des subjektiven Rechts liegt darin, dass sein Inhaber entscheiden kann, ob er es durchsetzt oder nicht (vgl. Wagner, AcP 193 (1993), 319 (321) m.w. N.); es beinhaltet aber nicht, dass statt dieser Rechtsmacht alternativ ein anderer Anspruch (auf Entschädigung) gewährt werden muss. Auf den weiteren Einwand von Wilhelm, JZ 2000, 905 (909, 912), der Betroffene erhalte für die Nutzungsentziehung während der Verfahrensdauer auch ohne besondere Anspruchsgrundlage eine Entschädigung, ist zu entgegnen, dass es sich hierbei um eine staatliche Unrechtshaftung handelt, für die andere Regeln gelten (vgl. v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (409 f.); Schmitt-Kammler, FS Wolf, passim, insb. S. 603, 607; ders., JuS 1995, 473 (476 f.); ferner BGHZ 91, 20 (27); Papier, NJW 1974, 1797 (1798)). Der Hinweis von BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 193 (konkret bezogen auf Enteignungen), der Staat, der die Wirksamkeit auch rechtswidriger Hoheitsakte anordne, müsse dem Bürger auch zugestehen, diesen als wirksam zu behandeln, greift ebenfalls nicht durch: Die Bestandskraft soll die Frage nach der Rechtmäßigkeit entbehrlich machen, so dass kein Anspruch mehr aus einer möglichen Verletzung von Rechtsvorschriften abgeleitet werden kann. 275 Vgl. BVerfGE 68, 361 (368); F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (477); Jachmann, Besteuerung, S. 83: „Kollisionsverhältnis“. 276 Vgl. – mit unterschiedlichen Formulierungen – BVerfGE 21, 73 (83); 102, 1 (15); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2568): Verhältnis Mein-Dein wird um das Wir als drittes eigentumskonstituierendes Element ergänzt; Badura, FS Maunz, S. 1: Nutzung wird unter einen „sozialen Vorbehalt“ gestellt; Schoch, Jura 1989, 113 (114); Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (108); schließlich Brunstäd, FG Binder, S. 134: Gleichsam einer Hypo-

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sichtnahme auf die Belange der Allgemeinheit beim Gebrauch277 des Eigentums konkretisiert dabei zugleich das Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG,278 welches wiederum durch besondere Schutzpflichten und Staatsziele (beispielsweise dem Umweltschutz, Art. 20 a GG) verstärkt werden kann.279 3. Schutzgehalt der Eigentumsgarantie gegenüber der Legislative bei der Ausgestaltung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG a) Der „verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff“ als Vorgabe für den Gesetzgeber aa) Konstruktionsproblem einer Bindung des Gesetzgebers Der Gesetzgeber muss wegen der Normgeprägtheit des Eigentums durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen die Befugnisse des Eigentümers normativ festlegen (vgl. oben I. 5.). Damit wirft sich sogleich die Frage auf, ob hierbei inhaltliche Vorgaben für den Gesetzgeber280 bestehen und wie diese dogmatischkonstruktiv erklärt werden können:281 Das Grundgesetz ordnet in Art. 1 Abs. 3 GG eine – an sich umfassende – Grundrechtsbindung des Gesetzgebers und einen Vorrang der Verfassung gegenüber dem gesamten einfachen Recht an.282 Danach sind auch gesetzgeberische Entscheidungen im Bereich des Eigentums am Grundgesetz einschließlich des Art. 14 GG – und hier insbesondere an der Substanzgarantie – zu messen. Dies scheint jedoch im Widerspruch mit Art. 14

thek liegt dadurch auf jedem Eigentum die Last, auch der Lebenssicherung der anderen Bürger dienen zu müssen. 277 Wie Jachmann, Besteuerung, S. 82, betont, kann die Sozialpflichtigkeit nur eine Beschränkung des Eigentumsgebrauchs rechtfertigen, nicht aber die Innehabung selbst. 278 Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 12; Georgiades, FG Sontis, S. 158. 279 Vgl. BVerfGE 102, 1 (18); P. M. Huber, Umweltschutz, S. 51; zur Verwirklichung des Art. 141 BayVerf Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 141 Rdnrn. 3, 11. 280 Inhalts- und Schrankenbestimmungen können nicht nur durch ein formelles, sondern auch durch ein materielles Gesetz erfolgen (statt aller BVerfGE 8, 71 (79); BVerfG NVwZ 1992, 972 (973); NVwZ 2001, 424; NVwZ 2003, 727 (727); NVwZ-RR 2005, 227; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 339). Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf Gesetze im materiellen Sinn, weil sich die eigentumsspezifischen Probleme gerade bei gesetzlichen Regelungen in ganzem Umfang und voller Deutlichkeit stellen. 281 Die im Folgenden dargestellte Diskussion über das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht im Bereich des Eigentums wird ganz überwiegend im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen geführt. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse sind jedoch dogmatisch einheitlich zu behandeln, unabhängig davon ob sie zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht zählen (ebenso Georgiades, FG Sontis, S. 163; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 59; SchulzeOsterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 308). 282 Siehe nur Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 13, 22.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Abs. 1 S. 2 GG zu stehen, dem zufolge Inhalt und Schranken des Eigentums vom Gesetzgeber zu bestimmen sind:283 Wenn der Gesetzgeber erst etwas schafft, kann er aus logischen Gründen keinen Bindungen unterliegen.284 Hiermit eng verwandt ist ein zweites Problem: Eine inhaltliche Vorgabe an den Gesetzgeber setzt voraus, dass der Eigentumsgarantie ein verbindlicher Maßstab entnommen werden kann, anhand dessen die gesetzgeberische Ausgestaltung überprüft werden kann (der sog. verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff). Dieser kann aber, da er Leitbild für den Gesetzgeber sein soll, denknotwendig nicht mit dem Eigentum des einfachen Rechts identisch sein, sondern müsste aus der Verfassung selbst gewonnen werden.285 Zu ermitteln ist daher, inwieweit der Gesetzgeber auch bei der Rechtsetzung im Bereich des Art. 14 GG materiellen Vorgaben unterliegt, wie sich eine derartige Bindung des Gesetzgebers begründen lässt und welchen Inhalt der „verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff“ aufweist.286 Hieraus wird sich dann ergeben, welche Maßstäbe für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen gelten. bb) Der „offene“ Eigentumsbegriff (1) Ausgangsthese: Fehlen vorgegebener Eigentumsinhalte Stellt man den Auftrag in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in den Vordergrund, gelangt man dazu, dass es verfassungsrechtlich fest vorgegebene Eigentumsinhalte nicht geben kann. Das Grundgesetz legt den Gesetzgeber insbesondere nicht auf ein „an sich“ unbeschränktes Eigentum (wie das Eigentum des bürgerlichen Rechts) fest, sondern geht von der Eingebundenheit des Eigentümers und des Eigentums in die Gemeinschaft aus, die weitgehend unbegrenzt eine situationsabhängige Zuteilung von Befugnissen gestattet.287 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ist nach diesem Verständnis offener als der Eigentumsbegriff des § 903 BGB: Er 283 Zu dem entsprechenden Widerspruch in Art. 153 WRV bereits C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 III 3 (S. 166), § 14 IV 1 (S. 171 f.); Anschütz, Art. 153 Anm. 4 f.; siehe ferner Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 670 f., 691 ff.; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (458): „unterschwelliger Gegensatz“. 284 Vgl. auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 167 (in anderem Zusammenhang): Ein Vorrang setzt die klare Trennung der Normebenen voraus. 285 Vgl. Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 36 f., 40; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 72; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 134; ferner Ibler, AcP 197 (1997), 565 (567); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 42 ff. 286 Vgl. Berg, JuS 2005, 961 (962 f.); Herzog, FS Zeidler, S. 1416 ff.; Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (73 ff.); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 29 f.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnrn. 5 ff., 11. 287 Badura, FS Maunz, S. 9; Böhmer, NJW 1988, 2561 (2569); BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 124; Rittstieg, JZ 1983, 161 (165); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 27 ff.; Wahl, NVwZ 1984, 401 (405).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

ist (in zeitlicher Hinsicht) dynamisch288 und wandelbar289 und lässt (in inhaltlicher Hinsicht) Differenzierungen je nach der Situation und der Art des Objekts zu.290 Die gesetzgeberische Entscheidung über Inhalt und Schranken des Eigentums ist damit konstitutiv für die Befugnisse des Eigentümers:291 Das Eigentum besteht nur nach Maßgabe des einfachen Gesetzes,292 das den Umfang der Berechtigungen originär bestimmt.293 Die Position des Eigentümers erscheint nach dieser Konzeption als Summe oder „Bündel“ einzelner, verliehener Befugnisse; der Ausschluss der übrigen – d.h. aller denkbaren, aber vom Gesetzgeber nicht zugewiesenen – Befugnisse ist keine von außen kommende Begrenzung, sondern eine dem Recht von vornherein innewohnende („immanente“) Beschränkung der verliehenen Macht. Eine Trennung von Einräumung des Rechts und Beschränkung der Befugnisse ist danach nicht möglich.294 288 Dieses Schlagwort findet sich in diesem Zusammenhang etwa bei Molitor, FS Schulze, S. 36. Der Begriff steht offenbar im Kontext zur Differenzierung Kelsens zwischen dynamischen (lediglich auf Ermächtigungen beruhenden) und statischen (auf inhaltlichen Ableitungszusammenhängen beruhenden, insbesonder naturrechtlichen) Normsystemen (vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 106 ff. m. Originalzitat). 289 Vgl. v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 11; Erbguth, JuS 1988, 699 (704); Kimminich, JuS 1978, 217 (221); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 309; Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnrn. 4, 7; Schoch, Jura 1989, 113 (115); auch Badura, FS Maunz, S. 12 f.; Brenner, DVBl. 1993, 291 (293); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 899. 290 Häberle, AöR 109 (1984), 36 (50, 57, 63 ff.); Wahl, NVwZ 1984, 401 (406); Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 63 ff. – Diese Vorstellung wird oft schlagwortartig als „deutschrechtlicher“ Eigentumsbegriff bezeichnet, während das dem § 903 S. 1 BGB niedergelegte Konzept „römischrechtlich“ genannt wird (zur Gegenüberstellung beider ausführlich Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1484); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2569 ff.); Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 34 ff.; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 8; Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 4 ff.; Rittstieg, FS Thieme, S. 187 ff.; sie findet sich bereits bei Brunstäd, FG Binder, S. 127 ff.; Molitor, FS Schulze, S. 33 f.). Zutreffend ist der Ausgangspunkt, dass das germanischen Recht einer konkreten Eigentumskonzeption folgte (d.h. der Umfang des Rechts von der Art der Sache abhing), während dem römischen Recht eine abstrakten Konzeption zugrunde lag, vgl. HRG/Hagemann, I/883 ff. Auch das römische Recht kannte allerdigs Einschränkungen im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Mayer-Maly, FS Hübner, S. 145 ff., insb. S. 149 ff.; ferner Kaser/ Knütel, Römisches Privatrecht, § 22 Rdnr. 1, § 23 Rdnrn. 1 ff.: Sitte, Sakralrecht und öffentliches Recht). Die beiden Bezeichnungen sind insoweit ungenau (ähnlich Olzen, JuS 1984, 328 (330 ff.; sowie Depenheuer, Eigentumsbegriff, Endn. 43, der die beiden Bezeichnungen nur ihrer tradierten Bedeutung und prägnanten Kürze wegen verwendet). Zum Zusammenhang „heidnisch-römisch“ und „christlich-germanisch“ vgl. ferner Kübler, AcP 159 (1960), 236 (245); Brunstäd, FG Binder, S. 129, 131. 291 Burgi, NVwZ 1994, 527 (527 f., 529); Kimminich, JuS 1978, 217 (220); Kraft, BayVBl. 1994, 97 (98); ders., JuS 1990, 278 (281); Kreft, Anm. LM GrundG Art. 14 (Ba) Nrn. 27, 28; Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (106); Schoch, Jura 1989, 113 (117). 292 Vgl. Rittstieg, JZ 1983, 161 (165): „Dauer und Bestand der jeweiligen Rechtsstellung durch das Gesetz, nicht durch die Verfassung bestimmt“. 293 Enders, AöR 115 (1990), 610 (621 f.). 294 Vgl. zum Ganzen Böhmer, NJW 1988, 2561 (2572); Burgi, NVwZ 1994, 527 (531); Heidenreich/Tausch, NuR 1992, 210 (212); Lueg, Sozialbindung des Eigentums,

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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(2) Verfassungsrechtlicher Schutz nur konkreter, erworbener Rechtspositionen „Eigentum“ wird nach dieser Sicht nicht abstrakt als Vollrecht geschützt, sondern nur im Umfang der jeweiligen, bereits erworbenen Befugnisse. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entfaltet damit im Wesentlichen zwei Wirkungen: Er enthält ein subjektives Abwehrrecht gegen Verletzungen der einfachgesetzlich geschaffenen Eigentumsordnung durch Exekutive oder Judikative (Rechtsstellungsgarantie)295 und eine Bestandsgarantie gegenüber dem Gesetzgeber, wenn dieser durch legislative Maßnahmen den zeitlich früheren Zustand abändert.296 Die erste Komponente bewirkt, dass der Schutz von Vermögensgütern, denen einfachrechtlich (durch privatrechtliche Normen) Schutz gegen Verletzungen durch andere Bürger zukommt, auf Eingriffe durch den Staat erweitert wird.297 Dies bedeutet einerseits, dass bei einem Eindringen der Exekutive in die geschützte Rechtssphäre stets zugleich ein Verfassungsverstoß vorliegt, aber auch andererseits, dass die Eigentumsgarantie nie zusätzliche Abwehrrechte begründen kann, wenn sich staatliche Maßnahmen an den im einfachen Gesetzesrecht gezogenen Rahmen halten.298 Für die Bestandsgarantie ist ebenfalls von wesentlicher Bedeutung, wie die Rechtsordnung im Zeitpunkt einer gesetzlichen Neuregelung durch die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Normen das Eigentum ausgestaltet hat:299 Ausmaß und Intensität einer Rechtsbeeinträchtigung ergeben sich aus dem Vergleich der Rechtsstellung des Eigentümers vor und nach einer Rechtsänderung.300 Werden die Befugnisse pro futuro reduziert, liegt darin ein Eingriff.301 S. 42 ff., 52 ff.; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 711; Rittstieg, NJW 1982, 721 (722); ders., JZ 1983, 161 (164 f.); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 27 m.w. N.; Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1011 f. m. Fn. 37); Rittstieg, JZ 1983, 161 (165); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 76. Vgl. ferner Burmeister, FS Leisner, S. 664 f. (m. Fn. 23); E. R. Huber, AöR 26 (1933), 1 (37 f., 40); Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (272) (speziell zu § 905 S. 2 BGB); Sontis, FS Larenz, S. 985; Thieme, SavZ (Germ. Abt.) 62 (1942), 57 (82); Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 125. 295 Dazu statt vieler BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 120; BVerfGE 31, 275 (292); BGHZ 48, 46 (49); vgl. auch die Darstellung bei Enders, AöR 115 (1990), 610 (623). 296 v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 32; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 74; Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 7; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 134 ff.; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 30 ff.; vgl. ferner Brenner, DVBl. 1993, 291 (292 f.); BVerfGE 75, 78 (105). 297 Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (214 f.); ähnlich de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (388, 397). 298 Vgl. Kraft, JuS 1990, 278 (281). 299 Schink, DVBl. 1990, 1375 (1380). 300 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2572). 301 Vgl. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 60 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 899; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 136; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (391); Schoch, Jura 1989, 113 (117).

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(3) Vorgaben für die Eigentumsordnung: Die Institutsgarantie des Eigentums Inhalts- und Schrankenbestimmungen, mit denen der Gesetzgeber dem Eigentümer nicht alle denkbaren Befugnisse zuweist, stellen nach dieser Konzeption dagegen – abgesehen von den genannten Auswirkungen, die sich gerade durch die Änderung des Rechtsinhalts ergeben – keine Eingriffe, sondern grundrechtsprägende Regelungen dar,302 auf die die üblichen Grundrechtslehren mit der Eingriffs- und Schrankendogmatik nicht übertragbar sind.303 Gewisse inhaltliche Vorgaben werden lediglich aus dem Zusammenspiel von Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 14 Abs. 2 GG hergeleitet, die dem Gesetzgeber die Beachtung sowohl der Eigentümerbefugnisse als auch der Sozialbindung gebieten sollen.304 Während Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG an die Belange des Individuums erinnere, verbiete Art. 14 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber, die Sozialbindung zu vernachlässigen und dem Eigentümer zu viel Freiheit einzuräumen.305 Der „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (gelte insofern nur) in seiner besonderen Struktur“;306 dem Gesetzgeber sei nur rahmenartig vorgegeben, weder die Privat- noch die Sozialnützigkeit überzubetonen und die wesentlichen Strukturprinzipien der überkommenen Eigentumsvorstellungen zu wahren.307 Das – teils hieraus resultierende – Gebot, dem Eigentum eine privatnützige Komponente zu belassen, wird regelmäßig als Institutsgarantie bezeichnet.308 Die Lehre von den Instituts302 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2572); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 50; Kimminich, JuS 1978, 217 (220 f.); Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 124 f.; Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 40 m.w. N.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 2 a); Schoch, Jura 1989, 113 (115); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 74 („im eigentlichen Sinne keine Beeinträchtigung“); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (30). – Allgemein zur Grundrechtsprägung Lerche, HdbStR, § 121 Rdnr. 38 ff. 303 Konsequent wird auch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht als Gesetzesvorbehalt aufgefasst. Vgl. Böhmer, NJW 1988, 2561 (2573); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 50; Schoch, Jura 1989, 113 (115). 304 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2573) nach BVerfGE 58, 300 (338); v. Münch/Kunig/ Bryde, Art. 14 Rdnrn. 11, 32, 34, 50, 59; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 75, 87; Jochum/Durner, JuS 2005, 320 (321, 322). 305 Wahl, NVwZ 1984, 401 (404); Heidenreich/Tausch, NuR 1992, 210 (211); Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 79 ff. 306 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1007; ähnlich Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 126 ff. und wohl auch v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (399); dagegen v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 231. 307 Vgl. Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (107); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 60; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 125; Badura, FS Maunz, S. 12, der die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG mit einbezieht. 308 So etwa Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 2 a); v. Münch/Kunig/ Bryde, Art. 14 Rdnrn. 32, 34; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 125; BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 124; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 134 f.; Schoch, Jura 1989, 113 (116 ff.). – Wie Link, FS Scholz, S. 309 (313) m.w. N. darlegt, geht – ideengeschichtlich gesehen – die Institutsgarantie auf das Naturrecht zurück, da das legislatorische Belieben des Herrschers an die zwingenden naturrechtlichen Wurzeln gebunden war.

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garantien wurde zu Art. 153 WRV entwickelt, um trotz der fehlenden Grundrechtsbindung der Legislative einen Schutz gegen ein Leerlaufen bestimmter Gewährleistungen konstruieren zu können.309 Die Institutsgarantie sollte u. a. das Eigentum dauerhaft als ein privates Recht verankern, das den Namen Eigentum noch verdient.310 Auch nach dem gegenwärtigen Verständnis werden die Institutsgarantien als „innerste Verteidigungslinie gegen den Gesetzgeber“311 begriffen, die ihm verwehren, den Kernbereich des Eigentumsrechts, seine „typusbestimmenden Grundstrukturen“ oder die „institutsbewahrenden Leitlinien“ zu beseitigen oder im Wesen zu verändern,312 welche jeweils unter Rückgriff auf die tradierten Vorstellungen ermittelt werden.313 Die Institutsgarantie ist damit gewissermaßen ein Untermaßverbot zugunsten des Eigentümers,314 das als besondere Schranken-Schranke akzessorisch zum Individualfreiheitsrecht besteht.315 Primär verfolgt die Institutsgarantie gleichwohl eher einen ordnungspolitischen Ansatz.316 cc) Eigentum als zunächst unbegrenztes Freiheitsrecht (Trennung Eigentumsbegriff – Eigentumsinhalt) (1) Ausgangsthese: Eigentum als prinzipiell unbeschränktes Recht Dieser Konzeption stehen die Ansätze gegenüber, die die Eigentumsgarantie strukturell wie die anderen Freiheitsgrundrechte behandeln. Nach ihnen enthält 309 Vgl. M. Wolff, FG Kahl, S. 5 ff.; Anschütz, Art. 153 Anm. 5 (S. 706 f.); Vor Art. 109 ff. Anm. 5 b, 8; E. R. Huber, AöR 26 (1933), 1 (37 f., 43 f.); C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 IV 1 (S. 173); § 14 VI 3 (S. 178 f.) (der dem Eigentum S. 171 f. aber ausdrücklich eine Sonderrolle einräumt, weil es auch Freiheitsgrundrecht ist); aus heutiger Zeit Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (162 in Fn. 31); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (909); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 29; Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (51 f.); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 183 ff.; vgl. bereits oben A.II.2. 310 M. Wolff, FG Kahl, S. 6. – Diese bis heute verwendete Formel (BVerfGE 100, 226 (243)) taucht hier, soweit ersichtlich, zum ersten Mal auf. 311 Vgl. die Nachweise bei Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 15. 312 Vgl. Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (99); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 12; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 1030 f.; Wahl, NVwZ 1984, 401 (406); Dreier/ Wieland, Art. 14 Rdnr. 125; ferner Badura, FS Maunz, S. 1; Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (331 ff.); Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (50). – Kritisch zum mangelnden Aussagegehalt der Institutsgarantie Herzog, FS Zeidler, S. 1422; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 13. 313 Vgl. Erbguth, JuS 1988, 699 (701); Badura, FS Maunz, S. 6. 314 Vgl. Liver, FS Gschnitzer, S. 261; ferner Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (219); P. M. Huber, WM 1998, 633 (643). 315 Badura, FS Maunz, S. 14; ähnlich Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 15: Verstärkung des subjektiven Rechts. 316 Vgl. Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (105); ferner Badura, FS Maunz, S. 8, 16; sowie Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 68 f., der mit der Institutsgarantie die Bedeutung des Eigentums für die Wirtschaftsordnung erfasst und durch sie das Eigentum in dieser Funktion geschützt sieht.

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Art. 14 Abs. 1 GG über die allgemeinen Gesetzmäßigkeitsanforderungen hinaus eine sachliche Regelung dazu, wie der Gesetzgeber private Rechtspositionen einfachrechtlich zu gestalten hat.317 Eine inhaltliche Bindung ist logisch nur möglich, wenn materielle Vorgaben bestehen. Diese Konzeptionen unterscheiden daher zwischen Eigentumsbegriff und Eigentumsinhalt:318 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff steht dauerhaft und unveränderlich319 fest und gilt einheitlich für alle Rechte, die als Eigentum zu qualifizieren sind.320 Er garantiert ein umfassendes Freiheitsrecht im Bezug auf den Umgang mit Gegenständen, also ein umfassendes Nutzungs- und Verfügungsrecht, wie es etwa durch das klassische Sacheigentum nach § 903 S. 1 BGB repräsentiert wird.321 Demgegenüber variiert der Eigentumsinhalt im Hinblick auf die einzelnen Arten von Gegenständen und die jeweilige Zeit;322 dieser einfachgesetzliche Eigentumsinhalt darf jedoch nicht ohne sachliche Rechtfertigung hinter dem von Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich zu gewährenden (Voll-) Bestand an Befugnissen zurückbleiben.323 Die dargestellte vorrechtliche Idee des Eigentums als vollumfassende Nutzungs- und Verfügungsbefugnis wird damit als der gedankliche Normal- und Regelfall herangezogen, von dem die Verfassung ausgeht und den die Verfassung dem einfachen Recht als Ausgangspunkt und Leitbild vorgibt.324 Die möglichen 317 Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 58, 75; Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (896); siehe auch Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 308. 318 Vgl. Sontis, FS Larenz, passim, insb. S. 985 f., 992; Georgiades, FG Sontis, passim, insb. S. 150, 153; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 134; inhaltlich ebenso V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (30 f.); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 61; Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39; vgl. ferner Olzen, JuS 1984, 328 (329) (ablehnend); L. Raiser, FG Sontis, FG Sontis, S. 168. 319 Georgiades, FG Sontis, S. 150, 152 bzw. S. 154. 320 Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 46; ders., DVBl. 1982, 61 (62); Mayer-Maly, FS Hübner, S. 147 ff., 157 f.; vgl. auch Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1475). 321 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 41; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnrn. 33, 61 ff.; Georgiades, FG Sontis, S. 150 ff., 157; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 8 f.; Liver, FS Gschnitzer, passim, insbes. S. 258, 262; Sontis, FS Larenz, S. 994 f.; Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1484); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 30 ff.; ferner M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2647 f.); ders., Sachenrecht, Rdnrn. 58 ff., der dies das „Prinzip des Privateigentums“ nennt. 322 Vgl. Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (255). 323 Vgl. M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648). 324 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 41; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 8 f.; Georgiades, FG Sontis, S. 150; Sontis, FS Larenz, S. 999 (eine andere Terminologie benutzend). – Rittstieg, NJW 1982, 721 (724); ders., FS Thieme, S. 187, bezeichnet diesen Eigentumsbegriff (vorwurfsvoll und abwertend) als „naturrechtlich“. Hieran ist richtig, dass diese Ansicht davon ausgeht, dass aus der vorhandenen Wirklichkeit eine feststehende (d.h. verbindliche, unverfügbare und übergeordnete) Erkenntnis über das Wesen des Eigentums gefunden werden kann (d.h. dass sie durch den Gebrauch der menschlichen Vernunft aus allgemeinen Erkenntnissen abgeleitet werden kann), während die Gegen-

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(und durchaus notwendigen) Einschränkungen der Befugnisse folgen der Einräumung der (Voll-)Rechtsposition als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG logisch nach, selbst wenn sie im gleichen Rechtssetzungsakt vorgenommen werden;325 das Recht selbst ist insgesamt pflichtneutral.326 Auch wenn nach diesem Ansatz bei der Ermittlung des Inhalts des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs in gewissem Umfang auf die bereits bekannten, vorgefundenen Eigentumsregelungen (insbesondere § 903 S. 1 BGB) zurückgegriffen wird, bedeutet dies weder eine statische Verweisung auf einfaches Recht327 noch einen Vorrang des BGB-Eigentums328. Der Grund für die Orientierung an ihm liegt allein darin, dass das zivilrechtliche Eigentum stets Vorbild für jede andere Art von Eigentum war329 und das Verfassungsrecht aus dieser Tradition schöpft.330 Vorbild eines jeden Eigentumsrechts i. S. v. Art. 14 GG sind auch nur die Grundlinien und Strukturprinzipien des klassischen Sachenrechts, keineswegs alle Detailnormen.331 In entsprechender Weise können daher auch dem öffentlichen Recht prägende Faktoren für das Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne zu entnehmen sein.332 (2) Folgen für die verfassungsrechtliche Behandlung schrankenziehender Regelungen Ist der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes als Messlatte vorgegeben, stellt jede gesetzliche Bestimmung, die die Befugnisse gegenüber dem gedachten Vollansicht dies gerade leugnet (vgl. allgemein zum Begriff „Naturrecht“ iustitia distributiva S. 29; Kelsen, FS Nipperdey S. 60 ff.; Koller, Theorie des Rechts, S. 23, 31 ff., 132 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 379, 415, 424; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 12). Die Lehre vom offenen Eigentumsbegriff könnte dementsprechend als „relativistisch“ oder „positivistisch“ (vgl. Kelsen, JZ 1965, 465 (468)) bezeichnet werden. Neutraler wird die Bezeichnung „naturrechtlich“ verwendet bei Wahl, NVwZ 1984, 401 (405). 325 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 41; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnr. 46; Sontis, FS Larenz, S. 985, 988, 990. 326 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 36 f.; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 55; Liver, FS Gschnitzer, S. 254 ff., 262. 327 So der Vorwurf von Böhmer, NJW 1988, 2561 (2571). 328 In diesem Sinn aber noch der Vorlagebeschluss zu BVerfGE 58, 300 (wiedergegeben S. 334 f.); dagegen zutreffend Wahl, NVwZ 1984, 401 (405 f.). 329 Leisner, HdbStR § 149, Rdnrn. 73 f.; ders., DVBl. 1983, 61 (63 f.). – Zum Vorverständnis des Verfassungsgebers im Rahmen der Grundrechtsinterpretation Jarass, ZHR 139 (1975), 557 (562); Kirchhof, FG BVerfG, S. 73. 330 Badura, FS Maunz, S. 6. 331 Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 74; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 34; vgl. ferner Mayer-Maly, FS Hübner, S. 148. 332 Vgl. BVerfGE 78, 205 (212) zum Schatzregal. Ähnlich Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (217 f.), der – der Konzeption des BVerfG folgend – die Baufreiheit aus der Institutsgarantie (i. w. S.) des Eigentums ableitet.

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recht mindert, einen „echten“ Grundrechtseingriff dar.333 Der Gesetzgeber steht daher unter verfassungsrechtlichem Rechtfertigungszwang, soweit der einfachrechtliche Rechtszustand vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff abweicht, d.h. wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung neu setzt oder bestehen lässt.334 Anzuwenden und zu beachten sind damit insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (in seiner „klassischen Form“) und alle anderen Schranken-Schranken. Die Sozialbindung ist demgegenüber keine dem Eigentümerinteresse gleichberechtigte Zielvorgabe, sondern nur ein möglicher Rechtfertigungsgrund für Beschränkungen des Freiheitsrechts im Interesse der Allgemeinheit und ggf. auch einzelner. Der Gesichtspunkt, ob und wie weit bereits bestehende Eigentumsrechte betroffen werden und die Rechtsinhaber durch den künftigen Ausschluss der Befugnis Nachteile erleiden, findet nach dieser Konzeption im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung; soweit es zu unzumutbaren Folgen kommt, sind zur „Abfederung“ insbesondere Übergangs- oder Befreiungsregelungen vorzusehen.335 dd) Analyse und Stellungnahme Die beiden oben beschriebenen336 eigentumsdogmatischen Grundkonzeptionen weisen vor allem im Hinblick auf den Schutz gegenüber Maßnahmen der Legislative erhebliche Unterschiede auf. Dies macht erforderlich zu erörtern, welche von ihnen sachlich vorzugswürdig ist. Im Rahmen dieser Untersuchung kann be333 Vgl. Georgiades, FG Sontis, S. 158; Sontis, FS Larenz, S. 999; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 116 ff. m.w. N.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 104; BVerfGE 104, 1 (9); vgl. ferner Kahl, Der Staat 43 (2004), 193 (175, in Fn. 46). – Dieses Verständnis führt nicht dazu, dass nahezu sämtliche eigentumsrelevanten Regeln wegen Versoßes gegen das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG) unwirksam sind. Das Zitiergebot ist nicht anzuwenden, wenn es seine „Warn- und Besinnungsfunktion“ (zuletzt BVerfGE 113, 348 (366)) nicht mehr erfüllen könnte und zu einer nur unnötig behindernden leeren Förmelei erstarren würde (vgl. BVerfGE 35, 185 (188); 64, 72 (79 f.); v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 198 f.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 20 I 3 b; Hömig/Antoni, Art. 19 Rdnr. 4). Da unzählige Normen Auswirkungen auf die Eigentumsnutzungsfreiheit entfalten können, ist (ebenso wie bei Einschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG) bei Schrankenregelungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG von der strikten Beachtung des Zitiergebots abzusehen (i. E. ebenso v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 239 f.). Nach dem offenen Eigentumsbegriff ist Art. 19 Abs. 1 GG bereits deshalb nicht anzuwenden, weil es sich bei der Normierung des Eigentumsinhalts um eine Ausgestaltung handle und nur eine im Grundrecht selbst angelegte Grenze nachgezogen werde (vgl. BVerfGE 64, 72 (79); Maunz/ Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 20 I 3 b, 28 II 2 a). 334 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 41 f.; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnr. 28; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 54 ff.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnrn. 104, 134; Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1484, 1485). 335 Siehe nur BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnrn. 140, 144. 336 Unter bb) (S. 81) und cc) (S. 85).

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reits die Analyse, welchem Konzept das BVerfG in der Sache folgt [unter ee)], vorbereitet werden; zudem lassen sich dabei wichtige Erkenntnisse zu Wirkungen, Wechselwirkungen und Ausprägungen der Eigentumsgarantie gewinnen.337 (1) Unterschiedliche Schutzwirkungen und -intensitäten beider Konzeptionen Der Ansatz, der primär auf den „Entzug wohlerworbener Rechte“ abstellt, bewirkt Schutz gegen eine Verkürzung der Befugnisse, die dem Rechtsinhaber im Zeitpunkt einer Neuregelung konkret zustehen.338 Den Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung bildet stets der Zustand vor Inkrafttreten des neugestaltenden Gesetzes;339 gefragt wird, ob die einzelne Befugnisentzugsmaßnahme (durch das gerade in Kraft tretende Gesetz) noch angemessen ist im Vergleich zu dem Bestand, der vor dessen Inkrafttreten gegeben war (oder: nach allen vorherigen Gesetzen übrig geblieben ist). Auf diese Weise lassen sich allerdings Summationseffekte durch zahlreiche, für sich genommen jeweils unbedeutende – und damit verhältnismäßige – Befugnisreduzierungen nicht angemessen erfassen.340 Wird dagegen ein grundsätzlich umfassendes Freiheitsrecht zugrunde gelegt, gilt die Vermutung einer umfassenden Eigentümerfreiheit und das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip. Nach ihm ist die Freiheit des Bürgers prinzipiell unbegrenzt, die staatliche Befugnis zu deren Einschränkung dagegen immer nur begrenzt.341 Aus 337 Vgl. zum zum Entschädigungsgebot S. 112 ff.; zur Bedeutung der Abwehransprüche gegenüber anderen für das Eigentum S. 94 f., 105 ff., 117 f. 338 Vgl. de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (391). – Hierbei sind nach der Rechtsprechung neben dem „vorhandenen Bestand“ an bereits realisierten Nutzungen auch noch nicht realisierte, aber „nach Lage und Beschaffenheit des Grundstücks objektiv naheliegende“ Nutzungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, siehe etwa BGHZ 87, 66 (72); 90, 17 (24 f.); 105, 15 (18 f.); 121, 328 (336 f.); 126, 279 (383); 133, 271 (276); BGH NVwZ 1996, 930 (932); BayObLGZ 2000, 152 (158 f.); BVerwGE 49, 365 (371 f.); zusammenfassend Erbguth, JuS 1988, 699 (702 f.); Leisner, BB 1992, 73 (76 ff.); Wilhelm, JZ 2000, 905 (911 f.). 339 Siehe nur v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 63 a. 340 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 42; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnr. 49; Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21. – Fraglich ist, ob dies zu dem „rechtsstaatliche(n) Skandal und Paradoxon“ führt, dass die in der Verhältnismäßigkeitsabwägung zu beachtenden Eigentümerinteressen immer weniger, unbedeutender und schutzunwürdiger werden (so Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 37, bzw. Rdnr. 44). Eine ohnehin nur mit geringen Befugnissen ausgestattete Position verdient gerade größeren Schutz [vgl. unten Teil 4 D.I.3.a)bb)(2)]. BVerfGE 70, 191 (201, 212 f.) lässt sich allerdings im Sinne der zitierten Sichtweise deuten. 341 Zum Verteilungsprinzip C. Schmitt, Verfassungslehre, § 12 I 3 (S. 126 f.), der diese Lehre maßgeblich entwickelt hat; Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (11); Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (47, 48); Merten, VerwArch 73 (1982), 103 (104); Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2101); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 99; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 139 f.; BVerfGE 128, 226 (244). Zur Bedeutung des Verteilungsprinzips für die liberale Grundrechtstheorie vgl. Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 36; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 159 f.

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diesem notwendig asymmetrischen, freiheitssichernden System ergibt sich, dass die insgesamt bewirkte Freiheitsminderung in einem angemessenen Verhältnis zu den konkurrierenden Belangen stehen muss.342 Sukzessive Eigentumsreduzierungen unterliegen dann den gleichen verfassungsrechtlichen Anforderungen wie ein einmaliger, großer Reformakt. Nur dieses Ergebnis ist aber sachgerecht, zumal der Gesetzgeber zwischen den beiden Vorgehensweisen nahezu frei wählen kann.343 Demgegenüber motiviert eine Sichtweise, für die es nur darauf ankommt, ob nach einer Neuregelung noch der wesentliche Bestand des vorigen Rechtszustandes vorhanden ist, und die somit immer nur die einzelne Neuregelungsmaßnahme in den Blick nimmt („Subtraktionsmethode“), den Gesetzgeber geradezu zu einer „Salamitaktik“. 344 Der Umstand, dass nach dem „offenen Eigentumsbegriff“ nur konkrete Eigentumspositionen rein retroaktiv345 gegen nachträgliche Einschränkungen geschützt werden,346 führt weiter dazu, dass der jeweils erreichte Rechtszustand selbst keiner Überprüfung an der Verfassung unterzogen werden kann. Ein Eigentümer könnte sich daher niemals gegen eine bereits in Kraft befindliche Beschränkung mit der Begründung wehren, der Bedarf nach einer Einschränkung von bestimmten Befugnissen (und damit die Rechtfertigung der Eigentumsbeschränkung) sei zwischenzeitlich entfallen.347 Bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes in Geltung gesetzte Regelungen wären damit überhaupt nicht am Grundgesetz zu messen, da – wie es das BVerfG in zahlreichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung explizit ausgesprochen hat – die (gedachte) Vollrechtsposition niemals dem Schutz des Art. 14 GG unterfallen wäre.348 Bei konsequenter Weiterführung würde dies zu dem seltsamen Ergebnis 342 Vgl. zum Ganzen Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 37; Enders, AöR 115 (1990), 610 (619); Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 5; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (467); inhaltlich ebenso Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21; P. M. Huber, Jura 1998, 505 (508). 343 Vgl. Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (232). Demgegenüber sieht Rittstieg, JZ 1983, 161 (167) in dem Vorgehen, unter Beibehaltung des Eigentumstitels andere gemeinwirtschaftliche Formen der Eigentumsnutzung einzuführen, eine Alternative zu einer Sozialisierung nach Art. 15 GG. Eine Sozialisierung oder Enteignung ist nach seiner Auffassung nur notwendig, wenn der Gesetzgeber kurzfristig vorgehen will (ebenso wohl Rennert, VBlBW 1995, 41 (44); Schulte, JZ 1984, 297 (302)). Ablehnend gegenüber solchen „weichen Lösungen“ Zöllner/Noack, AG 1991, 157 (165). 344 Vgl. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, S. 40; inhaltlich auch F. Baur, NJW 1982, 1734 (1735); oben Fn. 340. 345 Terminus nach Burmeister, FS Leisner, S. 661. 346 Explizit so v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 63 a; Burgi, NVwZ 1994, 527 (534); auch Ibler, AcP 197 (1997), 565 (584). 347 In diesem Sinn BVerfGE 25, 371 (407), nach der in der Verlängerung des geltenden (nachteiligen) Rechtszustandes keine Verschlechterung und damit kein Eingriff liegt. Vgl. auch Papier, BB 1997, 1213 (1217). 348 Vgl. BVerfG NJW 2000, 1486 (1487); BVerfG ZfB 138 (1997), 283 (287, 288) m.w. N. Demgegenüber unterzieht BayVerfGHE 41, 106 (110 ff.) ohne nähere Begrün-

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führen, dass nahezu alle eigentumsregelnden Normen des BGB im Widerspruch zum Übermaßverbot stehen dürften,349 während sich ebenso alte Regelungen im BGB, die den Schutzbereich eines anderen Grundrechtes berühren, voll am Grundgesetz messen lassen müssen.350 Neu geschaffene Rechte dürften ebenfalls Elemente aufweisen, die ihren Inhaber über Gebühr belasten, solange sie den äußersten Rahmen der Institutsgarantie wahren.351 Ist dagegen ein unbeschränktes Recht als verbindliche Vorgabe heranzuziehen, unterliegen eigentumsbeschränkende Vorschriften stets einem Rechtfertigungszwang, und zwar nicht nur im Moment ihres Inkrafttretens, sondern auch permanent, solange sie in Kraft sind.352 Regelungen, die infolge zeitbedingter Änderungen obsolet geworden sind, werden damit nach richtigem Verständnis nichtig.353 Bei einem Verzicht auf einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ist damit ein nachhaltiger, umfassender Schutz gegen eine Aushöhlung des Eigentums nicht gewährleistet.354 Soweit sich mehrere Auslegungs- und Verständnismöglichkeiten bieten, ist grundsätzlich diejenige zu wählen, die den Grundrechten zur größtmöglichen Entfaltung verhilft und so dem Bürger den weitgehendsten Schutz vermittelt.355 „Grundrechtsfreundlicher“ ist hier die Kondung die Bestimmungen des 1898 erlassenen BayUnschZG der Prüfung an Art. 103 BayVerf, obwohl der BayVerfGH in der Entscheidung den eigentumsdogmatischen Grundansatz des BVerfG teilt. – In BVerfGE 91, 294 (309) griff das BVerfG um die Mietpreisbindung in den neuen Bundesländern am Maßstab des Art. 14 GG messen zu können, darauf zurück, dass der (west-)deutsche Gesetzgeber bei der Ratifikation des Einigungsvertrages an das Grundgesetz gebunden und daher zur Beachtung der Gewährleistungen des Art. 14 GG gezwungen war. Diese Überlegung setzt aber voraus, dass ein verfassungsrechtliches Gebot besteht, ungerechtfertigte Beschränkungen von Eigentum nicht aufrechtzuerhalten, welches sich wiederum nur aus einem Grundrecht ergeben kann. 349 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 11 f. 350 Siehe nur BVerfGE 7, 198 (205); 20, 150 (160 f.); Eberl, DVBl. 2005, 1529 (1530). 351 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 62. Diese Schwäche des Grundrechtsschutzes erkennen auch P. M. Huber, Umweltschutz, S. 50; ders., WM 1998, 633 (644); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (227, in Fn. 87). 352 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 41 f.; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnrn. 48, 61, 229, mit Hinweis auf die parallele Situation bei der Rückenteignung [zu ihr unten B.III.1.b)]. – Auch über die Korrekturverpflichtung des Gesetzgebers, der beim Erlass einer Norm einen Prognosespielraum genutzt hat (vgl. BVerfGE 25, 1 (12 f.); 21, 150 (159); 50, 290 (335); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 323) lässt sich kein anderes Ergebnis begründen: Zum einen bestünde bei Einschränkungen, die schon bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestanden, keine Beobachtungspflicht des nachkonstitutionellen Gesetzgebers, und zum anderen beruht diese Pflicht selbst wiederum auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (deutlich BVerfG NVwZ 2004, 597 (599, 601); NVwZ 2004, 975 (975, 976)). 353 Vgl. unten Teil 4 D.I.2.b). 354 Vgl. Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (217 f.); Maunz, BayVBl. 1981, 321 (324); Liver, FS Gschnitzer, S. 263 f. 355 Vgl. BVerfGE 6, 55 (72); 32, 54 (71); 39, 1 (38); 51, 97 (110); Hömig/Antoni, Vor Art. 1 Rdnr. 18; W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (187, 199); v. Münch/Kunig/

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zeption, nach der das Eigentum wie alle anderen Freiheitsrechte grundsätzlich unbegrenzte Befugnisse vermittelt und jede Reduzierung einen echten Eingriff darstellt.356 Sie entspricht auch dem in Art. 1 Abs. 3 GG verankerten Konzept einer umfassenden Grundrechtsbindung der gesetzgebenden Gewalt. Dagegen darf die unter Geltung der WRV entwickelte Dogmatik nicht unbesehen übernommen werden, da damals eine solche Bindung gerade nicht bestand.357 Ausnahmen vom Gebot des „grundrechtsoptimalen Verständnisses“ sind allerdings grundsätzlich denkbar, soweit das einzelne Grundrecht oder die Sachgegebenheiten dies verlangen.358 Im vorliegenden Zusammenhang könnten sich solche aus dem besonderen Bedarf nach gesetzgeberischem Freiraum [unter (2)] oder aus der Rechtsgeprägtheit des Eigentums [unten (3)] ergeben. (2) Flexibilität und Regelungsfreiraum für den Gesetzgeber Gegen die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des „römisch-rechtlichen“ Eigentumskonzepts wird eingewandt, dass es den Gesetzgeber hindere, dem Sozialstaatsgebot des Art. 14 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen und auf andere aktuelle Herausforderungen wie z. B. die Bedrohung der Umwelt zu reagieren.359 Unbestreitbar unterscheiden sich die Verhältnisse der modernen Industriegesellschaft von denen der Bismarck-Ära,360 so dass gegenwärtig andere Eigentumsinhalte situationsgerecht sind als damals. Das Gebot, die „Wir-Dimension“ 361 zu berücksichtigen, zwingt jedoch nicht zu einer Konzeption, bei der von vornherein nur einzelne Nutzungsrechte zugeteilt und die Begrenzungen der Gewährleistung immanent sind.362 Auch die Annahme eines zunächst unbegrenzten Eigentumsbegriffs schließt selbst intensive Schrankenziehungen nicht aus.363 Das Eigentum ist lediglich zunächst als unbeschränktes zu denken, bevor in einem zweiten v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 51 m.w. N.; Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (73 f., 106 u. ö.); ebenso argumentierend BVerfGE 80, 137 (154); BVerfG wistra 2004, 378 (381). Eher kritisch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 46. 356 Mayer-Maly, FS Hübner, S. 157; ebenso bei BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 218. 357 Ebenso Vyas, ZEV 2002, 1 (2, 4) zur Erbrechtsgarantie. 358 Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (109). 359 So etwa Böhmer, NJW 1988, 2561 (2568 f., 2571); vgl. auch Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 10. 360 Vgl. zur „Neutralität“ des Zivilrechts der Jahrhundertwende Limbach, JuS 1985, 10 (10). 361 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2568). 362 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 36; Badura, AcP 176 (1976), 119 (143). 363 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 161, 193; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 9; vgl. auch Mayer-Maly, FS Hübner, S. 149, 157; Georgiades, FG Sontis, S. 158. Anders Olzen, JuS 1984, 328 (328), der – unzutreffend – vom rein empirischen Befund, dass Zahl und Umfang der Eigentumsbeschränkungen zunehmen, auf die verfassungsrechtlich vorgegebene Konzeption schließt.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Schritt die Vereinbarkeit der Rechtsausübung mit den Interessen anderer und der Staatsgesamtheit hergestellt wird.364 Der Gesetzgeber kann daher durch Veränderung des (einfachgesetzlichen) Eigentumsinhalts ohne Weiteres sozialgestaltend aktiv werden und der Freiheit des Einzelnen Schranken auferlegen, selbst wenn sie weitreichenden Inhalt haben. Die Beschränkungen dürfen nur nicht so weit gehen, dass die Sozialpflichtigkeit zum Grundmotto der Eigentumsordnung wird; diese Rolle muss qualitativ wie quantitativ der Privatnützigkeit und Freiheit des Einzelnen verbleiben.365 Der Gesetzgeber ist daher auch nach der „römisch-rechtlichen“ 366 Auffassung nicht gehindert, die einem Recht innewohnenden Befugnisse aus Gründen der Sozialverträglichkeit zu beschränken; nur müssen der Eingriffstiefe entsprechende gewichtige Gründe des Gemeinwohls oder Interessen anderer vorhanden sein.367 Der Gesetzgeber verfügt dabei über die politische Einschätzungsprärogative und einen erheblichen Spielraum, zumal die auszugleichenden Belange vielfältig und vielzählig sind.368 Bei entsprechendem Gewicht der Gemeinwohlbelange können auch bei diesem Ansatz einzelne Nutzungsbereiche vollständig aus dem Grundeigentum ausgegliedert werden (Bodenschätze, Grundwasser) oder in eine Form von öffentlichem Eigentum überführt werden (Deichflächen).369 Der zentrale Unterschied zum offenen Eigentumsbegriff liegt lediglich darin, dass die 364 Vgl. Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21; Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 36 f.; P. M. Huber, Jura 1998, 505 (508); M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 58. Selbst Radbruch, Rechtsphilosophie, der die Pflichtigkeit des Eigentums nach Art. 153 WRV stets betont, geht davon aus, dass die vielfältigen möglichen Verhaltensweisen zu Sachen nicht auf einzelne Sachenrechte begrenzten Inhalts restlos aufgeteilt werden können, sondern es zu deren Herleitung zunächst der Annahme einer Rechtspositionen ohne Beschränkung bedarf (S. 132). 365 Wie hier Herzog, FS Zeidler, S. 1426. 366 Vgl. Fn. 290. 367 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (228): „Das Abwehrrecht verbietet keine Grundrechtseingriffe, fordert aber ihre Rechtfertigung“. – Speziell zur Baufreiheit, der die materiellen Anforderungen an die Zulässigkeit von Vorhaben und die formellen Genehmigungserfordernisse als rein präventive Vorbehalte nicht entgegenstehen, Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21; Sieckmann, NVwZ 1997, 853 (857); ferner BVerfGE 35, 263 (276); BVerfG NVwZ 1992, 972 (972 f.); NVwZ 2001, 424; BVerwGE 117, 287 (303 f.); BVerwG NVwZ 2004, 982 (984); Steinberg, NJW 1981, 550 (556); a. A. Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 28. 368 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 56 ff.; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 16 ff.; Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 10; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 161; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 59. 369 Daher ist BVerfGE 24, 367 (389 ff.) im Ergebnis zuzustimmen, aber zugleich zu betonen (vgl. Böhmer, NJW 1988, 2561 (2563); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 19; Leisner, DVBl. 1983, 61 (65); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 320; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 69), dass eine derartige bereichsweise Entprivatisierung nur bei zentral bedeutsamen Gütern ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Zur Ausgliederung des Grundwasser kritisch Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnrn. 1, 6; ohne Bedenken im Bezug auf die bergfreien Bodenschätze dagegen Rdnrn. 7, 30. Zu den denkbaren Regelungstechniken vgl. Kühne, RdE 2009, 14 (15 f.).

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Entscheidung zugunsten des Privateigentums für alle Bereiche gilt und Abweichungen einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff (d.h. nicht nur einen irgendwie gearteten Ausgestaltungsakt, der geringeren Rechtfertigungsanforderungen unterliegt) darstellen.370 (3) Vereinbarkeit eines eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs mit der „Rechtsgeprägtheit des Eigentums“ (a) Prägung des Eigentums auf der verfassungsrechtlichen Ebene Die Auffassung, nach der das Grundgesetz das Eigentum als Typus wie in § 903 S. 1 BGB absichert, trägt bei näherer Betrachtung auch dem Erfordernis einer rechtlichen Prägung des Eigentums ausreichend Rechnung. Die von den Vertretern eines „offenen Eigentumsbegriffs“ angeführten Schwierigkeiten stellen sich nicht, wenn man erkennt, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG selbst die wesentlichen abstrakt geltenden Vorgaben für „Eigentum“ statuiert. Das Grundgesetz trifft darin die grundlegende Entscheidung zugunsten eines umfassenden Rechts zu Nutzung und Verfügung, indem es verbal auf „das Eigentum“ Bezug nimmt und so die Grundstrukturen inkorporiert, die u. a. das Sacheigentum nach § 903 S. 1 BGB prägen.371 Die Verfassung versteht und gebraucht einen Rechtsbegriff im Zweifel so, wie er im Zeitpunkt der Verfassungsgebung in dem betreffenden Rechtsgebiet eingesetzt wurde.372 Dies ist hier das klassische BGB-Eigentum mit seinem Charakter des Vollrechts, das bei Schaffung des Grundgesetzes bereits seit langer Zeit ausgeprägt und praktiziert war.373 Mit Art. 14 Abs. 1 GG findet somit die (erforderliche, aber insoweit ausreichende) erste rechtliche Prägung des Eigentums durch die Verfassung selbst statt.374 Diese Vorprägung bewirkt, dass eine vermögensrelevante Position (d.h. eine solche, die in den gegenständlichen Schutzbereich375 des Art. 14 GG fällt), mit grundsätzlich umfassenden rechtlichen Befugnissen auszustatten ist, sobald sie 370 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 209 f.; vgl. auch Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 15 (Fn. 27). 371 Nur terminologisch abweichend Georgiades, FG Sontis, S. 157; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 65; ähnlich die Konzeption der „materiellen Verfassung“ bei Lerche, FS Odersky, S. 218; zum Erbrecht wie oben Vyas, ZEV 2002, 1 (3, 4). 372 Mayer-Maly, FS Hübner, S. 148; vgl. ferner Kirchhof, FG BVerfG, S. 73; zweifelnd Engel, AöR 118 (1993), 169 (197). 373 Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 39 f. – Ähnlich zur WRV bereits Anschütz, Art. 153 Anm. 3. 374 Vgl. Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 39; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnrn. 31 ff., 36; inhaltlich ebenso Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (19 ff.). 375 In der Terminologie von Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (167): „sachlicher Einzugsbereich“, in der Terminolgie von Wahl, UTR 14 (1991), 7 (33) „Gegenstandsbereich“.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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einfachrechtlich vorhanden ist.376 Der Gesetzgeber kann dann über den Charakter solcher Rechtspositionen nicht mehr beliebig disponieren, weil ihre Grundstruktur verfassungsunmittelbar konstituiert wurde.377 Das einfache Recht muss daher nicht mehr das Grundkonzept des Eigentums sondern nur die einzelnen daraus fließenden Ansprüche regeln.378 Diese Bestimmungen, die den abstrakten Grundprinzipien – volle Nutzungsbefugnis und freie Verfügungsmacht – konkrete Gestalt verleihen und sie inhaltlich ausfüllen, sind durchaus erforderlich, um das Eigentum zu einem klar umrissenen und praktisch durchsetzbaren Recht zu machen.379 Festzulegen ist z. B., durch welche Handlungen eigentumsfähige Positionen und damit Rechte im Sinne des Art. 14 GG begründet werden (d.h. die Voraussetzungen für den Ersterwerb) und welche (sachlichen und persönlichen380) Grenzen die Eigentümermacht aufweist.381 Eines Tätigwerdens des Gesetzgebers bedarf es dabei bereits deshalb, weil diese Regelungen i. d. R. nicht ohne Grundrechtseinschränkungen Dritter erfolgen können.382 Der Aspekt der Rechtsgeprägtheit würde aber überbetont, wenn man aus ihm nicht nur ableitet, dass die Eigentumsfähigkeit der betreffenden Güter eine grundlegende Bestimmung des Inhalts erfordert, sondern aus ihm eine absolute Definitionsgewalt folgert.383 Beim Sacheigentum kommt der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorprägung nur eine relativ geringe Bedeutung zu, da zum einen nahezu sämtliche Sachen i. S. d. § 90 BGB bereits im Eigentum einer Person stehen und zum anderen eine Sache auch ohne einen Eigentümer (also ohne Recht an ihr und Rechtsträger) überhaupt existiert. Wesentlich größerer Stellenwert kommt diesen Regelungen bei Immaterialgütern zu, bei denen mangels Körperlichkeit ihrer Substanz (dort nämlich: der Idee)384 ein größerer Klärungsbedarf im Hinblick auf Entste376 Vgl. Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1475); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 30 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 192. 377 Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (896). 378 Vgl. Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (66) speziell zum geistigen Eigentum; ferner Georgiades, FG Sontis, S. 152, 157; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 30 ff. 379 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 104; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 33; zur strukturparallelen Erbrechtsgarantie BVerfGE 99, 314 (351). 380 Festzulegen ist etwa die strukturelle Frage, ob das Recht absolut oder nur relativ sein soll, und ob es umfassend sein oder nur innerhalb eines Rahmens zu bestimmten Nutzungen berechtigen soll. Vgl. auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 164 ff. 381 Georgiades, FG Sontis, S. 152. 382 Engel, AöR 118 (1993), 169 (198); Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 725 f., 727 f.; allgemein oben A.II.4.b). 383 Ähnlich Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1475); Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (66 f.). 384 Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (66).

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hung und Inhaberschaft des Rechts besteht.385 Gleiches gilt für obligatorische Ansprüche, für die neben den Entstehungsvoraussetzungen auch Klagbarkeit, Verjährung usw. festgelegt werden müssen.386 Insoweit besteht aber nur ein gradueller, kein struktureller Unterschied, weil stets die Allgemeininteressen mit den Individualinteressen abgewogen werden müssen.387 Die strukturelle Festlegung auf das Vollrecht nach dem Vorbild des § 903 BGB bedeutet nicht, dass unbedingt jedes Vermögensrecht als absolutes Recht ausgestaltet werden muss.388 Dies wäre weder möglich noch sinnvoll, da Bedeutung und Wert der einzelnen Vermögensrechte gerade in ihren strukturellen Besonderheiten und Eigenheiten liegen.389 Der Gesetzgeber kann daher absolute oder relative, umfassende oder beschränkte dingliche Rechte schaffen. Innerhalb dieser Kategorien muss er die Rechtsposition aber unter Beachtung des jeweiligen sachgegebenen, charakteristischen Rahmens zunächst umfassend mit Befugnissen im Hinblick auf die Ausnutzung und auf die Abwehr von Angriffen auf Bestand und Zuordnung durch andere Personen ausstatten; erst anschließend kann er aus sachlichen Gründen Befugnisse durch Schranken wieder reduzieren.390 Dieser Freiraum besteht nicht sowohl im Hinblick auf den Umfang der Befugnisse („Nutzungsbefugnis“) als auch im Hinblick auf die Übertragbarkeit („Verfügungsbefugnis“): Der Gesetzgeber kann z. B. durchaus auch vermögenswerte Rechte mit nur eingeschränkter Verfügungsmöglichkeit schaffen,391 wenn die Zuordnung an eine bestimmte Person gerade ihr Charakteristikum ist. Die Ausweitung des Schutzbereichs des Art. 14 GG auf Rechtspositionen, die mit dem BGB-Eigen-

385 Vgl. Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 66, der Güter, die natürlich abgegrenzt und damit natürlich eigentumsfähig sind (Mobilien), wesentlich abgrenzungsbedürftige Güter (Grundstücke) und erst gesetzlich zu bestimmende Güter (Immaterialgüterrechte) unterscheidet. Im folgend v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 58 ff.; vgl. ferner Ohly, JZ 2003, 545 (547) m.w. N.; Kube, JZ 2001, 944 (945, 946). 386 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 21 f. 387 Ohly, JZ 2003, 545 (547, 549). 388 Die Befürworter eines offenen, institutionellen Eigentumsbegriffs nehmen für sich in Anspruch, nur so die vielfältigen Erscheinungsformen der von Art. 14 GG geschützten Recht erklären zu können, vgl. Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (100); Rittstieg, JZ 1983, 161 (166); Wahl, NVwZ 1984, 401 (406); teils abweichend insoweit Maunz/ Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 11. 389 So auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 161, 193, 196; Ohly, JZ 2003, 545 (550) im Bezug auf die einzelnen Immaterialgüterrechte. 390 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 57. – Der nach „Abzug“ der Beschränkungen verbleibende Bestand an Befugnissen mag zwar als eine beschränkte Herrschaftsmacht erscheinen (vgl. Georgiades, FG Sontis, S. 156; Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 14), ist aber gleichwohl aus einem umfassenden Eigentum entstanden. 391 Vgl. BVerfGE 114, 1 (59), dem zufolge die freie Verkehrsfähigkeit nur grundsätzliches Merkmal des Eigentums i. S. d. Art. 14 GG sei, jedoch nicht bei jedem Recht zwingend vorliegen müsse.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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tum nur teilweise vergleichbar sind, erfordert daher keine Abkehr vom einheitlichen Begriff des Eigentums.392 (b) Vergleich mit anderen „normgeprägten Grundrechten“ Der soeben gewonnene Befund wird bestätigt durch einem Blick auf die dogmatische Behandlung anderer „normgeprägter Grundrechte“ wie z. B. dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG),393 dem Elternrecht394 und der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG)395.396 So ist zu Art. 6 Abs. 1 GG anerkannt, dass die einfachrechtlichen Bestimmungen, die die Begründung der Ehe und die sich aus ihr ergebenden rechtlichen Wirkungen regeln, dem verfassungsrechtlichen Ehebegriff mit seinen wesentlichen Strukturprinzipien entsprechen müssen.397 Diese einfachrechtlichen Normen bilden zwar – weil die Ehe die rechtlich anerkannte Lebensgemeinschaft ist und sich gerade hierin vom bloß faktischen Zusammenleben unterscheidet – die notwendige Voraussetzung für das „Rechtsinstitut Ehe“ 398. Trotz des Charakters als „definierende Regeln“ sollen gesetzgeberische Regelungsmaßnahmen aber in einen Eingriff umschlagen, wenn von den wesentlichen Strukturprinzipien des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs abgewichen wird.399 Obwohl der Begriff „Ehe“ nicht konkreter ist als der Begriff „Eigentum“, werden somit Einschränkungen der darin enthaltenen Gewährleistung als Eingriffe angesehen und behandelt.400 Weshalb dies beim Eigentum nicht möglich sein soll, ist nicht zu begründen. (4) Wortlautbefund des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Ein zwingender Beleg dafür, dass das Grundgesetz vom „offenen Eigentumsbegriff“ ausgehe, lässt sich auch der sprachlichen Formulierung des Art. 14

392 Vgl. in diesem Zusammenhang Mayer-Maly, FS Hübner, S. 147 ff., 157 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 196 ff.; Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 15; Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (41). 393 Vgl. BVerfGE 31, 58 (68 ff.); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 32 f. (Fn. 39). 394 Vgl. Classen, AöR 122 (1997), 65 (78). 395 Vgl. BVerfGE 88, 341 (350 f.); BVerfG NJW 2001, 141 (141); NJW 2005, 1561 (1563), jeweils die tradierten „Kernelemente“ besonders deutlich in den Mittelpunkt stellend; BayObLGZ 1997, 374 (377). 396 Wie hier Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 109. 397 BVerfGE 31, 58 (69 f.); Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Abs. 1 Rdnr. 73. 398 BVerfGE 31, 58 (69); Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Abs. 1 Rdnr. 70. 399 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 701 ff.; vgl. ferner Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 109 f. 400 Vgl. allgemein Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (19, 29).

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Abs. 1 S. 2 GG, dem zufolge sowohl der „Inhalt“ als auch die „Schranken“ durch das Gesetz zu bestimmen sind, nicht entnehmen.401 Der Vorschlag, die Wendung „zeitablaufsbezogen“ so zu deuten, dass ein eigentumsausgestaltendes Gesetz für die Zukunft den Inhalt des Eigentums regle und im Hinblick auf die vorhandenen konkreten Eigentumsrechte eine Schranke darstelle,402 ist wenig überzeugungskräftig: Zum einen müsste es chronologisch exakter „Schranken- und Inhaltsregelung“ heißen. Zum anderen ist nicht erkennbar, weshalb dem Terminus „Schranke“, der im Grundrechtsteil der Verfassung immer einheitlich im Sinne einer abstrakt-generellen Reduzierung einer zunächst vorbehaltslos garantierten Freiheit gebraucht wird,403 hier eine andere Bedeutung zukommen sollte. Im Übrigen kann bei einem offenen Eigentumsbegriff „Inhalt“ und „Schranken“ nicht unterschieden werden, da eine konstitutive Ausgestaltung logisch niemals mit einer Beschränkung zusammenfallen kann.404 Geringere Deutungsschwierigkeiten treten bei der „römischrechtlichen Konzeption“ auf. Nach ihr ist der Inhalt des Rechts (d.h. die Gesamtheit der dem Eigentümer nach dem einfachen Recht zustehenden Befugnisse) das Ergebnis der Schrankenziehung, der das gedachte Vollrecht unterworfen wurde;405 der eine Begriff blickt eher positiv auf das, was dem Rechtsinhaber an Befugnissen und Möglichkeiten verbleibt, der andere eher negativ auf das, was im Interesse anderer ausgeschlossen ist. Die Wendung ist danach letztlich als ein – überflüssiger – Pleonasmus anzusehen.406 (5) Bedeutung der „Situationsgebundenheit“ Die Trennung zwischen der Schaffung des Eigentumsrechts und der anschließenden Beschränkung der Befugnisse durch das einfache Gesetz macht auch hinreichend deutlich, dass bei der Entscheidung über den Rechtsinhalt zwar die Bedeutung des jeweiligen Gegenstands für die Allgemeinheit (als Denkmal, Biotop, 401

Zu den Deutungsschwierigkeiten (bei Art. 153 WRV) bereits M. Wolff, FG Kahl,

S. 7. 402 So aber v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 136 f.; Berg, JuS 2005, 961 (965); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (225); P. M. Huber, WM 1998, 633 (643 f.); Ibler, AcP 197 (1997), 565 (573); Maunz, BayVBl. 1981, 321 (325 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 998; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 58 ff.; Sachs, JuS 2005, 454 (455); in diese Richtung auch BVerfGE 52, 1 (27). 403 Vgl. Art. 5 Abs. 2; Art. 8 Abs. 2; Art. 10 Abs. 2; Art. 11 Abs. 2; Art. 13 Abs. 7; Art. 17 Abs. 1, 2; Art. 19 Abs. 1; Art. 104 Abs. 1 GG; siehe auch P. M. Huber, Jura 1998, 505 (508) 404 Vgl. Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 76 m.w. N.: jede Begrenzung bestimme zugleich den Inhalt des Eigentums. – Auf die beschriebene Deutungsschwierigkeit weisen hin Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 37; Leisner, HdbStR § 149, Rdnrn. 54, 61; Liver, FS Gschnitzer, S. 261 f. m.w. N. 405 Ähnlich Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 157; Sachs/ders., Art. 14 Rdnrn. 55, 57 ff. 406 So etwa v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 51.

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Kulturgut usw.) berücksichtigt werden darf, hierin aber ein Eingriff liegt, der der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf.407 Demgegenüber wird beim „offenen Eigentumsbegriff“ der Charakter als Eingriff häufig verundeutlicht,408 indem die Begrenzung der dem Eigentümer zur Verfügung stehenden Nutzungsmöglichkeiten durch Hinweise auf die naturgegebene Beschaffenheit, Einbettung und Lage des Grundstücks – schlagwortartig: der „Situationsgebundenheit“ 409 – begründet werden: Derartige Faktoren und die sich daraus ergebenden Allgemeininteressen würden von einem „vernünftigen und einsichtigen Eigentümer“ quasi von sich aus beachtet und respektiert.410 Das Gesetz zeichne somit letztlich nur nach, was aus sich heraus ohnehin erhaltenswert ist, und schreibe die faktische Situation lediglich rechtsverbindlich fest.411 Art und Umwelt eines Gegenstands „seiner Natur nach“ können jedoch nie zu einer besonderen Pflichtigkeit führen,412 da eine Rechtspflicht erst durch den staatlichen Akt begründet wird. Gleiches gilt für die „Natur der Sache“ 413: Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 u. 3 GG 407 Vgl. Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21; Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 36 f.; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (227); V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (14); P. M. Huber, Jura 1998, 505 (508); Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39; Liver, FS Gschnitzer, S. 254 ff., 262; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 55. Dies ist, wie V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (14); Stober, NVwZ 1982, 473 (474), darlegen, Konsequenz des Verteilungsprinzips (dazu oben bei Fn. 342). Ein anderes Verständnis würde die Frage des Schutzbereichs mit der des Eingriff und des Sonderopfers kaum auflösbar vermischen, vgl. Badura, AöR 98 (1973), 153 (169); ders., AcP 176 (1976), 119 (143); Gassner, NVwZ 1982, 165 (166). 408 Ebenso Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1474, 1478, 1481, 1484 f.). 409 Vgl. BVerfGE 74, 263 (280 f.) (auch zu den Grenzen); BVerfGE 100, 226 (242); BVerwGE 49, 365 (368); 94, 1 (4); BVerwG NJW 1962, 2171 (2172) („Ortsgebundenheit“); BayVGH NVwZ 1986, 951 (952); BGH DVBl. 1957, 861 (861); BGHZ 23, 30 (32 f.); 48, 193 (195 f.); 87, 66 (71); 105, 15 (18); 121, 328 (336); 189, 218 (229 f.); BayObLGZ 1986, 382 (387); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (226 f.); Engel, AöR 118 (1993), 169 (229); Hendler, FS Maurer, FS Dürig, S. 129 f.; Kischel, JZ 2003, 604 (607, 608 f.); Schink, DVBl. 1990, 1375 (1381 f.); Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (217); Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 8; Darstellung bei Badura, AöR 98 (1973), 153 (167 f.). Ablehnend Leisner, HdbStR § 149, Rdnrn. 47 ff., ders., DVBl. 1983, 61 (65); Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 ff. 410 BGHZ 105, 15 (18); 99, 24 (31 f.); 90, 17 (24 f.); 87, 66 (71); 60, 126 (138 f.); 48, 193 (195, 197); 23, 30 (35); ähnlich bereits BGH DVBl. 1957, 861 (861); ferner BVerfGE 20, 351 (356 f., 359); 25, 112 (119); Kreft, Anm. LM GrundG Art. 14 (Ba) Nr. 28. Kritisch Lege, NJW 1993, 2565 (2569); Schink, DVBl. 1990, 1375 (1382); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 291 ff.; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 84 ff., 268 ff.; Kischel, JZ 2003, 604 (610). 411 Vgl. BVerwGE 84, 361 (371); 94, 1 (4); BGHZ 80, 111 (119); Rennert, VBlBW 1995, 41 (46). 412 So aber z. B. BGH DVBl. 1957, 861 (861); BGHZ 23, 30 (33); 121, 328 (336). 413 Gleichbedeutend: „Wesen der Dinge“, vgl. Gern, JuS 1988, 534 (535) m.w. N.; vgl. auch bei Molitor, FS Schulze, S. 43, 45. Siehe ferner E. Kaufmann, JuS 1987, 848 (848, 850 ff.); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 724, die ausführen, dass mit dieser Wendung oftmals versucht wird, ausgehend vom eigenen Vorverständnis das subjektiv gewollte Ergebnis zu rechtfertigen und auf dessen Evidenz zu verweisen.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

enthalten zwar ein Gebot der Sachgerechtigkeit,414 so dass Rechtssetzung und -anwendung stets die Sachgesetzlichkeiten des von der Regelung betroffenen Lebensbereichs zugrunde legen müssen.415 In einem verfassten Staat vermag der vorhandene Zustand aber nicht selbst eine Pflichtigkeit im Rechtssinne zu begründen, sondern kann nur ein Tätigwerden des Gesetzgebers rechtfertigen, der diese Sachfakten als Grund, Anlass und Rechtfertigung für normative Regelungen heranziehen kann (evtl. auch: muss).416 (6) Bedeutung des Sozialpflichtigkeitsgebots des Art. 14 Abs. 2 GG Eine Gleichrangigkeit von Rechten und Pflichten im Bereich des Eigentums folgt auch nicht aus dem in Art. 14 Abs. 2 GG verankerten Sozialpflichtigkeitsgebot. Auch diese Bestimmung kann Bindungen, die über die positivierten Eigentumsbeschränkungen hinausgehen, nicht – weder gegenüber der Allgemeinheit noch gegenüber anderen Personen – bewirken. Nach teils vertretener Auffassung soll sich Art. 14 Abs. 2 GG zwar (auch) unmittelbar an den Eigentümer wenden, ihn verpflichten, seinen Eigentumsgebrauch auf die Interessen der Allgemeinheit oder anderer Privater einzurichten, und so einen zusätzlichen Vorbehalt der Gemeinwohlverträglichkeit aufstellen.417 Diese Sicht mag der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 GG implizieren.418 Auf Art. 1 414

Vgl. unten Teil 2 C.II.2.e). Gern, JuS 1988, 534 (536 f.); E. Kaufmann, JuS 1987, 848 (849); Kube, JZ 2001, 944 (947); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 921; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 7 IV, § 12 V; vgl. auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 379 f.; ferner Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 7. 416 Vgl. zum Ganzen Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1481, 1483, 1486); Burgi, NVwZ 1994, 527 (528); Gassner, NVwZ 1982, 165 (166); Gern, JuS 1988, 534 (536); Maunz, BayVBl. 1981, 321 (321); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 271; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 920 ff.; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1382); Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (217); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 200; Zippelius (vorige Fn.). 417 v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 69; Kimminich, JuS 1978, 217 (221); BK/ ders., Art. 14 Rdnrn. 153 f., 165, 175; Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 42 ff., 83; Lücke, JZ 1999, 377 (378); BGH LM § 903 BGB Nr. 2; OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1542 (1544). Die häufig hierfür als Beleg herangezogene Entscheidung BVerfGE 20, 351 (361) kann allerdings auch so verstanden werden, dass nur die allgemeine Polizeipflichtigkeit des Eigentums ausgedrückt werden soll. Erstmals findet sich das im Text dargestellte Verständnis wohl bei M. Wolff, FG Kahl, S. 11: Die Sozialpflichtigkeitsklausel gewähre für den Richter eine bequeme Stütze, die sozialverträgliche Eigentumsnutzung in jedem Einzelfall sicherzustellen; wie der Kontext zeigt, dachte M. Wolff dabei jedoch eher an Verkehrssicherungs- und Polizeipflichten als an Nutzungseinschränkungen (S. 10). Gegen M. Wolff bereits Anschütz, Art. 153 Anm. 16 m.w. N. Ausführlich zum Ganzen (unter Rückgriff auf das lutherische Eigentumsverständnis) Kübler, AcP 159 (1960), 236 (237 ff.). 418 Vgl. Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 29, 99 f. 415

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Abs. 3 GG lässt sich dieses Verständnis aber nicht stützen,419 da dort ausdrücklich nur die drei staatlichen Gewalten als Gebundene genannt sind.420 Eine reziproke Anwendung der Bestimmung verbietet sich, da derartige allgemeine Gemeinwohlvorbehalte in die Kategorie der Grundpflichten einzuordnen sind.421 In Grundpflichten drückt die Verfassung Wertentscheidungen aus, um die Voraussetzungen für den Schutz von Freiheiten anderer herzustellen.422 Der Freiheitsgebrauch des Bürgers muss sich aber (anders als die Auferlegung von Pflichten) nie rechtfertigen lassen;423 die rechtliche und logische Struktur von Grundpflichten entspricht somit nicht derjenigen der Grundrechte. Den Grundrechten und dem Gesetzesvorbehalt widerspräche es vielmehr, wenn sich die Grundpflichten unmittelbar aktualisieren und Freiheiten außer Kraft setzen könnten.424 Gegen das Bestehen unmittelbarer Pflichten aus Art. 14 Abs. 2 GG sprechen somit im Wesentlichen die gleichen Argumente, die auch gegen die unmittelbare Grundrechtswirkung vorzubringen sind.425 Die Qualifikation eines Verhaltens als „sozialdienlich“ bedarf zudem der Einschätzung der politischen Entscheidungsträger. Subsumtionsfähige und justitiable Pflichten können erst aufgrund einer Vermittlung und Konkretisierung durch den Gesetzgeber bestehen.426 Zudem muss ausgeschlossen sein, dass eine vom Gesetzgeber abstrakt getroffene Regelung der Eigentümerbefugnisse und -pflichten von anderen Staatsorganen umgangen wird, was aber möglich wäre, wenn sie 419 So aber Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 90, da Art. 1 Abs. 3 GG für den gesamten Grundrechtsteil gelte; BGH LM § 903 Nr. 1 und Nr. 2; Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (301); dagegen Kübler, AcP 159 (1960), 236 (258 ff.). 420 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 300 (in Fn. 44). 421 Ebenso Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 28 (mit Fn. 75), 38. 422 V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (12); Stober, NVwZ 1982, 473 (473, 475, 477); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 67; ähnlich bereits C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 V (S. 175): „sozialer Charakter“. 423 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 206; C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 V (S. 175); vgl. auch V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (31). 424 Stober, NVwZ 1982, 473 (478). 425 Vgl. Dürig, FS Nawiasky, S. 172 f.; H. J. Müller, NJW 1981, 1254 (1255); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (494); siehe auch Kübler, AcP 159 (1960), 236 (238, 259). 426 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 206 f., 223; Böhmer, NJW 1988, 2561 (2573); P. M. Huber, Umweltschutz, S. 52; Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 38; Martens, FS Schack, S. 90; H. J. Müller, NJW 1981, 1254 (1255); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (910); Papier, NJW 1974, 1797 (1800): „unbestimmte Leerformel“; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1382); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (478); V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (32); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 141; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 298, 302 ff.; BGH LM § 903 BGB Nr. 1: die knappe Form gestatte nicht, über § 242 BGB hinausreichende Pflichten abzuleiten; ebenso BGHZ 28, 110 (112). Das Konkretisierungsbedürfnis geben auch BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 159; Gassner, NVwZ 1982, 165 (167); Stober, NVwZ 1982, 473 (473) zu; gegen die Notwendigkeit einer Konkretisierung Lücke, JZ 1999, 377 (378).

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stets auf einen (so verstandenen) allgemeinen Gemeinwohlvorbehalt zurückgreifen könnten.427 Richtigerweise drücken somit Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Art. 14 Abs. 2 GG einheitlich den Gesetzesvorbehalt aus,428 der auch bei der Normsetzung im Bereich der Eigentumsordnung gilt.429 Das Sozialpflichtigkeitsgebot ist allein für den Gesetzgeber Richtschnur und Grenze bei der Ausgestaltung des einfachrechtlichen Eigentumsinhalts.430 Rechte Dritter werden daher durch Art. 14 Abs. 2 GG nicht unmittelbar begründet; sie ergeben sich erst aus den Vorschriften, die der Gesetzgeber aufgrund dieser Richtschnur erlassen hat.431 Die Sozialpflichtigkeit entfaltet sich – wie Staatszielbestimmungen und grundrechtliche Schutzpflichten – ausschließlich über das Medium des Gesetzes.432 Für das Verhältnis der Bürger untereinander hat Art. 14 Abs. 2 GG somit über den Gesetzgebungsauftrag hinaus nur insoweit Bedeutung, als ihm ein Auslegungsaspekt für die vorhandenen Bestimmungen einschließlich der Generalklauseln entnommen werden kann.433 Im Übrigen richtet Art. 14 Abs. 2 GG an den Einzelnen lediglich einen ethischen Appell im Sinne einer Verfassungserwartung.434 Auch wenn damit die Verfassung davon ausgeht, dass das Eigentum in 427 Vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 306; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 67. 428 Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 306; Leisner, DVBl. 1983, 61 (64); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 141; P. M. Huber, Umweltschutz, S. 52; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 65 ff., 270 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 302, 306; Jauernig, JZ 1986, 605 (605). 429 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 206; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 169; C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 V (S. 174 f.); ausdrücklich a. A. Dreier/ Wieland, Art. 14 Rdnr. 91 m.w. N.: der Gesetzesvorbehalt gelte nicht bei einer Grundpflichtenstatuierung durch die Verfassung selbst; hier sei nur der Vorrang des Gesetzes zu beachten. 430 BVerfGE 89, 1 (5); vgl. auch BVerfGE 80, 137 (150); Ibler, AcP 197 (1997), 565 (569); H. J. Müller, NJW 1981, 1254 (1255); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 66 m.w. N.; bereits Anschütz, Art. 153 Anm. 16 m.w. N.; weniger deutlich BVerfGE 21, 73 (83). 431 BVerfGE 80, 137 (150 f.); Maultzsch, JbJgZivRW 2005, 57 (60 f.); ebenso wohl v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 69. 432 Isensee, FS Großfeld, S. 508; Scholz, NJW 1983, 705 (706). 433 Vgl. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 69; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 169; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 305 (Fn. 77); M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 95; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 70; ähnlich wohl Kübler, AcP 159 (1960), 236 (passim, insb. S. 271 ff.). 434 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 204, 206; ähnlich Luhmann, Rechtstheorie Beiheft 11 (1991), S. 47 zum Eigentumsbild im 18. Jhdt; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 139 f. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 409. – Vgl. allgemein Isensee, AfP 1993, 619 (629): Die Grundrechte bauen auf die Erwartung, dass die Bürger ihre Freiheit auch im Blick auf den Nächsten von sich aus verträglich und gedeihlich ausüben; ferner BVerfG NJW 2009, 908 (909); NJW 2010, 47 (48): Erwartung, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, aber keine Erzwingung der Werteloyalität.

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„moralisch guter Weise“ und „gemeinwohlverträglich“ ausgeübt wird, steht aber weder die Gewährleistung des Eigentums insgesamt noch die Ausübung der darin enthaltenen Befugnisse unter diesem Vorbehalt.435 Soweit sich die Sozialwohlverpflichtung des Staates in einer konkreten Situation für den einzelnen privaten Dritten vorteilhaft auswirkt, geschieht dies nur reflexartig.436 Zusätzliche Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse zugunsten anderer oder gar Selbsthilferechte lassen sich dagegen aus Art. 14 Abs. 2 GG nicht herleiten.437 (7) Fehlen eigentumsspezifischer Gehalte Die denkbaren Einwände gegen einen feststehenden Eigentumsinhalt erweisen sich damit als unbegründet. Als positives Argument für diese Konzeption ist nun darzulegen, dass der Eigentumsgarantie nach dem Verständnis des offenen Eigentumsbegriffs kein Gehalt verbleibt, der über allgemeine rechtsstaatliche und verfassungsrechtliche Grundsätze hinausgeht. (a) Gesetzmäßigkeitsprinzip Legt man einen offenen Eigentumsbegriff zugrunde, verbietet Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (abgesehen von der Institutsgarantie) dem Staat nur Eingriffe, die der einfachgesetzlichen Rechtslage widersprechen.438 Das Grundrecht erschöpft sich danach weitgehend in einer Absicherung des Gesetzmäßigkeitsprinzips bei Handlungen der Exekutive und Judikative mit Auswirkungen auf Eigentumspositionen, besitzt aber keinen darüber hinausgehenden materiellen Gehalt.439 Der Terminus „Eigentum“ enthielte damit lediglich eine Aussage zum gegenständlichen Geltungsbereich des Art. 14 GG, aber keine normativ-inhaltliche Vorgabe über Art und Gestalt dieser Rechte i. S. einer inhaltlichen Gewährleistung.440 Die Eigen435 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 409: Das Recht gewährleistet die Möglichkeit der Moral, aber auch der Unmoral. 436 Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (342); ders., FS Nawiasky, S. 172; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68; Scholz, NJW 1983, 705 (706); vgl. ferner H. J. Müller, NJW 1981, 1254 (1255). – Zum Begriff des Reflexes vgl. Wagner, AcP 193 (1993), 319 (331 ff.). 437 Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 12; vgl. auch Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 91 ff.; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 72. 438 Vgl. Böhmer, NJW 1988, 2561 (2563 f.); Kraft, JuS 1990, 278 (281); Rennert, VBlBW 1995, 41 (43); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 35: „in erster Linie Gesetzmäßigkeit“; ferner Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 27, 302. 439 Vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 38, 308 f.; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 75. 440 Vgl. Badura, AöR 98 (1973), 153 (154); zum Unterschied ferner Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (516 f.). – Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen der beschreibenden und der normativen Komponenten des Schutzbereichs Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (167).

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tumsgarantie wäre eine bloße Transformationsnorm der jeweils vorhandenen einfachgesetzlichen Regelungen.441 Bei einem derartigen Verständnis ist Art. 14 Abs. 1 GG überflüssig, weil der Bestimmung neben Art. 2 Abs. 1 GG, der die allgemeine Handlungsfreiheit garantiert und Eingriffe von einer gesetzlichen Grundlage abhängig macht,442 kaum eine eigene Bedeutung zukommt. Art. 14 Abs. 1 GG würde ferner aus der Reihe aller übrigen Grundrechte herausfallen, da die Bestimmung – sieht man vom Minimalschutz der Institutsgarantie ab – die einzige wäre, die entgegen Art. 1 Abs. 3 GG keinen wirklichen inhaltlichen Schutz gegenüber dem Gesetzgeber enthält.443 Die umfassende Definitionsbefugnis würde den Gesetzgeber zum Herrn der Eigentumsinhalte444 und damit zugleich zum Herrn über die Verfassung machen.445 Die Eigentumsgewährleistung bliebe auf dem Niveau der WRV stehen, in der der Gesetzgeber „selbstherrlich und an keine anderen Schranken gebunden (war) als diejenigen, die er sich selbst in der Verfassung oder in anderen Gesetzen gezogen hat“.446 Das Grundgesetz vertraut jedoch nicht mehr allein auf das Parlament als Sachwalter der Freiheiten der Bürger, wie dies in den monarchischen Systemen der Fall war,447 weil der Gesetzgeber nicht mehr zwingend ein Gegengewicht zur (einzudämmenden) Exekutive bildet. Die Gesetzgebung und das Mehrheitsprinzip bedürfen selbst der Machkontrolle, die durch die Bindung an materielle Vorgaben erfolgt, wie sie die Grundrechte enthalten.448 Einen derartigen Schutz kann Eigentum als inhaltsleerer Name oder als Maßgabegrundrecht449 jedoch nicht leisten, sondern nur ein Freiheitsprinzip, dessen Inhalt materiell aus dem in der Verfassung verwendeten Begriff abgeleitet wird.450

441 Depenheuer; Eigentumsbegriff, S. 33, 40; v. Mangoldt/Klein/ders., Art. 14 Rdnrn. 32, 35; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (41 f.): „Blankettnorm“; inhaltlich ebenso Leisner, NJW 1975, 233 (234); Mayer-Maly, FS Hübner, S. 149. 442 Ebenso feststellend Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 67. 443 Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 63. 444 Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 61; ders., BB 1992, 73 (75). 445 Treffend Depenheuer, Eigentumsbegriff, S. 37. 446 RGZ 118, 325 (327); 139, 177 (189); vgl. ferner Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 471 ff. 447 Siehe etwa Maurer, FS Dürig, S. 296 f.; Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnrn. 14 f., 37; C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 VI 3 (S. 178); differenziert Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (281 f.). 448 Vgl. zum Ganzen Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (36); Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (56 f.); ders., HdbStR § 22 Rdnr. 83; Erdmann, DVBl. 1986, 659 (660); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 287; Merten, FS Samper, S. 36 ff.; Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 28 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 394; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (458); Wahl, NVwZ 1984, 401 (401); Weinberger, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 501 (521). 449 Neben anderen so Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39. 450 Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, § 14 IV 1 (S. 172).

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(b) Effektiver Rechtsschutz Als besonderer Gehalt der Eigentumsgarantie wird oftmals bezeichnet, dass der Rechtsinhaber sich gegen Eingriffe jeder Art wehren und deren Gesetz- und Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen kann: Soweit Eigentum betroffen sei, lasse sich der Anspruch auf effektiven451 Rechtsschutz unmittelbar aus Art. 14 GG begründen.452 Dies korreliert mit der Tatsache, dass früher zahlreiche Rechtspositionen als private (Eigentums-)rechte qualifiziert wurden, weil nur sie gerichtlich – auch gegen den Monarchen – geltend gemacht und durchgesetzt werden konnten, während staatliche Hoheitsrechte jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen waren.453 Untersucht man, weshalb das BVerfG in seinen Entscheidungen die Rechtsschutzgarantie im Hinblick auf Eigentum dem Art. 14 GG zugeordnet hat, ist festzustellen, dass der Hauptgrund jeweils in der mangelnden Anwendbarkeit der „allgemeinen Rechtsschutzgarantie“ des Art. 19 Abs. 4 GG lag. So schied z. B. bei einer Legislativenteignung ein Rückgriff auf Art. 19 Abs. 4 GG aus,454 da die Bestimmung nach dem Verständnis des BVerfG nur bei administrativen und exekutivischen, nicht aber bei legislativen Maßnahmen anwendbar ist.455 Ebenso ließ sich das Gebot, Rechtsschutz durch Gewährung von Prozesskostenhilfe auch praktisch zu ermöglichen, nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG herleiten, da ein derartiges Leistungsrecht eine grundrechtliche Wertentscheidung materieller Art vo451 Zu Recht kritisch zur Betonung der „Effektivität“ in D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (passim, insb. S. 634). Die Grundrechte verlangen generell, dass die Gewährleistung nicht nur theoretisch beachtet wird, sondern auch real vorhanden ist. Ein unwirksamer Rechtsschutz ist in Wirklichkeit überhaupt kein Rechtsschutz. Daher kommt der „Effektivität“ keine über die Sollensanordnung hinausgehende Bedeutung zu. – Zu den Anforderungen an die „Effektivität“ vgl. BVerfG NZM 2006, 510 (511); Lerche, ZZP 78 (1965), 1 (16 f.). 452 Vgl. BVerfGE 24, 367 (401); 35, 348 (362); 37, 132 (141); 49, 252 (257); 51, 150 (156); 89, 340 (342); BVerfG NVwZ 1999, 1329 (1329); NVwZ 2000, 1283 (1284); MedR 2006, 54 (56); NVwZ 2009, 1158 (1161); BGH DVBl. 1979, 226 (228); BVerwG NVwZ 2004, 1507 (1508); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 995; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 82; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 37; H. J. Müller, NJW 1981, 1254 (1254); M. Vollkommer, RPfleger 1982, 1 (3 f., 6); ders., GS Bruns, S. 195 (205 f.). Vgl. zur neueren Formulierung „eng verzahnt“ unten Fn. 479. 453 Vgl. Bullinger, FS Rittner, S. 71, 72; Schröder, FS Gernhuber, S. 961; etwa in RGZ 80, 19 (25 ff.). Dementsprechend geht heute die Tendenz dahin, solche Rechtsverhältnisse als öffentlich-rechtlich anzusehen, vgl. Bullinger, FS Rittner, S. 80. 454 BVerfGE 24, 367 (401 f.); in dieser Entscheidung findet sich die o. g. Aussage erstmals. – BVerfGE 35, 348 (361) (ähnlich Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 20) zieht Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG als umfassendes Rechtsschutzgebot heran: Dagegen setzt BVerfG NVwZ 2009, 1158 (1161) das Rechtsschutzgebot aus Art. 14 mit dem des Art. 19 Abs. 4 GG gleich, soweit es um Beeinträchtigungen durch die öffentliche Gewalt geht. 455 BVerfGE 24, 33 (49 ff.); 45, 297 (334); 107, 395 (404 ff.); Hömig/Antoni, Art. 19 Rdnr. 14; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1100 m.w. N. auch zur Gegenansicht; für diese etwa Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 93 m.w. N.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

raussetzt,456 die diesem nur formellen Grundrecht nicht entnommen werden kann.457 Da Art. 19 Abs. 4 GG nach dem Verständnis des BVerfG nur die Kontrolle staatlicher Akte im Bereich des öffentlichen Rechts garantiert,458 konnte diese Bestimmung auch nicht bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen privatrechtlicher Pflichten herangezogen werden. Hier bedurfte es ebenfalls eines materiellen Grundrechts als Basis, über dessen Ausstrahlungswirkung die Pflicht abgeleitet werden konnte, nicht nur willkürfrei zu entscheiden, sondern auch das Verfahren so zu führen, dass die Belange des Vollstreckungsschuldners gewahrt werden und damit der Eigentumsgarantie zu tatsächlicher Wirksamkeit verholfen wird.459 In den genannten Konstellationen wird der Staat durch rechtsprechende Organe der Zivilgerichtsbarkeit tätig, so dass bei den Wirkmechanismen der Grundrechte zu differenzieren ist: Die Eigentumsgarantie wirkt zum einen als Abwehrrecht („negatives Recht“), das aufgibt, Beschränkungen der Freiheit zu unterlassen; im Hinblick auf die Bürger-Bürger-Beziehung besteht zum anderen ein Schutz-/Leistungsanspruch („positives Recht“), Ansprüche des Eigentümers gegen andere (die wiederum „negativer“ Art sind, weil sie dem anderen ein Unterlassen auferlegen) zu schaffen und durchzusetzen.460 Hierzu ist zunächst ein normsetzendes Tätigwerden der Legislative erforderlich, weil stets Dritte betroffen sind und die verfassungsrechtlichen Vorgaben, die Abwehr- und die Schutzinteressen zu berücksichtigen, einer situationsorientierten 456 BVerfGE 35, 348 (362) zum Armenrecht nach § 114 Abs. 4 ZPO a. F.; vgl. auch BVerfGE 37, 132 (148); 52, 214 (219 f.). – Heute begründet das BVerfG die Notwendigkeit der Prozesskostenhilfe aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. dem Rechtsstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG, die eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebieten, BVerfGE 81, 347 (356) m.w. N.; BVerfG NJW 1994, 241 (242). 457 Vgl. Hömig/Antoni, Art. 19 Rdnrn. 1, 12; D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (635 f., m. Fn. 70); BVerfGE 83, 182 (194 f.); BVerfG NVwZ 1992, 972 (973). 458 So beispielsweise BVerfGE 49, 252 (257); 83, 182 (194); 88, 118 (123); vgl. D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (630 f.); Detterbeck, AcP 192 (1992), S. 325 (329); Dörr, Jura 2004, 334 (335 ff.); M. Vollkommer, GS Bruns, S. 195 (204). – Entscheidungen eines Gerichts gehören zu diesen, wenn das Gericht nicht als streitendscheidendes (Rechtsprechungs-)organ, sondern in verwaltender Funktion gehandelt hat. Nur für den ersten Fall gilt der Satz, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht Rechtschutz vor dem Richter gewährt und keinen Instanzenzug eröffnet (siehe nur Hömig/Antoni, Art. 19 Rdnr. 17). Gegen Justizverwaltungsakte muss daher, wie in § 23 EGGVG vorgesehen, eine Überprüfung durch einen persönlich und sachlich neutralen Spruchkörper eröffnet sein. 459 Vgl. BVerfGE 46, 325 (334); 49, 220 (225); 49, 252 (257); 51, 150 (156), jeweils betreffend Zwangs- und Teilungsversteigerungen; BVerfG NVwZ 2000, 1283 (1284) zur Beiladung der Grundstückseigentümer im Normenkontrollverfahren um Bebauungspläne; zum Ganzen ferner v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 94. – Wie M. Vollkommer, RPfleger 1982, 1 (6) ausführt, war in den o. g. Fällen auch eine Überprüfung anhand des prozessualen Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht möglich. 460 Vgl. BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 74; zur verwendeten Terminologie ferner Koller, Theorie des Rechts, S. 101 f.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Konkretisierung bedürfen.461 Da der mit „Eigentum“ bezeichnete Bereich sowohl staatsfrei als auch allen anderen Bürgern unzugänglich sein soll,462 ist die Pflicht zur Schaffung einer einfachrechtlichen Privatrechtsordnung – die überdies durch die Formulierung gewährleistet in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zum Ausdruck kommt463 – dem Art. 14 GG charakterimmanent. Der Staat muss somit eine Privatrechtsordnung bereitstellen, die dem Eigentümer Ansprüche gegen Einwirkungen durch andere Private einräumt.464 Dies geschieht vor allem durch die Rechtsverwirklichungs- und Abwehransprüche aus dem Eigentum (§ 985, § 1004 BGB),465 ergänzend durch die Ersatzansprüche, die einen Ausgleich für erfolgte Verletzungen bewirken und teils zugleich Präventivwirkungen entfalten (§§ 987 ff.; § 823 Abs. 1 u. 2; § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; § 906 Abs. 2 S. 2; § 951 BGB).466 Zur Durchsetzung dieser Ansprüche gegenüber anderen ist der Eigentümer auf die staatlichen Gerichte und Vollstreckungsorgane angewiesen, da einerseits eine Privatrechtsordnung ohne eine zwangsweise Verwirklichung nicht bestehen kann und andererseits das staatliche Gewaltmonopol dem Bürger die Selbsthilfe verwehrt.467 Erst Zivilrecht und Zivilprozessrecht zusammen können Frieden und 461 Vgl. de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (397); Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 136; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 362. 462 Formulierung nach F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (465); inhaltlich ebenso Gast, JuS 1985, 611 (612); Larenz, FG Sontis, S. 139. 463 Für diese Deutung Berg, JuS 2005, 961 (962); Enders, AöR 115 (1990), 610 (621); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 4; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (397); siehe ferner Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 (496, 497). 464 Berg, JuS 2005, 961 (962); Classen, JZ 2003, 693 (694); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 96; Enders, AöR 115 (1990), 610 (621); Engel, AöR 118 (1993), 169 (182); Isensee, FS Großfeld, S. 497; ders., HdbStR § 111 Rdnr. 85; Kempen, DZWir 1994, 499 (502); Kraft, BayVBl. 1992, 456 (461); Krause, JZ 1984, 713 (714); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 4; Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (208); ders., Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 108 ff.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 11; Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (514 ff., 520 f.); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 29; Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1237); MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnrn. 64 ff.; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 176; oft nach BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 50, 290 (339). Vgl. auch BVerfGE 35, 263 (276 f.). – Fehlen derartige wirksame Ansprüche, liegt überhaupt kein Recht vor, vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, Einleitung in die Rechtslehre § D, § E; Hruschka, ZStW 115 (2003), 201 (203). 465 Vgl. Canaris, FS Deutsch, S. 100 f. m.w. N.; Classen, JZ 2003, 693 (694); Schapp, JZ 1998, 913 (914 f.); Wolf, NJW 1987, 2647 (2648). 466 Statt vieler Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (208); MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnr. 63. Bei diesen Ansprüchen gelten allerdings gewisse Einschränkungen wegen der kollidierenden Interessen anderer, vgl. unten Teil 3 A.II.3.b). 467 Vgl. Isensee, FS Sendler, S. 48; ders., HdbStR § 111 Rdnr. 139; Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (31); D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (626, 642); Merten, FS Samper, S. 45, 48; Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (283); Starck, FS Carstens, Bd. 2, S. 877 f.; Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 48; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 38 f.; ferner Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (321); Hobbes, De Cive, 6. Kapitel 1., 3; BVerfGE 54, 277 (292); 81, 347 (356); 85, 337 (347); BGHZ 20, 169 (171); 32, 240 (244); sowie S. 605.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Freiheit der Bürger sichern.468 Das der Eigentumsgarantie innewohnende Pflichtenprogramm beinhaltet damit notwendigerweise auch, die Einrichtungen zur Durchsetzung der Ansprüche zu schaffen.469 Die Organe, die mit der Anwendung des Zivilrechts betraut werden, müssen dabei die Impulse, die sich aus der Verfassung ergeben, beachten; die Gerichte haben daher neben der negativen Verpflichtung, Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche zu unterlassen, auch die positive Verpflichtung, die Grundrechte durch eine entsprechende Rechtsauslegung und -anwendung durchzusetzen.470 Abwehrrecht und Schutzpflicht sind somit kaum zu trennen.471 Bei der Pflicht, einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten, handelt es sich somit nur um eine allgemeine Erscheinung, nämlich die der Grundrechtsverwirklichung und -durchsetzung gegenüber dem Staat oder unter Privaten mittels staatlicher Verfahren und Einrichtungen. Sie erweist sich – je nach Betrachtungswinkel – als Ausprägung der grundrechtlichen Schutzpflichten472 und der objektiven Grundrechtsgehalte.473 Der gerichtlichen Durchsetzung berechtigter

468 Vgl. Starck, FS Carstens, Bd. 2, S. 871; Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (283, 285); Detterbeck, AcP 192 (1992), S. 325 (327); allgemein zur „Friedensfunktion des Rechts“ Koller, Theorie des Rechts, S. 56, 58. Bereits Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 208, unterscheidet das Eigentum an sich vom Eigentum in seiner geltenden Wirklichkeit, als Schutz des Eigentums durch die Rechtspflege (Hervorhebungen im Original). 469 Vgl. Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 54: Der Rechtsstaat kann nicht Ansprüche anerkennen und gleichzeitig die Mittel zur Durchsetzung vorenthalten; ferner Isensee, HdbStR § 111 Rdnrn. 166 f.; M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648). 470 Vgl. BVerfGE 49, 252 (257); BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 147; Kempen, DZWir 1994, 499 (502); Steinberg, NJW 1984, 457 (459); de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (397). – Siehe ferner BGHZ 141, 173 (177); 153, 165 (170 f.); 163, 66 (73); BGH NJW 2004, 2096 (2098); JZ 2005, 524 (525): Der Befriedigungsanspruch des privaten Gläubigers ist selbst durch Art. 14 Abs. 1 GG garantiert; Art. 14 Abs. 1 S. 1 schützt das Recht der klagenden Partei auf Durchsetzung ihres Anspruchs. 471 Vgl. de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (391 ff., insb. 397 mit Fn. 80); Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 4; Schapp, JZ 1998, 913 (918); Steinberg, NJW 1984, 457 (459); ferner Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 362 (analysierend S. 282); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 41. – Der genannte Zusammenhang ist auch der Grund, weshalb (wie Sachs, JuS 2006, 1026 (1027 ff.) eher kritisch feststellt) in BVerfGE 114, 1 ff.; 114, 73 ff. beide Perspektiven abwechselnd auftauchen. 472 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 96 f.; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 176, 180. Siehe weiter BVerfGE 114, 1 (42, 53, 56); 114, 73 (90); BVerfG NJW 2006, 1783 (1784) sowie BVerfG NJW 1998, 3264 (3265 f.); BGH NJW 2005, 742 (746), die eine Möglichkeit einer Verpflichtung des Gesetzgebers, privatrechtliche Ansprüche gegen Dritte zu schaffen, voraussetzen und bejahen (dort im Bezug auf Ersatzansprüche). – Schutzpflichten aus Art. 14 GG ablehnend dagegen Heidenreich/Tausch, NuR 1992, 210 (215). 473 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 277; auch BVerwGE 94, 100 (114 f.) und deutlich BVerfGE 114, 1 (37, 56); 114, 73 (89).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Ansprüche und der Abwehr unberechtigter Ansprüche anderer kommt beim Eigentum lediglich eine größere und entscheidendere Bedeutung als bei anderen Grundrechten zu, da das Eigentum gerade darauf angelegt ist, Befugnisse unter Privaten zu begründen. Auch wenn die Gewähr effektiver Mittel zur Verteidigung und Durchsetzung des Rechts beim Eigentum somit essentiell ist, ist sie gleichwohl nur die prozessuale Ergänzung des Anspruchs auf Schaffung ausreichender materieller Abwehr- und Ersatzansprüche.474 Ein qualitativer Unterschied zu anderen Grundrechten ist somit nicht zu erkennen, da auch der allgemeine Vermögensschutz sowie der Meinungsfreiheit und Ehrschutz den Staat verpflichten, Abwehrbefugnisse zu statuieren und zu ihrer wirksamen Verteidigung und Durchsetzung gerichtliche Verfahren zu eröffnen.475 Zutreffend wird daher in zivilrechtlichen Streitigkeiten, die nicht Eigentum i. S. v. Art. 14 GG betreffen, der Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und faires Verfahren auf den sog. Justizgewährungsanspruch gestützt,476 der wiederum aus dem jeweiligen Grundrecht, dem Rechtsstaatsprinzip und den Funktionsbestimmungen für die Rechtsprechung in Art. 97 ff. GG abgeleitet wird.477 Auf diesen Ansatz ist daher auch zurückzugreifen, wenn „Eigentum“ berührt ist.478 In der Rechtsschutzgewähr liegt somit kein Spezifikum des Eigentumsgrundrechts, sondern eine Erscheinung der allgemeinen staatlichen Schutzpflicht und des Rechtsstaatsgebotes. Die Formulierung, der aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz sei im Zivilprozess mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG „eng verzahnt“,479 474 Vgl. D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (628); Hoppe, DVBl. 1993, 221 (225); Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 136. 475 So zutreffend Canaris, AcP 184 (1984), 201 (229), unter Bezug auf BVerfGE 25, 256 (268); zum Zusammenhand zwischen materiellem Recht du prozessualen Anforderungen auch BVerfGE 79, 80 (84 ff.). 476 BVerfGE 52, 203 (206 f.); 52, 214 (219 ff.); 54, 277 (292); 78, 123 (126); 85, 337 (345); 88, 118 (123 f., 128); 93, 99 (107, 113; ebenfalls das SV Kühling S. 117); BVerfGE 107, 395 (401 ff., 411); BVerfG NJW-RR 2000, 946 (946); NJW 1993, 2165 (2165). 477 BVerfGE 54, 277 (292); BVerfG NJW 1993, 2165 (2165); Detterbeck, AcP 192 (1992), S. 325 (328 ff.); Dörr, Jura 2004, 334 (335); Sachs/Degenhart, Art. 101 Rdnr. 2; HdBStR/Papier, § 153 Rdnrn. 7 f.; M. Vollkommer, GS Bruns, S. 195 (197 f.); Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 169 ff.; sowie die Nachweise in der vorigen Fn. – Für das Strafverfahren wird die Rechtsschutzgarantie aus Art. 103 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG (also ebenfalls dem thematisch einschlägigen materiellen Grundrecht) entnommen, vgl. BVerfGE 57, 250 (274 f.) m.w. N.; in der Sache ebenso für das Vergaberecht BVerfG DÖV 2007, 251 (252). Zusammenfassend, aber kritisch, D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (624 f., 648 m. Fn. 148). 478 So bereits BVerfGE 46, 325 (334 f.); 49, 220 (225); zustimmend Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 13 III 8. 479 BVerfGE 79, 80 (84); 89, 340 (342); BVerfG NJW 1992, 2411 (2412); NJW 2003, 3759 (3759); NJW-RR 2003, 1164 (1164); NZM 2006, 459. Siehe ferner BVerfG NJW-RR 2008, 26 (29), wo Art. 14 GG insoweit nicht erwähnt wird.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

gibt damit das Verhältnis zutreffender wieder als die Einordnung der Gewähr effektiven Rechtsschutzes ausschließlich bei Art. 14 GG. (c) Vertrauensschutz/Rückwirkungsverbot Besonderheit des Eigentumsgrundrechts soll weiter sein, dass in ihm der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes eine eigenständige Ausprägung erfahre.480 Art. 14 Abs. 1 GG gewährleiste Rechtssicherheit im Hinblick auf rechtmäßig begründete Rechtspositionen481 und schütze das Vertrauen in das gesetzlich ausgeformte Eigentum.482 Diese Gewährleistung gehe über die allgemeinen rechtsstaatlichen Gebote des Vertrauensschutzes insoweit hinaus, als sie für Eingriffe in geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe verlange und hierdurch der Gesetzgebung und der Rechtsprechung konkretere und deutlich konturiertere Maßstäbe aufgebe.483 Für das Eigentum ist charakteristisch, dass ein in der Vergangenheit liegender Tatbestand (der Erwerb des Rechts) Ausgangspunkt für jetzt und künftig bestehende Befugnisse ist. Mit Veränderungen des Eigentumsinhalts geht daher nahezu stets eine „unechte Rückwirkung“ oder „tatbestandliche Rückanknüpfung“ einher. Eine solche ist zulässig, wenn das vom Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgte Allgemeinwohlziel die Individualinteressen überwiegt.484 Im vorliegenden Kontext ist dabei besonders zu berücksichtigen, dass das Vertrauen, die im Eigentum enthaltenen Befugnisse dauerhaft nutzen zu können, die Basis für die Bereitschaft des Einzelnen bildet, umfangreiche und riskante Investitionen zu tätigen.485 Die legitime Erwartung in den Fortbestand der Befugnisse verlangt daher eine besondere Beachtung und führt im Ergebnis zu einem vergleichsweise stärkeren Rückwirkungsschutz.486 Der Vertrauensschutz ist deshalb integraler Bestandteil der Eigentumsgarantie. 487 480 BVerfGE 36, 281 (293); 45, 142 (168); 58, 81 (120); 70, 101 (114); 75, 78 (105); 95, 64 (82, 86); 101, 249 (257); BGHZ 78, 41 (45); 133, 265 (268); Leisner, HdbStR § 149 Rdnrn. 94 ff.; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 233 ff.; Maurer, FS Dürig, HdbStR § 60 Rdnrn. 45 ff. Ferner zum Vertrauensschutz unten B.III.2.b)dd)(4). 481 BVerfGE 31, 275 (293); 36, 281 (293); 45, 142 (167 f.); unten b). 482 BVerfGE 36, 281 (293); 75, 78 (105); BVerfG VIZ 2002, 621 (621); siehe auch BGHZ 155, 27 (36). 483 BVerfGE 31, 275 (293); 53, 297 (294); 58, 81 (121); BVerfG VIZ 2002, 621 (621); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 64. – So verbiete der allgemeine Vertrauensschutz nur, den rechtsunterworfenen Bürger durch die rückwirkende Beseitigung wohlerworbener Rechte über die Verlässlichkeit des Gesetzes zu täuschen (vgl. BVerfGE 24, 75 (98); 45, 142 (167); 105, 17 (37, 40)), schütze aber nicht die Erwartung, die geltende Rechtslage werde fortbestehen (vgl. BVerfGE 38, 61 (83); 68, 193 (222); 105, 17 (40); siehe auch BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 144). 484 BVerfGE 59, 128 (164); 63, 152 (175); 88, 386 (404). 485 Schmidt-Preuß, AG 1996, 1 (6). 486 Leisner, HdbStR § 149 Rdnrn. 96 f.; auch v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 234 f. – Hierbei gilt die allgemeine Regel, dass die gänzliche Aufhebung des

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Der Vertrauensschutz ergibt sich nach dem Verständnis des BVerfG bei der „tatbestandlichen Rückanknüpfung“ vorrangig aus dem jeweiligen Grundrecht,488 während das Verbot der „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ („echte Rückwirkung“) primär aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird.489 Indes ist in beiden Fällen eine enge Verbindung zwischen Vertrauensschutz und Rechtsstaatsprinzip unverkennbar.490 Vertrauensschutz ist somit kein Spezifikum des Eigentumsschutzes, sondern nur eine allgemeine – wenngleich bereichsabhängig unterschiedlich bedeutsame und ausgeprägte – verfassungsrechtliche Anforderung an staatliches Handeln, insbesondere an Gesetze.491 Da das Eigentum mehr als andere Grundrechte zugleich vergangenheitsbezogen und zukunftsgerichtet ist, wird das Problem hier lediglich besonders oft und besonders deutlich relevant, da – wie gezeigt – nahezu jede Änderung der Eigentumsordnung auf vorhandene Positionen und schutzwürdiges Vertrauen trifft.492 „Bestandsschutz des Eigentums“ und „Vertrauensschutz“ decken sich somit; der Schutz gegen Beschränkungen bisher ausübbarer Befugnisse ist bei Positionen i. S. v. Art. 14 GG allerdings wesentlich bedeutsamer und besitzt daher in der Abwägung ein besonders großes Gewicht. Der Bestandsschutz ist damit richtigerweise nicht bei Art. 14 GG, sondern – wie allgemein – bei Art. 20 Abs. 1 GG anzusiedeln.493 Im Gegenschluss bedeutet dies wiederum, dass im Bestandsschutz kein spezifischer Gehalt der Eigentumsgarantie liegen kann.494 Zuordnungsverhältnisses (BVerfGE 70, 191) eher ausgleichspflichtig bzw. einer Übergangsregelung bedürftig ist als lediglich die Beseitigung einzelner Handlungsbefugnisse (Kube, Jura 1999, 465 (471)). 487 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 233; Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 4. 488 Vgl. BVerfGE 72, 200 (245); 72, 302 (320); 95, 64 (86); 97, 67 (79); 101, 249 (257); ferner Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (36). Dagegen sprechen BVerfGE 31, 61 (83); 43, 291 (391); 59, 128 (152, 164); 63, 152 (175); 68, 193 (221 f.); 88, 384 (406) auch hier das Rechtsstaatsprinzip an. 489 Vgl. BVerfGE 45, 142 (167 f.); 72, 302 (320); 88, 384 (403); 95, 64 (86 f.); 97, 67 (79); 126, 369 (391 ff.); ferner BFH, DStR 2006, 1686 (1689). 490 Eingehende Analyse bei Maurer, HdbStR § 60 Rdnr. 45; kürzer ders., S. 308; vgl. ferner BVerfGE 105, 17 (36 ff.); 126, 369 (394); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnrn. 282 ff. 491 Den Zusammenhang bzw. Identität zwischen Eigentumsbestandsschutz, Vertrauensschutz und unechter Rückwirkung erkennen auch J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 15; Jung, JZ 2001, 1004 (1013); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 327; Rennert, VBlBW 1995, 41 (45); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 263, 266; Zöllner/Noack, AG 1991, 157 (163); vgl. ferner Burgi, NVwZ 1994, 527 (528). 492 Maurer, HdbStR § 60 Rdnr. 49; vgl. auch Kraft, BayVBl. 1991, 97 (101). 493 Vgl. auch Maurer, HdbStR § 60 Rdnr. 50: Je mehr Selbstand und materielle Gehalte man der Eigentumsgarantie zuschreibt, desto stärker tritt der Aspekt des Vertrauensschutzes als allgemeine Regelungsschranke in den Hintergrund; sein Stellenwert steigt mangels sonstiger Vorgaben, wenn man von einem geschaffenen Eigentum ausgeht. Zur Rückwirkungsproblematik vgl. auch unten B.III.2.b)dd)(4).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

(d) Entschädigungsgebot Die Eigentumsgarantie kann schließlich nicht mit der Vorgabe gleichgesetzt werden, eine Entschädigung vorzusehen, wenn staatliche Regelungen, die Befugnisse einschränken, zu übermäßigen oder ungleichen Belastungen führen.495 (aa) Inhalt des Entschädigungsgebots bei Art. 14 GG und anderen Grundrechten Ein Anspruch auf Ausgleich der finanziellen Folgen, die mit Eingriffen in eine grundrechtlich geschützte Freiheit einhergehen, ist auch anerkannt, wenn andere Grundrechte betroffen sind.496 Untersucht wird jeweils zunächst, ob der eingreifenden Regelung mit dem einschlägigen Grundrecht (unter Ausblendung der Entschädigung) vereinbar ist, und anschließend, ob der Betroffene (stets oder in einzelnen Härtefällen) ein Entschädigung erhalten muss, weil er für Aufgaben in Anspruch genommen wurde, die im öffentlichen Interesse liegen. Die Entschädigungspflicht wurde jeweils aus dem betroffenen Grundrecht „in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG“ abgeleitet, die einen Geldausgleich gebieten, wenn eine nach typischen Merkmalen abgrenzbare Gruppe einen ungleich fühlbarere wirtschaftliche Belastung erfahre.497 Die gleiche zweistufige Prüfung findet sich in der „Pflichtexemplar“-Entscheidung, in der die „ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung“ entwickelt wurde.498 Auch sie nennt als Grund der Entschädigungspflicht ausdrücklich den Gleichheitssatz, der gebietet, ungleiche Auswirkungen einer an sich gleichmäßigen Regelung zu berücksichtigen.499 Als allgemeine Regel lässt sich daher formulieren, dass die Auferlegung von Pflichten, die für den Einzelnen über die allgemeinen, unentgeltlich zu leistenden staatsbürgerlichen Pflichten hinausgehen, als Sonderlast ausgleichsbedürftig ist.500 Die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme Privater bedeutet noch nicht, dass 494

So zutreffend J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 51. Nach den „materiellen Abgrenzungstheorien“ [vgl. unten Teil 2 B.III.2.b)aa)], beschränkt sich die Prüfung des Art. 14 GG nahezu vollständig auf die Untersuchung, ob eine entschädigungslose Eigentumsbeschränkung mit Gleichheitssatz und Übermaßverbot vereinbar ist, vgl. Osterloh, DVBl. 1991, 906 (910). 496 Siehe etwa – je aus dem Bereich des Art. 12 GG – BVerfGE 30, 292 ff.: Mineralölbevorratung; BVerfGE 54, 251 ff.: Übernahme einer Vormundschaft; ferner BVerfGE 22, 380 (386); 44, 103 (104). – Ausführlich zum Ganzen Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2541 f.); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 132 f. 497 Vgl. jeweils BVerfGE 30, 292 (332 f.); 49, 280 (284); 54, 251 (269); 68, 237 (255). 498 BVerfGE 58, 137 (148 f. bzw. 149 ff.); ebenso bereits vor Veröffentlichung dieser Entscheidung Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2543). 499 BVerfGE 58, 137 (150); kritisch zur Verankerung beim Gleichheitssatz Kischel, JZ 2003, 604 (611 ff.). 500 Nach Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2541). 495

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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sie entschädigungslos erfolgen darf;501 der Bürger muss die finanziellen Folgen an sich gerechtfertigter Beschränkungen vielmehr dann – aber auch: nur dann – hinnehmen, wenn sie sich im Rahmen des Üblichen, Sozialadäquaten und Verhältnismäßigen halten.502 Selbst bei einer an sich verfassungsmäßigen (d.h. im Hinblick auf die primären Substanzgarantie zumutbaren) Schrankenbestimmung ist daher in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der mit der Befugnisreduzierung verbundene Vermögensnachteil für den Einzelnen – insbesondere wegen seiner Intensität – auszugleichen ist.503 (bb) Entschädigung als Mittel zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit Eine weitergehende Funktion und Wirkung kommt der Entschädigung bei Schrankenbestimmungen zu, die – anders als die bisher behandelten Fälle – aus sich heraus noch nicht verhältnismäßig sind, weil der Entzug der Befugnisse die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet. Die Entscheidung, ob der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit überhaupt stattfinden darf, ist – wie gezeigt – logisch vorrangig und unabhängig davon zu beantworten, ob eine Entschädigungspflicht besteht.504 Ein finanzieller Ausgleich kann gleichwohl die Gesamtintensität der Regelung (d.h. die nachteiligen Wirkungen auf die Freiheit selbst und für die monetären Auswirkungen) abmildern und vermag auf diese Weise – 501 Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2542); ebenso i. E. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 348 ff.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 201 (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt her). vgl. ferner BGHZ 60, 126 (138); Burmeister, FS Leisner, S. 676. 502 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 332; Breuer, FS Bartlsperger, S. 31. – Unberechtigt ist daher der Vorwurf, hierdurch werde die Ausgleichsbedürftigkeit zum Regelfall, obwohl Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu Eigentumsregelungen ermächtigt, ohne ein allgemeines Entschädigungsgebot aufzustellen, und der gesetzgeberische Raum für Veränderungen verengt, weil eingreifende Maßnahme ohne Ausgleichsregelung kaum erforderlich sein können (vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 347 f.; ders., DVBl. 2000, 1398 (1402); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 145; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 135; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 310 ff., 314 f.; C. Schmitt, JW 1929, 495 (495)). Die Verfassung gebietet nur solche Belastungen auszugleichen, deren Ausmaß für den einzelnen Eigentümer nicht mehr mit seiner gesteigerten Nähe zu seiner Sache und der Verwirklichung des Allgemeinwohlziels begründet werden kann. In solchen Fällen lässt sich die Legitimität einer Entschädigung aber kaum verneinen (was sich daran zeigt, dass auch die Kritiker sich in diesen Fällen für eine Entschädigung aussprechen, vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 350; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 326 ff., insb. S. 332). 503 Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2543); ausführlich dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, passim, insb. S. 99 ff., 237 ff. (unter Hinweis auf BVerfGE 14, 263 (283) und 31, 229 (242 f.)), S. 248, 255, 261; kurz auch dies., JuS 1994, 532 (532). 504 Dies beruht darauf, dass auch beim Eigentum primär der freiheitssichernde und vorrangige Gehalt des Grundrechts auf Sachnutzung des konkreten Gegenstands zu beachten ist [vgl. oben B.II.1.b)]. – Vgl. ferner BVerwGE 84, 361 (368); 100, 226 (244); BGHZ 121, 328 (337); 133, 265 (267); Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1240).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

innerhalb eines gewissen engen Grenzbereichs – die Verfassungsmäßigkeit von Eingriffen in bestimmte Grundrechte (wieder-)herzustellen.505 Eine derartige Abmilderung von Eingriffswirkungen durch finanziellen Ausgleich ist keinesfalls uneingeschränkt möglich. Sie begegnet jedoch bei den Grundrechten, die bereits ihrem Schutzgehalt nach einen Bezug zum Vermögen aufweisen – neben dem Eigentum zählt hierzu die Berufsfreiheit506 und die allgemeine Handlungsfreiheit, soweit sie als wirtschaftliche Betätigungsfreiheit wirkt – keinen grundlegenden Bedenken. Beim Eigentum usw. stehen nämlich wegen des Vermögensbezugs und der insoweit dienenden Funktion dieser Garantie (die sowohl in der Verfügungs- als auch in der Nutzungsbefugnis erkennbar sind) die Auswirkungen auf das Vermögen des Betroffenen (d.h. neben der Beschränkung der Freiheit als solcher und der ideellen Aspekte) bereits auf der primären Ebene „mit“ im Blick, so dass sie in gewissem Umfang bereits an dieser Stelle in die Abwägung einfließen. Eine Kompensation verringert damit insoweit die Eingriffsintensität.507 Bei anderen, eher „persönlichen“ Grundrechten (wie etwa der Meinungsfreiheit und Gewissensfreiheit) wäre eine derartige Verkopplung von Eingriff und finanzieller Entschädigung dagegen äußerst problematisch: Diese Rechte sind nach dem Bild des Grundgesetzes Ausdruck der geistigen Autonomie des Menschen508 und lassen sich daher gerade nicht kommerzialisieren; ihr Schutz dient (anders als das Eigentum) weder unmittelbar noch mittelbar den materiellen Bedürfnissen des Grundrechtsträgers. Ausdruck der grundsätzlichen Abneigung dagegen, sämtliche individuelle Freiheiten und auch ideelle Rechtsgüter mit Geld erkaufen und ersetzen lassen, ist nicht zuletzt § 253 BGB.509 505 Vgl. Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2542); dies., DVBl. 1991, 906 (908); P. M. Huber, Umweltschutz, S. 52; Kischel, JZ 2003, 604 (604 f.); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 187; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1383); ferner Kühling, SV in BVerfGE 93, 99 (117) unter Verweis auf BVerfGE 58, 137 (147 ff.). 506 Im Bereich des Art. 12 GG hat die Freiheit, eine Erwerbsquelle zu suchen, einen deutlichen Vermögensbezug und ist daher eine Geldkompensation zugänglich). Für das individualfreiheitssichernde Verbot der Zwangsarbeit oder der Verpflichtung zur Aufnahme eines bestimmten Berufes gilt dies nicht. – Vgl. ferner BVerfG DÖV 2007, 251 (252 f.) zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, im Vergabrecht Primär- und Sekundärschutz zu eröffnen (dazu Siegel, DÖV 2007, 237 (240, 241)). 507 Vgl. etwa (ohne auf diese Zweistufigkeit einzugehen) BGHZ 163, 66 (76); Walker, JZ 2005, 1114 (1114 f.): Bei der nach § 765 a ZPO vorzunehmenden Abwägung kommt es für die Zulässigkeit eines Aufschubs der Wohnungsräumung auch darauf an, ob der Schuldner ein Entgelt zahlt. 508 Vgl. A. Blomeyer, JZ 1954, 309 (310) m.w. N., der der Wechsel des Bekenntnisses gegen Entgelt als sittenwidrig einstuft; ähnlich BVerfGE 12, 1 (4 f.). 509 Stürner, AfP 1998, 1 (6, 8) m.w. N.; gegen eine zunehmende Monetarisierung sämtlicher Interessen auch Leisner, NJW 1997, 636 (636, 638). – Anderes mag im Bereich des Staatshaftungsrechts gelten. Dort kann bei gewichtigen Verletzungen von Grundrechten jeder Art (einschl. der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG) eine Geldentschädigung zu gewähren sein (vgl. W. Schmidt, NJW 1999, 2847 (2850); Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1236 ff.); einschränkend BGHZ 161, 33 (36 ff.) BVerfG NJW 2006, 1580 (1581); 1 BvR 2853/08, Tz. 21). Die Diskussion, ob und unter welchen Voraus-

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Beim Eigentum erkennt demgegenüber die Verfassung selbst in Art. 14 Abs. 3 GG grundsätzlich die Möglichkeit einer Kompensation des Rechtsverlusts mit Vermögensvorteilen an. Wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Substanzgarantie kann trotz des beschriebenen Vermögensbezugs auch bei Art. 14 GG eine Entschädigung einen Eingriff nur dann rechtmäßig machen, wenn diese Interessen des Grundrechtsträgers die Gegenbelange nicht wesentlich überwiegen. Hierbei ist jedoch jeweils konkret zu prüfen, welche schutzwürdigen Belange auf Seiten des Eigentümers in die Abwägung einzustellen sind. Konsequenz ist, dass Einschränkungen der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis eher möglich sind und durch Geldausgleich zulässig gemacht werden können, wenn sich der Eigentümer ohnehin zuvor für eine Nutzung des Sachwerts – und nicht der Sache selbst – entschieden hat. In diesem Fall sind sachliche Gründe (insbesondere der Aspekt, dass dem Eigentümer die Nutzung seiner konkreten Sache erhalten bleiben soll) gegen eine Kompensation durch den Staat nicht vorhanden, weil er auch bei ungestörter Fortsetzung seiner Nutzung nur Geld erhalten würde.510 (cc) Ursprung des Gebots einer Entschädigung für Sonderlasten in Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsprinzip – Folgerung Das Erfordernis, übermäßige Vermögensnachteile durch Eigentumsbeschränkungen auszugleichen, erweist sich damit als Ausdruck des allgemein gültigen Satzes, dass Opfer, die zum Nutzen der Allgemeinheit erbracht werden, nicht dem Einzelnen sondern der Allgemeinheit zur Last fallen sollen.511 Grundlage der Entschädigungsansprüche ist damit richtigerweise der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Übermaßverbot/Verhältnismäßigkeitsprinzip.512 Sie lassen aus dem Abwehrrecht, das Art. 14 GG primär darstellt, insofern ein Leistungsrecht entstehen.513 setzungen dies erfolgen soll, zeigt jedoch gerade, dass nach unseren Vorstellungen nicht ohne Weiteres möglich ist, Einbußen an anderen Rechtsgütern in Geld auszugleichen. Grund der Auferlegung von Zahlungspflichten als Folge von Rechts(guts)verletzungen im Bereich der staatlichen Ersatzleistungen sind zum einen präventive Gründe (vgl. Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235, passim, insbes. S. 1238, 1240), zum anderen, dass ein befriedigender Ausgleich auf andere Weise praktisch nicht denkbar ist (vgl. BGHZ 161, 33 (37); dies billigend BVerfG NJW 2006, 1580 (1581)). Unzulässig ist jedenfalls der Erst-recht-Schluss, Verletzungen dieser Grundrechte müssten ausgeglichen werden, weil dies beim Eigentum auch der Fall ist (vgl. Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1239)). 510 Im Ergebnis ändert sich nur, dass der Eigentümer das Entgelt nicht von seinem Vertragspartner, sondern dem Staat erhält. 511 RGZ 113, 301 (306); 167, 14 (27) (dort: „Schäden“). – Diese fundamantale Aussage lässt sich aus dem Grundelement der Gerechtigkeit und Fairness ableiten, dass derjenige, der Vorteile aus der Kooperation im Staat zieht, sich auch an den Lasten zu beteiligen hat (vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 276). 512 So insbes. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 246 ff.; dies., NJW 1981, 2537 (2541 ff.);

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Diese Einordnung zeigt wiederum, dass in der Ausgleichspflicht nicht das Wesen der Eigentumsgarantie liegen kann. Vielmehr handelt es sich auch bei ihr um eine aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen – nämlich Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit – abgeleitete Pflicht. Diese kommt im Bereich des Art. 14 GG wegen des sachgegebenen Vermögensbezugs nur stärker und häufiger zur Geltung als bei anderen Freiheitsrechten, die aber ebenfalls Grundlage von Aufopferungsansprüchen i. w. S. sein können.514 (e) Folgerung: Systemfremde Abweichung von allen anderen Grundrechten Die Forderungen nach Gesetzmäßigkeit des staatlichen Handelns, nach Gewährleistung von Rechtschutzmöglichkeiten, nach Vertrauensschutz und nach Entschädigung für übermäßige Eingriffen, auf die sich der „offene Eigentumsbegriff“ weitgehend zurückziehen muss, können somit dem Eigentumsgrundrecht keinen eigenen Charakter verleihen. Sie haben sich sämtlich als allgemeine verfassungsrechtliche, rechtsstaatliche Schranken erwiesen.515 Ein eigener materieller Schutzinhalt, wie er allen anderen Einzelgrundrechten innewohnt,516 wäre dadies., DVBl. 1991, 906 (909); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 178. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 330 stellt das Übermaßverbot in den Vordergrund, bringt aber S. 333 den Gleichheitsaspekt ein. Kischel, JZ 2003, 604 (604 ff., 611) führt allein das Verhältnismäßigkeitsprinzip an. Dagegen stützen Maunz/Dürig/Papier, Rdnrn. 350 f.; v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (396 f., 413 ff.); Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 73 ff., 104 ff., 124 ff., die Ausgleichspflicht auf den Aspekt der die „Lastengleichheit“ (ähnlich Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 III; Link, FS Scholz, S. 309 (322)). Brüning, JuS 2003, 2 (2, 3, 5) m.w. N. nennt Art. 3 Abs. 1 GG und verankert das Entschädigungsgebot als „dritte Stufe des Grundrechtsschutzes“ bei den Freiheitsrechten. Vgl. ferner (je ähnlich) P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 127 ff. (insb. S. 133); Jarass, NJW 2000, 2841 (2842); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 263; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1383). Kritisch dagegen Lerche, JuS 1961, 237 (241); als allgemeine Regel bezweifelnd ferner J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 85. 513 So insbes. W. Schmidt, NJW 1999, 2847 (2849); vgl. ferner v. Mangoldt/Klein/ Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 98. – Allgemein zu Leistungsansprüchen aus Abwehrrechten i.V. m. Art. 3 Abs.1 GG Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 333 (335); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 288; v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 20 m.w. N.; Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rdnr. 49; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (465 f.). 514 Siehe nur Brüning, JuS 2003, 2 (3, 5 f., 7); Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (473 f.); oben B.II.3.a)dd)(7)(d)(aa). 515 Ebenso – wenn auch jeweils kürzer – Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 75; ders., BB 1992, 73 (76); Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (47): „Art. 14 GG enthält mehr als eine spezielle Ausformung der Gleichheit“; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (217 f.); Ossenbühl, JuS 1993, 200 (203): „von außen in den Art. 14 GG transportiert“; ähnlich Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (55): „Abgrenzungen . . . äußerst subtil“. 516 Bei Art. 12 Abs. 1 und 2 GG ist der geschützte Bereich der „Beruf“, die geschützte Freiheit das „Ausüben und Ergreifen“; bei Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG ist der Schutzbereich die „Religion“, das geschützte Verhalten die „Ausübung“; zur Notwendigkeit

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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her nicht vorhanden, wenn Art. 14 GG nur diese Aspekte – wenn auch im Vergleich zu den allgemeinen rechtsstaatlichen Geboten in verstärkter Intensität – gewährleisten würde.517 Dies wäre untypisch518 und unerklärbar. Die vorstehende Untersuchung liefert somit ein systematisches Argument dafür, dass die Eigentumsgarantie auch eigenständige inhaltliche Vorgaben entfalten muss. (8) Entbehrlichkeit der Institutsgarantie im klassischen Sinn Die Wirkungen, die der Institutsgarantie zugeschrieben werden, lassen sich schließlich ohne Weiteres auch bei einem Verständnis vom Eigentum als ein „gewöhnliches“ Freiheitsrecht mit Hilfe der subjektiven und objektiven Grundrechtsgehalte erklären: Die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine sachgerechte und wirkungsvolle Privatrechtsordnung zu schaffen, resultiert daraus, dass der Gesetzgeber – wie gezeigt – seine Pflicht, den Rechtsinhabers gegen Angriffe nicht-staatlicher Personen zu schützen, nur durch die Statuierung von zivilrechtlichen Abwehr- und Ersatzansprüchen erfüllen kann.519 Bei der Umsetzung dieser Pflicht ist zwar eine gestaltende Komponente520 erkennbar, doch ist eine solche bei kollisionslösenden Regeln stets auszumachen, da der Gesetzgeber dort strukturbedingt über einen größeren Spielraum verfügt als in zweipoligen Verhältnissen.521 Sie ändert nichts daran, dass das einfache Recht wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungswidrig ist, wenn es sich als defizitär erweist, weil zwingend erforderliche Befugnisse nicht geschaffen wurden.522 Der Institutsgarantie bedarf es auch nicht, um erklären zu können, ob und wann der Gesetzgeber eine vermögensrelevante Position mit Abwehransprüchen ausstatten und wie Eigentum ausgestalten muss.523 Das Erfordernis, bestimmte einer solchen Trennung vgl. unten Teil 2 C.I.2.a)bb)(2)(b)(aa). Beim Eigentum kann das geschützte Verhalten nur die Freiheit zur beliebigen Nutzung und Veräußerung des Gegenstands sein. 517 Vgl. auch Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (214 f.), der (in anderem Zusammenhang) betont, dass diese und ähnliche Prinzipien u. U. auch gelten, wenn kein Grundrecht sachlich berührt ist. 518 Badura, AöR 98 (1973), 153 (154). 519 Vgl. Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (53); oben B.II.3.a)dd)(7)(b), bei Fn. 464; anders Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 189, der die Schutzpflicht im Hinblick auf das Institut von der Verpflichtung, dieses aufrechtzuerhalten, unterscheidet. 520 Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (167): „kreative Züge“. 521 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 43 f.; ausführlich unten C.I.3.c). 522 Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (896 ff.); ferner Badura, FS Maunz, S. 10 (zum Urheberrecht); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (214, Fn. 9); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 26 f. 523 Vgl. Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 70; Herzog, FS Zeidler, S. 1427 f.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Güter gegen Dritte zu schützen, lässt sich als Wirkung einer – dem Grundrechtsschutz i. e. S. vorgelagerten – Schutz- oder Leistungspflicht begründen.524 Diese gibt dem Gesetzgeber auf, für diejenigen Güter und Positionen, die der einzelne zu einer freiverantwortlichen Lebensführung im wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen Bereich benötigt, entsprechende privatrechtliche Schutzordnungen aufzustellen,525 soweit nicht andere Gründe dagegen sprechen.526 In dieser Phase unterliegt der Gesetzgeber vergleichsweise geringen verfassungsrechtlichen Bindungen, da sich sein Handeln regelmäßig noch im Vorfeld eines Eingriffs abspielt.527 Der aus Art. 14 GG selbst folgende Auftrag kann dabei durch andere Grundrechte oder Staatszielbestimmungen verstärkt werden.528 So ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) das Gebot, abweichend von §§ 90, 93, 94 BGB kleinere, selbstständig eigentumsfähige Sacheinheiten wie z. B. das Wohnungseigentum nach dem WEG zu schaffen, um größeren Bevölkerungsteilen einen Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen.529 Bereits in dieser Phase kann und muss der Gesetzgeber – auch wenn er noch nicht der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG unterliegt, da diese ein bereits existierendes Recht voraussetzt530 – andere öffentliche oder private Belange, die für und gegen die Schaffung eines Rechts sprechen, berücksichtigen und miteinander und untereinander abwägen.531 524 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 98; oben Fn. 513; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 108 ff.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 104; vgl. ferner de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (392 ff.); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 176, 179; Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (50); ablehnend zur hier vertretenen Konstruktion aber Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 682 ff. 525 Leisner, HdbStR, § 149 Rdnr. 70; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 192, 366; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnrn. 85, 91 f.; weitgehend ebenso – wenn auch tendenziell enger – Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 705, der fordert, „dass die Rechtsordnung so viele subjektive Vermögensrechte zur Verfügung stellt, dass der Einzelne . . . in die Lage versetzt wird, sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten“. In der Tendenz wie hier ferner Engel, AöR 118 (1993), 169 (197 ff.), der zentral darauf abstellt, ob für den Gegenstand ein Markt vorhanden ist (S. 202); sowie Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 190 f. – Hierher gehört auch die Sondersituation, dass der Gesetzgeber gehalten ist, im Zuge der Bewältigung der Folgen vorkonstitutioneller Akte Gegenstände wieder Privatpersonen zuzuordnen, vgl. BVerfGE 126, 331 (366 f.). 526 Dies betonend Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 708 f. 527 Ebenso i. E. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 107 f., 114 ff., 192 f. m.w. N.; vgl. ferner BVerfGE 126, 331 (366 f.): Willkürverbot. 528 Vgl. Burmeister, FS Leisner, S. 668 ff.; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 59. 529 Vgl. M. Wolf, Anm. LM § 3 WEG Nr. 11 (sub 2.); allgemein zur Wirkungsweise des Postulats „sozialer Gerechtigkeit“ Koller, FS Tammelo, passim (insbes. S. 98). 530 Badura, FS Maunz, S. 8; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 178; Sachs/ ders., Art. 14 Rdnr. 59. 531 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 280 ff. (kürzer Sachs/ders., Art. 14 Rdnr. 57), der untersucht, inwieweit der inhaltsschaffende Gesetzgeber Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit achten muss. Auch wenn Wendt außerhalb des

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Ebenso wenig bedarf es der Institutsgarantie, um eine besondere Sicherung eines Kerns des Eigentum zu konstruieren; dieser Schutz wird bereits durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG die von ihrem Umfang her die Institutsgarantie jedenfalls mit einschließt,532 ausreichend bewirkt.533 Der Umstand, dass der Gesetzgeber in einzelnen Teilbereichen Gegenstände vollständig dem Privatrechtsverkehr entziehen darf, muss ebenfalls nicht zwingend mit der nur institutionellen Garantie erklärt werden. Dieses Ergebnis ist mit der Eingriffs-Schranken-Dogmatik nicht unvereinbar. Ein institutionelles Verständnis führt demgegenüber zu den beschriebenen Schutzdefiziten für das Eigentum insgesamt, da mit ihm Maßnahmen, die die Individualrechte einschränken, leichter legitimiert werden können.534 Damit ist insgesamt nicht ersichtlich, in welcher Weise die Institutsgarantie zusätzliche Wirkungen für den Schutz des Eigentums entfalten könnte.535 (9) Zwischenergebnis Die beiden vorgestellten Grundkonzeptionen bieten in nahezu gleichem Umfang Schutz gegen Einschränkungen der aktuell im Eigentum enthaltenen Befugnisse durch gesetzgeberische Neuregelungen; dies wird vom „offenen“ EigenSacheigentums (S. 197 f.) eine Verpflichtung zur Schaffung von Vollrechten dahinstehen lässt, erkennt auch er an, dass der Gesetzgeber „die auf Anerkennung als Eigentum drängenden Interessen angemessen zu Geltung bringen“ muss (S. 287). Siehe ferner Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 108 ff., insbes. S. 114, 117 f., der von einer „Art Verhältnismäßigkeit auf der vor-grundrechtlichen Ebene“ spricht; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 708 ff. 532 Für eine inhaltliche Deckungsgleichheit BVerfGE 58, 300 (348); Badura, FS Maunz, S. 12; Berg, JuS 2005, 961 (963); Herzog, FS Zeidler, S. 1422; v. Mangoldt/ Klein/P. M. Huber, Art. 19 Abs. 2 Rdnrn. 132 ff.; ders., Umweltschutz, S. 51; Leisner, HdbStR § 149 Rdnrn. 22, 63; BGHZ 48, 46 (50). 533 Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (49 f.); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 280; vgl. auch Leisner, HdbStR, § 149 Rdnrn. 14 f.; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 228, die in der „Institutsgarantie“ nur einen plastischen Sammelbegriff für die innersten Schranken sehen. Die geringe praktische Bedeutung der Institutsgarantie stellt auch de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (391) fest. 534 Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 17; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 208 f.; ähnlich Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39; Breuer, FG BVerwG S, 89; Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2102 f.); allgemein bereits oben A.II.2. 535 Ebenso Di Fabio, JZ 2004, 1 (2, Fn. 7). – Angemerkt sei abschließend, dass durch die These, ein sachlicher Kerngehalt von Eigentum sei durch die Institutsgarantie garantiert, der Ansatz des „offenen“ Eigentumsbegriffs inkonsequent wird. Mit der Anerkennung der Lehre von der Institutsgarantie wird nämlich vorausgesetzt, dass die Verfassung eine verbindliche Entscheidung zugunsten eines bestimmten Eigentumsmodells enthält und dessen Inhalt unter Rückgriff auf die tradierten Vorstellungen zumindest grob ermittelt werden kann (vgl. BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 24; Maunz/Dürig/ Papier, Art. 14 Rdnr. 39). Dies ist aber der Ausgangspunkt, den der „römischrechtliche“ Eigentumsbegriff zugrunde legt.

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tumsbegriff als Hauptinhalt des Eigentums, vom „römisch-rechtlichen“ als besondere Wirkung des Vertrauensschutzes erklärt. Erhebliche Unterschiede bestehen darin, dass nach dem „offenen“ Eigentumsbegriff die jeweils geltende Rechtslage selbst nur an der Institutsgarantie zu messen ist, die dem Gesetzgeber lediglich die Erhaltung eines Minimums an Privatnützigkeit vorschreibt, während nach dem „freiheitsrechtlichen Ansatz“ jede Regelung rechtfertigungsbedürftig ist, sobald dem Inhaber eines Rechts die volle Nutzungs- und Verfügungsbefugnis vorenthalten wird. Das erstgenannte Eigentumskonzept lässt damit nicht unerhebliche Schutzlücken. Die Tatsache, dass es einer Ausgestaltung des Eigentums durch das einfache Recht bedarf, macht nicht die Frage entbehrlich, ob die Ausgestaltung verfassungsmäßig ist.536 Bei einer Zentrierung der Eigentumsgarantie auf Gesetzmäßigkeit, Bestandsschutz und Entschädigungsgebot kann ferner ein selbstständiger Gehalt dieses Grundrechts nicht ausgemacht werden. Diese systematischen und auf einen möglichst weitreichenden Grundrechtsschutz hin ausgerichteten Argumente führen zum Ergebnis, dass dem Grundgesetz die sog. „römisch-rechtliche“ oder „außentheoretische“ Konzeption zugrunde liegt.537 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG garantiert somit, dass der Staat die „natürlichen“ Güter, deren der Mensch zu seiner Lebensführung bedarf, sowohl selbst respektiert als auch gegenüber anderen Privaten mit umfassenden Befugnissen ausstattet, damit ihm eine optimale Nutzung und Verfügung möglich ist. Der Gesetzgeber muss – trotz aller Gestaltungsfreiheit – den abwehrrechtlichen Gehalt des Eigentums und die Schutzaufträge ausreichend i. S. des Verhältnismäßigkeitsgebotes beachten und einfachrechtlich verwirklichen.538

536 Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 58; Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21, § 22 Rdnr. 3; vgl. auch Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (896); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 26 f.; unten Teil 4 D.I.2.a). 537 Dies bedeutet nicht, dass diese Eigentumskonzeption für alle Systeme (d.h. über das staatliche Recht unter dem Grundgesetz hinaus) die richtige sein muss. In philosophischen oder theologischen Systemen, die auf der Prämisse beruhen, dass Freiheit und Eigentum von vornherein nur etwas Gegebenes und Verliehenes (im wahren Wortsinn) darstellen (wie etwa bei Thomas von Aquin, Summa theologica II-II, q. 66 a. 1 c., ad 1) und damit jedes Eigentum des Menschen unter dem Ober-Eigentum des Gebenden (bei Thomas von Aquin: Gottes; vgl. Brunstäd, FG Binder, S. 129 f.) steht, ist ein Eigentumsbegriff richtig (i. S. v. passend, konsequent), der diese Hin-Ordnung und Pflichtigkeit betont. Im freiheitlichen Verfassungsstaat ist jedoch theoretischer Ausgangspunkt die zunächst unbeschränkte Freiheit des Menschen als Bürger; das Eigentum ist nicht dem einzelnen vom Staat gegeben, sondern Teil seiner vorgefundenen Anerkennung als Individuum. Daher kann hier keine Ober-Herrschaft des Staates über die Güter bestehen. 538 Ebenso insgesamt auch BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 12; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 376; Engel, AöR 118 (1993), 169 (195 ff.).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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ee) Ermittlung und Einordnung der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zur Dogmatik der Inhalts- und Schrankenbestimmung (1) Vorbemerkungen Eine Untersuchung der dogmatischen Strukturen der Eigentumsgarantie kann nicht losgelöst von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen, das verbindlich über die Auslegung des Grundgesetzes entscheidet. Daher ist nun zu untersuchen, welcher Eigentumsbegriff in den Entscheidungen des BVerfG zum Ausdruck kommt. Da eine Rechtsprechung im Laufe mehrerer Jahrzehnte naturgemäß Wandlungen unterliegt,539 ist dabei das größte Gewicht auf die in jüngerer Zeit ergangenen Entscheidungen zu legen. Von großer Wichtigkeit für den Erfolg einer solchen Analyse ist, strikt darauf zu achten und danach zu differenzieren, ob sich das Gericht in der konkreten Passage zum Umfang des konkreten (erworbenen) Eigentums äußert oder sich mit den Vorgaben für die Ausgestaltung des Eigentums als solchem befasst.540 Die Gefahr von Verwechslungen und Fehldeutungen ist hierbei groß, zumal viele Entscheidungen zu beiden Fragen Stellung nehmen und die Ausführungen fließend ineinander übergehen. Berücksichtigung verlangen ferner die konkret zur Entscheidung vorliegende Sachfrage541 und die prozessuale Situation: Da die be539

Zu den Phasen vgl. BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnrn. 8, 22. Jedes Textverständnis setzt voraus zu wissen, was den Textautor veranlasst hat, seine Botschaft zu formulieren (vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 787 m.w. N.). – Wie oben im Text auch sinngemäß Leisner, DVBl. 1983, 61 (62 f.); vgl. ferner Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21; unten Fn. 587. 541 Beispielsweise wird die Aussage in BVerfGE 58, 300 (335), weder könne aus Normen des einfachen Rechts der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums abgeleitet werden, noch könne der Umfang der Gewährleistung des konkreten Eigentums aus der privatrechtlichen Rechtsstellung bestimmt werden, als Beleg dafür angeführt, dass sich das BVerfG zum offenen Eigentumsbegriff bekannt habe (z. B. Kraft, BayVBl. 1994, 97 (98)). Die Passage ist jedoch eine Antwort auf die im Vorlagebeschluss des BGH geäußerte Thesen, jede Einschränkung der in § 903 BGB gewährten Befugnisse sei eine Enteignung und der bürgerlichrechtlichen Eigentumsordnung komme ein Vorrang zu. Die Passage befasst sich aber nur mit der Frage, welche Befugnisse das Eigentum nach altem Recht enthalten hat, d.h., ob die Grundwassernutzung im „Umfang der Gewährleistung des konkreten Eigentums“ enthalten war (BVerfGE 58, 300 (335)). Daher stellt das BVerfG anschließend fest (S. 336), dass das bürgerliche und das öffentliche Recht zusammen den Eigentumsinhalt festlegen, so dass der zweite Teil des wiedergegebenen Satzes als „. . . aus der privatrechtlichen Rechtsstellung alleine . . .“ gelesen werden muss (ähnlich bereits S. 330). Der erste Satzteil geht in die gleiche Richtung, indem er klarstellt, dass nicht jede einfachgesetzliche Rechtsposition isoliert betrachtet werden darf, sondern der Umfang aus einer Gesamtschau aller Normen gewonnen werden muss. Vgl. auch Leisner, DVBl. 1983, 61 (64); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 28; Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2539, Fn. 29); BVerfG NVwZ 2003, 197 (198). – Aus diesem Grund trifft allerdings auch der Vorwurf, BVerfGE 58, 200 (335 f.) enthalte einen Zirkelschluss (F. Baur, NJW 1982, 1724 (1735); Leisner, DVBl. 1983, 61 (63)) nicht zu, da das BVerfG einmal Ausmaß und Umfang der erworbenen Eigentumsposition, das andere Mal die Vereinbarkeit des 540

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

schwerdeführenden Eigentümer in den meisten Fällen Entschädigung für den Entzug ausgeübter Befugnisse oder für die Auferlegung von Pflichten begehrten542 oder die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsentziehung behaupteten,543 ging es meist zentral um die Frage, ob eine Neuregelung die Altrechte in noch zulässiger Weise reduzierte oder nicht.544 Die Verfassungsmäßigkeit der neuen Rechtslage als solcher wurde daher – mangels Entscheidungsrelevanz – oft nur am Rande erörtert; sie wird jedoch durchaus geprüft.545 (2) Textbefund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (a) Bestandsschutz für das konkrete Eigentum Der größte Teil der Ausführungen zu Inhalt und Struktur des Eigentumsrechts in Entscheidungen des BVerfG betrifft den Schutz des „konkreten Eigentums“, also von nach bisherigem Recht erworbenen Rechtspositionen,546 die pro futuro durch eine Rechtsänderung verkürzt werden. Das BVerfG führt hierzu aus, dass der Gesetzgeber einmal ausgestaltete Rechtspositionen nicht für alle Zukunft unangetastet lassen müsse; er könne bisherige Rechtspositionen für die Zukunft modifizieren und sogar vollständig ausschließen.547 Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG beinhalte insoweit eine Eingriffsbefugnis, nach bisherigem Recht erworbene individuelle Positionen aus Gemeinwohlgründen umzugestalten.548 Da die bereits erworbenen Rechtspositionen durch Art. 14 Abs. 1 GG Bestandsschutz genießen, stellt die Änderung des Eigentumsinhalts pro futuro einen Eingriff dar, der sich an den Vorgaben der Verfassung, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, messen lassen muss.549 So dürfen bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzungen nicht abrupt und ohne Überleitung verboten werden, weil das Vertrauen auf die BestänGesetzes mit den Verfassungsbestimmungen meint (ebenso Schoch, Jura 1989, 113 (118); Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (passim, insb. S. 95)). 542 Etwa in den Verfahren BVerfGE 20, 351; 58, 300; 58, 137; BVerfG NJW 1998, 367. 543 Etwa in BVerfGE 70, 191; 78, 58; 83, 201; vgl. ferner BVerfGE 95, 64 (81). 544 Da die meisten denkbaren Eigentumsrechte bereits einfachrechtlich geschaffen sind, ist Gesetzgebung heute weitgehend Änderungsgesetzgebung, Kraft, BayVBl. 1994, 97 (101); Kube, Jura 1999, 465 (467). 545 Siehe auch Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 697. 546 Vgl. Erbguth, JuS 1988, 699 (702). 547 BVerfGE 36, 281 (293); 58, 300 (351); 78, 58 (75); 83, 201 (212); BVerfG VIZ 2001, 330 (331), alle m.w. N. 548 BVerfGE 31, 275 (285, 294); 42, 263 (294); 70, 191 (201); 83, 201 (212); zustimmend Kraft, BayVBl. 1994, 97 (100 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 309; Schwerdtfeger, JuS 1983, 104 (106, 108); Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 9; BGH NJWRR 2004, 1282 (1283 f.); BFH, DStR 2006, 1686 (1687). 549 Vgl. BVerfGE 20, 351 (355); 25, 112 (121 f.); 36, 281 (293); 52, 1 (28); 53, 336 (349); 58, 81 (114 f., 121); 58, 300 (351); 70, 191 (201 f.); 75, 78 (97 f., 105), 102, 1 (18); BVerfG NVwZ 2005, 203 (204); 83, 201 (212 f.); ähnlich bereits BVerfGE 31, 275 (290).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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digkeit der Rechtsordnung die Grundvoraussetzung jeder eigenverantwortlichen Lebensgestaltung im vermögensrechtlichen Bereich bildet und andernfalls geleistete Arbeit und eingesetztes Kapital von heute auf morgen entwertet würden.550 Der Wunsch nach Rechtseinheit als solcher könne deshalb einen sofortigen ersatzlosen Entzug nicht rechtfertigen. Vielmehr seien Übergangsregelungen oder – als letztes Mittel – ein finanzieller Ausgleich vorzusehen.551 (b) Abwägungsgebot im Bezug auf den Eigentumsinhalt Andere – weniger streng klingende – Maßstäbe legt das BVerfG an, wenn es die Verfassungsmäßigkeit der Eigentumsordnung selbst (d.h. der gesetzgeberischen Entscheidung, welchen Inhalt das Eigentum jetzt und künftig besitzen soll) überprüft. Der Gesetzgeber dürfe bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht beliebig verfahren,552 sondern müsse eine Eigentumsordnung verwirklichen, die sowohl das Privateigentum als auch das Sozialpflichtigkeitsgebot des Art. 14 Abs. 2 GG berücksichtigt.553 Er müsse den Freiheitsraum des Einzelnen und die Belange der Allgemeinheit zu einem gerechten Ausgleich führen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen.554 Eigentumsbindungen müssten aber vom geregelten Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein; sie dürften nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient.555 Die Sozialpflichtigkeit sei Grund, aber auch Grenze der dem Eigentümer aufzuerlegenden Beschränkungen.556 Übermäßige Begrenzungen der 550 BVerfGE 51, 193 (218); 58, 300 (349); 83, 201 (208, 213); Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 9. Ausführlich zur Dauer von Übergangsregelungen unter dem Gesichtspunkt der Amortisationen getätigter Investitionen P. M. Huber, Umweltschutz, S. 54 f. 551 BVerfGE 31, 275 (292); 53, 336 (351); 58, 300 (335 f.; 351); 70, 191 (201); 78, 58 (75); 100, 226 (244); aufgegriffen in BFH, DStR 2006, 1686 (1687). 552 BVerfGE 31, 229 (240); ähnlich BVerfGE 50, 290 (340): „nicht völlig frei“. 553 BVerfGE 25, 112 (117); 37, 132 (140); 52, 1 (29); 58, 137 (147); 58, 300 (338); 68, 361 (367 f.); 70, 191 (200); 71, 230 (246 f.); 95, 64 (84); 115, 97 (114); 126, 331 (360); BVerfG NVwZ 2005, 203 (204); NVwZ 2010, 512 (514); NVwZ 2012, 429 (430); vgl. dazu Wahl, NVwZ 1984, 401 (404 f.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 49 ff. 554 BVerfGE 25, 112 (117, 118); 37, 132 (140); 52, 1 (29); 55, 249 (258); 58, 300 (335); 68, 361 (368, 369); 72, 66 (77, 78); 79, 174 (198); 81, 208 (220); 87, 114 (138); 89, 1 (8); 91, 294 (308); 95, 64 (85); 98, 17 (36); 100, 226 (240); 101, 54 (75); 102, 1 (18); 104, 1 (11); 110, 1 (28); 112, 93 (109); 115, 97 (114); BVerfG NVwZ 1997, 990 (991); NJW 2000, 798 (799); NJW 2000, 2658 (2659); NVwZ 2000, 428 (428); NJW 2001, 2160 (2161); NVwZ 2003, 727 (727); NVwZ 2003, 197 (198); NVwZ 2007, 808 (809); NVwZ 2009, 1158 (1159). In BVerfGE 104, 1 (13) findet sich daneben die Variante des „fairen“ Ausgleichs. 555 BVerfGE 25, 112 (117 f.); 37, 132 (141); 50, 290 (341); 52, 1 (29); 55, 249 (258); 72, 66 (78); 79, 174 (198); 87, 114 (138 f.); 100, 226 (241); BVerfG NJW 1996, 246 (246 f.); NVwZ 2003, 727 (727); ähnlich BayVerfGHE 39, 1 (8); 44, 41 (51). 556 BVerfGE 52, 1 (29); 55, 249 (259); 50, 290 (340); 70, 101 (111); 72, 66 (78); 79, 174 (198); 81, 208 (220); 87, 114 (138); 100, 226 (241); 102, 1 (17); 126, 331 (360);

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Nutzungs- und Verfügungsfreiheit könne Art. 14 Abs. 2 GG daher nicht rechtfertigen.557 Zu beachten sind nach dem BVerfG ferner die übrigen (nicht eigentumsspezifischen558) Verfassungsbestimmungen,559 insbesondere der Gleichheitssatz, die übrigen Grundrechte, die Wesensgehaltsgarantie, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Vertrauensschutz sowie die Bestimmungen zu den Gesetzgebungskompetenzen.560 (c) Abhängigkeit der zulässigen Intensität der Sozialbindung von der Art des Eigentumsgegenstands Das danach „gerade noch zulässige“ Verhältnis von Eigentümerbefugnissen und Sozialbindung bemisst das BVerfG nicht starr, sondern in Abhängigkeit davon, um welchen Gegenstand es sich handelt.561 Maßgeblich für die Zulässigkeit von Befugniseinschränkungen und die Auswirkungen des in Art. 14 Abs. 2 GG verankerten Sozialpflichtigkeitsgebots ist in erster Linie die Art des Gegenstands, so etwa, ob es sich um ein Grundstück oder um eine bewegliche Sache handelt, ob die Sache ein reines Gebrauchsgut oder ein Kulturgut von allgemeinem Interesse darstellt oder ob andere Personen (wie bei vermieteten Wohnungen) auf den Gebrauch der Sache angewiesen sind. Hiervon hänge jeweils ab, ob und wie stark das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht.562 Umgekehrt sei der Schutz der Individualbefugnisse besonders ausgeprägt, wenn das Eigentum die persönliche FreiBVerfG NVwZ 2003, 727 (727); NVwZ 2007, 808 (809); NVwZ 2010, 512 (514); NVwZ 2012, 429 (430); ähnlich BVerfGE 58, 137 (151); 110, 1 (28); früher bereits BVerfGE 20, 351 (361), 21, 150 (155). – Hervorhebung nicht im Orignal. 557 BVerfGE 37, 132 (141); 68, 361 (368). 558 Terminus nach BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 7. 559 BVerfGE 14, 263 (278); 21, 150 (155); 25, 112 (117); 102, 1 (17); 110, 1 (28). 560 Vgl. BVerfGE 14, 263 (278); 42, 263 (305); 58, 137 (150); 102, 1 (17); BVerfG NVwZ-RR 1996, 483; NVwZ 2003, 197 (198); NVwZ 2004, 597 (603); NJW-RR 2008, 26 (27); ebenso BayVerfGHE 41, 106 (110) zu Art. 103 BayVerf; vgl. ferner Hömig/ Antoni, Art. 14 Rdnr. 7; Erbguth, JuS 1988, 699 (704 f.); Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (799); Schink, DVBl. 1990, 1375 (1381). 561 So zusammenfassend Schoch, Jura 1989, 113 (119): „Sachgebiet“; vgl. auch Herdegen, FS BVerfG, S. 283 f. 562 Vgl. BVerfGE 37, 132 (140); 3838, 348 (370); 50, 290 (340, 341); 51, 1 (32); 53, 257 (292, 294); 58, 137 (148, 149, 151); 68, 361 (368); 70, 191 (201); 71, 230 (247); 79, 292 (302); 84, 382 (385); 91, 294 (308); 95, 64 (84 f.); 98, 17 (45); 100, 226 (241); 101, 54 (75); 102, 1 (17); 110, 1 (28); 126, 331 (360); BVerfG VIZ 2001, 330 (331); NVwZ 2007, 808 (809); NVwZ 2010, 512 (514); NVwZ 2012, 429 (430). Zur Funktionsgebundenheit vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 312; ders., BB 1997, 1213 (1215); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 II 2; kritisch F. Baur, NJW 1982, 1734 (1735); befürwortend dagegen Rittstieg, FS Thieme, S. 189; Badura, FS Maunz, S. 12. – Dem Ansatz des BVerfG folgen hinsichtlich Sicherungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 2

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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heit des Einzelnen sichere. Verbleiben Eigentumsnutzung und -verfügung innerhalb der Sphäre des Eigentümers, verenge sich daher der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers, während er bei einer intensiven sozialen Funktion relativ weit sei.563 Gemindert ist die Schutzwürdigkeit des privaten Eigentums wiederum, wenn dieses nicht allein durch Einsatz eigener (tatsächlicher oder finanzieller) Kräfte, sondern unter Zuhilfenahme staatlicher Fördermittel oder Privilegien erworben wurde.564 Für den Eigentümer ergibt sich somit aus dieser gleitenden Sozialbindung565 ein abgestufter Grundrechtsschutz:566 Dem Grundstückseigentümer werden z. B. erheblich höhere Belastungen auferlegt als dem Eigentümer einer beweglichen Sache, weil Grund und Boden für die verschiedensten Nutzungszwecke unentbehrlich, aber aus naturgegebenen Gründen auch unvermehrbar sind.567 Die Grenze des dem Gesetzgeber erlaubten Maßes an Beschränkungen ist für das BVerfG erst erreicht, wenn einem vernünftigen Eigentümer nicht mehr reelle Nutzungschancen bleiben.568 Ähnliche Grundsätze hat das BVerfG für das Mietrecht aufgestellt:569 Da der Mieter auf den Wohnraum angewiesen sei, dürfe das Recht zur ordentlichen Kündigung und die Möglichkeit einer Mieterhöhung stark restringiert werden. Größere Gesetzgebungsspielräume bestünden schließlich bei Maßnahmen, die Erholungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit schaffen und dadurch die Lebensverhältnisse der Bevölkerung verbessern.570 Knappheit und Wichtigkeit der gemeinwichtigen Ressourcen rechtfertigten auch – als nächste Intensitätsstufe –, die Grundwassernutzung und das GewinFidErlG jeweils BayObLGZ 1986, 382 (387); OLG Nürnberg Beschl. v. 8.12.2003, Az. FS I 27, S. 10. 563 BVerfGE 42, 263 (294); 50, 290 (340 f.); 70, 191 (201); 84, 382 (385); 95, 64 (84); 100, 226 (241); 101, 54 (75); 102, 1 (15); NVwZ 2012, 429 (430); vgl. auch Papier, DVBl. 2000, 1398 (1401). – Für schuldrechtliche Ansprüche wird dies konkretisiert, dass Forderungen, die ein Äquivalent für Einbußen an Lebenstüchtigkeit darstellen, besonders geschützt sind, vgl. BVerfGE 112, 93 (107, 109 f.). 564 BVerfGE 95, 64 (85); vgl. ferner BayObLG DVBl. 2005, 1527 (1529); kritisch hierzu unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes Eberl, DVBl. 2005, 1529 (1530). 565 So formuliert von Kube, Jura 1999, 465 (466). 566 So die Bezeichnung bei Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 311; Papier, BB 1997, 1213 (1215); Erbguth, JuS 1988, 699 (705); ähnlich auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 455; Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 599; BVerfGE 53, 297 (292). 567 Seit BVerfGE 21, 73 (82 f.); in jüngerer Zeit etwa BVerfGE 87, 114 (146 f.); vgl. ferner Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 116 ff., insb. S. 118: „Wiederkehr der Gebundenheiten“. 568 BVerfGE 100, 226 (242 f.). 569 Vor allem BVerfGE 38, 348 (370); 68, 361 (370); 95, 64 (84 f.); weitere Nachweise unten Teil 4 B.IV.2.; zusammenfassend Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 12. 570 Vgl. BVerfGE 52, 1 (35); 70, 191 (212); 87, 114 (141, 147); BVerfG NJW 1998, 3559 (3559), je zum Kleingärten- bzw. Fischereirecht.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

nungsrecht für bestimmte Bodenschätze vollständig vom Grundeigentum abzuspalten571 und den Zugriff auf diese Güter nur nach einer besonderen öffentlichrechtlichen Zulassung zu erlauben.572 Im Einzelfall könne die Sozialpflichtigkeit sogar erlauben, bestimmte Gegenstände vollständig dem privatrechtlichen Eigentumsregime zu entziehen, so dass an ihnen private Nutzungs- und Verfügungsrechte nicht begründet werden können und sie einen speziellen öffentlich-rechtlichen Status erhalten.573 Besondere Maßstäbe hat das BVerfG schließlich für das unternehmerisch gebundene Eigentum entwickelt. Da jedem Aktionär gewisse Leitungs- und Mitwirkungsbefugnisse zustehen, sei dieses zwar Eigentum i. S. d. Art. 14 GG und genieße grundsätzlich den Schutz der Eigentumsgarantie.574 Vor allem für den Kleinanleger stehe jedoch der Aspekt der Kapitalanlage im Vordergrund,575 während die volkswirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung relativ groß sei.576 Der Gesetzgeber verfüge daher über einen relativ großen Regelungsfreiraum, der beispielsweise noch eingehalten sei, wenn er den Anteilseignern nur ein leichtes Übergewicht im Aufsichtsrat als Entscheidungsgremium einräumt.577

571 Für das Grundwasser BVerfGE 58, 300 (345); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (219); Schulte, JZ 1984, 297 (298 f.). Zu den bergfreien Bodenschätzen ebenso Herzog, FS Zeidler, S. 1421; Schulte, JZ 1984, 297 (298); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 432 f., der aber betont, dass sein solches Regime nur bei einem volkswirtschaftlichem Interesse an einer sinnvollen Ordnung der Rohstoffversorgung begründet werden kann; ebenso Gaentzsch, NVwZ 1998, 889 (889 f., 897); ebenso wohl auch BVerfG ZfB 138 (1997), 283 (288 f.). 572 Hierbei kann das Nutzungsrecht entweder dem Grundeigentümer (wieder-)eingeräumt oder einem Dritten übertragen werden, vgl. Schulte, JZ 1984, 297 (298 ff.); Badura, AcP 176 (1976), 119 (122). 573 Vgl. BVerfGE 24, 367 (389 ff.): Hamburger Deiche; ferner Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 320. 574 Vgl. BVerfGE 14, 263 (276 f.); 25, 371 (407); 50, 290 (341 f.); 100, 289 (301); BVerfG NJW 2001, 279 (279); Zöllner/Noack, AG 1991, 157 (158); Jung, JZ 2001, 1004 (1011 ff.); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 144 ff., 288; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 390 f. 575 BVerfGE 100, 289 (305); BVerfG NJW 2001, 279 (280). Inhaltlich ebenso Jarass, ZHR 139 (1975), 557 (564 f.): „Funktion der Persönlichkeitsentfaltung verblasse“, „Der Durchschnittsaktionär hat eher eine besonders gestaltete Forderung als einen realen Anteil“; „die Mitgliedschaft vermittele nur ein Vermögensrecht, über das allein verfügt werden könne und das sich nicht wesentlich von einer Forderung unterscheide“; ablehnend Jung, JZ 2001, 1004 (1012). 576 So Engel, AöR 118 (1993), 169 7(231) nach BVerfGE 50, 290 (342 ff.); ähnlich die anderen zuvor genannten Entscheidungen; siehe ferner Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 5, III 1: „. . . dient mehr der Allgemeinheit als dem Individuum“; noch weitergehend v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 22: Anteilseigentum vermittle „gleichzeitig Herrschaft über Menschen“; Herdegen, FS BVerfG, S. 284. 577 BVerfGE 50, 290 (334 f.); ausführlich zur Mitbestimmung Jarass, ZHR 139 (1975), 557 (559 ff.).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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(d) Institutsgarantie als äußerste Schranken-Schranke Eine äußerste Grenze (nach „unten hin“) für den Umfang der Eigentümerbefugnisse bildet für das BVerfG die Institutsgarantie des Eigentums.578 Sie verlange vom Gesetzgeber, einen elementaren Bestand an Regeln, Befugnissen und Rechtsinstituten zur Verfügung zu stellen, der die Existenz, die Funktionsfähigkeit und die Privatnützigkeit von Eigentum als Grundlage der privaten Lebensgestaltung ermöglicht.579 Zu diesem Kernbereich zähle insbesondere die Verfügungsbefugnis über den Gegenstand,580 die Möglichkeit, ihn selbst oder durch entgeltliche, zeitweise Überlassung an andere zu nutzen,581 sowie die Privatnützigkeit im Sinne einer Zuordnung des Objekts zu einem Rechtsträger.582 Wegen des nur institutionellen Charakters seien aber weder die Ausgestaltung im Einzelnen noch die Möglichkeit einer privatrechtlichen Herrschaft über jedes Vermögensgut festgeschrieben.583 (e) „Deutschrechtlicher“ und „römischrechtlicher“ Sprachgebrauch Die unter (b) eingangs wiedergegebenen Ausführungen deuten darauf hin, dass das BVerfG Sozialbindung und Eigentümerbelange als gleichwertige Orientierungspunkte versteht, die der Gesetzgeber innerhalb eines großzügigen Einschätzungs- und Entscheidungsspielraums nahezu frei gewichten darf.584 Insoweit scheint das BVerfG dem „offenen Eigentumsbegriff“ anzuhängen. Hierfür spricht auch die Betonung des Bestandsschutzes und die Annahme einer – wohl: gesonderten – Institutsgarantie. Andererseits finden sich auch die strengeren Formulierungen („Grund und Grenze“), die eher implizieren, dass der Privatnützigkeit ein Vorrang zukommen soll. Nicht deutlich wird dabei, ob die strengeren Vorgaben die Freiheit des Gesetzgebers relativieren sollen585 oder umgekehrt die offeneren Formulierungen nur den Gestaltungsspielraum einer an sich gebundenen Legislative verdeutlichen sollen586. Auffallend ist aber die Betonung, dass sich – nur – die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes erst aus der gesetz578 BVerfGE 24, 367 (389); 42, 263 (294); 100, 226 (241); in BVerfGE 50, 290 (339); 58, 300 (339) „das Privateigentum als Rechtseinrichtung“. 579 Vgl. BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 58, 300 (339); kritisch (da vage) F. Baur, NJW 1982, 1734 (1735). 580 BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 53, 257 (290 f.); 68, 361 (367); 79, 292 (303); 91, 294 (308); 100, 226 (241); 102, 1 (15); 104, 1 (8); BVerfG NJW-RR 2005, 454 (454); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 14. 581 BVerfGE 52, 1 (30); 79, 292 (304). 582 BVerfGE 68, 361 (368); 91, 294 (308); 100, 226 (241) m.w. N.; BVerfG NVwZ 2007, 808 (809). 583 Z. B. BVerfG NJW 1990, 1229 (1229). 584 Vgl. BVerfGE 8, 71 (80); 53, 257 (293) und die Bewertung bei Herdegen, FS BVerfG S. 288 f.; vgl. ferner BVerfGE 50, 290 (340); 70, 101 (111). 585 So eher in BVerfGE 59, 290 (340). 586 So eher in BVerfGE 42, 263 (294 f.).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

geberischen Inhalts- und Schrankenbestimmung ergebe, während letztere anschließend an der Grundentscheidung zugunsten der Privatnützigkeit gemessen werden.587 Dies entspricht inhaltlich der Trennung von Eigentumsinhalt und Eigentumsbegriff. Genaues zu Maß und Inhalt der Anforderungen, die dem Gesetzgeber aus der Verfassung vorgegeben sein sollen, kann den genannten Formeln daher nicht entnommen werden.588 Insbesondere lässt sich keine sichere Erkenntnis gewinnen, ob nur ausgedrückt werden soll, dass es für die Einschränkung der Eigentümerbelange eines Gegenbelangs überhaupt bedarf, oder ob – weitergehend – die Einschränkung auch verhältnismäßig sein muss. (3) Verpflichtung des Gesetzgebers zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. Sachlich aussagekräftiger als die genannten Formulierungen erweist sich eine Analyse des Vorgehens des BVerfG bei der Grundrechtsprüfung. 587 Vgl. (Hervorhebung nicht im Original) BVerfGE 50, 290 (339 f. bzw. 340); BVerfGE 58, 81 (109 f., 121/121); BVerfGE 58, 300 (336/339); 91, 294 (308/308 ff.); 101, 54 (75/75 f.); BVerfG Beschl. v. 7.3.2002, Az. 1 BvR 1321/00, Absatz-Nr. 8; weniger deutlich, aber durchaus vorhanden, ist die Trennung auch in BVerfGE 70, 101 (110 ff.); 72, 66 (76/77); 74, 203 (214 ff.); 75, 78 (97 ff.); 83, 182 (195); 84, 90 (122). – Aus diesem Grund lässt sich die häufig verwendete Passage (z. B. in BVerfGE 36, 281 (290); 42, 263 (292 f.); 83, 201 (208)), das Grundgesetz enthalte keine Definition des Eigentumsbegriffs im verfassungsrechtlichen Sinn, nicht als Zeichen dafür heranziehen, dass das Gericht dem offenen Eigentumsnegriff folge (anders Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 62). Die Formulierung bezieht sich jeweils ausschließlich darauf, welche Rechte unter den Schutz des Art. 14 GG fallen, aber nicht mit dem Eigentumsbild. Ebenso soll die Wendung, es gebe keinen absoluten Begriff des Eigentums und die Verfassung habe wegen der Anpassungsbedürftigkeit dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, Inhalt und Schranken zu bestimmen, nur die Notwendigkeit der gesetzlichen Eigentumsausgestaltung und die Unterscheidung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen von Enteignungen betonen: In BVerfGE 20, 351 (355 f.) hatte der Beschwerdeführer behauptet, es liege eine Enteignung vor, und Entschädigung gefordert. Das Gericht prüfte daher zunächst, ob an der betroffenen Sache einfachrechtlich Eigentum bestand („wie weit sich der verfassungsrechtlich geschützte Bereich des Eigentums erstreckt“). Bei BVerfGE 31, 229 (240) stand im Mittelpunkt, welche Beschränkungen der Gesetzgeber für das Urheberrecht aufstellen darf. Wiederum wird die Pflicht betont, den grundlegenden Gehalt der Eigentumsgarantie zu wahren; die mangelnde Rechtfertigung der angegriffenen „Beschränkung der urheberrechtlichen Stellung“ durch überwiegende Gemeinwohlgründe führte dort sogar zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes (BVerfGE 31, 229 (242 f.)). In BVerfGE 24, 367 (396), auf das in BVerfGE 31, 229 (240) rekurriert wird, ging es ebenfalls um den Schutz des „konkreten Eigentums“ gegen Enteignungen. In BVerfGE 58, 300 (330) wird der o. g. Formel die Begründung vorangeschickt, dass das Eigentum der rechtlichen Ausformung bedarf, „um im Rechtsleben praktikabel zu sein“; dies zeigt, dass das Gericht von einem bereits grob vorkonturierten Verfassungsbegriff des Eigentums ausgeht. Ähnlich die Deutung der Formulierungen bei Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2539 f., in Fn. 29). 588 Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (99) nennt die Wendungen „in sich unvollkommen“; vgl. ferner Leisner, DVBl. 1983, 61 (63).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Das BVerfG fordert, dass – auch wenn Art. 14 GG nicht die einträglichste Nutzung des Eigentumsgegenstandes garantiere und der Rechtsinhaber deshalb das Verbot einer möglicherweise rentable(re)n Nutzung hinnehmen müsse – Beschränkungen dieser Art einen sachlichen Grund in Gestalt eines kollidierenden Allgemeininteresses von hohem Rang aufweisen.589 Selbst in der Nassauskiesungs-Entscheidung finden sich in Anschluss an die Feststellung, dass der Gesetzgeber nicht an einen sich aus der „Natur der Sache“ ergebenden Eigentumsbegriff gebunden sei, umfassende Ausführungen dazu, dass (erst) die besondere Bedeutung des Grundwassers für den Menschen die Beschränkung des Zugriffs des einzelnen Eigentümers rechtfertigt.590 Ebenso werden bei Regelungen, die die Verfügungsbefugnis weitgehend ausschließen, Gründe im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG verlangt, denen bei Beachtung der Verhältnismäßigkeit das höhere Gewicht gegenüber der Freiheit zukommen muss.591 Ferner wird selbst bei Bestimmungen, die nach Ansicht des BVerfG zu den traditionellen Schranken des Eigentums gehören und daher stillschweigend vom Grundgesetz zugelassen sein sollen, gefordert, dass die gesetzliche Ausgestaltung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt.592 Verlangt wird schließlich, dass die Gerichte bei der Rechtsanwendung im Einzelfall den Anforderungen der Eigentumsgarantie – insbesondere deren „Ausstrahlungswirkung“ – ausreichend Beachtung schenken und sie sich innerhalb der Grenzen halten, die auch dem Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Eigentümerbefugnisse verfassungsrechtlich gezogen sind.593 Aus dem Umstand, dass für die Einschränkung von Befugnissen eine Rechtfertigung gefordert wird, lässt sich noch kein Rückschluss darauf ziehen, von welchem Verhältnis der Eigentümerinteressen zur Sozialpflichtigkeit das BVerfG ausgeht. Die (teilweise) Ablehnung eines legitimen Interesses ist stets rechtfertigungsbedürftig,594 unabhängig davon, ob diesem Prinzip ein Vorrang oder ein Gleichrang zu dem anderen zukommt. Ebenso ist eine „Ausstrahlungswirkung“, die bei der Anwendung des einfachen Rechts zu beachten ist, logisch auch dann möglich, wenn der ausstrahlende Wert keinen Vorrang gegenüber anderen besitzt: Wird das definitiv Gebotene (Normbefehl) als Ergebnis einer Abwägung angese-

589 Vgl. BVerfGE 38, 348 (371); 87, 114 (147 f.); 91, 294 (310); 100, 226 (243); BVerfG NVwZ 2010, 957 (958). 590 BVerfGE 58, 300 (339 ff.) (Einfügung T.R.). 591 Vgl. BVerfGE 42, 263 (295); 52, 1 (32); ähnlich BVerfGE 24, 367 (389 f.). 592 BVerfGE 110, 1 (28 f.); BVerfG NJW 1996, 246 (246); wistra 2004, 378 (381); je nach BVerfGE 22, 387 (422) zur strafrechtlichen Einziehung und Verfall. 593 BVerfGE 68, 361 (372 f.); 79, 292 (303); 89, 1 (9 f.); 84, 382 (386); BVerfG NJW 1996, 246 (247); NJW 2000, 2658 (2659); NJW-RR 2005, 454 (454); zur Verwaltungsgerichtsbarkeit ebenso BVerfGE 26, 215 (226 f.); 55, 249 (247); BVerfG NJW 1990, 825; 1998, 3559 (3560); für die Umlegungsstelle BVerfG NVwZ 2000, 428 (429); ausführlich hierzu im Allgemeinen und zum Prüfungsmaßstab unten C.I.5.c). 594 Sieckmann, Rechtstheorie 25 (1994), 163 (173).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

hen und soll es auf die Einhaltung eines Prinzips überprüft werden, muss das Prinzip lediglich eine normative Verbindlichkeit aufweisen.595 Das BVerfG wendet darüber hinaus jedoch auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip i. e. S. an,596 untersucht also neben Ziellegitimität, Geeignetheit und Erforderlichkeit auch die Zumutbarkeit des Mittels.597 Hieraus folgt logisch zwingend, dass der Privatnützigkeit ein Vorrang gegenüber anderen Belangen zukommen muss. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes i. e. S. setzt voraus, dass ein Prinzip oder Wert nach maximaler Verwirklichung strebt und dabei durch andere Prinzipien/Werte Einschränkungen erfährt, diesen gegenüber aber grundsätzlichen Vorrang genießt. Dieser Wert/Prinzip (der hier nur in der zunächst unbeschränkte Freiheit des Eigentümers liegen kann) ist der Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeit.598 Um dieses Prinzip – entsprechend seinem Vorrang – in größtmöglichem Umfang zu schonen, muss der Gesetzgeber das mildeste Mittel (im Bezug auf das eine vorrangige Prinzip) ergreifen und darf ein einschneidenderes Mittel selbst dann, wenn sich das erstrebte Ziel damit besser verwirklichen lässt, nur ergreifen, wenn das damit verbundene Mehr an Freiheitseinbuße im Vergleich zu dem erzielten Vorteil akzeptabel ist. Dagegen kann bei einer Gleichrangigkeit von Eigentümer- und Allgemeinwohlbelangen nur eine allgemeine Generalabwägung beider Aspekte stattfinden; die Kontrolle ist (wegen der Symmetrie der Situation) darauf beschränkt, ob beide Aspekte irgendwie Berücksichtigung im Entscheidungsvorgang gefunden haben und die Extremgrenzen einer noch fehlerfreien Abwägung nicht verlassen worden sind.599 Folglich kann der Gesetzgeber bei diesem Modell zwischen mehreren Pareto-optimalen Lösungen frei wählen.600 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist somit immer, aber auch nur dann heranzuziehen, wenn Eingriffe in vorrangige, autonome Rechts- oder 595

Vgl. Sieckmann, Rechtstheorie 25 (1994), 163 (168 f., 171). Statt unzähliger BVerfGE 102, 1 (18); BVerfG NVwZ 2005, 203 (204); ferner oben B.II.3.a)ee)(2)(b), in Fn. 560. 597 Ausdrücklich BVerfGE 20, 351 (361); 21, 150 (156); 58, 137 (148); 70, 278 (286); BVerfGE 102, 1 (20): „Grenze dessen, was . . . zugemutet werden darf“; BVerfG NJW 1996, 246 (246, 247) m.w. N.; bereits BVerfGE 8, 71 (80). Wie hier auch die Feststellung bei M. Wolf, Anm. zu GemS-OGB, LM § 3 WEG Nr. 11 (sub 2.); ältere Nachweise bei Gentz, NJW 1968, 1600 (1601, in Fn. 8). Vgl. auch Berg, JuS 2005, 961 (965); BayVGH NJW 2005, 2569 (2570); BayObLG DVBl. 2005, 1529 (1531). 598 Vgl. Brohm, Baurecht, § 22 Rdnr. 3; Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (20); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnrn. 303, 308; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 162 f.; Zechlin, NJW 1984, 1091 (1093); ferner unten S. 188 m.w. N. Diesen Zusammenhang erkennend und das BVerfG deshalb als inkonsequent kritisierend v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 63; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 127; vgl. auch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 249 ff. 599 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 231 f.; Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21, § 22 Rdnr. 3; P. M. Huber, NJW 2011, 2385 (2389); zur Unterscheidung näher unten C.I.3.a). 600 Vgl. Sieckmann, Rechtstheorie 25 (1994), 163 (186 f.). 596

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Kompetenzsphären zu beurteilen sind.601 Insofern ist es zwingend mit dem liberalen Grundrechtsverständnis i. S. einer ideell unbegrenzten Eigentumsfreiheit verknüpft.602 Geht man somit (wie das BVerfG) davon aus, dass andere Belange „Grund und Grenze“ zulässiger Einschränkungen darstellen, wird dadurch bereits (unausgesprochen) ein „echtes“ Grundrecht vorausgesetzt.603 Ein weiterer Beleg dafür, dass das BVerfG von einer über-positivrechtlichen Eigentumsgewährleistung ausgeht, ist in dessen Forderung zu sehen, dass der Staat durch geeignete Tatbestände im einfachen Recht die Möglichkeit schafft, Verhältnismäßigkeit im Einzelfall herzustellen und Härten zu vermeiden, und dieses Postulat bei der Rechtsanwendung beachtet.604 Die Verhältnismäßigkeit ist selbst bei Verwaltungsakten zu wahren, die den Abriss geduldeter – rechtswidriger – „Schwarzbauten“ anordnen.605 Bei einem Schutzkonzept, das nur von den zugewiesenen einfachrechtlichen Rechtspositionen i. e. S. ausgeht, wäre das Verlangen nach einem verhältnismäßigen Entscheidungsergebnis nicht möglich, da in Fällen wie den genannten eine einfachrechtlich ausgestaltete Position, die zum Errichten und Halten des Gebäudes befugt hätte, nie bestanden hatte. Die Untersuchung des Gedankengangs und der Rechtfertigungsanforderungen zeigt damit, dass das BVerfG ebenfalls davon ausgehen muss, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einem materiellen Gehalt enthält und dieser grundsätzlichen Vorrang vor anderen Belangen (z. B. solchen i. S. v. Art. 14 Abs. 2 GG) besitzt. (4) Rückschlüsse auf den Inhalt der materiellen Vorgaben Als Inhalt der Eigentumsgarantie nimmt das BVerfG dabei den Schutz der beiden bereits beschriebenen beiden Komponenten an. Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Recht, Sacheigentum zu besitzen und zu gebrauchen, ohne dass gesetzliche Bestimmungen eine bestimmte Nutzung der Sache verbieten oder die Vornahme von Veränderungen gebieten.606 Positiv gewendet bedeutet dies, dass 601 Siehe nur BVerfGE 79, 311 (341); 81, 310 (338); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 308; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 244 m.w. N.; vgl. ferner Schlink, FS BVerfG, S. 447 ff.; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 229. 602 Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21, § 22 Rdnr. 3. 603 Ebenso Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 162 f.; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 59. 604 So z. B. BVerfGE 58, 137 (150); 100, 226 (241 ff.); 104, 1 (13); BVerfG NVwZ 1997, 159 (159); dem zustimmend Kischel, JZ 2003, 604 (609); vgl. ferner Julius, ZStW 109 (1997), 58 (72). – Vgl. ferner zum Unterscheid „abstrakt-generelle“ und „konkret-individuelle“ Rechtfertigung BayVerfGH BayVBl. 2003, 560 (561). 605 BVerfG NVwZ 2005, 203 (204) m. Anm. Selmer, JuS 2005, 477 f. (umfassend zur Schwarzbau-Rechtsprechung); BVerfG NVwZ-RR 1996, 483. 606 Vgl. BVerfGE 97, 350 (370); 101, 54 (75); 105, 17 (30); BVerfG NVwZ 2004, 597 (603); NVwZ 2004, 975 (976); auch BVerfG wistra 2004, 378 (381): Garantiert sei nicht nur Bestand der Eigentumsposition, sondern auch deren Nutzung.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

dem Eigentümer aufgrund des Art. 14 GG eine grundsätzlich umfassende Nutzungsbefugnis zukommt. Ferner sieht das BVerfG die vollumfängliche Verfügungsbefugnis als den verfassungsrechtlich gebotenen Normal- und Regelfall an. Dem Gesetzgeber ist die Schaffung von Rechten, über die nur in beschränkter Weise verfügt werden kann, zwar nicht ohne Weiteres verwehrt;607 doch sind solche Einschränkungen legitimationsbedürftig. Der Inhalt der Eigentumsgarantie kann daher nur lauten, dass ein Rechtsinhaber im Hinblick auf Gebrauch und Veräußerung seines Gegenstands frei sein und beliebig handeln können soll. Der Eigentümer darf insbesondere die geschützten Rechte innehaben, nutzen, verwalten und über sie verfügen.608 (5) Zusammenfassung Die gegenwärtige Praxis bei der Überprüfung staatlicher Akte durch das BVerfG zeigt, dass das BVerfG – trotz Formulierungen, die teils zu einer abweichenden Einordnung in der Literatur geführt haben – von der Existenz eigener materieller Vorgaben in Art. 14 GG und einem Vorrang der Privatnützigkeit gegenüber anderen Belangen ausgeht. Wie bei anderen Freiheitsgrundrechten legt es bei der Überprüfung staatlicher Maßnahmen (abstrakt-genereller oder konkretindividueller Art) die Struktur „Schutzbereich–Eingriff–Schranke“ zugrunde.609 Der Gesetzgeber darf deshalb bei der Setzung eigentumsrelevanter Normen Befugnisse nur soweit auszuschließen, als entgegenstehende Allgemeinwohlbelange dies erfordern und diese Maßnahmen insbesondere verhältnismäßig sind.610 Die sachbereichsabhängige Gewichtung der Interessen, bei der die soziale Funktion, die Situation und die Bedeutung für den Eigentümer besonders gewürdigt werden,611 kann dabei als fallgruppenartige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips begriffen werden, wie sie auch bei anderen Grundrechten612 praktiziert wird. 607 BVerfGE 83, 201 (209); 89, 1 (7) (Hervorhebung nicht im Original); ähnlich BVerfGE 53, 257 (291), wo es heißt, dass Einschränkungen der Verfügungsfreiheit den verfassungsrechtlichen Schutz nicht in Zweifel ziehen. 608 BVerfGE 115, 97 (111) (eine der wenigen Entscheidungen des 2. Senats zum Eigentum); vgl. ferner BVerfGE 87, 114 (138); BVerfG NJW-RR 2008, 26 (27). 609 Ebenso Brohm, Baurecht, § 1 Rdnr. 21. 610 Vgl. Herdegen, FS BVerfG, S. 288 f.; ferner Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 310; Leisner, DVBl. 1983, 61 (64). 611 Oben B.II.3.a)ee)(2)(c). 612 Zu nennen sind hier die „Dreistufentheorie“ bei Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Schlink, EuGRZ 1984, 457 (461); Hömig/Hömig, Art. 12 Rdnrn. 12 ff.), die „Kernbereichstheorie“ bei Art. 9 Abs. 3 GG und die „Sphärentheorie“ beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Vgl. zum Ganzen Heintzen, DVBl. 2004, 721 (passim, insbes. 723 ff.); Pabst, JuS 2001, 1145 (1149); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 305.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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b) Folgerungen für die Zugehörigkeit von Rechten zum Eigentum i. S. d. Art. 14 GG Aus den behandelten Ansätzen lässt sich herleiten, wann eine rechtliche Position in den gegenständlichen Schutzbereich613 des Art. 14 GG fällt: Der offene Eigentumsbegriffs geht von den vorgefundenen Regelungen aus und stellt darauf ab, ob eine erworbene Position ihrem Inhaber von der Rechtsordnung in einer Weise zugeordnet wurde, dass er die mit ihr verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.614 Maßgeblich ist dabei, ob die Rechtsposition die „Eigentumsfunktionen“ – einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen615 – erfüllen kann.616 Dies erfordert i. d. R., dass sie dem Rechtsträger ebenso ausschließlich wie Sacheigentum zur privaten Nutzung und freien Verfügung zugewiesen ist.617 Ist dies der Fall, ist das Recht als Eigentum geschützt, unabhängig davon, ob der Gesetzgeber zu seiner Schaffung und Gewährleistung verfassungsrechtlich verpflichtet war618 oder ob er es expressis verbis als „Eigentum“ bezeichnet hat.619 Geschützt wird allerdings nur der jeweilige konkrete Bestand entsprechender Rechte,620 nicht dagegen bloße Chancen, Aussichten und Möglichkeiten.621 Vom vorzugswürdigen Standpunkt eines vorgegebenen Eigentumsbildes aus lautet die Fragestellung, ob bestimmte Rechtspositionen den Schutz gegen staat613

Nach Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (167): sachlicher Einzugsbereich. BVerfGE 83, 201 (209); 89, 1 (6); 91, 294 (307); 95, 267 (300); 112, 93 (107); 115, 97 (110 f.); 126, 331 (358); zuvor RGZ 109, 310 (319). vgl. ferner Leisner, BB 1992, 73 (73 ff.). 615 Vgl. oben B.I.3. 616 BVerfGE 83, 201 (208); vgl. auch Osterloh, JuS 1991, 1058 (1058); BVerfGE 36, 281 (290). 617 Statt vieler BVerfGE 45, 142 (179); 83, 201 (208, 220); 70, 278 (285); 78, 58 (71); 79, 174 (191); 97, 207 (220); BVerfG NJW 2005, 589 (589). Kritisch v. Mangoldt/ Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 52 ff., der bei deutlichen Abweichungen vom verfassungsrechtlichen Typus den Eigentumscharakter ablehnen will. 618 BVerfGE 83, 182 (195). 619 Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 43 f. 620 Etwa BVerfGE 20, 31 (34); 68, 193 (222); auch BVerfGE 70, 115 (122). Aus der Literatur statt vieler Herdegen, FS BVerfG, S. 273 f.; Papier, JuS 1989, 630 (631); betont in BVerfG NJW 2001, 2159 (2159 f.). 621 Vgl. BVerfGE 45, 142 (171, 173); 68, 193 (222); 83, 201 (211); 78, 205 (211 f.); 105, 252 (277); BVerfG NVwZ 1991, 358; NJW 1992, 36 (37); NVwZ 2009, 1426 (1428); NVwZ 2010, 512 (514); bereits BVerfGE 28, 119 (142); 30, 292 (334 f.); 68, 193 (222 f.); 69, 196 (209); 74, 129 (148); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 990 f.; P. M. Huber, Umweltschutz, S. 47; ders., WM 1998, 633 (641). – Das Stadium einer Chance ist jedoch bereits verlassen, wenn Regeln bestehen, aufgrund derer ein späterer Eigentumserwerb vorgezeichnet ist, vgl. BVerfGE 114, 1 (37 ff., 41); BVerfG NJW 2006, 1783 (1785). 614

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liche Beschränkungen der Nutzungs- und Verfügungsgewalt genießen oder genießen müssen. Hierfür ist wiederum ausschlaggebend, ob das betreffende Recht geeignet oder notwendig ist, die o. g. „Funktionen“ des Eigentums zu erfüllen. Soweit dies zu bejahen ist, genießt ein vorhandenes Recht – und zwar abstrakt – den Schutz des Art. 14 GG.622 Eigentum i. S. d. Art. 14 GG ist damit zunächst das Sacheigentum des BGB an körperlichen Gegenständen einschließlich Grundstücken (§ 90 BGB).623 Der gegenständliche Schutzbereich ist jedoch wesentlich weiter624 und erfasst nahezu alle privatrechtlichen Besitz-, Verwaltungs- und Nutzungsberechtigungen.625 Im hier zu untersuchenden Zusammenhang des Sachenrechts sind dabei die beschränkten dinglichen Rechte zu nennen, die entweder dem Eigentum ausdrücklich gleichgestellt werden (z. B. das Erbbaurecht, § 11 Abs. 1 ErbbauRG)626 oder zumindest wie das Sacheigentum Abwehransprüche gegenüber jedermann beinhalten (z. B. das Mobiliarpfandrecht, § 1227 BGB, und die Dienstbarkeiten, § 1027 BGB) und grundsätzlich frei übertragen werden können.627 Den Schutz des Art. 14 GG genießen weiter verselbstständigte Befugniskomplexe wie etwa das Jagdausübungsrecht; dieses Verständnis ist bereits deshalb geboten, weil die Befugnis zur tatsächlichen Ausübung der Jagd nur aus Gründen der sachgerechten Hege des Wildes vom Grundstückseigentum abgespalten ist.628 Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn sind ferner die Anteilsrechte629 und die Immaterialgüterrechte630. Da es auf die „technische“ Ausgestaltung als absolutes Recht nicht ankommt,631 erstreckt sich der Schutz der Eigentumsgarantie auch auf For622 Ist eine einfachrechtliche Ausgestaltung, die hinreichend Abwehrrechte bereithält, nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber diese ggf. schaffen. 623 Vgl. Berg, JuS 2005, 961 (963 f.): Eigentum an Mobilien sei von Alters her bekannt gewesen, dagegen sei Eigentum an Grundstücken erst später anerkannt worden. 624 Seit M. Wolff, FG Kahl, S. 3, 23 (ohne weitere Begründung); Anschütz, Art. 153 Anm. 2; gegen beide und die damalige Rspr. C. Schmitt, JW 1929, 495 (495 ff., eine Einengung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes befürchtend). – Einen Überblick über die als Eigentum anerkannten Rechte geben (neben den Kommentierungen zu Art. 14 GG) z. B. Maunz, BayVBl. 1981, 321 (322 f.); Ossenbühl, FS Leisner, S. 691 f.; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 19; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 46 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 363. 625 Vgl. Kube, JZ 2001, 944 (944). 626 BVerfGE 79, 174 (191); zustimmend Broß, VerwArch 80 (1989), 395 (398 f.). 627 Zu den Besonderheiten des Nießbrauchs und der anderen subjektiv-persönlichen Rechte S. 333 ff. 628 Vgl. BGHZ 84, 261 (264); 132, 63 (65); 143, 321 (323 f.); BGH NJW 2006, 984 (985); OLG Nürnberg BayVBl. 2001, 762. 629 Vgl. Fn. 574; ferner BVerfGE 114, 1 (56 ff.): vermögenswerte Komponente des Mitgliedschaftsrechts. 630 „Geistiges Eigentum“, vgl. Ohly, JZ 2003, 545 (546 ff.); auch Badura, FS Maunz, S. 1 ff. 631 P. M. Huber, WM 1998, 633 (641).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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derungen privatrechtlicher Natur632.633 Durch die Einbeziehung dieser Rechte in den Schutz aus Art. 14 GG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in der modernen Gesellschaft die wirtschaftliche Existenz und Handlungsfähigkeit des Einzelnen auch von den zahlreichen anderen absoluten, obligatorischen und gesellschaftsrechtlichen Rechten als dem Sacheigentum geprägt wird.634 c) Folgerungen für den von Art. 14 GG geschützten Personenkreis Die freiheitssichernde Funktion des Eigentums ist auch von maßgeblicher Bedeutung für die personelle Reichweite der Gewährleistung. Auf Art. 14 GG können sich zunächst alle natürlichen Personen berufen. Grundrechtsträger sind nach Art. 19 Abs. 3 GG weiter i. d. R. inländische juristische Personen des Privatrechts, da Eigentum keinen ausschließlichen Individualbezug aufweist und deshalb von den hinter der Personenvereinigung stehenden natürlichen Personen auch kollektiv ausgeübt werden kann („Durchgriffskonstruktion“ 635).636 Juristische Personen des öffentlichen Rechts (insbesondere Gemeinden)637 können sich dagegen nicht auf die Eigentumsgarantie der Verfas632 Öffentlich-rechtliche Ansprüche (d.h. solche, deren Rechtsinhaberschaft nicht privatrechtlich begründet wird, vgl. Depenheuer/Grzeszick, NJW 2001, 385 (387)) fallen unter Art. 14 GG, wenn und soweit sie ein Äquivalent für eine eigene Leistung des Bürgers darstellen (BVerfGE 14, 288 (293 f.); 30, 292 (334); 53, 257 (291 f.); 58, 81 (109); 74, 203 (213); 75, 78 (96 f.); 88, 384 (401); 97, 350 (371); 126, 369 (390 f.); ähnlich bereits BVerfGE 1, 264 (278 f.); 2, 380 (399 ff.); 4, 219 (240); anders BGHZ 6, 270 (278); Darstellung bei Papier, JuS 1989, 630 (631 f.); Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 5; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnrn. 25 ff.; Herdegen, FS BVerfG, S. 275 ff.; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 95). Bei Ansprüchen mit Entschädigungscharakter kommt es darauf an, ob eine rechtsstaatliche Verpflichtung zur Wiedergutmachung besteht (BVerfGE 84, 90 (125 f.); 95, 48 (58 f.); 126, 331 (358); BVerfG NJW 2000, 1486 (1486); VIZ 2002, 621 (621); Depenheuer/Grzeszick, NJW 2001, 385 (388 f.); a. A. früher BVerwGE 98, 147 (150 f.)). 633 BVerfGE 28, 119 (141 f.); 42, 263 (293); 45, 142 (179); 83, 201 (208); 105, 17 (30); 112, 93 (107); 115, 97 (111); BVerfG NJW 2001, 2159 (2159); NJW 2005, 589 (589); BGH NJW-RR 2006, 570 (571); bereits RGZ 107, 370 (375); 109, 310 (319); 111, 224 (227); 111, 320 (328); siehe ferner Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 3; Papier, JuS 1989, 630 (631); alle m.w. N. – Bereits Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, § 18 ff. (S. 271 ff.) stellt das „persönliche Recht“ auf eine Stufe mit dem „Sachenrecht“. 634 Vgl. Badura, FS Maunz, S. 8 f.; Kube, JZ 2001, 944 (944); Schoch, Jura 1989, 113 (117). 635 Vgl. P. M. Huber, WM 1998, 633 (639); BVerfGE 68, 193 (206); 75, 192 (196). 636 BVerfGE 4, 7 (17); 21, 362 (369); 35, 348 (360); 53, 336 (345); BVerfG NVwZ 2009, 1282 (1282 f.); Beschl. v. 23.7.2002, Az. 2 BvR 403/02, Rz. 10; Hömig/Antoni, Art. 19 Rdnr. 10; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 19 II 2 c; vgl. auch P. M. Huber, WM 1998, 633 (639); Häberle, AöR 109 (1984), 36 (70). 637 BVerfGE 61, 82 (100); BVerfG Beschl. v. 23.7.2002, Az. 2 BvR 403/02, Rz. 11, 14; Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 3, Art. 19 Rdnr. 8; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 8. Anders insoweit zu Art. 103 Abs. 1 BayVerf: BayVerfGHE 29, 1 (5); 105 (119) 37, 101 (105 ff.); zu Art. 14 GG ferner Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 69.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

sung berufen, weil vom Staat geschaffene juristische Personen grundsätzlich nicht der Freiheitsentfaltung der Bürger wegen bestehen. Aus diesem Grund genießen auch juristische Personen des Privatrechts, deren Zweck ausschließlich die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist, nicht den grundrechtlichen Schutz des Eigentums.638 Plakativ wird dies in dem Satz ausgedrückt, Art. 14 GG schütze nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater.639 Die Einschränkung des Schutzes durch die Eigentumsgarantie auf „echte Private“ bedeutet nicht, dass die einfachrechtlichen Normen zu den Abwehr- und Schadensersatzansprüchen nicht auch auf das Handeln der genannten juristischen Personen anwendbar wären.640 Der Gesetzgeber hat – wenngleich er dazu verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war – das Eigentum im BGB und auch in den übrigen zivilrechtlichen Gesetzen unabhängig davon ausgestaltet, wer sein Inhaber ist. Die einfachrechtlichen Rechte und Pflichten gelten somit auch für Nicht-Grundrechtsträger; diese können lediglich nicht die Überprüfung der eigentumsregelnden Normen und ihrer Anwendung an Art. 14 GG verlangen. Soweit es um die gerichtlichen Durchsetzung der einfachgesetzlichen Ansprüche aus den Eigentumsrechten geht, können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts etc. allerdings auf den Gleichheitssatz und die grundrechtsähnlichen Rechte der Art. 101 Abs. 1 S. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG berufen, da diese Verfahrensgrundsätze jeder Person zustehen, der an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist.641

III. Einordnung privatrechtlicher Regelungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums Art. 14 GG befasst sich in Abs. 3 mit der Enteignung und stellt für diese besondere formelle und materielle Voraussetzungen auf. Diese Vorgaben sind – wie 638 BVerfG NJW 1990, 1783; NVwZ 2009, 1282 (1283); BVerfGE 21, 362 (369); 68, 193 (206); 75, 192 (196 ff.); BayVerfGH BayVBl. 2009, 760 (761). – Nach BVerfG NJW 1990, 1783; BVerfGE 128, 226 (244 ff.) gilt dies selbst, wenn an dem Unternehmen auch Private beteiligt sind, soweit die öffentlichen Hand einen beherrschenden Einfluss ausübt; zustimmend v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 195; P. M. Huber, Umweltschutz, S. 54 mit Nachweisen zur Gegenansicht (Endn. 59); a. A. SchmidtPreuß, AG 1996, 1 (7); kritisch zum sich hieraus ergebenden strikten Entweder-Oder Enders, JZ 2011, 577 (578); Pfeiffer, LMK 2011, 322526. 639 BVerfGE 61, 82 (108 f.); BVerfG Beschl. v. 23.7.2002, Az. 2 BvR 403/02, Rz. 11; zustimmend Berg, JuS 2005, 961 (962); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 194; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 11. 640 Zum Problem vgl. auch Ehlers, Die Verwaltung 20 (1987), 373 (381 ff.). 641 Zu den Verfahrensgrundrechten jeweils BVerfGE 6, 45 (49 f.); 13, 132 (139 ff.); 21, 362 (373); 61, 82 (104); 65, 227 (233); 75, 192 (200); 75, 201 (215); BVerfG DVBl. 2003, 661 (661) m.w. N.; auch BVerfGE 54, 277 (292); Hömig/Antoni, Art. 19 Rdnr. 8. Dies gilt sogar für ausländische Staaten, BVerfG DVBl. 2003, 661 (661). Zur Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes in diesen Fällen vgl. BVerfGE 35, 263 (271 f.).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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sogleich zu zeigen sein wird (unter 1.) – anders und vor allem strenger als die, die für Inhalts- und Schrankenbestimmungen gelten. Dies macht erforderlich, eine Norm, die den Schutzbereich der Eigentumsgarantie berührt und auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung untersucht werden soll, zunächst einer der beiden Regelungsarten „Inhalts- und Schrankenbestimmung“ oder „Enteignung“ zuzuordnen,642 was wiederum voraussetzt, die maßgeblichen Merkmale für die (im Grundgesetz nicht näher definierte) Enteignung herauszuarbeiten (unter 2.). 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Enteignungen, Art. 14 Abs. 3 GG a) Erscheinungsformen der Enteignung Eine Enteignung kann, wie aus Art. 14 Abs. 3 S 2 GG hervorgeht, unmittelbar durch ein Gesetz (sog. Legalenteignung oder Legislativenteignung) oder in Anwendung eines Gesetzes durch eine Einzelfallmaßnahme (insbesondere643 einen Verwaltungsakt, sog. Administrativenteignung) erfolgen.644 In beiden Fällen beruht der Rechtsverlust auf einer einseitigen, verbindlichen Rechtsfolgenanordnung der öffentlichen Gewalt. Bei faktischen Eigentumsbeeinträchtigungen durch 642 Ein Rechtssatz mit Auswirkungen auf das Eigentum kann nur entweder Inhaltsund Schrankenbestimmung oder Enteignung sein; „tertium non datur“, siehe nur Haas, NVwZ 2002, 272 (273); Jarass, NJW 2000, 2841 (2842). Üblich ist hierbei, die Inhaltsund Schrankenbestimmungen dadurch zu konturieren, dass die Regelungen, die Enteignungen darstellen, ausgeschieden werden, vgl. Haas, NVwZ 2002, 272 (273); Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 7. 643 Schwabe, JZ 1983, 273 (277 ff.); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (835); Maunz/ Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 549 ff. lassen auch Rechtsverordnungen und Satzungen zu. – Eine Enteignung durch Rechtsverordnung der Bundesregierung sieht z. B. das Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes v. 7.4.2009 in § 2 Abs. 1 vor. 644 Vgl. BVerfGE 45, 297 (324 ff.); 58, 300 (330 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1000; Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (835); Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 600 f.; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 77, 80, 93. Die Möglichkeit der Legalenteignung wurde unter Geltung des Art. 153 Abs. 2 S. 1 WRV, nach dem die Enteignung „auf gesetzlicher Grundlage“ zu erfolgen hatte, inzident seit RGZ 103, 200 (201 f.); 107, 261 (269); 107, 370 (375); ausdrücklich seit RGZ 109, 310 (317 f.); 111, 320 (325 f.); 129, 146 (148 f.); StGH RGZ 124, 19* (33*) anerkannt; vgl. auch Anschütz, Art. 153 Anm. 8, 10; v. Bohlen, JW 1933, 2251 (2252); BVerfGE 4, 219 (232). – Bei Legalenteignungen verlangt die h. M. wegen Art. 19 Abs. 4 GG (Verschlechterung der Rechtsschutzmöglichkeit) und Art. 20 Abs. 2 GG (Verschiebung der Kompetenzverteilung zwischen Exekutive und Legislative) zusätzlich ein besonderes, im beabsichtigten Vorhaben wurzelndes Bedürfnis nach rascher Durchsetzung der Enteignungsmaßnahme, vgl. BVerfGE 24, 368 (398 ff., insb. S. 403); 45, 297 (324 ff., insb. S. 331); 95, 1 (17 ff., 22 f.); Berg, JuS 2005, 961 (966); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (34 f.); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 75; Maurer, FS Dürig, S. 306; Ossenbühl, JuS 1993, 200 (202). Die Rechtsschutzdefizite relativierend Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 557 ff.; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 426; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (240, Fn. 154).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Realakte (enteignender bzw. enteignungsgleicher Eingriff) kann Art. 14 Abs. 3 GG daher nicht „entsprechend“ herangezogen werden.645 b) Allgemeinwohlanforderungen und Bedeutung des Enteignungszwecks – Zulässigkeit von „Enteignungen zugunsten Privater“ Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG lässt die Enteignung nur zu, wenn das „Wohl der Allgemeinheit“ sie erfordert. Die Enteignung setzt danach ein besonders schwerwiegendes und dringendes öffentliches Interesse an der Durchführung der Maßnahme voraus.646 Diese strengeren Anforderungen647 lassen sich historisch mit der Vorstellung eines staatlichen Notrechts erklären.648 Auch nach heutigem Verständnis ist die Enteignung ihrem Wesen nach ein besonderes Hilfsmittel zur Verwirklichung staatlicher Aufgaben: Der Staat muss sich die von ihm zur Aufgabenerfüllung benötigten Güter grundsätzlich mit den „üblichen Mitteln der Rechtsordnung“ – d.h. durch privatautonome Übertragungsvorgänge – beschaffen. Art. 14 Abs. 3 GG versetzt ihn jedoch in der Lage, vom Gemeinwohl geforderte Vorhaben ausnahmsweise auch dann umzusetzen, wenn sie auf diese Weise mangels Veräußerungsbereitschaft des/der Eigentümer nicht durchzuführen wären.649 645 Statt vieler v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 416; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238); Papier, JuS 1989, 630 (632); Rennert, VBlBW 1995, 41 (43); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 82; BGHZ 99, 24 (28). Der BGH stützt die genannten Rechtsinstitute seit BGHZ 90, 17 (29 ff.) bzw. BGHZ 91, 20 (28) auf den allgemeinen Aufopferungsgedanken, wie er in den im gesamten Bundesgebiet gewohnheitsrechtlich weitergeltenden §§ 74, 75 EinlPrALR enthalten ist (daran trotz Kritik der Literatur festhaltend etwa BGHZ 122, 76 (77 f.); billigend BVerfG NJW 2000, 1402). Von der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Vorschriften über den Aufopferungsanspruch ging bereits RGZ 145, 107 (109) m.w. N. aus, das sie auf schuldlos-rechtswidrige Eingriffe anwendete (vgl. dazu v. Bohlen, JW 1933, 2251 (2253 f.)). Soweit nicht Eigentum i. S. d. Art. 14 GG betroffen war, zog der BGH bereits früher §§ 74, 75 EinlPrALR heran, vgl. BGHZ 13, 88 (90). – Allgemein zu Entwicklung und Tatbestandvoraussetzungen der beiden Rechtsinstitute v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 ff.; F. Baur, FG Sontis, S. 184 ff.; Brüning, JuS 2003, 2 (passim, insb. S. 7 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 455; Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 602 ff.; Papier, JuS 1985, 184 (185); ders., JuS 1989, 630 (630). 646 BVerfGE 74, 263 (289); BVerfG NVwZ 2009, 1229 (1230); Böhmer, SV in BVerfGE 56, 249 (274); BVerwGE 106, 365 (377); 117, 138 (139); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 585; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 161; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (240). – Die öffentlichen Interessen müssen grundsätzlich solche der deutschen Bevölkerung sein, siehe nur BVerwGE 117, 138 (140 f.) unter Berufung auf Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (22). 647 Die Formulierung ist mit der in Art. 14 Abs. 2 GG zwar identisch, doch herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die Maßstäbe unterscheiden, vgl. Kübler, AcP 159 (1960), 236 (251 f.) sowie die folgende Fn.; a. A. Wilhelm, JZ 2000, 905 (909). 648 Ausführlich Link, FS Scholz, S. 309 (315 f., 320 f.). 649 Vgl. BVerfGE 45, 297 (321 f.); 56, 249 (261); BVerfG NVwZ 2003, 726 (727) m.w. N.; Böhmer, SV in BVerfGE 56, 249 (290 f.); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (235); Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (219); BVerwGE 1, 225 (228); ferner Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911). Die Fälle des BLG können außer Betracht bleiben.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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Hieraus folgt, dass (1.) das verfolgte Vorhaben der Gemeinwohlverwirklichung dienen muss,650 (2.) es zu dessen Verwirklichung unumgänglich sein muss, den konkreten Gegenstand als „Mittel zum Zweck“ in die Hand des Staates zu bringen,651 und (3.) die Enteignung zur Beschaffung des Gegenstands ultima ratio sein muss.652 Die Einschätzung eines Vorhabens als „notwendig“ ist dabei als vorgelagerte politische Zweckmäßigkeitsentscheidung an sich nur eingeschränkt justiziabel, muss aber gleichwohl einer detaillierten gerichtlichen Überprüfung standhalten.653 Die Gemeinwohlbelange und die Zwecke, zu deren Erreichung enteignet werden darf, müssen von dem nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung jeweils zuständigen Gesetzgeber in einem formellen Gesetz klar festgelegt und spezifiziert werden.654 Der Vermögenserwerb des Staates als solcher (sog. fiskalische Interessen) kann nie Ziel einer zulässigen Enteignung sein.655 Da der Grundrechtsträger einen Entzug seines Gegenstands nur hinnehmen muss, wenn das verfolgte Vorhaben in jeder Hinsicht rechtmäßig ist, muss die mit einer Enteignung verfolgte Maßnahme sämtliche (d.h. auch rein objektiv-rechtliche) Vorgaben der Rechtsordnung einhalten.656 Die besondere Bedeutung des Gemeinwohlzwecks, der mit Hilfe der enteigneten Sache verwirklicht werden soll, zeigt sich weiter darin, dass der Staat zur Rückübertragung der Sache verpflichtet ist, wenn das angestrebte Vorhaben in650 BVerwGE 117, 138 (143) hält unter Berufung auf BVerfGE 56, 249 (264) fest, dass Art. 14 Abs. 3 GG nicht verlangt, dass das zu verwirklichende Vorhaben vom Gemeinwohl gefordert wird (a. A. Böhmer, SV in BVerfGE 56, 249 (279)). 651 Vgl. BVerfGE 38, 175 (180); 66, 248 (257); BVerfG NJW 1999, 1176; NVwZ 2003, 726 (727); OLG Stuttgart SpuRt 2002, 27 (29); BVerwGE 106, 365 (375 f.); Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1587 (1588); Eschenbach, Jura 1997, 519 (521). 652 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 433; P. M. Huber, WM 1998, 633 (644); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 170; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 589; Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (833); ders., FS Friauf, S. 409. 653 Vgl. im Einzelnen BVerfGE 45, 297 (321) gegen die Ansicht des HansOLG Hamburg als Vorinstanz; BVerfG NJW 1999, 1176; NVwZ 2003, 726 (727); BVerwGE 106, 365 (372 ff.); 117, 138 (139); Breuer, DVBl. 1981, 971 (974); Leisner, DVBl. 1988, 555 (557) m.w. N. Speziell zur Prüfung bei „mehraktigen“ Verfahren BVerfG NVwZ 2003, 726 (727); NVwZ 2009, 1229 (1230); ThürOVG Jena, ZfB 2004, 137 (143 ff.); BayVGH BayVBl. 2005, 210 (210 f.). 654 Siehe hierzu BVerfGE 24, 367 (403 ff.); 56, 249 (261 ff.); 74, 264 (285 ff., 296 f.); BVerfG NVwZ 2009, 1229 (1230); BVerwGE 87, 241 (246 f.); 117, 138 (145); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2564); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 424; Leisner, DVBl. 1988, 555 (557); H. J. Müller, NJW 1981, 1254 (1254); Maunz/Dürig/ Papier, Art. 14 Rdnr. 552; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (219); ders., NJW 1987, 1587 (1588 f.). – Unzulässig ist daher auch, mit der Enteignungsmaßnahme verdeckt andere Zwecke zu verfolgen, BVerwGE 106, 365 (376 f.). 655 Siehe nur BVerfGE 24, 367 (407); 38, 175 (180); BVerfG NJW 1999, 1176; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 431; P. M. Huber, WM 1998, 633 (646); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 576; Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 15; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 169; bereits M. Wolff, FG Kahl, S. 15; Anschütz, Art. 153 Anm. 11. 656 Vgl. etwa BVerfGE 38, 175 (185); BVerwGE 67, 74 (76); 77, 86 (91); 87, 241 (252) m.w. N.; ThürOVG Jena, ZfB 2004, 137 (144).

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nerhalb angemessener Zeit nicht realisiert wird oder sich nicht realisieren lässt (sog. „Rückenteignung“ 657):658 Erübrigt sich der (zunächst) legitimierende Zweck, ist damit zugleich die Enteignung und die in ihr liegende Übertragung des Eigentums nicht mehr gerechtfertigt.659 Für die Frage, ob ein Vorhaben in der geforderten Weise der Gemeinwohlverwirklichung dient, ist nicht die Person des unmittelbar begünstigten Rechtsträgers, sondern der Zweck der Enteignung entscheidend.660 Allgemeinwohlinteressen lassen sich häufig – insbesondere im Bereich der Struktur- und Wirtschaftsförderung – nur in Zusammenarbeit mit Privaten verwirklichen; öffentliche und private Interessen decken sich auch oftmals und lassen sich kaum trennen.661 Enteignungen sind deshalb auch zulässig, wenn sie zugunsten privater Rechtsträger erfolgen und dadurch mittelbar662 dem Gemeinwohl dienen.663 Generell un-

657 Zu Recht kritisch zu diesem Terminus Bryde, JuS 1993, 283 (283 in Fn. 2); BVerfGE 38, 175 (179); vgl. ferner BGHZ 76, 365 (368 f.). 658 BVerfGE 38, 175 (181, 185); 97, 89 (96) (noch offengelassen in BVerfGE 24, 367 (409)); BGHZ 84, 1 (5); 135, 92 (97, 99); BayVGH BayVBl. 2005, 210 (213); aus der Literatur Eschenbach, Jura 1997, 519 (521); Bryde, JuS 1993, 283 (283 ff.); Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnrn. 15, 19; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 438 ff.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 591; Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 155 f. Entsprechende einfachgerechtliche Vorschriften finden sich z. B. in §§ 102 f. BauGB, § 57 LBeschG, § 96 BBergG, Art. 16 f. BayEnteigG. 659 Vgl. BVerfGE 38, 175 (180 f.); 97, 89 (97); BGHZ 76, 365 (368 f.). 660 Statt vieler v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 435; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (240); BVerwGE 87, 241 (247 f.). 661 Vgl. Breuer, DVBl. 1981, 971 (974 f.); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 84; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 435 ff.; P. M. Huber, WM 1998, 633 (645 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 578, 582; Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (833); ders., NJW 1987, 1587 (1588); BVerfG NVwZ 2003, 197 (198); BVerwG NVwZ 1999, 407 (408); OLG Stuttgart SpuRt 2002, 27 (29); grundsätzlich auch Schwabe, FS Thieme, S. 255; kritisch dagegen Böhmer, SV in BVerfGE 56, 249 (285 ff.); Leisner, DVBl. 1988, 555 (556 f.). 662 BVerfGE 74, 264 (285). 663 Im Hinblick auf die Abwägung der Belange, die Anforderungen an die Plausibilität der Zweckerreichung und die Sicherungen gegen einen zweckwidrigen Einsatz der enteigneten Sache ist zwischen Enteignungen zugunsten juristischer Personen des Privatrechts, die dem öffentlichen Wohl dienen (z. B. Nahverkehrs- oder Energieversorgungsunternehmen) und zugunsten „echter“ Privater zu differenzieren: Während bei den erstgenannten – insbes., weil sie ohnehin besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen – die gemeinwohlverträgliche Nutzung vermutet werden kann, ist bei Enteignungen zugunsten sonstiger Privater, die i. d. R. eigene Interessen verfolgen, eine besondere Sicherung geboten, die gewährleistet, dass der enteignete Gegenstands dauerhaft für den Allgemeinwohlzweck eingesetzt wird und die Gemeinnützigkeit nicht überwuchert und verdrängt wird. Siehe zum Ganzen BVerfGE 66, 248 (257 ff.); 74, 263 (285 f.); BVerwGE 87, 241 (254); 106, 365 (368 ff.); 117, 138 (144) (zu einem Privatunternehmen, hinter dem ein ausländischer Staat steht); BVerwG NVwZ 1999, 407 (408 f.); Böhmer, SV in BVerfGE 56, 249 (287); Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1587 (1588); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 586. – Für Inhalts- und Schrankenbestimmungen vgl. demgegenüber BVerfG NVwZ 2003, 197 (198); Breuer, DVBl. 1981, 971 (975).

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zulässig sind lediglich Enteignungen, die darauf abzielen, die Privatrechtsordnung zu reformieren, Vermögensverschiebungen und Eigentumsumschichtungen zwischen Privaten zu ermöglichen oder private Interessen zu schlichten, da es sich bei solchen Maßnahmen um Enteignungen zugunsten privater Interessen handeln würde.664 c) Entschädigungs- und Rechtsweggarantie; Rechtsfolgen verfassungswidriger Enteignungen Hat der Eigentümer aufgrund übergeordneter Interessen einen Rechtsverlust in Gestalt einer Enteignung hinzunehmen, ist ihm hierfür eine angemessene Entschädigung zu leisten.665 Art. 14 Abs. 3 GG selbst garantiert allerdings die Entschädigung nur mittelbar. Die Junktim-Klausel in Art. 14 Abs. 3 S. 2 u. 3 GG statuiert primär eine Entschädigungs-Regelungspflicht,666 der zufolge der Gesetzgeber die Pflicht zur Entschädigung sowie deren Art und Höhe im Enteignungsgesetz selbst festzuschreiben hat. Hierdurch soll er sich bewusst werden, welchen besonderen und tiefgreifenden Eingriff er dem Bürger zumutet667 und dass er zu 664 Böhmer, SV in BVerfGE 56, 249 (290 f.); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238 f.); Jochum/Durner, JuS 2005, 412 (414); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 577; Weber, NJW 1950, 401 (403); bereits Anschütz, Art. 153 Anm. 11. – Das Verbot derartiger Enteignungen ergibt sich zudem daraus, dass Art. 15 den Kreis der Wirtschaftsgüter, die in eine Gemeinwirtschaft überführt werden dürfen, abschließend festlegt (Hömig/Antoni, Art. 15 Rdnr. 3; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 III 2; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1033). Die Sozialisierung nach Art. 15 GG muss daher das einzige zulässige Mittel sein, um vorhandene Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen zu verändern (vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 662; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 III 2). Eine Umverteilung von Gütern einer bestimmten Gruppe mittels des Enteignungsrechts wäre jedoch sachlich eine Sozialisierung dieser Gütergruppe (vice versa: eine Sozialisierung ist eine strukturelle Enteignung), die somit wegen der beschriebenen Spezialität des Art. 15 GG nicht zulässig ist. Vgl. Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 1032 f.; Weber, NJW 1950, 401 (403, 405). Diese Überlegung gilt unabhängig davon, ob man die Sozialisierung als eigenständiges Institut ansieht (vgl. dazu v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 15 Rdnr. 14; v. Münch/Kunig/ Bryde, Art. 15 Rdnr. 6). 665 BVerfGE 24, 367 (401); 38, 175 (185); 45, 297 (332); 56, 249 (260); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2564). Nach Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 246 f. m.w. N., folgt dies aus Art. 3 Abs. 1 GG; ähnlich Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 331; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 7; Link, FS Scholz, S. 309 (321 f., zur historischen Entwicklung); a. A. Lerche, JuS 1961, 237 (241, m. Fn. 32). 666 Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 607; ders., JuS 1995, 473 (474); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 276 f., auch S. 92 ff.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 566; v. Mangoldt/Klein/ Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 428; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 89; BVerfGE 4, 219 (231, 233); 46, 268 (285). 667 Vgl. BVerfGE 45, 297 (321); 56, 249 (261); BVerwGE 84, 361 (365); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2565); Burgi, NVwZ 1994, 527 (528); P. M. Huber, WM 1998, 633 (644); Kraft, BayVBl. 1994, 97 (99); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 173; Maurer, FS Dü-

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einer Entschädigung verpflichtet ist („Warn- und Besinnungsfunktion“ 668); zudem soll dem (oftmals tangierten) Budgetrecht des Parlaments Rechnung getragen werden.669 Wegen dieser Pflicht zur positivrechtlichen Anordnung der Entschädigungsleistung genügt bei einer Enteignung i. S. v. Art. 14 Abs. 3 GG eine sog. salvatorische Entschädigungsklausel nicht.670 Die vorgesehene Entschädigung muss nach Art und Umfang sachgerecht sein. Sie muss nicht zwingend in Form der Geldzahlung erfolgen, sondern kann auch durch Überlassung gleichwertiger anderer Gegenstände (praktisch relevant: Ersatzland) erfolgen.671 Wird die Entschädigung – wie regelmäßig – in Geld geleistet, muss sich ihre Höhe grundsätzlich am Verkehrswert der Sache672 orientieren, da die Ausgleichszahlung eine Ersatzbeschaffung ermöglichen soll.673 Wegen Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG ist jedoch nicht ausgeschlossen, mit Rücksicht auf die konkreten Umstände und die Sozialpflichtigkeit im Einzelfall eine geringere Entschädigung vorzusehen.674 rig, passim, insb. S. 302; Pietzcker JuS 1991, 369 (370, 372); Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2544). 668 Siehe nur v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 88; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 561; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 87; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 195; vgl. ferner BVerfGE 4, 219 (235); v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 192; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 428, 444; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1385); Steinberg, NJW 1981, 550 (557). 669 Vgl. BVerfGE 4, 219 (234 ff.); 46, 268 (287); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 561; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 88; Kube, Jura 1999, 465 (467); Pietzcker, JuS 1991, 369 (371); Rennert, VBlBW 1995, 41 (42); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 173; bereits Anschütz, Art. 153 Anm. 13; kritisch aber BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 194. 670 BVerwGE 84, 361 (364 f.); BGHZ 121, 328 (332); Pietzcker, JuS 1991, 369 (371). 671 BVerfGE 74, 263 (283); BVerfG NVwZ 1999, 62 (62); w. Nw. unten Fn. 785; beiläufig auch Bryde, JuS 1993, 283 (284). Wilhelm, JZ 2000, 905 (910) will die Geldentschädigung ausschließen, wenn andere verhältnismäßigere Entschädigungsarten zur Verfügung stehen; anders Kreft, WM 1982 Beiheft 7, S. 4. 672 Relevanter Bemessungszeitpunkt ist dabei gewöhnlich der Erlass des enteignenden Rechtsakts. Bei „enteignungsrechtlicher Vorwirkung“ ist auf den Akt abzustellen, der die materielle Entscheidung über die Enteignung trifft, vgl. BVerfGE 74, 263 (281 ff.); 95, 1 (22); BGHZ 155, 27 (33 f.); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (241 f.); Jarass, NJW 2000, 2841 (2845); Jochum/Durner, JuS 2005, 412 (414 f.); Kreft, WM 1982 Beiheft 7, S. 12 ff.; Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (838). 673 BGHZ 57, 359 (368); 119, 62 (64 f., 68); OLG Nürnberg BayVBl. 2001, 762; Berg, JuS 2005, 961 (966); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (242); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 181 f.; ders., DVBl. 1988, 555 (555, Fn. 10); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 600 ff.; Rapsch, UPR 1985, 46 (47 f.); Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 171; Maunz/ Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 7; siehe ferner den Überblick bei Kreft, WM 1982 Beiheft 7, S. 4, 7 f.; a. A. Rittstieg, JZ 1983, 161 (166). 674 BVerfGE 24, 367 (420 f.); 46, 268 (285); zustimmend Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 18; Jarass, ZHR 139 (1975), 557 (565); Jochum/Durner, JuS 2005, 412 (415); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 163; zur Rechtsprechung Kreft, WM 1982 Beiheft 7, S. 4, 6 ff.; zu beachtlichen Faktoren bei der vorzunehmenden Abwägung Scheuner, Ver-

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Ist eine Enteignung wegen Nichtbeachtung einer der Vorgaben rechtswidrig,675 ist der vorherige Zustand wiederherzustellen.676 Die Zahlung einer Entschädigung kann eine Heilung der Verfassungswidrigkeit nicht bewirken.677 2. Einordnung privatrechtlicher Regelungen in die Systematik des Art. 14 GG a) Keine Möglichkeit der Zuordnung allein aufgrund der zivilrechtlichen Natur einer Norm Die Voraussetzungen, unter denen Enteignungen zulässig sind, sind damit anders und vor allem strenger als die, unter denen eine Schrankenbestimmung mit der Verfassung in Einklang steht. Vor der der Untersuchung der materiellen Verfassungsmäßigkeit einer Norm muss daher die Vorfrage geklärt werden, ob die Norm Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung ist, weil hiervon der Prüfungsmaßstab abhängt. Soweit es dabei um Rechtsnormen des Zivilrechts geht, wäre allerdings eine spezifische Untersuchung jeder einzelnen Norm entbehrlich, wenn sich die Zuordnung zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 3 GG bereits eindeutig aus der Qualifikation als privatrechtliche Norm ergäbe. Dies wäre entweder dann der Fall, wenn jede privatrechtliche Norme Inhalts- und Schrankenbestimmung wäre, oder dann, wenn jede privatrechtliche Norm Enteignung wäre. Letzteres kann ausgeschlossen werden, weil – unabhängig davon, ob man die Subjektstheorie oder die Interessentheorie heranzieht678 – zivilrechtliche Normen Inhalts- und Schrankenbestimmungen sein können.679 Die Normen des privaten Sachenrechts befassen sich typischerweise damit, welche Befugnisse dem Eigenfassungsschutz des Eigentums, S. 128 ff. – Ausgeschlossen ist die gänzliche Versagung eines Ausgleichs, Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 II 7. 675 Nach zutreffender Ansicht ist die Rechtmäßigkeit keine Tatbestandsvoraussetzung der Enteignung. Es ist nicht erkennbar, dass der Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 3 GG auf verfassungsmäßige Regelungen beschränkt sein soll; die Bestimmung soll vielmehr eine Aussage über die Verfassungsmäßigkeit treffen. Die Eingriffsform ist unabhängig von den jeweils geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen zu bestimmen. Wie hier Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 92 ff.; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 420; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 111; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 78; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 57 (Nw. zur Gegenansicht auf S. 67); Jarass, NJW 2000, 2841 (2845); Lerche, JuS 1961, 237 (240, in Fn. 27); M. Wolff, FG Kahl, S. 20; RGZ 111, 320 (327 f.); ebenso wohl das BVerfG vgl. BVerfGE 46, 268 (287); 56, 249 (261): „. . . Enteignungen sind verfassungswidrig . . .“; a. A. Brüning, JuS 2003, 2 (6) m.w. N.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 544 ff. 676 Böhmer, NJW 1988, 2561 (2564); Martens, FS Schack, S. 93. 677 Siehe bereits BVerfGE 4, 219 (232 f.). 678 Oben A.II.1., in Fn. 44. 679 Vgl. BGHZ 48, 46 (49 f.); 53, 226 (234); unten Fn. 804.

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tümer im Umgang mit der Sache gegenüber anderen Personen (und zwar sowohl anderen Privaten als auch staatlichen Körperschaften) zustehen, um dem privaten Eigentümer Handlungsspielräume gegenüber den anderen zu schaffen und umgekehrt. Solche Regelungen sind aber klassischer Inhalt von Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Eine eindeutige Zuordnung allein aufgrund des zivilrechtlichen Charakters würde daher voraussetzen, dass zivilrechtliche Regelungen denknotwendig nie Enteignungen sind.680 Eine derartige Regel lässt sich jedoch nicht aufstellen. Im Erlass eines Zivilrechtssatzes, der bei Verwirklichung bestimmter Tatbestandsmerkmale Befugnisse aberkennt oder das Recht übergehen lässt, lässt sich – jedenfalls als Konstruktion und ungeachtet der Frage, ob dies bei Anlegung der gebotenen Kriterien zulässig ist – stets ein Entzug der Befugnisse oder des Rechts sehen, der lediglich vorläufig latent bleibt und sich erst später durch das Handeln eines Privaten (das den Tatbestand auslöst) aktualisiert.681 Einem solchen Rechtssatz könnte der Charakter als zivilrechtliche Norm auch nicht deshalb abgesprochen werden weil die Befugnisse auf einen Privaten – und nicht einen Hoheitsträger – übertragen werden:682 Selbst bei klassischen Administrativenteignungen hängt der öffentlich-rechtliche Charakter nicht davon ab, ob der Enteignungsbegünstigte (d.h. diejenige Person, der Rechte oder Befugnisse verschafft werden) ein Hoheitsträger oder ein Privater ist; dann ist aber nicht zu erklären, warum für die Einordnung der Legalenteignung dieses Kriterium entscheidend sein soll.683 Ebenso führt das Theorem, die Enteignung müsse stets „vom Staat ausgehen“ 684, nicht weiter, da die Rechtsnorm, die anordnet, dass ein bestimmter Tatbestand zu einem Rechtsverlust führt, immer von einem Hoheitsträger geschaffen ist und somit – theoretisch-konstruktiv – eine Legalenteignung darstellen kann.685 Ein innerer Grund, weshalb zivilrechtliche Normen nie dem strengen Maßstab des Art. 14 Abs. 3 GG zu unterwerfen sein sollen, ist ebenso 680 Enteignungen wären dementsprechend stets öffentlich-rechtlicher Art; so Schwabe, JZ 1983, 273 (275), der diese Auffassung als „ganz herrschend“ bezeichnet; SchulzeOsterloh, NJW 1981, 2537 (2544). Diese Ansicht dürfte auf einer Verallgemeinerung der Aussagen in BVerfGE 14, 263 (277) beruhen. 681 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 61 f.; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 107 f.; Papier, JuS 1989, 630 (632). 682 Dahin tendierend aber Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238 f., in Fn. 142). 683 Siehe zur Problematik auch Schwabe, JZ 1991, 777 (778, in Fn. 7). 684 BVerfGE 14, 263 (277); ähnlich BGHZ 48, 46 (49); dem folgend P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 117, der das Attribut „unmittelbar“ hinzufügt, dieses aber nicht konturiert; wiedergebend ferner Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 13. 685 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (220); Leisner, NJW 1975, 233 (235); Papier, JuS 1989, 630 (632); Schick, BayVBl. 1962, 348 (348 f.). – Selbst, wenn ein Gesetz (wie bei der Administrativenteignung) einen weiteren Verwaltungsakt erfordert, ist eine Konstruktion als Legalenteignung logisch möglich, vgl. Schwabe, JZ 1991, 777 (778). Diese Argumentation entspricht reziprok der zur „logischen Falle“ bei Osterloh, DVBl. 1991, 906 (912) (unten Fn. 721).

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nicht erkennbar; immerhin kann der Gesetzgeber weitgehend beliebig wählen, ob er anderen den Zugriff auf fremdes Eigentum – sei es in einzelnen Beziehungen (wie beim Notweg) oder ganz (wie bei Erwerbstatbeständen) – erst nach einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung eintreten lässt oder er dem Privaten diese Befugnis unmittelbar zukommen lässt.686 Die Frage, ob und wann eine „zivilrechtliche Enteignung“ vor Art. 14 Abs. 3 GG Bestand haben kann,687 ist für die Einordnung des Rechtssatzes als Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung ohne Bedeutung.688 Die Einordnung eines Rechtssatzes geht den Überlegungen zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit logisch voraus und wird von dieser nicht berührt. Die Möglichkeit, dass ein Rechtssatz, der einem Privaten Entzugs- oder Einwirkungsmöglichkeiten auf fremdes Eigentum gibt, eine (Legal-)Enteignung darstellt, kann daher nicht aus logischen oder strukturellen Gründen ausgeschlossen werden. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht ist für Art. 14 Abs. 3 GG vielmehr belanglos.689 Die Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung muss somit unabhängig von der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Natur des Rechtssatzes erfolgen. Daher sind im Folgenden die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignungen zu ermitteln [unter b)], um anschließend aufgrund der dabei gewonnenen Ergebnisse Grundsätze für die Einordnung der zivilrechtlichen Bestimmungen aufstellen zu können [unter c)]. b) Ansätze zur Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen und Enteignungen aa) Sonderopfer- und Schweretheorie Die Fachgerichte und die Literatur arbeiteten nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zunächst weiter mit dem vom Reichsgericht entwickelten „erweiterten Enteignungsbegriff“, dem zufolge eine Enteignung jede nachteilige Einwirkung auf ein vermögenswertes Recht ist.690 Dieser Ansatz erforderte jedoch – weil In686 Vgl. Schwabe, JZ 1983, 273 (278 f.); ders., JZ 1991, 777 (778 f.); Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1010, 1012; die dort beschriebene „Enteignungstheorie“ wird im Folgenden nicht näher behandelt); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 364; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 106 f. 687 Oben 1.b) (S. 140). 688 Anders Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238 f.), der von der Unzulässigkeit einer „Enteignung zur Verwirklichung privater Interessen“ darauf schließen will, dass es solche Enteignungen nicht gebe. 689 Papier, JuS 1989, 630 (632); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 81. 690 Nachweise unten Fn. 694; vgl. auch die Darstellungen in BGHZ 105, 15 (16); bei Böhmer, NJW 1988, 2561 (2569); Maurer, FS Dürig, S. 297; Weber, NJW 1950, 401 (401). Zeitgenössische Kritik am RG bei C. Schmitt, JW 1929, 495 (495 ff.). – Dieser „weite“ Enteignungsbegriff wurde vom Reichsgericht herangezogen, weil die WRV die

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halts- und Schrankenbestimmungen, die „nur“ die Sozialbindung verwirklichten, entschädigungslos bleiben sollten691 – zur Abgrenzung beider Rechtsinstitute ein wertendes Korrektiv.692 Während das BVerwG hierzu auf die Schwere und Tragweite des Eingriffs für den Betroffenen abstellte,693 sah der BGH als entscheidend an, ob eine nachteilige Einwirkung ihm ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit auferlegte, das ihn gegenüber anderen Bürgern ungleich belastete.694 Beide Ansätze näherten sich zunehmend inhaltlich einander an, so dass später übereinstimmend die Ausgleichspflicht davon abhängig gemacht wurde, ob der Eigentümer „schwer und unerträglich getroffen“ 695 wurde. bb) Rein formale Abgrenzung – „neoklassischer“ Enteignungsbegriff An dieser materielle Abgrenzung nach der Eingriffsintensität konnte nicht mehr festgehalten werden, nachdem das BVerfG ausgesprochen hatte, dass verfassungswidrige (weil: übermäßig hart wirkende) Inhalts- und Schrankenbestimmungen unwirksam sind und nicht in eine Enteignung „umschlagen“.696 Die Abgrenzung erfolgte nunmehr dadurch, dass Inhalts- und Schrankenbestimmung Abwehr verfassungswidriger Gesetze nicht erlaubte; dieses Defizit sollte durch eine Entschädigung für gesetzlich auferlegten Belastungen ausgeglichen werden („Dulde und liquidiere“), die so begründet werden konnte, vgl. Osterloh, DVBl. 1991, 906 (909); Rennert, VBlBW 1995, 41 (43); ferner Anschütz, Art. 153 Anm. 7 f. (S. 709 ff.). 691 Vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 213 ff. 692 Vgl. RGZ 72, 85 (90); 129, 146 (149); Anschütz, Art. 153 Anm. 9; ausführlich zur diesbezüglichen „Restitutionsordre“ vom 4.12.1831 v. Bohlen, JW 1933, 2251 (2252); ferner BGHZ 15, 268 (271); BVerwG NJW 1962, 2171 (2172); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2569). 693 BVerwGE 5, 143 (145); 7, 297 (299); 11, 68 (75); BVerwG NJW 1962, 2171 (2171). 694 BGHZ 6, 270 (276; 277 f., 280); BGHZ 9, Anh. 390 (400); BGHZ 13, 88 (92); 15, 268 (271); 23, 30 (32); 49, 340 (347); 57, 359 (366); 73, 161 (171); 89, 353 (357); 99, 24 (27); BGH NJW 1980, 770 (770); DVBl. 1957, 861 (861), jeweils in Anknüpfung an die „Einzelaktstheorie“ des StGH und des RG vgl. StGH RGZ 124, 19* (32* f.); RGZ 128, 165 (168); 129, 146 (149); Anschütz, Art. 153 Anm. 9 m.w. N.; v. Bohlen, JW 1933, 2251 (2252 ff.). Vgl. hierzu jeweils v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 266 ff.; Maurer, FS Dürig, S. 299 f.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 366 ff.; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (47); Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1010); Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 110; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 191 ff. 695 Siehe etwa BGHZ 80, 111 (116) und BVerwGE 32, 173 (179). Vgl. zum Ganzen Erbguth, JuS 1988, 699 (700); BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 199; Osterloh, DVBl. 1991, 906 (910); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 399; Pietzcker JuS 1991, 369 (369). 696 Wesentlich dabei BVerfGE 52, 1 (27 f.); 58, 137 (145); 58, 300 (331 f.); wiederholend BVerfGE 102, 1 (16). Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 209; Rennert, VBlBW 1995, 41 (43); Roller, NJW 2001, 1003 (1004 f.); Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 599.

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eine Regelung sei, die abstrakt-generell die Rechte und Pflichten des Rechtsinhabers festlegt; Enteignung sei dagegen der staatliche Zugriff auf konkret-individuelle Rechtspositionen, die von bestimmbaren Personen oder Personengruppen aufgrund des geltenden Rechts erworben worden sind.697 Dieses Differenzierungskriterium steht der älteren „Einzelaktstheorie“ nahe,698 der zufolge die Enteignung einen eingeschränkten Kreis von einzelnen oder bestimmten Eigentümern ein besonderes Opfer auferlegt, während die Sozialbindung sämtliche Rechteinhaber im Geltungsbereich der Regelung betrifft.699 Beide Ansätze erlauben nur bedingt eine sichere Abgrenzung: Soweit die Maßnahme unmittelbar durch das Gesetz erfolgt und kein Vollzugsakt mehr gegeben ist, lassen sich lediglich die Einzelfallgesetze i. e. S. sicher als Enteignungen qualifizieren, während andere Eigentumsbeschränkungen nicht in ausreichender Schärfe von (Legal-)Enteignungen unterschieden werden können.700 Eine „offene Flanke“ 701 wies die „neue“ Konzeption zudem in den (oft als „Aufopferungsenteignung“ bezeichneten702) Fällen auf, in denen durch eine Neuregelung abstrakt-genereller Art zugleich konkrete „wohlerworbene Altrechte“ inhaltlich eingeschränkt werden.703 Das BVerfG äußerte in diesem Zusammenhang mehrmals die Auffassung, eine Inhalts- und Schrankenbestimmung könne zugleich eine Enteignung der Eigentümer bewirken, wenn die Neuregelung mit schwerwiegenden Eingriffen in bereits bestehende und ausgeübte Rechtspositionen verbunden ist („uno-actu-Theorie“ 704). An dieser Stelle war für die Frage, ob im Einzelfall eine Enteignung vorliegt, wieder (oder besser: weiter) auf die materiellen Abgrenzungstheorien (Schwere der Betroffenheit bzw. Sonderopfer für den Betroffenen) zurückzugreifen.705 Das Postulat, dass die Einordnung der Regelung nicht von der Intensität abhängt, wird insofern nicht durchgehalten. 697 Erstmals BVerfGE 45, 297 (325 f.); später in BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (144); 58, 300 (330); BVerfG NJW 2005, 589 (590). Die Formulierung findet bei v. Münch/ Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 54 noch volle Zustimmung. 698 Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 363. 699 StGH RGZ 124, 19* (32* f.); Darstellung bei v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 263 f.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 363, 367; vgl. ferner Fn. 694. 700 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 265; Eschenbach, Jura 1997, 519 (520 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 368; Zöllner/Noack, AG 1991, 157 (159). 701 v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnrn. 56 f.; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1384). 702 Beispielsweise in BVerfGE 45, 297 (332); bei Ossenbühl, JuS 1993, 200 (201); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (834 f.); Schoch, Jura 1989, 113 (121). 703 Vor dieser Folge der Ausdehnung des Enteignungsbegriffs warnend bereits C. Schmitt, JW 1929, 495 (495 f.). 704 So die Bezeichnung bei Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 24; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1384). 705 BVerfGE 45, 297 (332); 52, 1 (28); 58, 200 (331 f.); 79, 174 (192). – Vgl. hierzu Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (236); Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 600.

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cc) Enteignung als Güterbeschaffung („klassischer Enteignungsbegriff“) Vollständig entbehrlich ist der Rückgriff auf das Kriterium der Eingriffstiefe, wenn als Enteignungen ausschließlich „klassische“ hoheitliche Güterbeschaffungsvorgänge angesehen werden, bei denen – nach der Art eines Zwangskaufs – die privatrechtlichen Erwerbsmodalitäten durch einen staatlichen Zuordnungsakt ersetzt werden.706 Enteignung ist dann nur der vollständige oder teilweise Übergang eines dinglichen Rechts oder die zwangsweise Begründung einer Dienstbarkeit.707 Diese Rechtsübertragung ermöglicht dem Staat, das erlangte Recht positiv zu nutzen;708 diese Befugnis folgt allerdings nicht aus der Enteignung selbst, sondern aus der – unverändert bleibenden – Eigentumsordnung.709 Bei einer solchen Abgrenzung treten allerdings Einordnungsschwierigkeiten auf, wenn nicht das Vollrecht, sondern nur einzelne Befugnisse übergehen. In diesem Fall soll nach verbreiteter Auffassung eine Enteignung gegeben sein, wenn „verselbstständigte Teilrechte“ übertragen werden.710 Dies wirft jedoch weitere Abgrenzungsprobleme auf: Da von einer Rechtspositionen fast stets einzelne Befugnisse beliebig abtrennbar sind,711 läuft eine materielle Abgrenzung, bei der die Bedeutung der übertragenen Befugnisse zum Recht insgesamt ins Verhältnis gesetzt wird, leicht wieder auf eine Differenzierung nach der Schwere hinaus.712 Sieht man dagegen (eher formal) in strikter Anlehnung an die Theorie des hoheitlich bewirkten Zwangskaufs nur solche Rechte als verselbstständigte Teilrechte an, die auch privatrechtlich begründet werden können,713 können Ge706 Vgl. BVerfGE 45, 297 (332, 338 f.); BGH DVBl. 1979, 226 (228); Hendler, FS Maurer, S. 129 ff.; Weber, NJW 1950, 401 (402); ferner F. Baur, FG Sontis, S. 185; Maurer, FS Dürig, S. 295 f.; Roller, NJW 2001, 1003 (1004); Ossenbühl, JZ 1999, 899 (899); ders., AöR 124 (1999), 1 (11 f., 17); ders., JuS 1993, 200 (201); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (834); zum klassischen Enteignungebegriff Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 80 f., 85 ff., zum Bild des „Zwangskaufs“ de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften, S. 33. 707 Vgl. P. M. Huber, Umweltschutz, S. 55; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 361. Ähnlich C. Schmitt, JW 1929, 495 (496): „gegenständlichen Überführung“. 708 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 421; vgl. M. Wolff, FG Kahl, S. 15, 26 f. 709 Vgl. BVerfGE 45, 297 (338 f.); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 119; bereits RGZ 107, 365 (367). 710 So das überwiegende Verständnis, vgl. Schwabe, FS Thieme, S. 257; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (236 f.); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 79. 711 Vgl. Jarass, NJW 2000, 2841 (2844); Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (18 f.); ders., JuS 1993, 200 (201 f.); ders., FS Leisner, S. 702; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 118 ff.; ferner v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 215, der deshalb sämtliche Fälle qualitativer Teilenteignungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen qualifiziert. 712 Vgl. – aus den genannten Gründen teils kritisch – Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (236 f.); P. M. Huber, WM 1998, 633 (645); Schwabe, FS Thieme, S. 257 f. 713 In diesem Sinn v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 58 a. E.; v. Mangoldt/Klein/ Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 214; Kraft, BayVBl. 1991, 97 (102, 105); Hendler, FS Mau-

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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genstand von Enteignungen nur das Eigentum oder beschränkt dingliche Rechte sein.714 Dies hätte aber zur Konsequenz, dass es weitgehend von der Ausgestaltung der befugnisreduzierenden Regelung durch den Gesetzgeber abhinge, ob eine Enteignung gegeben ist: Der Gesetzgeber kann in weitem Umfang frei darüber entscheiden, ob die zur Zielerreichung notwendige Belastung förmlich durch ein dingliches Recht, d.h. nach der im BGB vorgesehenen Art, begründet wird oder die Verbote unabhängig von einer Grundbucheintragung kraft Gesetzes wirken lässt.715 Im Ergebnis könnte der Gesetzgeber damit oftmals selbst bestimmen, welchen verfassungsmäßigen Anforderungen seine Regelung unterliegt. Unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Grundrechtsschutz ist eine Differenzierung nach der förmlichen Begründung eines solchen Rechts somit nicht akzeptabel.716 Enteignungen müssen vielmehr auch dann vorliegen können, wenn nicht dingliche Rechte förmlich übergehen oder begründet werden. dd) Eingriffsfinalität als maßgebliches Kriterium (1) Güterbeschaffungsvorgang als Vorbild Trotz der soeben aufgezeigten Schwächen ist eine Orientierung am Vorgang der Güterbeschaffung erforderlich, da sie sowohl historisch das Vorbild als auch noch heute den Musterfall für Enteignungen bildet.717 Für die Einordnung der Maßnahme kommt es entscheidend darauf an, ob sie im praktischen Ergebnis

rer, S. 131 ff., der wegen der praktischen Schwierigkeiten empfiehlt, Teilentziehungen nie als Enteignungen aufzufassen, sofern sie nicht durch Dienstbarkeitenbestellung erfolgen; ablehnend dagegen Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 245. 714 Vgl. die Darstellungen bei Eschenbach, Jura 1997, 519 (520); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (834). – Das Argument, dass die Fälle, in denen sich der Staat eine Dienstbarkeit beschafft, auf diese Weise nicht erfasst werden, da dort ein Recht neu begründet und nicht ein vorhandenes übertragen wird (Schwabe, FS Thieme, S. 258; ders., JZ 1983, 273 (278)), trifft allerdings nicht zu, da auch dort das Zuordnungsverhältnis im Bezug auf die beschränkten Befugnisse verändert wird, wie es bei der Eigentumsübertragung der Fall ist. In diesem Sinn BVerfGE 45, 297 (332, 338 f.); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 169; vgl. ferner M. Wolff, FG Kahl, S. 27. 715 Eschenbach, Jura 1997, 519 (520); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 215; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 78; P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 118; ähnlich auch Burgi, NVwZ 1994, 527 (529). 716 Vgl. Osterloh, DVBl. 1991, 906 (912); Pietzcker, JuS 1991, 369 (371); ferner Kraft, BayVBl. 1991, 97 (102), der daher darauf verzichtet, dass der Gesetzgeber tatsächlich die Form einer Dienstbarkeit gewählt haben muss; noch stärker ablehnend insgesamt Schwabe, JZ 1983, 273 (278). 717 Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911 ff.); BVerfGE 104, 1 (10); 115, 97 (111); 126, 331 (359); BVerfG NVwZ 2009, 1158 (1159); zustimmend Christ, DVBl. 2002, 1517 (1517, 1521); Jochum/Durner, JuS 2005, 412 (412 f.); vgl. ferner Breuer, FS Bartlsperger, S. 17, 19 f., 30 f., 32; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 58.

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einem Güterbeschaffungsvorgang gleichkommt.718 Im Gegensatz zu den Schweretheorien erfolgt die Abstraktion jedoch nicht dadurch, dass der Enteignungsbegriff auf sämtliche Fälle erweitert wird, die eine ähnlich intensive Betroffenheit des Rechtsinhabers aufweisen, sondern indem er auf die Regelungen ausgedehnt wird, mit denen das gleiche Ziel verfolgt wird. Somit kommt es nicht darauf an, ob sich die Regelung für den Betroffenen in quantitativer Weise einer klassischen Enteignung i. S. einer Rechtsübertragung gleicht, sondern ob sie ihr vom Zweck her qualitativ entspricht.719 Dieser Ansatz bringt allerdings mit sich, dass Definitionen aus einzelnen systematisch oder teleologisch begründeten abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen oder Groß-Formeln weitgehend scheitern müssen;720 maßgeblich ist, ob der Gesetzgeber die Absicht hatte, in einer Weise tätig zu werden, die als Güterbeschaffung zu werten721 ist und dieses Ziel seinen Ausdruck in der Regelung findet. Auf diese Weise wird die Enteignung zum Typus722 bestimmter Eingriffe, für den Kriterien benannt werden können, die aber nicht sämtlich in jedem Fall erfüllt sein müssen. Kann eine gesetzliche Bestimmung als diesem Typus zugehörig angesehen werden, unterliegt sie den besonderen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG. 718 Kraft, BayVBl. 1991, 97 (102); Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (23); vgl. auch BVerfGE 105, 17 (31). 719 Vgl. dazu näher die Ausführungen und Nachweise unter (3). 720 Vgl. Leisner, NJW 1975, 233 (233); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911); Papier, JuS 1989, 630 (633); Schwabe, FS Thieme, S. 268. 721 Eine wertende Untersuchung der betreffenden Norm ist nicht zuletzt deshalb unumgänglich (vgl. Schmidt-Aßmann, FS Friauf, S. 417 f.) weil sich Gesetze, die zu Enteignungen ermächtigen, strukturell nicht von Gesetzen unterscheiden, die „andere“ Befugnisreduzierungen zulassen. Grundsätzlich spricht logisch nichts dagegen, ein Enteignungen erlaubendes Gesetz strukturell als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu verstehen, die sich bei Hinzutreten des Verwaltungsakts aktualisiert. Der Staat kann eine Rechtsposition, die er aufgrund einer Inhalts- und Schrankenbestimmungen bereits aus dem Eigentum herausgenommen hat, nicht mehr enteignen; so zutreffend Osterloh, DVBl. 1991, 906 (912); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 156, 161; v. Mangoldt/ Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 215. Das Erfordernis, bestimmte Gesetze als „Ermächtigung zur Administrativenteignung“ einzuordnen, ergibt sich nur, weil Art. 14 Abs. 3 GG für bestimmte Fälle von Eigentumseingriffen (die Enteignungen genannt werden) besondere Voraussetzungen aufstellt und diese somit aus dem Kreis der Inhalts- und Schrankenbestimmungen gem. Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG herauszunehmen sind (Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911, 912)). 722 Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911); dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 260, 267 ff.; ähnlich Maurer, FS Dürig, S. 305: charakteristische Begriffsmerkmale; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 278 ff. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 378; ders., JuS 1989, 630 (633) befürwortet ebenfalls eine typologische Betrachtung, nimmt diese jedoch „materiell“ anhand der Eingriffstiefe vor. – Allgemein zum „Typusbegiff“ Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 184, 565, 930 ff. (kritisch); Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 393; im dort beschriebenen Sinn wird der Begriff aber hier nicht verwendet, da es nicht darum geht, einen Sachverhalt einem Begriff „mehr oder weniger“ zuzuordnen.

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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(2) „Entziehung“ als Kennzeichen der Enteignung Ausgehend von diesen Erkenntnissen wurde das Kriterium der Eingriffsfinalität als entscheidendes Merkmal herausgearbeitet, das nun auch den Mittelpunkt der Entscheidungen des BVerfG bildet. Kennzeichen der Enteignung ist demnach die (zielgerichtete) Entziehung konkreter bestehender Eigentumsrechte zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben.723 Bei der Enteignung erfolgt damit eine „Durchbrechung der Eigentumsordnung“;724 es erfolgt ein „Zugriff“ 725 auf die betreffenden Gegenstände. Durch die Enteignung wird dem Staat ermöglicht, unter Abweichung von den Regeln, die er selbst zuvor für den Erwerb von Rechten allgemein – d.h. für die Bürger untereinander und grundsätzlich auch für sich – geschaffen hat,726 in einer „einmaligen Aktion“ die von ihm benötigten Rechte zu erwerben.727 Begrifflicher Gegenpol zur Entziehung ist die Umgestaltung von Rechten,728 die für die Inhalts- und Schrankenbestimmung charakteristisch ist. Bei ihr bleibt die Zuordnung des Eigentums an den betreffenden Gegenständen 723 BVerfGE 70, 191 (199 f.); 72, 66 (76); 74, 264 (280); 79, 174 (191); 83, 201 (211); 95, 1 (21); 98, 17 (36);100, 226 (240); 101, 239 (259); 102, 1 (15); 104, 1 (9 f.); 112, 93 (109); 115, 97 (112); 126, 331 (359); BVerfG NVwZ 1997, 990 (991); NJW 1998, 367 (367); VIZ 1998, 507 (507); NJW 2000, 798 (799); NJW 2001, 2960 (2961); VIZ 2001, 330 (331); VIZ 2002, 621 (621); NVwZ 2003, 197 (198); NVwZ 2004, 597 (603); BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89; alle m.w. N. Dem folgen die Fachgerichtsbarkeiten, vgl. BGHZ 99, 24 (28); 133, 271 (273); 143, 321 (326); 157, 144 (147); BayObLGZ 2000, 152 (158); BVerwGE 77, 295 (297); 84, 361 (366); 87, 241 (243); BVerwG NVwZ 2004, 1507 (1508); BayVGHE 48, 27 (29). Aus der Literatur Brüning, JuS 2003, 2 (4 f.); Bryde, JuS 1993, 283 (284); Haas, NVwZ 2002, 272 (273 ff.); Jarass, NJW 2000, 2841 (2843); Kube, Jura 1999, 465 (466, 470); Maurer, FS Dürig, S. 303 ff.; Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 598 f.; Ossenbühl, JuS 1993, 200 (203); ders., AöR 124 (1999), 1 (11 f.); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913); Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1417); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 209, 408; ausführlich zum Ganzen Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, passim, insb. S. 22 ff., 212 ff. – Bereits BVerfGE 42, 263 (299) stellte auf die „Entziehung“ ab; dieser Ansatz wurde aber nicht weiterverfolgt. In BVerfGE 52, 1 (27); 58, 300 (330 f.) kommt der Begriff „entziehen“ zwar vor, bildet aber nicht ein zentrales Abgrenzungsmerkmal. 724 So das maßgebliche Kriterium bei Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, passim, insb. S. 212, 226, 246; vgl. auch Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238); Roller, NJW 2001, 1003 (1005); Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 598; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 325; BVerfGE 105, 17 (31); BVerwGE 94, 1 (5). 725 Dieser Begriff ist in nahezu allen jüngeren Entscheidungen des BVerfG anzutreffen, die sich mit der Abgrenzung der beiden Rechtsinstitute befassen; ferner in BVerwGE 94, 1 (5). 726 Die „üblichen Mittel der Rechtsordnung“ i. S. v. BVerfGE 45, 297 (321, 338); 56, 249 (261). 727 So Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (474); ähnlich Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 327; Lege, JZ 2011, 1084 (1089). 728 Kraft, BayVBl. 1991, 97 (100); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 224; eher beiläufig bei Leisner, DVBl. 1983, 61 (66); RGZ 129, 146 (149); nun BVerfGE 112, 93 (113, 114): „Umformung“.

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zu den Rechtsträgern bestehen,729 doch wird die Befugnisverteilung als Ergebnis der Abwägung von öffentlichen und privaten Belangen für die Zukunft neu getroffen, um die Eigentumsordnung besser an die gesellschaftliche, wirtschaftliche oder soziale Situation anzupassen.730 (3) Keine „Zufallsenteignungen“ – Kein „Umschlagen“ trotz hoher Eingriffswirkung Das finale Element, das im Begriff der „Entziehung“ enthalten ist,731 bedingt, dass die Unterscheidung der beiden Rechtsinstitute subjekts- bzw. handlungsbezogen erfolgen muss, so dass die Ausrichtung der Maßnahme und nicht ihre (erst ex post bestimmbare) Wirkung entscheidend ist.732 Abzustellen ist nicht auf den Einzelakt, sondern auf die gesetzliche Regelung.733 Tieferer Grund hierfür ist wiederum, dass nach dem Grundgesetz der Gesetzgeber als unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ die Festlegung treffen und politisch verantworten soll, welche Zugriffsform er wählt; dies setzt voraus, dass die unterschiedlich strengen Voraussetzungen eindeutig und vorhersehbar zu ermitteln sind.734 „Zufallsenteignungen“ sind damit ausgeschlossen.735 Selbst wenn eine Inhaltsund Schrankenbestimmung die Betroffenen im Einzelfall schwerwiegend belastet und sich wie eine Enteignung auswirkt, liegt mangels Entziehungsabsicht keine 729 Vgl. Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 598; ganz ähnlich schon E. R. Huber, AöR 26 (1933), 1 (44, in Fn. 81); Weber, NJW 1950, 401 (403). 730 Ganz ähnlich BVerfG NVwZ 2009, 1158 (1159); BGHZ 157, 144 (147 f.); vgl. ferner RGZ 111, 320 (324, 325) (dazu auch Fn. 784). 731 Besonders betonend Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 225; Brenner, DVBl. 1993, 291 (295); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 417; Eschenbach, Jura 1997, 519 (520); Herdegen, FS BVerfG, S. 282; Kube, Jura 1999, 465 (passim, insb. S. 470, 472); Maurer, FS Dürig, S. 304; Rennert, VBlBW 1995, 41 (43); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (835, 837); Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 598; zur Finalität bei der Aufopferung allgemein ders., JuS 1995, 473 (474). 732 v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 202; Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (235); Haas, NVwZ 2002, 272 (276); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (835 ff.); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 22 f. 733 Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 218 f.; Lege, JZ 2011, 1084 (1084); inhaltlich auch BVerwGE 94, 1 (4 f.). Der Vollzugsakt teilt dann die Rechtsnatur seiner gesetzlichen Grundlage, Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 219, 223 ff., 234, m.w. N.; Hendler, FS Maurer, S. 128. 734 Vgl. Burgi, NVwZ 1994, 527 (530); Maurer, FS Dürig, S. 300 f.; Osterloh, DVBl. 1991, 906 (911); Ossenbühl, JZ 1999, 899 (899); Pietzcker, JuS 1991, 369 (372); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 23, 247; Schink, DVBl. 1990, 1375 (1385); auch BVerwGE 84, 361 (364 f.); oben III.1.b) und c) (S. 138 ff.). 735 Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 417; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 81.

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Enteignung vor.736 Umgekehrt sind Rechtsentziehungen für alle Adressaten einheitlich und ausschließlich Enteignungen i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG, ohne dass es auf die Schwere der Auswirkungen für den jeweiligen Betroffenen ankäme.737 Gegen diese Abgrenzung lässt sich nicht einwenden, dass sie die rechtlichen Maßstäbe verfälsche und bewirke, dass der von einer übermäßig wirkenden Inhalts- und Schrankenbestimmung Betroffene mit dem minder hohen Ausgleich anstatt der Enteignungsentschädigung abgespeist werde.738 Die individuelle Belastung findet bereits bei der – vorrangigen – Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung Beachtung; übermäßige Auswirkungen der Art, dass die Privatnützigkeit zu weit hinter die Sozialbindung zurückgedrängt wird,739 machen die Regelung wegen Verfassungswidrigkeit unwirksam.740 Die Gegenüberstellung von Entziehung und Umgestaltung macht vielmehr gerade deutlich, wo die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit von Inhaltsund Schrankenbestimmungen verlaufen: Eine Umgestaltung setzt voraus, dass sie den wesentlichen Teil – wenn auch verändert – übrig lässt.741 Daher ist es nicht erforderlich, in den Fällen eines totalen Nutzungsentzugs die streng formale Trennung aufzugeben und sie aus der Kategorie der Inhalts- und Schrankenbestimmung herauszunehmen.742 Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die zu

736 Besnders deutlich in jüngerer Zeit Papier, DVBl. 2000, 1398 (1399); Breuer, FS Bartlsperger, S. 30; Jarass, NJW 2000, 2841 (2842); Kube, Jura 1999, 465 (467); ferner BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (145); 79, 174 (192); 110, 1 (24 f.); BVerwGE 84, 361 (367); BayObLG NJW 2005, 608 (609); Bryde, JuS 1993, 283 (284); Rennert, VBlBW 1995, 41 (47); Roller, NJW 2001, 1003 (1007); Schink, DVBl. 1990, 1375 (1385); Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 598, 603; Schmidt-Aßmann, FS Friauf, S. 419 ff.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 322 ff. 737 Kraft, BayVBl. 1994, 97 (100); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 233, 250 f. 738 So – wörtlich oder sinngemäß – Ossenbühl, FS Leisner S. 699 f.; ders., AöR 124 (1999), 1 (19 f.); Schwabe, JZ 1991, 777 (779); Wilhelm, JZ 2000, 905 (910); Sachs/ Wendt, Art. 14 Rdnr. 150 ff.; ferner F. Baur NJW 1982, 1734 (1734): eine „kalte entschädigungslose Sozialisierung“ drohe. 739 Vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 375 ff.; ders., JuS 1989, 630 (633), m.w. N. 740 Siehe nur BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (145); 83, 201 (212 f.); BGHZ 121, 328 (337); Jarass, NJW 2000, 2841 (2844); Jochum/Durner, JuS 2005, 412 (413); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 234; Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1418). 741 Insoweit richtig Ossenbühl, JuS 1993, 200 (202 f.); P. M. Huber, Umweltschutz, S. 55; ähnlich wie hier ferner Breuer, FS Bartlsperger, S. 32. 742 Wie hier Hendler, FS Maurer, S. 133 ff.; Herdegen, FS BVerfG, S. 282; Jarass, NJW 2000, 2841 (2844); Kube, Jura 1999, 465 (470); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 219; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 409; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 328 f.; BVerfG NVwZ 1997, 990 (991). Anders aber Ossenbühl, FS Leisner S. 696, 689 ff.; ders., AöR 124 (1999), 1 (17 f., 26); ders., JZ 1999, 899 (900); P. M. Huber, Umweltschutz, S. 55; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 157a.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

einer Totalentleerung des Eigentums führt oder führen soll, bleibt ihrer Form nach eine solche, ist aber verfassungsrechtlich unzulässig, da sie inhaltlich keine Umgestaltung mehr ist und das verbleibende Eigentum seinen Namen nicht mehr verdienen würde.743 Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG unterstreicht dieses Verständnis, indem er zur Verwirklichung der Sozialbindung lediglich Einschränkungen des Gebrauchs erlaubt; dies bedeutet, dass die Bindungen und die mit ihnen verfolgten Gemeinwohlbelange an den Gebrauch anknüpfen müssen, während sich ein Eingriff in den Bestand und die Zuordnung des Rechts nicht ohne Weiteres744 auf Art. 14 Abs. 2 GG stützen lässt.745 (4) Behandlung der Fälle der „Aufopferungsenteignung“ Aus diesen Überlegungen ergibt sich auch, dass eine Vorschrift niemals sowohl Inhalts- und Schrankenbestimmung als auch Enteignung sein kann.746 Wollte der Gesetzgeber (bei objektivem Verständnis der Norm) einen Rechtsbereich lediglich umgestalten (und nicht: private Rechte abschaffen), führt auch eine damit einhergehende nachhaltige Beeinträchtigung von „Altrechten“ nicht dazu, dass eine „Aufopferungsenteignung“ gegeben ist; die Regelung bleibt insgesamt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung.747 Die mit der Neuregelung einhergehende Schmälerung oder ein Wegfall wohlerworbener Positionen stellt vielmehr eine (unechte) Rückwirkung dar, wie sie auch sonst bei Rechtsänderungen auftritt; die Problematik ist daher nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes zu lösen.748 743 BVerfGE 100, 226 (243); die Formulierung geht auf M. Wolff, FG Kahl, S. 6, zurück; inhaltlich ebenso BVerwG BayVBl. 2001, 444. Solche Maßnahmen können i. d. R. nur als Enteignungen zulässig sein, wenn deren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vorliegen, vgl. Jarass, NJW 2000, 2841 (2844); Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1418); Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2543). 744 Zur ausnahmsweisen Rechtfertigung von Rechtsentziehungsakten durch Inhaltsund Schrankenbestimmungen sogleich unter (5)(a), (d). 745 Dies betonend Jachmann, Besteuerung, S. 82; Rennert, VBlBW 1995, 41 (48). 746 Ebenso BVerfGE 83, 201 (211 f.) entgegen früheren Äußerungen (oben Fn. 704); vgl. dazu Eschenbach, Jura 1997, 519 (520); Kraft, BayVBl. 1994, 97 (100); Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (26); Schoch, Jura 1989, 113 (121); kritisch Lege, NJW 1993, 2565 (2566 f.). 747 Siehe nur Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (25); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 84 je mit zutreffender Analyse von BVerfGE 70, 191 und BVerfGE 83, 201; ferner BVerfG VIZ 1998, 507 (507); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 57; Burgi, NVwZ 1994, 527 (528); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 211, 213; Haas, NVwZ 2002, 272 (274); Hendler, FS Maurer, S. 129; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 230 ff. – I. E. ebenso Kube, Jura 1999, 465 (470), der zwar auch die Abschaffung der Altrechte als beabsichtigt ansieht, aber nur als Sekundärzweck, der für die Maßnahmequalität nicht entscheidend ist. 748 Vgl. Maurer, FS Dürig, S. 307 ff.; Rennert, VBlBW 1995, 41 (45, 47); Burgi, NVwZ 1994, 527 (528); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913); dies., JuS 1991, 1058 (1059); zuvor bereits dies., NJW 1981, 2537 (2544 f.); deutlich der Zusammenhang auch in BVerfGE 36, 281 (292 ff.). Eingehend zum Ganzen oben B.II.3.a)dd)(7)(c). –

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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(5) Indizien für einen Entzugscharakter Die zentrale Relevanz des Zwecks der legislativen Maßnahme kann selbstverständlich nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber – mittelbar – über seine Bindungen disponieren kann. Für die Beurteilung, ob eine „Entziehung“ vorliegt, kann es daher nicht darauf ankommen, ob der Gesetzgeber tatsächlich die Absicht hatte oder davon ausging, eine Enteignung vorzunehmen.749 Ebenso wenig darf die gesetzestechnische Formulierung als alle Eigentümer betreffende Regelung die Entziehungsabsicht ausschließen, weil der Gesetzgeber andernfalls unter dem Etikett einer Inhalts- und Schrankenbestimmung eine Maßnahme durchführen könnte, die er von Verfassungs wegen nur mittels einer Enteignung erreichen darf.750 Richtigerweise ist vielmehr danach zu fragen, ob objektive Kriterien darauf hindeuten, dass sich in der getroffenen Regelung ein Wille manifestiert, das Eigentum – auch im Interesse seiner Inhaber – lediglich neu zu gestalten, oder dieses auf eine andere Person zu übertragen.751 Maßgeblich ist mit anderen Worten, ob die Maßnahme materiell eine Entziehung darstellt.752 Daher sind die Form und vor allem die Zweckrichtung der Regelung entscheidend;753 hierbei darf eine einzelne belastende Regelung nicht aus ihrem Zusammenhang gelöst und für sich betrachtet werden.754 Für die Zweckrichtung lassen sich gewisse Indizien finden. (a) Indiz: Vorliegen eines formellen Rechtsüberganges Da der klassische Güterbeschaffungsvorgang den Orientierungspunkt für den Charakter als Enteignung bildet, stellt eine echte Rechtsübertragung ein starkes

Siehe ferner Kube, Jura 1999, 465 (469) m.w. N.; Pietzcker, JuS 1991, 369 (371); Rennert, VBlBW 1995, 41 (44); Roller, NJW 2001, 1003 (1005); Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2538 f.); Ossenbühl, JuS 1993, 200 (202); ders., AöR 124 (1999), 1 (19 f.), die – zumeist eher kritisch – anmerken, dass damit zahlreiche Probleme aus dem dritten Absatz des Art. 14 GG in die ersten beiden verschoben worden sind. 749 Jarass, NJW 2000, 2841 (2844). – Ob der Gesetzgeber enteignen wollte, wäre ohnehin nur schwer zu ermitteln, so zutreffend Kraft, BayVBl. 1991, 97 (102). 750 BVerfGE 24, 367 (398); Kraft, BayVBl. 1991, 97 (100); Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (22 ff.); ders., FS Leisner, S. 700 f.; Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1418). 751 Ebenso BVerwGE 94, 1 (5); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 225. 752 BVerfGE 105, 17 (31). 753 Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 22; Papier, DVBl. 2000, 1398 (1399); Broß, VerwArch 80 (1989), 395 (399 f., Fn. 400); Lege, NJW 1993, 2565 (2567); ähnlich Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913); dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 267; schließlich die einzelnen Untersuchungen bei Schmidt-Aßmann, DVBl. 1982, 152 (155 ff.). 754 So zutreffend BVerfGE 91, 294 (309); 101, 54 (76); BVerfG VIZ 2001, 330 (331).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Indiz dafür dar, dass eine Enteignung vorliegt. Ordnet der Staat einen förmlichen Rechtsübergang an, liegt nahe, dass er das Gut sich nicht anderweitig in zulässiger Weise nutzbar machen konnte, insbesondere, weil ein freihändiger Erwerb an der Bereitschaft des Rechtsinhabers scheiterte und eine Inhalts- und Schrankenbestimmung wegen der weitreichenden Wirkungen einer entsprechenden Maßnahme an die verfassungsrechtlichen Grenzen gestoßen wäre. Wird ein Recht oder ein Teilrecht, das Gegenstand gewöhnlicher privatrechtlicher Übertragungsoder Bestellungsvorgänge sein kann (z. B. eine Dienstbarkeit), zwangsweise von einem Privaten auf eine andere Person übertragen bzw. auferlegt, indiziert dies somit, dass eine Enteignung vorliegt.755 In diesem Zusammenhang kommt es allerdings nur auf die Verlustwirkung auf der Seite des Betroffenen an; ein konkreter Zuwachs bei einer anderen Person ist nicht erforderlich. Ein (echter, transitorischer) Rechtsübergang ist somit nicht zwingendes Merkmal der Enteignung.756 Die Rechtsposition muss auch nicht tatsächlich marktgängig sein und erworben werden können.757 Ausreichend ist vielmehr, dass der Eingriff seiner inhaltlichen Reichweite nach dem Eigentümer Befugnisse aberkennt, wie sie zum Beispiel in einer zivilrechtlichen Dienstbarkeit zusammengefasst sind,758 und der Staat die gleiche Wirkung erreichen wollte, wie sie im Verkehr unter Privaten durch die rechtsgeschäftliche Bestellung einer Dienstbarkeit erzielt wird.759 Eine Enteignung setzt damit auch nicht voraus, dass eine „positive Nutzung“ durch einen klar erkennbaren Enteignungsbegünstigten erfolgt.760 Bei einer nur teilweisen Entziehung von Befugnissen wird allerdings 755 Vgl. zum Ganzen BGHZ 121, 328 (337); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 409; Kraft, BayVBl. 1994, 97 (103, 105); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 248. – Zur Enteignung durch Begründung einer Dienstbarkeit siehe etwa BVerfGE 45, 297 (338 f.); 56, 249 (260); BVerwGE 117, 138 (139). 756 Oben (1); BVerfGE 83, 201 (211); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 58; Eschenbach, Jura 1997, 519 (520); Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 (17); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 22; Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (835, 837); Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 99; Stüer/ Thorand, NJW 2000, 3737 (3738, 3742); bereits RGZ 109, 310 (318). Anders noch M. Wolff, FG Kahl, S. 26 f.; heute Rennert, VBlBW 1995, 41 (43 f.). 757 Vgl. Osterloh, DVBl. 1991, 906 (912); a. A. P. M. Huber, WM 1998, 633 (644). 758 Kraft, BayVBl. 1994, 97 (102); insoweit auch P. M. Huber, WM 1998, 633 (644 f.). 759 Ähnlich Kube, Jura 1999, 465 (473). – Zur Erklärungsfigur der „Öffentlichrechtlichen Dienstbarkeit“ im Verwaltungsrecht eingehend Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (passim, insbes. S. 1477, 1484). 760 So aber Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (239); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 421. Das Kriterium „positive Nutzung“ ist jedoch nicht hinreichend trennscharf, da sich die Handlungsbefugnisse des Staates aus der Rechtsordnung ergeben, die entsprechende Ausschließlichkeitssphären zuweist oder nicht, so dass sich immer irgendein Begünstigter finden lässt, der dadurch vermehrt Befugnisse ausüben kann und so Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten erhält (ähnlich v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 58). Wie ausgeführt, sind auch keine sachlichen Gründe dafür erkennbar,

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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meist eine bloße Anpassung der Eigentumsordnung gegeben sein, so dass eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vorliegt.761 (b) Gegenindiz: Nutzen für gegenwärtigen Rechtsinhaber oder die Allgemeinheit Der (gewissermaßen umgekehrte) Schluss, jede Vollrechtsübertragung sei eine Enteignung, lässt sich ebenfalls nicht ziehen.762 Gerade im Privatrecht ist es für den Gesetzgeber oftmals aus praktischen Gründen unumgänglich, ein Recht übergehen zu lassen, weil erst dadurch die Privatnützigkeit im erforderlichen Umfang verwirklicht werden kann. Da für den Enteignungscharakter allein das mit der Befugnisreduzierung verfolgte Ziel ausschlaggebend ist, sind Normen, die ausschließlich oder zumindest vorwiegend den Ausgleich privater Interessen untereinander beabsichtigen, Inhalts- und Schrankenbestimmungen.763 Im Bereich des klassischen Zivilrechts fallen in die Kategorie derartiger „Eingriffe ohne echte Fremdnützigkeit“ 764 insbesondere Regelungen, die die Nutzbarkeit765 oder die Umlauffähigkeit von Sachen erleichtern, wie etwa die Regeln zum gutgläubigen Erwerb oder zum gesetzlichen Eigentumserwerb bei Verarbeitung. Obwohl diese Bestimmungen einen Rechtsverlust und damit einen massiven Eingriff in die Substanzgarantie herbeiführen, dienen sie ganz überwiegend dem Interesse der Eigentümer selbst, da sie die Verkehrsfähigkeit oder Ver-

dass die Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 GG davon abhängen sollten, ob der Staat eine eigene positive Ausnutzung der Befugnisse beabsichtigt oder konträre Befugnisse nur vernichtet (vgl. oben cc)); Eschenbach, Jura 1997, 519 (520); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 113). Eine „enteignende Vernichtung“ (Schwabe, FS Thieme, S. 258. 263) kann somit Enteignung sein (Burgi, NVwZ 1994, 527 (529); P. M. Huber, WM 1998, 633 (644 f.); Jarass, NJW 2000, 2841 (2844); Kube, Jura 1999, 465 (467); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 169). 761 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnrn. 214 f.; Jarass, NJW 2000, 2841 (2844 f.); vgl. auch BVerfG NJW 2003, 196 (197). 762 Vgl. BVerfGE 104, 1 (10); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238); Lege, NJW 1993, 2565 (2565); Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (834); ders., FS Friauf, S. 417 ff.; Schwabe, FS Thieme, S. 267 f.; Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1418). 763 BVerfGE 104, 1 (10); 112, 93 (109); zustimmend Selmer, JuS 2002, 201 (201); zu diesem Kriterium tendierend bereits BVerfG NVwZ 1999, 62 (62); vgl. ferner BVerwGE 1, 225 (227 f.); 6, 79 (81); 7, 257 (262); BGHZ 89, 353 (357 f.); 105, 15 (20 f.); 113, 139 (145). 764 Dieser Begriff findet sich in BVerfGE 74, 264 (280); inhaltlich ebenso BGHZ 113, 139 (143 f.). 765 Vgl. BVerfGE 104, 1 (11 f.): Baulandumlegung schafft sinnvoll nutzbare Grundstückszuschnitte; dazu Haas, NVwZ 2002, 272 (passim, insb. S. 276); Christ, DVBl. 2002, 1517 (passim); ferner BVerfGE 34, 139 (147 f.): Die Bebauungsfähigkeit herzustellen ist eine eigene Aufgabe des Eigentümers; BVerwGE 6, 79 (81); Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 38; kritisch Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 83; die Umlegung als Enteignung qualifizierend Lege, JZ 2011, 1084 (1089, Fn. 58).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

wendbarkeit der Sache steigern und damit dem Verfügungs- und Nutzungsrecht förderlich sind.766 Hierdurch wird das Potential freier vermögensrechtlicher Betätigung erst im vollen Umfang eröffnet.767 Soweit eine Norm, die eine Rechtsübertragung bewirkt, die Nutzbarkeit und den Wert der Sache für ihren Eigentümer erhöht, liegt somit im Regelfall keine Enteignung vor.768 (c) Zwischenbemerkung: Einordnung von sicherheits- und strafrechtlichen Einziehungstatbeständen Betrachtet man die „klassischen“ Enteignungen, fällt auf, dass die Entziehung des Rechts an dem Gegenstand typischerweise nur ein Zwischenziel darstellt, um die dahinterstehende eigentliche staatliche Aufgabe zu ermöglichen. Das Eigentum an dem konkreten Gegenstand als solches sowie die Eigentumsordnung an sich sind im Hinblick auf dieses Ziel indifferent;769 „störend“ ist nur, dass sich das betreffende Grundstück etc. in der Hand eines privaten Eigentümers befindet. Dagegen will der Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung die Eigentumsordnung verändern, weil in ihr selbst eine „Spannungslage“ vorhanden ist;770 mit der Anpassung der Eigentumsordnung, durch die die Sozial766 Vgl. Brenner, DVBl. 1993, 291 (294); Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (131 f.); Jarass, NJW 2000, 2841 (2845); Schmidt-Aßmann, FS Friauf, S. 410 ff., 422 ff.; ders., JuS 1986, 833 (834); Selmer, JuS 2002, 201 (201); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 381; BayVGH BayVBl. 1995, 52 (53); BVerfGE 104, 1 (11 f.); 126, 331 (361); BGHZ 90, 17 (27); ferner J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 77 f. (auch ders., FG BGH I, S. 784), der zwar eine Kollisionslösung eigener Art annimmt [unten C.I.2.b)aa)], damit aber ebenfalls davon ausgeht, dass jedenfalls keine Enteignung vorliegt. 767 Christ, DVBl. 2002, 1517 (1527). 768 Gegen diese Betrachtung kann nicht vorgebracht werden, sie arbeite mit einer Unterstellung und dränge dem Eigentümer einen als vernünftig angesehenen Willen auf, obwohl er selbst kraft eigener Freiheit und Selbstbestimmung seine Zwecke setzen darf (vgl. Kraft, BayVBl. 1994, 97 (103 f.)). Entscheidend ist, dass die Motivation des Gesetzgebers, das Eigentum durch Verbesserung der Umlauffähigkeit für die Privaten in seinem Wert zu steigern, von derjenigen, sich selbst Befugnisse zu verschaffen, verschieden ist; wegen dieses Unterschieds in der Gefährdungslage für die Individualinteressen sind die besonderen Sicherungsmittel des Art. 14 Abs. 3 GG nicht notwendig (vgl. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 257 f.; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1982, 152 (155); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 78). Die genannte Überlegung kann sich daher nicht gegen die Qualifizierung als Inhalts- und Schrankenbestimmung richten, sondern nur gegen den Versuch, sie auf diese Weise zu rechtfertigen (ebenso Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 259). 769 Eschenbach, Jura 1997, 519 (521); richtig auch die Feststellung S. 522, dass für die Enteignung deswegen besondere formelle und materielle Anforderungen sowie das unbedingte Entschädigungsgebot gelten, weil sie (in polizeirechtlicher Terminologie) ein Eingriff gegen einen Nichtstörer ist. 770 Kube, Jura 1999, 465 (470); Formulierung auch in BGHZ 6, 270 (276); ähnlich BVerwGE 7, 257 (263).

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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bindung neu (und aus Sicht des Gesetzgebers: besser) verwirklicht wird, ist das Ziel erreicht.771 Durch diese Betrachtung lassen sich auch die Fälle von Regelungen adäquat einordnen, in denen mit dem Rechtsverlust auf ein vorangegangenes verbotswidriges Tun oder einen akut gefährlichen Zustand der Sache reagiert wird. In diese Gruppe gehören sowohl die polizei- und ordnungsrechtlichen Einziehungs-772 und Vernichtungsbefugnisse773 als auch die strafrechtlichen Einziehungstatbestände für instrumenta oder producta sceleris774. Die genannten Bestimmungen stellen reine Sanktionsregeln775 dar, die den administrativen Vollzug der ihnen zugrundeliegenden Verhaltensge- oder -verbote effektiv ermöglichen sollen.776 Sie sind daher im Hinblick auf die Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung akzessorisch zu diesen Verhaltensnormen zu qualifizieren. Vorschriften, die den zulässigen Umgang mit Sachen festlegen – insbeson771 Eschenbach, Jura 1997, 519 (521); Jarass, NJW 2000, 2841 (2845); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (238). – Entgegen Eschenbach kann aus dieser Beobachtung allerdings kein geeigneteres Abgrenzungskriterium gewonnen werden. Der „logische Zwischenschritt“ zwischen dem Regelungsziel und dem Zugriff auf den konkreten Eigentumsgegenstand tritt erst klar zutage, nachdem der Charakter ermittelt ist: Sieht man als staatliches Ziel das konkrete Projekt an (so in BVerfGE 104, 1 (10); BVerfG NVwZ 2009, 1158 (1159); BVerwGE 94, 1 (3); bei Haas, NVwZ 2002, 272 (274); Jarass, NJW 2000, 2841 (2845); Lege, NJW 1993, 2565 (2565); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 576; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 161; Weber, NJW 1950, 401 (402); eher kritisch dazu Osterloh, JuS 1994, 532 (533)), ist zwar der Entziehungsvorgang von der Verwirklichung des Gemeinwohls klar unterscheidbar, doch stimmt diese Abgrenzung dann vollständig mit der anhand des „Typus des Güterbeschaffungsvorgangs“ überein. Lässt man auch allgemeinere Ziele genügen, wird der möglicherweise bestehende Zwischenschritt diffus; wo ein „konkretes Vorhaben“ aufhört und eine „allgemeine öffentliche Aufgabe“ anfängt, ist nicht klar auszumachen (vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 68; Schwabe, JZ 1991, 777 (779); ders., FS Thieme, S. 264; Wilhelm, JZ 2000, 905 (910)). Letztlich gelangte man so immer zum Staatszweck an sich, nämlich der Gemeinwohlverwirklichung (vgl. Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (19)); warum gerade das erste Glied der Kette ausschlaggebend sein soll, ist kaum zu begründen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schlink, FS BVerfG, S. 450. 772 BVerfG NJW 1990, 1229 (1229); NVwZ 1997, 159 (159); ebenso EGMR, EuGRZ 1988, 513 (517, Tz. 51) zur Eigentumsgarantie in Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK. 773 BVerfGE 20, 351 (passim, insb. S. 359); BVerwGE 7, 257 (261 ff.); 12, 87 (96) m.w. N. 774 BVerfGE 110, 1 (17 f., 24 f.); BVerfG wistra 2004, 378 (381); MedR 2006, 54 (56); Julius, ZStW 109 (1997), 58 (67 ff.); S. 305; Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (834); Weber, NJW 1950, 401 (402); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 656; v. Münch/ Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 78. Bei der gleichlautenden Aussage in BVerfGE 22, 387 (422), auf die sich oft berufen wird (z. B. Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 10), handelt es sich jedoch nur um ein unbegründetes obiter dictum. Vgl. zum Ganzen auch Herzog, FS Zeidler, S. 1428 und unten Teil 4 A.III.2.e)bb). 775 Zur Unterscheidung Verhaltensnorm/Sanktionsnorm vgl. Dörner, JuS 1987, 522 (525) m.w. N. 776 Vgl. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 233, 236; BVerfGE 110, 1 (14 ff.).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

dere gebieten, durch die Sachnutzung keine Gefahren für andere zu erzeugen und gefährlichen Zuständen abzuhelfen – kommen „allgemein der Allgemeinheit zugute“.777 Die Einziehungsregelungen, die bei Missachtung solcher Ge- und Verbote dem Rechtsinhaber entsprechende Konsequenzen androhen, sollen in gleicher Weise nur einen gerechten Ausgleich der Privat- und Allgemeinwohlinteressen herstellen und sicherstellen.778 Dagegen besteht kein besonderes Interesse des Staates, das Eigentum an einem Gegenstand für eigene Zwecke zu erlangen.779 Einziehungstatbestände sind somit als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu qualifizieren. (d) Indiz: Charakter als Maßnahmegesetz Die Unterscheidung anhand des Zwecks des legislatorischen Tätigwerdens bringt mit sich, dass der ganz überwiegende Teil der Vorschriften, die nicht ausschließlich an Sachverhalte im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses anknüpfen, sondern ihre Rechtsfolgen auch in der Zukunft (d.h. wann immer eine bestimmte Situation oder ein bestimmtes Verhalten eintritt) entfalten, Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind.780 Damit stellt sich die Frage, ob Legalenteignungen generell nur vorliegen, wenn in einem Gesetz Einzelakte „gebündelt“ zusammengefasst sind (sog. „Maßnahmegesetze“, die eine „Verwaltung durch Gesetz“ darstellen)781, und umgekehrt die sog. „Reformgesetze“, die nur Rechte und Pflichten allgemein neu konzipieren, niemals Enteignungen sein können.782 Der Maßnahmecharakter einer Norm kann als Anhaltspunkt für ihren Charakter als Enteignung dienen. Ein scharfes, allein taugliches Abgrenzungskriterium liefert die Unterscheidung jedoch wiederum nicht. Der Gesetzgeber schließt bis777

Jarass, NJW 2000, 2841 (2844 f.); vgl. ferner BVerfGE 20, 351 (356 f.). Vgl. BVerfG wistra 2004, 378 (381); bereits BVerwGE 7, 257 (261): Eine seuchenrechtliche Tötungsanordnung weise den Eigentümer „nur in Grenzen seiner Eigensphäre zurück“; ähnlich BVerwGE 12, 87 (96); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 476: „spezifischen Verwendungszweck durch den Inhaber verbieten“; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 656; Jarass, NJW 2000, 2841 (2845); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 346 f. – Auch das bloße Besitzen kann bereits ein solcher missbilligter Gebrauch sein, wenn allein dieses dem Regelungszweck zuwiderläuft, etwa dem Artenschutz, vgl. BVerfG NJW 1990, 1229 (1229); NVwZ 1997, 159 (159). 779 Richtig Haas, NVwZ 2002, 272 (274); auch Julius, ZStW 109 (1997), 58 (69) und allgemeiner Rittstieg, NJW 1982, 721 (724). 780 Vgl. Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913). – Außer Betracht sollen dabei die eher elicht zu identifizierenden Administrativenteignungen bleiben. 781 Vgl. (neben den in der folgenden Fn. Genannten) Osterloh, DVBl. 1991, 906 (912); dies., JuS 1991, 1058 (1059); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 251. 782 Für diesen Zusammenhang Ossenbühl, JuS 1993, 200 (202) m.w. N.; ders., FS Leisner, S. 693; ders., AöR 124 (1999), 1 (24 ff.); Maurer, FS Dürig, S. 309; v. Münch/ Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 74; diese Korrelation ablehnend Schwabe, JZ 1983, 273 (275); ders., JZ 1991, 777 (777, 779); Eschenbach, Jura 1997, 519 (520). 778

B. Inhalt und Wirkung des Eigentumsgrundrechts

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weilen aufgrund einer konkreten regelungsbedürftigen Sachlage bestimmte bestehende privatrechtliche Ansprüche gezielt für die Zukunft aus und ersetzt sie durch andere783 oder modifiziert zumindest die einem Recht entspringenden Ansprüche,784 ohne dass darin eine Enteignung liegt. In diesen Fällen lässt sich das Fehlen des Enteignungscharakters nicht mit dem Gedanken der Surrogation begründen. Der Surrogationsgedanke berücksichtigt weder die Wirkungen für den Eigentümer noch verfügt er über ausreichende Trennschärfe, da auch bei klassischen Enteignungen eine Entschädigung durch artgleiche Ersatzgegenstände erfolgen kann.785 Entscheidend ist vielmehr, dass derartige Umgestaltungsmaßnahmen typischerweise die bestehenden Ansprüche, deren Durchsetzbarkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zweifelhaft ist, durch andere, sichere Ansprüche ersetzen.786 Der Ausschluss der bestehenden Ansprüche mit gleichzeitigem Ersatz durch neue Ansprüche dient damit im Ergebnis den (i. S. v.: allen787) Inhabern solcher privaten Rechte, da ein Zuwachs an Rechtssicherheit und Wert-

783 Vgl. BVerfGE 42, 263: Contergan-Stiftung; zum EVZ-Stiftungsgesetz, das die Ansprüche der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter betrifft, vgl. jeweils BVerfGE 112, 93; BGH NJW 2001, 1069; NJW 2003, 2912 (2912); OLG Hamm NJW 2000, 3577. – Mit der Umwandlung einer Anstalt des öffentlichen Rechts in einen VVaG befasst sich BayVerfGH BayVBl. 2009, 760 ff.; wie S. 761 f. ausgeführt wird, liegt in der damit verbundenen Verwandlung öffentlich-rechtlicher Ansprüche in zivilrechtliche eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, für deren Verhältnismäßigkeit es darauf ankommt, ob das Risiko eines Ausfalls durch Insolvenz spürbar erhöht wird. 784 Vgl. BVerfGE 72, 66: Flughafen Salzburg. – Eine entsprechende Situation lag bereits den „Aufwertungs-Urteilen“ RGZ 107, 370 und RGZ 111, 320 zugrunde; das Gericht stellt auch jeweils (S. 375 bzw. S. 324) bereits die Überlegung an, ob eine Enteignung vorliege, da der Gesetzgeber sich nur „auf die gesetzliche Normierung des streitig gewordenen zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Hypothekengläubiger und Hypothekenschuldner . . . beschränke“. Das Aufwertungsgesetz als Maßnahmegesetz bezeichnend auch Berkemann, EuGRZ 1986, 80 (92). 785 Vgl. BVerfGE 74, 264 (283 f.); Schmidt-Aßmann, DVBl. 1982, 152 (155); Haas, NVwZ 2002, 272 (275); Kraft, BayVBl. 1991, 97 (103); allg. bei Fn. 671. – Dagegen stützte sich die Contergan-Entscheidung noch auf den Surrogationsgedanken, BVerfGE 42, 263 (299); positiv auch Brenner, DVBl. 1993, 291 (294). 786 So drohten im Fall BVerfGE 42, 263 (295 ff., 301 f.) wegen eines unklaren Kreises von Beteiligten, der erst zu ermittelnder Schadenshöhe und einer möglicherweise unzureichenden Vergleichsumme Schwierigkeiten und Rechtsstreitigkeiten bei der Abwicklung des geschlossenen Vergleichs. In BVerfGE 72, 66 (78) war zu befürchten, dass die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile gegen den Flughafenbetreiber in Österreich am dortigen ordre public scheitert. BVerfGE 112, 93 (111 ff., 114 ff.); BGH NJW 2001, 1069 (1070); NJW 2003, 2912 (2912) und OLG Hamm NJW 2000, 3577 (3578), rechtfertigten das EVZ-Stiftungsgesetz damit, dass die verfolgten Ansprüche gegen die ehemaligen Arbeitgeber der Zwangsarbeiter nur mit großen Schwierigkeiten durchzusetzen waren, zumal häufig die Schuldner nicht mehr existieren und keine einzige rechtskräftige Entscheidung vorlag, in der solche Ansprüche zuerkannt wurden, und die Gläubiger überdies bereits alt waren (im billigenden Beschluss BVerfG NJW 2001, 2159 finden sich keine inhaltlichen Äußerungen hierzu, da das Gericht vom Nichtbestehen jeglicher Ansprüche ausging). 787 Auf diesen Blickwinkel weist Sachs, JuS 2005, 454 (456) zutreffend hin.

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haltigkeit erzielt wird.788 Bei der anzustellenden Gesamtschau stellt daher die Neuregelung durch eine solche „Gesamtlösung“ 789 nicht eine Entziehung zugunsten des Staates oder Dritter, sondern eine vorwiegend im Interesse der Rechtsinhaber liegende Maßnahme dar.790 Hierbei besteht kein essentieller Unterschied zwischen der Veränderung nur einzelner Befugnisse und der Ersetzung des bestehenden Rechts durch ein neues Recht, da beide Fälle insgesamt als „Umschaffung“ 791 anzusehen sind, wenn sie auf der genannten Motivation beruhen. Die dargestellte Argumentation setzt allerdings weiter voraus, dass das neu eingeräumte Recht dem früheren auch seiner Art nach (absolutes Recht; Forderung; Anteilsrecht) vergleichbar ist und nicht lediglich „wertmäßig ebenbürtig“ ist.792 Nur dann fällt das von Art. 14 GG zentral geschützte Interesse, gerade den bisherigen Gegenstand zu erhalten, nicht ins Gewicht. Unproblematisch möglich ist insbesondere der Austausch eines schuldrechtlichen Anspruchs gegen einen vergleichbaren Anspruch, da obligatorische Rechte keine Substanz besitzen und daher nicht individualisiert sind. Die Anwendung der strengen Vorschriften zur Enteignung in Art. 14 Abs. 3 GG, die gerade den Austausch von Sachen gegen deren bloßen Wert von strengen Voraussetzungen abhängig machen, ist daher in solchen Fällen nicht erforderlich.793 Anspruchsaustauschende Regelungen der genannten Art sind daher trotz ihres maßnahmeartigen Charakters794 Umgestaltungsakte und somit Inhalts- und Schrankenbestimmungen.795 788

BVerfGE 72, 66 (79). BVerfGE 112, 93 (112). 790 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1982, 152 (155); BVerfGE 42, 263 (299) „kein Entzug zugunsten fremder Belange“; zustimmend Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (239); vgl. ferner Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 383 f. – Dies wird selbst dann nicht ausgeschlossen, dass daneben auch weitere allgemeine Ziele verfolgt werden (vgl. BVerfGE 42, 263 (298, 304 f.): Solidarität unter allen Geschädigten; BVerfGE 70, 191 (212): Verbesserung der Volksgesundheit; BVerfGE 72, 66 (79): Bewahrung der außenpolitischen Beziehungen zur Republik Österreich und Rücksicht auf den internationalen Luftverkehr; EVZ-Gesetz: Rechtssicherheit auch für die deutsche Wirtschaft). Vgl. allgemein auch Schmidt-Aßmann, FS Friauf, S. 419: Die gleichzeitige Verfolgung öffentlicher Interessen schadet nicht, solange die privaten Interessen mindestens gleichgewichtig sind. 791 BVerfGE 42, 263 (299). 792 Zutreffend Kraft, BayVBl. 1991, 97 (101); anders aber BVerfGE 42, 263 (299). – Beim hier aufgezeigten Verständnis macht auch die (sonst m. E. nicht sinnvoll erklärbare) Aussage in BVerfGE 70, 191 (202) Sinn, das Fischereirecht vermittle keine umfassende Sachherrschaft: Das Gericht will damit ausdrücken, dass die Umwandlung eines beschränkt-dinglichen Rechts in ein Mitgliedschaftsrecht keine grundlegende strukturelle Änderung darstellt und daher nur eine Umgestaltung vorliegt. 793 Vgl. Haas, NVwZ 2002, 272 (275); Kraft, BayVBl. 1991, 97 (101): Anders als bei der Enteignung findet die Umwandlung „auf der gleichen Stufe“ statt. Letztlich nimmt Kraft damit eine teleologische Reduktion des Enteignungstatbestandes vor. Ähnlich, aber von anderem Ansatz aus, Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 150 a. 794 Zutreffend so bezeichnend BVerfGE 42, 263 (305). 795 OLG Hamm NJW 2000, 3577 (3578). 789

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Eine Orientierung am Begriffspaar „Maßnahmegesetz – Reformgesetz“ erscheint deshalb insgesamt weniger treffend als die Gegenüberstellung von „Entzug – Umgestaltung“; in den meisten Fällen gelangen aber beide Ansätze zum gleichen Ergebnis.796 ee) Zwischenergebnisse – Zusammenfassung der Struktur des Art. 14 GG Enteignungen sind von Inhalts- und Schrankenbestimmungen dadurch abzugrenzen, dass sie Rechte für originär staatliche Zwecke und Interessen entziehen und nicht lediglich die Eigentümerbefugnisse umgestalten. Zur Einordnung einer Rechtsnorm ist diese deshalb daraufhin zu überprüfen, ob in ihr der Wille zum Ausdruck kommt, die Eigentumsordnung ausnahmsweise zu durchbrechen, um genuin staatliche Zwecke zu verfolgen, oder ob die Eigentumsordnung selbst abgeändert werden soll, um sie an soziale o. ä. Erfordernisse anzupassen. Zusammen mit den Ergebnissen der Untersuchung zur Natur der Inhalts- und Schrankenbestimmung und zur Eigentumsgarantie insgesamt lässt sich damit folgende Gesamtstruktur des Art. 14 GG festhalten: Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG enthält die Gewährleistung, dass dem Bürger die Verfügungs- und Nutzungsmacht über vermögenswerte Gegenstände in möglichst unbeschränkter Weise zukommt. Hierzu muss der Gesetzgeber gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG einfachrechtliche Abwehransprüche gegen andere Private und den Staat statuieren. Für die Frage, bei welchen Gegenständen den Gesetzgeber diese Pflicht trifft, ergeben sich Vorgaben aus Art. 14 GG und anderen Bestimmungen der Verfassung. Gleichzeitig erlaubt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG als allgemeine Schrankenregelung, die in diesen Rechten enthaltenen Befugnisse durch Gesetz inhaltlich zu begrenzen. Als einen möglichen Rechtfertigungsgrund nennt Art. 14 Abs. 2 GG das Wohl der Allgemeinheit. Art. 14 Abs. 1 S. 2 i.V. m. Abs. 2 GG zeigt damit, dass der Gesetzgeber den Eigentümern generell aus Rücksicht auf Interessen anderer oder der Allgemeinheit gewisse Beschränkungen auferlegen und entschädigungslos zumuten kann. In Art. 14 Abs. 3 GG sind spezielle Rechtmäßigkeitsanforderungen für Enteignungen enthalten. Damit reagiert die Verfassung darauf, dass bei der gezielten Entziehung von Rechtspositionen besondere formelle und materielle Schutzvorkehrungen geboten sind, zumal der Staat mit diesem extraordinären Rechtsinstitut797 die von ihm selbst aufgestellten Regeln der Eigentumsordnung durchbricht. Zu diesen Kautelen gehören die strengen Vorgaben zur Entschädigung, die auf dem Grundgedanken der Aufopferung beruhen.798 Das Aufopfe796

Ebenso Osterloh, DVBl. 1991, 906 (912). Burgi, NVwZ 1994, 527 (528, 530); Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 77; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 326; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 250; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 383. 798 Ebenso BGHZ 11, 248 (251). 797

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rungsprinzip kommt allerdings – weil es auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichheitssatz beruht – auch dann zum Tragen, wenn nach Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG Befugnisse beschränkt werden und dies zu unzumutbaren Auswirkungen auf die Vermögensinteressen der Betroffenen führt. c) Folgerung und Ergebnis: Zivilrechtliche Normen als typische Inhalts- und Schrankenbestimmungen Nach der soeben herausgearbeiteten Unterscheidung liegt eine Enteignung nicht vor, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung einen Interessenausgleich unter den einzelnen Privatrechtssubjekten intendiert, weil es ihm dann gerade nicht um die Entziehung von Rechten für genuin staatliche Zwecke geht. Solche Regelungen dienen ausschließlich oder zumindest primär dem Ziel, die Privatrechtsordnung funktionsfähig zu erhalten; insbesondere sollen die sinnvolle Nutzung des Eigentums und anderer privater Rechte ermöglicht, dabei auftretende Konflikte unter Privaten geschlichtet und der soziale Friede garantiert werden.799 Die Bestimmungen, die sich mit den Befugnissen der Eigentümer gegenüber anderen Privaten und der Zuordnung der Rechts zu einer Person als Inhaber befassen, sollen nicht das jeweilige Recht dem Staat zur Erledigung seiner besonderen öffentlichen Aufgaben800 übertragen. Mit dem BVerfG ist daher festzuhalten, dass Normen, die den Ausgleich privater Interessen beabsichtigen, durchwegs Inhaltsund Schrankenbestimmungen sind.801 Dies gilt sogar dann, wenn die Normen als Rechtsfolge den Verlust des Rechts aufweisen.802 Die Unterscheidung nach dem Normzweck kann sich schwierig gestalten, wenn der Staat parallel neben der Koordinierung der privaten Rechtssphären noch andere, „eigene“ Zwecke verfolgt. Die Qualität als Inhalts- und Schrankenbestimmung ändert sich jedoch zunächst nicht, wenn solche Ziele vorhanden sind, da der Gesetzgeber – wie die öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkun799 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 383; Starck, FS Carstens, Bd. 2, S. 871 ff., 876 ff.; bereits M. Wolff, FG Kahl, S. 24; erwägend RGZ 111, 320 (324) (vgl. dazu Fn. 784). 800 Nach dem hier vertretenen Verständnis kommt der finalen Satzergänzung „zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben“, die das BVerfG und die Literatur regelmäßig dem Begriff der „Entziehung“ anfügen (vgl. die Nachweise oben Fn. 723), keine eigenständige Bedeutung i. S. e. notwendigen Bedingung zu, sondern unterstreicht nur, dass es nicht um eine Umgestaltung gehen darf. 801 BVerfGE 104, 1 (10); zustimmend Selmer, JuS 2002, 201 (201); wiederholt in BVerfGE 112, 93 (109); inhaltlich ebenso Jochum/Durner, JuS 2005, 220 (221). Kritisch aber Sachs, JuS 2005, 454 (455, 457), der hierin einen Rückschritt in Bezug auf Inhalt und Präzision sieht. – An der in der erstgenannten Entscheidung als Beleg angegebenen Stelle BVerfGE 101, 239 (259) findet sich die o. g. Aussage weder ausdrücklich noch sinngemäß in dieser allgemeinen Form. 802 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 383; vgl. auch BVerfG VIZ 1998, 507 (507 f.); unten C.I.2.b).

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Zivilrecht

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gen zeigen – selbst reine Allgemeininteressen mittels Inhalts- und Schrankenbestimmungen verfolgen kann. Anders einzuordnen ist lediglich der – nicht auszuschließende – Fall, dass das staatliche Interesse an einer bestimmten Güter- und Befugnisverteilung dominierend wird und mit einem erheblichen Verlust an Befugnissen einhergeht, so dass die Maßnahme ihrer Art nach (selbst wenn sie unmittelbar einen anderen Privaten begünstigt) eine Entziehung des Rechts darstellt. Bei wertender Betrachtung liegt dann in der Förderung des begünstigten Privaten die Verfolgung einer eigenen staatlichen Aufgabe, zu deren Ermöglichung der Staat das Privateigentum des Normadressaten heranzieht. Dies qualifiziert die Maßnahme als Güterbeschaffungsvorgang im dargestellten weiten Sinn.803 Sieht man von dieser (eher theoretischen) Ausnahme ab, sind zivilrechtliche Bestimmungen einschließlich der Normen des Sachenrechts bei der Überprüfung an der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie an Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG zu messen.804

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Bereich des Zivilrechts, insbesondere des Sachenrechts Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterscheidet sich – wie gezeigt – in ihrem Wesen und ihrer Struktur nicht von den anderen Freiheitsgrundrechten. Bei der Rechtsetzung und der Rechtsanwendung im Bereich des Privatrechts wird daher die Drittwirkung der Eigentumsgarantie – vermittelt über die Funktionen als Abwehrrecht und als Schutzpflicht – relevant;805 es sind die Grundsätze heranzuziehen, die allgemein für das Austarieren grundrechtlicher Freiheiten unter Privaten gelten.806 Da das Eigentum erst durch den Sachgebrauch und Verfügungen unter Privaten seine Funktionsfähigkeit erhält, ist die Schaffung einer angemessenen Privatrechtsordnung, mit der das Eigentum gegenüber anderen

803 Beispiel: Ein Gesetz ordnet an, dass das Eigentum an einer vermieteten Wohnung auf den jeweiligen Mieter übergeht, sobald dieser seinen Lebensunterhalt einschließlich der Miete nicht mehr selbst bestreiten kann und keine Wohnungen öffentlicher Körperschaften vor Ort zur Verfügung stehen. Hier ist der Vorgang so anzusehen, als beschaffe sich der Staat zunächst durch eine Enteignung Wohnraum, den er dann kostenlos an den Mieter weiter weitergibt, um seine Aufgabe (Sicherung der Existenz und Versorgung sozial Schwacher mit Wohnraum) verwirklichen zu können. 804 Siehe nur v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 96; Enders, AöR 115 (1990), 610 (619); Kube, Jura 1999, 465 (466); Leisner, HdbStR § 149, Rdnr. 4; vgl. ferner Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (461). 805 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 191 ff., 204 ff., 362; Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (514 ff., 520). 806 Ebenso Leisner, NJW 1975, 233 (233).

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Bürgern praktisch zur Geltung kommt, sogar bedeutender als bei anderen Grundrechten. Erforderlich ist insbesondere ein Schutz des Eigentümers durch Abwehransprüche, ergänzt von Ersatz- und Ausgleichsansprüchen.807 Als primärer Gehalt der Eigentumsgarantie wurde der Schutz einer umfassenden Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit für den Eigentümer ermittelt. Von erheblicher Bedeutung ist bei Art. 14 GG ferner, dass infolge des Zusammenspiels des Grundrechts mit allgemeinen Verfassungsprinzipien auch zulässige (weil gerechtfertigte) Befugniseinschränkungen nicht zu unzumutbaren Auswirkungen auf das Vermögen des Eigentümers führen dürfen. Dieser Mechanismus und die daraus abgeleiteten Anforderungen an eigentumsbeschränkende Regelungen sind von Gesetzgebung und Rechtsprechung grundsätzlich auch im Bereich des Zivilrechts zu beachten.808 Anderes kann nur gelten, soweit die (bisher nahezu allein im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen entwickelten) Anforderungen auf Besonderheiten der Staat-Bürger-Beziehung beruhen oder ihre uneingeschränkte Beachtung aufgrund zivilrechtsspezifischer oder -typischer Umstände ausgeschlossen ist.809 Zu untersuchen ist daher, auf welche Weise und in welchem Umfang die für Regelungen im Bereich des Eigentums relevanten verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Schaffung und Anwendung der Rechtssätze, die das Eigentum im Bürger-Bürger-Verhältnis betreffen, gelten und wirken.

I. Verwirklichung der Substanzgarantie als primärer Inhalt des Art. 14 Abs. 1 GG in den Bestimmungen des Sachenrechts 1. Regelungsbedürftige Konstellationen und verfassungsrechtlicher Hintergrund Das Eigentum soll seinem Inhaber einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich eröffnen und erhalten. Hieraus ergibt sich der Vorrang der Substanz-/Nutzungsgarantie, der zu beachten ist, wenn die Nutzungsmöglichkeiten reduziert werden oder sogar die Rechtszuordnung verändert wird. Der primäre Garantiegehalt des Art. 14 GG käme nicht voll zum Tragen, wenn der Eigentümer lediglich finanziellen Ausgleich für eine Einbuße an Befugnissen erhielte. Im Zivilrecht findet sich eine Vielzahl von Situationen, in denen das Gesetz Handlungs- und Nutzungsbefugnisse des Eigentümers einschränkt. Als Standard807 M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648); Neuner, JuS 2005, 385 (385); oben B.II.3. a)dd)(7)(b). 808 Vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 269 f., 272; auch M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648). 809 Vgl. näher unter II.3. (S. 250 ff.).

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konstellationen hierfür werden im Folgenden die Zuführung von Immissionen (§ 906 BGB), das Notwegerecht (§ 917 BGB) und der gutgläubige Erwerb (§§ 932 ff. BGB) betrachtet. Im letztgenannten Fall wird die Zuordnung des Rechts an seinen Inhaber insgesamt aufgehoben. In den Fällen, in denen lediglich einzelne Abwehrbefugnisse ausgeschlossen werden – bei § 906 BGB gegen die Verursachung nachteiliger Immissionen, bei § 917 BGB gegen das Betreten und Befahren – ist die Eigentumsgarantie ebenfalls berührt, weil der Gesetzgeber entgegen den Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 GG den Eigentümer nicht mit den rechtlichen Mitteln (Abwehransprüche) ausstattet, deren er bedürfte, um die volle und unbeschränkte Nutzbarkeit seines Grundstücks für sich – unter Ausschluss anderer – sicherzustellen. Die drei Beispiele machen bereits deutlich, dass sachenrechtliche Bestimmungen häufig zu Einschränkungen der von Art. 14 Abs. 1 GG primär garantierten Nutzungsfreiheit eines Eigentümers führen. Dies wirft die Frage auf, wie derartige Einschränkungen vor dem Hintergrund der genannten verfassungsrechtlichen Vorgabe erklärt und gerechtfertigt werden können. Hierzu ist zunächst aufzuzeigen, dass alle derartigen Bestimmungen Regelungen zur Lösung von Grundrechtskollisionen darstellen und daher durch die legitimen Interessen des/der anderen gerechtfertigt werden können (unter 2.). Anschließend sind die – sich teils überschneidenden – Fragen zu behandeln, von welchen Leitlinien solche Regelungen inhaltlich bestimmt sein müssen (unter 3.) und welche der Staatsgewalten für die Entscheidung hierüber zuständig ist (unter 4.).

2. Sachenrechtliche Bestimmungen als Regeln zur Lösung von Grundrechtskollisionen a) Fälle der Beschränkung von Eigentümerbefugnissen (Immissionen und Notwegerecht) aa) Erforderlichkeit von Beschränkungen der Befugnisse des Eigentümers im Interesse anderer Das Zivilrecht erfasst und regelt typischerweise Situationen, in denen zwei oder mehr grundrechtsberechtigte Privatpersonen vorhanden sind. Der Umstand, dass mehrere Personen ein Interesse an der Zuordnung des Eigentums oder zumindest an der (Mit-)Nutzung einer Sache besitzen, ist zunächst Grund (i. S. v. Anlass) dafür, dass der Staat „überhaupt“ eine normative Regelung für eine bestimmte Situation trifft. Aus ihm kann sich aber zugleich die inhaltliche Rechtfertigung der Regelungen ergeben, dem Eigentümer Ausschließungsbefugnisse nur begrenzt zuzuteilen. Zur Legitimation für Befugniseinschränkungen genügt allerdings noch nicht, dass zwei Personen um die Zuordnung des Eigentums oder einzelner Befugnisse streiten. Ist nämlich der (Mit-)Nutzungswunsch des einen nicht

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anerkennenswert, gibt es keinen sachlichen Grund, seinetwegen die Freiheit des Eigentümers zu reduzieren. Die Zulässigkeit einer Beschränkung der Position des Eigentümers setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass (1.) das Interesse der anderen legitim ist und (2.) die vom Gesetzgeber gewählte Regelung eine angemessene Lösung des Konflikts darstellt. Diese Voraussetzungen sind sowohl im Konflikt wegen Grundstücksimmissionen (§ 906 BGB) als auch wegen des Überfahrtrechts des Hinterliegers (§ 917 BGB) erfüllt, da jeweils den Nutzungsinteressen des Eigentümers anerkennenswerte Entfaltungsinteressen des Nachbarn gegenüberstehen. Der Gesetzgeber hat in den Fällen des § 906 oder des § 917 BGB theoretisch die Möglichkeit, die Abwehrbefugnisse des Eigentümers in vollem Umfang fortbestehen zu lassen; dann kann er aber dem Interesse des Nachbarn nicht nachkommen, der die Erlaubnis zur Emission bzw. zur Überfahrt benötigt, um sein Grundstück in sinnvoller Weise zu nutzen (und damit seine Eigentumsgarantie zu verwirklichen). Räumt der Gesetzgeber – wie geschehen – dem Nachbarn die Befugnis ein, auch störende Tätigkeiten vorzunehmen oder benachbarte Grundstücke zu überqueren, trägt er zwar dessen Interessen Rechnung; durch die Duldungspflicht, die er dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks damit auferlegt, beschränkt er damit jedoch zugleich dessen von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition. In einer derartigen Kollision ist es bereits rein praktisch unumgänglich, den Inhalt eines oder beider Eigentumsrechte zu beschränken, weil sich die – zunächst als unbegrenzt und unbeschränkt angenommenen – Rechtssphären der betroffenen Eigentümer überschneiden. Die Rechte der Eigentümer würden weitgehend entwertet, wenn der Konflikt nicht rechtlich gelöst wird; „das Eigentum würde dann an seiner eigenen Konsequenz zugrunde gehen“ 810. Ein Aufeinanderstoßen verschiedener Nutzungswünsche ist dabei umso häufiger, je mehr absolute dingliche Rechte es gibt und je mehr verschiedene Personen sie innehaben.811 Die Rechtsordnung muss daher durch rechtliche Regelungen einen Ausgleich schaffen, der aber für den Nachbarn zwangsläufig eine – zum Freiheitsgewinn des anderen umgekehrt proportional starke – Duldungspflicht mit sich bringt.812

810 v. Jhering, JhJb 6 (1863), 81 ff. (passim, etwa S. 90, 94); nach ihm Schulte, JZ 1984, 297 (297). 811 Vgl. M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2647). 812 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 75 ff.; P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 120 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 202; Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1422); M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648); ferner Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 11 f.; Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 (455).

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bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse Transferiert man diese Überlegungen auf die verfassungsrechtliche Ebene, bedeutet dies, dass das Eigentum – und zwar die primäre Nutzungsgarantie – Einschränkungen zugänglich sein muss, wenn und soweit die entsprechenden Voraussetzungen für Freiheitseingriffe eingehalten sind. Die zivilrechtlichen Regelungen könnten dabei als Fälle der Verwirklichung des Sozialpflichtigkeitsgebots aus Art. 14 Abs. 2 GG zu begreifen sein; alternativ könnten die mit dem Eigentum kollidierenden Grundrechtsposition des anderen Privaten selbst als („verfassungsimmanente“) Schranken des Eigentums angesehen werden. (1) Keine Möglichkeit zur Rechtfertigung von Befugnisbeschränkungen durch die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) Gegen den Ansatz, in Art. 14 Abs. 2 GG einen Rechtfertigungsgrund (auch) für solche Einschränkungen zu sehen, die dem Interesse konkreter Privater dienen,813 spricht, dass das Verhalten des anderen Privaten, das durch eine kollisionsschlichtende Regelung ermöglicht wird, nicht zwingend auch ein Allgemeinwohlinteresse verwirklicht.814 Der Staat kann und muss im Einzelfall einem anderen Privaten auch ein Verhalten eröffnen, mit dem er ausschließlich eigene Interessen verfolgt, da auch ihm Grundrechte zur Seite stehen. Beschränkungen von Befugnissen, die im Interesse eines konkreten Dritten angeordnet werden, beruhen daher weniger auf einer Sozialpflichtigkeit als auf einer „Individualpflichtigkeit“, die aber aus Art. 14 Abs. 2 GG nicht hergeleitet werden kann.815 Art. 14 Abs. 2 GG könnte aber jedenfalls die Regelungen fassen und legitimieren, die den Interessen einer größeren, unbestimmten Gruppe von Privatpersonen („Mieter“, „Erwerbsinteressenten“, „Verbraucher“) dienen.816 Nach diesem Ver813 In diesem Sinn Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 372, 383 f., 386 f.; M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2647); sowie zahlreiche frühere Entscheidungen des BGH (vgl. die Analyse bei Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S.96 ff.). Auch BVerfGE 100, 289 (302 f.) differenziert nicht zwischen den Interessen der Allgemeinheit und Interessen anderer; ähnlich Gentz, NJW 1968, 1600 (1602) zu den „Rechten anderer“ i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG. 814 Wie hier J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 78; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 115. – Zur folgenden Unterscheidung vgl. auch den Hinweis von Schünemann, NJW 1996, 81 (84), dass die Allgemeinheit etwas anderes ist als die Summe aller Individuen. 815 Unbedeutend ist, dass eine Bestimmung bereits durch ihre konfliktschlichtende Wirkung als solche in gewisser Weise dem Gemeinwohl dient, da diese Wirkung nahezu immer ausgemacht werden kann, vgl. Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (42 ff.). 816 In diesem Sinn Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 134 f.; ähnlich Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 75 ff.: „konkrete Rechtspositionen unbestimmt vieler Personen“; S. 91 f. (§§ 907 ff. BGB seien nicht Ausfluss des Art. 14 Abs. 2 GG)). – Die von Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Pri-

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ständnis ist die „Sozialpflichtigkeit“ i. S. v. Art. 14 Abs. 2 GG ein Sammelbegriff für sämtliche kollektiven Belange und Rechtsgüter; sie erfasst sowohl Ziele, die aus Gründen für schützenswert angesehen werden, die keiner Person unmittelbar zugeordnet werden können („echte Allgemeininteressen“, z. B. Natur-, Denkmalschutz), als auch typischerweise vorhandene persönliche Interessen einer unbestimmten Mehrheit von Individuen (kollektive Grundrechtspositionen)817. Bei Normen, die die Konfliktschlichtung unter Privaten verfolgen, treten bei dieser Sichtweise lediglich die schutzwürdigen Privatinteressen dieser Art mehr oder weniger deutlich an die Stelle des „echten“ Allgemeininteresses.818 Überindividuelle Privatinteressen im genannten Sinn sind mit den klassischen Allgemeinwohlinteressen insofern vergleichbar, als nicht eine konkrete Person gezielt – sondern allenfalls reflexartig – begünstigt wird. Dies lässt es zu, bei Beschränkungen des Eigentums die Interessen „der Mieter“ oder „der Verbraucher“ als Fälle des Art. 14 Abs. 2 GG anzusehen. Jedoch ist zu bedenken und zu berücksichtigen, dass Mieterschutz und Verbraucherschutz niemals Selbstzweck sind, sondern immer konkreten Personen dienen, auch wenn dieses Interesse wegen deren Vielzahl an das Wohl der Gesamtheit angenähert sein mag. Dieser Unterschied darf nicht vernachlässigt werden,819 da sich hieraus Auswirkungen für die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs, vor allem aber die Ausgleichspflicht, ergeben können. (2) Rechtfertigung durch Grundrechte anderer Privater als „verfassungsimmanente Schranken“ des Eigentums Zur Erklärung und Rechtfertigung der Befugnisbeschränkungen, mit denen Interessen konkreter Privatrechtssubjekte gesichert oder zur Entfaltung gebracht werden sollen, bietet sich die „Lehre von den verfassungsimmanenten Schranken“ der Grundrechte an. Grund der Beschränkung sind danach die entgegenstehenden Grundrechte des anderen selbst.820 vatrechts, S. 372, 383 f., gewählten Beipiele (Mietrecht; gutgläubiger Erwerb) können auch nach diesem Verständnis als Anwendungsfälle des Art. 14 Abs. 2 GG begriffen werden. 817 Vgl. Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (367, 373 f.); Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 15. 818 Siehe Canaris, AcP 184 (1984), 201 (215) (in anderem Zusammenhang). 819 Das Erfordernis einer solchen Differenzierung betont BGHZ 165, 248 (257): Eingriffsnormen i. S. d. Art. 34 EGBGB können nur Bestimmungen sein, die „zumindest auch“ rein überindividuelle öffentliche Interessen verfolgen (dieses Kriterium bei § 661a BGB wegen dessen ordnungspolitischer und lauterkeitsrechtlicher Zielsetzung bejahend BGHZ 165, 172 (181)). 820 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 76 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201 (220 f. in Fn. 69a); ferner BGHZ 62, 361 (369): Bei § 906 BGB steht weniger die Sozialpflichtigkeit als der billige Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen im Vordergrund; BayVerfGHE 44, 41 (54 f.): Einschränkungen der

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(a) Inhalt und Anwendbarkeit bei Art. 14 GG Nach der „Lehre von den verfassungsimmanenten Schranken“ können alle821 Grundrechte Einschränkungen durch andere Güter von Verfassungsrang,822 jedenfalls durch Grundrechte anderer,823 erfahren. Sie lässt sich damit begründen, dass Grundrechte im normtheoretischen Sinn Prinzipien (nicht: Regeln) darstellen. Sie streben daher zwar nach Optimierung, sind aber einer Abwägung zugänglich, so dass der Grad ihrer Verwirklichung im Einzelfall von den tatsächlichen rechtlichen Möglichkeiten abhängt.824 Der „Verfassungsvorbehalt der Grundrechte“ kann ferner auf dem Grundsatz der „Einheit der Verfassung“ zurückgeführt werden, nach dem die Verfassung insgesamt ein Sinngefüge darstellt; dies gebietet, jede Verfassungsnorm so auszulegen, dass den anderen Normen und Grundsätzen nicht Abbruch getan wird.825 Die ursprünglich zu den schrankenlosen Grundrechten entwickelte Lehre von den verfassungsimmanenten Schranken kann auch auf die Grundrechte wie Handlungsfreiheit durch das Recht auf Naturgenuss (Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf) anderer. 821 Dies gilt insbes. auch für die schrankenlosen Grundrechte; eine Ausnahme stellt nur die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) dar, Lerche, FS Mahrenholz, S. 517 ff.; Hömig/Antoni, Art. 1 Rdnr. 6; BVerfGE 34, 238 (245); 75, 369 (380); BVerfG NJW 2006, 1580 (1581). – Die zunehmende Heranziehung der Lehre von den immanenten Schranken generell kritisierend Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (168 ff.), da sie zu einer leichteren Beschränkbarkeit der schrankenlosen Grundrechte führe; Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (355); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 49 ff.; Wahl, UTR 14 (1991), 7 (30, in Fn. 69). 822 So wohl die noch h. M., BVerfGE 28, 243 (261 f.); 44, 37 (49 f.); 66, 116 (136); 69, 1 (21 f.); 77, 240 (253); 81, 278 (292 f.); BVerwG NJW 1995, 2648 (2649); NJW 1999, 304 (304) m.w. N.; OLG Jena NJW 2006, 1892 (1892); Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 23; ders., FS Mahrenholz, S. 536 f.; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (53 ff.). – Nach Kriele, JA 1984, 629 (630 ff.) soll dagegen genügen, dass Rechte der Gemeinschaft in einfachen Gesetzen ausreichend Niederschlag gefunden haben, diese die Grundrechte nur zufällig betreffen und bei der Gesetzesauslegung das Grundrecht berücksichtigt wird (S. 637, „Vorbehalt des Zivilrechts“). Ablehnend BVerfGE 30, 173 (193). 823 Zur aufkommenden einschränkenden Gegenansicht, die nur diese zulässt, vgl. Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 ff. (passim, insb. S. 362 ff., 369 f., 372 ff.); ähnlich Pieroth/Schlink, , Rdnrn. 342 ff.; ferner Mahrenholz/Böckenförde, SV in BVerfGE 69, 57 (59 ff.); Muckel, NJW 2000, 689 (691); Wahl, UTR 14 (1991), 7 (32). 824 Siehe nur Sieckmann, Rechtstheorie 26 (1995), 45 (45); Stück, ARSP 84 (1998), 405 (409) m.w. N. – Allgemein zu dem im Wesentlichen auf R. Dworkin zurückgehenden Ansatz, nach dem die Rechtsordnung sowohl aus den Rechtsnormen als Regeln als auch den hinter ihnen stehenden Prinzipien besteht, Braun, Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert, S. 198 f.; Koller, Theorie des Rechts, S. 91 ff., 173 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 491a ff. 825 Ausführlich hierzu W. Schmidt, AöR 106 (1981), 497 (497 f., 506 f.); Henschel, NJW 1990, 1937 (1941); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 72; BVerfGE 44, 37 (49 f.); zu den grundsätzlichen Bedenken und Schwierigkeiten bei der Argumentation mit dem Gedanken der „Einheit der Rechtsordnung“ etc. vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 278.

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Art. 14 GG angewandt werden, die mit Gesetzesvorbehalten versehen sind.826 Zwar ist bei ihnen grundsätzlich e contrario davon auszugehen, dass der Verfassungsgesetzgeber Beschränkungen aus anderen Gründen als den explizit aufgeführten nicht zulassen wollte.827 Die Möglichkeit von Kollisionen verschiedener Grundrechtpositionen unter mehreren Privaten hat der Verfassungsgesetzgeber aber offenbar generell nicht gesehen828 oder zumindest nicht regeln wollen. Bei der Formulierung der Schrankenregelungen, die sich durchgängig nur mit der Rechtfertigung von Eingriffen zum Schutze überindividueller Schutzgüter befassen, wurden daher diese Situationen nicht berücksichtigt, so dass im Bereich des Zivilrechts mangels speziellerer Regelungen Grundrechtsbeschränkungen auch aufgrund dieser Überlegungen möglich sind. (b) Ermittlung des Schutzbereichs durch Grundrechtsinterpretation als Voraussetzung einer Kollision (aa) Unterscheidung von gegenständlichem Schutzbereich und sachlicher Gewährleistung Mit der Lehre von den verfassungsimmanenten Schranken lassen sich Grundrechtsbeschränkungen allerdings nur legitimieren, wenn das Verhalten beider Beteiligter in den gegenständlichen und sachlichen Schutzbereich des Eigentums oder eines anderen Grundrechts829 fällt: Soweit nicht in der konkreten Situation zwei Prinzipien zugleich Geltung besitzen, fehlt es an einer Kollision,830 die zu einer Beschränkung (des einen oder beider) zwingt und diese legitimiert. Diese selbstverständlich erscheinende Feststellung bedarf der vertieften Erörterung. Ob ein Verhalten von einem Grundrecht erfasst wird, hängt entscheidend von der Interpretation des Grundrechts ab. Da nach gängigem Verständnis jedes Verhalten verfassungsrechtlichen Schutz zumindest durch die „allgemeine Handlungsfreiheit“ des Art. 2 Abs. 1 GG genießt,831 scheinen sich zunächst auch unter 826 Lerche, HdbStR, § 122 Rdnrn. 14, 23; BVerwGE 87, 37 (46); a. A. Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnr. 331 m.w. N. 827 Ebenso wohl Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 50 f. (m. Fn. 37). 828 Vgl. (als allgemeiner Ansatz zur Legitimation der grundrechtsimmanenten Schranken) Lerche, HdbStR, § 122 Rdnrn. 14 f.; ders., FS Mahrenholz, S. 523; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 331 f.; generell kritisch zu diesem Ansatz Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (168). 829 Die (von der h. M. grundsätzlich anerkannte, vgl. oben (a)) Möglichkeit, dass ein anderes Gut von Verfassungsrang berührt ist, dürfte im Privatrecht praktisch kaum vorkommen und wird daher im Folgenden ausgeblendet. 830 Siehe nur Sieckmann, Rechtstheorie 25 (1994), 163 (164, 169 f.) m.w. N.; bereits oben C.I.2. 831 So die ganz überwiegende und zutreffende Auffassung, BVerfGE 6, 32 (36 f.); 20, 150 (154); 79, 292 (304); 80, 137 (152 ff.); 90, 145 (172); Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 72 m.w. N.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 44 f. m.w. N.; W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (184 f., 190 f.); anders das SV

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diesem Aspekt keine Probleme zu ergeben. Scheinbar ist eine Grundrechtskollision stets vorhanden, so dass es nur noch darum geht, auf welches Grundrecht sich ein Beteiligter jeweils berufen kann.832 Die Feststellung, dass ein Verhalten von einem Grundrecht „thematisch“ erfasst wird, bedeutet jedoch noch nicht, dass auch eine Verletzung i. S. e. Eingriffs vorliegt. Die sachliche Prüfung und Auslegung des jeweiligen Grundrechts muss sich vielmehr auch darauf erstrecken, ob und wieweit eine gesetzliche Regelung dessen Garantiegehalt berührt, ob das Grundrecht also gerade gegen solche staatlichen Maßnahmen schützen will. In diesem Zusammenhang ist hilfreich, zwischen dem gegenständlichen Schutzbereich des Grundrechts (des „Themas“ des jeweiligen Grundrechtsartikels) und dessen sachlicher Gewährleistung zu differenzieren.833 Für diesen Ansatz bei der Interpretation, der zu einem tendenziell engeren Grundrechtsschutz führt,834 spricht entscheidend, dass die einzelnen Grundrechte historisch zur Abwehr bestimmter Arten von Eingriffen entwickelt und erkämpft wurden835 und nicht eine generelle Privilegierung der Entfaltung des Individuums in den jeweiligen Sachbereichen intendieren.836 Für die hier zu behandelnden Fälle zivilrechtlicher Normen führt dieses Verständnis zu der Konsequenz, dass sich oftmals nicht beide Privatrechtssubjekte auf spezielle Grundrechte als Abwehrrechte oder Schutzpflichten berufen können. Schutz genießt dann lediglich noch das Verhalten eines der Beteiligten, das aber dann umso intensiver geschützt ist, da keine beachtlichen gegenläufigen Belange anderer mehr vorhanden sind, die eine Beschränkung rechtfertigen könnten. Eine Kollisionslösung ist dann nicht mehr erforderlich.837 Grimm in BVerfGE 80, 137 (164 ff.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnrn. 426 ff. – Ein Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG wird überwiegend auch angenommen, wenn zwar der gegenständliche Schutzbereich eines speziellen Grundrechts eröffnet ist, dieses aber nur für Deutsche gilt, vgl. BVerfGE 104, 337 (346); BVerfG NJW 2002, 3458 (3459); zum Problem und Diskussionsstand vgl. W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (186); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 Rdnrn. 30 ff. 832 Dies beeinflusst das Ergebnis der Abwägung insoweit, als der Stellenwert und damit das Gewicht der einzelnen Freiheitsgarantien unterschiedlich ist; so zutreffend W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (188 f.). Vgl. ferner BVerfGE 6, 32 (37 ff.); Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (172, 189 f.). 833 Vgl. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (167, 186); Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (215, 226); Wahl, UTR 14 (1991), 7 (33); kritisch und m.w. N. W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (177 ff.); ablehnend Dreier/H. Dreier, Vorb. Rdnr. 122. 834 Vgl. BVerfGE 105, 252 (265 ff., 273); 105, 279 (294 ff.); BVerfG NJW 2002, 3458 (3459); zustimmend Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (167); HoffmannRiem, Der Staat 43 (2004), 203 (218). Zur Kunstfreiheit vgl. Teil 4 E.II.2.c), zur Religionsfreiheit Teil 4 B.II.4.a). 835 Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (174, 186 f.); vgl. bereits oben A.II.1. 836 Vgl. Wahl, UTR 14 (1991), 7 (31, 34); Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (215 f., 224). Den hier vogestellten Ansatz ablehnend, weil er zu stark auf der die genetisch-historischen Auslegung aufbaue, Dreier/H. Dreier, Vorb. Rdnr. 122. 837 Vgl. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (168).

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Ein solches „enges“ Konzept hat den Vorteil, dass die – stets mit Unschärfen verbundene838 – Abwägung in zahlreichen (wenn auch keineswegs in allen839) Fällen oftmals entbehrlich wird. Dies führt zu einem Rationalitätsgewinn. Dieser kann allerdings nur dann wirklich erzielt werden, wenn die Reduktion des Gewährleistungsgehalts selbst klar durch eine Auslegung des Grundrechts begründbar ist.840 Keinesfalls darf die Reduktion durch einen „allgemeinen Sozialverträglichkeitsvorbehalt“ erfolgen, wie er teils allgemein,841 teils für einzelne Grundrechte842 angenommen wurde und heute zu Recht abgelehnt wird.843 Vielmehr muss an dieser Stelle behutsam vorgegangen werden, um einen unbegründeten vorschnellen Ausschluss der Grundrechtsgewährleistungen zu vermeiden.844 Im Zweifel sind daher auch die sachlichen Gewährleistungsbereiche weit auszulegen;845 die Unterscheidung muss aber gleichwohl erfolgen. (bb) Konsequenzen (am Beispiel des Sprayer-Beschlusses) Der beschriebene Ansatz führt nicht dazu, dass die Grundrechtsbindung des Privatrechtsgebers nicht mehr erklärt werden kann. Die „enge“ Konzeption lehnt nicht die Abstraktion von den ursprünglichen Abwehrrechten hin zu Schutz838 Vgl. unten Teil 2 C.I.4.b)bb); ferner (teils noch schärfer: „dezisionistisch“) W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (180 f.); Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (231); BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnr. 142; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 49 ff. 839 Vgl. Lerche, FS Mahrenholz, S. 524. 840 Dies ist der Kritik von Dreier/H. Dreier, Vorb. Rdnr. 122; W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (190 ff.), es fände lediglich eine Verlagerung statt, zuzugeben; vgl. ferner v. Pollern, JuS 1977, 644 (646). 841 Vgl. Starck, JuS 1981, 237 (245 f.) m.w. N., der „offensichtlich sozialschädliche Handlungen“ aus dem Schutzbereich aller Grundrechte ausnehmen will; Dürig, ZGesStW 109 (1953), 326 (336 f.); Isensee, HdbStR, § 111 Rdnrn. 176 ff., der die „evidente Verletzung von Grundrechtsgütern“ anderer ausgrenzen will; BVerwGE 1, 92 (94). Weitere Nachweise bei W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (168). 842 Vgl. die ähnlichen Überlegungen in BVerfGE 7, 377 (397); 32, 311 (316); BVerwGE 95, 15 (20) m.w. N.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 29 I 1, denen zufolge als „Beruf“ i. S. d. Art. 12 GG nur eine „grundsätzlich erlaubte Tätigkeit“ anzusehen sei, enger Sachs/Tettinger, Art. 12 Rdnr. 38: „was dem Menschenbild des GG widerstreitet“. Ablehnend Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 879; ausdrücklich offen lassend, ob und wann ein Ausschluss bestimmter Tätigkeiten von Art. 12 GG denkbar ist, BVerwGE 96, 292 (296 f.); 96, 302 (307 f.). 843 Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (354); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 16; Dreier/H. Dreier, Vorb. Rdnr. 120; v. Pollern, JuS 1977, 644 (646); W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (168), je m.w. N.; Wahl, UTR 14 (1991), 7 (31). 844 W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (189 ff.). 845 Zutreffend W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (197). – Das Argument, dass der abwägende Ausgleich auf der Schrankenebene den Vorteil habe, dass die Belange beider Beteiligter (zumindest teilweise) berücksichtigt und verwirklicht werden können (S. 168 ff.; 189 ff.), führt leicht zu einem Zirkelschluss: Diese Belange müssen nicht und dürfen nicht berücksichtigt werden, wenn sie nicht zu schützen sind.

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pflichten und objektiven Gehalten ab; sie betont nur, dass spezifisch im Hinblick auf die jeweilige Situation ermittelt werden muss, ob die Grundrechte vor einer Verkürzung des gegenständlichen Schutzbereichs schützen. So sind beispielsweise „Kollisionen“ zwischen Kunstfreiheit und Eigentum unter Rückbesinnung auf die Zielrichtung des Art. 5 Abs. 3 GG zu lösen. Die Kunstfreiheit enthält primär den Schutz vor staatlicher Zensur, Kritik und Unterdrückung einzelner Kunstformen und -strömungen, um dem einzelnen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich durch Kunst zu entfalten und auszudrücken.846 Verboten ist daher jede Einwirkung der öffentlichen Gewalt auf Inhalte, Methoden und Tendenzen künstlerischer Tätigkeit und die Gewinnung und Vermittlung von Eindrücken.847 Dieses Eingriffsverbot ist dahingehend zu erweitern (abstrahieren), dass der Staat auch verhindern muss, dass das Verhalten anderer Private solche Wirkungen hervorruft. Das generelle Verbot, Sachen in fremdem Eigentum durch Aufsprühen von Graffitis zu beeinträchtigen, wie es in § 1004 Abs. 1 i.V. m. § 903 S. 1 und § 823 Abs. 1 BGB enthalten ist, berührt diesen eigentlichen Garantiegehalt der Kunstfreiheit jedoch erkennbar nicht.848 Aus dem Umstand, dass kein Eingriff in Art. 5 Abs. 3 GG gegeben ist, folgt damit zunächst, dass das zivilrechtliche Verbot von vornherein nicht gegen die Kunstfreiheit verstoßen kann; auf eine Abwägung mit dem Eigentum oder anderen Privatinteressen kommt es nicht an. Dies gilt selbst dann, wenn durch das Verbot die Ausübung der Kunst weitgehend faktisch unmöglich gemacht wird. In einem solchen Fall können sich lediglich aus den Grundrechten Leistungsansprüche ergeben.849 Die Privatrechtswirkung kann sich aber als solche nie auf Ziele richten, die selbst im dipolaren Staat-Bürger-Verhältnis nicht erfasst sind, da sie nur eine mittelbare Erweiterung desselben darstellt. (cc) Einfluss der grundrechtlichen Leistungsansprüche Das „enge Konzept“ bedeutet allerdings nicht – gewissermaßen umgekehrt –, dass zivilrechtliche Bestimmungen, die eine Inanspruchnahme von fremden Privateigentum durch künstlerische Betätigung erlauben würden, zwingend verfas846 Isensee, AfP 1993, 619 (621 f.); Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (175 f.); Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 660 ff. 847 BVerfG NJW 1984, 1293 (1294); inhaltlich ebenso BVerfGE 30, 173 (190); Hömig/Antoni, Art. 5 Rdnrn. 30 f.; Hoffmann, NJW 1985, 237 (238). 848 Vgl. (neben den bereits Genannten) Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (372 f., 376) m.w. N.; Isensee, FS Sendler, S. 58; v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnrn. 44 f.; Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 23; F. Müller, JuS 1981, 643 (644); Starck, JuS 1981, 644. – Siehe auch Wahl, UTR 14 (1991), 7 (35): Verbietet der Staat, bestimmt Gegenstände zum Zwecke der Kunst, der Forschung o. ä. einzusetzen, liegt darin kein Eingriff in dieses Grundrecht, solange er damit nicht die Forschung mit bestimmten Inhalten verhindert. 849 Dazu sogleich unter (cc).

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sungswidrig sind. Für solche Bestimmungen kann sich eine hinreichende Rechtfertigung zwar nicht aus der Kunstfreiheit als Abwehrrecht oder Schutzpflicht ergeben. Gleichwohl ist der Gesetzgeber nicht gehindert, Maßnahmen zu ergreifen, um die Freiheitsverwirklichung von Bürgern auch auf Kosten anderer zu ermöglichen; hierzu ist er aufgrund des grundrechtlichen Leistungsanspruchs und850 des Sozialstaatsgebots des Art. 20 Abs. 1 GG befugt. Die Leistungsdimension der Grundrechte beruht im Kern auf der Überlegung, dass Rechte, die nicht praktisch in Anspruch genommen werden können, wertlos sind.851 Der Staat ist daher grundsätzlich auch gehalten, den Bürgern die tatsächlichen Voraussetzungen zum Gebrauch der ihnen zustehenden Freiheiten offen zu halten und ggf. zu eröffnen.852 Dies geschieht, indem er eigene (bereits vorhandene) Güter zur Verfügung stellt,853 neue Möglichkeiten und Kapazitäten mit eigenen Mitteln schafft854 oder (erforderlichenfalls) zusätzliche Freiheitsräume durch Beschränkung der Freiheiten anderer hervorbringt.855 Die Zurverfügungstellung von Gütern ist jedoch von den – nie unbegrenzten – Mitteln und Möglichkeiten des Staates abhängig; diese stoßen vor allem im vorliegend erörterten Bereich an ihre Grenzen, weil Freiheiten anderer Personen eingeschränkt werden müssen. Der Gesetzgeber kann und muss daher über den Umfang der von ihm gewährten Leistungen weitgehend frei entscheiden,856 zumal von einer ausdrücklichen Aufnahme „sozialer Grundrechte“ in das Grundgesetz bewusst abgesehen worden ist.857 Konkrete Ansprüche sind somit nur in extremen Ausnahmesituationen denkbar, wenn nämlich eine Freiheit ohne eine gesetzgeberische Maßnahme überhaupt nicht verwirklicht werden kann.858 850 Das genaue Verhältnis beider scheint weitgehend ungeklärt. Diese Arbeit kann auch nicht der Ort sein, eingehendere Untersuchungen hierzu anzustellen, zumal beide Ansätze zu gleichen Ergebnissen führen. Nach Bieback, EuGRZ 1985, 657 (658 f.) hat die Sozialstaatsgebot i. e. S. „vor allem“ bei den Grundrechten eine Bedeutung, die die ökonomische Entfaltungsfreiheit betreffen. 851 BVerfGE 33, 303 (331); siehe auch Breuer, FG BVerwG S. 92; Bieback, EuGRZ 1985, 657 (658). – Anders (den Gleichheitssatz in den Vordergrund stellend) Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2104 f.). 852 Breuer, FG BVerwG S. 91; siehe ferner Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 199. 853 So für Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, vgl. BVerfGE 103, 44 (59 ff.); Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (225). 854 So für die Studienplätze, vgl. BVerfGE 33, 303 (332 ff.). 855 Hierzu gehören auch die Fälle, in denen komplexe Leistungssysteme geschaffen werden, vgl. Bieback, EuGRZ 1985, 657 (664). 856 Vgl. BVerfGE 33, 303 (333, 336); Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 333 (340 f.); Breuer, FG BVerwG. S. 93, 100; Bieback, EuGRZ 1985, 657 (664). 857 Vgl. Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2105). 858 Breuer, FG BVerwG S. 94, 112 f., 119 (betonend, dass das Optimum nicht verlangt werden kann); Bieback, EuGRZ 1985, 657 (663 f.). In BVerfGE 33, 303 (331 ff.) kam hinzu, dass der Staat im Bereich des Hochschulwesens eine Monopolstellung besitzt.

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Weitgehend identische Direktiven entfaltet das Sozialstaatsprinzip. Der Gesetzgeber soll eine Ordnung verwirklichen, die auch wirtschaftlich Schwachen und situativ Benachteiligten eine ausreichende Teilhabe ermöglicht, und diese Personen durch den Erlass spezieller Bestimmungen fördern.859 Hierzu gehört i. w. S. auch, den Gebrauch der Freiheitsgrundrechte möglich zu machen.860 Soweit der Gesetzgeber bei der Verfolgung sozialstaatlicher Ziele die Grundrechte anderer Bürger einschränkt, ist dies – vorbehaltlich der Beachtung der Schranken-Schranken861 – verfassungsrechtlich legitim, da wegen Art. 20 Abs. 1 GG auch solche Ziele im Rahmen der bestehenden Gesetzesvorbehalte zu den legitimen Gemeinwohlbelangen gehören.862 Das Ziel, anderen Bürgern ihre Freiheitsverwirklichung zu ermöglichen, bildet daher einen Belang, der nach Art. 14 Abs. 2 GG (bei anderen Grundrechten: wegen des ungeschriebenen Verfassungsvorbehalts) Einschränkungen rechtfertigen kann. Auf diese Weise ließe sich z. B. eine gewisse Privilegierung künstlerischer Aktivitäten gegenüber anderen Tätigkeiten legitimieren. Auch das Sozialstaatsprinzip bringt jedoch keine weitergehenden subjektiven Rechte für den einzelnen Betroffenen, da sich seine Vorgaben kaum zu definitiven Einzelkonsequenzen verdichten863 und der Gesetzgeber bei der Verwirklichung des Gestaltungsauftrags einen sehr weiten Gestaltungsspielraum besitzt.864 (dd) Ergebnis Ein „enges“ Verständnis vom sachlichen Inhalt der Grundrechte führt im Bereich der zivilrechtlichen Bestimmungen nicht dazu, dass Kollisionssituationen i. w. S. überhaupt nicht auftreten und sich dadurch eine Betrachtung und Abwägung involvierter Grundrechte stets von vornherein erübrigt. Aus den Grundrechten – jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG – lässt sich meist die Aufforderung 859 Sachs/Sachs, Art. 20 Rdnr. 46; Dreier/Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat) Rdnr. 17; Koller, FS Tammelo, S. 98 ff.; BVerfGE 33, 303 (332); 59, 231 (263). – Das Sozialstaatsprinzip ist nicht geeignet, Grundrechte unmittelbar – i. S. v. ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber – zu beschränken, BVerfGE 59, 231 (263); zustimmend Dreier/Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat) Rdnrn. 31 f.; Sachs/Sachs, Art. 20 Rdnr. 50. 860 Dreier/Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat) Rdnr. 21. 861 Vgl. Dreier/Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat) Rdnr. 32: Das Sozialstaatsprinzip sei im Kollisionsfall abzuwägen und mit den anderen Zielen in Praktische Konkordanz zu bringen; ähnlich Merten, VSSR 1995, 155 (166). 862 Sachs/Sachs, Art. 20 Rdnr. 50; sachlich ebenso Merten, VSSR 1995, 155 (160); Bieback, EuGRZ 1985, 657 (662). – In BVerfGE 57, 70 (99) ging das BVerfG offenbar davon aus, dass das Sozialstaatsgebot auch die Beschränkung schrankenloser Grundrechte rechtfertigen kann. 863 Sachs/Sachs, Art. 20 Rdnr. 47; Merten, VSSR 1995, 155 (157); inhaltlich ebenso BVerfGE 1, 97 (105); 52, 283 (298); 82, 60 (80). 864 BVerfGE 59, 231 (263); Dreier/Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat) Rdnr. 32; vgl. ferner BVerfGE 18, 257 (273); 29, 221 (235).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

ableiten, tatsächliche Möglichkeiten zur Entfaltung zu schaffen. Ergreift der Staat solche Maßnahmen nicht, ist daher eine Missachtung verfassungsrechtlicher Anforderungen jedenfalls denkbar. Wenn der Gesetzgeber Regelungen mit diesem Ziel erlässt und dadurch Freiheiten anderer Privatrechtssubjekte einschränkt, ist jedoch erst recht zu prüfen, ob er hierbei die Grenzen der Angemessenheit wahrt. Im Zweifel gilt, dass das Eingriffsverbot, das sich aus dem Abwehrrecht ergibt, höheres Gewicht und Vorrang vor den Leistungspflichten besitzt. Eine sorgfältige Interpretation der einzelnen Grundrechte und eine genaue Analyse, welche Wirkung jeweils betroffen ist (Abwehrfunktion unmittelbar, Schutzpflicht, Leistungsdimension),865 kann damit zu einem erheblichen Rationalitätsgewinn führen. Wird erkannt, dass sich ein Bürger nicht auf ein besonderes Freiheitsrecht berufen kann, sondern „nur“ die allgemeine Handlungsfreiheit, bedeutet dies regelmäßig, dass seinem Handlungsinteresse in der Abwägung weniger Gewicht zukommt. Gleiches gilt noch mehr, wenn festgestellt wird, dass der Private nicht die Abwehr von Beeinträchtigungen, gegen die die Grundrechte gerichtet sind, begehrt, sondern eine positive Leistung in Gestalt der Zurverfügungstellung von Gütern oder tatsächlichen Freiräumen. Erstrebt der Bürger eine Ausweitung seiner faktischen Freiheit über die bestehende Situation hinaus, kann dann eine Verletzung grundrechtlicher Pflichten regelmäßig verneint werden, da sich Pflichten zum Tätigwerden des Staates erst ergeben, wenn das unabdingbare Minimum nicht mehr gewährleistet ist. Die beschriebene „engere Konzeption“ ist somit vorzugswürdig, da sich mit ihr ein Rationalitätsgewinn erzielen lässt und umgekehrt weder der Text der Verfassung noch deren Genese darauf hindeuten, dass die Grundrechte einen generellen Schutz des jeweiligen gegenständlich erfassten Bereichs bewirken sollen. Vor einer Abwägung muss daher der Gehalt des potentiell betroffenen Grundrechts (abstrakt) und die Art, in der es konkret berührt wird, genau untersucht werden. Von diesem Ergebnis ausgehend ist dann eine Abwägung vorzunehmen, soweit sie sich noch als erforderlich erweist.866 cc) Anwendung auf die Fälle des § 906 BGB Im Beispielsfall der Immissionen von benachbarten Grundstücken, mit denen sich § 906 BGB befasst, lässt sich eine „echte Kollision“ nicht verneinen. Der sachliche Gewährleistungsbereich der Eigentumsgarantie umfasst jedes Verhalten, das als Nutzung eines Gegenstands oder als Verfügung hierüber verstanden werden kann; der Staat hat sich grundsätzlich jedes Verbots dieser Handlungen zu enthalten. Für die Zivilrechtsordnung ergibt sich daraus, dass dem Rechtsin865 866

Vgl. Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (226). Ebenso Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 23.

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haber jeweils die Befugnisse und Ansprüche gegen andere Privatrechtssubjekte verliehen werden müssen, die erforderlich sind, damit sie ihn nicht an solchen Handlungen hindern können. Der Umstand, dass die vom Emittenten beabsichtigte Nutzung nachteilige Auswirkungen auf andere hat, ist dabei – jedenfalls, solange sie sich als Nebenwirkungen der Eigentumsnutzung darstellen – für die Legitimität des Nutzungsinteresses irrelevant. Die Tatsache, dass mit der Nutzung des eigenen Grundstücks zwangsläufig867 Einwirkungen auf Nachbargrundstücke einhergehen, schließt daher den Schutz durch Art. 14 GG nicht aus.868 Vielmehr kollidiert das Recht des Eigentümers auf Nutzung mit dem des Nachbarn, dem ebenfalls die ungestörte Nutzung seines Grundstücks garantiert ist: Der Emittent muss in gewissem Umfang das andere Grundstück beeinträchtigen dürfen, damit er die Möglichkeiten zur tatsächlichen Nutzung seines Grundstücks ausschöpfen kann, weil ihm andernfalls die Abwehrbefugnisse des Nachbarn entgegenstehen; der Nachbar ist jedoch auf Abwehrbefugnisse angewiesen, damit die ihm tatsächlich mögliche Nutzung nicht durch fremde Immissionen vereitelt wird. Die Grundrechte beider müssen somit einem Ausgleich im Wege der Abwägung zugeführt werden, wie ihn § 906 BGB in Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 vornimmt. dd) Anwendung auf die Fälle des § 917 BGB Komplizierter liegt der Fall beim Notwegerecht, das in § 917 BGB geregelt ist. Der Umstand, dass der Eigentümer ein von einem öffentlichen Weg abgeschnittenes Grundstück nur unzureichend nutzen kann, beruht weniger auf einem Rechtssatz (der die Nutzung des abgeschnittenen Grundstücks reglementiert) als auf dessen tatsächlichem Zustand: Das Befahren des Zwischengrundstücks ist zwar erforderlich zur Nutzung des eigenen (Hinterlieger-)Grundstücks, stellt aber nicht (anders als die Ausführung emittierender Nutzungstätigkeiten) unmittelbar dessen Nutzung dar; es geht nicht nahezu zwingend mit einem von vornherein möglichen Gebrauch einher. Berührt ist daher nicht die „rechtliche Freiheit“ sondern die „faktische Möglichkeit“, die Nutzung der Sache auszuüben. Da es dem Eigentümer darum geht, zusätzliche Befugnisse im Umgang mit anderen Sachen zu erhalten, die ihn in die Lage versetzen, die vom Eigentum an sich garantierte Freiheit ausnutzen zu können, ist die Leistungsdimension des Grundrechts betroffen.869 867 Wegen dieser Einschränkung besteht kein Recht, Abgase gezielt auf andere Grundstücke zu leiten; § 906 Abs. 3 BGB trägt dem Rechnung. 868 Vgl. P. M. Huber, Umweltschutz, S. 48 f., Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 4. – In einer solchen Einschränkung läge gerade eine normative Beschränkung der Freiheit im o. g. Sinne. 869 Dazu – und auch zur Unterscheidung – vgl. Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 333 (339 ff.) m.w. N.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Beim Eigentum ist die Leistungsdimension nicht nur generell, sondern vor allem bei Konflikten mit anderen Eigentümern schwach ausgeprägt: Das Eigentum soll dem Einzelnen die Chance geben, durch geschicktes Ausnutzen der Gegebenheiten, durch eigene Investitionen oder auch nur durch zugefallene Vorteile größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Der Staat ist grundsätzlich nicht verpflichtet, günstige Marktbedingungen für die Veräußerung herzustellen oder zu erhalten870 oder Maßnahmen zu ergreifen, um eine möglichst vielseitige, intensive oder hochwertige Nutzbarkeit des Gegenstands zu eröffnen, wenn die Möglichkeit hierzu in tatsächlicher Hinsicht nicht vorhanden ist. Dies ist vielmehr zuvörderst Aufgabe des Eigentümers.871 Nachteile aufgrund unzulänglicher tatsächlicher Gegebenheiten oder Risiken, die im Bereich der Verwirklichung des Rechtsinhalts gegenüber anderen liegen (Nichtbefolgung der Unterlassungspflichten durch den Anspruchsgegner oder mangelnde Realisierbarkeit des Anspruchs aus anderen Gründen; Insolvenz des Schuldners; mangelnde Nachfrage infolge der Marktlage) sind daher grundsätzlich dem Eigentümer zugewiesen.872 Verstärkend kommt hinzu, dass das Eigentum gerade seinem Inhaber zur freien Nutzung zur Verfügung stehen und ihm die Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheiten ermöglichen873 soll; eine Inpflichtnahme im Interesse konkreter anderer liegt daher strukturell fern. Zwingende Gebote, die Befugnisse des einen Eigentümers „auf Kosten des anderen“ zu erweitern, ergeben sich daher nur in extremen Ausnahmesituationen. Selbst wenn eine solche noch nicht gegeben ist, ist der Gesetzgeber allerdings – wie in § 917 BGB geschehen – berechtigt, Regelungen zu erlassen, die die Nutzbarkeit des Eigentümers zum Nachteil des anderen Eigentümers erhöhen. Eingriffe in Eigentumsrechte sind gerechtfertigt, wenn das Gewicht der beiden Interessen im konkreten Fall dies jedenfalls als sachgerecht und noch angemessen erscheinen lässt. In den von § 917 BGB erfassten Fällen besitzt ein Grundstück keine Verbindung zu einem öffentlichen Weg. Eine Zuwegung ist Voraussetzung nahezu jeder denkbaren Nutzung. Sie kann daher funktional als das Existenzminimum des Eigentümers verstanden werden. In dieser Situation stellt die Entscheidung, den Nachbarn – auch wenn er für die Wegenot nicht verantwortlich ist – in Anspruch zu nehmen, wegen der Wichtigkeit der Zufahrtsmöglichkeit für den anderen Eigentümer eine sachgerechte Lösung dar. Zudem besteht auch ein „echtes öffentliches“ (volkswirtschaftliches) Interesse, die vorhandenen Grund870 Vgl. BVerfGE 105, 252 (277): keine „allgemeine Wertgarantie“; BVerfGE 105, 252 (278): nur „rechtliche Befugnis zur Veräußerung“, nicht „tatsächliche Absatzmöglichkeit“. 871 Vgl. BVerfGE 34, 139 (147): Die Herstellung der Bebaubarkeit durch die Erschließung ist primär eine Aufgabe des Eigentümers. 872 Vgl. – allgemein und in etwas anderem Zusammenhang – Merten, VSSR 1995, 155 (165). 873 Siehe dazu oben B.I.3.

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flächen nicht völlig ungenutzt zu lassen, da Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar sind. Dies gestattet dem Gesetzgeber, die Entscheidung dahin zu treffen, dass der Eigentümer des Zwischengrundstücks eine erforderliche Überfahrt dulden muss. Die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers in § 917 BGB ist daher auch vor dem Hintergrund des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Grundgesetzes nicht zu beanstanden. Aus der beschriebenen Interessensituation ergeben sich jedoch wichtige Vorgaben für die Auslegung und Anwendung der Bestimmung.874 ee) Zwischenergebnis und Folgerungen Im Falle einer Kollision mehrerer Positionen i. S. v. Art. 14 GG lässt sich der Vorrang der Nutzungsgarantie regelmäßig nicht für beide Beteiligten verwirklichen. Die typischen Nutzungskonflikte wie Grundstücksimmissionen und Wegenot, in denen das BGB die Abwehransprüche des Grundstückseigentümers im Interesse anderer Privater einschränkt, können als Fälle solcher Kollisionen erklärt werden. Das Ziel, die Sphäre eines anderen Privaten zu schützen oder zu erweitern, um dessen Interessen nach Verwirklichung der eigenen Nutzungsfreiheit Rechnung zu tragen, kann legitimierender Grund von Privatrechtsnormen sein, die in die Freiheit eines Bürgers/Eigentümers eingreifen.875 Ein qualitativer Unterscheid zu anderen Grundrechtskollisionen liegt hierin nicht. Im Einzelfall sind jedoch das Gewicht der jeweils betroffenen Grundrechte und die betroffene Wirkungsqualität (Abwehr/Schutz/Leistung) von erheblicher Bedeutung. Auch wenn sich daher der Vorrang der Substanzerhaltung oft nicht uneingeschränkt verwirklichen lässt, behält er dennoch seine Geltung. Insbesondere bedarf es unbedingt kollidierender Interessen, die im konkreten Fall als vorrangig bewertet werden können, um eine Einschränkung der Befugnisse des Eigentümers zu legitimieren. Weder eine Entschädigungszahlung als solche noch die Überlegung, dass vernünftige Vertragsparteien sich auf einen Verzicht auf die Abwehrbefugnisse gegen angemessenes Entgelt einigen würden,876 können einen unfreiwilligen Befugnisverlust des Eigentümers rechtfertigen. 874

Dazu näher unten Teil 4 B.II.1.a). Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228), ders., AcP 185 (1985), 9 (11); Classen, AöR 122 (1997), 65 (98 f.) m.w. N.; Enders, AöR 115 (1990), 610 (629); Isensee, FS Großfeld, S. 508; ders., HdbStR § 111 Rdnrn. 87, 157; Jarass, FS BVerfG, S. 40; Laufke, FS Lehmann, S. 170 f.; Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 14; ähnlich BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 166. 876 So jedoch Maultzsch, JbJgZivRW 2005, 57 (61 ff.) und ausführlich ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 142 ff, der die Aufopferung als „Marktimitation“ erklärt. Der von ihm vertretene „ökonomische“ Ansatz kann zwar treffend beschreiben, in welchen Fällen die Ausnutzung eines Mitbenutzungsrechts (i. w. S.) für den NichtEigentümer sinnvoll ist (vgl. zur Kosten-Nutzen-Analyse: ders., JbJgZivRW 2005, 57 (66 ff.); ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche und faktische Duldungszwänge, 875

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Den verfassungsrechtlich geschützten Interessen eines Privaten kann in der Abwägung mit Grundrechten des anderen ein im Vergleich zu bloßen Gemeinwohlbelangen höheres Gewicht zukommen; zudem besteht unter Privaten keine so starke Schonungs- und Rücksichtnahmepflicht wie sie den Staat trifft. Daher können durch sie Eingriffe gerechtfertigt sein, die Bedenken im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsgebot hervorrufen würden, wenn sie der Verfolgung rein staatlicher Interessen dienen würden.877 b) Fälle des Rechtsverlusts In den Fällen des gutgläubigen Erwerbs (§§ 932 ff., § 892 BGB) geht der Gesetzgeber über den Ausschluss einzelner Befugnisse deutlich hinaus, da er das dingliche Recht vollständig einem anderen zuordnet und so für den Rechtsinhaber einen Verlust des Rechts herbeiführt.878 Gleichwohl sind auch die Regelungen über den Erwerb vom Nichtberechtigten nicht als Enteignungen einzuordnen, da kein Rechtsentzug zur Realisierung von Allgemeinwohlzwecken erfolgt; der Verlust wird vielmehr im Interesse privater Personen angeordnet und steigert die Verkehrs- und Umlauffähigkeit des Eigentums im Interesse aller Eigentümer.879 Daher stellt sich die Frage, ob und wie es mit dem Vorrang der Substanzgarantie vereinbar ist, als Rechtsfolge von zivilrechtlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen einen Rechtsverlust anzuordnen.

S. 153 ff.). Er kann aber nicht erklären, weshalb der Eigentümer überhaupt auf seine Befugnisse verzichten soll (dies zugebend auch ders., JbJgZivRW 2005, 57 (68); ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 160 ff.). Der Umstand, dass die Rechtsordnung für einen Rechts-/Befugnisübergang grundsätzlich eine Einigung verlangt, zeigt, dass dem Eigentümer ein Recht zusteht, den Vertrag – selbst wenn dies für Außenstehende und unter rein ökonomischen Aspekten rational erscheinen mag – abzulehnen. Auf diese Weise kann der Eigentümer auch seine Affektionsinteressen verwirklichen (dies zugebend ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 246 f., der daher eine erzwungene Umschichtung von Befugnissen als „immer nur die zweitbeste Lösung“ bezeichnet). Die Tatsache, dass der gesetzliche Ausschluss oft effizient ist, wenn der andere einen höheren Nutzen ziehen kann und daher ein höheres Entgelt zu zahlen bereit ist, kann allein nicht Legitimation sein; entscheidend ist, dass die Verwirklichung dieser Nutzung auch im Allgemein- oder Individualinteresse etc. der Vorrang zukommen soll und unter Berücksichtigung der garantierten Rechte des anderen auch zukommen darf. 877 So darf und muss der Staat selbst bei Minimalforderungen eines privaten Gläubigers die Titulierung des Anspruchs und die Betreibung der Zwangsvollstreckung durch seine Justizorgane ermöglichen, während ein Strafverfahren einzustellen ist, wenn allenfalls eine geringe Schuld besteht und sich der Sachverhalt nur mit schweren Freiheitseingriffen aufklären lässt. Vgl. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (255); StaudingerSymposion 1998/O. Werner, passim, insbes. S. 56; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 28. 878 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 47; P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 123. – Eine eingehende Untersuchung zum gutgläubigen Erwerb findet unten Teil 4 E.I. statt. 879 Dazu eingehend unten Teil 4 E.I.2.c)aa).

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aa) Erklärungsansätze Erwogen wurde, die Fälle erheblicher und bestandsdurchbrechender Eigentumsbeeinträchtigungen zugunsten anderer Privater, die der Auflösung von Kollisionen widerstreitender Interessen dienen, als eine besondere Art von Eigentumseingriff zu behandeln, der in Anlehnung an Art. 14 Abs. 3 GG ein besonders hochrangiges Interesse des anderen Privaten voraussetzt.880 Gegen eine derartige Analogie zu Art. 14 Abs. 3 GG spricht aber, dass das Recht des Staates zur Enteignung untrennbar mit seiner (an ihn als Hoheitsträger gerichteten) Pflicht verknüpft ist, bestimmte Aufgaben im Gemeinwohlinteresse zu erfüllen. Gerade diese Aufgaben legitimieren, ausnahmsweise die privatrechtsimmanenten Abläufe im Einzelfall zu durchbrechen. Dies findet in den privatrechtlichen Konstellationen keine Parallele. Eine entsprechende Anwendung der Regeln zur Enteignung muss daher an der Unübertragbarkeit der ratio legis des Art. 14 Abs. 3 GG scheitern. Schafft der Gesetzgeber Regelungen im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse anderer Privater, sind diese Inhalts- und Schrankenbestimmungen, ohne dass es auf die Intensität des Rechts-/Befugnisverlusts ankommt. Zudem ist nicht zu beantworten, wann private Interesse gegenüber anderen privaten Interessen dermaßen überragend sind, wie es in Art. 14 Abs. 3 GG gefordert wird, und auf welche Weise die Verwirklichung des Enteignungszwecks – wie es erforderlich wäre – dauerhaft gesichert werden kann.881 Damit bleibt nur, die Fälle, in denen der Gesetzgeber den vollständigen Verlust eines Rechts anordnet, ebenfalls als Kollisionslösungsregelungen zu behandeln. In den Fällen des gutgläubigen Erwerbs steht dem von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsbeharrungsinteresse des (Alt-)Eigentümers das Erwerbsinteresse des Käufers882 gegenüber: Ihm ist, da er im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Erwerbs typischerweise bereits eine Leistung erbracht hat, daran gelegen, das Eigentum an dem Gegenstand auch dann zu erhalten, wenn der Veräußerer nicht Rechtsinhaber war; er will davor bewahrt werden, die Sache u. U. nach langer Zeit herausgeben zu müssen und dadurch der Gefahr ausgesetzt zu sein, die Ansprüche auf Rückerstattung der erbrachten Leistung oder Schadensersatz nicht durchsetzen zu können. Neben dieses – legitime – Individualinteresse tritt verstärkend das kollektivierte Interesse aller Teilnehmer am Rechtsverkehr an Verkehrsschutz und Rechtssicherheit.883 880 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 334 ff. (insbes. S. 338); Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnrn. 83 f.: „sozialpflichtüberschreitende Schrankenziehung“; vgl. ferner F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 34 ff. 881 Vgl. die Kritik bei J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 74. 882 Selbstverständlich muss es sich nicht zwingend um einen Kaufvertrag handeln; die Bezeichnung wird nur der Kürze halber gewählt. 883 Vgl. unten Teil 4 E.I.2.b). Im vorliegenden Zusammenhang soll nur die Struktur der Normen dieser Gruppe ermittelt werden, unabhängig davon, ob und durch welche

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Die in den §§ 932 ff. BGB angeordnete Rechtsfolge eines vollständigen Rechtsverlusts erweist sich dabei – sofern man dem Erwerberschutz den Vorrang einräumt – insoweit als zwingend, als eine Mittellösung praktisch ausscheidet: Eine Aufspaltung oder Mitberechtigung würde keinen der Beteiligten befriedigen, da jeder die gewöhnliche vollumfängliche Rechtsmacht beanspruchen kann und ein einheitliches Recht nicht mehreren Personen zugeordnet werden kann.884 Selbst der vollständige Verlust des Eigentums kann daher durch Rechtspositionen anderer von verfassungsmäßigem Rang gerechtfertigt werden, wenn eine sachgerechte Lösung des Konflikts nur auf diese Weise möglich ist. Insoweit unterscheidet sich die Übertragung des Rechts auf eine andere Person nicht strukturell sondern nur graduell von der partiellen Beschränkung eines Rechts durch die Auferlegung von Duldungspflichten.885 Das Gewicht, das diesen Belangen zukommen muss, damit eine solche Regelung das Erfordernis der Angemessenheit noch wahrt, ist hier allerdings höher als bei einer nur punktuellen Befugniseinschränkung.886 bb) Kein genereller Vorrang des Eigentums gegenüber anderen Grundrechten Zu prüfen ist jedoch auch an dieser Stelle, ob überhaupt in eine Abwägung eingetreten werden darf oder ob der Konflikt zwischen dem Erwerbs- und dem Verkehrsschutzinteresse auf der einen und dem Erhaltungsinteresse auf der anderen Seite nicht generell zugunsten des gegenwärtigen Rechtsinhabers zu lösen ist.887 Inhaber einer von Art. 14 GG erfassten Rechtsposition ist nämlich allein der Eigentümer. Dem Dritten kommt nur eine Erwerbsaussicht zu, die aber nicht von der Eigentumsgarantie erfasst ist; der Schutz durch Art. 14 GG setzt erst ein, wenn einer Person eine Position zusteht, die sie zur eigenverantwortlichen Gestaltung nutzen kann. Auch eine Anknüpfung an den schuldrechtlichen Übereignungsanspruch führt zu keinem anderen Ergebnis:888 Der Übereignungsanspruch („individuellen“ oder „überindividuellen“) Belange die Verhältnismäßigkeit hergestellt werden kann. 884 Vgl. – in einem etwas anderen Zusammenhang – Neuner, AcP 203 (2003), 46 (54). 885 Ebenso P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 133 ff. 886 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 75 ff.; siehe auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 33. 887 Vgl. zur folgenden Argumentation Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 384. 888 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 79 f.; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 146; ders., AcP 205 (2005), 205 (224); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 119, bei denen sich jedoch die folgende differenzierte Analyse und Begründung nicht findet. – Angemerkt sei, dass wegen des Abstraktionsprinzips ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch nicht Voraussetzung eines gutgläubigen Erwerbs ist.

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genießt zwar den Schutz der Eigentumsgarantie,889 doch wiederum nur im Hinblick auf Bestand, Übertragbarkeit und rechtliche Durchsetzbarkeit. Vorliegend geht es darum, ob der Staat dessen tatsächliche Verwirklichung sicherstellen muss, indem der auch einen Nichtberechtigten in die Lage versetzt, dem Anspruchsgläubiger das Eigentum zu verschaffen. Damit wäre der Bereich der grundrechtlichen Leistungsansprüche eröffnet. Eine Pflicht, dem Gläubiger das Risiko der Realisierbarkeit eines Anspruchs abzunehmen, kann es jedoch nicht geben, da dieses Risiko jedem Recht innewohnt. Ein Schutz vor dem Solvenzrisiko kann somit unter dem Aspekt des Schutzes des zugrundeliegenden Anspruchs generell nicht bestehen. Dem Käufer droht somit eine Einbuße nur im Hinblick auf sein Vermögen,890 das allein von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist. Eine Kollision zweier gleichwertiger Positionen liegt somit nicht vor.891 Ein Satz, dass sich im Fall einer Kollision des Eigentums mit einem anderen Freiheitsrecht stets die Substanzgarantie durchsetzt und das bestehende Zuordnungsverhältnis aufrechtzuerhalten ist, lässt sich allerdings nicht bilden. Den Garantien des Grundgesetzes ist eine starre Über- und Unterordnung gegenüber anderen fremd; keinem Grundrecht kommt generell Vorrang vor einem anderen zu.892 Der Vorrang der Substanzgarantie beim Eigentum führt zwar dazu, dass Einschränkungen der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis primär zu vermeiden sind; aus ihm folgt aber nicht, dass die Substanzgarantie niemals Einschränkungen durch andere Interessen von Verfassungsrang – ihr hinreichendes Gewicht im Einzelfall unterstellt – erfahren kann. Schützenswerte Interessen anderer können daher, auch wenn sie selbst nicht in Art. 14 Abs. 1 GG wurzeln, bei entsprechendem Gewicht Bestimmungen legitimieren, die als Rechtsfolge den Verlust des Eigentums an einen anderen Privaten aufweisen.893 cc) Zwischenergebnis – Weitere Fragestellung Nicht nur befugnisbeschränkende, sondern auch rechtsübertragende Normen des Sachenrechts sind ihrer Struktur nach somit Kollisionsregelungen. Auch der 889

Unten Teil 4 B.IV.2.c). Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 49. 891 Insoweit anders J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 79 f. 892 Siehe nur (selbst zu den den vorbehaltslosen Grundrechten) BVerfGE 81, 278 (289, 293); Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (375) m.w. N.; Canaris, JuS 1989, 161 (172); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 316; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 194, 203 f., 206 m.w. N.; vgl. auch oben oben Fn. 821. 893 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 17: Des Schutzes des Erwerbers wegen verliert der Berechtigte sein Eigentum; ferner Canaris, AcP 184 (1984), 201 (220 f., Fn. 69 a); P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 123; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 384; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnrn. 73 f. 890

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Übergang des Rechts vom Eigentümer auf eine andere Person kann mit kollidierenden Privatinteressen anderer gerechtfertigt werden. Zu untersuchen bleibt damit, welche Gestaltungsfreiheit die involvierten Grundrechte – und insbesondere das mit ihnen verbundene Verhältnismäßigkeitsprinzip – dem Gesetzgeber im Hinblick auf den Inhalt die konkliktlösenden Normen belassen. 3. „Verhältnismäßigkeit“ bei der Schaffung privatrechtlicher Regeln a) Gegenläufige Wirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips innerhalb der einzelnen Rechtsbeziehungen Betrachtet man in den Fällen der Grundrechtskollisionen die Beziehungen des Staates zu den beiden beteiligten Privaten isoliert, ist der Gesetzgeber regelmäßig einer zweifachen Verpflichtung zur Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben ausgesetzt:894 Beschränkt er die Nutzungsbefugnisse des einen, hat er dessen Grundrechte in ihrer klassischen Funktion als Eingriffsverbote zu beachten, so dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip895 gilt. Verbietet der Staat nachteilige Handlungen anderer Personen nicht, entfaltet die Eigentumsgarantie (oder ein anderes Grundrecht) als Schutzpflicht Wirkung. Der Gesetzgeber müsste daher das Verhältnismäßigkeitsprinzip nach beiden Seiten beachten, da ihm gleichzeitig vorgegeben wird, wie weit er gehen darf und wie weit er gehen muss.896 Weder Freiheitsbeschränkung noch Freiheitsschutz dürften – für sich gesehen – unverhältnismäßig sein.897 Eine derartige getrennte Betrachtung der beiden Grundrechtsbeziehungen ist allerdings nicht situationsgerecht, weil Privatrechtsnormen eine Vermittlung zwischen zwei Grundrechtsträgern bewirken sollen, deren Positionen grundsätzlich gleichwertig sind.898 Der Gesetzgeber muss entscheiden, wie die Befugnisse unter den beteiligten Privaten verteilt werden sollen. Die Anwendung von Über894

Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 69; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (59). Grundsätzlich „im weiten Sinne“, also als Gebot der Wahrung von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit, Canaris, JuS 1989, 161 (162). 896 Vgl. zu dieser Situation Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 (486 f.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 42; Hesse, FS Mahrenholz, S. 556; Isensee, AfP 1993, 619 (626, 628); ders., HdbStR § 111 Rdnr. 165; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 106 ff.; plastisch V. Götz, Verwirklichung, S. 81; Hain, DVBl. 1993, 982 (Titel; ferner S. 982 f.): „Zangengriff“. 897 BVerfGE 81, 242 (261). 898 Dies unterscheidet sie selbst von den meisten drittschützenden Regelungen im öffentlichen Recht, bei denen der Drittschutz eine nur neben und hinter die primäre Regelung tretende Wirkung der Zulassungsnorm etc. darstellt; die materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Vorhabens sind vor allem im Allgemeininteresse festgesetzt (vgl. Teil 3 A.I.). 895

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maß-Verhältnismäßigkeit in der einen Richtung und von Untermaß-Verhältnismäßigkeit in der anderen mag zwar konstruktiv konsequent sein, trägt aber dieser Symmetrie nicht genügend Rechnung.899 Sie führt, weil für Eingriffe in Abwehrrechte und für die Nichterfüllung von Schutzpflichten oder Leistungsansprüchen teils unterschiedlich strenge Anforderungen gelten, zu zufälligen Ergebnissen spätestens bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle.900 In der Phase der Normsetzung darf in Fällen echter Kollisionen der Eingriffsabwehr ebenfalls kein Vorrang vor der Schutzpflicht zukommen; vielmehr müssen die gleichen inhaltlichen Maßstäbe anzuwenden sein unabhängig davon, ob konkret die Abwehr- oder die Schutzwirkung vorliegt.901 Im Privatrecht kommt daher der Unterscheidung dieser beiden Schutzrichtungen eine gegenüber dem klassischen verwaltungsrechtlichen Dreiecksverhältnis vergleichsweise geringere Bedeutung zu.902 Selbst dem Ziel, den Grundrechtsträgern im Sinne der leistungsrechtlichen Komponente eine größere Entfaltungsmöglichkeit zu eröffnen, kann nicht von vornherein ein mangelndes Gewicht attestiert werden. Lediglich bei der Angemessenheitsprüfung ist zu beachten, dass unbedingt garantiert nur das essentielle Minimum an Schutz (nicht aber alles darüber Hinausgehende) ist, so dass sich die Abwehrinteressen oft durchsetzen werden. Da aber nicht die typisch einseitige Konstellation „individuelle Freiheit gegen Gemeinwohl“ vorliegt, muss das Ziel der zivilrechtlichen Regelungen stets lauten, eine sachadäquate Konfliktschlichtung durch Optimierung der beiden kollidierenden Freiheitsräume zu erreichen.903

899 J. Hager, JZ 1994, 373 (381); ders., Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 30 ff.; Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (881); vgl. ferner Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 (509 f.); mit der Symmetrie argumentiert auch Schwabe, AcP 185 (1985), 1 (5 f.). Eine Symmetrie ablehnend dagegen Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 107; kritisch ferner O. Klein, JuS 2006, 960 (962 f.) (dazu folgende Fn.). 900 Siehe nur Canaris, JuS 1989, 161 (167 ff.); G. Hager, JuS 2006, 769 (771); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (378, 384, 395); siehe ferner O. Klein, JuS 2006, 960 (963): Bei Eingriffen liegt die Legitimationlast (Übermaßverbot) beim Staat, bei Schutzpflichtverletzungen (Untermaßverbot) jedoch beim Bürger. 901 Vgl. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (338, 340 f.); Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, 946 (948); Schlink, FS BVerfG, S. 459. 902 Vgl. Jarass, FS BVerfG, S. 41 ff. m.w. N.; G. Hager, JuS 2006, 769 (771); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 32; Pietzcker, FS Dürig, S. 352 ff. 903 Oldiges, FS Friauf, S. 289 f.; unter Bezugnahme auf Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 138; siehe ferner ders., AfP 1993, 619 (628); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (228); G. Hager, JuS 2006, 769 (771); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 72; ders., FS Mahrenholz, S. 544; Jarass, FS BVerfG, S. 41 f.; H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (495); v. Münch/Kunig/v. Münch, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 47; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 81 f.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 204 f.; H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (171). Vgl. auch Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 106 ff.; ders., AcP 205 (2005), 205 (217), der von einer „Neutralitätspflicht“ des Staates im Streit der beiden Bürger spricht.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wie es im Staat-Bürger-Verhältnis praktiziert wird, ist im Bereich des Zivilrechts im Übrigen auch aus rechtstheoretischen Gründen nicht operabel: Stehen sich ein Grundrechtsadressat und ein Grundrechtsträger gegenüber, kann das Verhältnismäßigkeitsprinzip in seiner Reinform wirken, weil nur eine Freiheit und damit nur ein Bezugspunkt vorhanden ist, an dem die beabsichtigte staatliche Regelung zu messen ist.904 Wegen des aus dem Verteilungsprinzip resultierenden Vorrangs der Freiheit kann dort der Satz gelten, dass der Staat notfalls auf eine Maßnahme verzichten muss, wenn die aus ihr resultierenden Belastungen für den Einzelnen in einem nicht mehr hinnehmbaren Verhältnis zum Regelungsanliegen stehen. Sobald zwei Personen involviert sind, die sich beide auf grundrechtliche Freiheiten berufen können, kann dagegen die Situation auftreten, dass der Gesetzgeber nicht beiden Geboten vollständig nachkommen kann, weil er eine Regelung treffen muss, selbst wenn die Folgen für einen der Bürger erheblich sind. Prüfkriterium kann nur sein, ob ein Pareto-optimaler Zustand erreicht ist, ob also mit der Einschränkung des einen Interesses noch ein Zuwachs an Verwirklichung des anderen korrespondiert.905 Die Grundrechte wirken somit nicht mehr als Regeln, sondern nur noch als Prinzipien, die einer Abwägung zugänglich sind.906 Dies verlangt die Anwendung eines Ausgleichsinstrumentariums, das das Betroffensein zweier gleichberechtigter Grundrechtsträger berücksichtigt. Besser als mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in seiner Reinform lässt sich die „Verhältnismäßigkeit in Kollisionslagen“ damit mit dem Prinzip der Praktischen Konkordanz oder des schonendsten Ausgleichs beschreiben.907

904 Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (20); vgl. ferner Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 99, 206; Sieckmann, Rechtstheorie 26 (1995), 45 (47 ff.); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnrn. 303, 308. 905 Zum Pareto-Kriterium siehe Salje, Ökonomische Analyse, S. 158; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 25 ff. 906 Vgl. zum Ganzen Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (54); Isensee, AfP 1993, 619 (628); Lerche, HdbStR, § 122 Rdnrn. 17, 24; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 300; Sieckmann, Rechtstheorie 26 (1995), 45 (47 ff.); Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (971 f.). – Andere Folgerungen aus der Gleichrangigkeit zieht BKGG/Enders, C vor Art. 1 Rdnrn. 146, 148, der einen Eingriff grundsätzlich verneint, da bei der Abgrenzung der privaten Freiheitssphären eine übermäßige Belastung generell nicht vorkommen könne. 907 Siehe zum Ganzen Lerche, HdbStR, § 122 Rdnrn. 3 ff.; vgl. ferner Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (376); Bartlsperger, FS Leisner, S. 1022 f.; Canaris, JuS 1989, 161 (163); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 76; G. Hager, JuS 2006, 769 (771) („suum cuique“); Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, 946 (948 f.); Isensee, AfP 1993, 619 (625); Oldiges, FS Friauf, S. 290; Preu, JZ 1991, 265 (268); Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 82; Rüfner, GS Martens, S. 224; H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (171); Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 73 ff.; Zechlin, NJW 1984, 1091 (1093). – Dies soll nicht in Abrede stellen, dass eine enge Verwandtschaft und weitgehende Identität zwischen der „Verhältnismäßigkeit“ und der „Praktischen Konkordanz“ besteht, vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnrn. 317 f.; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 229 f. m.w. N.;

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b) Das Prinzip der „Praktischen Konkordanz“ Das Prinzip der „Praktischen Konkordanz“ 908 erstrebt, zwei widerstrebenden Prinzipien oder Interessen zur größtmöglichen Verwirklichung zu verhelfen. Hierzu wird auf zunächst versucht, die Wege zur Verwirklichung der beiden Ziele so zu modifizieren, dass eine Kollision real vermieden und so die Verwirklichung beider Ziele nicht beeinträchtigt wird (Ausweichprinzip). Eine Bewertung der Interessen ist hierbei nur für die Entscheidung erforderlich, welches der beiden Prinzipien zum Zwecke der Kollisionsvermeidung dem anderen ausweichen muss, wenn dies beiden möglich wäre.909 Gelingt eine Konfliktlösung auf diese Wege nicht, weil die Interessen unausweichlich gegenüberstehen, wird – auf der zweiten Stufe – von beiden Beteiligten Rücksichtnahme auf den jeweils anderen gefordert. Dies zwingt zwar jeden zu gewissen Abstrichen, erlaubt aber beiden, ihr Interesse zu einem großen Teil zu verwirklichen. Der Interessenausgleich wird somit durch eine beiderseitige Mäßigung und verhältnismäßige Befriedigung erzielt (Ausgleichsprinzip);910 das „Entweder-Oder“ wird vermieden, stattdessen nach einem „mehr oder weniger“ optimiert.911 Nur wenn auch dies nicht möglich ist, muss einer der Beteiligten mit seinem Interesse vollständig zurücktreten und sich mit einem anderweitigen Ausgleich abfinden (Prinzip des schonendsten Mittels oder Entschädigungsprinzip: dritte Stufe). Dies kann erforderlich sein, weil eine beiderseitige Reduzierung aus praktischen Gründen nicht möglich ist oder weil eines der Interessen im Vergleich zum anderen so hochwertig erscheint, dass es nicht um des anderen willen eingeschränkt werden muss.912 Die Lösung des Konflikts hängt somit hier maßgeblich davon ab, für wie wertvoll die Interessen in der jeweiligen Situation befunden werden. Als Kompensation wird der Träger des zurücktretenden Interesses entHeintzen, DVBl. 2004, 721 (726); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 101. 908 Maßgeblich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnrn. 72, 317 f.; zuvor bereits Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (124). Kritisch zur Leistungsfähigkeit der Formel Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 7 f. 909 Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (124); auch Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (54). 910 Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (126). 911 Isensee, AfP 1993, 619 (628); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 72; auch BVerfGE NJW 2003, 2815 (2815). – Als Anwendungsbeispiel kann dabei auf die häufige Konstellation verwiesen werden, dass der Vollstreckungsschuldner (oder ein nahestehender Dritter) suizidgefährdet ist. Hier verbieten BVerfG und BGH die Vollstreckung zwar vorläufig, aber nicht endgültig, weil dem Schuldner zuzumuten ist, dem Risiko abzuhelfen, indem er sich in psychiatrische Behandlung begibt, Sozialdienste hinzuzieht usw. Vgl. dazu BVerfG NJW 2004, 49 (49 f.); NZM 2005, 657 (659); BGH NJW 2005, 3635 (3636 f.); BGHZ 163, 66 (74 ff.); Walker, JZ 2005, 1114 (1114 f.). 912 Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (128); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 I 1; vgl. auch Spyridakis, FG Sontis, S. 242; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 102 f.

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schädigt, soweit dies unter dem Gesichtspunkt der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa)913 geboten erscheint.914 Typischer Fall einer solchen Entschädigung ist der Aufopferungsanspruch.915 Ziel des Prinzips der „Praktischen Konkordanz“ ist somit ein effektiver, gerechter und angemessener Ausgleich aller Interessen der Beteiligten unter möglichster Schonung des Gegners. Im Unterschied zur dritten Stufe der klassischen eingriffsbezogenen Verhältnismäßigkeit wird hier die Herbeiführung eines für beide Positionen optimal empfundenen Zustands erstrebt, und nicht nur geprüft, ob eine Einbuße noch zumutbar und hinzunehmen ist.916 c) Bindung der Legislative an die Verfassung und Kontrolldichte der Verfassungsgerichtsbarkeit Aus diesen Überlegungen lässt sich ableiten, welche Vorgaben, Beurteilungsmaßstäbe und Perspektiven für die Angemessenheit kollisionsschlichtender Regelungen gelten.917 aa) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Bei der „klassischen“ Angemessenheitsprüfung (auch Proportionalität, Verhältnismäßigkeit i. e. S.) als dritte Stufe der Verhältnismäßigkeit i. w. S. wird un913

Vgl. dazu näher unten C.II.1., insbes. bei Fn. 1200. Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (129); ders., JZ 1958, 489 (491 f.). 915 Ebenso Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (130); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 V 1. 916 So bereits M. Wolff, FG Kahl, S. 24; ausführlich J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 37; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 100 f., 205; Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (20); Canaris, JuS 1989, 161 (163); Di Fabio, Gewissen, Glaube, Religion, S. 26; Isensee, AfP 1993, 619 (622); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (493); Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1012); Starck, FS Carstens, Bd. 2, S. 871, 876; M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2647); zu den identischen Anforderungen im „öffentlichen Nachbarrecht“ Steinberg, NJW 1984, 457 (458); aus der Rspr. BVerwG NJW 1999, 304 (304), sowie die Ausführungen von Walker, JZ 2005, 1114 (1115) zu BGHZ 163, 66 (74 ff.). 917 Im Vorderrund steht dabei, welche materiellen Vorgaben (der Umfang der Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung) sich ergeben. Dies lässt sich aber von der Frage der Kontrolldichte durch die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht vollständig trennen; umgekehrt wäre die Verfassung eine lex imperfecta, wenn eine richterliche Kontrolle fehlen würde (Berkemann, EuGRZ 1986, 80 (89)). Auffallend ist, dass diejenigen, die die Grundrechtsgeltung im Privatrecht im stärksten Maße relativieren wollen, ihre Kritik vor allem gegen das BVerfG und dessen Entscheidungen richten (etwa Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (237 f., 242 ff.)); zum Zusammenhang zwischen beidem vgl. ferner Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, passim, insbes. S. 35 f., 157 f.; G. Hager, JuS 2006, 769 (774). – Zu den im folgenden verwendeten Begriffen Kontrollmaßstab und -dichte sowie allgemein Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1316); ders., Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 259 f. 914

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tersucht, ob bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits die Zumutbarkeitsgrenze noch eingehalten wird.918 Diese Beurteilung setzt Gesichtspunkte dafür voraus, wie die für und gegen die Freiheitsbeeinträchtigung sprechenden Umstände zu gewichten sind.919 Andernfalls können die in die Abwägung einzustellenden Erfüllungswerte der kollidierenden Prinzipien nicht sicher i. S. v. objektivierbar (sondern nur anhand der eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen, die stets subjektiv geprägt sind) ermittelt werden.920 Die Ergebnisse der Angemessenheitsüberprüfung werden daher umso klarer und vorhersehbarer, je deutlicher die Wertrelationen bereits beschrieben sind und die Bedeutung der Belange in den jeweiligen Situationen aufgezeigt ist. Berechtigter Ort der Angemessenheitskontrolle ist daher die Überprüfung normanwendender Einzelfallentscheidungen.921 Grundlegend anders stellt sich die Lage dar, wenn diese Konkurrenzlehre erst aufgestellt werden soll.922 Als Quelle von positivierten Maßstäben für die Gesetzgebung steht dann allein die Verfassung selbst zur Verfügung. Das Grundgesetz liefert gewisse Anhaltspunkte für die Wertigkeit von privaten und öffentlichen Belangen, da ihm – insbesondere durch die Grundrechtschranken – Aussagen entnommen werden können, wie wertvoll einzelne Freiheiten sind und welche Zweck-Mittel-Verknüpfungen erlaubt sind. Da diese Vorgaben jedoch eher grob sind, beruht bei der Gesetzgebung die Beurteilung der Angemessenheit weitgehend auf Wertungs- und Abwägungsoperationen, die nicht methodisch und dogmatisch befriedigend erklärbar sind und daher nicht rational überprüft werden können.923

918 Vgl. BVerfGE 59, 336 (355); 65, 116 (126); 67, 157 (178); 68, 193 (219); 71, 206 (218); 78, 77 (85); 81, 156 (189, 194); 83, 1 (19); 90, 145 (173); 92, 277 (327); 105, 337 (349); 109, 64 (85); BVerfG NVwZ 2004, 597 (599, 601); BayVerfGH BayVBl. 2003, 560 (562); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (253 f.); Gentz, NJW 1968, 1600 (1604); Heintzen, DVBl. 2004, 721 (721); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (51 ff.); Schlink, FS BVerfG, S. 445. 919 Plastisch Isensee, FS Großfeld, S. 510: „Meßlatten und Gewichtstabellen“. 920 Vgl. Sieckmann, Rechtstheorie 26 (1995), 45 (58 ff.); Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2105 f.); Merten, FS Samper, S. 39. 921 Vgl. Lerche, HdbStR, § 122 Rdnrn. 16 f.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 242 ff.; Schlink, FS BVerfG, S. 461; ferner Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (882 f.); Kirchhof, FS Lerche, S. 143 f.; Heintzen, DVBl. 2004, 721 (726). 922 Vgl. Medicus, AcP 192 (1992), 35 (61, 69); Diederichsen, Jura 1997, 57 (60). 923 Vgl. Schlink, EuGRZ 1984, 457 (461 f.); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (52) m.w. N., der zutreffend feststellt, dass hinter den Abwägungsergebnissen meist allgemeine Gerechtigkeitserwägungen stehen; ferner Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 394, 396, 399, 649 ff. – Geeignetheit und Erforderlichkeit können zumindest im Regelfall logisch nachgeprüft werden, doch beruhen auch ihre Prüfung auf mehr oder weniger „abgesichterten“ Hypothesen und Theorien, vgl. Schlink, FS BVerfG, S. 453 ff.

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Bei der Privatrechtsetzung kommt hinzu, dass die Schrankenregelungen des Grundrechtsteils kaum eine Hilfestellung geben, wenn Grundrechte untereinander kollidieren, weil sie nur Aussagen zu den Grenzen der Freiheitsbereiche bei Eingriffen zur Verfolgung spezifisch staatlicher Aufgaben treffen, nicht aber im Verhältnis zu anderen Freiheiten.924 Erst recht lassen sich dem Grundgesetz keine Anhaltspunkte für das Aufeinandertreffen gleichartiger Freiheiten entnehmen, die im Kernbereich des Privatrechts jedoch häufig vorkommen.925 Die Prüfung der Proportionalität, die als Negativkontrolle zur Vermeidung von Härten bei der Einzelfallanwendung von Rechtsnormen durchaus operabel ist, versagt daher weitgehend, wenn zu überprüfen ist, ob die Normen selbst „richtig“ gesetzt wurden. Das Grundgesetz hat für die Abgrenzung der Freiheitsbereiche Privater untereinander keine eindeutige Lösung parat. Dem Gebot, beiden kollidierenden Prinzipien Rechnung zu tragen, ist bereits genügt, wenn das Pareto-Kriterium erfüllt ist.926 Daher steht dem Gesetzgeber eine weite Bandbreite vertretbarer Regelungen offen.927 Die unmittelbare demokratische Legitimation und die Verantwortung des Gesetzgebers, hinter denen das Mehrheitsprinzip mit seiner formellen Rationalität steht,928 sprechen deshalb dafür, die Gewichtung der involvierten Belange durch ihn und seine – in gewissem Sinn gestaltende929 – Lösung des Konflikts weitgehend930 zu akzeptieren.931

924 Diederichsen, Jura 1997, 57 (60); Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (72); Hubmann, JZ 1975, 639 (640). 925 Als Beispiele solcher In-Sich-Kollisionen seien genannt BVerfGE 89, 1 (8): Eigentumsgrundrecht des Mieters und Eigentumsgrundrecht des Vermieters; BVerfGE 97, 169 (176 f.), BVerfGE NJW 2003, 2815 (2815, 2816): Berufsfreiheit des Arbeitgebers und Berufsfreiheit des Arbeitnehmers; BVerfGE 93, 1 (22): Kollision der positiven und der negativen Seite der Religionsfreiheit. 926 Vgl. Schlink, FS BVerfG, S. 457. 927 Siehe zum Ganzen Canaris, JuS 1989, 161 (163); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (236); Hesse, FS Mahrenholz, S. 557; Hillgruber, JZ 1996, 118 (122); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 282 ff.; Jung, JZ 2001, 1004 (1005); Looschelders, VersR 1999, 141 (143, 144); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (60 f.); Pietzcker, FS Dürig, S. 355; vgl. auch Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (332, Fn. 26); BVerfGE 81, 242 (261). 928 Vgl. Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (21, 25) m.w. N. auch zu den Konzeptionen einer materiellen Richtigkeits- und Vernünftigkeitsgewähr; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 320; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (461). 929 Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 17; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 44. 930 Zu dieser Einschränkung unten Fn. 937. 931 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 286; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 391; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (461); ders., FS BVerfG, S. 461; Scholz, NJW 1983, 705 (709 f.); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 306. – Aus den gleichen Überlegungen steht dem Gesetzgeber bei der Festlegung berufs-, arbeits-, wirtschafts- oder sozialpolitischer Ziele ein weiter Einschätzungsspielraum zu, weil die Verfassung hier nur minimale Vorgaben enthält, so zuletzt BVerfGE 109, 64 (86).

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Das Gebotene und das Kontrollierbare fallen somit auseinander:932 Der Gesetzgeber soll zwar die für alle verfassungsmäßig geschützten Interessen beste i. S. v. optimale Lösung suchen und beide Grundrechte maximal verwirklichen.933 Wo exakt diese Lösung liegt – ob also der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat – ist aber nicht sicher feststellbar.934 Sowohl für den Gesetzgeber als auch für die Kontrollinstanz fehlt es an klaren Kontrollmaßstäben.935 Eine Verfehlung des genannten Optimierungsziels kann deshalb erst festgestellt werden, wenn der Gesetzgeber eine erkennbar unvertretbare Lösung trifft.936 Auch wenn die Grundrechte gerade auch Minderheiten vor der Mehrheit im Volk schützen sollen und somit eine gewisse Grenze der Demokratie darstellen,937 stoßen hier Zweck und Leistungsfähigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit an ihre Grenzen.938 Diese kann nur ein Mindestmaß an Freiheitssicherung und Schutz sichern, weswegen die Überprüfung einer Norm umso strenger erfolgen darf und muss, je intensiver der Eingriff ist.939 Wegen der Vielzahl möglicher und akzeptabler Lösungen hat die Legislative die Vorhand, eine Lösung des Konflikts normativ zu treffen; das Verfassungsgericht hat zwar, wenn es angerufen wird und entscheidet, einen Vorrang, aber nur, soweit die Entscheidung der Legislative grob fehlerhaft ist.940 Dies ist nicht zuletzt Ausfluss des Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG).941 Nur in besonderen Fällen schrumpft der Gestaltungsspielraum wirklich auf Null.942 932 Hesse, FS Mahrenholz, S. 557: Die Handlungsnorm reicht weiter als die Kontrollnorm; Kirchhof, FS Lerche, S. 143; O. Klein, JuS 2006, 960 (961 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 208 ff.; Schapp, ZBB 1999, 30 (33); kritisch aber Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1315, Fn. 63) m.w. N. – Zum Unterschied zwischen positivem Abwägungsurteil und Kritik an Abwägungsurteilen siehe Sieckmann, Rechtstheorie 26 (1995), 45 (53). 933 Hain, DVBl. 1993, 982 (983); Hesse, FS Mahrenholz, S. 546. 934 Statt vieler BVerfGE 71, 255 (271); 81, 256 (206), alle m.w. N. 935 Hesse, FS Mahrenholz, S. 557. 936 Gentz, NJW 1968, 1600 (1604); Isensee, AfP 1993, 619 (628); Kischel, AöR 124 (1999), 174 (186); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (61); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 211; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (461). 937 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 62 f.; Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (68); Böckenförde, HdbStR § 22 Rdnr. 83; Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (36); Kirchhof, FS Lerche, S. 138; Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 448; Starck, FS Carstens, Bd. 2, S. 870 f.; Scholz, NJW 1983, 705 (709); ferner oben Fn. 930. 938 Vgl. Hesse, FS Mahrenholz, S. 558 f. 939 Ebenso die Praxis des BVerfG, vgl. Classen, AöR 122 (1997), 65 (83); ferner Rüfner, GS Martens, S. 227. 940 Vgl. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (25); BVerfG NVwZ 2009, 1229 (1231); ähnlich Isensee, AfP 1993, 619 (628); O. Klein, JuS 2006, 960 (961 f.); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 394 ff.; ferner Rdnr. 399, wo zutreffend festgestellt wird, dass ganz allgemein über den Umstand, dass eine Lösung ungerecht ist, eher ein Konsens erzielt werden kann als über die Frage, ob sie die gerechte ist. 941 Siehe nur Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 207, 209 m.w. N.

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Die Kollision widerstreitender Grundrechte bewirkt damit im Ergebnis eine Vergrößerung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers.943 bb) Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers Auf diese Überlegungen lässt sich auch die Einschätzungsprärogative944 des Gesetzgebers hinsichtlich der Frage, wie sich die gesetzten oder vorgegebenen Ziele am besten erreichen lassen,945 zurückführen. Der Umfang des Einschätzungsspielraums bemisst sich nach der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten eines sicheren Urteils und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter.946 Er lässt sich wiederum auf die unmittelbare demokratische Legitimation des Gesetzgebers947 und das Fehlen eindeutiger verfassungsrechtlicher Vorgaben dazu, wann eine Prognose den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht,948 zurückführen. Im Bereich der Konfliktschlichtung unter Privaten durch das Zivilrecht können die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Rechte und Belange der Beteiligten in den jeweiligen Situationen höchst unterschiedlich beurteilt werden. Ebenso kann auch im Privatrecht die Einschätzung, welche sozialen und volkswirtschaftlichen Ziele mittels der Zivilrechts-, besonders der Eigentumsordnung, verfolgt werden sollen, und welche Maßnahme deren Verwirklichung am meisten dient, im Voraus nur bedingt sicher getroffen werden. Eine Komplexität der Materie ist daher nicht zu leugnen.949 Hinzu kommt, dass sich soziale oder gesellschaftliche

942 Canaris, JuS 1989, 161 (164); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (68, 69); Hillgruber, JZ 1996, 118 (122); BVerfG NJW 1998, 3264 (3265), BGH NJW 2005, 742 (746). 943 Vgl. Bieback, EuGRZ 1985, 657 (665); Gentz, NJW 1968, 1600 (1607); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (383); ders., FS BVerfG, S. 40; Lerche, FS Odersky, S. 222 f.; Looschelders, VersR 1999, 141 (143); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (55 f.); ferner BVerfGE 72, 155 (174); 81, 242 (261), die dem Gesetzgeber jeweils zwei oder mehr mögliche Wege aufzeigen; BVerfGE 96, 56 (64). 944 Von einer „Prärogative“ handelt auch das Kapitel XIV bei Locke, The Second Treatise of Government, der darunter das Recht der Exekutive versteht, eine Entscheidung zu treffen, wenn eine gesetzliche Bestimmung fehlt oder deren strenge und starre Befolgung (XIV. 160) zu Nachteilen für das Allgemeinwohl führt. Ob der Regierende die Prärogativgewalt richtig ausübt, kann von keiner irdischen (richterlichen) Gewalt beurteilt und kontrolliert werden (XIV. 168). Eine Parallele lässt sich insoweit erkennen als der (einfache) Gesetzgeber berechtigt ist, beim Fehlen konkreter Vorgaben des Verfassungsgesetzgebers eine Entscheidung zu treffen. 945 Siehe nur Hain, DVBl. 1993, 982 (984) m.w. N. 946 BVerfGE 50, 290 (333); BVerfG NVwZ 2004, 597 (599); NVwZ 2004, 975 (975). 947 So für den (durchaus verwandten, vgl. J. Hager, JZ 1994, 373 (378)) Bereich der staatlichen Schutzpflichten gegenüber Risiken der Technik Hain, DVBl. 1993, 982 (984); Kirchhof, FG BVerfG, S. 77. 948 Vgl. Hesse, FS Mahrenholz, S. 555; Schlink, FS BVerfG, S. 453 ff.

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Ziele durch die Privatrechtsordnung oft nur langsam verwirklichen lassen: Anders als im öffentlichen Recht, das von hoheitlichem Vollzug klarer Normbefehle durch die Behörden „von außen“ geprägt ist, ist das Zivilrecht auf den „Vollzug“ durch die Bürger selbst angewiesen, so dass es auf deren Verhalten und Mitwirkung ankommt.950 Die vorhandenen, meist ausgeprägten Überzeugungen vollziehen neue Gesetze, obwohl von ihnen eine gezielte Steuerungswirkung ausgehen soll, oft nur schleppend nach.951 Ein „Vollzug durch die Gerichte“ setzt voraus, dass eine der Parteien einen Zivilrechtsstreit einleitet. Schließlich sind die Auswirkungen einer Neuregelung wegen der relativ intensiven Verknüpfung mit den realen und sozialen Gegebenheiten weniger voraussehbar: Da sich das Verhalten der Privaten nur bedingt steuern und vorhersehen lässt und die Einschätzungen sich nach relativ kurzer Zeit als fehlerhaft oder überholt herausstellen,952 drohen ungewollte Neben- und Konträreffekte.953 Dies kann dazu führen, dass eine als Optimierung beabsichtigte Maßnahme ungeahnte und ungewollte negative Folgen mit sich bringt.954 Wegen dieser Langsamkeit (um nicht zu sagen: Trägheit) und Unvorhersehbarkeit kann im Privatrecht nur langfristig und vorsichtig agiert werden. Der Prognose hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit eines Mittels955 kommt deshalb umso größere Bedeutung zu. Das Privatrecht erweist sich als Bereich, in dem der umfassenden Ermittlung, Bewertung und zukunftsbezogenen Entscheidung große Bedeutung zukommt.956 Schließlich wird der Prognosespielraum nochmals durch den Umstand vergrößert, dass meist nicht die besonders hochwertigen und höchstpersönlichen Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und körperliche Freiheit betroffen sind.957 949 Vgl. BVerfGE 99, 341 (354); BVerfGE 112, 93 (110 f.) (besonders klarstellend, dass die Zubilligung des Gestaltungsspielraums nicht auf Regelungen im öffentlichen Interesse beschränkt ist); BVerfGE 50, 290 (333); ferner BVerfGE 38, 61 (81 f.). 950 Ebenso BVerfGE 50, 290 (331); vgl. ferner BVerfGE 97, 350 (374). 951 Vgl. Di Fabio, JZ 2004, 1 (5) zur Werteordnung der Gesellschaft, gegen die das Recht nicht ankämpfen kann, sondern die das Recht aufnehmen muss; ferner zum Verhältnis von „Volksgeist, der die Rechtsentwicklung vorgibt“ einerseits und der „planerischen Gestaltung durch den Gesetzgeber“ andererseits Zippelius, Rechtsphilosophie, § 4 II. 952 Vgl. bei Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 206 f. 953 In BVerfGE 50, 290 (333); 81, 156 (205) wurde der Prognosespielraum jeweils mit der raschen Veränderung begründet; siehe ferner BVerfGE 103, 44 (70). Zur Fehlsteuerung der Steuersubventionierung der Sozialpfandbriefzinsen infolge geänderter Bankenpraxis vgl. Meilicke/Heidel, DB 1993, 313 (314). 954 Vgl. Kirchhof, FS Lerche, S. 137. 955 Vgl. dazu Schlink, FS BVerfG, S. 453 ff.; BVerfGE 71, 206 (215, 218); 126, 331 (362 f.). 956 Infolge der Komplexität der Zusammenhänge sind die gewünschten Fernziele zudem oft nicht direkt zu erreichen, so dass der Gesetzgeber sich auch Zwischen- oder Nahziele setzen darf, vgl. BVerfGE 21, 150 (157 f.). 957 Vgl. BVerfGE 50, 290 (333); aber auch Ibler, AcP 197 (1997), 565 (587).

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Insgesamt besteht demnach ein eher großer Prognosespielraum der Legislative und – vice versa – eine verringerte verfassungsrechtliche Kontrolldichte.958 cc) Schwächere Grundrechtsgefährdungslage Zuletzt erlaubt die – noch vertieft zu behandelnde959 – schwächere Gefährdungslage hinsichtlich der grundrechtlichen Freiheiten, die Prüfung der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung großzügiger zu handhaben: Wird lediglich das Ziel verfolgt, dem einen Bürger in dessen Interesse einen Vorteil in Form größerer Freiheit und Sicherheit zukommen zu lassen, ohne die eigenen Kompetenzen zum Nachteil der Grundrechtsträger auszuweiten, kann die Kontrolldichte zurückgenommen werden.960 dd) Zusammenfassung – Folgerungen Der Gesetzgeber verfügt bei der Schaffung privatrechtlicher Regelungen über einen relativ großen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum, in dem er der doppelten, reziproken Grundrechtsverpflichtung Rechnung zu tragen kann.961 Nicht zuletzt wegen dieses Spielraums kommt dem einfachen Gesetz eine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Verfassungsrecht zu. Das einfache Gesetz ist Ergebnis eines demokratisch legitimierten und inhaltlich nur begrenzt nachprüfbaren Abwägungsvorganges. Es ist zwar subkonstitutionell,962 aber mehr als eine bloße Konkretisierung der Verfassung.963 Der Gesetzgeber vollzieht nicht 958 BVerfGE 50, 290 (331 ff.); zustimmend H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (495); kritisch Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 325. 959 Unten 4.a). 960 Ebenso Jarass, FS BVerfG, S. 42. – Noch weiter geht Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (229), der in diesen Fällen eine Grundrechtsbindung für ganz entbehrlich hält, weil der Staat von sich aus bemüht sei, eine vernünftige Regelung zu treffen. Hiergegen spricht aber, dass der Staat auch mit privatrechtlichen Vorschriften öffentliche Interessen verfolgen kann (statt aller Schulte, JZ 1984, 297 (302); zur Wahlfreiheit ferner Ehlers, Die Verwaltung 20 (1987), 373 (377); Krause, JZ 1984, 656 (661)). Daher besteht durchaus die Möglichkeit, dass er aus politischen Erwägungen bestimmte Bevölkerungsgruppen durch Zivilrechtsnormen übermäßig „bevorzugt“, weshalb zum Schutze der anderen Gruppe auf eine Kontrolle nicht ganz verzichtet werden darf. Wie hier Medicus, AcP 192 (1992), 35 (59); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 17; im Grunde auch BVerfGE 39, 1 (47). 961 BVerfGE 81, 242 (255, 261); 91, 294 (310). Vgl. insgesamt auch Canaris, AcP 184 (1984), 201 (227); V. Götz, Verwirklichung, S. 80 f.; Isensee, AfP 1993, 619 (628). 962 Statt vieler Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 438. 963 Vgl. Wahl, NVwZ 1984, 401 (passim, insb. S. 403 ff.); Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1318), der betont, dass nur „unechte“ Konstitutionalisierung vorliegt, weil Verfassungsrecht und einfaches Recht ihre Selbstständigkeit bewahren (s. a. ders., Grundrechtsentfaltung im Gesetz, passim, z. B. S. 19 f.); Koller, Theorie des Rechts, S. 125 f., der zwar von Konkretisierung spricht, aber zugleich festhält, dass jeder Akt der Rechtserzeugung – und zwar auch dann, wenn er mit einer Anwendung der höherrangigen

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nur schematisch Wertungen der Verfassung nach und deduziert aus ihr, sondern trifft selbst Entscheidungen über das Ob und Wie bestimmter Ziele und deren Verwirklichung. Dies muss sich darin widerspiegeln, dass die Vorgaben an ihn entsprechend weiter gefasst werden.964 Wegen der großen Bedeutung der Gesetzgebung mag man daher hier (d.h. im Zivilrecht allgemein) von einer „Ausgestaltung“ der Grundrechte durch die positive Rechtsordnung sprechen. Zu betonen ist aber, dass dies – da die Ausführungen nicht speziell auf das Eigentum bezogen waren, sondern für alle grundrechtlich geschützten Freiheiten gelten – keineswegs auf Besonderheiten des Art. 14 GG zurückzuführen ist, sondern auf den Umstand, dass im Privatrecht regelmäßig Interessen zweier gleichrangiger Grundrechtsträger kollidieren. ee) Dimensionen des Entscheidungsspielraums – Beispiele für die Verwirklichung der Praktischen Konkordanz in sachenrechtlichen Bestimmungen Der beschriebene Freiraum besteht sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Der Gesetzgeber kann zum einen entscheiden, auf welche rechtstechnische Art und Weise er bestimmten Interessenkonflikten Rechnung tragen und sie lösen will,965 und zum anderen, wo er die Grenze zwischen den Rechtssphären zieht, d.h. – bildlich gesprochen – wie viel Freiheit er dem einen und wie viel dem anderen er belässt. Dies ist an einigen Beispielen auszuführen. Lösung von Zuordnungskonflikten durch gutgläubigen Erwerb oder durch Ersitzung: Eine Rechtsordnung kann im Bereich „Eigentumserwerb nach Veräußerung durch einen Nichtberechtigten“ den Erwerbs- und den Kontinuitätsinteressen nicht nur durch ein Regelungssystem zum gutgläubigen Erwerb, wie es sich in den §§ 932 ff., § 892 BGB findet, entsprechen, sondern – wie ein Blick in die Vergangenheit oder andere Rechtsordnungen zeigt966 – auch durch eine großzügigere Zulassung der Ersitzung.967 Innerhalb dieser alternativen Lösungen kann Normen einhergeht – eine Rechtsschöpfung bedeutet; Hubmann, JZ 1975, 639 (640); Lerche, FS Mahrenholz, S. 525; Ruffert, passim; Schapp, ZBB 1999, 30 (33). 964 Vgl. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (30 f.); Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 444, 446; Wahl, NVwZ 1994, 401 (403, 407 ff.). 965 Vgl. dazu BVerfGE 105, 17 (36); Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 113. 966 Siehe zum einen die rechtshistorischen Ausführungen bei Olzen, Jura 1990, 505 (505); HRG/Troje, I/1869; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 24 Rdnr. 4; zum anderen den rechtsvergleichenden Überblick bei Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (4 ff.). 967 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 81 (allgemeiner auch S. 45); unter ökonomischen Aspekten Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 536, 538. Wie Neuner, AcP 203 (2003), 46 (67) eher beiläufig bemerkt, ist Grund der Ersitzung eher die Kontinuitätserwartung, während beim gutgläubigen Erwerb das Vertrauen an den Übertragungsvorgang anknüpft.

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der Gesetzgeber jeweils weiter bestimmen, welcher Grad an Fahrlässigkeit dem Erwerber schaden soll und welche Umstände einen Erwerb generell ausschließen sollen; ferner kann er entscheiden, wie lange ggf. die Ersitzungszeit dauern soll. Durch Veränderungen dieser Variablen lässt sich das Schutzniveau für die involvierten Interessen modifizieren. Lösung von Nutzungskonflikten durch unmittelbar wirkende Duldungspflicht oder durch Einräumung eines Anspruchs auf Gestattung: Bei den Konflikten im Zusammenhang mit der Nutzung von Grundstücken hat der Gesetzgeber zunächst darüber zu befinden, wie weit die Schutzsphäre des Eigentümers gehen und wie weit der andere seine Nutzungswünsche verwirklichen können soll. Er muss festlegen, welche Immissionen – und zwar im Hinblick auf ihre Art und auf das Ausmaß – der Eigentümer abwehren darf und welche er dulden muss (§ 906 BGB) bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Notwegerecht besteht und welchen Inhalt es haben soll (§ 917 BGB). Der Entscheidungsspielraum endet jedoch noch nicht damit, dass der Gesetzgeber aufgrund der Abwägung der kollidierenden Belange zu einem bestimmten Ergebnis kommt. Vielmehr besitzt er weitere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Regelungen. Insbesondere kann und muss er entscheiden, ob der andere Private unmittelbar berechtigt sein soll, ein bestimmtes Verhalten auszuüben, oder ob er ihm nur einen Anspruch auf Gestattung einräumt. Den erstgenannten Weg hat der Gesetzgeber bei Immissionen (§ 906 BGB) und beim Aggressivnotstand (§ 904 S. 1 BGB) gewählt. Dagegen ist beim Notwegerecht (§ 917 BGB) und für den Regelfall beim Abholungsrecht (§ 867 S. 1, § 1005 BGB) „nur“ einen Anspruch auf Gestattung vorgesehen.968 In ähnlicher Weise muss der Nachbar bei überhängenden Zweigen zunächst zur Beseitigung aufgefordert werden, bevor das Selbsthilferecht einsetzt (§ 910 Abs. 1 S. 2 BGB; anders bei Wurzeln, S. 1).969 Ein angemessener Interessenausgleich lässt sich grundsätzlich mit beiden Regelungstypen erzielen. Im Einzelfall kann aber die eine oder die andere Lösung sachgerechter sein: Die Ausgestaltung als Gestattungsanspruch respektiert das Recht des betroffenen Eigentümers in größerem Umfang, da er zuvor „gefragt werden muss“. Seine Persönlichkeit und auch sein Dispositionsrecht werden damit selbst in Fällen geachtet, in denen die Interessen des anderen im Ergebnis überwiegen. Zudem führt diese Lösung dazu, dass das Verhalten des anderen bis zur Erteilung der Gestattung in jedem Fall rechtswidrig ist und daher abgewehrt werden kann; die Last, erforderlichenfalls eine gerichtliche Entscheidung (Klage auf Gestattung) herbeizuführen, wird dem

968 Ebenso besteht nach § 20 LJG Rh-Pf und Art. 36 BayJadgG nur ein Anspruch darauf, die Aufstellung von Einrichtungen der Jagd zu gestatten, vgl. Teil 4 B.II.4.a), in Fn. 913. 969 Vgl. unten Teil 4 B.I.1.a)dd)(2)(b).

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anderen auferlegt. Ferner kann der Eigentümer seine Zustimmung von Bedingungen abhängig machen (vgl. § 867 S. 3 Hs. 1 BGB) oder die Modalitäten der Ausübung festlegen (vgl. § 917 BGB). In Situationen, in denen der andere darauf angewiesen ist, das fremde Eigentum schnell „beeinträchtigen“ zu dürfen, ist dieser Weg dagegen weniger sachgerecht, weshalb § 904 S. 1 BGB und § 867 S. 3 Hs. 2 BGB (sowie dessen Spezialfall § 962 S. 1 BGB) unmittelbar ein Betretungsrecht vorsehen. Die Statuierung einer bloßen Duldungspflicht eines ist schließlich angebracht, wenn ein Bedarf nach Regelung weiterer Details nicht besteht (wie z. B. bei Immissionen), weil dann kein gesteigerter Grund zu erkennen ist, die Nutzungsbefugnis erst von der Gestattung des Eigentümers abhängig zu machen; stattdessen ist der – stets vorhandenen – Gefahr zu begegnen, dass der andere seine Einwilligung zu Unrecht verweigert und so die sachlich legitime Mitnutzung durch den anderen verzögert. Diese Überlegungen zeigen, dass der Gesetzgeber auch bei der Umsetzung seiner Entscheidung über gewisse Spielräume verfügt. Diese kann er nutzen, um den Rechten der Beteiligten den nötigen Respekt zukommen zu lassen, den Interessen in jeder Hinsicht optimal Rechnung zu tragen und weitere Konflikte zu vermeiden. 4. Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Entscheidung durch den Gesetzgeber Die kaum abschätzbare Zahl von Konstellationen, in denen Zuordnungs- oder Nutzungskonflikte auftreten, macht es dem Gesetzgeber unmöglich, alle Fälle vorweg abschließend durch Normsetzung einer Lösung zuzuführen. Die Auflösung der Kollisionen im Einzelfall wird daher weitgehend zur Aufgabe der Rechtsprechung. Daher stellen sich die Fragen, ob und inwieweit der Gesetzgeber durch Schaffung von Rechtsnormen tätig werden muss, sowie, wie konkret i. S. v. „inhaltlich bestimmt“ er diese Regelungen fassen muss und – vice versa – welche Freiräume er der Rechtsanwendung lassen darf. Hierzu sind zunächst die klassischen Figuren des Verfassungsrechts zu beleuchten, aus denen sich ergibt, dass eine Regelung durch den Gesetzgeber zu erfolgen hat [unter a)]. Da ihnen – wie sich zeigen wird – für das Sachenrecht nur relativ schwache Vorgaben entnommen werden können, ist sodann auf einige Aspekte einzugehen, die dem Rechtsstaatsprinzip entspringen [unter b)]. a) Vorgaben aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen aa) Vorbehalt des Gesetzes Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass jeder staatliche Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage be-

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ruht.970 Seine Grundlage sind das Rechtsstaats-, Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip (je Art. 20 GG)971 sowie die jeweiligen Einzelgrundrechte.972 Der Vorbehalt des Gesetzes soll die Bindung aller übrigen Staatsorgane (d.h. von Exekutive und Judikative) an den Willen der Legislative sicherstellen.973 Handlungen von Verwaltung und Rechtsprechung, die Auswirkungen auf das Eigentum haben, müssen sich daher auf ein verfassungsgemäßes, insbesondere auch genügend bestimmtes,974 Gesetz zurückführen lassen. Aufgrund der dargestellten Zielrichtung kommt der Vorbehalt des Gesetzes nur zur Anwendung, wenn ein Eingriff – also ein grundrechtlich relevantes Verhalten des Staates975 – vorliegt.976 Gegenüber der Judikative gilt er somit nur, soweit sie selbst oder in Anwendung eines eingreifenden Gesetzes einen geschützten Freiheitsraum mindert.977 Hieran kann es bei der gerichtlichen Entscheidung in Zivilrechtsstreitigkeiten und bei der Zwangsvollstreckung wegen zivilrechtlicher Pflichten fehlen, da sie nur Eingriffe darstellen, wenn ein Gesetz selbst (und nicht eine privatautonom begründete Vereinbarung) einem anderen Bürger ein Handeln gestattet und so den anderen verpflichtet, das seiner Freiheit abträgliche Handeln zu dulden.978 Im Sachenrecht ergeben sich Ansprüche allerdings in nahezu allen Fällen aus dem Gesetz – nicht unmittelbar aus privatautonomen Ver970 Ausführlich – auch zur historischen Entwicklung – Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (277 ff.); zu den inhaltlichen Anforderungen etwa BVerwG NVwZ 2004, 1126 (1126) in Bezug auf § 7 Abs. 1 LuftVG. 971 Siehe nur Jachmann, JA 1994, 399 (400). 972 Darüber hinaus enthält Art. 14 Abs. 1 GG nach der hier vertretenen Konzeption einen Gesetzesvorbehalt, so dass eine positivrechtliche Bestimmung der Eingriffsbefugnisse des Staates möglich, aber auch erforderlich ist. – Zur Unterscheidung zwischen „Vorbehalt des Gesetzes“ und „Gesetzesvorbehalt“ Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (280 ff.); zu den einzelnen Erscheinungsformen Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnrn. 26 ff. 973 Siehe nur Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (179 f.); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (27, 35 f.). 974 Ohne eine bestimmte Formulierung der Ermächtigungsgrundlage ist eine Bindung an das geschriebene Gesetz nicht denkbar, vgl. Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (179 ff.); Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnr. 24; Krause, JZ 1984, 656 (661); BVerfGE 9, 137 (149); 49, 89 (133); 114, 1 (53); 73 (91 f.); BVerfG NVwZ 2009, 1229 (1230). 975 Statt aller Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (10): Eingriff hat immer Staat als Urheber. 976 Vgl. Kirchhof, FG BVerfG, S. 79; hieran ändert auch die Ausweitung des Gesetzesvorbehalts auf nicht-klassische Eingriffe (vgl. Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnr. 24; im Grundsatz auch BVerfGE 105, 279 (303 f.)) nichts. 977 Vgl. Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (46 f.); Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (943); Classen, JZ 2003, 693 (694 ff., 700 f.); Krause, JZ 1984, 656 (660); Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnr. 48; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (passim, insb. S. 504, 509); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 130 ff. Auch BVerfGE 65, 196 (213) geht offenbar hiervon aus. 978 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (212, 222); D. Lorenz, AöR 105 (1980), 623 (628); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 509; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (55); H. H. Rupp, JZ 2001, 271 (275); oben A.II.3.

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trägen –, so dass eine derartige staatliche Vor-Regelung regelmäßig vorhanden ist. Der Vorbehalt des Gesetzes ist somit zum einen zu beachten, wenn die Freiheit Dritter eingeschränkt wird, um dem Eigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht eines anderen zur Entfaltung zu verhelfen, und zum anderen, wenn dem Eigentümer Befugnisse abgesprochen werden.979 Die „Strenge“, mit der der Vorbehalt des Gesetzes gilt, ist abhängig vom jeweiligen Regelungsbereich. Für das Zivilrecht ist dabei bedeutsam, dass die Interessenkonstellation und die Regelungsabsicht gegenüber den typischen Eingriffssituationen des öffentlichen Rechts abweichen: Während Vorschriften des Verwaltungsrechts i. d. R. die Freiheitssphären der Bürger gegenüber dem Staat einschränken, um die Erfüllung spezifisch staatlicher Aufgaben zu ermöglichen, sollen Normen des bürgerlichen Rechts die Rechte, Interessen und Belange der einzelnen Privaten untereinander in einen sachgerechten Ausgleich bringen. Der Staat tritt eher als Vermittler zwischen zwei oder mehr anderen auf. Zwar resultiert auch hieraus für den Betroffenen eine (ggf. auch gleich intensive) Einbuße an Freiheit;980 entscheidend ist aber, dass der Staat zwar nimmt, aber nicht für sich, und er zugleich auch einem konkreten anderen Bürger etwas gibt. Der Staat steht daher weniger im Verdacht, die eigene Machtsphäre auf Kosten der privaten Freiheit zu stark und ungerechtfertigt ausdehnen zu wollen. Gerade hiervor soll jedoch der Gesetzesvorbehalt sowohl nach klassischem als auch gegenwärtigem Verständnis981 schützen. Auf Seiten des Staates handelt auch nicht ein Organ, das (wie eine Behörde) zur Verfolgung staatlicher Interessen verpflichtet ist, sondern ein Richter, der persönliche und sachliche Unabhängigkeit genießt und aufgrund eines förmlichen Verfahrens entscheidet (vgl. Art. 97 GG).982 Zudem sind die unbestimmten Rechtsbegriffe des klassischen Zivilrechts durch eine lange Tradition von Gesetzgebung und Rechtsprechung so ausgefüllt, dass sich ihr Inhalt relativ genau ermitteln lässt.983 Dies rechtfertigt, im Bereich des Zivilrechts die Anforderungen – insbesondere im Hinblick auf die Bestimmtheit – etwas zurückzunehmen, auch wenn die Aufgabe des positiven Gesetzes, den Einzelnen vor Eingriffen durch Staatsorgane zu bewahren, grundsätzlich bestehen bleibt.984 Ergebnis ist somit eine Lockerung des Gesetzesvorbehalts.985 979 Im zuletzt genannten Fall wird zugleich der Vorrang des Gesetzes betroffen sein, weil dem Eigentümer wegen § 903 S. 1 BGB bereits die volle Nutzungsmacht zusteht und jede Minderung mit dieser gesetzlichen Norm konkurriert. 980 Zur Grundrechtsbetroffenheit als Kriterium für die erforderliche Bestimmtheit Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (187 f.); Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (287, 297). 981 Dazu BVerfGE 48, 210 (221); Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (943); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnrn. 503 ff.; Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnrn. 14 f., 16; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 272 ff. 982 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 132, 229 f.; siehe ferner unten bei Fn. 1153. 983 Vgl. BVerfGE 49, 89 (134). 984 Vgl. Leisner, NJW 1997, 636 (638); Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (943).

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bb) Wesentlichkeitstheorie Nach der „Wesentlichkeitstheorie“ hat der Gesetzgeber – losgelöst vom Merkmal des Eingriffs986 – in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.987 Dieser „Parlamentsvorbehalt“ ist darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber das Volk repräsentiert und allein er unmittelbare demokratische Legitimation besitzt; bei der Entscheidung von Zielkonflikten mit Auswirkungen auf den Grundrechtsbereich ist deshalb ein Gesetz in formellem Sinn erforderlich.988 „Wesentliche“ Fragen in diesem Sinn sind neben den klassischen Grundrechtseingriffen auch sonstige Sachentscheidungen, die (insbesondere wegen ihrer Grundrechtsrelevanz) für viele Bürger unmittelbar bedeutsam sind,989 sowie Organisationsakte, durch die Strukturen der öffentlichen Verwaltung dauerhaft verändert werden990.991 Was „wesentlich“ ist, hängt dabei vom betroffenen Sachbereich ab, korrespondiert aber auch mit der Schwere der Auswirkung auf die Grundrechte der betroffenen Bürger.992 Ist eine „Wesentlichkeit“ zu bejahen, muss der Gesetzgeber die wesentlichen normativen Grundlagen selbst festlegen und darf die materielle Regelung nicht vollständig der Verwaltung oder den Gerichten überlassen.993 Auch, wenn die „Wesentlich-

985 Pietzcker, FS Dürig, S. 351; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 132, 229 f.; a. A. F. Peters, JZ 1983, 913 (915) für Schadensersatzansprüche. 986 Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (52); Preu, JZ 1991, 265 (268); siehe auch Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnrn. 40, 46 u. ö. 987 BVerfGE 34, 165 (192 f.); 49, 89 (126); 58, 257 (275 f.); 77, 381 (403); 88, 103 (116) sowie die folgenden Nachweise. 988 Vgl. dazu BVerfGE 48, 210 (221); 49, 89 (126); Enders, AöR 115 (1990), 610 (630 f.); Jachmann, JA 1994, 399 (400); Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 13 III 4 a; Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnrn. 41 ff.; Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (180); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 274; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 230 f.; W. Schmidt, AöR 106 (1981), 497 (506, 523 f.); umfassend und teils kritisch Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (277 ff., 292, 295 ff.). 989 BVerfGE 33, 1 (10 f.); 33, 125 (158 f.); 33, 303 (330 ff.); 47, 46 (78 ff.); 41, 251 (259 f.); 49, 89 (126 f.); 53, 30 (57); 58, 257 (268 f., 275); 58, 295 (320 ff.); 77, 381 (403); 83, 130 (142); 98, 218 (251). 990 BVerfGE 34, 165 (192 f.); 45, 400 (417 f.); 58, 295 (320 ff.); Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (288 ff.). 991 Terminologie und Klassifizierung nach Di Fabio, NVwZ 1995, 1 (3); ähnlich Jachmann, JA 1994, 399 (400), die die beiden letzten Fallgruppen als „normative Grundsatzentscheidungen“ zusammenfasst. 992 BVerfGE 49, 89 (127); 58, 257 (274); 83, 130 (142); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 274 f. – Wegen der geringen Abgrenzungskraft des Begriffs „Wesentlichkeit“ kritisch Isensee, DZWir 1994, 309 (310); Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnr. 45. 993 BVerfGE 49, 89 (127); 83, 130 (142); Enders, AöR 115 (1990), 610 (631); Jachmann, JA 1994, 399 (400); Ossenbühl, HdbStR § 62 Rdnrn. 37, 42.

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keitstheorie“ eingreift, ist jedoch nicht jede einzelne Detailbestimmung dem Gesetzgeber vorbehalten, sondern nur die Festlegung einer Grundordnung.994 Die Schaffung eigentumsrelevanter zivilrechtlicher Regeln kann der zweiten der genannten Fallgruppen („bedeutsame grundrechtsrelevante Sachentscheidungen“) zugeordnet werden. Danach wären die zentralen Entscheidungen über die Reichweite der im Eigentum enthaltenen Befugnisse vom Gesetzgeber selbst zu treffen. Jedoch wird wiederum relevant, dass es im Privatrecht in erster Linie um den Ausgleich der Interessensphären zweier Bürger geht, nicht um die Abgrenzung der Eingriffsbefugnisse des Staates gegenüber jenen. Die Wesentlichkeitstheorie, die auf dem Vorbehalt des Gesetzes aufbaut, betrifft nur das Verhältnis zwischen Staat und Bürger,995 weil sie sicherstellen soll, dass die Exekutive sich durch Ausnutzung umfassender Spielräume zu viel Macht verschaffen kann. Die Verlagerung von Entscheidungen auf die Rechtsprechung ist im Bereich des Zivilrechts nicht derart bedenklich wie bei klassischen Eingriffen, da nur Befugnisse unter zwei Gleichgestellten verteilt werden und nicht die Freiheitssphäre der Bürger insgesamt gegenüber dem Staat zur Entscheidung steht.996 Daher entfaltet die Wesentlichkeitstheorie keine Wirkungen, soweit zivilrechtliche Konflikte zwischen gleichgeordneten Rechtsträgern ohne intensive Beteiligung staatlicher Interessen geregelt werden.997 Die Wesentlichkeitstheorie verbietet somit dem Gesetzgeber nicht, die Regelungen der Befugnisse, die sich aus dem Eigentum gegenüber anderen Privaten ergeben, generalklauselartig zu fassen. Er kann die Konkretisierung den Gerichten überlassen, die dann die Regelungsdefizite der normativen Ebene ausgleichen.998 994 Vgl. BVerfGE 58, 257 (275 f.): Die „Vielgestaltigkeit und Vielschichtigkeit der Materie“ würde unter Berücksichtigung der notwendigen Flexibilität den Gesetzgeber überfordern; Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (291). 995 BVerfGE 84, 212 (226); inzident auch BVerfGE 88, 103 (116). 996 Siehe nur Jachmann, JA 1994, 399 (400 f.). 997 BVerfGE 84, 212 (226); 88, 103 (116); zustimmend Classen, AöR 122 (1997), 65 (85); Jachmann, JA 1994, 399 (401); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 279; i. E. ebenso (auf Basis methodentheoretischer Überlegungen) Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 910. Anders Isensee, DZWir 1994, 309 (310) unter Hinweis auf die frühere Rspr. in BVerfGE 57, 295 (321). Jedoch unterscheiden sich beide Fälle, da bei den Rundfunkanstalten die Kollision durch die Einrichtung einer öffentlich betriebenen Institution gelöst werden soll, die dann im Hinblick auf eine optimale Grundrechtsverwirklichung auszugestalten ist, während beim Arbeitskampf die Freiheitssphären ohne staatlichen Einfluss aufeinanderprallen: Da ohne aktive Mitwirkung des Staates die Grundrechtsverwirklichung im Bereich des Rundfunks unmöglich war, hatte die Festlegung der Modalitäten eine wesentlich höhere Relevanz als im Arbeitskampfrecht. Eine differenzierte Behandlung beider Fälle ist somit durchaus angebracht; das BVerfG hätte eine solche Differenzierung allerdings offen legen müssen. 998 Vgl. BVerfGE 88, 103 (116); Pietzcker, FS Dürig, S. 351; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 132, 231; ferner Dirnberger, DVBl. 1992, 879 (883). – Formulierung im Text teils in Anlehnung an BVerfGE 49, 89 (135).

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cc) Inhaltsbestimmungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Speziell im Zusammenhang mit sachenrechtlichen Bestimmungen ist schließlich zu untersuchen, welche Bedeutung der Kompetenz und Pflicht des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, im Hinblick auf die Frage zukommt, ob und welche formellgesetzlichen Regelungen erforderlich sind. Nach überwiegendem Verständnis genügt für die Festlegung der Befugnisse aus dem Eigentum ein Gesetz im materiellen Sinn.999 Für die Vertreter des offenen Eigentumsbegriffs folgt dies daraus, dass kein Eingriff vorliegt. Legt man einen vorgegebenen Eigentumsbegriff zugrunde, verlangt die Konturierung des Rechts (Bestimmung des „Inhalts“) als Eigentum durch die Schaffung von Abwehransprüchen zwar ein Minimum an legislativem Tätigwerden, da den Dritten gegenüber der Vorbehalt des Gesetzes eingreift, doch gehen die Anforderungen auch nicht über diesen hinaus. Soweit die Ansprüche, die das dingliche Recht prägen, durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers verfassungsgemäß geschaffen worden sind, ist damit zugleich auch das Eigentum ausreichend konstituiert. Im Hinblick auf die „Schranken“ genügt ebenfalls ein Gesetz im materiellen Sinn, da die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte im Regelfall1000 einer Delegation auf die Exekutive oder die Judikative nicht entgegenstehen. Somit gelten auch in Anbetracht des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nur die allgemeinen Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsnormen.1001 dd) Zwischenergebnis Dem Gesetzgeber obliegen aus der Sicht des Vorbehalts des Gesetzes keine gesteigerten Regelungspflichten. Daher darf der Gesetzgeber unter diesem Gesichtspunkt in weiten Bereichen die Lösung der Konflikte im Einzelfall der Rechtsprechung überlassen und selbst nur weite, generalklauselartige Tatbestände oder ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden. Der Vorbehalt des Gesetzes ist „gelockert“.1002 Nimmt man hinzu, dass der Staat ohnehin nur zwischen anderen vermittelnd tätig wird und nicht selbst seine Sphäre zu Lasten der Bürger ausdehnt, werden die Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes so entschärft, dass normative Regelungen an ihnen kaum scheitern.

999 Siehe oben B.II.1.c)bb). Mit BVerfG NVwZ 2009, 1158 (1160) ist auch Gewohnheitsrecht als Grundlage anzuerkennen. 1000 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 273. 1001 Ebenso BVerfGE 34, 139 (146 ff.); 37, 132 (142); speziell zum Bestimmtheitsgebot BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 4. 1002 Vgl. oben Fn. 985.

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b) Regelungspflichten aufgrund von Unterprinzipien des Rechtsstaatsprinzips Damit ist allerdings erst ein Teil der Aspekte abgehandelt, die maßgeblich dafür sind, wie konkret und bestimmt gesetzliche Regelungen sein müssen. Impulse ergeben sich auch aus dem (materiellen) Rechtsstaatsprinzip als Leitidee der Verfassung.1003 Dieses fordert zum einen die Verhältnismäßigkeit einschließlich der Gerechtigkeit im Einzelfall,1004 zum anderen die Rechtssicherheit,1005 die wiederum möglichst strikte i. S. v. bestimmt formulierte Regelungen verlangt.1006 aa) Rechtsstaatliches Bestimmtheitsgebot und Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit als kollidierende Anforderungen Dem Gebot, Gesetze hinreichend bestimmt zu formulieren, kommt (neben der bereits im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt erörterten Funktion) die Aufgabe zu, den betroffenen Bürger in die Lage zu versetzen, das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm leicht zu ermitteln, und ihn so vor Nachteilen zu schützen, die sich aus dem Eintritt einer Rechtsfolge ergeben. Der Bürger soll sich, um seine Freiheiten optimal entfalten zu können, in seinem Verhalten auf die Rechtsordnung einstellen und dementsprechend disponieren können.1007 Das Gebot, Rechtsnormen bestimmt abzufassen, steht somit im Zusammenhang mit dem Streben nach Rechtssicherheit und effektiver Rechtsverwirklichung, die wichtige Voraussetzungen dafür sind, dass der einzelne langfristig planen und seine Freiheiten gebrauchen kann.1008 1003

BVerfGE 2, 380 (403). Vgl. BVerfGE 19, 342 (348 f.); 61, 126 (134): „aus dem Wesen der Grundrechte selbst und dem Rechtsstaatsprinzip“; ähnlich v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 303; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 42; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (50); zum Verfassungsrang des Verhältnismäßigkeitsprinzips BVerfGE 30, 173 (199); 70, 297 (311). 1005 Zu ihr als wesentliches Prinzip des Rechtsstaatsprinzips vgl. allgemein BVerfGE 2, 380 (403); 3, 225 (237); 49, 304 (317); 60, 253 (267 ff.); 71, 230 (251); 82, 6 (12); 88, 118 (124); 93, 99 (107 f.); 99, 341 (353); 107, 395 (402 f., 411, 416); 114, 1 (53); 126, 331 (364); BVerfG VIZ 1998, 507 (508); NVwZ 2009, 1158 (1160); Papier/ Möller, AöR 122 (1997), 177 (179). Zur Frage, ob und wieweit der Rechtssicherheit und -klarheit ein Eigenwert zukommt, Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 294 ff. 1006 Vgl. BVerfGE 49, 168 (181); 59, 104 (114); 82, 6 (12); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (268); Röthel, JuS 2001, 424 (426) und sogleich unter aa). 1007 BVerfGE 28, 175 (183); 37, 132 (142); 45, 142 (167 f.); 59, 104 (114); 78, 205 (212); 82, 6 (12); 107, 395 (416 f.); 113, 348 (375 ff.); 126, 170 (195); BVerfG NVwZ 2009, 1229 (1230); BayVerfGHE 42, 188 (194); BayVerfGH BayVBl. 2003, 560 (561); siehe ferner Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (181); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnrn. 278 f. 1008 Vgl. Isensee, AfP 1993, 619 (628); Leisner, NJW 1997, 636 (638); Mayer-Maly, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 201 (206); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (60); Rüthers, 1004

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Aus dem materiellen Rechtsstaatsprinzip folgt allerdings auch, dass die Grundrechte einschließlich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht nur bei der Schaffung abstrakt-genereller Regelungen beachtet werden müssen, sondern auch bei jeder Anwendung im Einzelfall zu wahren sind.1009 Da gesetzliche Tatbestände abstrakt formuliert werden, kann niemals ausgeschlossen werden, dass sie auch Sachverhalte erfassen, in denen die angeordnete Rechtsfolge zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führt. Grund hierfür kann sein, dass die Auswirkungen im Einzelfall besonders gewichtig sind, oder dass (zusätzlich) Interessen betroffen werden, die ex ante nicht bedacht wurden. Das Ergebnis der Rechtsanwendung wird in solchen Fällen oftmals als ungerecht empfunden.1010 Die Individualisierungstendenz, die dem Verhältnismäßigkeitspostulat innewohnt,1011 verlangt ein Mindestmaß an Flexibilität und Elastizität der Regelungen, damit der Rechtsanwender – hier: der Richter – in die Lage versetzt wird, die Positionen der Beteiligten in der Entscheidung ausreichend zu berücksichtigen. Hieran fehlt es etwa bei starren Fristen,1012 aber auch bei den zahlreichen starren und „technischen“ Regelungen des Sachenrechts. Wenn es zutrifft, dass jede Rechtsnorm Vorsorge gegen vom Regelungszweck nicht geforderte Einschränkungen der Freiheitsrechte und gegen nicht beabsichtigte Härten treffen muss, muss jede gesetzliche Regelung entweder „offen“ formuliert oder mit Ausnahme- und Befreiungsregelungen versehen sein, damit sie sich nicht als (insofern) verfassungswidrig erweist. Während somit unter dem Aspekt der Rechtssicherheit eine weitgehende und strikte Durchnormierung auf der abstrakt-generellen Ebene des Gesetzes anzustreben ist, verlangt das Gebot, in jeder konkreten Konstellation auf die verfassungsrechtlich geschützten Interessen ausreichend Rücksicht zu nehmen, tendenziell nach großen Freiräumen für die Rechtsanwendung. Die beiden aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Postulate geraten hier in Widerstreit.1013 Wie

Rechtstheorie, Rdnr. 87; Wieacker, FS Fischer, S. 872; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II; BVerfGE 114, 73 (92, 98 f.); BVerfG NJW 2005, 1561 (1564 f.). Vgl. auch Thomas Morus, Utopia, S. 112, wo gelobt wird, dass es auf Utopia nur wenige Gesetze gibt und diese von allen Bürgern hinreichend verstanden werden. 1009 Für die Geltung dieses Gebots im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG siehe nur BVerfGE 58, 137 (146, 148 f.); 100, 226 (244 f.). 1010 Vgl. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (330, 338). 1011 Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 18. 1012 Vgl. BVerfGE 55, 134 (142, 143); kritisch Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 461 f. 1013 Siehe nur Gentz, NJW 1968, 1600 (1601, 1606); Kirchhof, FG BVerfG, S. 66; Rennert, NJW 1991, 12 (17); W. Schmidt, AöR 106 (1981), 497 (503); BVerfGE 3, 225 (237 f.); 51, 324 (343 ff.); ebenso selbst für das Strafrecht, wo wegen Art. 103 Abs. 2 GG der Bestimmtheit besondere Bedeutung zukommt, 126, 170 (195 ff.). – Eine Kollision von Unter-Prinzipien des Rechtsstaatsprinzip ist auch in anderen Zusammenhängen möglich, vgl. Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 7; 107, 395 (411).

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dieses Spannungsfeld – speziell im Sachenrecht, das reich an formalisierten Regeln ist – aufzulösen ist, ist daher zu untersuchen. bb) Vorteile absoluter Regeln gegenüber Einzelfallentscheidungen (1) Rechtsgebietsübergreifende Aspekte Die Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit und der – damit verbundene – großzügige Einsatz von Abwägungs- und Verhältnismäßigkeitsklauseln mindert die Härte des Gesetzes für denjenigen, der von der Rechtsfolge nachteilig betroffen ist. Mindestens in gleichem Umfang wird aber auch die Verlässlichkeit für denjenigen verringert, dem eine Regelung einen Vorteil bringen soll.1014 Das Ziel der Rechtssicherheit wird am besten durch eine umfassende Kodifikation1015 mit klarem Aufbau und scharfer Begriffsbildung verwirklicht, in der abschließend formulierte und ausnahmslos geltende Normen das Ergebnis der Rechtsanwendung weitgehend voraussehbar machen und lediglich eine gewisse Rest-Elastizität vorhanden ist.1016 Die „unentwegte Suche nach verhältnismäßigem Ausgleich“ 1017 bewirkt demgegenüber eine Dekodifikation, da gesetzliche Normen zu Indizien oder Regelbeispielen und somit zu bloß vorläufigem Recht werden:1018 Jedes Ergebnis, das nach Anwendung der Normen gewonnen wurde, müsste in einem letzten Prüfungsschritt auf seine Übereinstimmung mit dem Gedanken der Billigkeit untersucht werden; jede Regel würde um einen Ausnahmevorbehalt erweitert.1019 Dabei käme dieser letzten Prüfungsstufe sogar die entscheidende Bedeutung zu, da die „freie“ Abwägung der in concreto berührten Belange anders ausfallen kann als die Arbeit mit dem Gesetz und so stets zu einem anderen Ergebnis führen kann. Vom Willen des Gesetzgebers bleibt dann wenig übrig. Werden konkrete Begriffe anstatt wertungsoffener Wendungen eingesetzt, wächst auch die Verständlichkeit der Norm, was wiederum die Akzeptanz des Rechts in der Bevölkerung fördert.1020

1014 Vgl. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (247, 254) m.w. N.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 48 ff.; Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 461, 463 f.; Simon, AcP 204 (2004), 264 (270); dagegen aber wieder Heintzen, DVBl. 2004, 721 (721, 727). 1015 Zum Begriff Mayer-Maly, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 201 (204). 1016 Vgl. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (229); G. Hager, JuS 2006, 769 (773); Mayer-Maly, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 201 (205 ff.); Röthel, JuS 2001, 424 (426); ferner Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (942 f.); Bachof, FG BVerwG S. 6; BVerfGE 72, 302 (325 ff.). 1017 Lerche, FS Mahrenholz, S. 515. 1018 Wahl, NVwZ 1984, 401 (408); Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 464; ähnlich Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 164, 241 ff. 1019 Vgl. Weinberger, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 501 (511). 1020 Kirchhof, FG BVerfG, S. 56; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (203).

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Eine weitgehende Delegation der Entscheidung von Konflikten auf die rechtsprechenden Organe wirkt sich auch signifikant auf deren Arbeitsfeld und Arbeitsweise als Normanwender aus. Die Ausfüllung bewusst unbestimmt gehaltener Begriffe stellt eher1021 eine „schöpferische“ Abwägung dar, die der eines Normsetzers ähnelt: Sind subsumtionsfähige Regelungen nicht vorhanden und zeigt der Gesetzgeber nicht einmal die Wege auf, wie die noch offenen, wertungsbedürftigen Fragen zu lösen sind,1022 fallen die Rollen des Normsetzers und -anwenders zusammen.1023 Da Wertungsentscheidungen besonders stark1024 von der Persönlichkeit des Wertenden abhängen,1025 träte das subjektive Gefühl des Richters weitgehend an die Stelle der Rechtsnormen.1026 Nach Art. 20 und Art. 97 GG ist der Richter aber an Recht und Gesetz gebunden; im Rechtsstaat sollen Gesetze und nicht Menschen herrschen.1027 Dieser Aspekt wird noch bedeutsamer, wenn man bedenkt, dass das Fehlen der Weisungsabhängigkeit und der unmittelbaren demokratischen Verantwortlichkeit der Rechtsprechung durch eine umso intensivere Bindung an das Gesetz (sachlich-inhaltliche Legitimation) ausgeglichen werden muss.1028

1021 Eine klare Trennung von Subsumtion und Dezision ist zwar nicht möglich (A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 56 ff.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 152 ff., 307 f., 320 ff.), doch überwiegt je nach Fall durchaus das eine oder andere Element. 1022 Erforderlich ist daher zumindest Rechtsfindungsmethodik und Dogmatik (vgl. unten Fn. 1125). Dogmatik und methodische Klarkeit sind zwar auch bei einem nichtkodifizierten System und im Hinblick auf Abwägungsvorgänge denkbar. Je mehr Aspekte aber frei gewichtet werden müssen desto weniger lassen sich Strukturen herausbilden und methodische Ansätze finden. 1023 Vgl. G. Hager, JuS 2006, 769 (772 f.); Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 436; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 817; Simon, AcP 204 (2004), 264 (270 ff.); Stück, ARSP 84 (1998), 405 (407, 413, 414 ff.); Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 11 I c. – Ohne Gesetzesgebundenheit gibt es daher auf Dauer keine richterliche Unabhängigkeit, so C. Schmitt, JW 1929, 495 (497). 1024 Jede Auslegung – und damit jede Rechtserkenntnis – ist subjektbezogen und subjektbedingt (so treffend Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 149 m.w. N.), doch tritt dies hier besonders stark zutage. 1025 Dieser Befund ist nicht ausschließlich negativ zu verstehen. „Gerechtigkeit“ hängt ganz erheblich von werthaften Orientierungen, Rechtsgefühl und Streben nach dem Guten ab, die bei jeder Person anders ausgeprägt sind. Gerechtigkeit ist immerhin ursprünglich eine Tugend des Individuums, vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, 2. Buch 4. 2. (b), 5. Buch 1. 2. (a); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 399. 1026 Vgl. Gentz, NJW 1968, 1600 (1601); Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (178 f.); Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (21012); optimistischer Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (133 f.). 1027 Leisner, NJW 1997, 636 (638). – Dies gilt zwar besonders gegenüber der Exekutive, die wegen der größeren Gefahren für die Freiheit historisch die Ursache für die Gesetzesbindung war, ist aber auch gegenüber der Judikative zu beachten, vgl. Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (943); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (47) m.w. N. 1028 Vgl. Böckenförde, HdbStR § 22 Rdnrn. 22, 23, 24; ferner BVerfGE 83, 60 (74); 93, 37 (67); 107, 59 (87 f.) sowie Hassemer, ZRP 2007, 213 (214).

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Für eine weitgehende Normierung und Kodifizierung spricht ferner, dass bereits der abstrakt-generelle Charakter von Rechtsnormen als solcher eine gewisse Richtigkeitsgewähr mit sich bringt. Aufgrund der Allgemeinheit der Formulierung ist die Verallgemeinerungsfähigkeit automatisch gegeben.1029 Die Gleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte ist (neben der Forderung nach Sachgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit) ein Grundpostulat der Gerechtigkeit; die Verallgemeinerungsfähigkeit eines Gebots ist Mindestvoraussetzung für die Eignung als ethischer und rechtlicher Satz.1030 Bei Einzelfallentscheidungen führen die Einbeziehung zahlreicher Gesichtspunkte und deren Gewichtung oft zu fragwürdigen Ergebnissen, ohne dass zumindest sichergestellt ist, dass bei spiegelbildlichen Sachverhalten reziproke Entscheidungen getroffen werden.1031 Normative Aussagen, die nur bestimmte Tatbestandsmerkmale enthalten, fokussieren den Blick auf die wesentlichen und entscheidungsrelevanten Umstände.1032 Die Vorentscheidung durch den Gesetzgeber, der klare Tatbestandsmerkmale formuliert und in konditional strukturierte Rechtsregeln einbringt, bewirkt weiter einen Entlastungseffekt für die Rechtsanwendung, da sie die (finale) Gewichtung der Interessen nicht jedes Mal neu vornehmen muss.1033 Gesetzesrecht trägt schließlich dem Ziel des Vertrauensschutzes weitaus besser Rechnung: Im Gegensatz zu Richterrecht (das gegenüber bloßer Einzelfalljudikatur immerhin den Vorteil hat, durch die Bildung von Entscheidungsgrundsätzen die spätere Einzelfallentscheidungen leiten zu können1034) können positive Gesetze nur aufgrund eines politischen Prozesses und unter Beachtung von Vertrauensschutz und Publizität geändert werden.1035 Rechtsstaatsprinzip und Gewaltenteilungsprinzip gebieten daher Allgemeinheit, Rigidität und Transparenz des Rechts. Diese werden nur durch Gesetzes1029

Isensee, AfP 1993, 619 (628). Vgl. jeweils Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch 2. 1. (b), 6. 1. (a); Koller, Theorie des Rechts, S. 61, 296 ff.; ders., FS Tammelo, S. 101 f.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 30 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 219, 353, 386, 967; Weinberger, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 501 (508 f., 509 f.); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 15 II; ferner BVerfGE 42, 64 (72). 1031 Zur Univeralisierbarkeit moralischer Urteile vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 260 ff. Die Forderung der Unparteilichkeit der Moral geht einen Schritt weiter, vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 271 ff. sowie den „veil of ignorance“ in der Rechtsphilosophie von Rawls (vgl. bei Braun, Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert, S. 131 ff.; R. Dreier, JuS 1996, 580 (583 f.); Koller, FG Weinberger, S. 268; A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 273 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 382; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 16 III). 1032 Vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 297. 1033 Vgl. Stück, ARSP 84 (1998), 405 (417). 1034 Vgl. BVerfGE 66, 116 (138); ferner Wieacker, FS Fischer, S. 873. 1035 Röthel, JuS 2001, 424 (426) m.w. N.; vgl. allgemein BVerfGE 84, 212 (227 f.); 126, 369 (395); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 504; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 297 f.; ferner zur Problematik der Kontinuitätserwartung Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 239. 1030

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recht, in dem die einzelnen Sachverhalte so weit wie möglich durchnormiert sind, gewährleistet.1036 Selbst dann, wenn wegen der Komplexität der Kollisionsfälle eine Einzelfallabwägung unumgänglich ist, muss der Gesetzgeber dem rechtsanwendenden Organ wenigstens gewisse Maßstäbe für die Bewertung der Interessen an die Hand geben.1037 (2) Auswirkungen im Zivilrecht Der aufgezeigte Mangel an Vorhersehbarkeit der Ergebnisse wirkt sich im Zivilrecht besonders schwerwiegend aus. Während im öffentlichen Recht die Rechtsnormen typischerweise so strukturiert sind, dass die Rechtsfolge für den jeweiligen Einzelfall durch Verwaltungsakt, also individuell-konkret und einseitig,1038 angeordnet wird, tritt im Bereich des Privatrechts die in einer Norm angeordnete Rechtsfolge nahezu stets1039 unabhängig von einer derartigen Konkretisierung ein. Eine verbindliche Feststellung der Rechtslage kann nur ex post von einem Gericht getroffen werden. Bis diese Entscheidung ergeht, bleiben für die Beteiligten Zweifel und Unsicherheiten, die ihre Dispositionsmöglichkeiten beeinträchtigen. Das Fehlen einer frühzeitigen einzelfallbezogen-verbindlichen Konkretisierung muss durch größere Klarheit und Bestimmtheit der Rechtsnormen ausgeglichen werden. Der im Zivilrecht typische „Von-Selbst-Vollzug“ verlangt daher möglichst einfache, klar erkennbare Tatbestände, die ohne komplexe und komplizierte Wertungen auskommen. Freie Abwägungsvorgänge sind im Zivilrecht ferner deshalb schwieriger zu handhaben, weil sich zwei Grundrechtsträger gegenüberstehen. In öffentlichrechtlichen Streitigkeiten (und entsprechend im Strafrecht) gilt, weil nur eine Seite Freiheitsvermutung und Verteilungsprinzip für sich beanspruchen kann, der Satz, dass der Grenz- oder Zweifelsfall stets zugunsten des Bürgers zu lösen ist.1040 Bei symmetrischen Situationen lässt sich eine solche Zweifelsfallregel nicht aufstellen, da die Freiheitsvermutung für jeden Privaten streitet. Zudem werden die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Privaten im Zivilrecht von weitaus vielfältigeren Interessen geprägt als dies im Verhältnis zum Staat der Fall ist. Die zu beachtenden Belange verdoppeln sich, da grundrechtlich relevante Interessen auf beiden Seiten stehen können, so dass die Kombinations- und Beeinflussungsmöglichkeiten sprunghaft ansteigen. Dies macht es schwieriger, alle relevanten Gesichtspunkte zu erfassen und Tatbestände exakt zu formulieren.1041

1036

Isensee, DZWir 1994, 309 (311). Lerche, FS Mahrenholz, S. 524. 1038 Siehe nur Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (393). 1039 Eine Ausnahme bilden die wenigen Gestaltungsklagen. 1040 Vgl. Isensee, DZWir 1994, 309 (310); Leisner, NJW 1997, 636 (637) („Abwägung macht den Privaten stärker“); allgemein oben B.II.3.a)dd). 1037

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Die soeben aufgeführten Umstände erschweren allerdings noch mehr eine Kodifizierung, weil es wegen der Vielzahl der möglicherweise berührten Interessen umso weniger möglich ist, sie sämtlich ex ante zu erkennen und vorzugewichten. So wünschenswert eine umfassende Normierung daher ist, so schnell sind die tatsächlichen Grenzen erreicht. Versucht der Gesetzgeber in einem solchen Fall strikte Regelungen, ist – auch wenn sie einen grundsätzlich sinnvollen und sachgerechten Inhalt aufweisen – abzusehen, dass Sonderkonstallationen auftreten werden, in denen sie in zu außergewöhnlichen Belastungen führen werden.1042 Bei einer Vielgestaltigkeit des Sachverhalts sind daher geringe Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen zu stellen.1043 Die Komplexität der zu regelnden Materie erlaubt somit einen großzügigeren Einsatz unbestimmter Begriffe. (3) Auswirkungen im Sachenrecht – Differenzierung zwischen Zuordnungsregeln, rechtsinhaltsprägenden Ansprüchen und sonstigen Ansprüchen (a) Besonderer Charakter von Zuordnungsregeln Das Sachenrecht zeichnet sich dadurch aus, dass – anders als etwa im Vertrags- oder im Deliktsrecht – oftmals Dritte davon betroffen sind, ob der Tatbestand einer Norm verwirklicht ist und die dort angeordnete Rechtsfolge eintritt. So hängt vom Erfolg eines Rechtsgeschäfts nach §§ 929 ff. BGB zwischen den beiden unmittelbar beteiligten Personen ab, wem dingliche Ansprüche gegenüber anderen zustehen und ob eine spätere Verfügung wirksam getroffen werden kann. Die Unsicherheit, die mit nur schwer handhabbaren Tatbestandsmerkmalen verbunden sind, wird so aus den Zweierbeziehungen hinausgetragen, der Einsatz wertungsbedürftiger Begriffe kann zu einer dauerhaften und viele Dritte betreffenden (besser: belastenden) Unsicherheit führen. Ein Überwirken von Einreden, die im Verhältnis zwischen zwei Parteien bestehen, auf Beziehungen zu Dritten wird aus dem dargestellten Grund allgemein als unerwünscht angesehen und in

1041 Siehe nur BVerfGE 59, 104 (114 f.). – Selbst im Verwaltungsrecht erkennt BVerfGE 79, 174 (199) für den Lärmschutz bei der Bauleitplanung an, dass die Schaffung konkreter Maßstäbe für alle zu berücksichtigenden Belange vom Gesetzgeber nicht verlangt werden kann. 1042 Vgl. BVerfGE 55, 134 (142). 1043 Vgl. BVerfGE 11, 234 (237); 21, 1 (4); 28, 175 (183); 49, 89 (133); 49, 168 (181). – Grundsätzlich kritisch zu dem Kriterum „Vielgestaltigkeit des Sachverhalts“ Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (186), da der Gesetzgeber dann, wenn er die vielen Sachverhalte nicht mit einem Begriff bezeichnen kann, eben mehrere Termini verwenden muss. Anders als in dem von Papier/Möller beschriebenen Fall liegt das Problem hier aber nicht darin, viele disparate Fälle zu erfassen, sondern, die einzelnen Faktoren in – an sich zusammenfassbaren – Situationen ex ante zu erkennen, zu bewerten und sie zu in einem Konditionalprogramm zu verarbeiten.

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der Privatrechtsordnung an vielerlei Stellen vermieden.1044 Sinn und Kernaufgabe des Sachenrechts ist gerade die Herstellung einer klaren Güterzuordnung,1045 so dass dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit hier eine besonders gewichtige Rolle zukommt.1046 Das Sachenrecht muss daher Sorge tragen, dass Außenstehende nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus von Umständen aus dem Verhältnis zweier Privater betroffen werden.1047 Der negative Kerngehalt des Eigentums, andere von der Nutzung des Gegenstands ausschließen zu können, wäre entwertet, wenn bei der Geltendmachung von Abwehransprüchen lange und umfassende Streitigkeiten über die Rechtsinhaberschaft, die Voraussetzung der Aktivlegitimation ist, geführt werden müssten1048 und dabei der Rechtsinhaber auch noch die Beweislast zu tragen hätte. Dies rechtfertigt, die für die Wirksamkeit einer Rechtsübertragung – unmittelbar oder mittelbar – relevanten Merkmale auf ein Minimum zu reduzieren, wie es in den §§ 929 ff. BGB im Zusammenspiel mit dem Abstraktionsprinzip geschehen ist. Bei Zuordnungsregeln, d.h. Normen, die darüber bestimmen, ob ein dingliches Recht begründet, belastet, übertragen oder aufgehoben ist, sind daher Abwägungs- und Verhältnismäßigkeitsklauseln grundsätzlich nicht einsetzbar.1049 (b) Anspruchsnormen zum Inhalt des dinglichen Rechts Im Hinblick auf die genannten Faktoren stehen den Zuordnungsregeln die Normen nahe, die zwar nicht die Inhaberschaft eines dinglichen Rechts betreffen, aber dessen Inhalt prägen.1050 So sind bei den „echten“ dinglichen Ansprüchen wie § 985 und § 1004 Abs. 1 BGB Einschränkungen der Befugnisse und Pflichten zur Rücksichtnahme, die in der Beziehung von Gläubiger und Schuldner wurzeln, problematisch, weil Einschränkung dieser negativen Befugnisse, da sie den Kern des Rechts bilden, das dingliche Recht selbst modifizieren.1051 Das Ver1044

So lautet die Grundregel für den Bereicherungsausgleich in Dreipersonenverhältnissen, dass die Rückabwicklung gescheiterter Leistungen nur innerhalb der vorhandenen Vertrags-/Leistungsbeziehungen erfolgt [siehe nur Jauernig/Stadler, § 812 Rdnrn. 23 ff.; unten Teil 4 E.I.2.d)cc)]. 1045 Siehe nur Eckert, JR 1994, 333 (335). 1046 Vgl. MünchKomm/Roth, § 242 Rdnrn. 36 f., 79 f. 1047 So reicht etwa die „einfache“ Sittenwidrigkeit oder Verbotswidrigkeit des obligatorischen Geschäfts nicht aus, die Nichtigkeit des dinglichen Geschäfts herbeizuführen (Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 10; Westermann/H. P. Westermann, § 3 Rdnr. 10). 1048 Vgl. – allgemein – Medicus, AcP 192 (1992), 35 (58); ferner Berg, VVdStRL 51 (1992), 46 (59 ff.) zur unklaren Eigentumssituation in den neuen Ländern. 1049 Wieling, Sachenrecht, § 1 I 2; Eckert, JR 1994, 333 (334 f.). 1050 Zur Anwendung der Grundsätze des Rechtsmissbrauchs oder der Verwirkung auf die Kernansprüche der dinglichen Rechte siehe unten Teil 4 A.I.2.b). 1051 Vgl. BGH NJW 2011, 1068 (1069); Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 83, 88 ff.; eingehend zu diesem Zusammenhang unten Teil 4 A.I.1.

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trauen, dass bestimmte Befugnisse dem Rechtsinhaber zustehen und auf absehbare Zeit erhalten bleiben, ist die Grundlage jeder wirtschaftlichen Kalkulation.1052 Billigkeitserwägungen der Art, dass besondere Umstände im Verhältnis zwischen den Parteien bei der Begründung des Rechts oder ein späteres tatsächliches Verhalten den Rechtsinhalt dauerhaft – u. U. mit Wirkung gegenüber den Rechtsnachfolgern – verändern, würden zu einer Verdinglichung schuldrechtlicher Bindungen1053 und erheblicher Rechtsunsicherheit führen.1054 Wertungsbedürftige Begriffe sind somit nicht einsetzbar, wenn Umfang und Inhalt der Eigentümerbefugnisse gegenüber anderen – beliebigen Dritten oder Inhabern anderer Rechte an der gleichen Sache – festzulegen sind. Angängig und geboten mögen Einschränkungen zentraler Befugnisse nur sein, wenn und solange neben der sachenrechtlichen Beziehung ein besonderes „individuelles“ (d.h. nicht allein auf den gesetzlichen Bestimmungen beruhendes) Sonderverhältnis zwischen den Beteiligten besteht und die Wirkungen der Einschränkungen über die unmittelbar Beteiligten nicht hinausgehen. Dem Vorrang derartiger individueller Beziehungen trägt das Gesetz in § 986 BGB und § 1004 Abs. 2 BGB Rechnung. Soweit zwischen den Parteien des dinglichen Anspruchs keine freiwillig eingegangene Beziehung besteht, etwa zwischen Grundstücksnachbarn, kann dagegen eine Befugniseinschränkung nur sehr zurückhaltend erfolgen.1055 Jeder der – nach dem Gesetz gleichberechtigten – Grundstückseigentümer darf vielmehr darauf vertrauen, dass er nur die Einschränkungen beachten muss, die die allgemeine Rechtsordnung (d.h. das Gesetz und u. U. das dazu ergangene Richterrecht) ihm auferlegt. Diese Überlegungen gelten entsprechend für die beschränkt dinglichen Rechte an Grundstücken: Hier müssen sich der Eigentümer und Dritte, die die Dienstbarkeit oder das belastete Grundstück erwerben, darauf verlassen können, dass das Recht exakt die allgemein in ihm enthaltenen Befugnisse gewährt.1056 (c) Sonstige sachenrechtliche Anspruchsnormen Demgegenüber finden sich im Sachenrecht auch Bestimmungen, die im Hinblick auf die Berührung von Drittinteressen den „gewöhnlichen“ Vorschriften des Zivilrechts gleichen. Insbesondere unterscheiden sich die sonstigen Anspruchsnormen des Sachenrechts wie z. B. die Ersatzansprüche aus dem Eigentümer-Be1052

Vgl. Kirchhof, FG BVerfG, S. 56. Siehe dazu unten Teil 3 C.IV. 1054 Vgl. BGH LM BGB § 1018 Nr. 5. Ausführlich unten Teil 4 A.I.2. 1055 Vgl. den Überblick über die ältere Rspr. bei Mühl, NJW 1956, 1657 (1659 ff.); ferner Tiedemann, MDR 1978, 272 (275). 1056 Für die Anpassung von Dienstbarkeiten an tatsächliche Veränderungen, bei der etwas großzügigere Maßstäbe angelegt werden, weist das Gesetz in den §§ 1020 ff. BGB eine Basis für Zumutbarkeitserwägungen auf, vgl. unten Teil 4 D.I.1. 1053

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sitzer-Verhältnis nicht von anderen obligatorischen Ansprüchen.1057 Diese Normen knüpfen zwar an die dingliche Rechtslage insoweit an, da sie tatbestandliche Voraussetzung für das Entstehen der Ansprüche ist; sie regeln aber nicht unmittelbar den Inhalt des Eigentums, sondern befassen sich mit in der Vergangenheit liegenden Verletzungen der Befugnisse. Der Anwendung z. B. des § 242 BGB auf sie steht daher grundsätzlich nichts im Wege.1058 Ähnliches gilt für Ansprüche, die zwar unmittelbar den Inhalt eines dinglichen Rechts ausmachen, aber wegen einer engen Verknüpfung mit einer schuldrechtlichen Grundlage einen starken persönlichen Einschlag1059 aufweisen und dabei auch nicht Drittinteressen berühren. In diese Gruppe gehören die akzessorischen und die die nicht-akzessorischen Sicherungsrechte,1060 bei denen der Inhalt der dinglichen Rechtsmacht entweder unmittelbar durch eine Forderung bestimmt ist oder durch die fiduziarische Abrede zumindest obligatorisch eingeschränkt ist.1061 Die (oft nur zusätzliche) Begründung des dinglichen Rechts dient hier ausschließlich dem Schutz im Falle einer Veräußerung des Gegenstandes. Solange und soweit der Gläubiger des dinglichen Anspruchs auch an den zugrundeliegenden (Sicherungs-)Vertrag gebunden ist,1062 spricht nichts dafür, ausschließlich auf den Inhalt des dinglichen Rechts abzustellen. (4) Zwischenergebnis Die sachenrechtlichen Normen, die die Zuordnung eines dinglichen Rechts zu seinem Träger betreffen, und die, die den Inhalt eines dinglichen Rechts festlegen, sind Wertungsgesichtspunkten nur in Ausnahmefällen zugänglich.1063 Bei 1057 Siehe bereits RGZ 93, 281 (283). Vgl. ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 528 in Anschluss an Johow. Gegen die Bedeutung des Sachenrechts und seiner Prinzipien lässt sich daraus allerdings nichts ableiten (ebenso Brehm, AcP 207 (2007), 268 (275)). 1058 Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (186 f.); Ballerstadt, SJZ 1948, Sp. 388 (390); Eckert, JR 1994, 333 (334) m.w. N.; Mühl, NJW 1956, 1657 (1658, Fn. 19); MünchKomm/Roth, § 242 Rdnr. 79; Wieling, Sachenrecht, § 1 I 2 (zutreffend betonend, dass der lex-specialis-Grundsatz zu beachten ist); Erman/Hohloch, § 242 Rdnr. 44. 1059 Formulierung bei Mühl, NJW 1956, 1657 (1658) nach Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (187). 1060 Vgl. die Beispiele bei Mühl, NJW 1956, 1657 (1658) aus der Rechtsprechung des RG, die sich vorwiegend mit Hypotheken und Altenteilsverträgen befasst; ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 236, zur AGB-Inhaltskontrolle bei der Grundschuld; Hess, AcP 198 (1998), 489 (513 ff.) bei dinglichen Rechten allgemein. 1061 M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2650, 2651). 1062 Auf § 1192 Abs. 1a BGB, der eine Erstreckung von Einwendungen auf Dritte ohne Gutglaubensschutz vorsieht, soll in dieser Arbeit nicht eingegangen werden. 1063 Staudinger/Seiler (2000), Einl zum Sachenrecht, Rdnr. 86; Staudinger/Looschelders (2005), Rdnrn. 870 f. Vgl. auch Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (199 f.) zur Reduktion des § 892 mittels der Arglisteinrede in den Fällen, die heute am Erfordernis des Verkehrsgeschäfts scheitern.

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den übrigen Normen, die weniger starke Auswirkungen auf Dritte auslösen und sich daher nicht wesentlich von privatrechtlichen Normen des Schuldrechts unterscheiden, ist der Einsatz ausfüllungsbedürftiger Begriffe demgegenüber in weitem Umfang möglich.1064 cc) Verwirklichung von Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit durch Differenzierung und Typisierung (1) Individuelle und generalisierte/typisierende Umsetzung des Verhältnismäßigkeitgebots Der aufgezeigte Zielkonflikt zwischen möglichst hoher gesetzlicher Regelungsdichte und Vermeidung von Auswirkungen auf Dritte einerseits und Offenheit für sämtliche konkret involvierten Interessen der Beteiligten und Herstellung gerechter Ergebnisse andererseits klärt sich weitgehend, wenn man vergegenwärtigt, dass auch strikt formulierte Normen eine situationsorientierte und -spezifische Abwägung der involvierten Belange enthalten können. Zwischen Billigkeit im Einzelfall und Verhältnismäßigkeit einer Regelung ist zu unterscheiden.1065 Das Gebot, die Verhältnismäßigkeit zu wahren, bedeutet daher nicht, dass die Angemessenheit in jedem Fall individualisiert zu ermitteln und herzustellen ist. Dies kann auch in abstrahierter (generalisierter, pauschalisierter) oder typisierter Weise geschehen,1066 indem der Gesetzgeber sachgerechte Fallgruppen bildet, für diese einzelnen Konstellationen die Belange und ihre Schutzwürdigkeit abschließend bewertet und entsprechende Bestimmungen unter Berücksichtigung des jeweils Gerechten trifft.1067 Das Ziel der Gerechtigkeit verlangt insofern nur ein angemessen ausdifferenziertes Regelungssystem.1068 Der Gesetzgeber wird daher regelmäßig die für die Abwägung relevantesten Gesichtspunkte herausgreifen und zu den Anknüpfungspunkten seines Regelungssystems machen. Dies ist jedoch nicht immer ein zufriedenstellender Weg. 1064 Mühl, NJW 1956, 1657 (passim); Staudinger/Seiler (2000), Einl zum Sachenrecht, Rdnr. 86; M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2652). 1065 Siehe nur Wieacker, FS Fischer, S. 873. – Zum Unterschied zwischen der Befolgung des positiven Gesetzes und der Billigkeit (epieikeia, aequitas) siehe bereits Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch 14; Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 120 a. 1 c. Nach Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch 14. 1. (b) sind „Gerechtes und Billiges . . . dasselbe, und während beide gut sind, ist das Billige das Überlegene“; für Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 120 a. 2 c stellen beides Teile der Gerechtigkeit dar. 1066 Vgl. Hömig/Bergmann, Art. 3 Rdnr. 6; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (244 ff.); Isensee, FS Großfeld, S. 489; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 24. 1067 Kirchhof, FS Lerche, S. 146; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (37); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 930. 1068 Vgl. Weinberger, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 501 (509); BVerfG NJW 2005, 1561 (1564 f.).

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Vielmehr kann er auch, um die Rechtsanwendung zu erleichtern, gezwungen sein, auf ein anderes als das „eigentlich maßgebliche“ Merkmal zurückzugreifen, wenn dieses mit einer bestimmten Konstellation regelmäßig einhergeht, und die Differenzierung daran anknüpfen lassen. Eine solche Typisierung erlaubt insbesondere, äußerlich greifbare (somit auch für den anderen erkennbare) und leicht beweisbare Umstände als Tatbestandsmerkmale heranzuziehen.1069 Triviales Beispiel hierfür ist das Volljährigkeitsalter, das einer individuellen Prüfung der geschäftlichen Reife vorgezogen wird. (2) Beispiele ausdifferenzierter Regelungssysteme Als Beispiel für ein vom Gesetzgeber differenziert kodifiziertes System von Regeln, Ausnahmen und Rückausnahmen1070 kann der Regelungskomplex „gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen“ dienen. Dieser Bereich zählt zu den „Zuordnungsregeln“, die einer Einzelfall-Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht zugänglich sind. Die §§ 932–934 BGB enthalten eine Grundentscheidung zugunsten des Erwerbs vom Nichtberechtigten, die aber durch das Veranlasserprinzip in § 935 Abs. 1 BGB eingeschränkt wird, weil ein gutgläubiger Erwerb nicht erfolgen soll, wenn der Eigentümer zur Entstehung des Rechtsscheins nichts beigetragen hat. Hiervon werden wiederum die Situationen des § 935 Abs. 2 ausgenommen, da in diesen Fällen die Interessensituation stets einen gutgläubigen Erwerb verlangt. Ergänzend wird das so erzeugte Ergebnis durch § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, der den in § 816 Abs. 1 S. 1 BGB aufgestellten Grundsatz, dass der Erwerber keinen Bereicherungsansprüchen ausgesetzt sein soll, für die Fälle unentgeltlich erfolgter Verfügungen einschränkt, weil das Interesse des Erwerbers in unterschiedlichem Maße schutzwürdig ist.1071 Die – oftmals belächelten – Normen zum Bienenrecht halten ebenfalls Beispiele für eine fallgruppenspezifische Interessenbewertung im Gesetz bereit. Die Spezialregelungen zum Verfolgungsrecht (§ 962 S. 1 gegenüber § 867 BGB), zum Aggressivnotstand (§ 962 S. 2 gegenüber § 904 S. 1 BGB) und zum originären Erwerb bei Verbindung und Vermischung (§ 963 gegenüber §§ 948, 947 BGB) tragen jeweils den Besonderheiten der Bienenzucht und des Verhaltens dieser Tiere – besonders dem Phänomen des Schwärmens – Rechnung.1072 Hintergrund dieser Bestimmungen war erkennbar, dass der Gesetzgeber das Interesse des Bieneneigentümers, seinen Schwarm zu verfolgen und damit Sachherrschaft 1069 Vgl. zum Ganzen Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (380 ff.); BVerfG NJW 2005, 1561 (1564 f.). 1070 Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 73 f. (als Beispiel die §§ 1565 ff. BGB nennend). 1071 Ausführlich zum Ganzen unten Teil 4 E.I.2. 1072 Vgl. Staudinger/Gursky (2004), § 961 Rdnr. 1; MünchKomm/Quack, § 961 Rdnrn. 1, 2.

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und Eigentum zu behalten, stets (i. S. v. generell) höherwertiger ansah als das Ausschließungsinteresse von Grundeigentümern und das Integritätsinteresse der Eigentümer der Bienenstöcke, in die der Schwarm einzieht. Um sicherzustellen, dass sich dieses Interesse durchsetzt, hat der Gesetzgeber hier die Abwägung und Bewertung, die bei Heranziehung der genannten Grundregelungen in jedem Einzelfall durch den Rechtsanwender erfolgen müsste, für einen Teilbereich selbst und verbindlich vorgenommen. Eine abschließende Vorentscheidung zwischen den berührten Interessen hat der Gesetzgeber ferner in § 36 a GenTG getroffen. Im Unterschied zum Bienenrecht, wo spezielle Normen geschaffen wurden, bedient sich der Gesetzgeber hier der Regelungstechnik, die in § 906 BGB verwendeten wertungsbedürftigen Begriffe in einzelnen Punkten zu konkretisieren und zu präzisieren, insbesondere, bestimmte Umstände für erheblich oder unerheblich zu erklären.1073 Zu nennen sind schließlich die Regeln zu den Grenzabständen von Pflanzen. Zahlreiche Ausführungsgesetze zum BGB bzw. Landesnachbarrechtsgesetze enthalten genaue Vorgaben, wie weit Bäume von der Grenze entfernt stehen dürfen, so Art. 47 BayAGBGB.1074 Dessen Abs. 1 differenziert für den einzuhaltenden Abstand nach der Wuchshöhe; die Sonderregel in Abs. 2 schreibt für bestimmte land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke einen einheitlichen Abstand fest. Damit wird das Interesse, auf dem eigenen Grundstück Pflanzen zu halten, und das Interesse, nicht Beeinträchtigungen des Grundstücks durch hohe Pflanzen hinnehmen zu müssen,1075 koordiniert; in den Fällen des Abs. 2 geben dabei wirtschaftliche Überlegungen den zusätzlichen Ausschlag zugunsten des Nachbarn, der das öko- bzw. agronomische Interesse auf seiner Seite hat. Eine zusätzliche Regelung, die – wie zeitweise geplant – bei unzumutbaren Beeinträchtigungen die Entfernung von Pflanzen an Privatgrundstücken unabhängig vom Grenzabstand vorsieht,1076 ist daher jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht entbehrlich; der Verzicht auf sie fördert die Rechtssicherheit. dd) Zwischenergebnis – Maßstäbe und Leitlinien für den Gesetzgeber Rechtssicherheit und -klarheit verlangen – über den vom rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes geforderten Umfang hinaus – eine Regelung privatrechtlicher 1073

Vgl. zu diesem Komplex umfassend G. Wagner, VersR 2008, 1017 (1022 ff.). Ebenso z. B. § 38 HNRG und § 50 NdsNRG, die Gegenstand der Entscheidungen BGH NJW 2004, 1035 ff. bzw. BGHZ 157, 33 ff. waren. 1075 Nach BayVerfGH Beschl. v. 15.12.2009, Az. Vf. 6-VII-09 (sub V. A. 3. b)), liegt der Normzweck der Abstandsvorschriften ausschließlich darin, Streitigkeiten wegen Überhangs nach § 910 BGB zu verhindern, aber nicht (nicht einmal begleitend), die Entziehung von Licht, Luft und Aussicht durch Gewächse abzuwehren. Ob dieses Verständnis zutrifft, soll hier unerörtert bleiben. 1076 Vgl. LT-Drs. 14/9958, jeweils Punkt 2. – Das Gesetzesvorhaben wurde nach Einwänden zahlreicher Interessengruppen nicht mehr weiter verfolgt. 1074

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Konflikte durch abschließend und bestimmt formulierte Gesetze.1077 Zugleich sollen die Regelungen die involvierten Interessen miteinander in möglichst gerechter und verhältnismäßiger Weise vereinbaren. Diese kollidierenden Forderungen richten sich zunächst an den Privatrechtsgesetzgeber. Er soll durch die Kodifikation eines Rechtsbereichs so viele Gesichtspunkte wie möglich selbst abarbeiten und dadurch bereits auf der Ebene des Gesetzes durch differenzierende Regelungen Verhältnismäßigkeit herstellen, so dass sich ein unmittelbarer Durchgriff auf die dahinterstehenden grundrechtlich geschützten Interessen und der Einsatz von Tatbestandsmerkmalen wie „angemessen“ oder „zumutbar“ erübrigt.1078 Eine hinreichend ausdifferenzierte gesetzliche Regelung ist „geronnene Verhältnismäßigkeit“ 1079. Einzelfall-Abwägungen sind damit allenfalls für Randkorrekturen erforderlich.1080 Unzulässig sind lediglich Regelungen, die einem Belang kategorisch und ohne Berücksichtigung des Gewichts, das ihm in den einzelnen auftretenden Konstellationen zukommt, den Vorrang zuweisen.1081 Ebenso sind Typisierungen zulässig, solange der Gesetzgeber nicht mit seinem „Ersatz-System“ relevante Fallgruppen unzutreffend erfasst.1082 Eine dipolare Gegenüberstellung von formellem (strengem) Recht und materiellem (Billigkeits-)Recht, wie es etwa die equity im common law oder die acquitas gegenüber dem ius strictum darstellte, besteht daher nicht:1083 Das positive Recht ist selbst dann, wenn es strikt und abschließend formuliert ist, bereits weitgehend am Gerechtigkeitsideal orientiert und verwirklicht dieses. Durch die umfassende einfachrechtliche Ordnung eines Sachbereichs legt der Gesetzgeber selbst fest, wie die Verfassungsgebote und die Verhältnismäßigkeit jeweils verwirklicht sein sollen.1084 Diese Entscheidung ist wegen des weiten Gestaltungsspielraums1085 grundsätzlich zu akzeptieren; eine Überprüfung an der Einzelfallgerechtigkeit hat zu unterbleiben, auch wenn die bei Anwendung des Ge1077

BVerfGE 58, 257 (276); BVerfG NJW 2005, 1561 (1564 f.). Vgl. insgesamt Classen, JZ 2003, 693 (701); Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 73 ff.; ders., Jura 1997, 57 (60); Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (227 f.); G. Hager, JuS 2006, 769 (771 ff.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 76; Isensee, FS Großfeld, S. 509; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (37); Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (188, 190); Wahl, NVwZ 1984, 401 (407 f.). 1079 Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 74; ähnlich Medicus, AcP 192 (1992), 35 (37). 1080 Canaris, JuS 1989, 161 (164); Leisner, NJW 1997, 636 (637, 638); Gentz, NJW 1968, 1600 (1606). 1081 Ebenso inhaltlich Leisner, DVBl. 1988, 555 (558). 1082 Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (381 f., 388); vgl. ferner BFH, DStR 2006, 1686 (1688). 1083 Vgl. v. Caemmerer, FS Rabel Bd. 1, S. 339. 1084 Vgl. Medicus, AcP 192 (1992), 35 (37); Wahl, NVwZ 1984, 401 (408). 1085 Siehe oben 3.c)aa). 1078

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setzesrechts gewonnenen Ergebnisse einmal nicht vollständig dem Gerechtigkeitsempfinden zu entsprechen scheinen. Solange solche Fälle Ausnahmen darstellen und nicht – auch aus Sicht der betroffenen Grundrechte – untragbar sind, machen sie eine strikt formulierte Regelung nicht verfassungswidrig, weil dann Rechtssicherheit und Praktikabilität der Rechtsanwendung vorrangig sind.1086 Da die Aufgabe des Gesetzgebers darauf beschränkt ist, Angemessenheit auf der generellen Ebene herzustellen, kann die Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung erst attestiert werden, wenn er dieses Ziel allgemein oder für typische – und daher signifikante und voraussehbare1087 – Fallgruppen verfehlt.1088 Der Gesetzgeber darf also – um mit Art. 3 Abs. 1 GG zu argumentieren – nicht in tatsächlicher Hinsicht ungleiche Lebenssachverhalte unterschiedslos behandeln, wenn dies dem Gerechtigkeitsgedanken nicht mehr entspricht.1089 Das Zurücktreten der Einzelfallgerechtigkeit ist der Preis dafür, dass die überwiegende Zahl der Fälle schnell, sicher und in angemessener Weise entschieden werden kann.1090 Die Verwendung generalklauselartiger Begriffe wird gleichwohl immer an einzelnen Stellen notwendig bleiben, weil sich andernfalls inhaltliche Richtigkeit und materielle Gerechtigkeit nicht erzielen lassen.1091 Auf diese Weise wird das Bestimmtheitsgebot als Rechtsprinzip richtig verstanden, da es nicht besagt, dass der Gesetzgeber die Tatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben beschreiben müsste, sondern nur verlangt, Regelungen so bestimmt zu treffen, wie es der erfasste Lebenssachverhalt und der Normzweck erlauben.1092 Gefordert ist also eine Optimierung, so bestimmt wie möglich zu formulieren.1093 Selbst wenn die 1086 BVerfGE 9, 20 (31 f.); 13, 21 (29); 21, 54 (71); 60, 16 (39); 70, 1 (34); 77, 308 (338); 100, 195 (207); BVerfG NJW 2004, 846 (847); vgl. auch BVerfG NJW 1992, 1816 (1816); BVerfGE 72, 302 (325 ff.); Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 13 I 3; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 24. Dieses Argument findet sich bereits in der Sache in RGZ 107, 370 (374). 1087 Dies betonend BVerfGE 83, 1 (17); ferner BVerfGE 100, 195 (207). 1088 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (218); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913) nach BVerfGE 68, 153 (173 f.); 77, 308 (338); Sachs/dies., Art. 3 Rdnrn. 108 f.; Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 18; A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 160; vgl. auch BVerfGE 60, 16 (39). Bereits Aristoteles (Nikomachische Ethik, 5. Buch 14. 2. (b)) und Thomas v. Aquin (Summa theologica II-I q. 96 a. 6 c., II-II q. 120 a. 1 c.) bemerken, dass der Gesetzgeber nur auf die typischen Fälle blicken und Sonderkonstellationen, in denen der Normbefehl zu kontraproduktiven Folgen führt, nicht beachten kann. 1089 BVerfGE 49, 280 (283); 71, 255 (271); 98, 365 (385); 103, 242 (258); 115, 51 (61 f.); BVerfG NVwZ 2004, 597 (602); BayVerfGHE 42, 188 (194). 1090 Vgl. – neben den Genannten – zum Ganzen Gentz, NJW 1968, 1600 (1605 ff.); Scholz, NJW 1983, 705 (710); BVerfG NJW 2005, 1561 (1564 f.). 1091 BVerfGE 59, 104 (114 f.); siehe ferner v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 279. 1092 BVerfGE 49, 168 (181); 59, 104 (114); 78, 205 (212); 102, 347 (361); ähnlich auch BVerfGE 11, 234 (237 f.); 28, 175 (138). 1093 Vgl. auch Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (185); Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (289, 294).

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Relevanz der auf abstrakt-genereller Ebene „übergangenen“ Gesichtspunkte für die Entscheidung ausnahmsweise gegeben ist (was nicht vorschnell bejaht werden darf), führt dies allerdings im Bereich des Zivilrechts regelmäßig nicht dazu, dass die Norm als verfassungswidrig zu verwerfen ist; vielmehr kann dann zumeist auf allgemeine Korrekturnormen wie § 138 und § 242 BGB zurückgegriffen werden (dazu unten 6.). Der genaue Verlauf der Grenze zwischen den Fällen, in denen aus Gründen der Rechtssicherheit der Verzicht auf eine vielleicht als gerechter empfundene Lösung hingenommen werden muss, und den Situationen, in denen sich die Einzelfallgerechtigkeit wegen der grundrechtlich geschützten Interessen durchsetzen muss, kann nicht auf eine allgemeine Formel gebracht werden. Zu den determinierenden Gesichtspunkten gehören Grad und Schwere der (Grundrechts-)betroffenheit.1094 Wegen des weiten Spielraums der Legislative bei der Bewertung und Abwägung dürfte die Verfassungswidrigkeit aber vorwiegend eintreten, wenn bestimmte grundrechtlich geschützte Interessen in einem Regelungskomplex überhaupt nicht verarbeitet wurden,1095 obwohl sie nicht nur in einzelnen atypischen Konstellationen auftreten. 5. Ausfüllung offener Begriffe durch die Judikative a) Aufgaben der Rechtsprechung Während der Gesetzgebung die Entscheidung in privaten Interessenkonflikten auf abstrakt-genereller Ebene obliegt, besteht die Aufgabe der Rechtsprechung primär darin, in den konkreten Einzelfällen zu entscheiden, welche Ansprüche und Rechtsverhältnisse bestehen. Da sich dies in erster Linie durch Anwendung des gesetzten Rechts vollzieht, ist diese Tätigkeit weniger gestaltender als vollziehender Art. Hierauf weist die besondere Betonung der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 GG) hin. Soweit sich ein Rechtsstreit ohne Weiteres durch Subsumtion unter vorhandener und aussagekräftiger Normen lösen lässt, besteht kaum die Gefahr, dass die Gerichte an die Grenzen ihrer Kompetenzen im Hinblick auf die Auslegung und Fortentwicklung des Rechts stoßen; verfassungsrechtlich bedeutsam ist dann nur, ob und wieweit Fehler in der Anwendung des einfachen Rechts einen Verfassungsverstoß bedeuten.1096 Grundlegend anders stellt sich die Situation dar, 1094 Vgl. BVerfGE 49, 98 (133); 59, 104 (114); Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (187, 199); ebenso das BVerfG zur Prüfungsdichte, siehe etwa BVerfGE 79, 51 (63). 1095 So BVerfG NJW 1993, 1252 (1253) zu einem Rechtsentscheid; für diese gelten die gleichen Regeln, siehe unten 5.; zur Gebot umfassender Materialerschließung durch den Gesetzgeber allgemein Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 19. 1096 Zu den denkbaren Extrempositionen hierbei vgl. Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (203 f.); unten bei c)bb).

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wenn das Gesetz offene und wertausfüllungsbedürftige Begriffe aufweist: Dann hat nicht nur eine Subsumtion zu erfolgen,1097 sondern muss eine abwägende Entscheidung zwischen zwei oder mehr kollidierenden Belangen vorgenommen werden. Die denkbar größte Entscheidungsfreiheit und Selbstständigkeit ist erreicht, wenn für einen Rechtsbereich einfachgesetzliche Regelungen allenfalls rudimentär vorhanden sind. Besonders die letztgenannten Bereiche, die allerdings weder voneinander noch von der bloßen Subsumtion scharf abgetrennt werden können,1098 sind daher näher zu untersuchen. Sowohl die Ausfüllung von offenen Begriffe und Generalklauseln als auch die „gewöhnliche“ Gesetzesauslegung erfolgt dabei nicht durch die bloße Entscheidung des konkret vorliegenden Einzelfalls, sondern unter Herausbildung und Heranziehung abstrakter (Unter-)Rechtssätze.1099 Dieser Weg der Rechtsfindung hat den Vorteil, dass die einmal entwickelten abstrakt-generellen Aussagen selbst wieder subsumtionsfähig sind1100 und auf diese Weise – auch wenn eine Bindung wie nach der stare-decisis-Doktrin des common law nicht besteht – in anderen Fällen als Entscheidungsgrundlage dienen können. b) Verfassungsrechtliche Anforderungen Sowohl bei der Entwicklung richterrechtlicher Rechtssätze als auch bei der „schlichten“ Subsumtion unterliegt die Rechtsprechung einer doppelten Bindung, nämlich an die Verfassung und an das gesamte (Gesetzes- und untergesetzliche) Recht.1101 aa) Beachtung der Grundrechte Ausgangspunkt der Bindung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung an die Grundrechte ist die staatliche Urheberschaft des Privatrechts:1102 Die Bindung des Privatrechtsgesetzgebers an die Grundrechte wirkt durch den Konkretisierungsauftrag an die Judikative weiter1103 und führt dazu, dass die Pflicht zur Wahrung der Grundrechte für die Judikative in gleicher Weise wie für die Legis1097

Statt aller Gaul, FS Baumgärtl, S. 93 f. Vgl. Stück, ARSP 84 (1998), 405 (407 f., 409 ff.); ferner oben Fn. 1021. 1099 Begriff nach Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (203). Ausführlich zur normbildenden Rolle der Rechtsprechung Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, passim. 1100 Zum „ubiquitären Bedürfnis nach Konkretisierung, Anpassung und Ergänzung der gesetzgeberischen Vorgaben“ vgl. Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 9. 1101 Siehe nur Röthel, JuS 2001, 424 (426). 1102 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 127. 1103 Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (971). 1098

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lative gilt.1104 Insbesondere sind die Grundrechte als Abwehrrechte und Schutzpflichten zu beachten und zu verwirklichen1105 und die Eigentümerinteressen mit verfassungsrechtlich geschützten Interessen anderer sowie öffentlichen Belangen abzuwägen.1106 Da richterrechtlich geschaffene Rechtssätze den Parlamentsgesetzen funktional entsprechen, sind sie wie diese unmittelbar an den Grundrechten zu messen.1107 Soweit sie in Grundrechte eingreifen, müssen sie daher geeignet, erforderlich und angemessen sein, um ein erlaubtes Ziel zu verfolgen; setzen sie Schutzpflichten um, müssen sie ein angemessenes Schutzniveau erreichen.1108 Eine getroffene Typisierung muss sich ebenso daraufhin untersuchen lassen, ob sie für alle von ihr erfassten Fälle sachangemessen ist oder von ihr auch eine signifikante Gruppe mit einer eigenen (abweichenden) Interessenkonstellation erfasst wird, die aus diesem Grund einer anderen Beurteilung bedarf.1109 bb) Beachtung des Vorrangs des Gesetzes Die Gerichte haben jedoch auch die Bindung an das Gesetz, Art. 20 Abs. 3 GG, zu beachten. Der Vorrang des Gesetzes bildet eine Grenze für die Rechtsprechung,1110 die auch dann zu beachten ist, wenn die Rechtsfortbildung von Verfassungsrecht beeinflusst wird:1111 Einschränkungen der grundrechtlichen Freiheiten durch Richterrecht können vor der Verfassung nur bestehen, wenn sie deren Grundentscheidungen genügen; zu diesen zählen auch das Rechtsstaatsprinzip und die Gewaltenteilung.1112 (1) Verbot der eigenständigen Korrektur des Gesetzes Die Gerichte dürfen daher nicht das Abwägungsergebnis, zu dem der Gesetzgeber gelangt ist, selbstständig korrigieren1113 und dadurch den Gesetzesbefehl 1104 BVerfGE 96, 345 (367): „Die Grundrechte verlangen Beachtung nicht nur bei der Schaffung einer Norm . . ., sondern auch bei der Anwendung einer verfassungsgemäßen Norm in der konkreten Lage des Einzelfalles“. 1105 Prägnant zusammenfassend LAG Brandenburg NZA 2003, 503 (505). 1106 Vgl. BVerfGE 79, 292 (303). 1107 Siehe nur Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (505) m.w. N.; vgl. ferner Canaris, AcP 184 (1984), 201 (213). 1108 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (213); ders. JuS 1989, 161 (162) nach BVerfGE 66, 116 (138); BVerfGE 73, 261 (269); J. Hager, JZ 1994, 373 (376 f.); Rennert, NJW 1991, 12 (13 f.); Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (208); ähnlich BVerfGE 79, 292 (303). Vgl. auch die hierzu entwickelte „Schumann’sche“ Formel, unten Fn. 1140. 1109 So praktiziert in BVerfGE 90, 27 (36 ff.); BVerfG NJW 1993, 1252 (1253); NJW 1994, 2143 (2143). 1110 BVerfGE 34, 269 (288); 74, 129 (152); 82, 6 (12); vgl. ferner Rüthers, Rechtstheorie, passim, insbes. Rdnrn. 610 ff., 649, 708, 710 ff. 1111 Vgl. Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 442 f. 1112 BVerfGE 6, 32 (41); 74, 129 (152).

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verwässern.1114 Eine Lücke im Gesetz, die eine Rechtsfortbildung und eine Verwirklichung von Verfassungsgeboten durch die Gerichte ermöglicht, ist mithin vom rechtspolitischen Fehler zu unterscheiden, dem nur der Gesetzgeber selbst abhelfen darf.1115 Hier liegt auch die Grenze der verfassungskonformen Auslegung1116, die den Gerichten nicht gestattet, sich über einen klaren Wortlaut und den vom Gesetzgeber gewollten Sinn einer Norm hinwegzusetzen.1117 Hiergegen wird auch dann verstoßen, wenn eine vom Fachgericht gewählte Auslegung das gesetzgeberische Ziel so verfehlt oder verfälscht, dass ein anderer oder neuer Regelungsinhalt geschaffen wird.1118 Soweit es sich – was bei den meisten Normen des BGB-Sachenrechts allerdings nicht der Fall ist – um nachkonstitutionelle Gesetze handelt,1119 darf überdies der Richter selbst dann, wenn er einen Verfas1113 So formuliert von vier Richtern in BVerfGE 49, 304 (323 f.); ferner Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 355. 1114 Röthel, JuS 2001, 424 (426); Classen, JZ 2003, 693 (700) . 1115 Diederichsen, Jura 1997, 57 (62). Die Planwidrigkeit einer Lücke ist daher sorgfältig zu begründen, vgl. Hillgruber, JZ 1996, 118 (120); Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 11 (insbes. § 11 I c). 1116 Die verfassungskonforme Auslegung kommt zur Anwendung, wenn sich nach den anderen Auslegungsmethoden ein Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben ergibt und diesem durch eine bestimmte, sinnvolle Interpretation des Rechtssatzes abgeholfen werden kann, vgl. BVerfGE 8, 28 (34); 93, 37 (81 f.); Rieger, NJW 2003, 17 (20, 21 f.) m.w. N.; Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (528 ff.). Auf diese Weise soll aus Respekt vor der legislativen Gewalt so viel wie möglich des Gewollten aufrechterhalten bleiben, vgl. BVerfGE 90, 263 (275). Die verfassungskonforme Auslegung ist ein Fall der systematischen Auslegung, nämlich im Verhältnis von Normen unterschiedlicher Rangstufen, vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 215; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 746, 763; BVerfG NJW 1998, 3557 (3558); anders Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (529), der sie bei der objektiv-teleologischen Methode ansiedelt. 1117 BVerfGE 8, 28 (34); 20, 150 (160 f.); 54, 277 (297); 55, 134 (143); 90, 263 (275); 93, 37 (81 f.); 95, 64 (93); 98, 17 (45); 99, 341 (358); ausführlich Rieger, NJW 2003, 17 (18, 21 f.); Röthel, JuS 2001, 424 (428 f.); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 764. 1118 BVerfGE 8, 28 (34); 48, 40 (47); 54, 277 (299); 78, 20 (24); 128, 193 (209 ff.); BVerfG NJW-RR 2008, 26 (28). 1119 Die Vorlagepflicht des Art. 100 Abs. 1 GG soll primär die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers gegenüber der Rechtsprechung wahren und einer Rechtszersplitterung vorbeugen (BVerfGE 2, 124 (129 f.); 90, 263 (275) m.w. N.; BVerfG NZI 2003, 162 (162)). – Die Unterscheidung zwischen vor- und nachkonstitutionellen Gesetzen erfolgt dabei nicht formell, sondern materiell danach, ob der nachkonstitutionelle Gesetzgeber die jeweilige Norm neu erlassen oder bestätigend in seinen Willen aufgenommen hat (BVerfGE 6, 55 (65); 8, 210 (213 f.)). Eine „Bestätigung“ setzt voraus, dass der Gesetzgeber in irgendeiner Weise mit der Norm und ihrem Regelungsgehalt befasst war und sie gebilligt hat (BVerfG NJW 1998, 3557 (3557); BVerfGE 11, 126 (132); 52, 1 (17); 60, 135 (149); 63, 181 (187 f.); 66, 248 (254); 70, 126 (129 f.)). Der ganz überwiegende Teil des 3. Buchs des BGB ist damit „vorkonstitutionell“ i. S. d. Art. 100 Abs. 1 GG, weil diese Regelungen vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen wurden und größere Änderungen in diesem Bereich nicht erfolgt sind. Eine solche Befassung und Billigung liegt (entgegen Leipold, NJW 2003, 2657 (2658 f.)) nicht darin, dass der Gesetzgeber die Paragraphen des BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit amtlichen Überschriften versehen hat. Hierzu muss der Gesetzgeber nämlich nur den gewöhnlichen Anwendungsbereich und die Rechtsfolge der vorgefun-

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sungsverstoß annimmt, nicht selbstständig eine verwerfende Entscheidung treffen, sondern muss das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG anstrengen.1120 (2) Beachtung gesetzgeberischer Leitlinien Zum Vorrang des Gesetzes gehört weiter, bei der Konkretisierung von Begriffen und Geboten die im Gesetz angelegten Prinzipien, Tendenzen und Vorgaben positiv zu beachten, also eine zum Ausdruck kommende Interessenabwägung nachzuvollziehen und fortzuführen.1121 Wertvorstellungen, die der Rechtsordnung immanent sind, müssen (auch wenn sie in den geschriebenen Gesetzen nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck kommen) ans Licht gebracht und in der Entscheidung verarbeitet werden.1122 Der Richter schuldet dem Gesetzgeber an dieser Stelle einen „denkenden Gehorsam“.1123 Daher muss bei Auslegungszweifeln zunächst „zivilrechtsimmanent“ – d.h. mittels der anerkannten Methoden und anhand der allgemeinen Bestimmungen, die für das Verhältnis der Bürger untereinander gelten – nach Lösungen gesucht werden und darf nicht vorschnell unmittelbar auf die Grundrechte zurückgegriffen werden.1124 Soweit eine Rechtsfortbildung geboten ist, muss sie die zivilrechtliche Dogmatik wahren, weil nur so garantiert ist, dass vorhandene Wertungen und Grundentscheidungen respektiert und beachtet werden.1125 Auch wenn das Grundgesetz daher denen Norm analysieren und plakativ wiedergeben; nicht erforderlich ist die Prüfung, ob sie immer zu gewünschten und verfassungskonformen Ergebnissen führt. Deutlich wird dies z. B. bei § 566 BGB, dessen Überschrift eigentlich in doppelter Hinsicht falsch formuliert ist, wenn die zivilrechtliche Dogmatik und die Terminologie des BGB beachtet werden soll, da sie richtigerweise „Übereignung bricht nicht Mietvertrag“ lauten müsste. Die Überschrift soll offensichtlich nur in Anlehnung an die früheren Rechtssprichwörter (vgl. Schmidt-Wiegand, Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 193 bzw. S. 241) den Norminhalt schlagwortartig beschreiben. Die Überschrift des § 1153 BGB steht sogar im Widerspruch mit dem Inhalt der Vorschrift, nach der gerade nicht „Hypothek und Forderung“ übertragen werden, sondern nur die Forderung (die Hypothek geht über). 1120 Vgl. Rieger, NJW 2003, 17 (18, 22); Röthel, JuS 2001, 424 (426 f.); BVerfGE 8, 28 (34 f.); 90, 263 (275). 1121 Vgl. BVerfGE 37, 132 (148); 49, 89 (138); 68, 381 (373); 79, 292 (303); 81, 29 (32); 82, 6 (12); 128, 193 (210, 211); BVerfG NJW 1990, 825; vgl. ferner Enders, AöR 115 (1990), 610 (615); Hillgruber, JZ 1996, 118 (121); Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, S. 19 ff. sowie bei Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch 14. 3. (c): Zu ermitteln ist, „was auch der Gesetzgeber selbst gesagt hätte, wenn er da gewesen wäre und was er in das Gesetz aufgenommen hätte“. 1122 BVerfGE 34, 269 (287); vgl. ferner Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 881. 1123 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, passim, z. B. Rdnr. 936, in Anschluss an Ph. Heck. 1124 Hubmann, JZ 1975, 639 (640); BVerfGE 84, 212 (226 f.); 88, 103 (115); auch BVerfGE 82, 6 (12 f.); ferner Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (207): „Vertretbar . . . sind . . . nur (die) Ergebnisse . . ., die lege artis gewonnen und begründet werden“. 1125 Vgl. BVerfGE 34, 269 (281); Simon, AcP 204 (2004), 263 (273 ff.), der aufzeigt, dass die beiden Voraussetzungen einer Analogie gerade sicherstellen wollen, dass die

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die Rechtsfortbildung als eine Aufgabe der Judikative anerkennt,1126 verleiht es der Rechtsprechung somit kein uneingeschränktes Mandat zur Rechtsfortbildung.1127 (3) Größe des Entscheidungsfreiraumes in besonderen Situationen In bestimmten Fallgruppen wird den Gerichten ein vergrößerter Freiraum bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts zugestanden. Gibt der Gesetzgeber Entscheidungsspielräume bewusst weiter, indem er selbst – unter Beachtung der oben entwickelten Zulässigkeitsgrenzen – im Gesetz offene oder unbestimmte Begriffe verwendet, ist gegen eine „eher schöpferische“ Rechtsfortbildung aus kompetenzrechtlicher Sicht wenig einzuwenden.1128 Die Verwendung eher unbestimmter Termini ist als Auftrag an die Judikative zu verstehen, diese Begriffe unter Einbeziehung grundrechtlicher Interessen zu füllen, und als Ermächtigung, Freiheiten Privater zu beschränken, soweit dies zur Konfliktschlichtung notwendig ist.1129 Da der Gesetzgeber somit selbst – ausdrücklich oder zwangsläufig – das Tor zur Verfassung öffnet,1130 ist eine Rechtsfindung unter unmittelbarer Anwendung des Verfassungsrechts hier grundsätzlich möglich; zu beachten ist dann lediglich das Gebot, vorhandene gesetzgeberische Leitlinien zu beachten und fortzuführen. Ein erweiterter Entscheidungs- (und damit auch: Abänderungs-)spielraum der Rechtsprechung wird ferner bei einer größeren zeitlichen Distanz zwischen Be-

Justiz nicht mehr als nötig Aufgaben des Gesetzgebers übernimmt. – Anders als die freie Gewichtung von Interessen oder das Abstellen auf das Rechtsgefühl machen Dogmatik und Methodik die Ergebnisse der Rechtsanwendung nachvollziehbar und vorhersehbar, vgl. (auch allgemein zu den einzelnen Funktionen der Rechtsdogmatik) Hassemer, ZRP 2007, 213 (217 f.); Isensee, FS Großfeld, S. 487 ff., 511; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (203 f.); Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 21; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 13 I 3; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (60); Rennert, NJW 1991, 12 (16); MünchKomm/Roth, § 242 Rdnrn. 31 ff., insb. 36; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 133; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 321 ff. 1126 Siehe nur BVerfGE 3, 225 (242 ff., 247 f.); 34, 269 (287 f.); 69, 188 (203); zu den Begründungsansätzen und mit weiteren Nachweisen Hillgruber, JZ 1996, 118 (118 f.). 1127 So pointiert Röthel, JuS 2001, 424 (426); inhaltlich auch Classen, JZ 2003, 693 (700); BVerfG NJW 2006, 3409 (3409). 1128 Röthel, JuS 2001, 424 (427); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 689, 836 ff.; siehe ferner Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 152: Jede Norm ist in dem „Maße“ offen, in dem sie dem normanwendenden Organ einen Rahmen zur eigenständigen Ausfüllung gibt. 1129 Dies gilt umso mehr, als die Gerichte wegen des Justizgewährungsanspruchs verpflichtet sind, alle vorgetragenen Fälle in angemessener Zeit zu entscheiden, vgl. Rüfner, GS Martens, S. 224; BGHZ 170, 260 (266, 267); auch oben B.II.3.a)dd)(7)(d)(aa). 1130 Röthel, JuS 2001, 424 (427); auch Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (509).

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schluss des Gesetzes und seiner Anwendung angenommen.1131 Dies beruht auf der Überlegung, dass im Laufe längerer Zeiträume Lücken, die beim Gesetzeserlass noch nicht absehbar waren, entstehen und deutlich hervortreten können.1132 Wird die Richtigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung zweifelhaft, sei auch die Verbindlichkeit der Norm berührt, weil fraglich wird, ob das Gesetz allen nunmehr relevanten Faktoren Rechnung trägt und auch heute für alle Anwendungsfälle noch eine brauchbare Lösung bereithält.1133 Da das BGB-Sachenrecht seit 1877 bzw. 1900 weitgehend unverändert besteht, würde dies bedeuten, dass die Rechtsprechung hier großzügigere Fortbildung und Anpassung betreiben darf. Grund und damit auch allgemeine Voraussetzung einer derartigen „Öffnung“ ist jedoch, dass eine intensive Abhängigkeit der Norm von sozialen Verhältnissen und gesellschaftlich-politischen Anschauungen besteht.1134 Hieran fehlt es bei den „technischen“ Regeln des Sachenrechts regelmäßig, da sie abstrakt und wertneutral sind. Dagegen kann beispielsweise1135 mit den gewandelten Verkehrsbedürfnissen erklärt werden, dass bei der Sicherungsübereignung entgegen der ursprünglichen Regelungsintention des Gesetzgebers eine Außenwirkung im Insolvenzfall bejaht wird1136. Die Grenzen dieses Ansatzes dürfen jedoch nicht übersehen werden: Selbst bei älteren Gesetzen dürfen Gerichte nicht, inspiriert von Veränderungen der soziologischen Fakten, ohne Weiteres ihren eigenen Schluss aus einem angeblichen Wandel der Werte ziehen.1137 Da primär dem Parlament die Entscheidung zukommt, ob eine Regelung trotz zeitbedingter Veränderungen aufrechterhalten werden soll oder nicht, darf eine Verwerfung vorkonstitutioneller Normen nur erfolgen, wenn der gegenwärtige Zustand mit der Verfassung unvereinbar ist; sie darf jedoch nicht bereits dann vorgenommen werden, wenn lediglich denkbar ist, dass der Gesetzgeber gewandelte Umstände zum Anlass einer Neuregelung nehmen könnte.1138

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BVerfGE 34, 269 (288 f.); 96, 375 (394); BVerfG NJW 2006, 3409 (3409); ablehnend Hillgruber, JZ 1996, 118 (121); zweifelnd Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 461 f., dem zufolge in der Praxis keine Zurückhaltung bei neueren Gesetzen feststellbar sei. 1132 BVerfGE 34, 269 (290); 82, 6 (12); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 859, 871. 1133 BVerfGE 82, 6 (12); BVerfG NJW 2006, 3409 (3409); vgl. ferner Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 690, 778 f. 1134 So auch – im Hinblick auf die Intensität – BVerfGE 34, 269 (288 f.). 1135 Bei § 906 BGB ergibt sich die Anpassungsfähigkeit bereits aus dem Umstand, dass die maßgeblichen Begriffe wertungsoffen sind. 1136 Vgl. unten Teil 3 C.IV.3.b). 1137 So zutreffend Hillgruber, JZ 1996, 118 (121); Rennert, NJW 1991, 12 (17); problematisch daher OLG Köln NJW-RR 1997, 656. 1138 Die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse allein bewirkt niemals das Obsoletwerden einer Norm bzw. das Gebotensein einer Analogie, weil stets weiter danach zu fragen ist, ob hierdurch wirklich die ratio legis entfallen ist; vgl. Diederichsen, Jura 1997, 57 (63); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 960.

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Zivilrecht

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c) Überprüfung fachgerichtlicher Urteile durch das Bundesverfassungsgericht aa) Kongruenz mit den materiellen Vorgaben Lenkt man den Blick auf die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte, lässt sich eine deutliche Parallele zu den unter b) aa) und bb) beschriebenen inhaltlichen Vorgaben feststellen: Das BVerfG prüft zum einen, ob die von der Rechtsprechung aus dem geschriebenen Recht abgeleiteten Rechtssätze mit den Grundrechten und den übrigen Verfassungsgeboten vereinbar sind:1139 Der Richter darf bei der Auslegung, Deutung und Fortentwicklung des Rechts zu keinem Ergebnis kommen, das nicht Inhalt einer Entscheidung des Gesetzgebers sein dürfte („Schumann’sche Formel“).1140 Gerichte dürfen daher keine Beschränkungen von Befugnissen des Eigentümers vornehmen, die auch der Gesetzgeber wegen Art. 14 GG nicht schaffen könnte.1141 Zum anderen untersucht das BVerfG, ob bei der Rechtsanwendung einschließlich der Rechtsfortbildung die absoluten Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, die sich aus der Bindung an das Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG ergeben, überschritten wurden.1142 Ein Gericht darf nicht einen eigenen gesetzgeberischen Willen zur Geltung bringen, weil es sich damit aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und zeigen würde, dass es sich nicht mehr Recht und Gesetz unterwerfen will.1143

1139 BVerfGE 46, 325 (332 f.); 70, 138 (168 ff.); 84, 382 (386); 90, 27 (36 ff.); BVerfG NJW 1993, 1252 (1253); ähnlich auch BVerfGE 111, 307 (328); ausführlich Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1321) m.w. N. 1140 Verwendet etwa in BVerfGE 55, 249 (258); 68, 381 (372); 81, 29 (32); 82, 6 (15 f.); weitere Nachweise und eingehende Bewertung bei Classen, AöR 122 (1997), 65 (83); J. Hager, JZ 1994, 373 (377, Fn. 47); Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1321); Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1283; Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (208). – J. Hager, JZ 1994, 373 (377); Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (208 ff.) zeigen, dass in der Praxis des BVerfG kein Zusammenhang zwischen der Kontrolldichte und der Tätigkeit der Gerichte, die sich zwischen reiner Rechtsanwendung und Rechtssetzung bewegt, zu erkennen ist, obwohl BVerfGE 73, 261 (269) einen solchen annimmt. Eine derartige Differenzierung mangels Abgrenzbarkeit ablehnend Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (505 f.) m.w. N. 1141 Nach BVerfGE 68, 361 (372); 79, 292 (303); 81, 29 (31 f.); BVerfG NJW 2000, 798 (800); NJW 1990, 825; BVerfG Beschl. v. 26.8.2002, Az. 1 BvR 142/02, AbsatzNr. 30; zustimmend Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 136. 1142 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 68; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (505); ähnlich BVerfGE 87, 273 (280). 1143 BVerfGE 34, 269 (292); 49, 304 (322); 82, 6 (12 f.); 87, 273 (280); 96, 375 (394).

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bb) Beschränkung auf „spezifisches Verfassungsrecht“ Aus beidem resultiert eine Beschränkung des Prüfungsmaßstabs auf das „spezifische Verfassungsrecht“ 1144: Die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen als solcher (also auch der Normen des BGB) durch die Fachgerichte ist vom BVerfG nicht nachprüfbar.1145 Nach der regelmäßig herangezogenen „Heck’schen Formel“ 1146 untersucht das BVerfG nur, ob das Urteil Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung (früher: Anschauung) von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Tragweite (teils: Bedeutung) für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind.1147 Eine abweichende Vorstellung davon, was richtig i. S. v. sachgemäß oder billig ist, und wie das Ergebnis einer die Generalklauseln ausfüllenden Abwägung auszufallen hat, genügt damit nicht für eine Kassation durch das BVerfG.1148 Gleiches gilt für die Wahl der Methoden, mit deren Hilfe die geschriebenen Normen ausgelegt und fortgebildet werden.1149 Ähnliche Maß1144 Statt aller Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 67; Classen, AöR 122 (1997), 65 (83) nach BVerfGE 1, 418 (420); 3, 213 (219 f.); 18, 85 (92); 43, 130 (135); 52, 131 (158); 65, 196 (211); 107, 395 (417 f.); zum Ganzen Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 1281 ff. Umfassend und mit Kritik Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1312 ff.) m.w. N.; Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (203 ff., 207), die dieses Kriterium mangels Trennschärfe nicht für ein als taugliches Abgrenzungskriterium halten. 1145 BVerfGE 3, 213 (219); 18, 85 (92); 43, 130 (135); 54, 129 (135); 66, 116 (131); 65, 196 (211); 81, 242 (253); 84, 372 (379); BVerfG NVwZ 2009, 1158 (1162). Ebenso BayVerfGHE 23, 143 (147); BayVerfGH NZM 2005, 494 (495 f.). 1146 Zu dieser Bezeichnung Rennert, NJW 1991, 12 (12, in Fn. 10). 1147 Statt der mittlerweile unüberschaubaren Zahl von Fundstellen: BVerfGE 18, 85 (93); 30, 173 (196 f.); 42, 163 (169); 43, 130 (136); 49, 304 (314); 52, 131 (157 f.); 62, 230 (244); 66, 116 (131); 67, 213 (222 f.); 77, 240 (250); 79, 292 (303); 81, 242 (253); 84, 372 (379); 89, 214 (230); 96, 375 (399); 102, 347 (362); 103, 89 (100); 106, 28 (45); BVerfG FamRZ 1987, 1047; NJW 1991, 910 (911); NJW 1994, 241 (241); NJW 1994, 2346 (2346);, NJW 1997, 249 (249); NJW 1998, 3559 (3560); NJW 2000, 798 (799 f.); NVwZ 2000, 428 (428); NJW 2001, 2960 (2961), NJW 2002, 2938 (2938 f.), NJW 2003, 125 (126); NJW 2003, 2815 (2815, 2816); NJW 2005, 1561 (1565); NJW 2006, 596 (598); NJW 2006, 1580 (1580); NJW-RR 2008, 26 (28); NVwZ 2009, 1158 (1162); NVwZ 2009, 1426 (1427 f.); NVwZ 2012, 429 (430); teils auch in verkürzter Form; sachlich ebenso BVerfGE 73, 261 (269); 75, 201 (221); BVerfG NJW 2005, 1561 (1565): ob die Wirkkraft der Grundrechte auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts zutreffend beurteilt wurde; weitere Nachweise bei Classen, AöR 122 (1997), 65 (87 f.); ausführlich zu den beiden Voraussetzungen Lincke, EuGRZ 1986, 60 (63 ff.). Ablehnend Rupp-v. Brünneck, SV in BVerfGE 30, 173 (219 ff.). 1148 So ausdrücklich BVerfGE 18, 85 (93). Eingehend zur geschichtlichen Entwicklung Lincke, EuGRZ 1986, 60 (60 ff.). – Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 123 f. vergleicht diese Maßstäbe zu Recht mit der gerichtlichen Kontrolle administrativer Ermessens- oder Planungsentscheidungen. 1149 Siehe nur BVerfGE 82, 6 (11); 96, 375 (394); BVerfG NJW 2006, 3409 (3409); BVerfG Beschl. v. 26.8.2002, Az. 1 BvR 142/02, Absatz-Nr. 24; ähnlich bereits BVerfGE 34, 269 (292); vgl. ferner Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (508); Rennert, NJW

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stäbe gelten schließlich im Hinblick darauf, ob eine falsche Normauslegung durch Gerichte einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet.1150 Diese Beschränkung der Prüfungsdichte resultiert zunächst daraus, dass der Gesetzgeber bewusst und in zulässiger Weise der Rechtsprechung die Aufgabe übertragen hat, die mehr oder minder offenen Begriffe des Gesetzes zu füllen. Die Fachgerichtsbarkeit besitzt die größere Nähe zum einfachen Recht und ist mit den Konfliktsituationen, in denen die Normen zur Anwendung gelangen, regelmäßiger befasst; dies lässt annehmen, dass sie zu den insgesamt besten und gerechtesten Lösungen gelangt.1151 Zudem gestattet der kontradiktorische Charakter des Zivilprozesses beiden Parteien, ihre Interessen effektiv vorzubringen und so auf die Auswirkungen für ihre verfassungsrechtlich geschützten Positionen hinzuweisen. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist dies – trotz der Möglichkeit, den Kläger/Beklagten des Ausgangsverfahrens gem. § 94 Abs. 3 BVerfGG beizuziehen – weniger möglich, da zwangsläufig der Blick einseitig auf die Rechte des Beschwerdeführers fokussiert wird und dadurch die schutzwürdigen Positionen des anderen leicht verdeckt werden.1152 Ein weiterer Grund, die Prüfungsdichte von Rechtssätzen zurückzunehmen, ist, dass die Fachgerichte wegen der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) und ihrer nur schlichtendvermittelnden Rolle im Zivilrechtsstreit eine größere sachliche Distanz zum jeweiligen Rechtsstreit besitzen als Verwaltungsbehörden, die ihre (eigenen) Aufgaben zu erfüllen und Belange zu wahren haben; auch insofern besteht eine geringere Gefahr einer einseitigen Ausdehnung der Staatsmacht.1153 1991, 12 (16) sowie – den Zusammenhang zwischen Methodenwahl und Gesetzesbindung aufzeigend – Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 706 ff., 812. 1150 Hierzu genügt nicht jeder Auslegungsfehler, sondern es muss sich um eine wirklich grob fehlerhafte, nicht mehr verständliche und daher willkürlich erscheinende Entscheidung handeln. Willkür liegt erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht beachtet wurde oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wurde (BVerfGE 87, 273 (279) m.w. N.; BayVerfGH NZM 2005, 494 (495) m.w. N.); der Richterspruch darf unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar sein, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfGE 52, 131 (157 f.); 87, 273 (278 f.)) Eine lediglich von der herrschenden Meinung abweichende Entscheidung genügt nicht, weil die Rechtsprechung wegen Art. 97 GG konstitutionell uneinheitlich ist (BVerfGE 78, 123 (126); 87, 273 (278); 126, 369 (395)). Vgl. dazu jeweils Classen, AöR 122 (1997), 65 (83); Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1310 und öfters); Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 (506, 508); Rennert, NJW 1991, 12 (16); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 137; Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (202 ff., 214 f.). 1151 Ebenso BVerfGE 82, 6 (13). 1152 Vgl. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (258); ders., Jura 1997, 57 (64); ferner BVerfGE 111, 307 (327) bzgl. Entscheidungen des EGMR; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (57 f.); Di Fabio, JZ 2004, 1 (7). – Wie wichtig die Einbeziehung aller Aspekte und Interessen und die Beteiligung entsprechend kundiger Personen für gerichtliche Entscheidungen, die Bedeutung über den Fall hinaus besitzen sollen, zeigt sich z. B. an der Entwicklung des animus-curiae-Briefs. Vgl. Zum Ganzen Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 377 ff.

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Die Verfassungsgerichtsbarkeit hat daher das Ergebnis, zu dem die Fachgerichte bei der Konfliktlösung gelangen, in den beschriebenen Grenzen zu akzeptieren und darf sich nicht an deren Stelle setzen.1154 6. Anwendbarkeit einzelner zivilrechtlicher Generalklauseln Nach diesen Ausführungen zur Zulässigkeit „offener“ oder „ausfüllungsbedürftiger“ Begriffe und Generalklauseln ist zu untersuchen, welche verfassungsund einfachrechtlichen Vorgaben sich für den Umgang mit den „allgemeinen“ Generalklauseln des Zivilrechts wie § 242 oder § 138 BGB ergeben. a) Merkmale „ausfüllungsfähiger“ Begriffe im Gesetzestext Eine feste Regel, wann ein im Gesetz verwendetes Tatbestandsmerkmal einen ausreichenden Auslegungs- bzw. Wertungsspielraum für eine Mediatisierung der Grundrechte bietet, lässt sich nicht aufstellen. Jede Norm ist, da sie abstrakt-genereller Natur ist und daher Sammelbegriffe verwenden muss, mehr oder weniger offen und ausfüllungsbedürftig.1155 Die „besonders“ zur Ausfüllung geeigneten Begriffe zeichnen sich oftmals dadurch aus, dass sie nicht rein deskriptiv an Tatsachen der Wirklichkeit anknüpfen, sondern bereits eine gewisse Würdigung derselben beinhalten.1156 Die Abgrenzung ist aber keineswegs exakt, sondern fließend.1157 Grundsätzlich ist damit jeder Begriff zur Mediatisierung grundrechtlich gesicherter Interessen geeignet;1158 deren Einbeziehung darf nur die Grenzen der methodisch zulässigen Rechtsanwendung nicht verlassen. 1153 Jarass, FS BVerfG, S. 42; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 132, 229 f.; bereits oben bei Fn. 985. 1154 Das BVerfG modifiziert diese Grundsätze allerdings, indem es die Auswirkungen der gerichtlichen Entscheidung für den Betroffenen zu einem Gesichtspunkt für die Prüfungsdichte macht: Die Eingriffsmöglichkeiten seien nicht starr; das BVerfG verfüge über einen gewissen Spielraum, der insbes. Ausmaß und Intensität der Beeinträchtigung für den betroffenen Grundrechtsträger sowie präventive Wirkungen auf den Grundrechtsgebrauch in künftigen Fällen berücksichtige. Bei existenzieller Bedeutung für die Grundrechtsausübung könnten sogar einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben. Vgl. BVerfGE 42, 163 (169); 54, 129 (135 f.); 75, 201 (221 f.); 75, 369 (376); 79, 51 (63); 83, 130 (145 f.) (für strafgerichtliche Verurteilungen ebenso BVerfGE 43, 130 (135 f.); 67, 213 (222 f.)); ferner – teils kritisch bis ablehnend – J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 34 (Fn. 150); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 248 ff.; Jung, JZ 2001, 1004 (1006); Lincke, EuGRZ 1986, 60 (72); Rennert, NJW 1991, 12 (13); Waldner, ZZP 98 (1985), 200 (207). 1155 Vgl. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 152. 1156 Vgl. zum Ganzen A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 96 ff.: „uneigentliche Rechtsbegriffe“; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 176 ff.; Koller, Theorie des Rechts, S. 208. 1157 Ebenso Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177 (184 f.). 1158 Vgl. Lücke, JZ 1999, 377 (383).

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b) Besondere Abwägungsklauseln in sachenrechtlichen Normen – Vorrang „besonderer“ Abwägungsklauseln Enthält eine für einen Rechtsfall konkret einschlägige Norm ausfüllungsfähige Begriffe und kommt daneben – wie regelmäßig – auch die Heranziehung einer „allgemeinen“ Generalklausel in Betracht, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die beiden „offenen“ Bestimmungen zueinander stehen. Der Vorrang des Gesetzes und der lex specialis-Satz gelten auch im Verhältnis mehrerer Normen, die jeweils wertungs- und ausfüllungsbedürftige Begriffe enthalten. Erlaubt eine unmittelbar streitentscheidende Norm, grundrechtliche Wertungen in einer bestimmten Weise in die Entscheidung einfließen zu lassen, darf ein Rückgriff auf „allgemeine“ Generalklauseln nicht mehr erfolgen.1159 Das Verhältnismäßigkeitsgebot als solches trifft keine Aussage dazu, welche Gesichtspunkte beachtlich sein sollen und welche Belange wie stark zu gewichten sind. Der gesetzgeberische Wille kann dahin gehen, dass eine unter Angemessenheitsaspekten gebotene Rechtsfolge bereits bei einem leichten Überwiegen der Interessen eines Beteiligten eingreift, oder aber, dass die Folge erst bei unerträglichen Auswirkungen eingreift. Auch die einzelnen ausfüllungsbedürftigen Normen können und müssen daher möglichst genau (d.h. bestimmt)1160 eine Aussage treffen, wo die Grenze verlaufen soll,1161 die Kriterien präzisieren, anhand derer die Abwägung zu treffen ist, und angeben, welche Interessen wie stark zu gewichten sind. Eine derartige Gewichtungsentscheidung in einer konkreten Norm – auch wenn sie selbst noch der Ausfüllung bedarf – hat dann zwangsläufig auch Vorrang vor „allgemeinen“ Generalklauseln. Deutlich zeigt sich dies bei einer Gegenüberstellung von § 228 S. 1 BGB und § 904 S. 1 BGB, in denen das Gesetz mit Rücksicht auf die Gefahrenverantwortlichkeit des Eigentümers bei der Festlegung der „Auslöseschwelle“ für den Notstand einmal den Bedrohten privilegiert, im anderen Fall die Eigentümerinteressen bevorzugt. Ähnliches gilt hinsichtlich der Festlegung, welche Kriterien entscheidungsrelevant sein sollen: Selbst aus dem an wertungsbedürftigen Begriffen reichen § 906 BGB ergibt sich aus dessen Abs. 2 S. 1, dass es dort für die Pflicht zur Vermeidung der Immission nicht darauf ankommen soll, ob der Beeinträchtigte Schutzmaßnahmen billiger herstellen könnte als der Emittent; bei einem offenen Abwägen würde dagegen dieser Gesichtspunkt wohl dazu führen, eine 1159 Vgl. Gaul, FS Baumgärtl, S. 95; Simon, AcP 204 (2004), 264 (passim, z. B. 269, 273 ff.); BGHZ 95, 144 (147): „Die Subsumtionsmöglichkeit unter eine Generalklausel schließt spezielle Regelungen der Auswirkungen von Treu und Glauben als Inhalt eines besonderen Rechtsverhältnisses nicht aus“; dies lässt allerdings offen, ob die Heranziehung der allgemeineren Bestimmung nur für unnötig und nicht – wie im Text – als falsch aufgefasst wird. 1160 Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 114, 73 (98 ff.). 1161 Siehe insoweit die Überlegungen von Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 106 ff. zur „Argumentationslast“.

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Duldungspflicht bereits unter niedrigeren Voraussetzungen anzunehmen.1162 Ferner folgt aus der Formulierung der Bestimmung, dass für das Bestehen einer Duldungspflicht nur die Ortsüblichkeit der störenden, nicht die der gestörten Nutzung relevant sein soll.1163 Der Gesetzgeber gibt somit auch bei eher offenen Begriffen im Gesetzestext mit den entsprechenden Formulierungen das Abwägungsmaterial und den Abwägungsmaßstab vor.1164 Die Rechtsprechung darf dies wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht ignorieren und unter Heranziehung einer „allgemeinen“ Abwägung anhand pauschaler Zumutbarkeitsformeln unterlaufen.1165 Die bei Normkonkurrenzen heranzuziehende Regel „lex specialis derogat legi generali“ 1166 gilt auch im Hinblick auf mehrere offene Begriffe und steht einem Rückgriff auf allgemeine Überlegungen und Generalklauseln entgegen, wenn die besondere Vorschrift nur die Berücksichtigung einzelner Gesichtspunkte zulässt und/oder die dabei anzulegende Grenzlinie spezifisch festsetzt.1167 c) Anwendbarkeit einiger allgemein geltender ausfüllungsfähiger Normen des BGB auf dingliche Ansprüche Dem Rückgriff auf „allgemeine“ Abwägungs- und Wertungsklauseln, die sich im Allgemeinen Teil des BGB (1. Buch) und im Allgemeinen Teil des Schuldrechts (2. Buch) finden, kann ferner entgegenstehen, dass sie aus zivilrechtsimmanenten (d.h. systematischen, dogmatischen) Gründen unanwendbar sind. Daher ist kurz auf die Anwendungsbereiche und – bei dieser Gelegenheit – auch auf einige Spezifika der § 138 Abs. 1, § 242 BGB oder § 275 Abs. 2 BGB, die auch im Sachenrecht häufig herangezogen werden,1168 einzugehen. aa) Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) § 138 Abs. 1 BGB ermöglicht die Überprüfung von Rechtsgeschäften am Maßstab der „Sittenwidrigkeit“. Die Bestimmung aus dem 1. Buch des BGB stellt 1162 Dazu, dass diese gesetzliche Regelung dem Vorrang des Substanzgarantie dient, unten Teil 4 B.I.2.a). – Von einem Verbot, neben den Kriterien des § 906 BGB auf § 242 BGB zurückzugreifen, geht auch OLG München NJW-RR 1991, 1492 (1494 f.) aus. 1163 Vgl. auch Pleyer, JZ 1959, 305 (305). 1164 Vgl. Gaul, FS Baumgärtl, S. 102 ff. 1165 Siehe nur Erman/Hohloch, § 242 Rdnr. 6; OLG München NJW-RR 1991, 1492 (1494 f.). 1166 Zu ihr allgemein Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 7 c. 1167 Vgl. Gaul, FS Baumgärtl, S. 90 f. (am Beispiel von § 242 gegenüber § 826 BGB), S. 102 ff.; ferner Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 233. 1168 Siehe nur BVerfGE 81, 242 (256); BVerfG NJW 2006, 596 (598), die noch § 315 BGB in der Kette anführen; Dürig, FS Nawiasky, S. 716 f.; w. Nw. bei Erichsen, Jura 1996, 527 (528 f.).

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Zivilrecht

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eine allgemeine Voraussetzung für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften auf und ist damit in systematischer Hinsicht auf sachenrechtliche Rechtsgeschäfte anwendbar.1169 Da sich § 138 BGB gegen die Vornahme missbilligter Rechtsgeschäfte richtet, sind Gegenstand der Beurteilung die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.1170 Das Verständnis, was den „guten Sitten“ i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB widerspricht, wird maßgeblich von den Grundrechten und der in ihnen ausgedrückten Werteordnung beeinflusst, da sie die Grundlage des Zusammenlebens in der Gesellschaft bilden.1171 Die regelmäßig gebrauchte Formel vom „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, mit der die „guten Sitten“ umschrieben werden,1172 ist daher nicht als Anknüpfung an die jeweiligen (empirisch zu ermittelnden) Anschauungen in der Gesellschaft, sondern – zumindest auch – normativ zu verstehen.1173 Bereits seinem Wortlaut nach ermöglicht § 138 Abs. 1 BGB allerdings sowohl generell als auch im Hinblick auf die Grundrechtsverwirklichung nur eine Grobkontrolle:1174 Da die Grundrechte zwischen Privaten nicht unmittelbar gelten, sondern jedem Bürger die Verfolgung eigener Interessen weitgehend erlaubt ist, kann einem Rechtsgeschäft erst dann die Anerkennung versagt werden, wenn es in eklatanter Weise gegen die Wertvorstellungen der Grundrechtsordnung verstößt. Die Kontrolle hat sich demgemäß am rechtsethischen Minimum zu orientieren, so dass § 138 Abs. 1 BGB nur einen Minimalschutz gewährleisten kann.1175 Dies entkräftet zugleich Bedenken, die in § 138 Abs. 1 BGB angeord1169 Die Regeln des Allgemeinen Teils des BGB (1. Buch) sind im Sachenrecht stets anwendbar; für Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts gilt dies, soweit nicht sachenrechtliche Sonderbestimmungen eingreifen oder ihre Anwendung gegen sachenrechtliche Grundsätze verstoßen würde. Siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnr. 31 m.w. N. 1170 Vgl. BGHZ 158, 81 (100). 1171 BGHZ 70, 313 (324); 140, 118 (128, 132); BGH NJW 1986, 2944 (2944) m.w. N.; vgl. auch BVerfG FamRZ 1987, 1047; NJW 2004, 2008 (2009); BVerfG Beschl. v. 21.7.1992, Az. 1 BvR 1282/88. – Die guten Sitten können allerdings über das von den Grundrechten Gebotene hinausgehen, zutreffend Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 370 f. 1172 Mot. II, 727; RGZ 48, 114 (1124) (jeweils zu § 826); RGZ 80, 219 (221); BGHZ 10, 228 (232); 69, 295 (297); 141, 357 (361); BGH NJW 1985, 1833 (1834); ferner BVerwG NVwZ 1997, 577 (577); BayVGH BayVBl. 2001, 724 (725). 1173 So bewirkt nach BayObLGZ 1996, 204 (225) § 138 Abs. 1 BGB nur dann die Nichtigkeit, wenn sich das Sittenwidrigkeitsverdikt auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder eine allgemeine Rechtsauffassung stützen kann. Inhaltlich ähnlich BGHZ 140, 118 (129): § 138 Abs. 1 BGB berechtige den Richter nicht dazu, Rechtsgeschäfte an seinen Wertmaßstäben zu messen. – Vgl. ferner BVerwG NJW 1996, 1423 (1424, 1425). 1174 Vgl. allgemein Canaris, AcP 184 (1984), 201 (232, 236); J. Hager, JZ 1994, 373 (379); Röthel, NJW 2001, 1334 (1334), jeweils m.w. N. 1175 BGHZ 158, 81 (100, 105 f.).

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nete Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts könne in ihrem Umfang zu weit gehen und dadurch selbst das Übermaßverbot verletzen:1176 Wird der Anwendungsbereich auf Extremfälle reduziert, ist die Folge der Totalnichtigkeit durchaus sachgerecht. Abgesehen davon wäre eine Einschränkung dieser Rechtsfolge im Sachenrecht kaum praktikabel, da dingliche Rechte immer nur entweder vollständig oder gar nicht übergehen können. Bei weniger restriktiven Rechtsfolgen bestünde umgekehrt eine größere Bereitschaft, unter Berufung auf die Verfassung (vor)schnell Billigkeitsmaßstäbe anzuwenden. Dies würde sich im Ergebnis einer unmittelbaren Drittwirkung annähern und zu nachteiligen Konsequenzen für die Rechtssicherheit führen.1177 bb) Restitutorischer Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) Soweit § 138 BGB tatbestandlich unanwendbar ist, weil kein rechtsgeschäftliches Handeln vorliegt, wird die Grobkontrolle von § 826 BGB übernommen, dessen Maßstab mit dem des § 138 Abs. 1 BGB inhaltlich identisch ist.1178 Bedeutung erlangt § 826 BGB insbesondere in Fällen, in denen „von außen“ auf eine Rechtsbeziehung zwischen zwei Personen eingewirkt wird, die nicht absoluten Schutz genießt. Hier darf nur ein grober Maßstab angelegt werden, weil der Gesetzgeber bewusst entschieden hat, dass im Normalfall keine allgemeine Rücksichtnahmepflicht auf relative Beziehungen zwischen anderen bestehen soll.1179 Räumt der Gesetzgeber einer bestimmten Rechtsposition keinen umfassenden Schutz gegen Dritte ein, darf dies nicht durch extensive Anwendung von § 826 BGB unterlaufen werden.1180 Einschränkungen des Handlungsfreiraums anderer können daher über § 826 BGB praktisch nur erfolgen, wenn schützenswerte Interessen des Handelnden entweder gar nicht vorhanden sind oder in Relation zu den Folgen für den Betroffenen evident nicht schutzwürdig erscheinen. Zutreffend wird daher als Obersatz bei der Prüfung des § 826 BGB u. a. darauf

1176 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (232 ff., 237); ders., JuS 1989, 161 (164 f.), mit zahlreichen Beispielen dazu, dass und wie ein differenziertes Instrumentarium (das z. B. als mildere Lösung zunächst analog § 888 Abs. 3 ZPO die Unvollstreckbarkeit einzelner Pflichten vorsieht) ein weniger restriktives Vorgehen ermögliche; zustimmend Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1228 f.). 1177 Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 66 f.; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (61 f.). 1178 So findet sich auch hier die Formel vom „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, siehe nur RGZ 48, 114 (124); BGHZ 17, 327 (332); 129, 136 (172); Jauernig/Teichmann, § 826 Rdnr. 3. 1179 Dem trägt auch das Erfordernis Rechnung, dass der Vorsatz sich sowohl auf die Umstände, die die Sittenwidrigkeit begründen, als auch den Schaden selbst erstrecken muss, siehe nur Jauernig/Teichmann, § 826 Rdnrn. 4, 9; RGZ 57, 239 (241). 1180 Vgl. Willoweit, NJW 1975, 1190 (1192 f.); unten Teil 4 B.V.

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abgestellt, ob der angerichtete Schaden außer Verhältnis zu dem erstrebten Nutzen für den Handelnden steht, also Unverhältnismäßigkeit des angewandten Mittels zum Zweck des Handelns vorliegt.1181 cc) Treu und Glauben (§ 242 BGB) Auf Ansprüche, die ihre Wurzeln in sachenrechtlichen Rechten und Rechtsverhältnissen haben, kann ferner § 242 BGB Anwendung finden, sofern nicht im Einzelfall der Charakter des betreffenden Anspruchs entgegensteht.1182 Bedeutung und Brisanz kommt § 242 BGB deshalb zu, weil der Maßstab dieser Bestimmung deutlich über das Niveau der erkennbaren groben Unangemessenheit, die bei der Sittenwidrigkeitskontrolle stattfindet, hinausgeht und vielmehr eine Angemessenheitskontrolle erlaubt.1183 § 242 BGB ermöglicht damit eine Feinabstimmung der privaten Interessen bei Konflikten innerhalb bestehender Sonderbeziehungen, in die wiederum auch die Grundrechte der Beteiligten einfließen können.1184 Bei dinglichen Ansprüchen kann dies zu schwerwiegenden Auswirkungen führen.1185 Ein weiterer Unterschied zu § 138 Abs. 1 BGB besteht darin, dass § 242 BGB auf den Zeitpunkt der Geltendmachung eines Anspruchs abstellt und so eine Ausübungskontrolle ermöglicht. Gegenstand der Überprüfung ist damit, ob sich eine Vertragspartei auf eine – an sich wirksame – Vereinbarung auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Verhältnisse berufen kann.1186 1181

BGHZ 129, 136 (172). Vgl. BGHZ 58, 149 (157), nach dem das gesamte Sachenrecht unter der Herrschaft von Treu und Glauben steht, sich die Anwendung dieses Grundsatzes aber auf Ausnahmefälle beschränke; ähnlich BGH NJW 1995, 2633 (2634 f.); NJW 2000, 1719 (1720); ohne solche Einschränkung nun BGHZ 181, 233 (238 f.). – Auf die Heranziehung des § 242 BGB im Sachenrecht kann hier nicht allgemein, sondern nur anhand der einzelnen Konstellationen eingegangen werden: Zur Anwendung der Grundsätze des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ (jetzt § 313 a n. F.) und der Anpassung von Dienstbarkeiten unten Teil 4 D.I., zu „Verwirkung“ und „Rechtsmissbrauch“ gegenüber Ansprüchen aus §§ 985, 894 BGB unten Teil 4 A.I.2.; zu den „Parabolantennen“ unten Teil 4 B.IV.3. 1183 Eingehend zu den unterschiedlichen Maßstäben Schapp, ZBB 1999, 30 (37 ff.); Gaul, FS Baumgärtl, S. 90 f. 1184 Vgl. BVerfGE 90, 27 (33); BVerfG NJW 1994, 2143 (2143) (teils kritisch Kempen, DZWir 1994, 499 (501 ff.)); Gaul, FS Baumgärtl, S. 90 f.; A. Blomeyer, JZ 1954, 309 (310) zu Art. 4 Abs. 1 GG; praktiziert von BAG NJW 2003, 1685 (1687) (zu § 315 BGB S. 1686). 1185 Vgl. oben C.I.4.b)bb)(3) und unten Teil 4 A.I.1. 1186 Vgl. deutlich zu dieser Unterscheidung BGHZ 158, 81 (100 f.); J. Mayer, FPR 2004, 363 (367). – Allerdings dürfte der Bereich, in dem im Sachenrecht eine bloße Ausübungskontrolle erfolgen kann, recht schmal sein, weil sich die einzelnen Ansprüche und das Recht „Eigentum“ als solches oft nicht trennen lassen; vgl. oben C.I.4. b)bb)(3)(b) und unten Teil 4 A.I.1. 1182

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dd) Unzumutbarkeit der Anspruchserfüllung (§ 275 Abs. 2 BGB) Der mit dem SchuMoG eingeführte § 275 Abs. 2 BGB gibt den bereits früher anerkannten und u. a. aus § 251 Abs. 2 BGB abgeleiteten allgemeinen Rechtsgedanken wieder,1187 dass die Pflicht zur Erfüllung eines Anspruchs unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit begrenzt ist, wenn ein Missverhältnis zwischen dem Aufwand für den Schuldner und dem Vorteil für den Gläubiger besteht.1188 Die Bestimmung gilt nach dem Verständnis des Gesetzgebers uneingeschränkt für alle Ansprüche, somit auch für Leistungsansprüche sachenrechtlicher Art;1189 dies wirft allerdings erhebliche Bedenken auf, soweit es um die dinglichen Ansprüche i. e. S. geht.1190 Bei der Abwägung der für und gegen die Erfüllung sprechenden Aspekte kommt nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB dem Vertreten-Müssen des Schuldners eine besonders wichtige Bedeutung zu. Da der Tatbestand ein „grobes Missverhältnis“ verlangt, kann die Bestimmung wiederum nur in Ausnahmefällen zu einer Befreiung von der Leistungspflicht führen.1191 ee) Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis Der beschriebene Vorrang von (bestimmten oder offen formulierten) Spezialregeln ist dafür maßgeblich, in welchen Fällen auf richterrechtlich geschaffene Rechtsinstitute wie das „nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis“ zurückgegriffen werden darf.1192 Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis werden vor allem Rücksichtnahmepflichten hergeleitet, etwa zur Duldung von Einwirkungen, für die sich in den §§ 905 ff. BGB und im Landesnachbarrecht keine besonderen Regelungen finden.1193 Darüber hinaus werden mit ihm Entschädigungs-1194 und Verzichtsansprüche1195 begründet. 1187 Vgl. BGHZ 62, 388 (391); BGH NJW 2005, 3284 (3284); NJW 1996, 3269 (3269 f.); NJW 1988, 699 (700); NJW 1976, 235, 235 (236); NJW-RR 1991, 204 (205), die § 633 Abs. 2 S. 2 a. F. und § 251 Abs. 2 S. 1 BGB heranzogen. 1188 Vgl. BGH NJW 2008, 3122 (3123); NJW 2008, 3123 (3124); NJW 2010, 2341 (2341); OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1024 (1025). 1189 BGH NJW 2008, 3122 (3123); NJW 2008, 3123 (3125); vgl. ferner BT-Drs. 14/ 6040, S. 130: „allgemeiner Rechtsgedanke“. 1190 Vgl. zur Anwendbarkeit auf § 1004 BGB und § 912 BGB unten Teil 4 B.I.1. a)dd)(3)(b) bzw. B.II.2.d). 1191 Ebenso BGH NJW 2008, 3123 (3125). 1192 Vgl. zur Problematik der Zulässigkeit eines derartigen Rückgriffs etwa BGH NJOZ 2005, 3210 (3212); LG Memmingen NJW-RR 1987, 530 (530 f.) gegen LG Ellwangen NJW 1985, 2339 (2339); Münch, Anm. LM BGB § 906 Nr. 105. – Der heute anerkannte (vgl. Fn. 1193) Charakter des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“ als eigenständiges Rechtsinstitut neben den gesetzlichen Vorschriften wurde in RGZ 132, 51 (56 f.) noch entschieden abgelehnt. 1193 Der BGH sieht in ihm „hauptsächlich eine Schranke der Rechtsausübung“: BGHZ 28, 110 (114); 28, 225 (232); 58, 149 (157); 68, 350 (353 f.); 88, 344 (351);

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Die Antwort darauf, ob der Rückgriff auf das „nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis“ zulässig ist, wird oftmals dadurch erschwert, dass im konkreten Fall nicht ohne Weiteres festzustellen ist, ob das Nachbarrecht des Bundes oder der Länder eine auf den Konflikt anwendbare Bestimmung enthält.1196 Aus Gründen der Dogmatik und Methodik ist eine möglichst enge Orientierung an vorhandenen Bestimmungen – somit auch eine Analogiebildung zu diesen – anzustreben, da auf diese Weise der gesetzgeberische Wille und das zivilrechtliche System am ehesten fortgeführt werden kann.1197 7. Ergebnis zu I. Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung der Normen des Zivilrechts regelmäßig gezwungen, die volle Nutzungsfreiheit des Eigentümers einzuschränken oder sogar die Rechtszuordnung aufzuheben, um privaten Interessen anderer Personen zur Entfaltung zu verhelfen. Solange der Gesetzgeber die konkurrierenden Individual- und Allgemeinwohlinteressen in noch angemessener Weise gewichtet, sind zivilrechtliche Regelungen nicht wegen eines Verstoßes gegen den Vorrang der Nutzungsgarantie verfassungswidrig.1198 Der Gesetzgeber darf dabei im In113, 384 (389); 148, 261 (267 f.); BGH LM BGB § 906 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 11; JZ 1969, 635 (636); NJW 1995, 2633 (2634); NJW 2003, 1392 (1392); BGH NZM 2003, 727 (728); NJOZ 2005, 3210 (3212); MDR 2008, 560 (561); NJW-RR 208, 610 (611); NJW 2010, 1808 (1808); NZV 2011, 604 (605); NJW 2011, 3294 (3294); zuvor RGZ 154, 161 (165 ff.); 159, 129 (139); 162, 209 (216); 167, 14 (24); vgl. ferner Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 65 m.w. N. – Nach h. M. stellt es allerdings keine so starke und verfestigte Pflichtenverbindung dar, dass eine Zurechnung fremden Verhaltens nach § 278 BGB möglich ist, vgl. BGH NJW 2006, 992 (993); ferner Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 66. 1194 BGHZ 58, 149 (157); 68, 350 (354), sowie die gesamte Lehre zum „faktischen Duldungszwang“, unten Teil 4 B.I.2.c). 1195 RGZ 169, 180 (182 f., 185). 1196 Vgl. die Fallgestaltung in BGH NJW 2003, 1392 f.: Die Frage, ob die Durchleitung eines Abwasserrohres zu dulden ist, das der Erschließung anderer Grundstücke dient, die vor der Parzellierung mit dem betroffenen Flurstück eine Einheit bildeten, mag man sowohl mit dem „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“ als auch im Wege der analogen Anwendung des § 917 BGB lösen können. 1197 Vgl. (wenn auch mit teils unterschiedlicher Tendenz) Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 321 ff., 649 ff.; Hassemer, ZRP 2007, 213 (217 f.). – Dem trägt der BGH Rechnung, indem er betont, dass aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis im Allgemeinen keine selbstständigen Ansprüche erwachsen, BGHZ 42, 374 (377), und eine besondere Ausnahmesituation verlangt, wenn sich bereits gesetzliche Regelungen finden, vgl. BGHZ 157, 33 (38); BGH NJOZ 2005, 3210 (3212); NJW-RR 2006, 1160 (1161); OLG Brandenburg DtZ 1996, 389 (390 f.); Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 409; ausführlich Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 94 ff. 1198 Neben allen bisher Genannten F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 39; Laufke, FS Lehmann, S. 170 f.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 30 f.; ferner BVerfGE 14, 263 (285).

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teresse der Praktikabilität generalisierend und typisierend vorgehen; einer Kontrolle jeder Fallkonstellation auf ihre Billigkeit bedarf es dann regelmäßig nicht. Die gleichen Vorgaben und Maßstäbe gelten für die Rechtsprechung, soweit ihr die Herausbildung abstrakter Rechtssätze in zulässiger Weise übertragen ist, sowie für die Ausfüllung von Generalklauseln. Das BGB hält Bestimmungen bereit, die eine Überprüfung von Rechts- oder Tathandlungen auf ihre Konformität mit anerkannten Wertmaßstäben und eine Interessenabwägung ermöglichen. Sie unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf den Kontrollmaßstab und den Zeitpunkt für die Interessenbeurteilung. Der Einsatz dieser Bestimmungen steht jeweils unter dem Vorbehalt, dass der Gesetzgeber keine Interessenvorabwägung und -vorbewertung getroffen hat.

II. Entschädigungsgebot 1. Inhalt und Wirkung: Trennung von Rechtsverlust und Vermögensfolgen Muss die Rechtsmacht eines Eigentümers eingeschränkt werden, um die Nutzungs- oder Erwerbsinteressen anderer zu verwirklichen, rechtfertigen diese Interessen (ebenso wie eventuelle verstärkend wirkenden Belange der Allgemeinheit) zunächst nur den Rechts- oder Befugnisverlust als solchen. Nachteile für den Eigentümer ergeben sich aber nicht nur aus diesem Befugnis-/Rechtsverlust selbst, sondern auch aus den Auswirkungen auf sein Vermögen, die damit regelmäßig einhergehen: Der Unterlassungsanspruch des anderen kann z. B. gewinnbringende Tätigkeiten unmöglich machen, so dass die Einkünfte des Eigentümers gemindert und ein Erwerber nur einen geringeren Preis zu zahlen bereit ist. Der Umstand, dass die Interessen des anderen als höherwertiger anzusehen waren als das Nutzungs-/Zuordnungsinteresse des Eigentümers, bedeutet nicht notwendig, dass auch sein wirtschaftliches Interesse zurücktreten muss. Deshalb ist in einer zweiten Abwägung zu entscheiden, ob er für den Eingriff finanziell zu entschädigen ist,1199 damit seinen Interessen wenigstens insoweit entsprochen werden kann. Diese Prüfung der Ausgleichsbedürftigkeit ist unter den Aspekten der Praktischen Konkordanz (3. Stufe) und der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa)1200 geboten; verfassungsrechtlich folgt sie aus dem Gleichheitssatz 1199 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, passim, z. B. S. 261; Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1420). 1200 Bei der iustitia commutativa siedeln das Entschädigungsgebot an Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (129); Spyridakis, FG Sontis, S. 241 f., 245 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 II a. E. Demgegenüber ordnen sie (jeweils explizit für die Gefährdungshaftung) Kötz, FS Steindorff, S. 660 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 c m.w. N.; Dietz, Technische Risiken, S. 43 f. der austeilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva) zu. Versteht man die Entschädigung als Kompensation für den Vorteil, dass dem einen die Handlungs-/Entfaltungsfreiheit trotz der Schädlichkeit/Gefährlichkeit

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und dem Verhältnismäßigkeitsgebot.1201 Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung darf daher nicht den Aspekt des Wertverlustes vernachlässigen; vielmehr ist vom Gesetzgeber gesondert zu prüfen, ob zur Erreichung des Regelungszwecks (auch) die mit der Befugnisübertragung einhergehende Verschiebung von Vermögensvorteilen erforderlich ist.1202 In der zivilrechtlichen Terminologie entsprechen diese Überlegungen dem (insbesondere zu § 951 i.V. m. §§ 946 ff. BGB) bekannten Satz,1203 dass mit der Zuordnung eines Rechts auf der dinglichen Ebene noch nicht darüber entschieden ist, ob dem Erwerber der damit bewirkte Vermögensvorteil auch materiellrechtlich gebührt oder Ausgleichsansprüche bestehen.1204 2. Determinationsfaktoren für eine Ausgleichspflicht a) „Dichte“ des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs Nach den Ausführungen zur Wertungsprärogative der Legislative erweist sich der Prüfungsmaßstab dafür, ob die Entscheidung des Gesetzgebers für oder gegen des Verhaltens für den anderen gewährt wird, und zieht man die Parallele zum Zwangskauf, liegt die Einordnung bei der iustitia commutativa näher. – Allgemein zur Unterscheidung und ursprünglichen Bedeutung beider Begriffe Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch 5. 5., 7. 3. (c).; Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 61a. 1 c.; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 98 ff. (S. 102 ff. um eine iustitia protectiva ergänzend); A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 157 ff.; Koller, FS Tammelo, S. 99; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 31, 123; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 352 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 16. R. Dreier, JuS 1996, 580 (581) differenziert innerhalb der iustitia commutativa noch weiter zwischen der iustitia vindicativa (Strafgerechtigkeit) und der iustitia restitutiva (wiederherstellende Gerechtigkeit); ähnlich Koller, Theorie des Rechts, S. 299 ff. (restributive bzw. restitutive Gerechtigkeit). 1201 Vgl. Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2541 ff.); dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 249 ff.; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 263; zumindest für das Zivilrecht zustimmend J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 85 f.; oben B.II.3.a)dd)(7)(d)(cc). 1202 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 85; vgl. auch unten 4.c). 1203 Anders Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 385, der jeden Zusammenhang zwischen ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen und zivilrechtlichen Ausgleichspflichten nach Bereicherungsrecht ablehnt, weil sich Ausgleichspflichten bei inhalts- und Schrankenbestimmungen nur gegen Hoheitsträger richten könnten. 1204 Vgl. MünchKomm/Füller, § 951 Rdnr. 1; Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 1; Soergel/Henssler, § 951 Rdnr. 1; jurisPK/Vieweg, § 951 Rdnr. 1; BGHZ 55, 176 (178). – Die Frage, ob die rechts-/befugniszuordnende Regelung nur formal die dingliche Ebene betrifft oder auch einen Rechts-/Behaltensgrund für die Vermögensverschiebung bilden soll, stellt sich grundsätzlich bei jedem Rechtsverluststatbestand und jedem Ausschluss einzelner Befugnisse in Bestimmungen des Sachenrechts, vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 29. Die Frage tritt in den Fällen, in denen der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung getroffen hat (wie in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB), bei der Rechtsanwendung lediglich nicht so klar zutage; anders z. B. bei der Ersitzung, für die eine vergleichbare Regelung fehlt.

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eine Entschädigung den Anforderungen aus Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsgebot genügt, im Ausgangspunkt als wenig streng: Ebenso wie die Einschätzung und Entscheidung darüber, ob ein Befugnisverlust noch angemessen ist, obliegt primär dem Gesetzgeber die Wertung, welche Beeinträchtigungen der einzelne unter dem Aspekt der Zumutbarkeit und des Übermaßverbotes noch entschädigungslos hinnehmen soll.1205 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entfaltet im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls nur relativ schwache Vorgaben. Der Gleichheitssatz beinhaltet zwar auch die Leitvorstellung der Sachgerechtigkeit,1206 doch soll Art. 3 GG – wie gerade Abs. 3 GG zeigt1207 – primär eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Personen verhindern.1208 Diese eigentliche Schutzrichtung des Gleichheitssatzes ist nicht tangiert, wenn zwei ähnlich gelagerte Fälle im Bezug auf eine Entschädigungspflicht verschieden behandelt werden: Solche Differenzierungen knüpfen weder an personenbezogene Merkmale an noch führen sie mittelbar zu einer Ungleichbehandlung von Minderheiten noch lassen sie eine besonders schwerwiegende Auswirkungen auf die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten befürchten. Vielmehr kann der Normadressat die Verwirklichung eines Tatbestands durch sein Verhalten beeinflussen. Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab für die Entscheidung über der Ausgleichspflicht ist daher sehr grob und auf eine Willkürkontrolle beschränkt.1209 Ohnehin ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente eines Sachverhalts (d.h. Eigenschaften von Personen, Gegenständen oder Vorgängen) er als maßgeblich für Differenzierungen in seinen Regelungen ansieht.1210 Die Frage nach den vernünftigen

1205 Vgl. Pietzcker, JuS 1991, 369 (372); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 70 f. 1206 Vgl. Rennert, NJW 1991, 12 (12); Kischel, AöR 124 (1999), 174 (178); ferner oben bei Fn. 1030. 1207 BVerfGE 88, 87 (96 f.); 97, 169 (180 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 119. Siehe auch Koller, FS Tammelo, S. 111, der aufzeigt, dass die Nicht-Differenzierung nach diesen Kriterien eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung sozialer Gerechtigkeit darstellt. 1208 BVerfGE 55, 72 (88 f.); 90, 46 (56); 91, 389 (401); BVerfG NJW 2004, 846 (847); NVwZ 2004, 597 (602); Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 72 f.; Hömig/Bergmann, Art. 3 Rdnr. 2; Di Fabio, JZ 2004, 1 (6): nur Garantie gleicher „Startbedingungen“; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 353; Darstellung bei Sachs/Osterloh, Art. 3 Rdnrn. 25 ff. 1209 Vgl. zum Ganzen BVerfGE 55, 72 (88 f.); 82, 126 (146); 84, 348 (359); 88, 87 (96 f.); 90, 46 (56); 91, 389 (401); 99, 341 (355 f.); 115, 51 (61 f.); BVerfG ZfB 138 (1997), 283 (288); BVerfG DÖV 2007, 251 (254); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 115 f.; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (190); Kirchhof, FS Lerche, S. 134 ff.; Hömig/Bergmann, Art. 3 Rdnr. 5; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 475. 1210 BVerfGE 4, 219 (243 f.); 35, 263 (272); 55, 72 (89); 84, 348 (359) m.w. N.; BVerfG NJW 2004, 846 (847); auch BVerfGE 92, 277 (318); BayVerfGH BayVBl.

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Gründen für eine Gleich- bzw. Ungleichbehandlung ist einer gesetzlichen Regelung insoweit vorgelagert und kann nur wertend beantwortet werden;1211 dabei unterliegt der Gesetzgeber zwar, aber auch nur dem Gebot, eine am Gerechtigkeitsmaßstab orientierte Differenzierung zu schaffen.1212 Art. 3 Abs. 1 GG ist mithin nur dann verletzt, wenn sich kein sich aus der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die getroffene Differenzierung im Gesetz (oder ggf. in einem richterrechtlichen Rechtssatz) finden lässt,1213 die Unsachlichkeit einer Regelung also evident ist.1214 Nimmt man hinzu, dass der Gesetzgeber bei der Setzung zivilrechtlicher Normen wegen der Kollisionssituation allgemein eine größere Gestaltungsfreiheit besitzt als bei Normen im Staat-Bürger-Verhältnis (oben I. 3., 4.), liegt der Schluss nahe, dass ihm auch ein weiter Spielraum dabei zukommt, ob er Entschädigungsregeln für Befugnisreduzierungen und Rechtsverluste unter Privaten schafft oder nicht. Eine spezifische Untersuchung einzelner Interessenkonstellationen zeigt jedoch, dass in zahlreichen Fällen eine Entscheidung zugunsten einer Ausgleichspflicht vorgezeichnet ist. Um sich diesen Fallgruppen im Bereich des Zivilrechts zu nähern, erscheint sinnvoll, zunächst allgemein herauszuarbeiten, welche Kriterien für das Bestehen einer Ausgleichspflicht als maßgeblich anzusehen sind. b) Kriterien für das Bestehen einer Entschädigungspflicht in Literatur und Rechtsprechung Eine Befugnisentziehung wird oftmals dann für ausgleichsbedürftig/-pflichtig gehalten, wenn dem Eigentümer aus besonderen Gründen eine Duldungspflicht für ein Verhalten des anderen auferlegt wird, das er nach den allgemeinen bür2009, 760 (762); ausführlich Kischel, AöR 124 (1999), 174 (182 ff.); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 355, 362; bereits bei Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch 7. 3. (b). 1211 Vgl. R. Dreier, JuS 1996, 580 (583); bereits Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 31 f., 50; ferner Di Fabio, JZ 2004, 1 (5, Fn. 28); Kirchhof, FS Lerche, S. 140 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 896; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 191 ff., 211 ff.; sowie Kischel, AöR 124 (1999), 174 (184 ff.), der darauf hinweist, dass dies kein Spezifikum des Gleichheitssatzes, sondern allgemeine Folge der „Vorhand“ des Gesetzgebers (vgl. bei Fn. 940) ist. 1212 Vgl. Koller, FS Tammelo, S. 102; BFH, DStR 2006, 1686 (1689). 1213 BVerfGE 1, 14 (52); 4, 144 (156); 55, 72 (90); 83, 1 (23); 89, 132 (141). – Bei der „strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung“ wird dagegen untersucht, ob für die Differenzierung Gründe von solcher Art und Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 82, 126 (146) m.w. N.; 88, 87 (97)). Zu diesem Zusammenhang von Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeit Gentz, NJW 1968, 1600 (1602) m.w. N.; Kirchhof, FS Lerche, S. 134 f., 139 ff.; Kischel, JZ 2003, 604 (612 f.); ders., AöR 124 (1999), 174 (188 ff.); Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (214 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 120; Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (44 ff.); Sachs/Osterloh, Art. 3 Rdnrn. 18, 34 u. ö. 1214 BVerfGE 55, 72 (90); 88, 87 (97); 90, 46 (56).

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gerlichrechtlichen Normen verbieten könnte.1215 Soweit eine solche „Sondernorm“ den Abwehranspruch ausschließe, trete ein Entschädigungsanspruch an seine Stelle.1216 Dieser Rechtsgedanke sei unter anderem in den §§ 74, 75 EinlPrALR, § 904 S. 2 BGB, § 29 BJagdG, § 26 GewO a. F. und § 906 Abs. 2 S. 2 BGB enthalten.1217 Ausgehend von der hier vertretenen Konzeption eines zunächst als unbeschränkt gedachten Eigentumsbegriffs scheitern solche Ansätze noch nicht daran, dass Kriterien dafür fehlen würden, ab wann eine entsprechende Befugnis grundsätzlich dem Eigentümer zugeordnet ist oder nicht.1218 Die Schwäche der genannten Formeln liegt vielmehr darin, dass nach ihnen ein Ausgleich nahezu stets zu leisten wäre. In Kollisionssituationen, wie sie auch den zivilrechtlichen Aufopferungsansprüchen zugrunde liegen, muss der Staat zur Konfliktlösung notwendigerweise eines der beiden Vollrechte einschränken. Bei derartigen Grundrechtseingriffen ist die Entschädigung nicht der Regelfall sondern die (begründungspflichtige) Ausnahme.1219 Daher können Beschränkungen eines Vollrechts nicht alleine wegen dieses Merkmals ausgleichspflichtig sein.1220 Eine Entschädigungspflicht kann vielmehr nur mit einer besonderen Interessenkonstellation oder einer besonderen Belastungsintensität begründet werden. Ebenso wenig kann der Charakter als „Sondernorm“ als trennscharfes Kriterium herangezogen werden.1221 Dieses Merkmal rein formell vom Standort der

1215 BGHZ 16, 366 (369 f.); 48, 98 (101); 60, 119 (123); 63, 234 (236 f.); 113, 384 (391); RGZ 139, 29 (33); BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 220; Larenz, VersR 1963, 593 (601); Maunz/Dürig/Papier, Rdnr. 351; Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (474); H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 1; Spyridakis, FG Sontis, S. 243. Inhaltlich ebenso das Regel-Ausnahme-Prinzip bei Liver, S. 753, 757 f., der auf den „normalen“ Eigentumsinhalt abstellt. 1216 BGHZ 16, 366 (370); 44, 157 (165); 59, 149 (158); 122, 283 (284); 185, 371 (375); ähnlich RGZ 50, 225 (229); 139, 29 (33); 154, 161 (162); Lemke, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch, S. 47. 1217 Vgl. BGHZ 16, 266 (367, 370) m.w. N.; 111, 158 (162); 122, 283 (284); 184, 334 (337 f.); RGZ 58, 130 (134); 154, 161 (162, 166); 159, 129 (135 f.); F. Schack, BB 1965, 341 (342); Hagen, FS Lange, S. 486. Eingehend unten Teil 4 B.I.2.c). 1218 So jedoch – vom offenen Eigentumsbegriff ausgehend und insofern konsequent – die Kritik von Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 24 f. 1219 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 332 f.; oben B.II.3.a)dd)(7)(d)(bb). Ähnlich der bei v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (400) beschriebene Volkswirtschaftsvorbehalt, dem zufolge die allgemeine Folgen von staatlicher Steuerung am Markt kein Sonderopfer bedeuteten und daher nicht ausgleichspflichtig sind; i. E. ebenso Engel, AöR 118 (1993), 169 (205); BVerfG NJW 2004, 846 (846 f.). 1220 Hubmann, JZ 1958, 489 (491); H. Roth, Anm. LM BGB § 906 Nr. 101; vgl. ferner Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 192 ff. – Wenn Spyridakis, FG Sontis, S. 247 meint, jede rechtmäßige Aufopferung sei auszugleichen, so umgeht dies die entscheidende Frage, wann eine Aufopferungssituation – ein Entzug des Abwehranspruchs aus besonderen Gründen (S. 243) – vorliegt.

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Norm – im BGB oder einem anderes Gesetz – abhängig zu machen, scheidet offenkundig aus.1222 Die weiter denkbaren Möglichkeiten, die Ausnahmequalität anhand der Zahl der Ausnahmeregeln im Gesetz oder anhand der tatsächlichen Häufigkeit der Anwendungsfälle zu bestimmen, befriedigen ebenso wenig: Die Last, bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen der (Sonder-)Norm ein fremdes Verhalten dulden zu müssen, ruht auf sämtlichen Gegenständen1223 und beeinträchtigt unabhängig von der Häufigkeit ihrer Verwirklichung permanent jeden Eigentümer.1224 Daher kann nicht auf die Außergewöhnlichkeit ihrer tatsächlichen Aktualisierung abgestellt werden. Die genannten Abgrenzungsversuche erinnern im Übrigen stark an die Einzelakts- und Sonderopfertheorien, die gerade wegen ihrer mangelnden Abgrenzungskraft verworfen wurden.1225 Schließlich hilft auch ein Rückgriff auf die Maßstäbe, die für die „ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung“ im öffentlichen Recht herangezogenen werden, nur bedingt weiter. BGH und BVerwG ziehen dort weiterhin im Wesentlichen die „alten“ (d.h. zum „weiten Enteignungsbegriff“ entwickelten) Maßstäbe und Grundsätze heran.1226 Maßgeblich sind Schwere und Intensität des Befugnisverlusts und der Folgen.1227 Greifbare Folgerungen für konkrete Situationen können aus diesen Formulierungen jedoch nicht gezogen werden. Zumindest lassen sich die anerkannten Fallgruppen, dass bei der Vereitelung von „bereits verwirklichten“ oder „sich objektiv anbietenden Nutzungen“ regelmäßig Entschädigung zu leisten ist,1228 nicht unmittelbar fruchtbar machen. 1221 Vgl. RGZ 158, 34 (36), das dem § 1 LuftVG diesen Charakter ohne weitere Ausführungen abspricht, während vor Inkrafttreten dieser Norm RGZ 100, 69 (74 f.) zu dem Ergebnis kam, der Eigentümer sei aus besonderen Gründen gehindert, den an sich gemäß § 1004 Abs. 2 i.V. m. § 905 S. 1 BGB zu duldenden Überflug zu verbieten. 1222 Ebenso Hubmann, JZ 1958, 489 (491). 1223 So wie z. B. auch die allgemeine Polizeipflicht auf allen Sachen ruht, sich aber nur gelegentlich aktualisiert, vgl. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 235 f. 1224 Abweichend der Ansatz von Liver, passim, insbes. S. 752, 757 f.; Säcker/ Paschke, NJW 1981, 1009 (1011), die annehmen, dass wegen eines Notwegfalls unter 1000 Grundtücken die übrigen 998 nicht mit der abstrakten Notwegepflicht belastet werden müssten. 1225 Ebenso Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 18 ff.; Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (474). 1226 Siehe nur Osterloh, JuS 1994, 532 (532); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (515). 1227 BGHZ 99, 24 (31 f.); 126, 379 (383); 133, 271 (276); BGH NVwZ 1996, 930 (932); BayObLGZ 2000, 152 (158); BayObLG NJW 2005, 608 (610); BVerwGE 94, 1 (10 f.). Kritisch dazu, dass die „alten“ Subformeln „an dieser Stelle fröhliche Urständ’ feiern“ Rennert, VBlBW 1995, 41 (44); noch schärfer Battis, FS Leisner, S. 680: „nur die Fassade übermalt“; Breuer, FS Bartlsperger, S. 31: „apokryphe Problemverlagerung“ (in der Sache ebenso S. 37); eher neutral v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (403); Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3740). 1228 Vgl. Teil 2 B.II.3.a)dd)(1); BGHZ 90, 17 (25); 99, 24 (32); 126, 279 (383); 189, 218 (221); BayObLG NJW 2005, 608 (610).

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c) Kernkriterium: Außergewöhnlichkeit infolge Umfangs und/oder Häufigkeit Als wesentlicher und wahrer Kern liegt diesen Ansätzen der – letztlich in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde – Gedanke zugrunde, dass ein Ausgleich von Vermögensnachteilen umso eher geboten ist, wenn der einzelne – i. d. R. risikoaverse1229 – Bürger nicht darauf hoffen kann, insgesamt von der eigentumsbeschränkenden Regelung zu profitieren.1230 Dies ist dann der Fall, wenn sich die Vor- und Nachteile einer Regelung für ihn in der Summe nicht mehr von selbst ausgleichen.1231 Befugniseinschränkungen bedürfen daher umso weniger eines Ausgleichs, als wahrscheinlich ist, dass jeder Bürger einmal auf der Seite des Begünstigten, einmal auf der Seite des Belasteten steht.1232 Kann erwartet werden, dass sich dauerhaft eine annähernde Kompensation der „Gewinne“ und „Verluste“, die sich aus einer Regelung ergeben, einstellen wird, ist es vom ökonomischen Blickpunkt aus insgesamt günstiger, nicht in jedem Einzelfall für die Nachteile zu entschädigen, weil dadurch die Transaktionskosten in Form von Aufwendungen für die Rechtsverfolgung1233 entfallen.1234 Die Prognose, dass eine „Aufsaldierung“ der positiven und negativen Wirkungen einer Norm für den Einzelnen nicht mehr stattfindet und somit der Betroffene auch nicht langfristig einen Ausgleich durch die Regelung selbst erhoffen kann, kann dabei zum einen auf der besonderen Seltenheit der behandelten Sachsituation beruhen.1235 Eine Ausgleichspflicht muss daher regelmäßig bestehen, wenn von vornherein nur ganz bestimmte Personen jemals in den Genuss einer Norm kommen können, weil ihre Tatbestandsvoraussetzungen „einseitig“ be1229 Zum Begriff MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnr. 53. – Überlegungen, weshalb im Zweifel „der Unheilsprophezeiung mehr Gehör zu geben ist als der Heilsprophezeiung“, finden sich bei Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 70 ff. 1230 Vgl. Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 208 ff.; ders., AcP 205 (2005), 205 (244 f.); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 142 ff.; Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1090), die diesen Gedanken aber jeweils im Zusammenhang mit der (der Entschädigung vorgelagerten) Aufopferungspflicht anführen. 1231 Vgl. die bei Hagen, FS Lange, S. 484, 494 m.w. N., dargestellten Überlegungen. 1232 Ebenso der Ansatz von OLG Stuttgart NJW 1994, 739 (741); die Entscheidung dürfte dabei jedoch zu sehr auf die konkrete Situation blicken, anstatt abstrakt auf Grundstückseigentümer insgesamt abzustellen. Vgl. ferner die Überlegungen in BVerfGE 109, 64 (93 f.). 1233 Zu diesem Ansatz vgl. Salje, Ökonomische Analyse, S. 156; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 102 f.; Maultzsch, JbJgZivRW 2005, 57 (63, 65 ff.); ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 150 ff. 1234 Vgl. Häberle, AöR 109 (1984), 36 (43); ferner Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 III, der ausführt, dass der Ausgleich jeglicher Ungleichbehandlung kaum praktikabel ist. 1235 Vgl. P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 128 ff.; vgl. ferner die Ansätze der Ökonomischen Analyse des Rechts; dargestellt bei Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1090) m.w. N.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 542 ff.

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schaffen sind.1236 Zum anderen ist für die Ausgleichsbedürftigkeit das Ausmaß der Nachteile bestimmend, da geringe Einbußen eher im Interesse anderer oder der Allgemeinheit hinzunehmen sind als intensive; geringe Einbußen können als notwendiger Beitrag zum Zusammenleben in der Gesellschaft begriffen werden und daher zu akzeptieren sein. Jedoch steht dies wieder in Korrelation zur Erwartung eines Ausgleichs in anderen Fällen, in denen man auf Seiten des Begünstigten steht. Somit lässt sich der Satz aufstellen, dass eine Entschädigung umso mehr geboten ist, je seltener und je intensiver die auferlegte Einbuße an Nutzungsmöglichkeiten ist.1237 d) Besondere Faktoren und Konstellationen im Zivilrecht Aus diesen grundsätzlichen Erkenntnissen lassen sich für zahlreiche Konstellationen relativ klare Vorgaben dafür ableiten, ob eine Befugnisreduzierung zugunsten anderer Privater ausgleichsbedürftig ist. aa) Allgemeinheit als Begünstigter Bei Eigentumsbeschränkungen, die dem Bereich des öffentlichen Rechts zuzuordnen sind, stehen dem Eigentümerinteresse typischerweise Interessen des Gemeinwohls gegenüber (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). Das Regelungsziel des Gesetzgebers verlangt dabei in vielen Fällen, dass die „Kosten“ der Maßnahme ebenfalls von dem betroffenen Bürger – nicht der Allgemeinheit – zu tragen sind und daher der mit dem Befugnisverlust verbundene Vermögensnachteil bei ihm verbleibt. Zudem überwiegen die Allgemeinwohlbelange oftmals die Privatinteressen in einem solchen Maß, dass die Verhältnismäßigkeit auch in Anbetracht der finanziellen Auswirkungen für den Betroffenen ohne eine Ausgleichregelung gewahrt ist. Da schließlich auch dem Gleichheitssatz keine große Determinationskraft zukommt, lässt sich eine Pflicht zur entschädigungslosen Duldung hier somit relativ leicht begründen. Diese Überlegungen können im vollen Umfang auf die – allerdings eher seltenen – Fälle übertragen werden, in denen eine zivilrechtliche Norm allgemeinstaatlichen Zwecken dient und daher „Begünstigter“ der Staat oder die Allgemeinheit ist. Als Beispiele sind hier zu nennen die „Fiskusprivilegien“ in § 395 und § 411 BGB, die der Vereinfachung der staatlichen Kassenverwaltung dienen,1238 die Beschränkungen der Zwangsvollstreckung gegen die öffentliche 1236 Auch hierzu kritisch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 26 ff. 1237 Ähnlich Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 V 1a. 1238 Siehe nur Mot. II, 114 „administrative Zweckmäßigkeit“ bzw. S. 140 „Sicherheit für den Kassenbeamten und Ordnung der Kassenführung“; MünchKomm/Schlüter, § 395 Rdnr. 1 bzw. MünchKomm/G. H. Roth, § 411 Rdnr. 1.

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Hand (§ 882 a ZPO), die deren Funktionsfähigkeit erhalten soll, sowie die Bestimmungen der HeizkostenV, die aus Gründen des Umweltschutzes zu einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Energiekosten zwingen.1239 Die Pflichtigkeit des Eigentümers und auch die ihm u. U. entstehenden Vermögensnachteile lassen sich jeweils ohne Weiteres mit Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertigen. bb) Identität von Normbegünstigtem und Bereicherten (Zweipersonenfälle) Die typischen Vorschriften des Zivilrechts – allen voran die Regelungen für Nutzungskonflikte unter Nachbarn – gewähren einem konkreten anderen Privaten einen Vorteil, indem sie dessen Rechtskreis in seinem Interesse erweitern. Der Umstand, dass Privatinteresse gegen Privatinteresse steht und i. d. R. keinem von beiden ein wesentlich überwiegendes Gewicht zukommt, führt oftmals dazu, dass eine Regelung unverhältnismäßig wäre, wenn der Gesetzgeber keinen Ausgleich der finanziellen Auswirkungen vorsieht. Ein Eigentümer schuldet einem anderen Mitbürger nicht die Solidarität, die er dem Gemeinwesen gegenüber aufzubringen hat; dies gilt im Hinblick auf den Ausschluss von Befugnissen als solchen und noch mehr für die damit verbundenen Vermögensverschiebungen. Der Bedarf nach einer Ausgleichsregelung wird dabei noch dadurch verstärkt, dass oftmals nicht nur ein Vermögensverlust eintritt, sondern auch ein hiermit korrespondierender Vorteil auf Seiten eines anderen. Während es bei den öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen typischerweise nur zu einer Entwertung kommt, dem Staat als Begünstigten aber kein echter Wertvorteil erwächst, ergibt sich hier eine „doppelte“ Beeinflussung der Vermögenslage, weil der Begünstigte aufgrund des Befugniszuwachses seine Rechtsposition gewinnbringend nutzen oder teurer veräußern kann. Dieser Effekt verlangt unter Billigkeitsaspekten umso dringender einer Rechtfertigung. Daher ist geboten, dass derjenige, der seine Interessen auf Kosten anderer verfolgen darf, als Ausgleich dem anderen den ihm entstehenden Nachteil ersetzt.1240 Zugleich wird deutlich, dass gerade im Privatrecht der Aufopferungsgedanke vom Gedanken der Vorteilsausgleichung ergänzt wird.1241 Eine einseitige Zuweisung der faktischen und der finanziellen Nachteile in Regelungen, die zivilrechtliche Konflikte lösen sollen, ist demgegenüber meist nicht zu legitimie1239

Vgl. BGH NZM 2006, 652 (652 f.). Vgl. Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (129 f.); Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1422). 1241 Noch weiter Hubmann, JZ 1958, 489 (491 f.): eigentlicher Grund der Entschädigung sei nicht der Aufopferungsgedanke, sondern die Vorteilsausgleichung; ebenso Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 157 f.; für eine Kompatibilität beider Ansätze zutreffend Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 41; wohl auch Spyridakis, FG Sontis, S. 250 f. 1240

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ren.1242 Diesem Gerechtigkeitspostulat gemäß weisen zahlreiche Normen, die einem Bürger eine Inanspruchnahme fremdes Eigentums gestatten, die Form eines „zwar – aber“ auf.1243 Aus diesen Gründen ist z. B. im Fall des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB eine Ausgleichspflicht, wie sie in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB geschaffen ist, nahezu zwingend erforderlich. § 906 Abs. 2 S. 1 BGB soll die Handlungsmöglichkeiten des Emittenten – vorwiegend in seinem eigenen Interesse, daneben auch im Allgemeininteresse – erweitern, um ihm die Fortsetzung der Produktion etc. zu ermöglichen. Dieser Zweck wird bereits dadurch erreicht, dass die primären Abwehrbefugnisse ausgeschlossen werden; er erfordert jedoch nicht, dem Anwohner auch die finanziellen Nachteile aufzuerlegen, die mit den Immissionen verbunden sind. Dies gilt umso mehr, als der Emittent – und zwar gezielt – in die Lage versetzt wird, kostengünstig(er) zu produzieren. Ein besonderer Grund, den Emittenten zu bevorzugen, besteht nicht, zumal beide Privaten Träger der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG sind.1244 cc) Divergenz von Normbegünstigtem und Bereicherten (Dreipersonenfälle) Noch weniger als in der vorbeschriebenen Zwei-Personen-Konstellation lässt sich das Fehlen einer Entschädigungsregelung rechtfertigen, wenn der Betroffene ein Opfer an Rechtsmacht im Interesse aller oder eines konkreten am Rechtsverkehr Beteiligten erbringen muss, der wirtschaftliche Vorteil aber einem hiervon verschiedenen Dritten zufällt.1245 Auch wenn dem Eigentümer ein Verlust einzelner Befugnisse oder des Rechts insgesamt z. B. im Interesse des Funktionierens des Güterverkehrs oder der Wirtschaftsordnung zugemutet werden darf, ist kein Grund erkennbar, warum dies zugleich „reflexartig“ einen anderen bereichern sollte. Im Kernbereich des Sachenrechts wäre eine solche Situation z. B. gegeben, wenn beim gutgläubigem Erwerb kein Anspruch wie in § 816 Abs. 1 S. 1 BGB 1242 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 273; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 85. 1243 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 7, auch S. 104 f. 1244 Der Gesetzgeber könnte sich zwar theoretisch auch zum Ziel setzen, dem Betreiber die Produktion ohne Kostennachteile zu ermöglichen. Dieses Ziel könnte er jedoch nicht ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Nachbarn verfolgen und umsetzen. 1245 Vgl. Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1421) sowie – ohne dies als allgemeine Regel zu formulieren – Meilicke/Heidel, DB 1993, 313 (316); vgl. ferner Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 107 ff.; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 154 f.; Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1090).

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vorgesehen wäre: Der Rechtsverlust des Alteigentümers und der kondiktionsfeste Erwerb des Gutgläubigen kann zwar noch mit überwiegenden Verkehrs- und Vertrauensschutzinteressen zugunsten der Allgemeinheit bzw. des Käufers begründet werden.1246 Nicht zu rechtfertigen wäre aber, wenn der Nichtberechtigte die vom Erwerber erhaltene Gegenleistung (Kaufpreis) dauerhaft behalten können und der Alteigentümer demgegenüber sein Recht ersatzlos verlieren würde. Hier ist die Rückführung des Vermögensvorteils, den der Nichtberechtigte erhalten hat, an den Alteigentümer nahezu zwingend geboten, da die Vermögensverschiebungen – positiv bzw. negativ – nicht zu legitimieren sind.1247 dd) Nur formeller gerechtfertigter Rechtsübergang (Zweipersonenfälle) Zwischen diesen beiden Konstellationen ist die Fallgruppe angesiedelt, in der eine Person Rechte ausschließlich deshalb hinzuerwirbt, weil eine Sache, an der bisher selbstständiges Eigentum eines anderen bestand, ihre tatsächliche Eigenständigkeit durch eine Verbindung, Vermischung o. ä. mit seiner Sache verloren hat. Der Rechtsübergang ist hier Konsequenz einer Konzeption des BGB und dient wiederum der Funktionsfähigkeit des Eigentums, indem er – im Interesse aller Eigentümer – die Verkehrsfähigkeit von körperlich einheitlichen Sachen erhält. Der Vorteil, der dem einen Eigentümer zuwächst, beruht damit nicht auf Umständen im Verhältnis der beiden Beteiligten (sondern resultiert aus dem insoweit primär volkswirtschaftlich motivierten Sach- und Eigentumskonzept der §§ 90 ff. BGB), so dass er nicht aus sich heraus legitimiert werden kann. Der Zuwachs beim neuen Eigentümer der Gesamt-Sache ist somit nicht ohne Weiteres materiell gerechtfertigt, so dass eine Korrekturvorschrift vorhanden sein muss, die ggf. zur Ausgleichszahlung verpflichtet (§ 951 Abs. 1 S. 1 i.V. m. §§ 812 ff. BGB).1248

1246 Vgl. Staudinger/Wiegand (1995), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 43; BGHZ 173, 71 (77 f.); oben C.I.2.b), unten Teil 4 E.I.2. 1247 Eine parallele Situation besteht bei der Verwertung schuldnerfremder Sachen: Dort hängt ebenfalls die Wirksamkeit der mit der Verwertung verbundenen Rechtsübertragung nur von wenigen, auch objektiv erkennbaren formellen Vollstreckungsvoraussetzungen ab, weil bei einer umfassenden Prüfungspflicht das Vollstreckungsverfahren nicht effektiv durchgeführt werden könnte. Der Erlös steht aber dem Gläubiger nur dann materiell zu, wenn der titulierte Anspruch wirklich gegenüber dem Eigentümer bestanden hat (vgl. die Ausführungen bei Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 456 ff.), weshalb bei der Verwertung schuldnerfremder Sachen zumindest Bereicherungsansprüche des ehemaligen Eigentümers gegeben sind. 1248 Ausführlich dazu unten Teil 4 E.II.1.b); MünchKomm/Quack (3. Aufl.), § 951 Rdnr. 1.

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Zivilrecht

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ee) Beachtlichkeit von Rückwirkung auf Freiheiten des Anspruchsgegners Nicht außer Acht gelassen werden dürfen schließlich die Auswirkungen einer Ausgleichspflicht auf den (potentiellen) Verpflichteten. Dessen – regelmäßig ebenfalls grundrechtlich geschützte – Entfaltungsfreiheit wird indirekt beeinträchtigt, wenn an sein Verhalten eine Zahlungspflicht geknüpft wird, weil er dann geneigt sein wird, das Verhalten zu unterlassen. Erwünscht ist dieser steuernde Effekt bei der „präventiven Funktion des Haftungsrechts“;1249 er kann aber auch unerwünscht und sogar zu missbilligen sein. Der Gesetzgeber (bzw. die an seiner Stelle handelnde Rechtsprechung, die das einfache Zivilrecht anwendet) darf dann eine Haftung nicht oder nur unter Einschränkungen auferlegen.1250 e) Zwischenergebnis Die vorstehenden Untersuchungen haben einerseits gezeigt, dass mit dem Aufopferungsgedanken und dem ihm zugrunde liegenden Geboten der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung1251 nicht nur zahlreiche Regelungen des öffentlichen Rechts, sondern auch des Zivilrechts erklärt werden können.1252 Der Umstand, dass die Wirkungsweise des Aufopferungsprinzips in beiden Rechtsgebieten identisch ist, kann als Folge der Drittwirkung des Art. 14 GG einschließlich der damit zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Anforderungen begriffen werden.1253 Deutlich geworden ist aber auch, dass sich eine allgemeine Formel, wann ein Ausgleich unbedingt geboten ist, nicht entwickeln lässt. Der Aufopferungsgedanke zeichnet sich vielmehr durch eine lediglich formale Struktur aus, entbehrt aber eines materiellen Kerns, der das Aufstellen und die Subsumtion unter einen allgemeingültigen Obersatz erlauben würde.1254 Für die 1249

Dazu unten Teil 2 C.II.4.b)ee). Vgl. z. B. die Ausführungen von Britz, DÖV 1996, 505 (508 ff.) dazu, dass bei einer weitreichenden Entschädigungspflicht für Laubfall die Tendenz zum Pflanzen und Stehenlassen von Bäumen abnimmt. Ebenso grundsätzlich Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (221 f.), der den Staat aber nur dann verantwortlich sieht, wenn er final Handlungsanreize mit negativen Wirkungen beim Grundrechtsträger schafft. 1251 Vgl. Teil 2 B.II.3.a)dd)(7)(d). 1252 Vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, passim, besonders S. 268 ff., 308; Hubmann, JZ 1958, 489 (491); siehe ferner Konzen, JZ 1985, 181 (182, insb. Fn. 15). 1253 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 269 f. (im Original „Privatrechtswirkung“). 1254 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 302 ff., 310 ff.; ihr vollumfänglich folgend A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 68 ff.; Staudinger/Seiler (2001), § 904 Rdnr. 4; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 1, 6. Demgegenüber sieht Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 V 1 darin, dass den mit seinem Inte1250

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Frage, wann eine Entschädigung für Rechtseinbußen zu leisten ist, ist auf die Idee der materiellen Gerechtigkeit zu verweisen,1255 die als Teil des Rechtsstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist1256 und der gerade bei Art. 3 Abs. 1 GG eine besondere Bedeutung zukommt.1257 3. Formelle Anforderungen an Ausgleichsregelungen im Zivilrecht a) Diskussion und Argumentation im Bereich des öffentlichen Rechts Der Umstand, dass der Aufopferungsgedanke im öffentlichen Recht und im Privatrecht in gleicher Weise gilt und wirkt, gibt Anlass zur Untersuchung, inwieweit die besonderen Anforderungen, die das BVerfG und die Literatur für Ausgleichsregelungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts entwickelt haben, auch im Zivilrecht Gültigkeit beanspruchen und so auf Rechtssetzung und Rechtsanwendung in diesem Bereich einwirken. aa) Entscheidung über die Lastenverteilung durch den Gesetzgeber Bei öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen wird zunehmend gefordert, dass der Gesetzgeber die Pflicht zur Leistung einer Entschädigung selbst festschreibt.1258 Im Einzelnen ist allerdings umstritten, ob – wie die Rechtsprechung annimmt – salvatorische Klauseln als Basis für Entschädigungsansprüche dieser Art zulässig sind1259 und die früheren Enteignungsentschädigungs-Klau-

resse Zurücktretenden keine Verantwortung für die Kollision trifft und er mehr als unwesentlich betroffen ist, eine materiale Gemeinsamkeit. 1255 Vgl. BGHZ 58, 149 (160): „Gebot der Gerechtigkeit, ihn (für den Verlust des Abwehranspruchs) schadlos zu halten“; ferner Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 III. – Abweichend von der hier vertretenen Auffassung verneinen Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1011) generell, dass der Gesetzgeber verpflichtet sein kann, Ausgleichsansprüche zu normieren. Sie seien eine reine Billigkeitsentschädigung, die der Gesetzgeber nach seinem Ermessen schaffen könne. 1256 BVerfGE 74, 129 (152); siehe auch Gern, JuS 1988, 534 (536); Laufke, FS Lehmann, S. 187; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 72. 1257 Vgl. BVerfGE 49, 280 (283); 71, 255 (271); 98, 365 (385); 103, 242 (258); BVerfG NJW 2004, 597 (602). 1258 Neben den im Folgenden Genannten auch Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 69 f., 238; Schmitt-Kammler, S. 604. 1259 So BGHZ 126, 379 (381, 383 f.), da die Warnfunktion hier nicht gegeben sei und die tatbestandlichen Voraussetzungen aus der kontinuierlichen Rechtsprechung hinreichend voraussehbar und damit bestimmt seien; siehe auch BGHZ 133, 271 (273); BGH NVwZ 1996, 930 (930); Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 59 f.; ferner v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (415) und W. Schmidt, NJW 1999, 2847 (2849 f.), die die Entscheidung BVerfGE 100, 226 zu dieser Frage unterschiedlich interpretieren.

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Zivilrecht

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seln als Grundlage für sie herangezogen werden können1260 oder ob stattdessen ähnlich strenge Anforderungen an die inhaltliche Konkretisierung und Bestimmtheit zu stellen sind wie bei Enteignungen1261. Mit der Entscheidung über die Zubilligung oder die Verweigerung eines finanziellen Ausgleichs wird darüber bestimmt, wer die ökonomischen Lasten einer gesetzlichen Regelung trägt. Diese (weitgehend wertend-politische) Entscheidung über Lastenverteilung und Zumutbarkeit – letztlich zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung – muss die Legislative selbst treffen; sie darf nicht in unbegrenztem Umfang den rechtsanwendenden Organen überlassen werden.1262 Die Gerichte können daher nicht eine im Gesetz nicht vorhandene Ausgleichsregelung „ersetzen“.1263 Entschädigungsregelungen müssen somit einen gewissen Grad an innerer Bestimmtheit aufweisen.1264 Da Freiheitseingriff und Ausgleichsregelung einheitlich ökonomisch wirken und gemeinsam den Gestaltungsspielraum bilden,1265 lässt sich eine Reduzierung der Bestimmtheitsanforderungen auch nicht damit rechtfertigen, dass Ausgleichsregelungen nur Rechte gewähren und nicht Eingriffe vornehmen würden1266. 1260 BGHZ 121, 328 (332); 133, 271 (273 f.) m.w. N.; BVerwGE 94, 1 (10 f.); vgl. auch Heidenreich/Tausch, NuR 1992, 210 (213). 1261 So Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (234); Jochum/Durner, JuS 2005, 412 (413 f.); Pietzcker, JuS 1991, 369 (372); Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3740); Heinz/ Schmitt, NVwZ 1992, 513 (521); in diese Richtung neigend auch Papier, DVBl. 2000, 1398 (1406); Roller, NJW 2001, 1003 (1009); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnrn. 134 f. – Dabei gestehen Heinz/Schmitt und Ehlers dem Gesetzgeber eine Übergangszeit für eine ausreichende Normierung in diesem Sinne zu. 1262 Vgl. Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (234); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (910 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 353; Papier, DVBl. 2000, 1398 (1406); Pietzcker, JuS 1991, 369 (372); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 70; v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (404): Aufgabenverantwortung; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 135; vgl. auch Häberle, AöR 109 (1984), 36 (43 f.); Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1090). 1263 Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3739, 3740); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (514, 518 ff., 521); ebenso v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (415) für den Fall, dass der Gesetzgeber erkennen konnte, dass eine Ausgleichbedürftigkeit auftreten könnte. 1264 Übersehen werden darf allerdings nicht, dass die Möglichkeit des Eintritts einer ausgleichspflichtigen Situation oft nur bedingt vorhersehbar ist und daher die Grenzen der Normierbarkeit rasch erreicht sind. Insoweit bieten sich praktisch nur Generalklauseln mit Regelbeispielen an. Vgl. zum Ganzen Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (234); Lege, JZ 2011, 1084 (1088); Osterloh, DVBl. 1991, 906 (913 f.); Papier, DVBl. 2000, 1398 (1406); Pietzcker, JuS 1991, 369 (372 f.); Schink, DVBl. 1990, 1375 (1386); Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 (218); Wilhelm, JZ 2000, 905 (912); v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (415): „nemo ultra posse obligatur“, ferner dazu, dass der Gesetzgeber auf der typisierenden Ebene arbeitet und ihm daher die Außerachtlassung einzelnen und ungewollten Sonderfälle nicht als Verfassungsverstoß angelastet werden kann, oben bei Fn. 1088. 1265 Siehe nur Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 94: „einheitliche Kompromissentscheidung“. 1266 So aber BGHZ 121, 328 (334); 126, 379 (384).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

bb) Verwerfungsmonopol und Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG Das Erfordernis, dass der Gesetzgeber selbst die Regelung trifft, folgt nach diesen Überlegungen auch aus Art. 100 Abs. 1 GG. Weist eine Schrankenbestimmung keine Entschädigungsregelung auf, obwohl sie zwingend einer solchen bedarf, weil die Abwälzung der wirtschaftlichen Folgen auf den Eigentümer gegen Übermaßverbot und Gleichheitssatz verstößt, ist sie insoweit verfassungswidrig.1267 Sprechen Fachgerichte dann eine Geldentschädigung zu, bejahen sie implizit die Verfassungswidrigkeit der vorhandenen Gesamtregelung. Diese Bewertung ist jedoch, soweit es sich um ein nachkonstitutionelles Gesetz handelt, allein dem BVerfG vorbehalten.1268 cc) Budgetrecht des Parlaments Eng mit der Frage der Lastenverteilung verbunden ist die Überlegung, dass zwangsläufig ein öffentlicher Haushalt belastet wird, wenn ein finanzieller Ausgleich zugebilligt wird.1269 Die Entscheidung, welche Ausgaben in welcher Höhe getroffen werden sollen, steht allein dem Parlament zu. Sein Budgetrecht würde unterlaufen, wenn der Gesetzgeber eine Regelung schafft und sich (mehr oder weniger bewusst und deutlich) gegen einen Ausgleich entscheidet, die Gerichte aber dennoch Entschädigungspflichten bejahen könnten.1270 Mit diesen Überlegungen lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 i.V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ein Entschädigungsjunktim auch für Inhalts- und Schrankenbestimmungen ableiten.1271 dd) „Verfahrensrechtliches Junktim“ Die an den Gesetzgeber gerichtete Pflicht, die Entscheidung über Bestehen und Höhe des Ausgleichsanspruchs zu treffen, wird durch das Postulat eines 1267 BVerfGE 58, 137 (147); Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2543); dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 309; diesen folgend BGHZ 102, 350 (360); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (518). 1268 Richtigerweise muss daher ein befasstes Gericht nach Art. 100 Abs. 1 GG verfahren, vgl. Wilhelm, JZ 2000, 905 (passim, insb. S. 909); Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 63. – Zu den Gründen von Verwerfungsmonopol und Vorlagepflicht oben C.I.5.b)bb), in Fn. 1119. 1269 Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (233). 1270 BVerfGE 100, 226 (245); BVerfG NVwZ 2012, 429 (430 f.); v. Arnauld, VerwArch 93 (2002), 394 (405 f.): Ausgabenverantwortung; Hendler, DVBl. 1999, 1501 (1503); Herdegen, FS BVerfG, S. 288; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 70; Stüer/Thorand, NJW 2000, 3737 (3741); siehe ferner BGHZ 102, 350 (362); Axer, DVBl. 2001, 1322 (1327 und öfters). 1271 Osterloh, DVBl. 1991, 906 (914); dies., NJW 1981, 2537 (2544); dies., Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 281 ff. In Formulierung und Ergebnis ebenso, anders aber in der Begründung, Schwabe, JZ 1983, 273 (276).

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„verwaltungsverfahrensrechtlichen Junktims“ 1272 ergänzt. Erlässt eine Behörde einen Verwaltungsakt, der Befugnisse eines Eigentümers beschränkt und dessen gesetzliche Grundlage für bestimmte Fälle einen Geldausgleich vorsieht, ist in dem Bescheid zugleich zumindest dem Grunde nach zu entscheiden, ob der Betroffenen eine Entschädigung erhält.1273 Der Gesetzgeber hat durch entsprechende Regelungen des Verwaltungsverfahrens diese Einheit der behördlichen Entscheidung sicherzustellen.1274 Der Grund für dieses Erfordernis liegt im Rechtsschutzinteresse des Betroffenen, dem nicht die Entscheidung zugemutet werden kann, den befugniseinschränkenden Verwaltungsakt anzufechten oder ihn bestandskräftig werden zu lassen, solange er nicht Gewissheit hat, dass ein Geldausgleich erfolgen wird. Zudem können die mit der Anfechtungsklage befassten Gerichte die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme nur beurteilen, wenn feststeht, ob eine Entschädigung erfolgt.1275 b) Übertragbarkeit auf zivilrechtliche Ausgleichsansprüche Ob und wieweit die beschriebenen Anforderungen auch im Zivilrecht Geltung beanspruchen hängt entscheidend davon ab, ob die maßgeblichen Gründe auch bei Regelungen zum Verhältnis der Bürger untereinander gegeben sind. Für den Aspekt einer Beeinträchtigung der Budgethoheit [oben cc)] ist dies ohne Weiteres zu verneinen, da der staatliche Haushalt nie besonders1276 betroffen ist, wenn die Judikative Ausgleichsansprüche unter Privaten zubilligt. 1272

W. Schmidt, NJW 1999, 2847 (2850). BVerfGE 100, 226 (246); 102, 1 (24); BVerfG NVwZ 1999, 1329 (1329 f.); dieses Erfordernis ausdrücklich verneinend BGHZ 121, 328 (334 f.); wiedergebend auch Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 (1486); Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 60; Roller, NJW 2001, 1003 (1009). – Umgesetzt ist dieses Gebot z. B. in § 49 Abs. 1 S. 2 NatSchG RP. 1274 BVerfGE 100, 226 (246 f.); in diese Richtung bereits Osterloh, DVBl. 1991, 906 (914) für die untergesetzliche Normsetzung; ferner Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (521). 1275 Vgl. zu dieser Begründung BVerfGE 100, 226 (246); 102, 1 (24); aufgegriffen in BVerfGE 114, 1 (66). Kritisch dazu W. Schmidt, NJW 1999, 2847 (2850), nach dem man den Bescheid kaum als rechtswidrig behandeln könne, wenn lediglich die positive Entscheidung über den Ausgleichsanspruch fehlt, und man bei Schweigen der Behörde davon ausgehen könne, dass sie gerade keinen Ausgleich für nötig erachtet. Hendler, DVBl. 1999, 1501 (1503) argumentiert damit, dass dem Betroffenen, den kein Ausgleichsanspruch zusteht, keine unbilligen Nachteile drohen. Eine Verbindung beider Entscheidungen erleichtere zwar den Rechtsschutz und sei daher sinnvoll und wünschenswert, nicht aber unbedingt verfassungsrechtlich zu fordern. Wie das BVerfG dagegen Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 353. 1276 Auswirkungen ergeben sich zwar, wenn der Staat Inhaber des Eigentums (oder dinglicher Rechte) ist und so die allgemeinen Regeln ihn treffen. Auf ein fiskalisches Handeln müssen aber die besonderen Vorgaben, die für spezifisch hoheitliche Tätigkeiten entwickelt wurden, nicht angewandt werden, weil der Staat in diesem Bereich nur in gleicher Weise wie ein Privater betroffen ist. 1273

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

Die Überlegung, dass die wertend-politische Entscheidung über die Lastenverteilung einen Teil der Zumutbarkeitsabwägung darstellt [oben aa)], gilt auch bei Befugniseinschränkungen zugunsten Privater. Daher ist auch hier im Grundsatz zu fordern, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über eine Entschädigung selbst trifft.1277 Die Anforderungen an die Deutlichkeit der Regelung über Ausgleichsbedürftigkeit im Gesetz und an die Zulässigkeit einer Delegation auf die Judikative können allerdings nicht strenger sein als die Anforderungen, die für den Eingriff selbst gelten.1278 Daher ist es den Gerichten im gleichen Umfang wie sonst im Zivilrecht möglich, im Wege der Rechtsanwendung, -auslegung und -fortbildung auf die vorhandenen allgemeinen Ausgleichsansprüche, allen voran § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und § 823 Abs. 1 BGB,1279 zurückzugreifen. Die Frage nach einem Ausgleich ist oftmals durch die vorgefundene zivilrechtliche Dogmatik klar: Die Zivilrechtsordnung stellt ein umfassendes Konzept von Ansprüchen, Wertungen und Grundsätzen dar, dem konsistente Aussagen entnommen werden können. Entscheidungen, die diesem System zuwiderlaufen, erscheinen daher oftmals inkonsequent.1280 Eine Systemwidrigkeit indiziert1281 einen Gleichheitsverstoß, da der Gesetzgeber – gerade durch Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG – zur Achtung der inneren Stimmigkeit verpflichtet ist; daher bedarf eine Ausnahme hinreichender sachlicher Gründe.1282 Vor diesem Hintergrund ist bei der Rechtsanwendung zu vermuten, dass der Gesetzgeber das selbst geschaffene dogmatische Gesamtsystem wahren will, wenn er nicht abweichend davon ausdrücklich einen Ausgleich anordnet bzw. ausschließt. Die mutmaßliche Entscheidung 1277 An einer ausdrücklichen und eindeutigen Aussage, ob ein Ausgleich geschuldet sein soll, fehlt es im Sachenrecht z. B. bei Aufwendungen, die bei Anwendung des „engen Verwendungsbegriffs“ nicht von den §§ 994 ff. BGB erfasst werden (vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 60), und bei der Ersitzung (vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnrn. 5 ff.; oben Fn. 1204). Begreift man letztere als nur formale Rechtszuordnung im Interesse der Sicherheit im Rechtsverkehr, liegt eine Aufopferungssituation vor und eine Ausgleichspflicht nahe (vgl. Spyridakis, FG Sontis, S. 249; oben 2.d)bb)]. Dagegen spricht der Zweck, Beweisschwierigkeiten aufgrund des Zeitablaufs auszuräumen und die Diskrepanz von Eigentum und Besitz aufzuheben, eher gegen sie (so P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 133 (in Fn. 641)). 1278 Ebenso Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2544). 1279 Vgl. M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648 f.) zur Anwendung des Bereicherungsund Deliktsrechts, um Lücken im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis auszufüllen. 1280 Terminologisch und inhaltlich ebenso v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 64 a. 1281 Dies soll nicht heißen, dass dem Gesetzgeber Durchbrechungen des Systems von vornherein verboten wären (BVerfGE 24, 75 (199); 104, 74 (87); Hömig/Bergmann, Art. 3 Rdnr. 8; Ehlers, Die Verwaltung 20 (1987), 373 (383)). Der Satz „dogma non derogat legi“ gilt gerade nicht, vgl. Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (426). 1282 BVerfGE 24, 75 (100); 68, 237 (253); 81, 156 (207); 104, 74 (87); bereits BVerfGE 9, 20 (28); v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 64 a; Kirchhof, FS Lerche, S. 142; kritisch und allein auf die Rechtfertigungsgründe abstellend Kischel, AöR 124 (1999), 174 (passim, insbes. S. 194 ff.), da eine Systemdurchbrechung nie festgestellt werden könne, weil jede – auch scheinbar systemfremde – Norm dem Recht angehört (S. 206, 210).

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des Gesetzgebers kann so regelmäßig ermittelt und dem Urteil zugrunde gelegt werden. Der Rückgriff auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen, deren Anwendung wegen des „Klammersystems“ des BGB methodisch zulässig ist, entspricht im Übrigen sowohl den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts als auch der Wesentlichkeitstheorie, da diesen jeweils genügt ist, wenn objektiv eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die den Sachverhalt nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung erfasst.1283 Das Gebot, als verfassungswidrig empfundene nachkonstitutionelle Gesetze gem. Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen, gilt grundsätzlich auch bei Zivilrechtsnormen [vgl. oben bb)]. Da anwendbare „allgemeine“ Ausgleichsregeln vorhanden sind, wird die Vorlagepflicht jedoch praktisch nur gegeben sein, wenn der Gesetzgeber sich eindeutig gegen eine Ausgleichspflicht entschieden hat.1284 Das „verfahrensrechtliche Junktim“ [oben dd)] ist schließlich eine spezifische Reaktion darauf, dass bei öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeeinträchtigungen die drohende Bestandskraft des Verwaltungsaktes den Eigentümer auch dann zur Anfechtung zwingt, wenn eine Entscheidung über eine Entschädigungszahlung noch nicht vorliegt,1285 und dass er wegen der Zweispurigkeit des Rechtsschutzes seine Rechte in gestaffelten und langwierigen Verfahren durchsetzen muss.1286 In zivilrechtlichen Streitigkeiten besteht eine vergleichbare Situation nicht: Sowohl für die Frage, ob eine Befugnis zusteht, als auch, ob ein Ausgleichsanspruch besteht, sind die gleichen (ordentlichen) Gerichte zuständig. Die Anträge auf Unterlassung und auf Ausgleichszahlung können in ein Eventualverhältnis gebracht und so gleichzeitig zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Im Übrigen kennt das Zivilrecht die einseitige Konkretisierung und Festsetzung von Rechtsfolgen, wie sie durch einen Verwaltungsakt erfolgt, nicht;1287 die Rechtsfolgen treten hier ex lege oder privatautonom ein und können allenfalls festgestellt werden. Da somit bereits eine einseitig-verbindliche Entscheidungen über die Zuordnung oder über den Inhalt von Rechten fehlt, besteht weder ein Bedürfnis noch die Möglichkeit, in diesen die Ausgleichsfrage mitzuregeln. Das verfahrensrechtliche 1283

BVerfGE 77, 381 (404). Vgl. oben bei Fn. 1117. 1285 Ebenso das Verständnis des BVerfG NJW 2003, 196 (198), und des BVerwG BayVBl. 2001, 440 (441 f.); NuR 2003, 618 (619), das dieses Erfordernis bei Eigentumsbeschränkungen durch untergesetzliche Normen nicht anwendet. Dort besteht kein vergleichbarer Rechtsschutznachteil, da bei Rechtssätzen die Rechtswidrigkeit grundsätzlich zur Nichtigkeit führt („Nichtigkeitsdogma“), die stets geltend gemacht werden kann. BVerfG NVwZ 1999, 1329 (1329 f.) hat allerdings das Erfordernis, vor Abschluss des auf Primärrechtsschutz gerichteten Verfahrens die Entschädigungsklage zu erheben, auch wegen der Finanzierungspflichten und Prozessrisiken für unzumutbar gehalten. 1286 So Herdegen, FS BVerfG, S. 289; Ossenbühl, JZ 1999, 899 (900); vgl. auch BVerwGE 77, 295 (297). 1287 Vgl. BVerfG NJW 2003, 196 (198). 1284

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Junktim ist insoweit untrennbar mit den typisch verwaltungsrechtlichen Handlungsformen verbunden und deshalb auf zivilrechtliche Situationen nicht übertragbar.1288 Die maßgeblichen Gründe, die bei öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen eine deutliche gesetzgeberische Entscheidung für oder gegen Ausgleichsansprüche verlangen, liegen damit bei eigentumsregelnden Maßnahmen im Privatrecht nicht oder jedenfalls nicht in dieser Qualität vor. Die allgemeinen Ausgleichsmechanismen des Zivilrechts können regelmäßig als Grundlage herangezogen werden, um die Folgen von Eigentumsbeschränkungen für das Vermögen der betroffenen Bürger auszugleichen. Sie erlauben auf diese Weise, verfassungs- und zivilrechtssystemkonforme Lösungen zu erzielen. 4. Rahmenvorgaben für Ausgestaltung der Ausgleichsansprüche Nachdem gewisse Kriterien für das „Ob“ eines Entschädigungsanspruchs gefunden wurden (unter 2.), ist zu untersuchen, welche inhaltlichen Vorgaben die Eigentumsgarantie und das Entschädigungsgebot für die Ausgleichsansprüche im bürgerlichen Recht machen (das „Wie“). Damit verbunden ist die Frage, welche Ansprüche – zumindest auch – die Funktion erfüllen, für Eigentumsopfer zu entschädigen. a) Art des Ausgleichs (pauschale Zahlung oder Ersatz konkreter Schäden) Dem Gesetzgeber stehen zwei Grundansätze zur Verfügung, um Vermögensnachteile, die aus zivilrechtlichen Eigentumsbeschränkungen resultieren, auszugleichen. Die erste Möglichkeit besteht darin, die Zahlung einer einmalig oder periodisch zu leistenden Entschädigung anzuordnen wie z. B. in § 917 Abs. 2 BGB. Mit dieser Entschädigung sind sämtliche negativen Auswirkungen – Substanzverletzungen und Nutzbarkeitseinschränkungen – für den Eigentümer abgegolten. Der alternative (und in der Praxis häufigere) Weg besteht darin, den Eintritt eines konkreten Schadensereignisses (oder einer sonstigen Vermögenseinbuße) für den Eigentümer abzuwarten und diesen auszugleichen. Der Umfang dieses Schadens etc. wird dann zum Anknüpfungspunkt und Bemessungsfaktor für die Höhe der Entschädigung.1289 Grundlage der Entscheidung des Gesetzgebers für die eine oder andere Form1290 des Ausgleichs muss sein, ob bei wertender Betrachtung die Belastung 1288

Ebenso Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1422 f.). Picker, FS Gernhuber, S. 361. 1290 Dies ist nicht im Sinne einer zwingenden Alternativität zu verstehen; der Gesetzgeber kann auch beide Arten von Ansprüchen zugleich geben. Problematisch ist aber, ob die Rechtsprechung befugt ist, auch unter Rückgriff auf allgemeine zivilrechtliche 1289

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des Eigentümers schwerpunktmäßig bereits durch die Duldungspflicht als solche herbeigeführt wird (wie etwa beim Notweg, der eine Bebauung des betroffenen Streifens verhindert) oder ob diese erst dann praktisch wahrnehmbar ist, wenn ein konkretes Schadensereignis eingetreten ist.1291 Vorzugswürdig ist der zuletzt genannte Weg ferner, wenn eine große Zahl von Personen von der Rechtseinbuße betroffen ist, aber sich nur wenige Schäden ereignen: In diesen Fällen würde die Leistung pauschal abgeltender Zahlungen hohe Transaktionskosten auslösen, die angesichts der nur betragsmäßig geringen Entschädigung nicht sinnvoll und auch nicht zwingend geboten sind. b) Umfang des Ausgleichsanspruchs aa) Überblick über die vorhandenen Regelungen Betrachtet man die Rechtsfolgenseite von Ausgleichsregelungen, die sich im positiven Recht finden, im Hinblick auf den Umfang des Ersatzanspruchs genauer, zeigt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Oftmals sieht das Gesetz eine „Entschädigung“ vor, etwa in § 917 Abs. 2 oder in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB; dies impliziert eine gewisse Offenheit für die individuellen Umstände und eine Flexibilität der Höhe der Entschädigung.1292 In einigen Fällen, die zur privatrechtlichen Aufopferung gezählt werden, z. B. § 904 S. 2, § 962 BGB, §§ 114 ff. BBergG, § 29 BJagdG, § 25 Abs. 3 LuftVG und § 14 BImSchG (einschl. der darauf verweisenden Vorschriften), gewährt der Gesetzgeber dagegen Schadensersatz.1293 Schadensersatzansprüche sind auch durchgängig in den Regelungen angeordnet, die der Gefährdungshaftung zugerechnet werden, etwa § 7 StVG, §§ 1 f. HaftPflG, § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG, § 1 UmweltHG.1294 § 818 Abs. 1 u. 3 BGB, die u. a. den Umfang der in § 951, § 812 und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen Ansprüche beschreiben, stellen schließlich auf die beim Begünstigten (noch) vorhandene Bereicherung ab. In einem Teil der Fälle wird somit der gesamte Schaden ersetzt,1295 während in anderen der Ersatz auf den üblichen Wert des verlorenen Rechts beschränkt wird.1296 Normen oder durch Analogie einen Anspruch der anderen Art zu geben, wenn der Gesetzgeber den einen kodifiziert hat (so geschehen in BGHZ 178, 90 (95 ff.); zustimmend H. Roth, LMK 2009, 280109). 1291 Vgl. F. Schack, NJW 1965, 1702 (1702) zum Funkenflug aus Eisenbahnen, das schon für sich genommen eine dauernde Einschränkung bedeutet, aber auch zu einzelnen Schäden führen kann. 1292 Vgl. Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1011); Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575). 1293 Hubmann, JZ 1958, 489 (490). Zu den Unterschieden vgl. unten bei Fn. 1306. 1294 In beiden Fallgruppen ist jedoch oft eine Begrenzung der Haftungssummen anzutreffen. 1295 Nämlich die Schadensersatzfälle. 1296 So in den Fällen, in denen nur eine Entschädigung zu leisten ist.

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

bb) Verkehrswertentschädigung als Minimum Aus dem Zweck der Entschädigung, den mit der Einbuße an Rechtsmacht verbundenen Vermögensverlust auszugleichen und – im Fall des Totalverlusts – die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzes zu ermöglichen, ergibt sich als Ausgangspunkt, dass eine Entschädigung mindestens in Höhe des Verkehrswerts zu leisten ist.1297 Für die Entschädigung bei „echten“ Enteignungen wird allerdings überwiegend angenommen, dass der Verkehrswert auch unterschritten werden darf.1298 Rechtfertigen lässt sich dieser „Sockelbetrag“ mit Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG, der eine Abwägung zwischen den Privatinteressen und dem Allgemeinwohl fordert, und dem dahinter stehenden Gedanken, dass der Eigentümer wegen der Sozialpflichtigkeit ohnehin gewisse Werteinbußen entschädigungslos hinzunehmen hat.1299 Die involvierten Allgemeinwohlinteressen können daher einen Abschlag von der Verkehrswertentschädigung legitimieren. Beim Ausgleich übermäßig wirkender Schrankenbestimmungen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) gilt ebenfalls, dass der Anspruch lediglich das gleichheitswidrige Sonderopfer kompensieren muss.1300 Diesen Grundsätzen entspricht, dass auch bei Eigentumsbeschränkungen im Zivilrecht Abschläge in einem Umfang möglich sind, die dem Maß entsprechen, in dem auch eine ersatzlose Begrenzung des primären Abwehranspruchs noch zumutbar ist. Aus diesem Grund wird z. B. der Anspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (direkt oder analog) insoweit reduziert als gewisse Immissionen ohnehin zulässig sind.1301 Eine solche Kürzung setzt voraus, dass – nach den Maßstäben, die für Eingriffe in die Substanzgarantie gelten – überhaupt eine Rücksichtnahme auf das andere Privatrechtssubjekt zumutbar ist. Dies ist beim Interessenausgleich zwischen Gleichgestellten, wie er Gegenstand des Privatrechts ist, nur in sehr gerin-

1297 Vgl. BVerfGE 100, 289 (305); BVerfG NJW-RR 2005, 741 (742), nach denen sich der Ausgleichsbetrag bei „privatnützigen“ Schrankenbestimmungen am vollen Wert des abverlangten Guts zu orientieren habe; BVerfG NJW 2007, 828 (828, 829), nach der der Betroffene so zu stellen ist wie er bei einer freien Deinvestitionsentscheidung stünde (Hervorhebung im Original). 1298 Vgl. oben Teil 2 B.III.1.c) (zur Enteignung) und BGH RdE 2004, 201 (202); NJW-RR 1991, 1291, nach denen die Ausgleichszahlung wegen belastender Inhaltsund Schrankenbestimmung nicht im Äquivalenzverhältnis zur Duldungspflicht steht. 1299 Siehe die Darstellung bei Wilhelm, JZ 2000, 905 (910) nach BVerfGE 24, 367 (420 f.); 46, 268 (285); BGHZ 105, 15 (22 f.). 1300 Vgl. BVerfGE 100, 226 (244); BVerfG NVwZ 2010, 512 (515). 1301 Vgl. RGZ 139, 29 (33 f.); BGHZ 62, 361 (372); 91, 20 (31 f.); 159, 168 (175); BGH NJW-RR 1988, 1291 (1292); auch BGHZ 66, 70 (78); Hagen, FS Lange, S. 487 u. ö., m.w. N.; Hubmann, JZ 1958, 489 (493); Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1955); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 264 m.w. N.; i. E. (und im Grundansatz) ebenso Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 b.

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gem Umfang der Fall,1302 weil hier Eigentümerinteressen mit anderen privaten Interessen kollidieren, für die vom Eigentümer keine Solidarität gefordert werden kann.1303 Die „Kürzung“ bei § 906 BGB trägt dieser Vorgabe noch Rechnung, weil eine gewisse Rücksichtnahme unter Grundstücksnachbarn aus den dargestellten Überlegungen sachnotwendig ist. Qualitativ anders liegen die Situationen, in der ein Rechtsverlust angeordnet ist, ohne dass den Eigentümer irgendeine Pflichtigkeit trifft, z. B. beim gutgläubigen oder beim gesetzlichen Erwerb. Hier sind weder private Belange noch Allgemeininteressen ersichtlich, derentwegen dem Eigentümer ein Vermögensopfer zugunsten des Erwerbers auferlegt werden könnte und die daher einen Abschlag von der Verkehrswertentschädigung legitimieren können.1304 In diesem Fall gebietet die Verfassung damit die vollständige Kompensation der relevanten Einbuße.1305 Der Verkehrswert stellt damit auch im Zivilrecht im Regelfall das Minimum dar. cc) Schadensersatz Günstiger als der bloße Wertausgleich ist für den vom Rechts-/Befugnisverlust Betroffenen die Rechtsfolge „Schadensersatz“, da er dann die gesamte Differenz zu der Vermögenslage, die sich bei hypothetischer Entwicklung ergeben hätte, erhält.1306 Nicht zuletzt deshalb ist Schadensersatz die typische Folge bei rechtswidrigem Verhalten, während Entschädigung meist bei rechtmäßigem Verhalten vorgesehen ist. Dennoch ordnet der Gesetzgeber, wie eingangs gezeigt, diese Rechtsfolge häufig auch in Fällen an, die als Aufopferung zu charakterisieren 1302 BVerfGE 14, 263 (284); 100, 289 (303, 305); BVerfG NVwZ 1999, 62 (62); zustimmend Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 273. 1303 Auch in der frühen Rspr des BGH wurden Unterschiede im Umfang des Ausgleichsanspruchs gemacht, je nachdem, ob eine „private“ oder eine „öffentlich-rechtliche“ Aufopferung vorlag, vgl. F. Schack, JuS 1963, 263 (265); ders., BB 1965, 341 (343); siehe auch BGHZ 48, 98 (105). 1304 Zum Grund, weshalb gleichwohl eine Verweisung auf Bereicherungsrecht erfolgen darf, unten dd). 1305 Vgl. BVerfGE 100, 289 (305); BVerfG NJW 2001, 279 (280), je zur Entschädigung der Minderheitsaktionäre. – Die Methoden zur Ermittlung und Berechnung dabei müssen die Eigenart des Eigentumsobjekts berücksichtigen, vgl. dazu BVerfGE 100, 289 (305, 307 f.). 1306 Vgl. BGHZ 57, 359 (368); 144, 200 (209); RGZ 167, 14 (26); ferner Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (197); Kreft, WM 1982 Beiheft 7, S. 9. – Soweit es um den Ausgleich des Verlusts des Eigentums an Sachen geht, sind die Unterschiede zwischen Verkehrswertentschädigung und Sachdenserstz allerdings oftmals praktisch gering [vgl. Spyridakis, FG Sontis, S. 243; ferner unten Teil 4 B.I.2.c)bb)(1)]. Künftige Gewinne werden nämlich in den Marktpreis mit einbezogen, sobald sie absehbar sind (zutreffend insofern Maultzsch, JbJgZivRW 2005, 57 (74 f.); ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 242 ff.). Abweichende Ergebnisse treten daher hier nur auf, wenn der Eigentümer einen besonders großen Nutzen ziehen kann, der sich – da er nur von ihm individuell realisiert werden kann – im Marktpreis nicht niederschlägt.

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sind. Eine Erklärung dieses Befundes kann gelingen, wenn man die Schadensersatztatbestände nach der zugrundeliegenden Situation in zwei Gruppen, nämlich die „gefahrerlaubenden“ und die „notstandsähnlichen“ Haftungsnormen, einteilt. (1) Schadensersatz bei bewusster Erlaubnis gefährlichen Verhaltens „Gefahrerlaubenden“ Charakter besitzen sowohl die typischerweise als „Gefährdungshaftung“ bezeichneten Ansprüche als auch einige Fälle der Aufopferungshaftung. Der BGH differenziert allerdings in diesem Zusammenhang und leitet für diese beiden Anspruchsgruppen Unterschiede daraus ab, dass der Gesetzgeber bei der Aufopferungshaftung ausdrücklich erlaube, sehenden Auges Schäden zu verursachen, während die Schäden bei der Gefährdungshaftung bloß außergewöhnliche und unerwünschte Nebenfolgen seien. Aufopferungsfälle besäßen eine andere Qualität als die bloße Erlaubnis zu gefährlichem Verhalten, da dem Betroffenen jede Möglichkeit genommen wird, die Sachbeeinträchtigung zu verhindern.1307 Ein entscheidender Unterschied liegt hierin jedoch nicht. Auch bei der Gefährdungshaftung ist der Eintritt von Schäden überhaupt vorhersehbar1308 und damit Folge eines jeweiligen Verhaltens.1309 Im zentralen Merkmal, dass der Gesetzgeber aus übergeordneten Erwägungen ein gefährliches – und aus diesem Grund an sich möglicherweise zu verbietendes – Verhalten erlaubt und so anderen eine legale Möglichkeit einräumt, fremde Rechte (hier: das Eigentum) zu gefährden und darauf zuzugreifen, stimmen beide Fälle überein. In beiden Fallgruppen müssen Belange des Rechtsinhabers hinter das (private und öffentliche) Interesse an der Verwirklichung des gefährlichen Verhaltens zurücktreten,1310 was 1307

BGHZ 53, 226 (238 f.) für die Bergschadenshaftung; dazu unten d)bb). Vgl. F. Schack, NJW 1965, 1702 (1702) zu Funkenschäden vorbeifahrender Dampfeisenbahnen; ferner BGH NZM 2009, 834 (835) zur Schädigungseignung des Abfeuerns von Silvesterraketen und Ch. Wolf, JA 2010, 65 (66), der darauf hinweist, dass der BGH den Zeitpunkt, ab dem Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB bestehen, weit nach hinten verlagert. Damit trifft der BGH letztlich die Entscheidung, dass das Abschießen von Silvesterraketen im Allgemeinen noch nicht derart gefährlich ist, dass bereits dieses Verhalten an sich verboten sein muss. 1309 Ein äußerer Unterschied liegt nur darin, dass bei der Aufopferungshaftung auch einzelne, ex ante als schadensverursachend erkennbare konkrete Eingriffe erlaubt werden, während die Gefährdungshaftung Situationen betrifft, in denen zwar eine abstrakte Schadenseignung abzusehen ist, aber im Einzelfall nicht ex ante ermittelt werden kann, ob es tatsächlich zu einem Schaden kommt. Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 410; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a, 3 c; ferner Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 16; Jansen, AcP 202 (2002), 517 (521 f.). 1310 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (323); ders., Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 341. – In enem weiteren Sinne gilt dies auch für § 29 BJagdG. Dort geht die Gefahrenquelle zwar nicht auf ein menschliches Verhalten zurück, doch wird dem Eigentümer verboten, das Wild selbst jagdlich abzuwehren (vgl. BGHZ 184, 334 (337 f.)), somit, die Gefahr selbst zu bekämpfen (vgl. Belling, JZ 2010, 1308

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Art. 14 GG sowie Art. 20 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG berührt.1311 Ob die Rechtsordnung die hieraus resultierenden Schäden billigt oder eher vermieden wissen will,1312 ist nicht maßgeblich.1313 Signifikante Unterschiede zwischen Aufopferungshaftung und Gefährdungshaftung bestehen daher auf dieser Abstraktionsebene nicht. Eine Differenzierung lässt sich – weil der Übergang zwischen den beiden Situationen nicht scharf, sondern fließend ist – auch nicht sicher treffen1314 und wird nicht konsequent durchgeführt.1315 Für Fälle der „gefahrerlaubenden“ Haftung ist typisch, dass der Handelnde rational überdenken kann, ob er von dem Recht, sich in bestimmter Weise zu betätigen, Gebrauch machen und – als Kehrseite – die Ersatzpflicht in Kauf nehmen will. Er kann vor Aufnahme des Verhaltens seine Entscheidung überlegt treffen, so dass die Rechtsordnung hier ansetzen und die – u. U. höhere – Kostenbelastung als ökonomischen Steuerungsfaktor einsetzen kann: Allein die Erlaubnis, das gefährliche Verhalten durchzuführen, bedeutet für den potentiellen Anlagenbetreiber, Autofahrer usw. einen Freiheitsgewinn. Derjenige, der diese Tätigkeit im eigenen Interesse ausübt, soll aber – entsprechend der dritten Stufe des Prinzips der Praktischen Konkordanz und in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Rechtsbewusstsein1316 – für hieraus resultierende Schäden anderer umfassend 1128 (1129)). Dies geschieht wiederum im Interesse des Jagdausübungsberechtigten und der Allgemeinheit an einer geordneten Jagdausübung und einem artenreichen Wildbestand (vgl. bei Fn. 913). 1311 Vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 104; Larenz, VersR 1963, 593 (597); ferner BVerfG NJW 1998, 3264 (3264 f.). 1312 So die Differenzierung von BGHZ 53, 226 (238 f.); ihr folgend oder ähnlich Hubmann, JZ 1958, 489 (492 f.); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (35); Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 16; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 132 f. 1313 Vgl. Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (476); ders., FS Wolf, S. 614 f.; eine Gleichbehandlung der Fälle praktiziert auch Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (322 ff.); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (137 f., 144; 149). Wie hier wohl auch Goebel, JR 2002, 485 (487, 489) („Gefährdungshaftung beruht auf dem Prinzip der abstrakten Aufopferung . . .“), der diesen Gedanken aber nicht weiter ausführt. 1314 Vgl. F. Schack, NJW 1965, 1702 (1702); ferner Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a, 3 c; auch Münzberg, FS Lange, S, 605, der danach differenziert, ob ein verhütungszweck vorhanden ist oder nicht; wie ders. S. 609 ausführt, können Steuerungswirkungen aber selbst dort auftreten, wo diese nicht beabsichtigt sind. 1315 So wird der Schadensersatzanspruch des Schuldners, gegen den aus einem vorläufig vollstreckbaren Titels vollstreckt wurde, der später aufgehoben wird (§ 717 Abs. 2 ZPO; ebenso § 302 Abs. 4 S. 3, § 600 Abs. 2, § 945 ZPO), gemeinhin der Gefährdungshaftung zugeordnet (BGHZ 83, 190 (196); 85, 110 (113, 115); BGH NJW 1988, 1268 (1269); NJW 2011, 2518 (2519)). Nach der oben vorgetragenen Unterscheidung läge aber eher eine Aufopferungshaftung vor (ebenso H. Roth, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch, S. 2 m.w. N.; Larenz, VersR 1963, 593 (601); wohl auch Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (145); Münzberg, FS Lange, S, 605). 1316 Ebenso bereits PrKglObTrE 4, 354 (361) (vom 16.3.1839): „Grundsätze der Billigkeit“; OAG München SeuffArch Bd. 14 Nr. 208 S. 724 (725) (vom 16.4.1861):

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einstehen,1317 zumal der potentiell Geschädigte nicht ausweichen oder eigene effektive Schutzvorkehrungen treffen kann.1318 Vor diesem Hintergrund erscheint es ebenso billig wie konsequent, den vollen Schaden i. S. d. entgangenen Gewinns ersetzen zu lassen. Bemerkenswert und festzuhalten ist somit, dass in dieser Fallgruppe die Kompensationsfunktion (als Ausdruck der ausgleichenden Gerechtigkeit) mit der Präventivfunktion1319 verbunden ist, die Ersatzpflicht also zugleich1320 dem Rechtsgüterschutz dient.1321 (2) Schadensersatz in notstandsähnlichen Fällen Die zweite Gruppe von Bestimmungen, die die Leistung von Schadensersatz anordnen, bilden die „notstandsähnlichen“ Fälle, denen z. B. § 904 und sein Spezialfall § 962 BGB zuzuordnen sind. Steuerungszwecke können hier nicht als Hintergrund der gesetzlichen Regelung angesehen werden. Kennzeichnend ist vielmehr, dass sich der Handelnde in einer akuten Konfliktsituation befindet, weil seinem Recht(sgut) unmittelbar eine Gefahr droht, und ihm deshalb die Rechtsordnung den Eingriff in fremde Rechte oder Rechtsgüter erlaubt. Da schnelles Handeln geboten ist, um die Integrität des Rechtsguts zu bewahren, „selbstverständlich“; Linckelmann, JW 1909, 8 (8); heute etwa Steffen NJW 1990, 1817 (1820). 1317 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 7; Deutsch, FG BGH I, S. 677; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 252; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnrn. 131; Larenz, VersR 1963, 593 (597); Salje, Ökonomische Analyse, S. 167; Seiler, FS Zeuner, S. 280, 291. 1318 Auf diesen Aspekt hinweisend Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (138). 1319 Zu ihr besonders Kötz, FS Steindorff, S. 645; Staudinger/J. Hager (1999), Vorb zu §§ 823 ff Rdnr. 10; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (399); Koch, JZ 1999, 922 (924 f.); anerkannt auch in BVerfGE 49, 304 (320); 54, 129 (136); 96, 375 (399) (zu allgemeinem Persönlichkeitsrecht, körperlicher Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht); BGHZ 160, 298 (302). 1320 Die Rangfolge des Ausgleichszwecks und des Präventionszwecks im Deliktsrecht wird unterschiedlich beantwortet. Während das klassische Verständnis davon ausgeht, dass das Haftungsrecht primär erlittene Schäden kompensieren soll (Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 2 i; Canaris, FS Deutsch, S. 105; MünchKomm/Mertens (3. Aufl.), Vor §§ 823–853 Rdnr. 41; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (399 f.); mehren sich die Stimmen, die den Präventionsgedanken als gleich- oder vorrangig ansehen (G. Hager, NJW 1986, 1961 (1970); Koch, JZ 1999, 922 (passim, insb. S. 927); Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnrn. 119 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 113 ff.; MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnrn. 38 ff.; vgl. ferner Stürner, AfP 1998, 1 (8); Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff Rdnr. 10). Vgl. zum Ganzen ferner Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (120, 125); Jansen, AcP 202 (2002), 517 (535 f.); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320, m. Fn. 39, 40). 1321 Ähnlich Spyridakis, FG Sontis, S. 241 f., 245 f.; Koch, JZ 1999, 922 (924); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 114; ferner oben Fn. 1200; Münzberg, FS Lange, S, 605. – Hierin liegt jedoch nicht ihr einziger Grund, weil andernfalls gefährliche Verhaltensweisen konsequenterweise vollständig verboten werden müssten, vgl. Schulte, JZ 1984, 297 (298).

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sind die Abschreckungswirkungen, die von einer umfassenden finanziellen Einstandspflicht ausgehen, gering.1322 Erkenntnismöglichkeiten sind in der Eile kaum gegeben, was eine umfassende Abwägung ebenfalls erschwert; zudem wird der Bedrohte im Zweifel zu der Rettungsmaßnahme zugunsten seines Rechtsguts neigen, wie es ihm die Rechtsordnung auch zugesteht. Die Anordnung der Rechtsfolge „Schadensersatz“ lässt sich hier nur damit erklären, dass der Dritte, der für die Gefahr in keiner Weise verantwortlich ist, auch keine wirtschaftlichen Einbußen erleiden soll. Ein Opfer im reinen Interesse des anderen Privaten ist ihm nicht zuzumuten. Anders als in den Fällen der § 917 Abs. 2 und § 906 Abs. 2 S. 2 BGB lässt sich seine Mitverantwortlichkeit für die Interessenkollision oder eine Rücksichtnahmepflicht nicht einmal unter dem Gesichtspunkt der (Nachbar-)„Situation“ begründen.1323 Wenn dem Eigentümer daher schon zugemutet wird, um des anderen willen auf die Integrität seiner Sache zu verzichten, fordert die Praktische Konkordanz, dass ihm wenigstens umfassender Schadensersatz gewährt wird (zumal er wegen der Seltenheit derartiger Fälle nicht erwarten kann, dass er ein andermal profitiert). dd) Ausgleich der Bereicherung Eine Abweichung vom Sach-/Verkehrswert „nach unten“ sieht § 818 Abs. 3 BGB (auf den die §§ 946 ff., 951, 812, § 812 und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verweisen) vor, da die Bestimmung auf die beim Begünstigten tatsächlich noch vorhandene Bereicherung abstellt.

1322 Vgl. Kötz, FS Steindorff, S. 652 f.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnrn. 131; dies zugebend Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 212; differenzierend Koch, JZ 1999, 922 (924). – Dies gilt auch dann, wenn man mit der wohl h. M. (BGHZ 92, 357 (359) m.w. N.; BGH VersR 1955, 10 (11) m.w. N.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 411; M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 212; Hubmann, JZ 1958, 489 (492, Fn.47); Dilcher, JuS 1987, 100 (100 f.); RGZ 113, 301 (302 f.); entsprechend für die übrigen Rechtfertigungsgründe im BGB Staudinger/O. Werner (2001), § 227 Rdnr. 24; § 228 Rdnr. 20; § 229 Rdnr. 23) verlangt, dass bei § 904 BGB zumindest eine bewusste und gewollte Einwirkung auf die Sache in dem Sinne vorliegen muss, dass der Eingreifende sich die Schädigung mindestens vorgestellt und billigend in Kauf genommen hat (a. A. Konzen, JZ 1985, 181 (181 ff.) m.w. N.; Jauernig/Jauernig, § 904 Rdnr. 2; Braun, NJW 1998, 941 ff.). Richtig dürfte das Verständnis von Staudinger/Seiler (2001), § 904 Rdnr. 23 sein, nach der dem Eingreifenden keine Güterabwägung abverlangt wird (was den Einwand Brauns, NJW 1998, 941 (942 ff.), die Notwehrbefugnis hinge sonst von subjektiven Momenten ab, entkräftet), sondern nur ein bewusster und gewollter Rettungsakt vorliegen muss, so dass nur „zufällig“ gefahrabwendende Handlungen nicht genügen. Ein Rettungswille in diesem Sinne ist allerdings auch zu fordern, weil der Eingriff sonst nicht auf dem Erlaubnissatz beruht: Aufopferungsentschädigung wird nur beim Ausschluss des Abwehranspruchs aus rechtlichen Gründen gewährt, nicht bei faktischer Unmöglichkeit seiner Verwirklichung (vgl. Dilcher, JuS 1987, 100 (101)). 1323 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 b.

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(1) § 951 Abs. 1 S. 1 und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB als Aufopferungsansprüche § 951 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 812 und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB sind als Aufopferungsansprüche zu charakterisieren.1324 Beide Bestimmungen knüpfen daran an, dass ein Eigentümer sein dingliches Recht an einen anderen verliert, weil dessen kollidierenden private Interessen und/oder Allgemeinwohlbelange dies erfordern und rechtfertigen.1325 Dieser Rechtsverlust ist jeweils im Gesetz angeordnet, nämlich in §§ 946 ff., 951 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. §§ 932 ff. BGB, die das Eigentum neu zuordnen und zugleich eine Wiederherstellung des vorherigen Zustandes im Regelfall1326 ausschließen.1327 Im Fall des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB liegt der gesetzlich angeordnete Rechtsverlust darin, dass der Gesetzgeber, der auch durch die Bildung von Miteigentum auf die faktische Veränderung reagieren könnte, in §§ 946 ff. BGB den Erwerb von Alleineigentum anordnet und damit über das aus tatsächlichen Gründen Erforderliche hinausgeht.1328 Aufgeopfert wird damit das Eigentum als dingliche Rechtsposition, die kraft gesetzlicher Anordnung in den §§ 946 ff. BGB vollständig und endgültig verloren geht.1329 Sowohl § 951als auch § 816 BGB beruhen schließlich auf dem Gedanken, dass es trotz der die Rechtszuordnung legitimierenden Ziele unzumutbar wäre, den Betroffenen mit 1324 Gegen diese Einordnung des § 951 BGB Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 1; Soergel/Mühl (12. Aufl), § 951 Rdnr. 1; gegen diese Einordnung der §§ 932 ff., 816 BGB Konzen, JZ 1985, 181 (182, Fn. 15). – Parallelen zwischen Bereicherungsrecht und Ausgleichs-/Entschädigungsgedanken stellen fest Brehm, JZ 2001, 1086 (1087); Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 420. Sie werden ferner in BGH NJW 2011, 2518 (2519 f.) deutlich, das den Anspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO als einen „nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung begründeten, bereicherungsrechtlichen Anspruch“ bezeichnet und deshalb den Gerichtsstand des § 32 ZPO als eröffnet ansieht. 1325 Vgl. oben Teil 2 C.II.2.d)cc). 1326 Nach § 951 Abs. 2 S. 1 BGB kann ein Wiederherstellungsanspruch aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen bestehen. Dies stellt die Einordnung aber nicht in Frage, weil auf diese Weise nur dem gesteigerten Unrechtsgehalt, der dann in der Verbindung/ Vermischung liegt (Wieling, Sachenrecht, § 11 II 5 b; Palandt/Bassenge, § 951 Rdnr. 22), Rechnung getragen wird (vgl. sogleich bei Fn. 1333). Eine solche Differenzierung nach begleitenden Umständen liegt auch bei § 912 BGB vor, ohne dass dadurch der Charakter der Überbaurente aus Aufopferungsanspruch (vgl. unten Teil 4 B.II.2; MünchKomm/Säcker, § 912 Rdnr. 12; Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 1) entfiele. 1327 P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 113 f., Spyridakis, FG Sontis, S. 249 (Fn. 20). 1328 Vgl. unten S. 676. – Damit ist der Einwand von Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 1, § 951 Abs. 1 S. 1 BGB erfasse auch Fälle, in denen eine Herausgabe bereits der Natur nach und nicht erst wegen dessen S. 2 ausscheide, entkräftet. 1329 Ebenso zunächst P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 136 f., 143 („Herausgabeanspruch“). Unnötig ist es aber, auf die „Belassungspflicht“ des § 951 Abs. 1 S. 2 BGB abzustellen (ders., S. 62 ff., 153 f.), was ihn wiederum zwingt, eine „mittelbare Rechtsgrundverweisung“ auf § 812 ff. BGB anzunehmen, was bei Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 1; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 951 Rdnr. 1 kritisiert wird. Entscheidend sind die §§ 946 ff. BGB.

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dem wirtschaftlichen Verlust des Eigentums zu belasten. Die Richtigkeit des hier dargestellten Verständnisses zeigt sich darin, dass § 951 BGB als „Rechtsfortwirkungsanspruch“ 1330 für das untergegangene Eigentums angesehen wird. Die Ansprüche aus § 816 Abs. 1 S. 1 und §§ 951 Abs. 1 S. 1, 812 BGB sind daher Aufopferungsansprüche.1331 (2) Schutz des Bereicherten als Rechtfertigung einer Reduzierung des Anspruchsumfangs Die in § 818 Abs. 2 und Abs. 3 BGB vorgesehenen Einschränkungen des Umfangs der Entschädigung auf den Wert, der jeweils beim Schuldner noch vorhanden ist, bedarf daher der Begründung. Sie ergibt sich daraus, dass in den Fällen schuldlosen (gutgläubigen) Handelns des „Aufopferungsbegünstigten“ eine Belastung seines Vermögens mit Ansprüchen, die über den jeweils noch vorhandenen Vermögensvorteil hinausgehen, nicht zumutbar erscheint.1332 Weitergehende Ersatzpflichten würden den Vorteil der Befugnis- bzw. Rechtszuordnung, der durch die höherwertigen Interessen gerechtfertigt ist, wieder zunichte machen. Zudem bleiben neben den Ansprüchen aus § 951 und § 816 BGB die weitergehenden allgemeinen Haftungstatbestände anwendbar.1333 Soweit deren weitere Voraussetzungen, insbesondere in subjektiver Hinsicht, vorliegen, besteht eine volle Schadensersatzpflicht. Der Aufopferungspflichtige kann daher durchaus vollen Ersatz erhalten, wenn die Interessensituation im einzelnen Fall dies gebietet; im Grund- und Regelfall wäre dies aber gerade nicht angemessen. ee) Ergebnis Sowohl Schadensersatzansprüche als auch Entschädigungs- und Bereicherungsansprüche können eine verfassungskonforme Lösung der Frage nach Entschädigungsansprüchen durch den Gesetzgeber darstellen, sofern in der einzel1330 Siehe nur BGHZ 55, 176 (179); RGZ 106, 4 (7); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1 b; Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 2; jurisPK/Vieweg, § 951 Rdnr. 1 m.w. N. 1331 So für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 96 ff., insbes. S. 133 ff., zusammenfassend S. 151; Spyridakis, FG Sontis, S. 245, 249 (m. Fn. 20; die Berufung auf BGHZ 41, 157 (164 ff.) ist allerdings unzutreffend, da dort zentral auf die Vorschriften der Wohnraumbewirtschaftung abgestellt wurde). Wie im Text für beide Ansprüche M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 211. – Eine Ähnlichkeit bejahend Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (130); ders., JZ 1958, 489 (492); Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 176; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1 c. 1332 Vgl. BGH NJW 1981, 2687 (2689); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 IV; ferner unten Teil 3 A.II.3.b). 1333 Vgl. ausdrücklich § 951 Abs. 2 S. 1 BGB und § 823 BGB, §§ 989, 990 BGB; unten Teil 4 E.I.2.d)aa) und oben Fn. 1326.

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nen Fallkonstellation dem Gebot ausreichender Berücksichtigung der Vermögensinteressen genügt wird.1334 Welche Art von Regelung der Gesetzgeber wählt und welche ihm u. U. verwehrt ist, hängt von weiteren Umständen und Wertungen ab, namentlich der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten. Der Gesetzgeber unterliegt somit bei der Ausgestaltung von Ausgleichsansprüchen nicht generellen Grenzen. Auch dies beruht wiederum auf der Verankerung des Entschädigungsgebotes bei den – eher vagen – Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG.1335 c) Person des Anspruchsgegners Gelangt der Gesetzgeber zum Ergebnis, dass eine Ausgleichspflicht bestehen soll, schließt sich die Frage an, welche Person den Ausgleich für Vermögensnachteile zu leisten hat.1336 Praktisch relevant wird diese Frage allerdings nur in Drei- und Mehrpersonenfällen, wie z. B. bei § 904 oder §§ 932 ff. BGB, bei denen jeweils als Anspruchsgegner sowohl der Eingreifende als auch der Begünstigte in Betracht kommen. Für die Ersatzpflicht des „Eingereifenden“ (des „Quasi-Störers“) spricht, dass ihm gegenüber der (ausgeschlossene) Abwehranspruch bestanden hätte und somit seine Handlungsfreiheit erweitert wird.1337 Der Grund, aus dem die Interessen des Duldungspflichtigen zurücktreten müssen, liegt allerdings im Übergewicht der Interessen des Aufopferungsbegünstigten, was dafür spricht, den Entschädigungsanspruch gegen ihn zu richten.1338 Dem Aspekt, dass der Abwehranspruch gegenüber dem Eingreifenden bestanden hätte, kommt insofern nur untergeordnete Bedeutung zu, da seine Handlungsmacht nur eher zufällig und reflexartig

1334 Vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 300; ferner Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 246: „nicht weiter hinterfragbare Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers“. 1335 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 278 ff., 292 ff.; zustimmend Dilcher, JuS 1987, 100 (102 f.); vgl. auch Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 412; Hüffer, JR 1991, 156 (157); Kirchhof, FG BVerfG, S. 64 m.w. N.; ablehnend (konkret zu § 110 Abs. 3 BBergG) Zeiler, DB 1986, 417 (418). 1336 Vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 128. 1337 Mit dieser Begründung für die Ersatzpflicht des Eingreifenden/Handelnden bei § 904 S. 2 BGB eintretend Jauernig/Jauernig, § 904 Rdnr. 5; BGH WM 1976, 1116 (1117); BayObLGZ 2002, 35 (44); allgemein OLG Bremen OLGZ 1971, 147 (151); siehe ferner BGHZ 6, 102 (105). 1338 So jeweils für § 904 S. 2 BGB Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 V 1; Staudinger/Seiler (2001), § 904 Rdnr. 38; MünchKomm/Säcker, § 904 Rdnrn. 16 ff.; Konzen, JZ 1985, 181 (192); Larenz, VersR 1963, 593 (601, Fn. 39b); ferner (unter Hinweis auf die ökonomischen Wirkungen) Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 238 ff.

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erweitert wird. Die Entschädigung hat daher grundsätzlich derjenige zu leisten, dessen Wohl die Aufopferung dient1339 (der unmittelbar Begünstigte).1340 Dies ist i. d. R. der Eigentümer der Sache, wegen der die in Anspruch genommene Sache genutzt werden darf; Anspruchsgegner kann aber auch ein Dritter sein, der über die Nutzung des „begünstigten“ Objekts bestimmen und sie im eigenen Interesse ausüben darf.1341 Auch die Grundregel der Begünstigtenhaftung erfährt jedoch Ausnahmen, wenn sich aus der Interessenkonstellation abweichende Schutzwürdigkeitsüberlegungen ergeben. Ein Beispiel hierfür bietet der Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, der nicht gegen den gutgläubigen Erwerber, sondern gegen den Verfügenden gerichtet ist. Die Vorschrift schließt nach ganz überwiegendem Verständnis implizit Ansprüche gegen den Erwerber aus,1342 obwohl er als Repräsentant der Allgemeinheit von den §§ 932 ff. BGB begünstigt wird und sein Erwerbsinteresse dem Rechtsbeharrungsinteresse des Alteigentümers vorgezogen wird. Die Regelung ist gleichwohl sachgerecht: Zum einen wird per Saldo nur der Verfügende begünstigt (nämlich durch das Entgelt, das der Erwerber ihm gezahlt hat).1343 Zum anderen würde eine Inanspruchnahme des Erwerbers den Zweck der §§ 932 ff. BGB, dem Gutgläubigen vollwertig und dauerhaft Eigentum zu verschaffen, konterkarieren; eine andere Regelung wäre daher sinnwidrig.1344 1339 BGHZ 16, 366 (375); zuvor RGZ 144, 334 (339); 149, 34 (40); 167, 14 (27, 28 f.); Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (131); für die Gefährdungshaftung Seiler, FS Zeuner, S. 291. 1340 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 II 1a, III 2 a, § 85 V 1; P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 145, 151; Hubmann, JZ 1958, 489 (493); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 237 ff.; Spyridakis, FG Sontis, S. 243; BGHZ 11, 248 (251 ff., 256 ff.); ausführlich Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 106 ff., im Ansatz so bereits PrKglObTrE 53, 31 (38, 40 f.) für das Verhältnis von Staat zu kleineren Gemeinschaften. Zum gleichen Ergebnis kommt der Aspekt der Vorteilsausgleichung, vgl. Hubmann, JZ 1958, 489 (491 f.). – Wie oben auch BGHZ 87, 66 (80 f.): „allgemeiner enteignungsrechtlicher Grundsatz“; BGHZ 155, 99 (102). Für den öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch wurde die Frage offengelassen in BGHZ 48, 98 (106 f.); 60, 119 (124) und abweichend entschieden in BGH WM 1976, 1116 (1117); für den bürgerlichrechtlichen Bereich dagegen im obigen Sinne BGHZ 58, 149 (160). 1341 Vgl. BGHZ 155, 99 (102); zuvor bereits Filthaut, VersR 1992, 150 (153). 1342 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 195 f.; Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 2; Wieling, Sachenrecht, § 10 V 1; Darstellung dieses ganz herrschenden Verständnisses auch bei F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 9 f., 107 f. (Gegenkonzeption S. 102 ff., S. 106 ff.). 1343 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 86. – Der Erwerber hat meist keinen Vermögensvorteil per saldo, weil seine Zahlung und die Sache i. d. R. gleich viel wert sind. 1344 Ebenso J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 88; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (197); Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 379; BGHZ 36, 56 (60); vgl. aber F. Peters, Der Entzug des Eigentums an bewegli-

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Ein anderer Gesichtspunkt, der eine Abweichung rechtfertigt, kann sein, dass der Geschädigte den Anspruch gegen den Eingreifenden leichter durchsetzen kann, insbesondere, weil dieser als unmittelbar Handelnder i. d. R. greifbar ist, während der Begünstigte erst ermittelt werden müsste.1345 Die Person des Ersatzpflichtigen lässt sich daher nicht anhand einer generell feststehenden Formel bestimmen. Der Aufopferungsgedanke enthält vielmehr auch im Hinblick auf diese Frage keine allgemeingültige Aussage, sondern verweist wiederum auf andere, materielle Kriterien.1346 Auch wenn regelmäßig vieles für die Ersatzpflicht des Aufopferungsbegünstigten spricht, kann der Gesetzgeber im konkreten Fall eine andere Regelung vorziehen oder sogar – unter dem Aspekt einer konsequenten Regelung – treffen müssen. Über die Person des Ausgleichspflichtigen entscheidet damit weitgehend die jeweils zugrundeliegende Interessenlage, die bereits Grund der Aufopferung selbst ist.1347 Die Untersuchung, wer von einer Regelung begünstigt, wird, muss sorgfältig erfolgen. So darf etwa bei einer Eigentumsbeschränkung, die im allgemein-öffentlichen Interesse auferlegt wird, nicht ein einzelner Bürger einem Entschädigungsanspruch ausgesetzt sein. Selbst wenn sich die Regelung für einen Einzelnen in der konkreten Situation reflexartig günstig auswirkt, fehlt es an einem ihm von der befugnisbeschränkenden Regelung bewusst zugewiesenen Vorteil oder Nutzen.1348 Nur ein solcher kann aber Anknüpfungspunkt einer Aufopferungsentschädigungspflicht sein. Eine den einzelnen Bürger treffende Ausgleichspflicht würde aus verfassungsrechtlicher Perspektive ein Sonderopfer für ihn bedeuten, das sich jedoch nicht legitimieren lässt, weil die Befugnisreduzierung nicht durch seine Individualinteressen sondern durch Belange des Allgemeinwohls gerechtfertigt wird.

chen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 9 f., 86 f., 103, 109; zu einer verwandten Situation ebenso J. Hager, FG BGH I, S. 791. 1345 Aus diesem Grund für die Haftung des Eingreifenden bei § 904 BGB Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 8. 1346 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 39 ff., 129, 292 ff.; ihr folgend Staudinger/Seiler (2001), § 904 Rdnr. 38. 1347 Vgl. Giehl, AcP 161 (1962), 357 (358); Rebe, AcP 173 (1973), 186 (197 f.). 1348 So deutlich BGHZ 120, 239 (252); zustimmend Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22: Naturschutzrechtliches Verbot der Trockenlegung eines Teichs, von dem wesentliche Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ausgehen. Zuvor bereits wie oben Otto, NJW 1989, 1783 (1784 f.); LG Aschaffenburg NJW 1987, 1271 (1272); vgl. ferner Bitzer, DZWir 1995, 367 (371); Britz, DÖV 1996, 505 (507); Günther, NuR 1994, 373 (373, 374); Schwabe, JR 1993, 240 (241). Ausführlich unten Teil 4 B.I.1. b)aa)(3).

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d) Erforderlichkeit einer staatlichen Ausfallhaftung aa) Problemaufriss Zu erörtern bleibt, ob es stets genügt, dem von einem Rechts- oder Befugnisverlust betroffenen Eigentümer einen Ausgleichsanspruch gegen einen anderen Privaten einzuräumen. Ansprüche gegen eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts sind stets mit der Gefahr behaftet, mangels Solvenz des Schuldners wertlos zu sein. Bedeutsam ist dies vor allem, wenn die Entschädigung nicht pauschal im Voraus, sondern erst nach Eintritt eines konkreten Schadens zu zahlen ist: Hier bleibt der Geschädigte möglicherweise ohne Ersatz für die erlittene Einbuße, obwohl er durch die Duldung des gefährlichen Verhaltens quasi in Vorleistung treten musste.1349 Die Forderung nach einer subsidiären Haftung des Staates liegt dabei besonders dann nahe, wenn bei der Interessenabwägung intensiv Allgemeinbelange mitgespielt haben. bb) Gründe einer besonderen Verantwortung für die Realisierbarkeit von Ersatzansprüchen gegen Private Mit ähnlichen Überlegungen hat der BGH für die Bergschadenshaftung1350, bei der sich die Ansprüche gegen den privaten Bergwerksbetreiber richten, besondere Vorkehrungen zur Sicherung der Durchsetzbarkeit des Ersatzanspruchs, insbesondere eine Ausfallhaftung des Staates, gefordert.1351 Der in der Entscheidung angestellte Gedankengang basierte zwar (entsprechend dem damals vorherrschenden Verständnis) auf einer Analogie zu enteignungsrechtlichen Vorschriften.1352 Der Ausgangspunkt, dass in der staatlichen Gestattung eines Verhaltens, das ersichtlich Gefahren für das Eigentum anderer bringt, zwangsläufig eine Erlaubnis auch der Schadensverursachung liegt1353 und dies für die betroffenen Rechtsinhaber/Rechtsgutsträger einen Eingriff darstellen kann, trifft aber unabhängig hiervon zu.

1349 Der Gedanke, dass die Realisierbarkeit von Schadensersatzansprüchen sichergestellt werden muss, ist so alt wie die Haftung selbst. So war z. B. die cautio damni infecti des römischen Rechts darauf gerichtet, dass der Nachbar bei drohendem Gebäudeeinsturz vom Eigentümer die Leistung einer Sicherheit für die zu befürchtenden Schäden fordern konnte, vgl. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 23 Rdnr. 17; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 33 f.; (rechtsvergleichend) v. Bar, RabelsZ 59 (1995), 203 (211); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 125 ff. 1350 Damals zu § 148 PrABG, jetzt geregelt in den §§ 114 ff. BBergG; zum Bergschadensrecht ausführlich unten Teil 4 B.III.1.c). 1351 BGHZ 53, 226 (242 ff.). 1352 Vgl. BGHZ 53, 226 (240 f.). BGHZ 102, 350 (356) ließ daher offen, ob an den Erfordernissen noch festzuhalten ist. 1353 BGHZ 53, 226 (241).

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Die entscheidenden Fragen sind somit, ob die Zulassung eines gefahrenträchtigen Verhaltens, das maßgeblich aus allgemeinstaatlichen oder volkswirtschaftlichen Gründen erlaubt wird, mit einer Einstandspflicht für Schäden verbunden sein muss, und wie dieser Anspruch auszugestalten ist. Die erste Frage ist aus den bereits dargelegten Gründen im Grundsatz zu bejahen: Unter dem Aspekt der Lastengleichheit ist nur schwer zu rechtfertigen, dem einzelnen (zufällig) Betroffenen nicht nur die Substanzeinbuße zuzumuten sondern ihn auch noch dem Risiko auszusetzen, die gebotene Kompensation der finanziellen Nachteile nicht erlangen zu können. Da der Geschädigte sein Opfer im Interesse der Allgemeinheit, der die Ausübung z. B. des Bergbaus zugute kommt, erbracht hat,1354 schuldet sie letztlich zumindest die Sicherstellung der Entschädigung. Die Pflicht des Gesetzgebers, durch Entschädigungsregelungen die Verhältnismäßigkeit einer Befugniseinschränkung herzustellen, endet dann nicht damit, zivilrechtliche Ansprüche überhaupt zu schaffen, sondern setzt sich dahingehend fort, auch für deren praktische Realisierbarkeit besonders zu sorgen.1355 Eine derartige „gesteigerte Verantwortlichkeit“ des Staates1356 besteht typischerweise, wenn dem Verhalten eine besonders hohe Gefährlichkeit zukommt: Die Entscheidung, das schadensträchtige Verhalten zuzulassen, kann dann nicht allein auf das Entfaltungsinteresse des anderen Privaten gestützt werden, sondern lässt sich nur mit den zusätzlich vorhandenen Allgemeinwohlbelange (insbesondere volkswirtschaftlicher Art) rechtfertigen.1357 Verfolgt der Staat mit einer Regelung in signifikantem Umfang Ziele des Allgemeinwohls, steht er als dessen Repräsentant1358 selbst in einer besonderen Verantwortung für die dadurch bedrohten Rechte und Rechtsgüter anderer. Dies führt dazu, dass er dem Betroffenen ein abzusehendes Durchsetzungsrisiko nicht endgültig auferlegen darf, sondern – um den effektiven Ausgleich sicherzustellen – notfalls selbst die Entschä1354

Zu den Gründen der Privilegierung des Bergbaus unten Teil 4 B.III.1.c)dd)(2). Diese Grundsätze klingen bereits in der Pflichtexemplar-Entscheidung des BVerfG an. Nach ihr genügt nicht, denjenigen, der von einer Befugniseinschränkung im Interesse des abstrakten Allgemeinwohls (und damit zu seinem Gunsten) betroffen ist, auf eine mögliche Schadloshaltung bei Dritten im Wege einer Quersubventionierung zu verweisen. Die Erwartung, dass durch das übrige Tätigsein am Markt ein effektiver Ausgleich erzielt wird, basiert auf einer mehr oder weniger spekulativen wirtschaftlichen Betrachtung. Daher ist es i. d. R. unzumutbar, den Eigentümer mit dem Risiko, seine Vermögenseinbußen aus seinen übrigen wirtschaftlichen Aktivitäten oder durch Verteuerung der betreffenden Produkte ausgleichen zu können, zu belasten (BVerfGE 58, 137 (151 f.); vgl. dazu auch BVerfG NJW 2004, 846 (847)). 1356 Auch die Intensität der Schutzpflichten hägt allgemein vom Grad der Mitverantwortlichkeit des Staates ab, die insbes. durch die Erteilung der Genehmigung für das gefährliche Handeln begründet sein kann. Vgl. BVerfGE 53, 30 (58); 56, 54 (79); BGHZ 102, 350 (365); H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (496); ferner Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (237 [m. Fn. 108]). 1357 Hierauf abstellend auch BGHZ 53, 226 (235, 238 f.); vgl. oben C.II.4.b)cc)(1). 1358 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 288. 1355

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digung leisten muss. Bei den gewöhnlichen privatrechtlichen Vorschriften, mit denen nur Konflikte unter Privaten geregelt werden sollen und bei denen die Abwägungsentscheidung nicht von einem eigenen Nutzen „für den Staat/die Allgemeinheit selbst“ geprägt sind, ist eine subsidiäre Haftung des Staates dagegen nicht erforderlich.1359 Eine Pflicht des Staates, zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung der Anspruchsrealisierbarkeit zu ergreifen und notfalls subsidiär einzustehen, besteht allerdings auch in den Situationen, in denen Allgemeinwohlinteressen prägend waren, nicht generell. Vielmehr muss die Gefahr der Nichtrealisierbarkeit aus strukturellen Gründen in besonderem Maße bestehen, was z. B. der Fall sein kann, wenn die Schadenssummen leicht Größenordnungen erreichen, die von einem erheblichen Teil der Schädiger nicht erbracht werden können, und/oder, wenn die Schäden typischerweise erst einige Zeit nach Beendigung der verursachenden Aktivitäten eintreten, so dass u. U. keine Haftungsmasse mehr vorhanden ist.1360 In solchen Situationen ist es dem Bürger nicht zuzumuten, ein Verhalten zu dulden, obwohl abzusehen ist, dass der Ausgleichsanspruch „nur auf dem Papier besteht“ und tatsächlich nicht durchsetzbar sein wird.1361 Dagegen ist eine besondere Sicherung dieser Art entbehrlich, wenn dem genannten Risiko durch andere Mechanismen entgegenwirkt ist, so etwa, wenn die Entschädigung nicht erst nach Eintritt eines konkreten Schadens, sondern „laufend“ zu zahlen ist1362 und die Duldungspflicht bei Ausbleiben der Zahlung suspendiert wird (wie etwa bei § 917 BGB1363; anders bei § 76 TKG). Soweit insgesamt keine besonderen Umstände vorliegen, darf der Gesetzgeber vom Regelfall der Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen ausgehen und darauf vertrauen, dass auch durch die Entschädigungspflicht eines Privaten ein Ausgleich wirksam erfolgt, und deshalb von entsprechenden Maßnahmen absehen. cc) Ergebnis – Möglichkeiten zur Sicherung der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen Die Pflicht des Staates, erforderlichenfalls selbst die Entschädigung zu leisten, wenn Schäden aus dem Verhalten privater Dritter resultieren, hat ihren Ursprung in der allgemeinen Pflicht, eine angemessene Ausgleichsregelung zu treffen. Sie 1359 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 87; inhaltlich ebenso BVerfG NJW 1998, 3264 (3264 f.). 1360 Vgl. BGHZ 53, 226 (239). 1361 Ebenso BGHZ 101, 290 (295 f.), argumentierend mit § 242 BGB. Siehe auch – allgemeiner – Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (153, 164). 1362 Vgl. oben a). 1363 Zutreffend BGH LM BGB § 917 Nr. 12/13; zustimmend MünchKomm/Säcker, § 917 Rdnr. 40; Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 42. Anders Mot. III, 292, die das Problem und die Unterschiede zu § 912 BGB (§ 857 des Entwurfs) zwar sehen, aber eine derartige Sicherung nicht für erforderlich halten.

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setzt voraus, dass die staatliche Verantwortung gesteigert ist, weil bei der Befugnisentziehung genuin staatliche Interessen eine entscheidende Rolle gespielt haben, und das Realisierbarkeitsrisiko strukturell erhöht ist.1364 Liegen eine „gesteigerte Verantwortung“ und ein „strukturelles Ausfallrisiko“ – wie zumeist – nicht vor, verwirklicht sich lediglich das allgemeine Risiko der Insolvenz des Anspruchsgegners, das sich aus dem Zusammenleben der Menschen und der Teilnehme am Rechtsverkehr ergibt und das der Staat grundsätzlich ohne Bedenken dem Einzelnen zuweisen kann. Aus dem Ursprung beim Gebot, einen angemessenen Ausgleich herzustellen, folgt, dass auch im Fall einer besonderen staatlichen Verantwortung nur die Bewirkung eines bestimmten Niveaus, nicht eines konkreten Lösungsergebnisses vorgebeben ist. Der Staat muss daher nicht zwingend selbst sekundär haften sondern kann auch andere Mittel einsetzen, um zu verhindern, dass die Betroffenen mit ihren Ansprüchen ausfallen. Beispielsweise kann er auch andere, ausreichend liquide privatrechtliche Ausgleichsschuldner schaffen, auf deren Schaffung hinwirken oder eine Pflicht zur Deckungsvorsorge (insbesondere durch Pflichtversicherungen) für die betreffenden Tätigkeiten statuieren.1365 Diese Alternativen haben den Vorteil, dass der Staat kein eigenes finanzielles Risiko eingeht und sich der Vollzugsaufwand auf die administrative Überwachung reduziert, ob die Vorsorgeanforderungen eingehalten wurden. Die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung oder sonstige Formen der Deckungsvorsorge werden daher auch vom Gesetzgeber in der Praxis vorgezogen.1366 Der Umstand, dass der Staat derartige Sicherungsinstrumentarien bei Gefährdungshaftungstatbeständen geschaffen hat – und zwar, deshalb, weil eine entsprechende Pflicht implizit angenommen wird – belegt dabei wiederum, dass sich die Gefährdungshaftung für technische Risiken nicht wesentlich von der „Aufopferungshaftung“ unterscheidet. Die Einordnung und Einbindung in die Pflicht, ein sachgerechtes Gesamtinstrumentarium von Schutz vor Beeinträchtigungen und Ausgleich von Schäden zu schaffen, macht schließlich deutlich, dass nicht für jedes Verhalten fremder Personen eine Deckungsvorsorge vorgesehen werden muss. Eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung, auf die ein Zwang zur Deckungsvorsorge praktisch 1364 Vgl. auch Ebenso F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 114. 1365 BGHZ 53, 226 (236 ff.) nennt hierzu besondere Versicherungsgesellschaften, besondere Fonds oder Pflichtversicherungen; vgl. auch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 290. Siehe ferner Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (145 f.), der zutreffend die Pflicht zur Sicherheitsleistung bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen (§§ 708 ff. ZPO) ebenfalls hier einordnet. 1366 So etwa § 1 PflVG i.V. m. §§ 7 ff. StVG und § 19 i.V. m. Anhang 2 UmweltHG (siehe aber § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmweltHG), ferner die Deckungsvorsorge nach §§ 13 ff. AtG sowie § 36 GenTG.

C. Auswirkungen auf Rechtsetzung und Rechtsprechung im Zivilrecht

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hinausläuft,1367 würde vielmehr auch die nachteilige Wirkung entfalten, dass durch die damit bewirkte Verteilung von Schadenskosten auf die Gesamtheit der Versicherten der Anreiz zu gefahrvermeidendem Verhalten für den Einzelnen sinkt („Moral hazard“-Phänomen1368). Ein Versicherungszwang läuft daher grundsätzlich dem Präventionszweck des Haftungsrechts zuwider,1369 sofern nicht entsprechende Kompensationsmaßnahmen wie z. B. eine vom individuellen Verhaltens- und Sorgfaltsmaßstab abhängige Prämienbemessung1370 – die aber oft nur mit Schwierigkeiten praktisch möglich ist – getroffen werden. e) Verjährungs- und Ausschlussfristen Unangemessene Hindernisse bei der Realisierung eines im Gesetz vorgesehenen und verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleichanspruchs dürfen sich schließlich nicht dadurch ergeben, dass seine Geltendmachung nur unter strengen formellen Voraussetzungen oder – praktisch bedeutsamer – innerhalb kurzer Fristen möglich ist. Bestimmungen, die einen Anspruch zum Erlöschen bringen oder dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht einräumen, wenn der Gläubiger ihn nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums geltend macht, dienen zwar grundsätzlich dem legitimen Interesse des Schuldners, nicht für unbegrenzte Zeit Forderungen wegen abgeschlossener Vorgänge ausgesetzt zu sein. Immerhin mag er nach Verstreichen einer längeren Zeit auf die Nicht-Geltendmachung vertrauen; zudem verschlechtern sich die Beweismöglichkeiten für seine Rechtsverteidigung.1371 Bei der Entscheidung, nach welcher Frist ein Anspruch verjähren oder erlöschen soll, müssen aber auch die Belange des Gläubigers berücksichtigt werden. Er muss eine hinreichend realistische Chance haben, die Ansprüche durchsetzen zu können;1372 andernfalls liegt nicht eine insgesamt angemessene Ausgleichregelung vor.1373 Der Gesetzgeber muss somit wiederum einen ange1367 Zu entsprechenden Vorschlägen (dort durch das Ziel motiviert, eine übermäßige Haftung und Belastung des Schädigers zu vermeiden) Canaris, JZ 1990, 679 (680 f.). 1368 Siehe nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 127 f., 129; Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (151, 161). 1369 Näher zur Präventivfunktion oben Teil 2 C.II.4.b)cc)(1), bei Fn. 1320, und unten Teil 3 A.II.3.e). 1370 Vgl. Kötz, FS Steindorff, S. 665 f.; allgemein Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (348); Koch, JZ 1999, 922 (928); Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (369); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (161); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 127 ff., 201 ff.; MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnr. 55. 1371 Speziell dem Vertrauensschutzsaspekt trägt zudem die Verwirkung Rechnung; zu ihren Voraussetzungen vgl. unten Teil 4 A.I.2.b)bb), in Fn. 35. 1372 Vgl. BGHZ 38, 138 (141), das einen Zeitaum von 6 Monaten ab dem Zugang eines ablehnenden Bescheids für unbedenklich hält. 1373 Wie hier Wendlandt, MMR 2004, 297 (301). Dagegen scheint BGH MMR 2005, 690 (692 f.) mehr darauf abzustellen, dass der Ersatzanspruch mit Art. 14 GG in Einklang stehen muss; ebenso wohl – wenn auch nicht deutlich – BGHZ 38, 138 (141).

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Teil 2: Mechanismus der Grundrechtsgeltung im privaten Sachenrecht

messenen Ausgleich zwischen den Belangen beider Personen – dem Realisierungsinteresse des Schuldners und dem Schutzinteresse des Gläubigers – herstellen.1374 Wie der Gesetzgeber die Regelungen konkret ausgestaltet – Fristbeginn nach objektivem oder subjektivem System; Dauer der Frist; Möglichkeiten der Hemmung oder eines Neubeginns – ist auch in dieser Hinsicht nicht im Einzelnen vorgegeben.

1374 Vgl. auch BVerfGE 70, 278 (287); 74, 203 (216 f.); BVerfG Beschl. v. 7.3.2002, Az. 1 BvR 1321/00, Absatz-Nrn. 9 ff., die an die Rechtfertigung von an den Zeitablauf anknüpfenden Rechtsverlusttatbeständen keine hohen Anforderungen stellen, weil der Verlust auf einfache Weise vermieden werden kann.

Teil 3

Grundstrukturen und -prinzipien zentraler sachenrechtlicher Regelungen Die Gewährleistung des Eigentums in Art. 14 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die einfachrechtlichen Bestimmungen schaffen, die erforderlich sind, damit Eigentum als privatnütziges Recht wirken und „funktionieren“ kann. Den wesentlichen Teil der hierzu notwendigen Regelungen bilden die Normen, die die ausschließliche Nutzungsbefugnis des Rechtsinhabers gegen Eingriffe privater Dritter sichern (dazu unter A.). In begrenztem Umfang bedarf es ergänzend dazu gesetzlicher Regelungen, die unmittelbar die Nutzung der Sache durch den Eigentümer betreffen (zu ihnen unter B.). Die zweite große Gruppe von Normen, die der Gesetzgeber bereitstellen muss, stellen die Bestimmungen dar, die das Verfügen über erworbene Rechtspositionen ermöglichen (dazu unter C.).

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums I. Arten und Effektivität einzelner Regelungen zum Schutz absoluter Rechte Dem Staat steht eine Vielzahl von Mitteln zur Verfügung, um die Nutzungsfreiheit des Eigentümers gegen den anderen Bürger zu sichern.1 Die Palette der denkbaren Instrumente reicht dabei vom zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch bis zur Kriminalstrafe.2 Belässt der Staat es dabei, dem Eigentümer zivilrechtliche Abwehransprüche einzuräumen, bleibt die Verwirklichung des Eigentumsschutzes der Initiative (und u. U. dem Geschick) des Rechtsinhabers überlassen: Er muss durch die rechtzeitige Geltendmachung und Durchsetzung seiner Ansprüche einer Schädigung zuvorkommen und kann nur die (Wieder-)herstellung des rechtmäßigen Zustandes verlangen. Günstiger ist für ihn, wenn die Rechtsordnung auch Schadensersatzansprüche vorsieht, da sie zusätzlich gewisse Präventionswirkungen entfal1 Siehe nur Isensee, AfP 1993, 619 (622); ders., FS Sendler, S. 51; ders., FS Großfeld, S. 496; ähnlich Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (322). 2 Vgl. Kötz, FS Steindorff, S. 654 f. (auch S. 656 ff.); F. Peters, JZ 1983, 913 (915, 919); Koller, Theorie des Rechts, S. 307 f.; Di Fabio, Gewissen, Glaube, Religion, S. 71; BVerfGE 67, 213 (223).

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

ten. Eine wesentliche Verbesserung des Rechts(güter)schutzes wird bewirkt, wenn staatliche Stellen der Verwaltung eingebunden werden, die mit präventiven oder repressiven aufsichtlichen Instrumenten aktiv die Einhaltung der gebotenen Anforderungen überwachen.3 Die Einführung präventiver Erlaubnisvorbehalte kann daher aus Gründen des Rechtsgüterschutzes geboten sein.4 Schwierigkeiten bestehen hier allerdings in praktischer wie in verfassungsrechtlicher Hinsicht: Der Staat kann nicht jedes potentiell grundrechtsrelevante Handeln verbieten und von einer Erlaubnis abhängig machen, weil dies die Behörden überlasten und vor allem die Handlungsfreiheit der Bürger zu stark beschneiden würde.5 Der Gesetzgeber wird daher nur einzelne, typischerweise besonders gefahrenträchtige Tätigkeiten herausgreifen und einer präventiven Kontrolle unterwerfen.6 Staatliche Kontrolle ist von der Schutzpflicht besonders dann geboten, wenn den Eigentümern eine Verteidigung ihrer Rechte aus strukturellen Gründen – insbesondere wegen der Prozessrisiken, die z. B. bei Informationsdefiziten besonders groß sind7 – nicht effektiv möglich ist8 oder wenn ein großer Kreis von Eigentümern bedroht ist.9 In den übrigen Fällen spricht nichts dagegen, den Bürger auf die direkte Inanspruchnahme des anderen vor den Zivilgerichten zu verweisen.10 Zi3

Hierzu besonders Steinberg, NJW 1984, 457 (463). Zur Kongruenz der Maßstäbe im unmittelbaren Verhältnis Betreiber-Nachbar und im Dreiecksverhältnis Betreiber-Staat-Nachbar BVerwGE 50, 282 (286; 290); vgl. aber auch BVerwG NJW 2003, 3360 (3361). 5 Vgl. BVerfGE 25, 112 (119 f.), das feststellt, dass ein allgemeines Verbot ein belastenderes Mittel gegenüber einem bloßen Verbotsvorbehalt darstellt; BVerfGE 20, 150 (155, 161 f.): „Art und Umfang staatlicher Kontrolle müssen der tatsächlichen Situation, für die sie geschaffen sind, angepasst sein“. 6 Vgl. BVerfGE 77, 170 (229 f.); BVerfG NJW 1997, 2509 (2509). 7 Dies ist besonders bedeutsam im Anlagengenehmigungsrecht, da ohne detaillierte Kenntnisse des Aufbaus und der Abläufe keine adäquate Einschätzung von Art und Ausmaß der Gefahren möglich ist. Informationsdefizite bestanden auch im Fall der Lebensversicherungs-Übertragungen (vgl. BVerfGE 114, 1 (52 f., 67); BVerfG NJW 2006, 1783 (1785)) und wurden dort als Grund zur Pflicht zu einer genaueren Prüfung durch die Behörden herangezogen. 8 Vgl. Steinberg, NJW 1984, 457 (457 f.); G. Hager, NJW 1986, 1961 (1966 ff.); Steffen NJW 1990, 1817 (1818, 1820 ff.); Baumann, JuS 1989, 433 (437 f.); ferner Isensee, Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 12 ff. 9 Vgl. Medicus, JZ 1986, 778 (784 f.); ferner Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 410 ff. Bei Nachteilen, die zwar eine Vielzahl von Personen betreffen, aber den einzelnen nur (im Verhältnis zum Aufwand der Rechtsverfolgung) gering belasten, unterbleibt die gerichtliche Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche meist (vgl. BVerfGE 114, 1 (51)). – Eine ähnliche Zweispurigkeit kann sich im Hinblick auf die Abwasserleitungsrechte ergeben, wo der privatnachbarrechtliche Anspruch des Eigentümers des Grundstücks auf Gestattung der Durchleitung neben den öffentlich-rechtlichen Zwangsrechten steht, vgl. BGHZ 177, 165 (173 ff.). 10 Ebenso Kraft, BayVBl. 1992, 456 (460 f.) m.w. N. im Hinblick auf die Frage, ob dies eine sachgerechte Ermessensausübung einer Behörde, die eingreifen könnte, darstellen kann. Richtig wird sein, darauf abzustellen, ob effektive Mittel bereitstehen oder die Verfolgung der Ansprüche im Zivilrechtsweg besonders erschwert ist (vgl. OVG 4

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums

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vilrechtliche Mittel erweisen sich im Vergleich zu den Instrumenten, bei denen Hoheitsträger unmittelbar beteiligt sind, oft auch als schonender für den Schädiger und haben zudem Effizienzvorteile.11 Dies gilt insbesondere, wenn die genannten Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung „zivilrechtsintern“ ausgeglichen werden, etwa durch Kausalitätsvermutungen.12 Die am eingriffsintensivste – und deshalb unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit nur behutsam einzusetzende13 – Maßnahme, die zum Schutz von Individualrechtsgütern getroffen werden kann, ist die Androhung strafrechtlicher Sanktionen.14 Mit der verschieden starken Eingriffstiefe korrespondiert die Strenge der Rechtfertigungsanforderungen.15 Die Legitimation der schützenden Normen ergibt sich primär aus der Schutzpflicht, deren konkrete Intensität sich nach Art, Nähe und Ausmaß der Gefahr sowie nach Art und Rang des gefährdeten Rechtsguts bemisst.16 Bedeutsam ist somit zum einen die Nähe des Betroffenen zur Gefahr, zum anderen der Umfang der Gefahr selbst, die allgemein als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenspotential ausgedrückt werden kann. Die

Münster DVBl. 1967, 546 (548); Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (523, 526); BVerwG NVwZ 1998, 395 m.w. N.); zurückhaltender Broß, FS Hagen, S. 364; Steinberg, NJW 1984, 457 (458, 464); auch Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 120 ff. m.w. N. 11 Vgl. Salje, Ökonomische Analyse, S. 170 f.; J. Hager, JZ 1994, 373 (378); Vieweg, Produkthaftungsrecht, S. 331; Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 409. – So dürfte die drohende und sich fast immer realisierende Schadensersatzpflicht bei verschuldeten Verkehrsunfällen in stärkerem Maße zur Beachtung der Straßenverkehrsregeln führen als die bei Verkehrsverstößen drohenden Bußgelder. 12 Siehe nur BGHZ 158, 354 (370 f.), das die §§ 6, 7 UmweltHG auf die Haftung nach dem BBodSchG analog anwendet. Vgl. dazu und allgemein zu Beweiserleichterungen G. Wagner, JZ 2005, 150 (153)); zur Bergschadensvermutung ferner unten Teil 4 B.III.1.c)aa). 13 Vgl. BVerfGE 39, 1 (47); 90, 145 (172); ferner H. A. Wolff, AöR 124 (1999), 55 (74 f.). 14 In zahlreichen Fällen können Menschen nur von der Verletzung fremder Rechte und Rechtsgüter abgehalten werden, wenn die staatliche Verfolgung der Tat und die Auferlegung eines Übels droht (BVerfGE 39, 1 (47)). Dem Gesetzgeber steht dabei ein weites politisches Ermessen zu, welche Schutzmaßnahmen er für zweckdienlich und geboten hält, doch liefern die Schutzpflichten eine verfassungsrechtliche Direktive für den Erlass von Strafnormen, die sich zur Pflicht, Strafdrohungen auszusetzen, verdichten kann (BVerfGE 39, 1 (44, 47); 90, 145 (183 f.); zustimmend Enders, AöR 115 (1990), 610 (629); ferner Isensee, FS Sendler, S. 60; zweifend Rupp-v. Brünneck/Simon, SV in BVerfGE 39, 1 (73)). So wäre der Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 GG an einer gänzlichen Streichung des § 242 und § 303 StGB gehindert [so zu § 303 StGB BVerfG NJW 1984, 1293 (1294); vgl. unten Teil 4 E.II.2.c)aa)]. 15 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 41; ders., JZ 1994, 373 (378); vgl. auch BVerfGE 39, 1 (47); Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 164. 16 BVerfGE 49, 89 (142); 56, 54 (78); zustimmend Enders, AöR 115 (1990), 610 (629); Isensee, HdbStR § 111 Rdnr. 90; vgl. ferner Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (726 f.). – Allgemein zu diesen Begriffen etwa Dietz/Regenfus, Risiko und technische Normung, S. 409 f. m.w. N.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

zur Rechtfertigung einer bestimmten Maßnahme erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ist daher umso geringer, je schwerwiegender der Schaden nach Art und Folgen ist.17 Zwischen dem vom Untermaßverbot Gebotenen und dem durch das Übermaßverbot Untersagten besteht jedoch ein breiter Spielraum.18 Der Gesetzgeber darf daher auch schlicht riskantes Verhalten oder bloße Belästigungen verbieten, obwohl dies verfassungsrechtlich nicht stets determiniert ist.19 Die zivilrechtlichen Instrumente des Rechtsgüterschutzes sind unter diesen Aspekten näher zu betrachten.

II. Zivilrechtliche Abwehr-, Haftungs- und Bereicherungsansprüche Um einen Schutz für private Rechte und Rechtsgüter wie das Eigentum zu bewirken, muss der Gesetzgeber Abwehransprüche schaffen, an die sich entsprechende Rechtsschutz- und Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten anschließen. Dem Eigentümer muss, weil der Schutz gegenüber Dritten dem „Eigentum“ als absolutem Recht wesensimmanent ist,20 grundsätzlich gegen jede nicht erlaubte nachteilige Einwirkung auf seine rechtliche und tatsächliche Herrschaftsposition ein präventiver Rechtsschutz offen stehen. Ein umfassendes Schutzkonzept erfordert weiter, dass die Abwehransprüche durch Ansprüche ergänzt werden, die auf eingetretene Schäden oder sonstige Nachteile reagieren, die aus einer Überschreitung der Befugnisse resultiert sind. Das Zusammenspiel von Abwehr, Schadensersatz und Bereicherungsausgleich wird allerdings dadurch verdunkelt, dass das Gesetz diese Ansprüche von unterschiedlich formulierten Tatbestandsmerkmalen abhängig macht, nämlich der „Beeinträchtigung“ und dem „Fehlen einer Duldungspflicht“ (§ 1004 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB), der „Rechtswidrigkeit einer Handlung“ (§ 823 Abs. 1 BGB) oder der „Rechtsgrundlosigkeit“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Der Zusammenhang dieser Arten von Ansprüchen lässt sich nur erhellen, wenn zunächst Klarheit darüber besteht, was Gegenstand der Beurteilung als „rechtswidrig“ oder „rechtmäßig“ ist.

17

BVerfGE 49, 89 (138) m.w. N. Vgl. F. Peters, JZ 1983, 913 (919). 19 Pietzcker, FS Dürig, S. 355 f., 357; vgl. auch BVerfGE 49, 89 (141); 51, 324 (346 f.); 66, 39 (58); BVerfG NJW 1997, 2509 (2509): Grundrechtsgefährdung im Vorfeld einer relevanten Beeinträchtigung. 20 Stoll, JZ 1957, 137 (139) unter Zitat der Motive; Jauernig/Jauernig, § 903 Rdnr. 2: „Abwehrbefugnis ist Hauptinhalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie“, unter Hinweis auf BVerfGE 24, 367 (400). 18

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums

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1. „Verhalten“ als Anknüpfungspunkt zivilrechtlicher Abwehr- und Ersatzansprüche a) Handlungsunrecht und Erfolgsunrecht Die Frage nach dem Bezugspunkt der Rechtswidrigkeit im Zivilrecht wurde in Anschluss an eine Entscheidung des BGH21 mit den Begriffen „Erfolgsunrecht“ und „Handlungsunrecht“ im Rahmen der § 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1 BGB diskutiert. Sie lässt sich gleichermaßen auf § 1004 BGB übertragen.22 Normen sind ihrem Wesen nach präskriptive Sätze, da sie befehlen, etwas zu tun oder zu unterlassen.23 Adressat eines solchen Rechtsbefehls kann nur eine Person sein, da nur eine Person zu einer freien Willensentscheidung fähig ist, auf die die Norm Einfluss nehmen kann.24 Reine Kausalabläufe sind rechtlichen Vorgaben dagegen nicht zugänglich; Gleiches gilt für den Erfolg am Ende der Kausalkette.25 Neben diesem präskriptiven Charakter kann einer Norm ein Werturteil dahingehend entnommen werden, ob ein bereits erfolgtes Verhalten den in der damaligen Situation anzuwendenden Normen entsprach und damit rechtmäßig war: Wenn § 212 StGB und § 823 Abs. 1 BGB verbieten, einen anderen Menschen zu töten, enthalten sie zugleich26 die Beurteilung, dass eine erfolgte Tötungshandlung rechtswidrig war und deshalb staatliche Sanktionen i. w. S. nach sich zieht.27 Gegenstand eines solchen Urteils nach der Kategorie „rechtmäßig/ rechtswidrig“ ist jedoch wiederum nur das vorangegangene Verhalten einer Person (als normunterworfenes Rechtssubjekt), die den Kausalablauf ausgelöst und 21 BGHZ 24, 21; die Entscheidung bestätigend BGH NJW-RR 1987, 1048 (1048). – Vgl. zum Ganzen auch F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (483 f.), der meint, der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich weder in der Wahl zwischen Handlungs- oder Erfolgsunrechtskonzeption beschränkt (ebenso Lutter/Overrath, JZ 1968, 345 (347)), noch müsse er ein System konsequent durchhalten. Auch Baur geht aber davon aus, dass Handlungsfreiheit und Rechtssicherheit ausreichend gewährleistet sein müssen. 22 Vgl. Stoll, AcP 162 (1963), 203 (passim, z. B. S. 220, 226). So spricht z. B. Wolf/ Wellenhofer, Sachenrecht, § 24 Rdnr. 25, von einem „Zustandsunrecht“; ähnlich P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 134. 23 Koller, Theorie des Rechts, S. 65 ff.; Röhl, JA 1999, 600 (600); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 111, 113; Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (393 f.). 24 Siehe nur Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Einleitung in die Metaphysik der Sitten. IV. (S. 222 ff.); Thomas v. Aquin, Summa theologica I q. 81a. 1 c.; Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 164; Kelsen, FS Nipperdey S. 58, 61; Koller, Theorie des Rechts, S. 66; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 34; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (209 f.). 25 Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (395, 397); ders., NJW 1957, 1707 (1707); Larenz, VersR 1963, 593 (598); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 109 a. 26 Die sog. Bewertungsnormentheorie stellt dies in den Vordergrund, da jeder Setzung eines Imperativs durch den Gesetzgeber die Beurteilung als gut oder schlecht vorangehen muss (so etwa A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 99; vgl. auch Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 136, 142). Auch nach diesem Ansatz geht es aber immer nur um menschliches Verhalten, so dass sich keine anderen Ergebnisse ergeben. 27 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 138.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

so den Erfolgseintritt verursacht hat, nicht die dadurch bewirkte Veränderung der Umwelt (der Erfolg) selbst.28 Die genannten Bestimmungen indizieren daher auch, genau betrachtet, nicht die Rechtswidrigkeit des Todes des Opfers (= Erfolg), sondern der Tötungshandlung. b) Unmittelbare und mittelbare Rechts(guts)verletzungen Diese Erkenntnis schließt nicht aus, ein Verhalten allein wegen des Erfolgs, den es verursacht oder verursachen kann, als rechtswidrig zu bewerten. Aus der Verletzung eines absoluten Rechts oder Rechtsguts lässt sich ohne Weiteres auf die Rechtswidrigkeit des Handelns schließen, wenn das Verhalten vorsätzlich war oder wenn die Beeinträchtigung (für § 1004 BGB) bzw. der Schaden (für § 823 Abs. 1 BGB) unmittelbar herbeigeführt wurde. In diesen Fällen wird durch das Verhalten eine entsprechende Erfolgsvermeidungspflicht verletzt: Jedes direkte Eindringen in die geschützte Rechtssphäre des anderen ist widerrechtlich, sofern nicht ausnahmsweise ein Erlaubnissatz eingreift („Indizwirkung für die Rechtswidrigkeit“).29 Diese Fälle sollten § 823 Abs. 1 und § 1004 Abs. 1 BGB auch ursprünglich ausschließlich erfassen.30 Nicht ohne Weiteres möglich ist der Schluss vom Eintritt eines unerwünschten Erfolgs auf die Rechtswidrigkeit des ihn auslösenden Verhaltens dagegen, wenn die Beeinträchtigungen oder Schädigungen nicht durch ein direktes Aufeinanderprallen von Schädiger und Geschädigtem ausgelöst wurden, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere durch das Verhalten Dritter oder des Geschädigten selbst (sog. mittelbare Schädigungen31). Infolge des höheren Grades an Technisierung, Arbeitsteilung und wechselseitiger Abhängigkeit bewirkt menschliches Fehlverhalten oft nicht mehr sofort eine Schädigung anderer, sondern löst diese erst an einer (zeitlich und/oder örtlich) entfernteren Stelle in der Produktions- und Nutzungskette aus. Gleichzeitig wächst durch die Verkettung und Vernetzung das Risiko von „Fehlern“ anderer, die die Eigenarten der verwendeten Gegenstände und Verfahren und das Verhalten der anderen nicht hinreichend kennen und so die Schäden auslösen. An die Stelle der unmittelba28 Siehe zum Ganzen auch Canaris, FS Deutsch, S. 87; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnrn. 3, 88 ff.; A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 99; Larenz, FG Sontis, S. 137; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b; § 86 IV 1a; Raab, JuS 2002, 1041 (1046); Reinhardt, JZ 1961, 713 (714); abweichend Jansen, AcP 202 (2002), 517 (531); dazu näher unten bei Fn. 99. 29 Siehe nur BGH NJW-RR 1987, 1048 (1048); Bartlsperger, FS Leisner, S. 1014; Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (291 ff., 295); Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 58; Reinhardt, JZ 1961, 713 (717); ferner Deutsch, FS Medicus, S. 79 f. 30 Vgl. F. Peters, JZ 1983, 913 (923) m.w. N.; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (220 f.). 31 Staudinger/J. Hager (1999), § 823 Rdnr. A 9; zur Unterscheidung etwa Stoll, AcP 192 (1963), 203 (206); Raab, JuS 2002, 1041 (1042, 1046); RGZ 157, 187 (190).

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums

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ren Schadensverursachung tritt daher zunehmend die Realisierung einer entfernt begründeten Gefährdung. Als dritte Wirkung der zunehmend engeren Verflechtung und Technisierung ist schließlich die gesteigerte Notwendigkeit zu nennen, sich in gewissen Grenzen auf das Funktionieren von Gegenständen und das normgerechte Verhalten anderer verlassen zu können, weil die fremden Abläufe vom Einzelnen nicht nachvollziehbar, nicht kontrollierbar und daher auch nicht beherrschbar sind.32 Bei derartigen komplexen Abläufen versagt ein erfolgsbezogener Ansatz weitgehend.33 Das Deliktsrecht trägt dem Rechnung, indem es bei den „mittelbaren Schädigungen“ an die Stelle34 der schadensverursachenden Handlung die Verletzung der sog. Verkehrspflichten setzt, die daran anknüpfen, dass eine Gefahr geschaffen wurde, ohne adäquate Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.35 Entscheidend für die Erlaubtheit eines Verhaltens ist, welche Gefahren von der Gesellschaft noch als sozialadäquat hingenommen werden, und welche um der Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen willen untersagt sind.36 Hierfür sind wiederum Art und Ausmaß des Schadens, das Maß der Gefährdung sowie die Möglichkeit des Eigenschutzes die zentralen Bestimmungsfaktoren.37 Anders als bei den unmittelbaren Verletzungen muss die Rechtswidrigkeit mittelbarer Schädigungen durch eine Bewertung anhand dieser Aspekte besonders („positiv“) begründet werden.38 32

Vgl. Möschel, JuS 1977, 1 (3 f.); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (128). Vgl. Stoll, AcP 192 (1963), 203 (206 ff.), der dies darauf zurückführt, dass die klassische Unrechtslehre nicht zwischen dem Verhalten und dem Erfolg differenziert; vgl. ferner Steffen NJW 1990, 1817 (1818): „überaltertes Deliktskonzept . . . des § 823 I BGB“; Jansen, AcP 202 (2002), 517 (540 f.). Vgl. ferner Jonas, Das Prinzip Verantwortung, der ausführt, dass die klassische Ethik es stets mit Pflichten gegenüber Menschen in unmittelbarer Reichweite zu tun hatte (passim, z. B. S. 22 f.). 34 Dies bedeutet nicht, dass für die unmittelbaren und die mittelbaren Verletzungen zwei unterschiedliche Ansätze bestünden (zutreffend MünchKomm/G. Wagner, § 823 Rdnr. 26; J. Hager, in: Staudinger/Eckpfeiler, T. Rdnr. 500). Vielmehr verstehen sich bei eigenhändig-unmittelbarer Zufügung der Rechtsgutsverletzung Existenz und Reichweite der deliktischen Sorgfaltspflichten von selbst, so dass sich eine besondere Suche nach letzteren erübrigt. Anders wohl Stoll, AcP 162 (1963), 203 (206 u. ö.). 35 Siehe nur Bartlsperger, FS Leisner, S. 1014 m.w. N.; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 246; J. Hager, in: Staudinger/Eckpfeiler, T. Rdnr. 501 ff.; Raab, JuS 2002, 1041 (passim, insbes. S. 1042, 1044 f.); H. Roth, JuS 2001, 1161 (1161). – Eine Abgrenzung zwischen „Unterlassen“ und „mittelbarer Verletzung“ ist daher nicht möglich, siehe nur Raab, JuS 2002, 1041 (1042 f.); H. Roth, JuS 2001, 1161 (1161); Röhl, JA 1999, 600 (604)). 36 Deutsch, FG BGH I, S. 675 f.; Staudinger/J. Hager (1999), Vorb zu §§ 823 ff Rdnr. 13; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (233); Vieweg, Produkthaftungsrecht, S. 345; Zippelius, NJW 1957, 1707 (1708); ferner BGHZ 24, 21 (26); v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (108). 37 Prägnant OLG Düsseldorf NJW 1975, 739 (739); siehe ferner BVerfG NJW 1997, 249 (249 f.); BGH NJW 2006, 610 (611); AG Marbach NJW-RR 1988, 346 (347); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (126). 38 Stoll, AcP 162 (1963), 203 (220); Raab, JuS 2002, 1041 (1046). 33

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Aus den erfolgsbezogen definierten Verboten des § 823 Abs. 1 BGB werden so konkrete Verhaltenspflichten abgeleitet; diese werden dort lediglich aus gesetzestechnisch-praktischen Gründen nicht einzeln aufgezählt, sondern durch eine „allgemeine“ Pflicht beschrieben, die Erfolge zu vermeiden. Die erfolgsbezogene Ausdrucksweise des § 823 Abs. 1 BGB erweist sich damit als eine bloße Sammelbezeichnung für sämtliche, im jeweiligen Einzelfall bestehenden Pflichten;39 sie ändert nichts daran, dass nur menschliches Verhalten dem Rechtswidrigkeitsurteil unterliegt und deshalb auch bei Anwendung erfolgsbezogener Normen des Deliktsrechts immer ein Urteil über das Verboten-/Erlaubtsein eines Verhaltens getroffen wird.40 Im Verstoß gegen die Verkehrspflichten liegt die Tatbestandsmäßigkeit und zugleich die Rechtswidrigkeit des Verhaltens,41 ohne dass hierzu zusätzlich ein Schaden eintreten muss.42 Umgekehrt ist ein Verhalten, das diesen Anforderungen genügt, rechtmäßig, und behält diesen Charakter auch dann, wenn es im Einzelfall zu einem Schaden kommt.43 c) Schutzpflichtverletzung wegen mangelnder Möglichkeiten der Abwehr von Störungen und unzureichender Schadensersatzansprüche? Die soeben beschriebenen Konsequenzen des Konzepts vom Handlungsunrecht werfen auf den ersten Blick gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken auf: Soweit ein Recht/Rechtsgut durch ein verkehrsgerechtes Verhalten gefährdet oder beeinträchtigt wird, bestehen weder Abwehransprüche noch Notrechte. Ein Verstoß gegen die grundrechtliche Schutzpflicht liegt hierin jedoch nicht,44 weil der 39 Münzberg, JZ 1967, 689 (693); inhaltlich ähnlich Stoll, AcP 162 (1963), 203 (211). – Der Katalog der in § 823 Abs. 1 BGB genannten und der „sonstigen“ Rechtsgüter gibt dabei vor, im Hinblick auf welche Rechte und Rechtsgüter ein Verletzungserfolg zu vermeiden ist, vgl. Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (396); ders., NJW 1957, 1707 (1708). 40 Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (393); ders., NJW 1957, 1707 (1707). 41 Bartlsperger, FS Leisner, S. 1015; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 642 f.; Raab, JuS 2002, 1041 (1047); Stoll, AcP 162 (1963), 203 (220). 42 Der Eintritt eines Schadens ist für die Rechtmäßigkeit des Verhalten ohne Belang; er ist lediglich Voraussetzung dafür, dass ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz entsteht, vgl. Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (398); ders., NJW 1957, 1707 (1707); F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (468). – Dagegen ist der Schadenseintritt nach der Gegenansicht (unten Fn. 47) konstitutiv für die Rechtswidrigkeit (treffend Soergel/Zeuner, § 823 Rdnr. 3). 43 BGHZ 24, 21 (26); Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (123); Zippelius, NJW 1957, 1707 (1707). 44 Im Kern so aber Reinhardt, JZ 1961, 713 (717); Jauernig/Teichmann, § 823 Rdnr. 50; ferner die Nachweise unten in Fn. 47, die annehmen, dem Verhalten könne aus den o. g. Gründen das Prädikat „rechtswidrig“ nicht versagt werden. – Zutreffend ist der Ausgangspunkt, dass die Schutzpflichten allein an das Erfolgsunrecht anknüpfen, d.h. der Gesetzgeber zum Schutz augefordert ist, sobald eine objektive Verletzung des Rechts gegeben ist, vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 196 f.

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums

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Abwehranspruch gegenüber der Konzeption des Erfolgsunrechts praktisch nicht verkürzt wird. Nach ihr lässt sich erst ex post – nämlich aufgrund des Schadenseintritts – feststellen, dass das Verhalten rechtswidrig war, so dass der Rechtsgutsinhaber keine reelle Möglichkeit hat, die (theoretisch bestehenden) Abwehransprüche rechtzeitig (d.h. vor dem Schadenseintritt) geltend zu machen. Der Handelnde könnte sich stets darauf berufen, dass der Erfolgseintritt gerade nicht sicher ist.45 Der Lehre vom Erfolgsunrecht ist vielmehr gerade entgegenzuhalten, dass bereits im Zeitpunkt des jeweiligen Verhaltens klar sein muss, ob es rechtmäßig oder rechtswidrig ist, weil hiervon abhängt, ob dem anderen Notrechte zustehen.46 Sie führt zu dem sonderbaren Ergebnis, dass aus einem vorschriftsmäßigen Verhalten eine rechtswidrige Verletzung und in der Konsequenz auch eine Notwehrbefugnis resultieren kann.47 Gegen das Konzept des Handlungsunrechts spricht auch nicht der – damit zusammenhängende – Einwand, dass eine Haftung, die nicht ausschließlich auf der Erfolgsverursachung aufbaut, dem Zweck des Deliktsrechts, eine „Schutzordnung für Rechte und Rechtsgüter“ aufzustellen,48 nicht gerecht werde. Ist das Verhalten – nicht: der Erfolg – maßgeblich, bestehen trotz späteren Schadenseintritts u. U. keine Ersatzansprüche. Dies ist jedoch der Preis dafür, dass die Handlungsfreiheit der anderen Personen erhalten bleibt. Eine generelle, rein erfolgsabhängige Haftung würde praktisch jedes nicht evident ganz ungefährliche Verhalten unterbinden, da eine Person kaum eine Lebensregung mehr wagen dürfte.49 Konsequenz wäre, dass zahlreiche Aktivitäten vollständig unterbleiben würden, da selbst ein objektiv sorgfaltsgemäßes Verhalten vor einer Haftung nicht bewahrt. Dies ist zum einen volkswirtschaftlich unerwünscht und würde zum ande45 Für den – wohl auf RGZ 63, 374 zurückgehenden – Fall (bei Reinhardt, JZ 1961, 713 (718) m.w. N.), dass sich ein einer Gasleitung ein Loch befindet, ist daher zu sagen, dass sich aufgrund des Wissens von der Leckage die Frage der Gefahrbeurteilung und damit der Rechtswidrigkeit neu stellt. Sie lautet nunmehr, ob es einem Gaswerksbetreiber, der von einem Leck weiß, erlaubt ist, weiter Gas durch die Leitung zu schicken. Dies ist selbstverständlich zu verneinen (in diesem Sinn auch das RGZ 63, 374 (378)). Solange die Kenntnis aber nicht vorliegt, ist die Fortsetzung des Betriebs rechtmäßig, da vom bloßen Betrieb der Leitung – ex ante gesehen – keine unzumutbaren Gefahren für andere ausgehen. Vgl. auch BGH NZM 2009, 834 (835) und die Anm. Ch. Wolf, JA 2010, 65 (66), zur Bedeutung des Betrachtungs-/Anknüpfungszeitpunkts. 46 Vgl. Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (398); ders., NJW 1957, 1707 (1707); Larenz, VersR 1963, 593 (598); Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 177. 47 Vgl. Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (205 ff.); ferner Stoll, JZ 1957, 137 (139, 140, 142 f.: „sachverhaltsbezogener Unrechtsbegriff“; darstellend BGHZ 24, 21 (26). Zutreffend dagegen Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 252. 48 Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (396); ders., NJW 1957, 1707 (1708); inhaltlich ebenso Stoll, JZ 1957, 137 (139); Bartlsperger, FS Leisner, S. 1023; BVerfGE 49, 304 (319); 96, 375 (399). 49 So wörtlich Zippelius, AcP 157 (1958/59), 390 (397); vgl. ferner ders., NJW 1957, 1707 (1707); Bartlsperger, FS Leisner, S. 1010; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 63 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 325 ff.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

ren die Handlungsfreiheit der Bürger erheblich beschränken, so dass die staatliche Regelung vor dem Übermaßverbot kaum bestehen könnte. Daher ergibt sich aus der mangelnden umfassenden Haftpflicht ebenfalls kein Argument gegen die Konzeption des Handlungsunrechts; diese erweist sich vielmehr als geboten, um die Freiheit der anderen zu erhalten.50 2. Folgerungen für die negatorischen Abwehransprüche a) Rechtswidrigkeit und Duldungspflicht bei den Ansprüchen aus § 1004 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB Der Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens und dem Bestehen von Unterlassungsansprüchen, insbesondere dem aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, ist recht klar zu erkennen:51 Die gesamte objektive Rechtsordnung bestimmt, welches Verhalten rechtmäßig und welches rechtswidrig ist;52 hieraus folgt zugleich, welche Handlungen zu unterlassen sind.53 Bei einer unmittelbaren Einwirkung auf den fremden Rechtsbereich ergibt sich die Rechtswidrigkeit dabei wiederum bereits aus dieser negativen Auswirkung; bei nur mittelbaren Beeinträchtigungen und Gefährdungen folgt sie aus der Verletzung eines Verhaltensgebotes, das dem Schutz des Rechts dient.54 Ein ähnlicher Zusammenhang besteht beim Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Stellt man auf die Verursachung der Beeinträchtigung ab, können die beiden Begriffe nicht gleichgesetzt werden, da es einerseits Fälle gibt, in denen ein Zustand hinzunehmen ist, der aus einem unrechtmäßigen (und somit nicht zu duldenden) Verhalten resultiert,55 und andererseits Abwehransprüche 50

Vgl. dazu auch Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (passim, z. B. S. 124 f., 132, 158). Die beim Beseitigungsanspruch auftretenden Probleme stellen sich hier nicht, siehe nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 III m.w. N.; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 173. 52 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 79; Larenz, NJW 1955, 263; Pfister, JZ 1976, 156 (158); Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778) mit dem Hinweis, dass hierzu auch anerkennenswerte Vereinbarungen zwischen den Privatrechtssubjekten gehören; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2576): naturschutzrechtliche Bestimmungen. 53 Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 173; MünchKomm/G. Wagner, § 823 Rdnrn. 34 ff.; ferner Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 175: Rechtswidrigkeitsurteil „hypothetisch“ auf das bevorstehende Verhalten des Anspruchsgegners bezogen. 54 Vgl. Stoll, AcP 162 (1963), 203 (220 f.); bereits v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (108); RGZ 157, 187 (190). 55 Münzberg, JZ 1967, 689 (690 f.) am Beispiel des § 912 BGB (Fn. 21); ihm folgend Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 67 ff. – Vgl. ferner P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 66 f.; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 3, sowie BGHZ 66, 37 (39); BayObLG NJWE-MietR 1996, 60 (60); Münzberg, JZ 1967, 689 (690 f.), wonach es „nur auf den Widerspruch des bestehenden Zustandes zum Inhalt des Eigentums ankomme“. 51

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums

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auch gegeben sein können, obwohl das Verhalten, das den Störungszustand herbeigeführt hat, rechtmäßig war. So ist nach § 912 BGB ein „entschuldigter“ Überbau zu dulden, obwohl die Errichtung des Bauwerks über der Grundstücksgrenze rechtswidrig war, und muss ein Bauwerk auf fremden Grund auch dann entfernt werden, wenn dessen Errichtung zunächst von einer persönlichen Gestattung des Grundstückseigentümers (oder dessen Einzelrechtsvorgängers) gedeckt war. Dies folgt jeweils daraus, dass für das Unwerturteil die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustands – nicht: dessen Verursachung – maßgeblich ist.56 Allerdings lassen sich Querverbindungen herstellen, da die Pflicht, die Herbeiführung eines nachteiligen Zustandes zu unterlassen, und die Pflicht, einen gleichwohl eingetretenen Zustand zu beenden, regelmäßig korrespondieren.57 Nur in einzelnen Fällen divergieren beide, weil zusätzliche Interessen Einfluss entfalten: Im Fall des § 912 BGB entfällt das Gebot, den bestehenden Überbau zu beseitigen, ausnahmsweise, weil das Werterhaltungsinteresse höherwertiger erscheint.58 Umgekehrt ist die Beseitigungspflicht aufgrund des Vorrangs der privatautonomen Gestaltung ausgesetzt, solange der Eigentümer an die von ihm ausgesprochene Gestattung gebunden ist; nach einer berechtigten Kündigung oder einer Singularsukzession lebt das zunächst suspendierte Beseitigungsgebot wieder auf.59 Somit besteht eine Kongruenz zwischen „Duldungspflicht“ und „Rechtmäßigkeit“, wenn man auf die Aufrechterhaltung (und nicht: die Herbeiführung) des jeweiligen Zustandes abstellt. Da die Rechtswidrigkeit einer früheren, eine kör-

56 Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 173; Westermann/Gursky, § 35 Rdnr. 16: „Fortdauer des Zustands“; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 171; siehe ferner unten Fn. 60. 57 Ebenso in der Sache Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1237 f.) mit Hinweis auf den Folgenbeseitigungsanspruch; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 181: „das Getanhaben-Dürfen (braucht) dem (jetzigen) Dulden-Müssen nicht stets zu entsprechen“; Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 17: „Rechtswidrigkeit . . . typische Erscheinungsform einer nicht duldungspflichtigen Eigentumsbeeinträchtigung“. 58 Siehe nur BGH LM BGB § 912 Nr. 4; Wieling, Sachenrecht, § 23 II 2; F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (491); Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 1; unten Teil 4 B.II.2.a). – Gleiches gilt für die „Froschteich-Fälle“: Die naturschutzrechtlichen Vorschriften stehen nur der Beseitigung bereits bestehender Biotope entgegen, schließen aber die Abwehr von Handlungen, mit denen diese zur Entstehung gebracht werden, nicht aus. Der Nachbar kann daher verlangen, dass die Anlegung des Teichs unterbleibt oder er trocken gelegt wird, solange ihn noch keine geschützten Frösche bewohnen. Der Konstruktion von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 2 a bedarf es nicht. 59 Vgl. BGHZ 66, 37 ff.; ferner BGHZ 157, 301 ff.: Gestattung eines Überbaus ausdrücklich nur auf Zeit; BGH NJW-RR 2003, 953 ff.: Kündigung eines Leitungsgestattungsvertrags; BGH NJW 2007, 2182 (2183); NJW-RR 2008, 827; siehe auch Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 68 f. m.w. N.; sowie F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (481), nach dem eine legal geschaffene Gefahrenquelle zu beseitigen ist.

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perliche Veränderung auslösenden Handlung die Beseitigungspflicht indiziert, hängen auch diese beiden zusammen.60 b) Verschuldensunabhängigkeit der negatorischen Ansprüche Weitere Voraussetzungen weisen die Abwehransprüche nicht auf. Insbesondere kommt es auf ein Verschulden nicht an.61 Das Prädikat „rechtswidrig“ drückt bereits aus, dass ein Verhalten nach der Rechtsordnung nicht hingenommen werden muss.62 Aus dem Charakter als subjektives Recht folgt unmittelbar, dass die zugewiesene Sphäre von anderen einschränkungslos zu achten ist und der Staat Ansprüche schaffen muss, die es dem Inhaber ermöglichen, Beeinträchtigungen abzuwehren. Die staatliche Schutzpflicht wäre verletzt, wenn solche Ansprüche nicht bestünden oder ineffektiv wären. Eine Einschränkung des unbedingt gebotenen primären Rechtsschutzes und ein Verweis auf Schadensersatz würde ein unzulässiges zivilrechtliches „dulde aber liquidiere“ bedeuten.63 Daher muss gegen rechtswidriges Verhalten ohne weitere Voraussetzungen und bedingungslos der Beseitigungs- bzw. der Unterlassungsanspruch (je nachdem, ob gegenwärtiges oder künftiges Verhalten betroffen ist) gegeben sein, der dem Störer aufgibt, sich in seinen Rechtsbereich zurückzuziehen.64 Die in § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB 60 In der Sache ebenso bzw. ähnlich jeweils Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 69: Rechtswidrigkeit wichtiges Indiz für fehlende Duldungspflicht; BGHZ 66, 37 (39); BGH NJW-RR 2003, 953 (955); BayObLG NJWE-MietR 1996, 60 (60); Palandt/Bassenge, § 1004 Rdnr. 12; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 91. – Gegen jeden derartigen Zusammenhang Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 21: Mysterium der Umwandlung eines rechtmäßigen Verhaltens in ein rechtswidriges; kritisch ferner Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 b, 2. 61 So bereits Mot. III, 426; BGH NJW 2003, 3702 (3702); NJW-RR 2006, 270 (271); NJW 1995, 395 (396); RG JW 1910, 654 (654); LG Bad Frankenthal NJW 1955, 263 (263); F. Baur, JZ 1966, 381 (383); Braun, NJW 1998, 941 (942 ff.); Henckel, AcP 174 (1974), 97 (113, 136); Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 15; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 1; Picker, FG BGH I, S. 700 f.; Reinhardt, JZ 1961, 713 (714); schon v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (103 ff.) (Ausnahme: Schikane). Wie Röthel, Jura 2000, 617 (618) (ebenso OLG Düsseldorf DWW 1996, 20 (20 f.)) zuteffend ausführt, kann bei fehlender Verschuldensfähigkeit lediglich das Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage fehlen, da auch ein klagestattgebendes Urteil nicht nach § 890 ZPO vollstreckbar wäre. Anders Neuner, JuS 2005, 487 (489 f.), der gegenüber einem Handlungsunfähigen einen Anspruch verneint, da die Warnfunktion für künftiges Verhalten nicht realisiert werden könne. Mit dieser Begründung kann man aber nur den Bedarf nach einer Verurteilung in Frage stellen, nicht jedoch das Bestehen eines materiellen Anspruchs, wie ihn § 1004 BGB nach ganz h. M. enthält (siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 73 m.w. N.). Neuners Ansatz wäre nur dann zutreffend, wenn der handlungsunfähige Mensch – wie etwa Sachen und Tiere – überhaupt nicht dem Rechtsbefehl unterläge; dies anzunehmen verbietet aber Art. 1 Abs. 1 GG. 62 Stoll, AcP 162 (1963), 203 (231); vgl. auch Reinhardt, JZ 1961, 713 (714). 63 Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (606). 64 Siehe zum Ganzen Mot. III, 426; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 10; Th. Kahl, Anm. LM § 1004 BGB Nr. 217; Picker,

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für den Unterlassungsanspruch statuierte Voraussetzung einer Wiederholungsoder Erstbegehungsgefahr65 steht hierzu nicht im Widerspruch, sondern soll lediglich bewirken, dass klagbare Ansprüche erst bestehen, wenn eine konkrete Gefährdung durch eine andere Person greifbar ist.66 c) Mittel zur Optimierung des negatorischen Schutzes Um den Schutz vor Gefahren zu optimieren, kann der Gesetzgeber über die Schaffung von Ansprüchen gegen gegenwärtige oder bevorstehende Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinausgehen. Beispielsweise räumt der Gesetzgeber mit dem „vorbeugenden Schutzmittel“ 67 des § 907 BGB dem Nachbarn die Befugnis ein, bereits die Errichtung einer Anlage zu verhindern, wenn abzusehen ist, dass von ihr Gefahren ausgehen werden.68 Dem Ziel, den Rechtsinhaber/Rechtsträger nicht auf die (stets unzureichende) Liquidation des Vermögensnachteils zu verweisen und stattdessen optimalen Primärrechtsschutz sicherzustellen, tragen ferner die §§ 883 ff. ZPO Rechnung. Sie sehen die Naturalexekution vor69 und halten situationsangepasste Vollstreckungs-

JuS 1974, 357 (359); ders., FS Gernhuber, S. 340 f., 343, 352; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (231); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1379 ff.; RGZ 48, 114 (118 f.); selbst Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (492 f.); bereits Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Einleitung in die Rechtslehre, § D (S. 231): „Das Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden“. – Ein Zurechnungsgrund, wie er für eine deliktische Haftung zu verlangen ist, ist daher nicht notwendig und darf auch nicht erforderlich sein. Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (606). 65 Zu dieser Ausdehnung siehe nur BGHZ 160, 232 (238); BGH LM § 906 BGB Nr. 19; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 10; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 213 f.; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 11; Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 c; BayObLG NJW-RR 1987, 1040 (1941); F. Baur, JZ 1966, 381 (382 f.). 66 Vgl. Larenz, NJW 1955, 263; oben Teil 2 B.I.5., bei Fn. 230; Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 22 ff. (insbes. Fn. 85). – Bei Schuldunfähigen kann die fehlende Vollstreckbarkeit des Unterlassungsurteils lediglich das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage ausschließen (zutreffend Röthel, Jura 2000, 617 618) m.w. N.; OLG Düsseldorf DWW 1996, 20 (20 f.); oben Fn. 61). Auch hierin liegt aber erkennbar keine unzulässige Beschränkung der Primärschutzmöglichkeit. 67 So RGZ 104, 81 (85); ähnlich F. Baur, JZ 1973, 560 (560); vgl. ferner die Zitate bei jurisPK/Vieweg/Regenfus, § 907 Rdnr. 1 m.w. N.; Henckel, AcP 174 (1974), 97 (99), sowie BGH NZM 2009, 834 (835). 68 Um zu verhindern, dass dem Nachbarn unnötig viele Benutzungsformen frühzeitig abgeschnitten werden, verlangt die Bestimmung, dass Gefahren mit Sicherheit vorauszusehen sind; die Rechtsprechung legt die Norm dementsprechend zutreffend dahingehend aus, dass ein höchster Grad an Wahrscheinlichkeit gefordert wird. Vgl. BGH LM ZPO § 559 Nr. 8; RGZ 134, 254 (256); Deutsch, FG BGH I, S. 676; Staudinger/H. Roth (2009), § 907 Rdnr. 28 m.w. N.; in diesem Sinn bereits Mot. III, 295. 69 Der Gläubiger kann stattdessen auf die Ersatzansprüche übergehen, § 893 ZPO; ob ein solcher Anspruch besteht, ist wiederum Frage des materiellen Rechts (siehe nur v. Thur, JhJb. 46 (1904), 38 (38 f.)).

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mittel bereit, so dass der Rechtsträger im Wege der Zwangsvollstreckung die (Wieder-)Herstellung der Rechtssphäre bewirken kann.70 d) Folgerungen für das Verhältnis von § 903 S. 1 zu § 985 und § 1004 BGB Die vorstehenden Überlegungen weisen auch die Antwort auf die Frage, welchen „normtechnischen“ Charakter und welche Bedeutung § 903 S. 1 BGB, der dem Eigentümer das umfassende Ausschließungs- und Nutzungsrecht an der Sache zuweist, neben § 1004 BGB besitzt. Der Aussagegehalt des § 903 S. 1 BGB wird bisweilen darauf reduziert, demjenigen, der sich eines Rechts an der Sache berühmt, die Darlegungs- und Beweislast für dessen Bestehen aufzuerlegen.71 Die ausgesprochene Vermutung ist nicht ausschließlich prozessualer Art, sondern enthält auch eine materielle Aussage. § 903 S. 1 BGB muss daher als Vermutung einer umfassenden Herrschaftsmacht gegenüber dem Bestehen von Beschränkungen durch Befugnisse anderer Privater jeder Art verstanden werden.72 Eine andere Deutung würde die Auswirkungen des Art. 14 Abs. 1 GG, der den Gesetzgeber zur umfassenden Zuweisung von Befugnissen an den Eigentümer verpflichtet, auf das einfache Recht verkennen: § 903 S. 1 BGB soll den Schutzgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG im Bereich des einfachen Zivilrechts sichern.73. § 903 S. 1 BGB stellt damit einen Grundsatz auf, zu der die befugnisbeschränkenden Regelungen wie in § 906 BGB Ausnahmen bilden.74 Diese Duldungspflichten sind notwendig, um zwischen den grundsätzlich unbeschränkten Herrschaftsrechten mehrerer Eigentümer den notwendigen Ausgleich herbeizuführen und so ein sinnvolles und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.75 Sie treten jedoch – anders als nach dem Verständnis der Innen- oder Immanenztheorie, nach der der Eigentumsinhalt von sich aus be70

Vgl. hierzu Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 24 ff., S. 37 ff. So Kimminich, JuS 1978, 217 (221). – Hieran ist richtig, dass „Rechte“ nur andere absolute Rechte, insbes. beschränkte dingliche Rechte, meint; siehe statt aller Wieling, Sachenrecht, § 8 II b; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 138 (Fn. 87). 72 Ebenso Staudinger/Seiler (2001), Vorbem zu §§ 903 ff. Rdnr. 56, § 903 Rdnr. 4; vgl. ferner Rittstieg, JZ 1983, 161 (162). 73 MünchKomm/Säcker, § 903 Rdnr. 1; Säcker/Mohr, JZ 2010, 440 (441); Sontis, FS Larenz, S. 999; inhaltlich auch Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 901 (924 f.). 74 BGHZ 88, 344 (346); RGZ 50, 225 (228); ebenso RGZ 132, 51 (56) und Picker, FS Gernhuber, S. 326 zu den §§ 904 ff. BGB; Röthel, JZ 2004, 1083 (1084) (§ 906 BGB „rechtshindernde Einwendung“); anders Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (321 ff.) der in den §§ 905, 906 BGB Anspruchsgrundlagen sieht. – Da mit der Aufstellung des Regel-Ausnahme-Prinzips eine zentrale Grundentscheidung getroffen ist, kann man (entgegen C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (457)) § 903 BGB nicht bescheinigen, er sei „anerkanntermaßen inhaltslos“. 75 RGZ 132, 51 (56); BGHZ 88, 344 (346); Wieling, Sachenrecht, § 8 II b. 71

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grenzt sein soll76 – bildlich gesprochen „von außen“ an das Eigentum heran und stellen Beschränkungen desselben dar.77 Dies bringt mit sich, dass § 903 BGB normsystematisch keine Anspruchsgrundlage darstellt.78 Ansprüche gegen andere Personen ergeben sich erst aus den dinglichen Rechtsverwirklichungsansprüchen wie § 985, § 894 und § 1004 BGB. Diese Normen statuieren Ansprüche und geben so dem Rechtsinhaber das Mittel an die Hand, die Anpassung der tatsächlichen Lage an die rechtlich gesollte durchzusetzen zu können.79 Diese subjektiven Rechte korrespondieren mit dem (objektivrechtlichen) § 903 S. 1 BGB in der Weise, dass einer der Ansprüche stets gegeben ist, wenn in den positiven Gehalt des Eigentums eingegriffen wird.80 Einen über § 903 BGB und die übrigen Verhaltensanforderungen hinausgehenden inhaltlichen Aussagegehalt (d.h. dazu, was konkret erlaubt oder verboten ist) beinhalten diese Normen selbst, allen voran § 1004 BGB, dagegen nicht, sondern bewirken nur deren subjektiven Charakter.81 3. Folgerungen für Schadensersatzansprüche a) Haftung für rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten als Regelfall Ein erkennbar enger Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des Verhaltens und dem Bestehen eines Anspruchs besteht im Deliktsrecht. Dem De76 Vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 51 II 2; Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (427 ff.); Staudinger/Seiler (2002), § 903 Rdnr. 3; ferner Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (passim). 77 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 53; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 378 f.; Jauernig/Jauernig, Vor § 903 Rdnr. 2; Liver, FS Gschnitzer, passim, insbes. S. 261 f. Wieling, Sachenrecht, § 8 II b; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 3 Rdnrn. 13 ff. 78 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 53; oben Fn. 74); anders wohl Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 162 f. (dem Eigentümer stehe bereits nach § 903 BGB zu, Einwirkungen anderer ausschließen zu können). 79 Statt vieler Seiler, in: Staudinger/Eckpfeiler, U. Rdnr. 23; Picker, JZ 2010, 541 (547). 80 Vgl. Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 54; Münzberg, JZ 1978, 689 (691: „konsequente Fortentwicklung des bereits in § 903 BGB angesprochenen Gedankens“); Goebel, JR 2002, 485 (485); OLG Oldenburg OLGR 2003, 79 (79); Löhning, JA 2004, 185 (187) (jeweils nur zu § 1004 BGB). Anders (beiläufig) Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (463). – Siehe auch unten Teil 4 B.III.2.a)cc)(1) zum Verhältnis der positiven und der negativen Seite. 81 Sehr fragwürdig ist daher, wenn die h. M. (BGHZ 120, 239 (253); BGH NJW 1985, 1773 (1774); vgl. ferner bei Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 5 m.w. N.) § 1004 BGB als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB ansieht. § 1004 BGB gibt das Instrumentarium, das Eigentum gegen gegenwärtige und künftige Störungen zu schützen; das Deliktsrecht bewirkt einen Ausgleich für bereits erlittene Schäden (dazu sogleich). Ein Rückgriff auf die „Abwehrnorm“ § 1004 BGB im Rahmen der Schadensersatznorm macht daher keinen Sinn. Ablehnend auch H. Roth, JuS 2001, 1161 (1163); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 171, je m.w. N.

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liktsrecht des BGB liegt – wie dem gesamten deutschen Privatrecht – das Verschuldensprinzip zugrunde.82 Insbesondere die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB setzt nicht nur ein objektiv zu vermeidendes (d.h. verkehrspflichtwidriges und auch nicht aus sonstigen Gründen ausnahmsweise gerechtfertigtes) Verhalten des Verursachers voraus, sondern auch ein Verschulden i. S. v. Vorwerfbarkeit. Neben die Tatbestände der Verschuldenshaftung treten die Bestimmungen, die für bestimmte Situationen eine verschuldensunabhängige Haftung vorsehen. Sie knüpfen allein an den Eintritt eines Erfolges an, der auf ein bestimmtes (abstrakt umschriebenes) Verhalten zurückgeführt werden kann. b) Die „Zurechnung“ als Voraussetzung einer Schadensersatzhaftung Der Eintritt eines Schadens an einem Rechtsgut genügt somit nie, um eine Schadensersatzpflicht auszulösen: Soweit das Verschuldensprinzip gilt, muss das schadensauslösende Verhalten rechtswidrig und schuldhaft gewesen sein. Im Bereich der verschuldensunabhängigen Haftung muss der Schadenseintritt auf das jeweils erfasste („riskante“) Verhalten zurückzuführen sein. Die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Voraussetzungen findet ihren Grund darin, dass die Schadensersatztatbestände – anders als die zuvor behandelten negatorischen Ansprüche, die sich gegen gegenwärtige und künftige Verletzungen richten – entscheiden, wer die finanziellen Folgen einer in der Vergangenheit bereits eingetretenen und abgeschlossenen Rechtsgutsverletzung tragen soll.83 Inhalt und Ziel des Anspruchs ist nicht die Wiederherstellung des rechtlich gesollten Zustands durch einen „Rückzug“ des Störers, sondern der Ausgleich einer nachteiligen tatsächlichen Veränderung („Schaden“), so dass durch den Ersatzanspruch eine neue und weitergehende Verpflichtung statuiert wird.84 Die staatlichen Schutzpflichten richten sich zwar auch darauf, Ansprüche dieses Inhalts vorzusehen, da von ihnen ein nicht zu unterschätzender Präventionsanreiz ausgeht; ohne ihn wäre der Rechtsgüterschutz nicht effektiv und nicht komplett.85 Wegen der andersartigen Qualität der Verpflichtung müssen jedoch auch Interessen des Schädigers, für den die Ersatzpflicht zumindest eine Beeinträchtigung 82 Vgl. neben den §§ 823 ff., auch die §§ 989 f. und § 280 Abs. 1 i.V. m. § 241 Abs. 2 BGB; siehe ferner Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088); Kreft, Anm. LM BGB § 906 Nr. 25; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 13; Wieling, LMK 2003, 183 (184). 83 Siehe nur Picker, JuS 1974, 357 (359); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 240 ff.; Katzenstein, NZM 2008, 594 (596, 601); BGHZ 155, 377 (383). 84 Vgl. zum Ganzen Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (489); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460); Picker, FS Gernhuber, S. 340; ders., FG BGH I, S. 751 f.; Reinhardt, JZ 1961, 713 (716); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 67, 70 m.w. N.; eingehend unten Teil 4 B.I.1.a)dd). 85 Vgl. Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (243): „Wiedergutmachung“; Maurer, FS Dürig, S. 314; BGHZ 160, 298 (302 ff.).

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seines Vermögens, meist aber – wegen der Präventivwirkung – auch der entsprechenden Freiheit zum Handeln darstellt,86 stärker berücksichtigt und mit den Schutzinteressen des Rechts(guts)inhabers abgewogen werden. Daher ist, um eine Schadensersatzpflicht eines Grundrechtsträgers rechtfertigen zu können, eine zusätzliche Wertung erforderlich, die sog. Zurechnung.87 Sie fragt danach, ob die Belastung der schadensauslösenden Person mit einer Pflicht zum Schadensausgleich sach- und interessengerecht ist.88 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Haftung für Schäden an fremden Rechtsgütern die systematische Ausnahme bleibt. Die Folgen des Zufall und das allgemeinen Lebensrisikos hat demgegenüber nach dem allgemeinen Grundsatz des „casum sentit dominus“ der Rechtsgutsträger bzw. Rechtsinhaber zu tragen.89 c) Zurechnungsgrund bei der Verschuldenshaftung Im Anwendungsbereich des Verschuldensprinzips sind Erfolgsverursachung und Rechtswidrigkeit nur notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für den Eintritt der Schadensersatzpflicht. Die Zurechnung stützt sich hier darauf, dass vom Schadensverursacher erwartet werden konnte, sich normgemäß zu verhalten (d.h. sein Verhalten „vorwerfbar“ oder „schuldhaft“ war).90 Der Schadensverursacher ist dagegen – gerade weil Recht menschliches Verhalten steuern soll – schutzwürdig, wenn er sein Verhalten nicht ändern konnte oder ihm dies nicht zumutbar war.91 Fehlt ein solcher innerer „Zurechnungsgrund zum menschlichen Willen“ 92, ist die Auferlegung einer Ersatzpflicht i. d. R. unverhältnismäßig.93 86 Siehe nur Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (456); Henckel, AcP 174 (1974), 97 (113). 87 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 1; Looschelders, VersR 1999, 141 (144); Larenz, VersR 1963, 593 (593); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 V 1 (m. Fn. 54); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 14 f. 88 Jansen, AcP 202 (2002), 517 (540); Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (218); Reinhardt, JZ 1961, 713 (716); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 70; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 pr. – Vgl. auch Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 100. 89 Bartlsperger, FS Leisner, S. 1009 f., 1029 ff.; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 274; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (456); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 1; Kötz, FS Steindorff, S. 644 f.; Looschelders, VersR 1999, 141 (144); Picker, FS Gernhuber, S. 340; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 37; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1376 f. 90 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 6; Taupitz, FS Hagen, S. 471; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I pr; Staudinger/Löwisch (2001), § 276 Rdnr. 1; vgl. auch Reinhardt, JZ 1961, 713 (716); Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 174; ferner (zur moralischen und legalen Verantwortung) Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 172 f. 91 Vgl. Deutsch, FS Medicus, S. 78; Goebel, JR 2002, 485 (488); Looschelders, VersR 1999, 141 (144); Medicus, JZ 1986, 778 (783); Zippelius, AcP 157 (1958/59),

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Der denkbare Einwand, ein auf Verschulden aufbauendes System sei nicht hinreichend geeignet und wirksam, um die Mindestanforderungen aus den Schutzpflichten i.V. m. dem Untermaßverbot einzuhalten,94 greift daher nicht durch. Das Veranlasserprinzip, bei dem Schadensersatzansprüche bereits bei objektiver Pflicht- bzw. Rechtswidrigkeit bestehen,95 würde zwar in einer weitaus größeren Zahl von Fällen zu einer Ersatzpflicht führen. Da es bei ihm auf die Vermeidbarkeit im Einzelfall nicht ankommt, wird jedoch eine Wertungsstufe übersprungen, die erforderlich ist, da auch der Anspruchsgegner Grundrechtsträger ist. Sein Interesse, nicht unversehens haften zu müssen, ist beachtlich, damit die – ebenfalls grundrechtlich garantierte – Handlungsfreiheit erhalten bleibt.96 Ebenso wenig beeinträchtigt das Verschuldensprinzip die Präventivfunktion des Haftungsrechts: Werden Schäden durch irrtümliches, entschuldigtes oder nicht steuerbares Verhalten hervorgerufen, versagt von vornherein jede Steuerungswirkung des Rechts. Ohnehin sorgt der objektivierte Sorgfalts- und Verschuldensmaßstab des Zivilrechts97 dafür, dass der Vermeidung von Gefahren die als notwendig angesehene Aufmerksamkeit gewidmet wird.98 390 (396 f.); ders., Rechtsphilosophie, § 34 II; auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 149 ff. – Der Normbefehl besteht freilich auch bei Unkenntnis oder Unmöglichkeit verbindlich fort, Stoll, AcP 162 (1963), 203 (210) m.w. N.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 81. 92 Vgl. Deutsch, FS Medicus, S. 77 f.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 2; F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (478). 93 Der Zusammenhang mit dem Übermaßverbot zeigt sich zum einen an § 829 BGB, der in den Fällen, in denen die Inanspruchnahme des Schuldunfähigen nicht unbillig erscheint, ausnahmsweise einen Ersatzanspruch vorsieht (Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 II; zu den notwendigen Korrekturen und Einschränkungen der Norm, um eine „Gefährdungshaftung aufgrund Vermögens“ zu vermeiden, vgl. Jauernig/Teichmann, § 829 Rdnr. 2; BGH NJW 1962, 2201 (2202)). Zum anderen ist auf den Bereich des Staatshaftungsrechts hinzuweisen. Dort kann mangels geschützter Gegenposition für eine Schadensersatz- oder Entschädigungspflicht genügen, dass auf andere Weise ein hinreichender Ausgleich für erlittenes Unrecht nicht möglich ist, vgl. BGHZ 161, 33 (36 ff.); BVerfG NJW 2006, 1580 (1581). 94 Vgl. die Überlegungen bei Bartlsperger, FS Leisner, S. 1004 ff. unter Bezugnahme auf Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (232). Vgl. ferner BVerfGE 49, 304 (319 f., 323 f.), das erörtert, ob die Belange des einzelnen (d.h. die Schutzpflicht) eine Haftung für grob fahrlässiges Verhalten stets gebieten. 95 Zu diesem Kennzeichen siehe nur Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (229 ff.); Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (passim, insb. 324 ff.). 96 Siehe nur Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 6; Deutsch, FS Medicus, S. 77; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 13; vgl. ferner Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (208), der die Vermutung äußert, eine Deliktshaftung, die unabhängig vom Verschulden ein Einstehen für die bloße Schadensverursachung anordnet, sei verfassungswidrig. – Die oben im Text genannte Folge bemerkend auch Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (229 ff.), der aber im zivilrechtlichen Verschulden wegen dessen Objektivierung (dazu sogleich) nur eine gesteigerte Art von Rechtswidrigkeit sieht; ihm folgend Bartlsperger, FS Leisner, S. 1003 ff. 97 Siehe nur Staudinger/Löwisch (2004), § 276 Rdnrn. 34 ff.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnrn. 113 ff.

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d) Inhaltliche Kongruenz der Verhaltenspflichten bei der Verschuldenshaftung mit den allgemeinen Verhaltensnormen Schichtet man die soeben erörterten „allgemeinen Voraussetzungen“ einer Einstandspflicht für Schäden ab, zeigt sich, dass die Pflichten, deren Verletzung eine deliktische Schadensersatzpflicht auslöst (die „Verkehrspflichten“), inhaltlich mit den Verhaltensanforderungen übereinstimmen, die sich aus der Pflicht zur Achtung fremder Rechte und Rechtsgüter ergeben.99 Der Rechtssatz des § 823 Abs. 1 BGB erweist sich somit rechtstechnisch als Sanktionsnorm,100 die auf dem allgemeinen Verhaltensgebot, fremde Rechte und Rechtsgüter nicht zu verletzen, aufbaut. Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche hängen somit insoweit zusammen, als das Bestehen der letzteren eine tatbestandliche Voraussetzung für einen Ersatzanspruch ist.101 Besonders deutlich zeigt sich diese Wertungsparallelität102 darin, dass im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer schadensverursachenden Immission § 906 BGB heranzuziehen ist.103

98 Vgl. (im Hinblick auf das Produkthaftungsrecht) Vieweg, Produkthaftungsrecht, S. 345; ferner Zippelius, Rechtsphilosophie, § 34 II. 99 Ebenso (ausdrücklich) BGHZ 113, 384 (390); (inhaltlich) BGHZ 120, 239 (249); BGH NJW-RR 2001, 1208 (1208); Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088 f.). Grundlegend anders die Konzeption von Jansen, AcP 202 (2002), 517 ff. (passim, z. B. 533, 545 ff.), der in der Bewertung als „rechtswidrig“ bei § 823 Abs. 1 BGB nur ein Instrumentarium sieht, um einer Person die Haftungsverantwortung für Schäden zuzuweisen. Der Begriff sei daher hier ein „haftungsbezogener“, kein verhaltensbezogener (S. 531). 100 Vgl. – je mit leicht unterschiedlicher Terminologie – Dörner, JuS 1987, 522 (525) m.w. N.; Larenz, VersR 1963, 593 (600) (dort „Haftungsnorm“); Koller, Theorie des Rechts, S. 84 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 92, 115 ff., 121 ff.; Röhl, JA 1999, 600 (601); H. A. Wolff, AöR 124 (1999), 55 (74). 101 Nur anders formuliert RGZ 133, 342 (350): Kann der Eigentümer eine Handlung nicht verbieten, so ist ihm auch der Schadensersatzanspruch versagt; BGHZ 49, 340 (346 f.): Bei schuldhafter Verletzung der Pflicht aus § 1004 entsteht ein Schadensersatzanspruch. Inhaltlich so ferner F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (475); Reinhardt, JZ 1961, 713 (717); Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (298); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 88, 240. 102 Marburger, FS Ritter, S. 906; inhaltlich auch Röthel, JZ 2005, 578 (580). 103 BGHZ 44, 130 (134); 90, 255 (258); 113, 384 (390); 117, 110 (111); BGH LM BGB § 906 Nr. 18; NZM 2010, 756 (757); OLG Stuttgart ZUR 2000, 29 (29); OLG Rostock NJW 2006, 3650 (3651); Baumann, JuS 1989, 433 (435); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 54 (Fn. 74), 247; Hagen, FS Lange, S. 504; G. Hager, NJW 1986, 1961 (1965 f.); Marburger, FS Ritter, S. 906 f.; Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 5 f.; H. Roth, JuS 2001, 1161 (1161 f.); zu § 912 Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 1. – Teils kritisch Steffen NJW 1990, 1817 (1819), da die sachenrechtlichen (und damit eigentumszentrierten) Schutzmaßstäbe nicht zwingend das richtige Niveau bei Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen müssten; siehe ferner Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 6 ff.

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e) Zurechnungsgrund und Präventionswirkungen bei der verschuldensunabhängigen Haftung Im Bereich der verschuldensunabhängigen Haftung muss die Zurechnung auf andere Gesichtspunkte gestützt werden. Sie beruht hier regelmäßig darauf, dass ein Verhalten eine besondere Gefährlichkeit104 aufweist oder sogar unmittelbar zu Schäden führt,105 aber dennoch aus übergeordneten Gründen erlaubt ist. Grund der Zurechnung ist damit die Gefährlichkeit bestimmter Aktivitäten als solcher.106 Die bei der Gefährdungshaftung typische Anknüpfung an die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit als solche trägt dem Umstand Rechnung, dass mit diesen Aktivitäten Schädigungen einhergehen, selbst wenn sie in jeder Hinsicht sorgfaltsgemäß ausgeführt werden. Die Gefahrtragung für das geschaffene Risiko ist daher prinzipiell und umfassend.107 Die Haftpflicht entfällt erst, wenn sich nicht die jeweilige „spezifische Sach- oder Betriebsgefahr“,108 sondern eine andere Gefahr.109 der Zufall oder die „höhere Gewalt“ verwirklicht hat.110 Die vollständige Gefahrenübernahme ist der Preis dafür, dass das Verhalten trotz der in ihm 104 Vgl. Larenz, VersR 1963, 593 (593); Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 418; Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (317); ferner Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (137 ff.). 105 So in den Fällen, die der Aufoperungshaftung zugeordnet werden, vgl. Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (144 ff.). 106 Siehe nur Bartlsperger, FS Leisner, S. 1012; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 251 f.; Deutsch, FG BGH I, S. 675 f.; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (323 ff.); Reinhardt, JZ 1961, 713 (716). – Diese Anknüpfung an die abstrakte Gefährlichkeit einer Tätigkeit ist regelmäßig der entscheidende Schritt, wenn eine Gefährdungshaftung „faktisch“ (unter formaler Anwendung des Verschuldensprinzips) generiert wird. So stellte etwa PrKglObTrE 4, 354 (360 f.) die „Zufälligkeit“ von Bergschäden angesichts der bekannten Gefährlichkeit des Bergbaus in Abrede; das OAG München SeuffArch Bd. 14 Nr. 208 S. 724 (726) nahm an, dass mit culpa handle, wer um die Gefährlichkeit der Dampflokomotiven wisse. Ähnlich die „antizipierte Schuld“ bei Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (222 f.) und das „fingierte Verschulden“ bei Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (327). Heute sind die Sorgfaltsanforderungen im Bereich der Produzentenhaftung (vgl. Deutsch, FS Medicus, S. 78 m.w. N.) oder der öffentlich-rechtlichen Unfallhaftung (vgl. Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (476)) weitgehend einer Gefährdungshaftung angenähert. Vgl. zum Ganzen Larenz, VersR 1963, 593 (597); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (134, 139 f.). 107 Bartlsperger, FS Leisner, S. 1010. 108 So bereits Müller-Erzbach, Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 345: dem Bergbau eigentümliche Gefahren; eingehend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 g, 2; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 359; Larenz, VersR 1963, 593 (598). – Zur „besonderen Tiergefahr“ bei § 833 S. 1 BGB RGZ 141, 406 (407); 49, 219 (221 ff.); Seiler, FS Zeuner, S. 285 ff.; zur „Betriebsgefahr“ bei § 7 StVG BGHZ 105, 65 (67 f., 69); BGH NJW 1988, 2802 (2802); NZV 1990, 424 (425); OLG Hamm NZV 2001, 301 (301); zum Gefahrenbereich des § 2 Abs. 1 HPflG OLG Nürnberg BauR 2003, 733 (737). 109 Vgl. RGZ 158, 34 (38 f.) („Silberfüchse“; dort aber als Kausalitätsproblem behandelt; ebenso in RGZ 49, 219 (221 ff.)); BGHZ 115, 84 (86 ff.) („Schweinepanik“); ferner Kreft, Anm. LM BGB § 148 Preuß. Allg. BergG Nr. 13.

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liegenden Gefährlichkeit für fremde Rechte und Rechtsgüter vom Gesetzgeber erlaubt wurde, weil er es aus überwiegenden Interessen als erwünscht oder zumindest tolerabel ansah.111 Damit ist das Verhalten – ebenso wie in den Aufopferungsfällen, und unbeschadet einer Einstandspflicht für daraus resultierende Schäden112 – rechtmäßig.113 Die Schaffung einer verschuldensunabhängigen Haftung führt zu Belastungen für denjenigen, der die betreffende Tätigkeit ausüben möchte. Da selbst die Einhaltung der größtmöglichen Sorgfalt nicht mehr entlastet, wird das Verhalten, an das die Haftung geknüpft wird, unattraktiv; die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit kann im praktischen Ergebnis sogar einem gänzlichem Verbot gleichstehen.114 Eine Gefährdungshaftung darf daher nur bei Tätigkeiten angeordnet werden, die der Staat aus Gründen des Rechtsgüterschutzes auch vollständig verbieten könnte.115 110 Vgl. Bartlsperger, FS Leisner, S. 1012 f.; Deutsch, FG BGH I, S. 682 ff.; G. Hager, Harmonisierung, S. 788 ff.; Larenz, VersR 1963, 593 (598); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (142 f.). 111 Vgl. Bartlsperger, FS Leisner, S. 1011; Dietz, Technische Risiken, S. 42 f. m.w. N.; Larenz, VersR 1963, 593 (597); Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778); Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (487). 112 Die „Rechtswidrigkeit eines Verhaltens“ ist von der „Ersatzpflicht für eingetretene Schäden“ zu trennen. Der Eintritt eines Schadens kann vom Gesetz durchaus anderweitig negativ bewertet werden (was sich u. a. in einer Ersatzpflicht äußert); dies nötigt jedoch nicht, den Erfolg selbst als rechtswidrig zu bezeichnen (so aber wohl Stoll, JZ 1957, 137 (142)). Vgl. oben bei Fn. 28. 113 Wie hier BGHZ 24, 21 (26); 85, 110 (113); 105, 65 (68, 69); BGH NJW 2011, 2518 (2519); RGZ 141, 406 (407); PrKglObTrE 4, 354 (366); F. Baur, FG Sontis, S. 1825; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 244, 252; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnrn. 7, 362; Deutsch, FG BGH I, S. 678; Larenz, VersR 1963, 593 (597); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 3 a; Staudinger/J. Hager (1999), Vorb zu §§ 823 ff. Rdnr. 30 m.w. N.; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 169; Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778); Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 19; Jauernig/Teichmann, Vor § 823 Rdnr. 9; Zippelius, NJW 1957, 1707 (1708); ders., Rechtsphilosophie, § 34 II; zur Argumentation vgl. ferner Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 20 f. – Anders (d.h. Haftung für rechtswidriges Verhalten) BGHZ 117, 110 (111); P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 144; Seiler, FS Zeuner, S. 279 ff. (insbes. S. 289 ff., 292); ferner Dietz, Technische Risiken, S. 42 m.w. N., der aber S. 43 die Gefährdung als erlaubt ansieht. 114 Die Austauschbarkeit von Verbot/Gebot und Kostenauferlegung zeigt sich gerade darin, dass inzwischen auch in klassischen Bereichen der hoheitlichen Verwaltung das Mittel der Kosteninternalisierung herangezogen wird, um das gewünschte Maßnahmeziel zu erreichen. Als Beispiel kann die abfallrechtliche Produktverantwortung genannt werden, bei der die Pflicht zur Entsorgung der Produkte einschließlich der Kostentragung zu möglichst schadstoffarmen und verwertungsfreundlichen Produktkonstruktionen führt, was mit Befehl und Zwang kaum realisierbar wäre; vgl. ausführlich Di Fabio, NVwZ 1995, 1 (2); vgl. ferner F. Peters, JZ 1983, 913 (914). 115 Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (458) nach Larenz, VersR 1963, 593 (597). Kritisch dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a (folgend Bensching, Nachbar-

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Sowohl das Erfordernis, die Gefahrenverantwortlichkeit und Risiken zu bewerten und mit den Vorteilen abzuwägen,116 als auch die absolute Einstandspflicht selbst führen dazu, dass eine verschuldensunabhängige Haftung der ausdrücklichen gesetzgeberischen Anordnung bedarf. Die mit der Einführung der verschuldensunabhängigen Haftung konkludent ausgesprochene Entscheidung, dass das betreffende Verhalten trotz seiner Gefährlichkeit erlaubt ist und daraus resultierende Schäden von den anderen hinzunehmen sind, muss von der Legislative getroffen werden, da der (an sich vorrangige) Primärschutz weitgehend hintangestellt und lediglich Vermögensausgleich betrieben wird. Zudem verlangen die Grundrechte des Bürgers, der diese Tätigkeit ausüben will, eine Entscheidung des Gesetzgebers, da mit der verschuldensunabhängigen Haftung die betroffene Tätigkeit faktisch reglementiert wird. Für den Bürger muss ferner ex ante klar erkennbar sein, dass die Tätigkeit Schadensersatzpflichten nach sich ziehen kann.117 Schließlich setzt auch die die erstrebte „Steuerung des Aktivitätsniveaus“, d.h. die Reduzierung des Einsatzes einer gefährlichen Tätigkeit auf Bereiche, in denen die Vorteile ihrer Nutzung klar überwiegen,118 die Erkennbarkeit der Haftung voraus.119 Die gesetzgeberische Entscheidung muss sich dabei nicht nur auf das „Ob“ erstrecken, sondern auch zahlreiche Details regeln, so etwa, wie das Verhalten umschrieben wird und welche Risiken erfasst sein sollen,120 sowie die Rechtsfolgen der Haftung.121 Hierdurch kann der Gesetzgeber die Haftung

rechtliche Ausgleichsansprüche, S. 252), da ein Verbot des Autofahrens oder des Flugverkehrs lächerlich und wirklichkeitsfremd erscheine. Angesichts der immensen Zahl von Verkehrsopfern pro Jahr könnte der Gesetzgeber allerdings sehr wohl ein anderes Schutzkonzept verfolgen. Wäre um die Jahrhundertwende die Ablehnung neuer Risiken so groß gewesen wie gegenwärtig gegenüber der friedlichen Nutzung der Kernenergie, hätte der Gesetzgeber das Autofahren wohl nicht zugelassen. 116 Siehe nur Steffen NJW 1990, 1817 (1819); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 115 f.; BGHZ 105, 65 (68); ferner Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (140 ff.), der den Abwägungsspielraum betont. 117 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 274; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 b. 118 Vgl. Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnr. 355; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 191 ff.; MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnrn. 51 ff.; oben Teil 2 C.II.4.b)cc)(1). 119 Siehe dazu nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 199 f.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 256 f. 120 Der Gesetzgeber kann einzelne Arten von Risiken explizit ausnehmen, wie etwa in § 3 ProdHaftG für die Entwicklungsrisiken (Vieweg, Produkthaftungsrecht, S. 365 ff.), oder ein bestimmtes Maß an Risiko von der Haftung freistellen, bei Kraftfahrzeugunfällen etwa das „unabwendbare Ereignis“ (bis zum 31.7.2002 für nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. allgemein, jetzt noch gem. § 17 Abs. 3 StVG im Verhältnis der Halter untereinander) oder die „höhere Gewalt“ (§ 7 Abs. 2 StVG n. F.; vgl. ferner oben bei Fn. 110). 121 Hier sind insbes. die Haftungshöchstbeträge (zu deren Kompensationscharakter vgl. Filthaut, VersR 1992, 150 (150)) sowie die Frage, ob auch Schmerzensgeld zu zahlen ist (vgl. die Rechtslage vor und nach dem 2. SchÄndG v. 19.7.2002), zu nennen.

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austarieren, damit die wirtschaftliche Belastung zumutbar bleibt und das – an sich erwünschte – Verhalten nicht wegen der strengen und u. U. unversicherbaren Haftung vollständig unterlassen wird.122 Die Tatbestände, bei deren Erfüllung verschuldensunabhängig gehaftet wird, müssen daher durch eine gesetzliche Regelung genau definiert sein. Eine Blankettnorm, die für „jedes besonders gefährliche Verhalten“ eine Gefährdungshaftung anordnet, würde nicht genügen, da die Unterscheidung von „gefährlichem“ und „ungefährlichem“ Verhalten zu undeutlich ist.123 Eine verschuldensunabhängige Haftung – mag sie als Gefährdungshaftung oder als Aufopferungshaftung einzuordnen sein – steht daher unter dem Vorbehalt einer ausdrücklichen, bestimmten, enumerativen Regelung.124 Dies verbietet erst recht, eine allgemeine Gefährdungshaftung dadurch zu implementieren, dass die Rechtsfolgen der Beseitigungsansprüche extensiv ausgelegt werden125 oder schlicht der Gedanke moDenkbar – im deutschen Recht aber derzeit kaum feststellbar – wäre auch eine Differenzierung danach, welche Rechtsgüter und Rechte von der Haftung erfasst sein sollen; Kriterium wäre dabei insbesondere die Kompensationsfähigkeit des Schadens. Vgl. Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (142). 122 Vgl. Gieseke, FS Hedemann, S. 126; Larenz, VersR 1963, 593 (599); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (132). 123 Hubmann, JZ 1958, 489 (492); Picker, FS Gernhuber, S. 365; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 115 ff.; vgl. auch Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (222). 124 BGHZ 55, 229 (232 f., 234); 63, 234 (237); 92, 357 (360, 362); BGH NJW 1981, 2457 (2458); Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088); Bartlsperger, FS Leisner, S. 1011; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 252 f., 274; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (455, 459); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnrn. 7, 363; Deutsch, FG BGH I, S. 679; Dietz, Technische Risiken, S. 46; Staudinger/J. Hager (1999), Vorb zu §§ 823 ff. Rdnr. 19; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 170 ff.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnrn. 334 ff.; Krahe/Middelberg, zfs 2002, 557 (558, 561); Kreft, Anm. LM BGB § 148 Preuß. Allg. BergG Nr. 13; Larenz, VersR 1963, 593 (597); Lettl, JuS 2005, 871 (872); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 114 ff.; Medicus, FS Hagen, S. 165; Picker, FS Gernhuber, S. 365; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 5, 13; Taupitz, FS Hagen, S. 472; im Grundsatz auch Staudinger/J. Hager (1999), Vorb zu §§ 823 ff. Rdnr. 29; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 b, die lediglich eine Einzelanalogie zulassen, wenn dies unter Gleichbehandlungsaspekten geboten ist und daher hohe Anforderungen an die Ähnlichkeit der Situation stellen. – Rechtsvergleichend ist festzustellen, dass auch im englischen Recht zunehmend Skepsis gegen die durch Reylands v. Fletcher begründete Doktrin einer Gefährdungshaftung bei „gefährlichen Aktivitäten“ geäußert wird, vgl. House of Lords, Transco plc. v. Stockport Metropolitan Borough Concil, (2004) 1 All ER 589 (dazu van Boom, ZeuP 2005, 618 (624 ff.)), und zwar gerade, weil die Haftung erkennbar sein soll (opinion of Lord Hoffmann, Tz. 44). Vgl. ferner die Analyse der Rechtslage in zahlreichen Mitgliedstaaten der EG bei van Boom, ZeuP 2005, 618 (632, 634 f.). Für das österreichische Recht nimmt die Rechtsprechung demgegenüber einen allgemeine Gefährdungshaftung für gefährliche Anlagen an, vgl. Koller, Theorie des Rechts, S. 228 f. 125 So der Vorschlag von Linckelmann, JW 1909, 8 (8): „actio negatotia in ihrer restitutorischen Funktion“; ders., ArchBürgR 24 (1904), 238 (241): „Der Wiederherstellungsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch, funktioniert aber als solcher“. Einge-

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bilisiert wird, dass der Ersatzanspruch an die Stelle des – aus tatsächlichen Gründen nicht durchsetzbaren – Abwehranspruchs tritt126. Die Haftung für rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten muss damit den Normalfall und das Gebotene darstellen, zumal bei ihr der Rechtsgüterschutz tendenziell stärker verwirklicht ist; die verschuldensunabhängige Haftung muss die qualitative und quantitative Ausnahme bilden.127 Der Staat darf nicht vorschnell gefährliche Verhaltensweisen legalisieren und den Betroffenen auf den finanziellen Ausgleich verweisen. Dennoch kann eine verschuldensunabhängige Haftung erforderlich werden, wenn auf andere Weise der Rechtsgüterschutz nur in noch geringerem Umfang verwirklicht werden könnte. Indem selbst sorgfaltsgemäße Verhaltensweisen durch die Haftpflicht sanktioniert werden, übt diese eine – wenn auch nur abstrakt-reglementierende – steuernde („erzieherische“ 128) Wirkung aus: Die mit der Haftung verbundenen internen Kostenwirkungen führen dazu, dass das gefährliche Handeln nur eingesetzt wird, wenn der zu erwartende Gesamtnutzen größer ist als die drohende Haftung. Auf diese Weise wird eine ideale Güter- und Ressourcenallokation bewirkt und das Risiko für fremde Rechtsgüter minimiert, weil das gefährliche Verhalten nicht bei jeder denkbaren Möglichkeit eingesetzt wird („Prävention im betriebswirtschaftlichen Sinne“).129 hend unten Teil 4 B.I.1.a)dd). – Einer Analogiebildung steht überdies entgegen, dass historisch ein allgemeines Einstehen für ein Betriebsrisiko als dem BGB fremd angesehen wurde und Spezialgesetzen überlassen bleiben sollte (Stoll, JZ 1957, 137 (138, m. Fn. 11) unter Hinweis auf die Protokolle; Hubmann, JZ 1958, 489 (489)), und dass das Verschuldenserfordernis den Regelfall bildet [oben A.II.3.e)], so dass eine beredte und planvolle Lücke vorliegt (siehe nur Picker, FS Gernhuber, S. 363). 126 So Linckelmann, ArchBürgR 24 (1904), 238 (Fn. 7). Dagegen bereits Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (487); eingehend Picker, FS Gernhuber, S. 360 f.; vgl. ferner oben Teil 2 C.II.2. 127 Siehe zum Ganzen v. Bar, RabelsZ 59 (1995), 203 (206); Deutsch, FG BGH I, S. 679 ff.; Bartlsperger, FS Leisner, S. 1003; Koch, JZ 1999, 922 (928); Kötz, FS Steindorff, S. 646 ff.; Leisner, VVdStRL 10 (1963), 185 (202); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (148, 151): Steffen NJW 1990, 1817 (1820); M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2652). – Eine rein ökonomische Betrachtung genügt daher dem Vorrang des Schutzes (vor allem der immateriellen) Rechtsgüter nicht (siehe nur Bartlsperger, FS Leisner, S. 1021, Fn. 73), da so Schäden erkauft würden. Auch die ökonomische Analyse des Rechts erkennt aber, dass der als Gerechtigkeitsideal gesetzte Standard nicht mit dem volkswirtschaftlich optimalen Maß übereinstimmen muss, vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 156 ff. 128 Kötz, FS Steindorff, S. 645 m.w. N. 129 Siehe zum Gesamten Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdnrn. 7, 355; Jansen, AcP 202 (2002), 517 (535 f.); Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnrn. 343 ff.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 211 f.; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (322); ders., Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 341; Salje, Ökonomische Analyse, S. 157 f., 167; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 192 ff.; Schulte, JZ 1984, 297 (298); MünchKomm/G. Wagner, Vor § 823 Rdnr. 40. – Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (137 ff.) differenziert in diesem Zusammenhang zwischen „unnötigen Risiken“ (hierzu gehören die Luxustiere nach § 833 S. 1 BGB; ob man die Fälle des § 29 BJagdG ebenfalls hier einordnen kann, scheint dagegen fraglich, da durchaus ein übergeordnetes Interesse an einer artenreichen Wildtierfauna besteht) und

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Angebracht ist eine Gefährdungshaftung somit, wenn Rechte und Rechtsgüter durch ein bestimmtes, an sich erwünschtes Verhalten gefährdet werden und daher für Schäden besonders anfällig sind, ohne dass sich deren Träger der Gefahr entziehen kann.130 Die Haftpflicht stellt dann ein gegenüber dem Totalverbot milderes, aber durchaus effektives Steuerungsmittel dar. f) Art und Umfang der Ersatzleistung Der Vollständigkeit halber ist noch anzumerken, dass auch die §§ 249 ff. BGB, die Art und Umfang der Schadensersatzpflicht festlegen, vom Vorrang der Substanzgarantie und von Verhältnismäßigkeits-/Zumutbarkeitsüberlegungen131 geprägt sind. Das Grundprinzip der Naturalrestitution (§ 249 BGB) verfolgt dabei zunächst maximal das Integritätsinteresse des Geschädigten,132 weil ihm allein auf diese Weise ermöglicht wird, die ihm vertraute Sache instand zu setzen und sich so deren Gebrauchsmöglichkeit zu erhalten.133 Das Interesse des Ersatzpflichtigen, nicht unvernünftige Herstellungsaufwendungen ersetzen zu müssen, setzt sich erst durch, wenn die aufzuwendenden Kosten den erlittenen Vermögensverlust wesentlich überschreiten. Die Ersatzpflicht beschränkt sich dann auf den Ausgleich der Vermögensdifferenz (Kompensation, § 251 BGB).134 Im Schadensersatzrecht setzt sich somit der Vorrang der Substanzgarantie vor der Wertgarantie fort.135

„aus übergeordneten Gründen erlaubten Risiken“. Die Allokationsüberlegungen gelten nur für letztere. Bei den unnötigen Risiken ist die Argumentation dahingehend zu modifizieren, dass der Tielhalter abwägen muss, ob er die finanziellen Haftungsrisiken um des Luxus’ wegen in Kauf nimmt oder nicht. In beiden Fällen ist jedoch gemeinsam die Frage vorrangig, ob das Risiko überhaupt zugelassen werden darf; hier wird sich ein auch volkswirtschaftlich erwünschtes Produktionsinteresse eher durchsetzen als ein allein ideelles Interesse. 130 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a; Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (138 f.); Kreft, Anm. LM BGB § 148 Preuß. Allg. BergG Nr. 13; ähnlich Goebel, JR 2002, 485 (487). 131 Beleg hierfür ist, dass die §§ 249 ff. BGB in Staatshaftungsfällen (d.h., wenn sich der Anspruch aus § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG ergibt), eigene Anwendungsregelungen erfahren, vgl. BVerfG NJW 2003, 125 (125 f.); Unterreitmeier, DVBl. 2005, 1235 (1237). – Zum o. g. Zusammenhang ferner BGHZ 143, 1 (6) m.w. N.; Looschelders, VersR 1999, 141 (144 ff.); Simon, AcP 204 (2004), 264 (288 f.). 132 Vgl. BGHZ 142, 172 (180), der in der Beschränkung hierauf keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken sieht; ferner Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (414 f.); Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1139 f.). 133 Vgl. zum Vorrang der Naturalrestitution insgesamt Stürner, AfP 1998, 1 (5 f., 8). 134 Vgl. BGH NJW 2009, 742 (743). 135 Vgl. Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1139 f.).

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4. Folgerungen für Bereicherungsansprüche Zu untersuchen bleibt der Zusammenhang der Abwehransprüche zum Bereicherungsrecht, speziell zur allgemeinen Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Gegen eine innere Verbindung dieser Ansprüche und zur Kategorie „rechtmäßig/rechtswidrig“ scheint zu sprechen, dass die früher vertretene Ansicht, nach der sich der kondiktionsauslösende Tatbestand gerade durch die Rechtswidrigkeit der vermögensverlagernden Handlung auszeichne,136 inzwischen ganz überwiegend abgelehnt wird. Stattdessen wird darauf abgestellt, ob in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts eingegriffen wurde.137 Dieses Kriterium soll berücksichtigen, dass eine Bereicherung auch durch Naturereignisse und sonstige unbeherrschbare Vorgänge138, die nicht „rechtmäßig/rechtswidrig“ sein können, sowie durch Handlungen des Berechtigten139 ausgelöst werden kann.140 Querverbindungen lassen sich allerdings auch hier feststellen. Stattet die Rechtsordnung eine bestimmte Person exklusiv mit einer Nutzungsbefugnis aus, weist sie i. d. R. zugleich die daraus resultierenden Vermögensvorteile zu.141 Dem entsprechend wird für den „Zuweisungsgehalt“ darauf abgestellt, ob die Position ihrem Inhaber wie Eigentum nach § 903 S. 1 BGB eine Ausschließungs- und Zuweisungsfunktion, also negative und positive Befugnisse, verleiht.142 Von den Herausgabe- und Abwehransprüchen unterscheidet sich die Situation lediglich darin, dass nach einem kondiktionsauslösenden Ereignis die Güterverteilung in 136 Darstellung und Nachweise bei Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 89 ff.; Kleinheyer, JZ 1970, 471 (471); MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnrn. 240 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 704; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 195. 137 Seit v. Caemmerer, FS Rabel Bd. 1, S. 353 ff., 396 ff.; siehe nur BGHZ 82, 299 (306); 99, 244 (247); 107, 117 (120); BGH ZfB 122 (1981), 425 (429); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 148 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1 b; MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnrn. 244 ff.; Staudinger/St. Lorenz (2007), § 812 Rdnr. 23. 138 Beispiel (wiedergegeben bei Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 708): Kühe grasen eine fremde Wiese ab; vgl. ferner Staudinger/St. Lorenz (2007), § 812 Rdnr. 30; Jauernig/Stadler, § 812 Rdnr. 63. 139 Beispiel (bei v. Caemmerer, FS Rabel Bd. 1, S. 352; Kleinheyer, JZ 1970, 471 (475); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 708): Ein Hausmeister verwendet irrtümlich eigene Kohlen zur Heizung fremder Wohnungen. 140 Vgl. zum Ganzen MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnr. 231; Canaris, FS Deutsch, S. 87 m.w. N. 141 Siehe nur Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 708; Kleinheyer, JZ 1970, 471 (472); MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnr. 244; Picker, JZ 2010, 541 (546 ff.). 142 Vgl. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 709; Jauernig/Stadler, § 812 Rdnrn. 51 ff.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 176. – Zur Diskussion, welche Positionen über einen ausreichenden Zuweisungsgehalt verfügen, vgl. v. Caemmerer, FS Rabel Bd. 1, S. 396 ff.; Mestmäcker, JZ 1958, 521 (524 ff.); Kleinheyer, JZ 1970, 471 (474 ff.); sowie bei Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 485 ff.

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einer Weise verändert ist, dass die bloße Beendigung der Störung nicht mehr genügt, um den „rechtlich zutreffenden“ Zustand herzustellen. Da irreversible Verschiebungen eingetreten sind, muss eine Rückabwicklung auf der Ebene des Vermögens erfolgen.143 Dabei ist unerheblich, ob man für die Ausgleichspflicht und deren Beschränkung in § 818 Abs. 3 BGB maßgeblich an das fortbestehende unberechtigte Haben des Kondiktionsschuldners144 oder den kondiktionsbegründenden Akt in der Vergangenheit145 anknüpft. Nach beiden Ansätzen ist maßgeblich, ob ein Widerspruch zwischen der Güterverteilung, die sich bei Achtung und unbeeinflusster Ausnutzung der absoluten Rechte ergeben hätte, und der tatsächlich vorhandenen Güterverteilung besteht.146 Die Zuweisungslehre unterscheidet sich damit von dem früheren Ansatz, der auf die Rechtswidrigkeit abstellte, lediglich darin, dass sie die Fälle ausscheidet, in denen der Rechtsinhaber nicht einmal selbst durch entgeltliche Erteilung einer Gestattung einen Vermögensvorteil erlangen hätte können.147 Die Entgeltfähigkeit ist als „Tatbestandsmerkmal“ erforderlich, weil das Bereicherungsrecht nur abschöpfen soll, was in das Vermögen eines anderen gehört; hieran fehlt es, wenn eine Entgeltfähigkeit nicht gegeben ist.148 Das unberechtigte Haben des Kondiktionsschuldners bzw. die Erfüllung des Kondiktionstatbestandes149 beruht gleichwohl letztlich auf der rechtlichen Zuteilung der Güter, die auch Grundlage der allgemeinen Verhaltensanforderungen ist. Somit ist auch im Hinblick auf Abwehransprüche und Eingriffskondiktion ein Gleichlauf erkennbar,150 da beide Rechtsinstitute an die gleiche Abgrenzung der Rechtssphären durch absolute Rechte und Rechtsgüter anknüpfen151 und deren

143 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1 b; Canaris, FS Deutsch, S. 87; ferner Ellger, Bereicherung durch Eingriff , S. 157 ff., 176 (das absolute Recht betonend); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 72 (den negatorischen Anspruch betonend) 144 So Picker, FS Gernhuber, S. 338, 343; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 67, 72; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460). § 818 Abs. 3 BGB enthält nach dieser Sichtweise den Grundsatz, dass die Bereicherung im Schuldnervermögen fortbestehen muss. 145 So Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 12; ferner Staudinger/St. Lorenz (2007), Vorbem zu §§ 812 ff. Rdnr. 1. Nach dieser Ansicht stellt § 818 Abs. 3 BGB eine Privilegierung des Pflichtigen dar, weil es an einem Zurechnungsgrund für eine Schadensersatzhaftung fehlt. 146 Formulierung in Anlehnung an Picker, FS Gernhuber, S. 334; vgl. auch (allein auf die absoluten Rechte abstellend) Ellger, Bereicherung durch Eingriff, passim, insbes. S. 170 ff. 147 Vgl. MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnrn. 248 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1 c, d; BGHZ 99, 244 (247 f.), 107, 117 (120 f.). 148 MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnr. 248; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1 d. 149 Zu diesen beiden Ansätzen siehe oben Fn. 144 und 145. 150 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1407; Pfister, JZ 1976, 156 (157). 151 Besonders deutlich wird dies etwa in BGH ZfB 122 (1981), 425 (429); siehe ferner MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnr. 249; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 176.

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Schutz i. w. S. und Verwirklichung bezwecken.152 Dem Umstand, dass die Vermögensverschiebung u. U. schuldlos oder sogar ohne Zutun des Anspruchsgegners erfolgt ist, wird durch die Orientierung des Anspruchs (nach Art und Umfang) am gegenwärtigen Vorteil Rechnung getragen.153 5. Zwischenergebnis Zwischen den drei Klassen von Eigentumsschutzansprüchen i. w. S. lassen sich wesentliche Übereinstimmungen feststellen.154 Die einzelnen Ansprüche unterscheiden sich nicht dadurch, dass sie auf verschiedene Handlungen und Unterlassungen reagieren, sondern darin, dass sie unterschiedliche (Folge-)Erscheinungen verhindern, rückgängig machen oder kompensieren. Je nach der Eigenart der Rechtsfolge differieren die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen; im Mittelpunkt steht aber immer die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens.155 Prozessuale Folge ist z. B. die Bindungswirkung, die ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil für einen Schadensersatzprozess entfaltet.156 Dieser Gleichlauf zeigt, dass Abwehr-, Schadenseratz- und Bereicherungsansprüche das Ziel des Rechtsgüterschutzes verfolgen157 und sie damit Leistungen des Gesetzgebers sind, mit denen er seiner grundrechtlichen Schutzpflicht für bestimmte Rechte und Rechtsgüter nachkommt.158

III. Inhaltliche Festlegung der Handlungsbereiche für die Bürger – Zuständigkeiten von Legislative und Judikative Maßgebliche Bedeutung für alle drei Gruppen von Ansprüchen kommt damit der Abgrenzung der jeweiligen Handlungssphären zu. Dabei muss sowohl den 152 Vgl. v. Caemmerer, FS Rabel Bd. 1, S. 353; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 211 m.w. N.; Spyridakis, FG Sontis, S. 250. 153 Vgl. C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (462 ff.). 154 Ebenso Pfister, JZ 1976, 156 (157); Picker, JZ 2010, 541 (546 ff.); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1407. Nach der Terminologie von Dörner, JuS 1987, 522 (524 f.) liegt jeweils eine Verhaltensnorm vor, die mit verschiedenen Sanktionsnormen kombiniert ist. 155 Pfister, JZ 1976, 156 (157). 156 Dazu BGHZ 42, 340 (348 ff.). 157 MünchKomm/Füller, § 951 Rdnr. 1; Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3089); J. Hager, FG BGH I, S. 791: „Zuweisungsgehalt . . . orientiert sich am Deliktsrecht“; Lutter/ Overrath, JZ 1968, 345 (347): § 1004 BGB sei „ein verkürzter Tatbestand der unerlaubten Handlung“. – Zur Konvergenz im Hinblick auf den Haftungsmaßstab G. Hager, Harmonisierung, S. 792. 158 Isensee, FS Großfeld, S. 497; F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (471) (jeweils nur zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen; das Bereicherungsrecht wird dort nicht behandelt); ferner F. Peters, JZ 1983, 913 (920, 923) (zum Deliktsrecht).

A. Regelungen zum Schutz des Eigentums

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Inhabern von Rechten und Trägern von Rechtsgütern ausreichender Schutz gewährleistet werden als auch allen anderen Personen genügend Handlungsfreiraum bleiben; hierzu gehört, dass sie nicht mit Vorsorgepflichten wegen jedes nur denkbaren Schadens überzogen werden.159 Die Verhaltens- und Duldungspflichten sind daher auch mit Rücksicht auf verfassungsrechtlich geschützte Güter und Freiheiten anderer zu bestimmen.160 Gewisse Risiken sind mit Rücksicht auf die Freiheiten konkreter anderer und wegen Vorteilen für die Allgemeinheit hinzunehmen;161 es darf nicht „Schadensverhütung um jeden Preis“ betrieben werden.162 Eine zu hohe Auslöseschwelle für Abwehransprüche würde jedoch umgekehrt die staatliche Pflicht zum Rechtsgüterschutz vernachlässigen. Zudem würden die Rechtsgutsträger mit Gegenmaßnahmen reagieren, die volkswirtschaftlich weniger effizient wären und finanzielle Mehrkosten bei ihnen hervorrufen würden.163 In diesem Spannungsfeld von Güterschutz und Handlungsfreiheit – beide gedeckt von Freiheitsgrundrechten oder grundrechtlichen Schutzpflichten – muss die Rechtsordnung eine angemessene Lösung finden.164 Die Bedeutung und Wichtigkeit der Entscheidung, welches Verhalten noch zulässig ist, legt den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber diese Gebote und Verbote aufzustellen habe;165 hierfür spricht auch, dass der Gesetzesvorbehalt gilt, wenn der Staat rechtsgutsgefährdendem Handeln mit Verboten entgegentritt und hierzu die Rechtssphären der Beteiligten gegeneinander abgrenzt.166 Umfassende Kataloge solcher Regeln finden sich allerdings nur selten. Anzutreffen sind sie meist, wenn der Staat aus anderen Gründen Pflichten und Anforderungen exakt definieren muss, insbesondere als Voraussetzungen für behördliche Genehmigungen

159 Siehe nur Staudinger/J. Hager (1999), Vorb zu §§ 823 ff Rdnr. 12; Jung, JZ 2001, 1004 (1005); Mestmäcker, JZ 1958, 521 (522, 525); Möschel, JuS 1977, 1 (3); Picker, FS Gernhuber, S. 357; Raab, JuS 2002, 1041 (1043 f.); Reinhardt, JZ 1961, 713 (713, 718); Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (124, 126); Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 22, 57; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 133 f.; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (233); vgl. auch Otto, NuR 2003, 317 sowie BVerfG NJW 1997, 249 (249 f.); BGH NJW 2006, 610 (611); NZM 2006, 578 (578 f.) m.w. N. 160 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 2 c. 161 Bartlsperger, FS Leisner, S. 1007 f.; inhaltlich auch BGHZ 58, 149 (156). 162 So treffend Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 39. 163 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 118 f. zur Optimierung bei den sog. bilateralen Schäden. 164 Bartlsperger, FS Leisner, S. 1022 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (67). – Vgl. neben den bisher Genannten zum Ganzen auch Kübler, FS Baur, S. 56; Koch, JZ 1999, 922 (925 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 202; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 727 f. (primär zur Frage, wann der Gesetzgeber Ausschließlichkeitsrechte schaffen darf; dabei stellen sich im Grund die gleichen Fragen wie im oben erörterten Kontext, wie weit diese Rechte reichen dürfen). 165 Vgl. F. Peters, JZ 1983, 913 (925). 166 H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (491); siehe auch F. Peters, JZ 1983, 913 (914).

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

oder behördliches Einschreiten167 sowie für straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen.168 Im Zivilrecht selbst sind sie eher selten.169 Dies dürfte darauf beruhen, dass solche Pflichtenkataloge immer lückenhaft bleiben müssen, weil nicht jede in der Praxis auftretende Situation vorhersehbar ist und daher nicht im Vorhinein mit exakten Regeln entschärft werden kann.170 Auch Verweisungen auf Regelwerke, die nicht Normen im Sinne des Zivilrechts (Art. 2 EGBGB) sind, können keine Lösung sein, da statische Verweisungen rasch veralten und dynamische Verweisungen wegen ihrer Grundrechtsrelevanz oft an Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG scheitern.171 Zusammen mit dem Aspekt, dass sich die wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse schnell wandeln können, zwingt dies dazu, die Festlegung weitgehend der Rechtsprechung zu überlassen, die sich allerdings – nach einer eigenständigen Prüfung – an derartigen Regelwerken orientieren kann und u. U. muss.172

B. Einfachrechtliche Regelungen zur Nutzungsbefugnis Im Verlauf der bisherigen Untersuchung wurde bereits erkennbar, dass sich die rechtlichen Regelungen, die sich mit der Nutzungsbefugnis des Eigentümers befassen, auf die „negativen“ Befugnisse i. S. d. § 903 S. 1 BGB173 konzentrieren. Zu diesen Bestimmungen kommen die – sogleich zu behandelnden – Transak167 So die Vorschriften zum Betrieb emittierender Anlagen im BImSchG und den dazu erlassenen Verordnungen, u. U. sogar technischen Anleitungen (vgl. § 48 BImSchG). 168 So die Straßenverkehrsregeln in StVG und StVO, siehe Zippelius, NJW 1957, 1707 (1708); Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778). Große Bedeutung kommt ferner § 263 StGB als Schutzgesetz für § 823 Abs. 2 BGB zu, weil so in gewissen Grenzen ein Schutz des „bloßen“ Vermögens erzielt wird. 169 Auch die §§ 834 ff. BGB erfassen nur einen ganz kleinen Ausschnitt gefährlicher Verhaltensweisen. 170 Vgl. Stoll, JZ 1957, 137 (139) mit der Bemerkung, dass bezeichnenderweise sogar die recht umfassende und detaillierte StVO nicht ohne die Generalklausel in § 1 StVO auskommt; ebenso Hubmann, JZ 1958, 489 (492). 171 Das BVerfG hat sich noch nicht abschließend dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen dynamische Verweisungen verfassungsrechtlich zulässig sind. Da der Gesetzgeber nicht vollständig in eigener Verantwortung bestimmt, ergibt sich ein enger Rahmen, der von den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie, der Bundesstaatlichkeit und den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten umgrenzt wird (BVerfGE 78, 32, 36; auch BVerfGE 47, 285 (312); 60, 135 (161); 64, 208 (214); OVG Münster NVwZ 2005, 606 (606 f.); Hömig/Schnapauff, Vor Art. 70 Rdnr. 6). Hier sind besonders die zuletzt genannten berührt, da solche Regelungen für einen Bürger Eingriffscharakter besitzen. Der Umstand, dass Normbegünstigter nicht der Staat selbst ist, fällt dagegen nicht ins Gewicht (so auch BVerfGE 47, 285 (316 f.)). Vgl. auch BVerfGE 67, 348 (363 f.); Marburger, FS Ritter, S. 910 m.w. N.; v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 280 m.w. N. 172 Hierzu unten Teil 4 B.I.1.b)aa)(1) und B.I.1.b)bb). 173 Zu dieser Terminologie siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 3 Rdnr. 6.

B. Einfachrechtliche Regelungen zur Nutzungsbefugnis

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tionsregeln hinzu, die den Bereich der „Verfügungsbefugnis“ abdecken. Demgegenüber finden sich im Zivilrecht kaum Normen, die unmittelbar die „positiven“ Befugnisse betreffen. Dies überrascht, da gerade die Befugnis zur tatsächlichen Nutzung der Sache den zentralen Inhalt des Eigentumsbegriffs und der Gewährleistung in Art. 14 GG bildet174 und die positive und die negative Komponente gemeinsam den Inhalt des Eigentums ausmachen.175 Der dargelegte Befund scheint geradezu die sog. „Ausschließungstheorie“ 176 zu bestätigen, der zufolge das Eigentum ausschließlich darin besteht, anderen Personen (tatsächliche) Verfügungen über die Sache verbieten zu können. Der Grund für das Fehlen von Bestimmungen, die sich unmittelbar mit der Befugnis zur Nutzung befassen, liegt vor allem darin, dass nähere Regelungen hierzu weitgehend entbehrlich sind: Derjenige, der im Besitz der Sache ist und anderen Personen Einwirkungen (i. w. S.) auf sie verbieten kann, ist bereits hierdurch in der Lage, die Sache nach Belieben zu nutzen.177 Spezieller Regelungen zur positiven Nutzungsbefugnis selbst bedarf es daher nur in Randbereichen, etwa dann, wenn aus der Sache neue Sachen entstehen und der Gesetzgeber eigentumszuweisende Normen bereitstellen muss.178 Dieser Zusammenhang macht jedoch die Ausschließungsbefugnisse umso bedeutender: Ihnen kommt die Aufgabe zu, den Besitz und die störungsfreie Benutzung der Sache durch den Eigentümer sicherzustellen.179 Weil und soweit die negativen Befugnisse erforderlich sind, um dem Eigentümer die Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeit (die „positive Seite“ des § 903 S. 1 BGB) vollständig zu bewahren, besitzt ihre Garantie in Art. 14 Abs. 1 GG besondere Bedeutung und Gewicht.180 Da die negativen Befugnisse in dieser Funktion nicht Selbstzweck

174

Vgl. oben Teil 2 B.I.4. Statt vieler Dolderer, UPR 1999, 326 (327). 176 Zu ihr vgl. Römer, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 87 (90) m.w. N.; vgl. ferner allgemein Kelsen, JZ 1965, 465 (465), für den der Zwangsakt, der auf ein Unrecht folgt, Kennzeichen des Rechts ist. 177 In diese Richtung wohl auch – undeutlich – Mot. III, 262; ähnlich wie hier ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 43; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 861 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 1: Der Eigentümer könne „im Schutze (der durch die Abwehransprüche erzeugten) Verhaltensordnung“ vielfältige Handlungen mit der Sache unternehmen. – Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 901 (905) sieht den Grund des beschriebenen Phänomens dagegen darin, dass eine Regelung wegen der Vielfalt denkbarer Nutzungsmöglichkeiten praktisch kaum möglich ist. 178 Siehe dazu unten Teil 4 E.II., E.III. 179 Vgl. König, NJW 2005, 191 (192): Die § 985 und § 1004 BGB sollen „den Eigentümer, der gem. § 903 BGB mit der ihm gehörenden Sache nach Belieben verfahren darf, tatsächlich so . . . stellen, dass er nach Belieben mit der Sache verfahren kann“; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 54; Grotheer, GRUR 2006, 110 (112 f.); Löhning, JA 2004, 185 (187); OLG Oldenburg OLGR 2003, 79 (79). 180 Ebenso – eher beiläufig und ohne diese Herleitung – BVerfGE 101, 54 (75). 175

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

sind,181 ergeben sich allerdings gewisse Auswirkungen darauf, wo in diesem Bereich die Grenzen dieser Befugnisse verlaufen.

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit – Prinzipien des Sachenrechts I. Verfassungsrechtliche Vorüberlegungen 1. Unterschiede zum Komplex „Abwehrrechte“ – Dritt- und Verkehrsinteressen als berücksichtigungsbedürftige Gegenbelange Im Zusammenhang mit der nun zu behandelnden Thematik, welche Rechtsnormen und -figuren der Gesetzgeber bereitstellen muss, damit dem Eigentümer möglichst weitgehende und vielfältige Möglichkeiten zukommen, über die Sache zu verfügen, stellt sich die Ausgangssituation hinsichtlich der berührten grundrechtlichen Positionen und sonstigen Belange grundlegend anders dar als bei den Abwehr- und Schadensersatzansprüchen. Begehrt der Eigentümer die Bereitstellung rechtlicher Gestaltungsformen, die ihm eine Verfügung auf eine Weise erlauben, wie es seinen Zwecken und Vorstellungen am besten entspricht, prallen nicht Freiheitssphären zweier Bürger unmittelbar aufeinander, die es voneinander abzugrenzen gilt. Vielmehr wünscht der potentielle Erwerber des Eigentums oder des zu begründenden beschränkt dinglichen Rechts typischerweise ebenfalls, dass eine Verfügung in einer bestimmten Form und/oder mit einem bestimmten Ergebnis möglich ist. Seine Interessen können daher nicht dafür sprechen, die Formen für die Übertragung dinglicher Rechte oder die inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu begrenzen. Nachteilig betroffen können nur sonstige Dritte sein. Für sie ist die Frage, wem welche Befugnisse zugeordnet sind, von Relevanz, sobald aus einem dinglichen Recht Ansprüche gegen sie geltend gemacht werden, wenn sie ein dingliches Recht zu einem späteren Zeitpunkt derivativ erwerben wollen oder wenn ihnen ein dingliches Recht an der Sache zusteht. Im letztgenannten Fall liegt das Interesse des Drittbetroffenen, sein Recht nicht durch ein zwischen anderen abgeschlossenes Rechtsgeschäft zu verlieren, auf der Hand. In den beiden anderen Konstellationen ist für den Dritten wichtig, ob eine frühere vollständige oder partielle Übertragung einer dinglichen Rechtsposition wirksam war, weil er als potentiellen Anspruchsgegner bzw. als Erwerber über die Rechtszuordnung im Klaren sein muss. Rechtfertigendes Anliegen dafür, die dem Eigentümer möglichen Rechtsfiguren zu beschränken, sind somit hier die Interessen der Gesamtheit aller übrigen Bürger an der Erkennbarkeit und Klarheit der Rechtszuordnung (das sog. „Verkehrsschutzinteresse“).

181

Ähnlich Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 49, 12 (S. 214): „Hilfszweck“.

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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Im Hinblick auf die Art von Regelungen, die der Gesetzgeber schaffen muss, folgt hieraus, dass es sich nicht um Anspruchsnormen (d.h. Bestimmungen mit Imperativcharakter, aufgrund derer von anderen Personen ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt werden kann) handeln kann. Erforderlich sind vielmehr Regelungen, die dem Eigentümer erlauben, sein Recht vollständig zu transferieren oder einzelne Befugnisse auf andere zu übertragen, also „konstitutive“ Rechtsregeln.182 2. Grundrechtsrelevanz unzureichender Gestaltungsformen und Verfügungsmöglichkeiten a) Verfügungsbefugnis als Inhalt der Verfassungsgarantie des Art. 14 GG Die Möglichkeit, sein Recht auf eine andere Person zu übertragen („Verfügungsbefugnis“), ist die zweite für das Eigentum konstitutive Komponente und wird daher vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst.183 Eigentum wird nicht nur durch die Vornahme von tatsächlichen Handlungen, sondern mindestens ebenso durch rechtsgeschäftliches Handeln verwirklicht.184 Die Möglichkeit einer Rechtsnachfolge in eine Freiheitsgarantie, die für das Eigentum konstitutiv ist, ist sogar einzigartig unter den Grundrechten.185 Da Verfügungs- und Nutzungsbefugnis in gleicher Weise verfassungsrechtlichen Schutz genießen, erübrigt sich eine genaue Abgrenzung beider Gewährleistungen an sich. Dennoch ist kurz zu erörtern, wann eine „Verfügung“ in diesem Sinn vorliegt. Klar ist der Charakter als Verfügung, wenn das Eigentum vollständig transferiert wird. Wird dagegen – wie bei der Begründung beschränktdinglicher Rechte – nur ein Teil des Rechts übertragen, ist die Abgrenzung zur „Nutzung“ des Eigentums nicht immer deutlich:186 Würde man darauf abstellen, ob nur der wirtschaftliche Wert der Sache oder die Sache selbst genutzt wird, müsste auch die Bestellung von Dienstbarkeiten der „Nutzung“ zugeordnet werden; als „Verfügung“ bliebe neben der Vollrechtsübertragung nur die Bestellung von Verwertungsrechten übrig. Dem geltenden Recht liegt jedoch eine deutliche Trennung zwischen den beschränkt-dinglichen Nutzungsrechten und der Nutzung 182 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 128, 148 c ff. – Wie unten (S. 599) auszuführen ist, besteht allerdings in Teilbereichen auch ein Bedarf, die Verfügungsfreiheit durch Schaffung entsprechender Ansprüche gegen Handlungen Dritter zu schützen. 183 Siehe nur BVerfGE 26, 215 (222), nach dem ein Veräußerungsverbot einen der schwersten Eingriffe in den Freiheitsbereich des Bürgers darstellt; inhaltlich ebenso BVerfGE 24, 367 (389); 53, 257 (290 f.); 68, 361 (367); 100, 226 (241); BVerfG NJW 2004, 2443 (2444); wistra 2004, 378 (381). 184 Vgl. Merten, VerwArch 73 (1982), 103 (103). 185 Berg, JuS 2005, 961 (962); Depenheuer/Grzeszick, NJW 2000, 385 (387) m.w. N. 186 Ebenso BVerfGE 83, 201 (209); 50, 290 (339); 53, 257 (290): Beide Formen seien nicht immer deutlich abgrenzbar.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

aufgrund eines obligatorischen Rechtsverhältnisses zugrunde. Beide Fälle unterscheiden sich fundamental im Hinblick darauf, inwieweit Gestaltungsfreiheit der Parteien herrscht. Zentral ist ferner der Unterschied, dass im einen Fall die Nutzung aufgrund eines eigenen absoluten Rechts an der Sache erfolgt, während im anderen die Berechtigung nur abgeleitet ist.187 Daher sind – übereinstimmend mit dem allgemeinen Begriffsverständnis – als Verfügungen die Fälle zu bezeichnen, in denen ein selbstständiges dingliches Recht begründet oder übertragen wird,188 ohne Unterschied im Hinblick darauf, ob die abgespaltene Position den tatsächlichen Gebrauch oder den wirtschaftlichen Wert erfasst. b) Herleitung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Zurverfügungstellung rechtlicher Gestaltungsformen Das Interesse, dass der Gesetzgeber die rechtlichen Instrumente bereit stellt, die zur Ausübung und Ausnutzung einer grundrechtlich geschützten Freiheit erforderlich sind, genießt den Schutz der Grundrechte. Zwar ist das Interesse auch hier darauf gerichtet, dass der Staat eine Leistung im weitesten Sinn zur Verfügung stellt; die Verpflichtung wirkt hier jedoch nicht schwächer als bei einem Abwehrrecht: Gefordert wird, die rechtlichen (nicht: tatsächlichen) Voraussetzungen des Freiheitsgebrauchs zu schaffen;189 die Bereitstellung entsprechender rechtlicher Regelungen ist essentiale der gesicherten Freiheit. Sie kann der Bürger – anders als bei tatsächlichen Voraussetzungen – nicht selbst schaffen. Grundrechte verpflichten daher den Gesetzgeber, die rechtlichen Formen so einzurichten und zu gestalten, dass der Realisierung der verfolgten Ziele keine unnötigen und übermäßigen Hindernisse entgegenstehen. Diesen Grundsätzen entsprechend ist z. B. anerkannt, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG i.V. m. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 4 WRV gebietet, durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften des Vereinsrechts (§§ 21 ff. BGB) eine Eintragung einer religiösen Vereinigung als „e. V.“ auch bei einer an sich unzulässigen Satzungsgestaltung zu ermöglichen, wenn nur diese dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die innere Ordnung der Vereinigung entspricht.190 In ähnlicher Weise gebietet die Eheschließungsfreiheit des Art. 6 Abs. 1 GG dem Gesetzge187

Kritisch zu einer solchen Differenzierung aber L. Raiser, FG Sontis, S. 171 f. „Verfügung“ ist jedes Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die dingliche Rechtslage einwirkt (Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 13 Rdnr. 13 m.w. N.), indem es ein Recht überträgt, es belastet, seinen Inhalt ändert oder es aufhebt (Wieling, Sachenrecht, § 1 III 1 (in Fn. 21); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 101). 189 Anders im oben (S. 179) beschriebenen Fall des Notwegerechts. 190 BVerfGE 83, 341 (356) („Bahá’í-Entscheidung“). Der Entscheidung folgend OLG Hamm NJW-RR 1995, 119 (120); NJW-RR 1997, 1397 (1397); zuvor bereits mit ganz ähnlicher Argumentation BayObLGZ 1987, 161 (170 f.). 188

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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ber, die formellen Voraussetzungen für die Eingehung einer Ehe (konkret: Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses) im Sinne einer größtmöglichen Grundrechtsverwirklichung zu regeln.191 Entnimmt man Art. 14 Abs. 1 GG die Garantie eines möglichst umfassenden Vollrechts, lässt sich dieser Wirkmechanismus ohne Weiteres auf die hier zu behandelnde Thematik übertragen. Die Voraussetzungen für die Eingehung der Ehe, die trotz ihres Charakters als „definierende Regeln“ am Verfassungsbegriff zu messen sind, entsprechen funktional den tatbestandlichen Anforderungen an die Übertragung, Begründung und Aufhebung dinglicher Rechte. Dem Grundrechtsträger nützt es wenig, wenn er zwar theoretisch sein Recht übertragen kann, die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen hierfür aber kaum zu erfüllen sind. Vergleichbare Parallelen bestehen zu den Normen des Vereinsrechts: Auch dort bedarf es logisch zwingend einfachgesetzlicher Bestimmungen über die Gründung und die innere Ausgestaltung;192 diese werden aber gleichwohl insofern an den Grundrechten gemessen als sie deren Verwirklichung nicht unnötig erschweren dürfen. Sachenrechtliche Regeln wie die §§ 929 ff. BGB können daher, obwohl sie Verfügungen erst ermöglichen, gegen das der Verfassung zugrundeliegende Garantie des Eigentums verstoßen, wenn und weil sie der garantierten Freiheit zu enge Grenzen setzen. Entsprechendes gilt im Hinblick darauf, welche dinglichen Rechte an Sachen begründet werden können. Daher muss sich der vorgefundene Normbestand des Sachenrechts, der z. B. Verfügungen nur in bestimmten Formen erlaubt und nur die Begründung bestimmter Arten von Rechten ermöglicht (numerus-clausus-Prinzip193), auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hin untersuchen lassen.194 Die Eigentumsgarantie ist somit berührt, wenn dem Eigentümer Verfügungsmöglichkeiten (sei es im Hinblick darauf, wie diese zu erfolgen haben, sei des dazu, welche beschränkten Rechte generiert werden können) vorenthalten werden. Einschränkungen bedürfen einer hinreichenden Rechtfertigung, insbesondere durch die Interessen anderer. 191 BVerfGE 31, 58 (69 ff.) („Spanier-Beschluss“); vgl. auch oben Teil 2 B.II.3. a)dd)(3)(b). 192 Vgl. zu Art. 9 Abs. 1 GG nur Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 105 m.w. N., S. 186. 193 Allgemein zu den „Prinzipien“ des Sachenrechts Seiler, in: Staudinger/Eckpfeiler, U. Rdnrn. 35 ff., der seiner Zusammenstellung die zutreffende Bemerkung voranstellt, dass die Prinzipien naturgemäß auch innerhalb des Sachenrechts nicht stets vollständig und vollumfänglich verwirklicht sind, und auch in anderen Rechtsbereichen Geltung beanspruchen (ebenso Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 4 mit erläuternden Beispielen). Kritisch zur sachlichen Berechtigung der einzelnen sachenrechtlichen Grundsätze Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, passim, insbes. S. 21 ff. 194 Da bei Art. 6 Abs. 1 GG die höchstpersönliche, personale Sphäre des Menschen betroffen ist, sind die vergleichsweise strengen Anforderungen allerdings nicht auf das Eigentum übertragbar.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Ein ähnlicher Prüfungsmaßstab ergibt sich vom Standpunkt eines offenen Eigentumsbegriffs aus. Die Vorgaben folgen dann aus der Institutsgarantie des Eigentums, die einen Kernbestand an Normen verlangt, damit das Eigentum seine Funktion erfüllen kann.195 Da die Institutsgarantie auf die hergebrachten Rechte im BGB Bezug nimmt und die Verfügung über das Eigentum rechtliche Instrumentarien erfordert, muss der Gesetzgeber grundsätzlich eine Vielzahl von Vermögensrechten schaffen, die den verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden.196 Wegen der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, wie Eigentümerinteressen und Gemeinwohlbelange zu vereinbaren sind, dürfte diese äußerste Mindestvorgabe allerdings kaum jemals missachtet sein. c) Keine Eröffnung des Schutzbereichs auf Seiten des Erwerbers Der Gedanke der Symmetrie legt nahe, dass Art. 14 GG nicht nur das Interesse des gegenwärtigen Rechtsinhabers erfasst und schützt, ein Recht übertragen zu können, sondern auch das Interesse des anderen, ein Recht derivativ erwerben zu können.197 Hierfür spricht auch, dass sich Erbrechtsgarantie auf das Recht zu erben erstreckt.198 Erwerbsbeschränkungen beeinträchtigen überdies mittelbar die Verfügungsbefugnis, da die Unmöglichkeit eines Erwerbs durch einen anderen die Möglichkeit der Veräußerung durch die Eigentümer vereiteln würde.199 Entscheidend gegen die Einordnung des Erwerbs in den Schutzbereich des Art. 14 GG spricht jedoch ein systematisches Argument: Sowohl die Enteignungs-Entschädigungsregeln des Art. 14 Abs. 3 GG als auch die Freiheitsgewährleistung des „Habens und Gebrauchmachens“ in Art. 14 Abs. 1 GG beziehen sich auf einen konkreten Gegenstand, an dem dem Inhaber bereits eine rechtliche Position zusteht; sie passen damit für Erwerbsbeschränkungen nicht.200 Die Ver195 Vgl. BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 336. – Das BVerfG hat mehrfach betont, dass das Recht, über sein Eigentum zu verfügen, diesem Kernbereich angehört. Dabei ging es allerdings zumeist um die vollständige Übertragung des Eigentums, und dort auch nur das „Ob“, nicht das „Wie“. Vgl. BVerfGE 26, 215 (222); 52, 1 (30 f.); 53, 257 (290 f.); 68, 361 (367); 79, 292 (303); 91, 294 (308); 100, 226 (241) m.w. N.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 14. 196 So explizit z. B. Laufke, FS Lehmann, S. 156; für das Gesellschaftsrecht ebenso Jung, JZ 2001, 1004 (1015) m.w. N. – Siehe auch Schapp, JZ 1998, 913 (914 f.). 197 Nachweise jeweils bei Pabst, JuS 2001, 1145 (1147); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 223; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 296. 198 Siehe hierzu etwa BVerfGE 93, 165 (174); BVerfG NJW 2005, 1561 (1562); Hömig/Antoni, Art. 14 Rdnr. 11; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 297; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 212; Vyas, ZEV 2002, 1 (1) m.w. N. 199 Vgl. BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 104; ferner die Nachweise bei Pabst, JuS 2001, 1145 (1147). 200 Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 224; zustimmend Pabst, JuS 2001, 1145 (1148).

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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hinderung des Erwerbs berührt vorwiegend die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit über das Vermögen als Ganzes.201 Eine nutzbare Rechtsposition ist, wenn es um einen erst anstehenden Erwerb geht, gerade noch nicht begründet und zugeordnet. Ein Schutz gegen Einschränkungen von Befugnissen kann aber erst eingreifen, wenn eine Rechtsposition ihrem Träger bereits zusteht.202 Die Freiheit, durch Rechtsgeschäft203 Rechte an Gegenständen zu erwerben, ist daher richtigerweise dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG – nicht Art. 14 Abs. 1 GG – zuzuordnen.204 3. Strukturvorgaben im Hinblick auf beschränkt dingliche Rechte aus dem Eigentumsbegriff Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Hinblick auf beschränkt-dingliche Rechte wird ferner dadurch eingeschränkt, dass das Eigentum nach dem Konzept des BGB und des Grundgesetzes ein umfassendes Vollrecht ist. Bereits bei der Erarbeitung des BGB wurde erkannt und festgehalten, dass der Eigentümer nicht gleichzeitig seine Sache behalten und seine Befugnisse wesentlich abschwächen könne, weil dies den abstrakten Eigentumsbegriff verflüchtigen würde.205 Da die Verfassung das Eigentum gerade durch die volle Nutzungs- und Verfügungsbefugnis konstituiert, darf kein anderes Recht das Eigentum als solches verdrängen. Andere dingliche Rechte können somit immer nur ein begrenzter Ausschnitt dieser unbegrenzten Rechtsmacht sein.206 Der tiefere Grund dieser strukturellen Vorgabe erschließt sich, wenn man sich vorstellt, welchen wirtschaftlichen Wert ein Nutzungsrecht besäße, über das nicht verfügt werden darf, oder ein Verfügungsrecht, das nicht zur beliebigen selbstbestimmten Nutzung berechtigt. Beide Rechtspositionen wären von nur geringem Wert, weil im ersten Fall das Recht für seinen Inhaber nur so lange einen Sinn hätte, wie er selbst das Objekt in tatsächlicher Weise nutzen kann und will; in der umgekehrten Situation würde das Recht nur einen Titel darstellen, der allen-

201 So, wenngleich eine abschließende Stellungnahme mangels Entscheidungserheblichkeit vermeidend, BVerfG NVwZ 2000, 428 (428) m.w. N.; zuvor BVerfGE 21, 73 (76). 202 Vgl. BVerfGE 20, 31 (34); 78, 205 (211 f.); BayVGHE 48, 27 (29); Pabst, JuS 2001, 1145 (1148); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 224; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 296. 203 Zum originären Erwerb oben B. und unten Teil 4 E.III.1.b). 204 Ebenso Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 225; Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1170), beide mit dem zutreffenden Hinweis, Art. 12 GG könne im Einzelfall spezieller und daher einschlägig sein; Pabst, JuS 2001, 1145 (1147 f., 1149); BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 98; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 182. 205 Johow, Vorentwurf Sachenrecht S. 501; Wiegand, FS Kroeschell, S. 635. 206 Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 52.

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falls finanzielle Früchte bringen kann207. Den Wert des Eigentums macht aber gerade aus, jederzeit beliebig zwischen der eigenen tatsächlichen Nutzung und der Übertragung des Rechts auf andere gegen Entgelt wechseln zu können.208 Erst die Kombination beider alternativer Möglichkeiten bzw. die Entscheidung zwischen ihnen ermöglicht die eigene Initiative und im wirtschaftlichen Verkehr einen Markt, bietet dem Eigentümer die Chancen maximalen Gewinns und bewirkt gesamtwirtschaftlich die optimale Güterallokation.209 Historisch zeigt sich dies darin, dass die Abschaffung des Ober- und Untereigentums210, für die sich das BGB klar ausspricht,211 die Voraussetzung dafür war, feudale Strukturen aufzubrechen und in ein Zeitalter mit gleichen wirtschaftlichen Chancen für alle Bürger einzutreten.212 Erst hierdurch wurde die echte und volle Verkehrsfähigkeit der Güter bewirkt.213 Die Unvereinbarkeit eines gespaltenen Eigentums mit der Grundvorstellung von Freiheit und Initiative ergibt sich ferner daraus, dass jede Verteilung von Eigentümerbefugnissen auf verschiedene Inhaber im Ergebnis eine Zweckbindung des Eigentums bedeutet,214 die mit der Funktion, dem Eigentümers die Verwirklichung allein seiner Zwecke zu eröffnen, nicht vereinbar ist.215

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Wenn der Nutzungsberechtigte dafür ein Entgelt entrichten muss. Ebenso BVerfGE 97, 350 (371). 209 Der Besitzer, der weiß, dass er zwar die Gebrauchsvorteile behalten darf, jedoch bei einer Verfügung (als Nichtberechtigter) dem Eigentümer ersatzpflichtig ist, wird die Sache in irgendeiner Weise nutzen, die ihm selbst möglich ist, so dass eine anderweitige, höherwertige Nutzung blockiert wird. – Siehe zum Ganzen Eckert, MDR 1989, 135 (136); Mayer-Maly, FS Hübner, S. 157; Roellecke, JZ 1995, 74 (75 ff.); vgl. auch Römer, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 87 (96 f.). 210 Zu ihm z. B. Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 2. Buch Kap. 15 § 4. 211 Mot. III, 262 f. – Statt vieler ebenso Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 378 f. 212 Vgl. Berg, JuS 2005, 961 (962); Häberle, AöR 109 (1984), 36 (53 f.); MayerMaly, FS Hübner, S. 154 ff.; Molitor, FS Schulze, S. 33 f.; Olzen, JuS 1984, 328 (334); Roellecke, JZ 1995, 74 (76); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 360. 213 Vgl. Wiegand, FS Kroeschell, S. 638; Staudinger-Symposion 1998/ders., S. 112 f.; Hess, AcP 198 (1998), 489 (496); insgesamt auch Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, Kap. 5 II 5; Kap. 12 I 1a; Kap. 27 I 8. – Die politische Bedeutung des vollen und von jeder Bindung freien Grundeigentums zeigen heute noch Bestimmungen in den Verfassungen einiger europäischer Staaten, vgl. etwa Mayer-Maly, FS Hübner, S. 156, zu Art. 7 des Österreichischen Staatsgrundgesetzes, das die bäuerliche Grundentlastung sichert. Zum Preußischen Edikt über die Bauernbefreiung vgl. Roellecke, JZ 1995, 74 (76). 214 Deutlich Molitor, FS Schulze, S. 41. 215 Vgl. Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 51 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 206; siehe ferner Depenheuer, NJW 1993, 2561 (2563); Hattenhauer, passim. Weniger entschieden dagegen L. Raiser, FG Sontis, S. 177 ff. 208

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II. Trennungs- und Abstraktionsprinzip Zu den prägenden Kennzeichen des deutschen Privatrechts zählen das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip. Nach dem Trennungsprinzip216 geht ein Recht nicht bereits durch das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft auf den Erwerber über, sondern erst aufgrund eines gesonderten dinglichen Rechtsgeschäfts. Das Trennungsprinzip ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die dinglichen Rechte von schuldrechtlichen Beziehungen gelöst sind; letztere bilden nur den Rechtsgrund des Übertragungsvorgangs.217 Das Abstraktionsprinzip218 geht insofern über das Trennungsprinzip hinaus219 als nach ihm die Wirksamkeit eines dinglichen Rechtsgeschäfts nur von dessen spezifischen Voraussetzungen abhängt, nicht dagegen vom Bestehen und Fortbestehen einer wirksamen schuldrechtlichen causa.220 Für einen veräußernden Eigentümer kann es sich als nachteilig erweisen, wenn der Kaufvertrag mangelbehaftet ist, er aber gleichwohl das Recht verliert. Daher ist die sachliche Legitimation des Abstraktionsprinzips zu hinterfragen. 1. Vorteile des Abstraktionsprinzips Das Abstraktionsprinzip dient in erster Linie dem Verkehrsschutz.221 Durch die Loslösung der Zuordnungsregeln von der schuldrechtlichen Abrede ist die 216 Die gegenteilige Konzeption bildet das Einheitsprinzip (auch: Konsensprinzip), das z. B. beim Stückkauf in Frankreich und Italien anzutreffen ist, vgl. Joost, FS Zöllner, S. 1162; Wacke, ZeuP 2000, 254 (254). 217 Siehe zum Ganzen nur Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (380); Jauernig/Jauernig, Vor § 854 Rdnr. 12; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 7. 218 Den Gegensatz zum Trennungsprinzip bildet das Kausalprinzip, dem z. B. das österreichische, das niederländische und das (gemein)spanische Recht folgen, vgl. Wacke, ZeuP 2000, 254 (255); Aretz, Jura 1998, 242 (242, 247 ff.). 219 Das Trennungsprinzip ist logische Voraussetzung für das Abstraktionsprinzip, das auf diesem aufbaut, vgl. J. Hager, FG BGH I, S. 780; Jauernig, JuS 1994, 721 (721 f.); Joost, FS Zöllner, S. 1164; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 7 f., 130; Wieling, Sachenrecht, § 9 I pr. Häufig werden beide Prinzipien gleichgesetzt; die Notwendigkeit der Unterscheidung zu Recht betonend dagegen Jauernig, JuS 1994, 721 (721 f.); Joost, FS Zöllner, S. 1163; Wieling, Sachenrecht, § 9 I pr. – Zu den Auswirkungen beider Systeme auf das Sachenrecht vgl. ferner Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 111 f. 220 Jauernig/Jauernig, Vor § 854 Rdnr. 13; Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 48; Wacke, ZeuP 2000, 254 (255 f.); Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (382); Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 c, jeweils unter Hinweis auf den Wortlaut der Übereignungstatbestände, denen jeder Hinweis auf obligatorische Abreden fehlt; Wiegand, FG BGH I, S. 756 ff. mit Analyse der Gesetzgebungsarbeiten. Jauernig, JuS 1994, 721 (722); Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (380 f.); Aretz, Jura 1998, 242 (243) differenzieren dabei zwischen inhaltlicher und äußerlicher Abstraktheit. 221 Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 49; Wieling, ZeuP 2001, 300 (300, 305); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 29; ausführlich Stadler, Gestaltungsfreiheit

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Wirksamkeit des obligatorischen Erwerbsgeschäfts für Dritte, die Ansprüche gegen den Eigentümer haben oder die Sache erwerben wollen, nicht relevant. Der Eigentümer kann – auch wenn er wegen der Unwirksamkeit der obligatorischen causa zur Rückübertragung des Eigentums verpflichtet ist – über die Sache als Berechtigter verfügen; er ist ferner passivlegitimiert, wenn von ihr Beeinträchtigungen ausgehen. Dies verhindert, dass Dritte mit „unsichtbaren“ Einwendungen belastet werden, die im Kausalgeschäft – also einer ihnen fremden Vertragsbeziehung – begründet sind.222 Ihnen wird damit die Obliegenheit abgenommen, die Wirksamkeit und Unanfechtbarkeit der Rechtsverhältnisse, durch die der Eigentümer erworben hat, aufwändig zu überprüfen.223 Das Abstraktionsprinzip entfaltet darüber hinaus auch Schutzwirkungen zugunsten des Rechtsinhabers selbst: Macht der Eigentümer Befugnisse gegenüber Dritten geltend, ist auch ihnen verwehrt, Mängel des Kausalgeschäfts, das dem Erwerb durch den jetzigen Eigentümer zugrunde liegt, einzuwenden, da die Wirksamkeit des Rechtserwerbs und damit die Aktivlegitimation für die dinglichen Ansprüche von solchen Mängeln nicht berührt wird.224 Dies verwirklicht den Eigentumsschutz in besonders effektiver Weise, da bei der Ausübung der Ansprüche, die aus dem Eigentum entspringen, nicht mehr hinterfragt wird, wie, unter welchen Umständen und aus welchen Mitteln der Eigentümer sein Recht erworben hat. Ein weiterer Vorteil des Abstraktionsprinzips für den Eigentümer liegt darin, dass dingliche Rechtsgeschäfte wert- oder motivneutral sind,225 ihrer Wirksamkeit also bestimmte Mängel nicht entgegenstehen. Dies macht die dinglichen Rechtsgeschäfte weniger anfällig für Willensmängel u. ä.,226 stärkt ihren Bestand und verringert die denkbaren Einwände Dritter.227

und Verkehrsschutz durch Abstraktion, passim; J. Hager, FG BGH I, S. 778 ff. – Auch an anderen Stellen bedient sich das Recht der Abstraktion, um Einwendungen abzuschneiden, wenn diese der Verkehrsfähigkeit zuwiderlaufen würden, so z. B. bei Forderungen, im Wechselrecht (Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (187)) und bei der Vollmacht; vgl. Seiler, in: Staudinger/Eckpfeiler, U. Rdnr. 48. 222 Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 49, Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 29 m.w. N. 223 Vgl. Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion,. 375 ff.; Aretz, Jura 1998, 242 (245); Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (383 f.); J. Hager, FG BGH I, S. 780, 782; ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 543, der aber zur Erreichung dieses Zieles eine extensive Auslegung von § 932 Abs. 2 BGB favorisiert. 224 Vgl. Mager, AcP 193 (1993), 68 (73). 225 Jauernig, JuS 1994, 721 (725); Jauernig/Jauernig, § 138 Rdnr. 25 („sittlich indifferent“); Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 c aa. 226 Vgl. Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 508. 227 Vgl. auch Hess, AcP 198 (1998), 489 (506 f.).

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2. Ausgleich durch das Bereicherungsrecht (Leistungskondiktion) Das Abstraktionsprinzip – und ebenso das Trennungsprinzip, das von ihm vorausgesetzt wird – dient daher legitimen Interessen der Eigentümer und anderer Personen; die positiven Wirkungen rechtfertigen, im Einzelfall andere den als nachteilig empfundenen Effekten auszusetzen. Die beiden Prinzipien stellen somit eine insgesamt sachgerechte Regelung im Zivilrecht dar.228 Zwar wird man kaum sagen können, dass der Gesetzgeber gezwungen ist, die Privatrechtsordnung auf ihnen aufzubauen,229 doch ist diese Entscheidung für das Trennungsund das Abstraktionsprinzip ein guter Weg, die auftretenden Probleme unter Einbeziehung und Würdigung aller Interessen angemessen zu lösen. Auf den Aspekt, dass die Konstruktion lebensfern und dem Laien schwer eingänglich sei, kann es in Anbetracht dieser Vorteile nicht ankommen.230 Die belastenden Wirkungen für denjenigen, der aufgrund des Abstraktionsprinzips das Eigentum an seiner Sache verliert, aber keinen wirksamen vertraglichen Gegenleistungsanspruch hat, wiegen zudem nicht allzu schwer weil stets ein schuldrechtlicher Ausgleich – insbesondere nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB – stattfindet. Wegen des Anspruchs auf Wiederverschaffung des Rechts (§ 818 Abs. 1 BGB) bedeutet der Übergang eines dinglichen Rechts, den die relativ formalen Zuordnungsregeln bewirken, nicht dessen endgültig-ersatzlosen Verlust. Selbst wenn wegen einer zwischenzeitlichen Verfügung durch den Erwerber die Herausgabe in Natur ausscheidet, erhält der Alteigentümer immer noch Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Hierdurch wird zwar – entgegen dem Grundsatz, dass vorrangig die Rechts-/Befugniszuordnung selbst aufrechtzuerhalten ist – nur das Wertinteresse des Alteigentümers befriedigt, doch lässt sich dies – auch verfassungsrechtlich – dadurch legitimieren, dass der frühere Eigentümer selbst zuvor die Bereitschaft gezeigt hatte, die Sache wegzugeben und damit als Tauschobjekt einzusetzen. Er hatte dadurch sein Interesse darauf reduziert, sich „nur“ den Sachwert zu eigen zu machen und auf die Nutzung in natura künftig zu verzichten; hieran muss er sich festhalten lassen, auch wenn sich das konkret abgeschlossene Rechtsgeschäft als unwirksam erweist.231

228 Ebenso insbes. Wieling, ZeuP 2001, 300 (passim, insbes. S. 304); Aretz, Jura 1998, 242 (249); Neuner, AcP 203 (2003), 46 (55); kritisch dagegen Wacke, ZeuP 2000, 254 (259 ff.). 229 Auch andere Wege bieten sich an, und der Gesetzgeber dürfte auch die involvierten Interessen in gewissem Umfang anders gewichten. – Für eine Entbehrlichkeit des Trennungs- und Abstraktionsprinzips Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 236 ff., nach dem das Trennungsprinzip lediglich bestimmte Rechtsfiguren besser erklären kann (S. 242 f. m.w. N.). 230 Ebenso Wieling, ZeuP 2001, 300 (304). Zutreffend auch der Hinweis von Aretz, Jura 1998, 242 (247), dass dieser Vorwurf an sich das Trennungsprinzip betrifft. 231 Ist selbst dieser Wille fehlerbehaftet, liegt i. d. R. eine „Fehleridentität“ vor, bei der auch nach dem Abstraktionsprinzip das dingliche Geschäft unwirksam ist.

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Diese Überlegungen zeigen, dass auch232 der Leistungskondiktion des Bereicherungsrechts eine erhebliche Bedeutung für den Eigentumsschutz zukommt:233 Sie ermöglicht die Korrektur von Vermögensverschiebungen, die infolge des Abstraktionsprinzips wirksam sind und mildert so die Härte der generalisierenden, „technischen“ Regeln des Sachenrechts ab.234 3. „Durchbrechungen“ des Abstraktionsprinzips Aus den Ausführungen zur sachlichen Berechtigung des Abstraktionsprinzips ist bereits indirekt hervorgegangen, dass das Abstraktionsprinzip kein Selbstzweck ist. Vielmehr stellt es nur einen gelungenen Lösungsversuch für bestimmte Problemsituationen dar,235 der herangezogen wird, um die Allgemeinheit nicht unnötig mit Störungen aufgrund individueller Vertragsbeziehungen zu belasten. Das Abstraktionsprinzip muss und darf daher nicht eingreifen, soweit die genannten Schutzzwecke dessen Anwendung nicht verlangen oder deren Gewichtigkeit hinter andere Belange zurücktreten muss (die oft als „Durchbrechungen“ des Abstraktionsprinzips bezeichneten Fälle).236 a) „Durchschlagen“ von Mängeln des obligatorischen Geschäfts Eine derartige Ausnahme ist z. B. geboten, wenn die Interessen des Verfügenden, Eigentümer zu bleiben, die Schutzbelange des potenziellen Erwerbers und des Verkehrs überwiegen. Gesetzlich geregelt ist dies in § 138 Abs. 2 BGB, dessen Wortlaut ausdrücklich anordnet, dass die Nichtigkeit des wucherischen Geschäfts das dingliche Geschäft erfasst.237 Darüber hinaus wird ein „Durchschlagen“ der „schlichten“ Sittenwidrigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB angenommen, wenn – auch oder gerade – das Erfüllungsgeschäft nach Motiv und Zweck sittenwidrig ist.238 Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das dingliche Erfüllungsgeschäft 232

Zur Eingriffskondiktion bereits oben Teil 2 C.II.4.b)dd). Siehe nur Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 211 ff. m.w. N.; Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 901 (916). 234 Vgl. Jauernig, JuS 1994, 721 (722) m.w. N.; ferner Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 31. 235 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 295. 236 Dazu Jauernig, JuS 1994, 721 (722 ff.); Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnrn. 50 ff. – Für Begrenzungen auch Wiegand, FG BGH I, S. 772 ff. 237 Siehe nur Jauernig/Jauernig, Vor § 854 Rdnr. 17, § 138 Rdnr. 25. 238 Vgl. BGH NJW 1997, 860 (860); OVG Münster NJW 1989, 2834 (2834 f.); Jauernig/Jauernig, § 138 Rndr. 25; Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 c aa; lediglich eine Sittenwidrigkeit dem Inhalt nach kommt hier nicht in Betracht. – Siehe auch allgemein zu den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB BGHZ 86, 82 (88); 106, 269 (272); 125, 206 (209) m.w. N. 233

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die missbilligte Wirkung intensiviert und perpetuiert.239 Meist überwiegt dabei das Interesse Dritter oder der Allgemeinheit240 daran, dass der Eigentümer auch formal Rechtsinhaber bleibt, das Interesse des Erwerbers. Beispielsweise würde in den Fällen der Übersicherung die Wirksamkeit der Rechtsübertragung gerade dazu führen, dass Gläubiger nicht in die Vermögensgegenstände vollstrecken können, die allen Gläubigern als Haftungsmasse dienen sollen; der Übersicherte würde sein Ziel, sich in illoyaler Weise Sondervorteile zu verschaffen, gerade erreichen. Ähnliches gilt bei der Übertragung des Eigentums an altlastenverseuchten Grundstücken auf illiquide Kapitalgesellschaften, um der Störerhaftung und ihren finanziellen Folgen zu entgehen: Auch hier führt erst die Wirksamkeit der dinglichen Übertragung dazu, dass die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümer erlischt und die öffentliche Hand die aufgewandten Sanierungskosten vom (neuen) Eigentümer nicht erfolgreich beitreiben kann.241 Soweit die Sittenwidrigkeit in der Benachteiligung Dritter oder der Allgemeinheit liegt, ist ein starres Festhalten am Abstraktionsprinzip und der Neutralität der dinglichen Rechtsgeschäfte, die gerade diese Dritten und die Allgemeinheit schützen sollen, somit widersinnig.242 Die genannten „unechten243 Durchbrechungen“ bei Fehleridentität sind daher verfassungsrechtlich legitim. b) Parteigestaltungen (Bedingung oder Geschäftseinheit) Größere Zurückhaltung ist den „echten Durchbrechungen“ angebracht, die bei einem Bedingungszusammenhang zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft (vgl. § 158 BGB) oder bei einer Geschäftseinheit (§ 139 BGB) vorliegen. Allein mit dem Argument, die Parteien müssten wegen der ihnen zustehenden Privatautonomie auf das Abstraktionsprinzip verzichten können,244 können

239 Ähnlich Jauernig, JuS 1994, 721 (725); OLG München NJW-RR 2004, 164 (164), die darauf abstellen, ob die Sittenwidrigkeit im dinglichen Vollzug selbst begründet ist; Wiegand, FG BGH I, S. 771 m.w. N.; OVG Münster NJW 1989, 2834 (2835); vgl. ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 236. 240 Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 c aa; vgl. auch J. Mayer, FPR 2004, 363 (366): Verträge zu Lasten der Sozialhilfe. 241 Vgl. BVerwG NVwZ 1997, 577 (577); BayVGH BayVBl. 2001, 724 (725); OVG Münster NJW 1989, 2834 (2835); Neuner, JuS 2005, 385 (391). 242 Die Nichtigkeit beruht hier darauf, dass auf Interessen Dritter oder der Allgemeinheit nicht ausreichend Rücksicht genommen (oder sogar bewusst zu deren Lasten agiert) wurde. Hierin unterscheiden sich diese Konstellationen wesentlich von den Fällen der „Vertragskontrolle“, bei der der Eingriff zugunsten einer Person erfolgt, die den Vertrag selbstbestimmt eingegangen ist (vgl. BGHZ 86, 82 (87 f.); BGH NJW 1985, 1833 (1834); NJW 1993, 2041 (2041 f.)). 243 Es findet keine rechtliche Verkoppelung beider Geschäfte statt, sondern allenfalls eine tatsächliche, weil der gleiche Fehler sich auf beide auswirkt, vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 10; Aretz, Jura 1998, 242 (244). 244 So Aretz, Jura 1998, 242 (245).

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diese Figuren nicht legitimiert werden, weil das Abstraktionsprinzip – wie gezeigt – nicht nur ihren Interessen, sondern auch (und zwar sogar vorwiegend) dem Schutz Dritter und der Allgemeinheit dient. Gegen einen Bedingungszusammenhang ist gleichwohl wenig einzuwenden, wenn er ausdrücklich vereinbart ist oder er sich aus den Umständen klar ergibt, da das BGB dieses Gestaltungsmittel bereithält und ein praktisches Bedürfnis zu seinem Einsatz vorhanden sein kann.245 Soweit das Interesse an einer klaren Erkennbarkeit der Güterzuordnung als besonders groß angesehen wird, ist die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Bedingungszusammenhangs ohnehin im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Das Verbot einer Auflassung unter einer Bedingung (§ 925 Abs. 2 BGB) erweist sich somit als legitime bereichsweise Verschärfung und Absicherung des Abstraktionsprinzips, da die mangelnde Offenkundigkeit des Bedingungseintritts zu Rechtsunsicherheit führen und der Publizitätsfunktion des Grundbuchs zuwiderlaufen würde.246 Umgekehrt zeigt die Bestimmung, dass im Übrigen solche Konstruktionen grundsätzlich möglich sein sollen. Ein echter Bedarf, eine Geschäftseinheit vereinbaren zu können,247 besteht dagegen nicht. Wollen die Parteien eine Abhängigkeit von schuldrechtlichem und dinglichem Rechtsgeschäft, können sie die Bedingung vereinbaren; darüber hinaus kann die Grundentscheidung des Gesetzgebers für das Abstraktionsprinzip nicht durch bloße Indizien umgekehrt werden.248

III. Publizitätsprinzip und Traditionsprinzip Die Möglichkeiten, das Eigentum und andere dingliche Rechte zu übertragen oder zu begründen, werden weiter durch das Publizitätsprinzip eingeschränkt, das in zahlreichen Bestimmungen des Sachenrechts zum Ausdruck kommt. Das Publizitätsprinzip verlangt, dass die dingliche Rechtslage für Dritte erkennbar ist249 und daher der Übergang oder Bestellung eines Rechts mit einem äußerlich erkennbaren Akt einhergeht.250 Dieser liegt bei Mobilien in der Besitzverschaffung (§§ 929–931; §§ 1205, 1206; § 1032 BGB; damit zusammenhängend das Tradi245 Dieses kann zum einen bejaht werden, wenn die Parteien über die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrags im Zweifel sind (vgl. Staudinger/Wiegand (2004), § 929 Rdnr. 31). Zum anderen muss man einen Bedingungszusammenhang billigen, wenn der Veräußerer sicherstellen will, dass der „Übereignung“ überhaupt ein Vertrag zugrunde liegt, so dass er bei Realofferten (z. B. beim Warenautomat) zulässig ist (vgl. Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 10, § 4 Rdnr. 18). 246 Vgl. Jauernig, JuS 1994, 721 (723); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 10. 247 Dies bejahend BGH NJW 1967, 1128 (1130); Aretz, Jura 1998, 242 (245). 248 Ebenso die verbreitete Kritik, etwa von Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 56 m.w. N.; vgl. bei Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 10. 249 Siehe nur BGHZ 165, 184 (188, 192); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 9. 250 Vgl. Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 b.

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tionsprinzip251 und die Traditionsfunktion des Besitzes252) und im Immobiliarsachenrecht in der Grundbucheintragung (§ 873 BGB) oder der Übergabe des Hypotheken-/Grundschuldbriefs (§ 1154 BGB).253 Aufgrund des Publizitätsprinzips wurde z. B. für die Wirksamkeit einer Übertragung des Eigentums an einem „überbauten“ Gebäudeteil, für das sich aufgrund der besonderen Situation die Publizität durch das Grundbuch nicht herstellen ließ, gefordert, dass der Übertragungswille auf andere Weise erkennbar nach außen tritt.254 Für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen ist der Publizitätsgrundsatz allerdings nur unvollkommen verwirklicht. Nach § 930 und § 931 BGB genügt für den Eigentumsübergang die Begründung äußerlich nicht sichtbarer Formen des Besitzes.255 Demgegenüber ist die Begründung eines Mobiliarpfandrechts unter Einsatz eines Besitzkonstituts durch die §§ 1205, 1206 BGB ausgeschlossen;256 erst recht kennt das BGB kein besitzloses rechtsgeschäftlich begründetes Pfandrecht an beweglichen Sachen.257 Gerade hiernach besteht aber im heutigen Wirtschaftsleben ein dringender Bedarf, weil der Eigentümer oftmals zwar sein Eigentum als Kreditsicherungsmittel verwenden will, aber auf den Besitz der Sache angewiesen ist. Anhand dieser Konstellation ist daher zu untersuchen, ob das Erfordernis, bei der Übertragung und Begründung dinglicher Rechte auf die im BGB vorgesehenen Formen und Rechtsinstitute zurückzugreifen, vor Art. 14 GG Bestand hat.258

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Zu ihm besonders Aretz, Jura 1998, 242 (242 f.). Vgl. Wieling, Sachenrecht, § 9 I pr; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 2 Rdnr. 7; ferner die rechtshistorische Analyse von Wiegand, FG BGH I, S. 757 ff., 766 ff., nach dem die Publizitätswirkung ursprünglich nur Nebeneffekt war. 253 Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 9; Wieling, Sachenrecht, § 3 I a; Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnrn. 25, 27 und Rdnrn. 56 f. 254 BGHZ 157, 301 (306 ff.). 255 Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 b; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 9. 256 Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 10 Rdnr. 14; Jauernig/Jauernig, §§ 1205, 1206 Rdnr. 9; Mot. III, 800 ff. 257 Wieling, Sachenrecht, § 15 I a mit Hinweisen zu Sonderregelungen. – Auch beim Pfandrecht nach § 1 PachtKreditG fehlt es nicht an einem Publizitätsmittel, weil der Vertrag beim Amtsgericht niederzulegen ist (§ 2 PachtKreditG) und bei berechtigtem Interesse eingesehen werden kann (§ 16 PachtKreditG). 258 Mit einer anderen Situation befassen sich OLG Düsseldorf NJW 1954, 1767 (1767 f.); OLG Oldenburg DNotZ 1972, 492 (492 f.); HansOLG Hamburg NJW 1983, 2572 (2573); BVerfG NJW 1983, 2571 (2572 f.): Zu klären war jeweils, ob das kirchliche Selbstverwaltungsrecht den Kirchen erlaubt, bei Neuordnungen ihrer Strukturen Grundstückseigentum unmittelbar durch Kirchengesetz (und damit abweichend vom Erfordernis der §§ 873, 925 BGB) zu übertragen. Gesteht man den Kirchen das Recht zu, ihre Strukturen unmittelbar durch Kirchengesetz o. ä. zu ändern und dabei eine Gesamtrechtsnachfolge vozusehen, bedarf es konsequenterweise keiner Auflassung, sondern nur der Grundbuchberichtigung (in diese Richtung wohl auch OLG Düsseldorf NJW 1954, 1767 (1768)). 252

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Der rechtfertigende Grund für das Fehlen dieser und ähnlicher Rechtsfiguren lässt sich darin finden, dass die übrigen Teilnehmer am Rechtsverkehr auf die unbeschränkte Eigentümerstellung des unmittelbaren Besitzers vertrauen können müssen. Der Besitz, dessen Übergang Wirksamkeitsvoraussetzung der Eigentumsübertragung oder der Pfandrechtbestellung ist, ist gewissermaßen Ausweis der vollumfänglichen Rechtsinhaberschaft und der Verfügungsbefugnis.259 Dies erleichtert den Rechtsverkehr, weil umfangreiche Prüfungen entbehrlich werden, und dient damit letztendlich den Eigentümern insgesamt: Sie müssten andernfalls bei jeder einzelnen Verpfändung nachweisen, dass kein anderes (vorrangiges) Pfandrecht besteht, was wiederum kaum möglich ist. Die Erforderlichkeit dieses Mittels kann aus zwei Gründen in Frage gestellt werden: Erstens hat die Zulassung des Sicherungseigentums einen fast gleichwertigen Ersatz für das besitzlose Pfandrecht geschaffen.260 Zweitens kann der gutgläubige Erwerb (auch als gutgläubig lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB oder gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts nach § 1207 BGB) den befürchteten Verlust an Rechtssicherheit ebenfalls kompensieren, da bei Vorliegen des Rechtsscheinstatbestandes Nachforschungen zumindest im Regelfall unterbleiben dürften.261 Der letztgenannte Einwand lässt sich damit entkräften, dass der Gesetzgeber keineswegs gehindert ist – ihm vielmehr geboten ist – Situationen, in denen es zu einem Erwerb vom Nichtberechtigten kommt, möglichst zu vermeiden. Da der Eigentümer beim gutgläubigen Erwerb seinen Gegenstand verliert, würde der Substanzschutz des Art. 14 Abs. 1 GG eingeschränkt; zudem würden Regress-, Ausgleichs- und Rückabwicklungsansprüchen ausgelöst.262 Gründe, das Mittel des gutgläubigen Erwerbs, der gerade an eine objektiv unzutreffende Aussage der Besitzlage über die Eigentumslage anknüpft, dem Ziel einer Parallelität von Eigentum und Besitz vorzuziehen, sind nicht erkennbar. Das Ziel, Sachlagen, in denen es zu einem gutgläubigen Erwerb kommt oder kommen müsste, erst gar nicht entstehen zu lassen, ist daher durchaus legitim.263

259 Siehe nur Mot. III, 333, 801; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 123; Aretz, Jura 1998, 242 (248 f.); ablehnend aber Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 247, nach dem das Publizitätsprinzip lediglich die Interessen der Parteien schütze. – Daneben wird als Rechtfertigung des Traditionsprinzips angeführt, die Ernsthaftigkeit des Übertragungswillens müsse durch eine Manifestation geäußert werden, vgl. Mot. III, 335; Prot. III, 197 f.; ferner Brehm, AcP 207 (2007), 268 (273 f.). 260 Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 44. 261 Vgl. Wiegand, FS Kroeschell, S. 637 ff., 643; ferner Timm, JZ 1989, 13 (18 f.), der so „unsichtbare“ Bedingungskonstruktionen rechtfertigen will; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, passim, z. B. S. 247 ff.; Aretz, Jura 1998, 242 (245). 262 Eingehend zum Ganzen oben Teil 2 B.II.3.a)dd)(7)(d)(aa). 263 Ebenso Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 204.

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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Schwieriger zu bewältigen ist das Argument, dass sich durch eine Sicherungsübereignung weitgehend die gleichen Ergebnisse erzielen lassen wie durch ein besitzloses Pfandrecht und so letztlich nur eine Verkomplizierung der Rechtsgestaltung bewirkt wird. Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist ebenfalls zu hinterfragen, warum die Übereignung durch Besitzkonstitut möglich ist, nicht jedoch die Verpfändung: Da letztere nur ein Sicherungsrecht darstellt, während bei § 930 BGB das Vollrecht übertragen wird, legt das argumentum a maiore ad minus das Gegenteil nahe.264 Eine Erklärung findet sich darin, dass § 930 BGB nach der Intention des Gesetzgebers einen ganz anderen Anwendungsbereich hat, nämlich den Fall, dass eine Sache verkauft wird und sogleich übereignet werden soll, obwohl der Verkäufer den unmittelbaren Besitz noch zeitweilig behalten will265. In derartigen Situationen erleichtert und beschleunigt § 930 BGB im Interesse der Eigentümer den Güterumsatz, indem er ein Hin- und Hergeben überflüssig macht.266 Mit diesem Zweck hat die Norm einen berechtigten Platz innerhalb der Übereignungstatbestände. Durch Abschaffung des § 930 BGB die Sicherungsübereignung zu unterbinden hieße somit auch, Übereignungen, bei denen keine sofortige Übergabe erfolgt, unmöglich zu machen.267 Wenn das Sachenrecht berechtigterweise die Möglichkeit zur Verfügung stellt, ohne Übertragung des unmittelbaren Besitzes zu übereignen, und dieses Instrument bei der Sicherungsübereignung nur zu anderen Zwecken eingesetzt wird, kann daraus schwerlich ein Argument dafür gewonnen werden, dass das auf diese Weise (durch „Zweckentfremdung“) bewirkbare Ergebnis auch einfacher erzielbar sein muss.268 Hinzu kommt, dass beim Sicherungseigentum – anders als beim Mobiliarpfandrecht – nicht die Möglichkeit besteht, mehrere rangverschiedene Rechte an derselben Sache zu bergründen.269 Insgesamt dient das Streben nach Klarheit der Güterzuordnung somit einem vernünftigen Interesse der am Rechtsverkehr Beteiligten. Dieses rechtfertigt, die Wirksamkeit von Verfügungen über Mobilien im Regelfall von einer Übertragung des unmittelbaren Besitzes abhängig zu machen. In den wenigen Fällen, in denen diese nicht oder nur schwer erfolgen kann, wiegen die Belange des Verkehrs264 Vgl. jeweils die entsprechenden Bestebungen bei den Gesetzgebungsberatungen, die Möglichkeit der Sicherungsübereignung auszuschließen, in Prot. III, 200. 265 Die Motive zum BGB gehen jedenfalls nicht davon aus, dass die Sicherungsübereignung der Hauptanwendungsfall der Übereignung mittels Besitzkonstitut ist; vgl. auch Staudinger/Wiegand (2004), § 930 Rdnr. 5. 266 Siehe nur Wacke, ZeuP 2000, 254 (257 f., 259); Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 20 Rdnr. 6; jeweils auch dazu, dass die Übereignung mittels Besitzkonstituts bereits im römischen Recht bekannt war. 267 Ähnlich bereits Mot. III, 335 gegen Bestrebungen, einen Eigentumserwerb mittels Besitzkonstitut nicht zuzulassen. 268 Zu diesem Gedanken auch unten IV.3.; wie hier ferner Aretz, Jura 1998, 242 (248). 269 Vgl. Prot. III, 201.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

schutzes und der Nutzen für die Eigentümer insgesamt270 schwerer als das Interesse des einzelnen Eigentümers. Wenn der Gesetzgeber mit Rücksicht auf bestimmte Konstellationen Ausnahmen zulässt (wie in den §§ 930, 931 BGB), stellt dies nicht die Legitimität seines Grundanliegens in Frage.

IV. Typenzwang (numerus clausus der dinglichen Rechte) 1. Inhalt und Problemaufriss Das Beispiel der Sicherungsübereignung weist zugleich auf ein weiteres bestimmendes Strukturelement des Sachenrechts hin, nämlich das Prinzip des numerus clausus der dinglichen Rechte oder – negativ formuliert – den Typenzwang. Nach ihm können nur solche dinglichen Rechte begründet werden, die von der Rechtsordnung271 ausdrücklich zugelassen sind;272 der im Gesetz festgelegte Inhalt dieser Rechte kann auch nicht durch Parteivereinbarung beliebig abgeändert werden.273 Positivrechtlich lässt sich der Typenzwang mit der Formulierung der §§ 1018 f., § 1030, § 1069 BGB belegen, da das dort verwendete „kann“ impliziert, dass nur die ausdrücklich genannten Formen zur Verfügung stehen.274 Der Katalog der verdinglichungsfähigen Vereinbarungen in § 2 ErbbauRG275 zeigt ebenfalls, dass nur bei einer ausdrücklichen Zulassung im Gesetz rechtsgeschäftliche Vereinbarungen Wirkungen gegenüber Dritten entfalten.276 Der Typenzwang steht z. B. der Begründung eines nicht-akzessorischen Verwertungsrechts an beweglichen Sachen entgegen, obwohl hierfür ein breiter Anwendungsbereich und Bedarf bestünde. Im Immobiliarsachenrecht, für das das geltende Privatrecht eine größere Zahl von dinglichen Rechten vorsieht, kann das numerus-clausus-Prinzip ebenfalls zu Problemen führen und zu komplizierten Gestaltungsformen zwingen, wenn ein bestimmtes Ziel verwirklicht werden soll. 270

Vgl. auch unten Teil 4 E.I.2. zur Legitimation des gutgläubigen Erwerbs. Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 5 und unten b): richterliche Rechtsfortbildung genügt. 272 Siehe nur RGZ 117, 287 (294): „Der Kreis der dinglichen Rechte (ist) ein geschlossener“. 273 Frank, DNotZ 2006, 472 (473); Jauernig/Jauernig, Vor § 854 Rdnr. 3; Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht, Rdnr. 38; Stürner, AcP 194 (1994), 265 (266 ff.), den Typenzwang i. e. S. und die Typenfixierung unterscheidend; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 5; Wiegand, FS Kroeschell, S. 623; Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 e; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 13; bereits Mot. III, 2. 274 Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 23, 5 (S. 87); Jauernig/Jauernig, Vor § 854 Rdnr. 3; Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 38. – Gegen das Bestehen eines Typenzwangs, soweit ersichtlich, nur Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 e für den Bereich der beweglichen Sachen, da § 1007 BGB jedes Besitzrecht mit Wirkung gegenüber allen anderen ausstatte. 275 Hierzu vgl. K. Winkler, NJW 1992, 2514 (2518 ff.). 276 Vgl. Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 448. 271

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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Erweist sich eine Gestaltung als unzulässig, besteht die erwünschte dingliche Sicherung nicht, so dass einem Rechtsnachfolger die Vereinbarung nicht entgegengehalten werden kann. Als unwirksam können sich z. B. Dienstbarkeiten erweisen, deren Inhalt sich im Grenzbereich zwischen einer Verpflichtung zu einem (gem. § 1018 Var. 1–3 BGB zulässigen) Unterlassen und einem (unzulässigen, „servitus in faciendo consistere nequit“)277 aktiven Handeln bewegt. Unzulässig sind nach der Konzeption des BGB ferner Beschränkungen der rechtlichen Verfügungsmacht, z. B. in Gestalt von Dienstbarkeiten, mit denen ein bestimmter Nutzerkreis278 oder die Abnahme bestimmter Waren oder Dienstleistungen279 vorgegeben wird. Daher führt der Typenzwang zu erheblichen Einschränkungen und Erschwerungen, weil bestimmte Gestaltungen entweder überhaupt nicht möglich sind oder jedenfalls erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf ihre Wirksamkeit aufwerfen. 2. Rechtfertigungsgründe a) Wirkung als „Vertrag zu Lasten Dritter“ Der historische Gesetzgeber des BGB ging davon aus, dass zwischen dem Schuldrecht, in dem der Grundsatz der Vertragsfreiheit herrsche, und dem Sachenrecht, in dem der Typenzwang gelte, wesentliche strukturelle Unterschiede bestünden: Die „Willensherrschaft über Personen“, die im Vertragsrecht ausgeübt werde, resultiere aus der freiverantwortlichen Erklärung des anderen und könne daher nur gegenüber der Person bestehen, die das Verhalten versprochen hat. Demgegenüber wurde im „Wesen der Dinglichkeit“ die „unmittelbare Macht einer Person über die Sache“ gesehen; da sich Sachen jedoch nicht selbst unterwerfen können, wurde gefolgert, dass die Herrschaft über die nicht vernunftbegabten Gegenstände auf einer Grundlage im Gesetz beruhen müsse.280

277 Siehe dazu – neben den Nachweisen in der folgenden Fn. – Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 29; MünchKomm/Joost, § 1018 Rdnrn. 41 ff.; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 408 ff.; BGHZ 106, 348 (350); 161, 115 (120); BayObLGZ 1985, 193 (194). 278 Vgl. BayObLG NJW-RR 2005, 1178 (1179): Verpflichtung, ein Grundstück als Studentenwohnheim mit Läden zu benutzen und zu betreiben unzulässig. 279 Zur Gestaltungspraxis, die hier mit einem generellen Verbot und Dispens des Berechtigten arbeitet, vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnrn. 29, 34 ff.; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 408 ff.; aus der jüngeren Rechtsprechung BGH NJW-RR 2003, 733 (735); OLG München NJW-RR 2005, 603 (603): Fernwärme; OLG München NJW-RR 2004, 164 (164 f.): Getränke. 280 Mot. III, 2 f.; Johow, Vorentwurf Sachenrecht S. 1; vgl. dazu Wiegand, FS Kroeschell, S. 626, 636; Staudinger-Symposion 1998/ders., S. 108 f. – Wie Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 39 zutreffend präzisiert, ist die Vertragsfreiheit im Sachenrecht auf die Abschlussfreiheit reduziert; es besteht lediglich keine inhaltliche Gestaltungsfreiheit.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Nach vorzugswürdigem Verständnis ist das Eigentum kein Recht an einer Sache, sondern – da Pflichten immer nur andere Personen zum Adressaten haben können281 – eine Gesamtheit von Ansprüchen gegen andere Personen in Bezug auf die Sache.282 Der für den BGB-Gesetzgeber maßgebliche Ansatz lässt sich aber auf diesen Ausgangspunkt übertragen: Da dingliche Rechte infolge ihrer absoluten Natur Ansprüche gegenüber jedermann vermitteln,283 können sie nicht durch Vereinbarung von nur zwei Personen geschaffen werden, weil dies mit der allgemeinen Handlungsfreiheit der anderen Rechtssubjekte unvereinbar wäre und der klassische Fall eines „Vertrags zu Lasten Dritter“ vorläge.284 Quasi anstelle der Einwilligung aller übrigen Bürger285 als Anspruchsverpflichteten bedarf es daher der Anordnung in einem Gesetz, das die anderen Personen der Herrschaftsmacht aus dem so bestellten Recht unterwirft. Das numerus-clausus-Prinzip schließt somit aus, dass bilaterale Vereinbarungen, denen das BGB eine Drittwirkung berechtigterweise versagt, in drittwirksame Rechtspositionen transformiert werden.286 Der Typenzwang verfolgt damit das legitime Anliegen, Personen, die nicht an einer privatautonom eingegangenen Vereinbarung beteiligt waren, von deren Wirkungen zu verschonen, um ihre Freiheit und ihre Handlungssphären zu erhalten. Die Auswirkungen auf die Handlungsfreiheit Dritter sind allerdings oftmals geringer, als es zunächst scheint: Sollen „neue“ dingliche Rechte begründet werden, geht es meist lediglich darum, die Befugnissphären zwischen dem Eigentümer und dem Inhaber des dinglichen Rechts neu abzugrenzen, nicht, die Befugnisse insgesamt auszuweiten und damit zusätzliche Unterlassungspflichten anderer zu statuieren. Ein außenstehender Dritter ist damit nur insofern betroffen, als eine andere Person Inhaber der Abwehr- und ggf. Ersatzansprüche ist; insgesamt wird seine Handlungssphäre aber regelmäßig nicht quantitativ verringert. Die hieraus resultierenden Unsicherheiten über die Befugnisverteilung und die Auslegungs- und Aufklärungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit den bilateralen Abreden können aber ebenfalls zu erheblichen Nachteilen für Dritte führen, insbesondere, weil auch für sie mit die Frage relevant wird, wem von beiden bestimmte Befugnisse zustehen. 281

Dazu bereits oben Teil 3 A.II.1. Vgl. oben Teil 2 B.I.5.; Hadding, JZ 1986, 926 (927 f.) m.w. N. 283 Mot. III, 2; Hadding, JZ 1986, 926 (927); Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 37 (mit der allgemeinen Feststellung, dass zahlreiche Prinzipien des Sachenrechts im Absolutheitsprinzip wurzeln); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 6; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 13. 284 Ebenso C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (459 f.). 285 Vgl. Hobbes, De Cive, 2. Kapitel 4; ferner (zu Pufendorf) Auer, AcP 208 (2008), 584 (603): „legitime Herrschaft (ist) allein (. . .) auf Grundlage von Verträgen möglich“. 286 Wiegand, FS Kroeschell, S. 634 f.; Olzen, JuS 1984, 328 (330); vgl. ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 375, der aber den Typenzwang zur Erreichung dieses Ziels nicht für erforderlich hält (S. 376). 282

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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b) Sicherheit des Rechtsverkehrs Drittwirksame Rechtspositionen, die für potentielle Erwerber nicht erkennbar sind, wirken jedoch generell hemmend auf den Waren- und Grundstücksverkehr:287 Werden die in einem Recht enthaltenen Befugnisse durch die Abspaltung einzelner Rechtspositionen modifiziert, ist der Güteraustausch erschwert, weil ein Erwerber stets im eigenen Interesse gezwungen ist, umfangreiche und langwierige Ermittlungen anzustellen, welchen Umfang das Rest-Recht konkret aufweist.288 Gleichförmige Inhalte von Rechten erleichtern damit den Verkehr, während sich Gestaltungsfreiheit im Sachenrecht tendenziell beschränkend auf die Zirkulationsfähigkeit der Güter auswirkt.289 Eine Kompensation dieser Nachteile wäre zwar wiederum durch die Ausdehnung des Gutglaubensschutzes290 oder Modifikationen im Zwangsvollstreckungsrecht möglich,291 doch gilt ebenso, dass der Gesetzgeber wegen Art. 14 Abs. 1 GG primär dafür sorgen muss, dass ein Recht seinem Inhaber in natura erhalten bleibt. Ein Weg, den soeben geschilderten Beeinträchtigungen dritter Personen und des Rechtsverkehrs entgegenzuwirken, ist wiederum die Herstellung von Transparenz durch Publizität. § 2 ErbbauRG und § 10 WEG, die die Verdinglichung bestimmter Abreden zulassen, setzen daher entsprechende Grundbucheintragungen voraus.292 Überdies ist der Kreis verdinglichungsfähiger Abreden jeweils begrenzt.293 c) Zwischenergebnis: Rechtfertigung des Typenzwangs Das numerus-clausus-Prinzip dient damit dem Schutz der Handlungsfreiheit aller übrigen Rechtssubjekte sowie dem Verkehrsinteresse und verfolgt somit grundsätzlich vernünftige Zwecke.294 Diese rechtfertigen zunächst die eher 287 Siehe nur Palandt/Bassenge, Einl v § 854 Rn. 3; Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 38. 288 Dieser wäre ggf. noch mit anderen angebotenen Rechten zu vergleichen, was auf intransparenten Märkten schwierig ist. 289 Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 124; Stürner, AcP 194 (1994), 265 (281). – Wenn solche Recht Vorzugsrechte in Zwangsvollstreckung und Insolvenz gewähren, läuft dies zudem den Interessen von Gläubigern zuwider, Wiegand, FS Kroeschell, S. 638. 290 Hierfür Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 559 f.; zu den Gegenargumenten oben C.III. 291 Vgl. Wiegand, FS Kroeschell, S. 637 m. Fn. 51, 643. 292 Zutreffend insofern Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 384 m.w. N., 448, 559. 293 Vgl. Stürner, AcP 194 (1994), 265 (281); ferner Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 55 zur Schutzfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes. 294 Ebenso (kurz) Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (440). – Selbst der anglo-amerikanische Rechtskreis, der grundsätzlich eine Vielzahl dinglicher Berechtigungen kennt, erkennt die hier angesprochene Problematik und reagiert darauf. Eine Gegenmaßnahme

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

„positive“ Verbotswirkung des Typenzwangs, nämlich das Verbot der Begründung neuer, unbekannter dinglicher Rechte. Zugleich legitimiert es das Verbot von Modifikationen der vorhandenen Rechtsfiguren, da durch einen Verzicht auf wesentliche (charakteristische) Befugnisse der kodifizierten dinglichen Rechte ebenfalls neue dingliche Rechte generiert werden könnten. Diese „negative“ Seite ist aber – wie noch auszuführen sein wird – schwächer ausgeprägt also die positive Seite, weil und soweit Publizität hergestellt werden kann.295 d) Prüfungsmaßstab für den Anspruch auf Zurverfügungstellung bestimmter Rechtsfiguren Da die Grundentscheidung, die Schaffung neuer dingliche Rechte nicht zuzulassen, als solche nicht zu beanstanden ist, bleibt zu untersuchen, ob der vorhandene Bestand an dinglichen Rechten den Anforderungen der Verfassung genügt. Vorgaben können sich dabei sowohl aus der Eigentumsgarantie selbst ergeben als auch aus anderen Grundrechten wie z. B. Art. 12 GG, die gebieten, Rechtsfiguren bereitzuhalten, die zu einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung des Eigentums – auch im Rahmen der Berufsausübung – erforderlich sind.296 Die Bedürfnisse in einer agrarisch strukturierten Wirtschaft unterscheiden sich insoweit naturgemäß von denen der modernen Industriegesellschaft.297 Exemplarisch anzuführen ist wieder das besitzlose Mobiliarpfandrecht, das als Kreditsicherungsmittel die finanzielle Basis eines Unternehmens verbessern könnte.298 Aus dem gegen Unklarheiten bezüglich der Rechtsinhalte und -zuordnung ist insbes. die „rule against perpetuities“ des common law. Nach ihr ist ein trust unwirksam, wenn dieser länger bestehen soll als 21 Jahre über die Lebenszeit (u. U. zzgl. der Zeit als nasciturus) einer Person hinaus, die bei Gründung des Trusts lebt (vgl. Connecticut Bank & Trust Co. v. Brody, Connecticut Supreme Court 1978, 174 Conn. 616 (p. 623), m.w. N.). Die rule sei im common law tief verwurzelt und diene dem Zweck, zu verhindern, dass die Marktfähigkeit über längere Zeiträume beschränkt wird (pp. 623, 624). 295 Der bisweilen für die Geltung des Typenzwangs angeführte Begründungsversuch, die bereitgestellten Rechte würden die Befugnisse der Beteiligten inhaltlich gerecht austarieren und könnten daher augrund ihrer materiellen Richtigkeit Geltung beanspruchen, kann dagegen nicht überzeugen. Die Vielfalt der Konstellationen und Bedürfnisse, die das moderne Wirtschaftsleben mit sich bringt, macht es weitgehend unmöglich, vorgefertigte Regelungen bereitzustellen, die den Anspruch erheben können, die einzig richtigen zu sein (vgl. Stürner, AcP 194 (1994), 265 (275 f.) m.w. N.). Richtig ist, dass der Gesetzgeber jeweils die dinglichen Rechte schafft, von denen er meint, dass sie den jeweiligen praktischen Bedürfnissen entsprechen (dazu sogleich). Dies heißt aber nicht, dass seine Modelle einen unbedingten Geltungs-/Richtigkeitsanspruch haben müssen. So wurde bereits in der Entwurfsphase des BGB erkannt, dass die vorgesehenen Rechtsinstitute den Bedürfnissen nicht dauerhaft entsprechen werden, vgl. Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 114 f. m.w. N.; Mot. III, 3. 296 Oben C.I.2.b). 297 Vgl. Wiegand, FS Kroeschell, S. 639 f. 298 Ist dagegen der „Boden“ das wichtigste Produktionsmittel, genügen Hypothek und Grundschuld.

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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Bereich der Grundstücksrechte sind der Ruf nach einem dinglich wirkenden Vermietungsverbot,299 vor allem aber die zahlreichen Versuche zu nennen, Abnahmeverpflichtungen oder Wettbewerbsverbote mittels dinglicher Rechte zu begründen und zu sichern.300 Hinter diesen muss nicht immer der Zweck stehen, Konkurrenten zu benachteiligen. Solche Rechte können auch dem legitimen Ziel dienen, die Rentabilität getätigter Investitionen (etwa bei Versorgungsleitungen oder Geschäftsausstattungen) zu sichern. Wer solche dinglichen Rechte zur Verwirklichung seiner wirtschaftlichen Ziele benötigt, empfindet ihr Fehlen als mangelnde Berücksichtigung seiner Interessen. Der Gesetzgeber kann jedoch wegen des an dieser Stelle großzügigen Prüfungsmaßstabs die kollidierenden Belange relativ frei gewichten. Selbst wenn daher die Forderung nach einem besitzlosen Mobiliarpfandrecht verfassungsrechtlichen Bezug hat, muss der Gesetzgeber dieses nicht bereitstellen, da sachliche Gründe auch dagegen sprechen. Ebenso geriete die Schaffung wettbewerbsrelevanter Rechte an Grundstücken zwangsläufig in Konflikt mit dem Anliegen einer Wirtschaft ohne dauernde Bindungen an einzelne Zulieferer.301 Allgemein lässt sich daher ableiten, dass eine ganz bestimmte Rechtsform nicht gefordert werden kann, sondern nur die Möglichkeit, ein erstrebtes und von den Grundrechten garantiertes Ziel auf irgendeine Art zu verwirklichen. Ein Anspruch darauf, genau die Rechtsfigur zu erhalten, mit der sich das gewünschte Ziel optimal erreichen lässt, besteht nicht; den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist genügt, wenn es sich mit den vorhandenen Instrumenten überhaupt in zumutbarer Weise realisieren lässt.302 Ein Verstoß gegen die grundrechtlich garantierte Entfaltungsfreiheit liegt somit erst vor, wenn sich ein legitimes Ziel entweder gar nicht erreichen lässt, obwohl zwingende Gründe (in Gestalt der Belange der Allgemeinheit oder konkreter anderer Personen) nicht entgegenstehen, oder der theoretisch mögliche Weg mittels der vorhandenen Rechtsformen so erdrückende Nachteile mit sich bringt, dass dies nicht mehr sinnvoll ist. Dem Interesse, durch eine bestimmte Gestaltung sein Ziel zu verwirklichen, kommt auch dann, wenn ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgt werden, geringeres Gewicht zu als in den Fällen, in denen es um die Ermöglichung der Ausübung anderer, individueller Freiheiten geht303. 299

Vgl. Stürner, AcP 194 (1994), 265 (276 f., 280). Dazu Staudinger/Mayer (2002), § 1018 Rdnrn. 111 ff.; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 408 f.; Stürner, AcP 194 (1994), 265 (267, 271 f., 282 ff.); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnrn. 34 ff.; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 176 (176 f.). Vgl. auch unten Teil 4 B.III.3.b)bb)(3)(a). 301 Vgl. in diesem Zusammenhang auch untenTeil 4 B.V.3. 302 Vgl. BVerfGE 83, 341 (355); ähnlich BVerwG 58, 26 (33 ff.) hinsichtlich der Voraussetzungen einer Konzession für einen wirtschaftlichen Verein gem. § 22 BGB. 303 So die oben (S. 308) genannten Konstellationen („Bahá’í-Entscheidung“ BVerfGE 83, 341 und „Spanier-Beschluss“ BVerfGE 31, 58). 300

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Unter diesen Vorzeichen ist festzustellen, dass das positive Recht des BGB und seiner Nebengesetze (ErbbauRG, WEG) eine relativ breite Palette von Typen, Varianten und Differenzierungsmöglichkeiten bereithält, die es ermöglichen, alle wichtigen Gestaltungsbedürfnisse der modernen Wirtschaft „jedenfalls irgendwie“ abzudecken.304 Dies gilt umso mehr als – wie sogleich zu zeigen ist – die vorhandenen Formen auch untereinander und mit allgemeinen Rechtsinstituten (z. B. Bedingungen) kombiniert werden können und so weitere Möglichkeiten eröffnen. Der Bestand der derzeit vorhandenen und verfügbaren dinglichen Rechte ist damit nicht zwingend ergänzungsbedürftig. 3. Gebot weitgehender Gestaltungsfreiheit unter Verwendung der vorgefundenen Rechtsfiguren a) Allgemeines Die Freiheitgewährleistung, möglichst unbeschränkt über sein Eigentum verfügen zu können, wirkt dahingehend weiter, dass die Möglichkeiten und Gestaltungsoptionen, die der vorhandene Katalog von Rechtsfiguren eröffnet, grundsätzlich beliebig genutzt werden dürfen, um die eigenen Ziele zu realisieren. Im Sinne einer weitgehenden Verwirklichung der Grundrechte müssen Gestaltungsspielräume, die das dispositive Recht eröffnet, voll ausgeschöpft werden können, soweit dies nach den allgemeinen methodischen Regeln zulässig ist. Grenzen können wiederum lediglich unabweisbare Rücksichten auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs oder auf Interessen anderer Personen darstellen.305 Bedeutung hat dies z. B. dafür, ob und wie die im BGB geregelten dinglichen Rechte mit den Rechtsfiguren des Allgemeinen Teils des BGB verknüpft werden können und ob durch die schuldrechtliche Einschränkung des Inhalts dieser Rechte im Ergebnis beschränkt dingliche Rechte mit neuem Inhalt kreiert werden können. So lässt sich ein Verbietungsrecht, mit dem der Verkauf von Waren unterbunden werden soll, die von Dritten erworben oder hergestellt worden sind, realisieren, indem der Verkauf entsprechender Gegenstände vollständig untersagt, dieses Verbot nach § 1018 2. Alt BGB dinglich gesichert und hiervon insoweit Befreiung erteilt wird, als vom Inhaber der Dienstbarkeit bezogenen Produkten gehandelt wird.306 Ferner kann durch die Vereinbarung von Begleitschuldverhält-

304 Ebenso Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 39; ders., in: Staudinger/Eckpfeiler S. 877 (889). 305 BVerfGE 83, 341 (356); OLG Hamm NJW-RR 1995, 119 (120); NJW-RR 1997, 1397 (1397); ebenso der Ansatz in BGHZ 134, 392 (401) zur Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht (Anerkennung der GmbH & Co KGaA). 306 Siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 36; Staudinger/Mayer, § 1018 Rdnr. 115; ähnlich auch BGH NJW 2003, 3702; näher unten Teil 4 B.V.3.

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nissen eine Aufweichung des Satzes, dass Dienstbarkeiten nicht zu einem positiven Tun verpflichten können, erreicht werden.307 Die Freiheitsvermutung, die der Eigentumsgarantie und den anderen im Einzelfall betroffenen Grundrechten innewohnt, beinhaltet, die vorhandenen Möglichkeiten grundsätzlich beliebig auszunutzen. Soweit Konstruktionen wie die beschriebenen keine Bedenken im Hinblick auf die Publizität aufwerfen,308 müssen sie daher zulässig sein. Eine Ausnahme gilt lediglich, wenn der Gesetzgeber eine auf diese Weise generierte Rechtsposition wegen des damit erzielten Erfolgs bewusst verbieten wollte; die Unzulässigkeit ergibt sich dann aus dem Vorrang des (verbietenden) Gesetzes. Im Übrigen darf der einzelne seine Ziele, auch wenn das Gesetz zu ihrer Realisierung kein gesondertes Mittel bereithält, durchaus mit Hilfe der im BGB enthaltenen Figuren verwirklichen.309 Diese Erkenntnisse sind anhand der beiden Rechtsfiguren, die als im Wege der Rechtsfortbildung geschaffen gelten, näher auszuführen. b) Sicherungsübereignung Kennzeichen des Sicherungseigentums ist die treuhänderische Bindung des Eigentums, die die übertragene Rechtsmacht auf die Verwertungsbefugnis reduziert.310 Die Möglichkeit, durch Kombination einer Übereignung und einer begleitenden schuldrechtlichen Sicherungsabrede ein nicht-akzessorisches und besitzloses Sicherungsmittel zu schaffen, war bereits vor Inkrafttreten des BGB 307 „Servitus in faciendo consistere nequit“, vgl. BGHZ 109, 348 (350); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 33 Rdnr. 29; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 79; Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 29; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht,§ 28 Rdnr. 8. Eine Verpflichtung zum positiven Handeln kann selbstständig nur über eine Reallast (§§ 1105 ff. BGB) dinglich abgesichert werden; ferner kann das Begleitschuldverhältnis einzelne unterstützende Leistungspflichten begründen, vgl. Staudinger/J. Mayer, § 1018 Rdnrn. 134 ff.; Stürner, AcP 194 (1994), 265 (268 f.); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 29; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 410 ff. 308 Dies ist regelmäßig nicht der Fall. Das Grundbuch, in das die dinglichen Rechte eingetragen werden, verlautbart sogar einen weitergehenden Schutz als er wegen der schuldrechtlichen Abrede tatsächlich besteht; dies ist aber unschädlich. 309 So – ohne verfassungsrechtliche Argumentation – BGHZ 140, 118 (129) (zu Fideikommissen); vgl. auch BGHZ 134, 182 (187); Staudinger/J. Mayer (1997), Art. 59 EGBGB Rdnr. 44; RGZ 67, 378 (379); ferner Berger, JZ 1996, 519 (519): Die Rechtsordnung dürfe einen zweckwidrigen Gebrauch rechtlicher Gestaltungsinstrumente nicht hinnehmen (Hervorhebung T. R.). 310 Siehe nur Olzen, JuS 1984, 328 (329 f.); Staudinger/Wiegand (2004), Anh zu §§ 929-931 Rdnr. 58 (auch Rdnrn. 236 ff.); M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2650). – Verbreitet wird daher ein Sondercharakter des Sicherungseigentums im Vergleich zum Vollrecht attestiert, so etwa Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (347); Wiegand, FS Kroeschell, S. 641; Wieling, Sachenrecht, § 18, 2; L. Raiser, FG Sontis, S. 172 f.: „Funktionsteilung“; vgl. aber auch Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 901 (912 f.), nach der die Besonderheiten zu stark betont würden.

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erkannt und von der Rechtsprechung für zulässig befunden worden.311 Der BGBGesetzgeber hat die Sicherungsübereignung ausdrücklich nicht ausgeschlossen,312 so dass ihre Zulässigkeit unter der Geltung des BGB von Anfang an bejaht wurde.313 Die im Innenverhältnis geltende Absprache, dass der Sicherungsnehmer nur im Verwertungsfall zur Verfügung zum Zwecke der Verwertung befugt und bis dahin der Sicherungsgeber zu Besitz und Nutzung berechtigt ist, ist als solche unbedenklich, weil Dritte nicht involviert werden. Andere Personen werden erst dadurch betroffen, dass der Treuhandabrede eine Außenwirkung zuerkannt wird. Sie erlaubt dem Sicherungsgeber, die Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungsnehmers abzuwehren (§ 771 ZPO), und begründet in dessen Insolvenz ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO.314 Diese von der Rechtsprechung vorgenommene Erweiterung hat eine Drittwirkung schuldrechtlicher Abreden – oder m. a. W. die Verdinglichung schuldrechtlicher Beziehungen – bewirkt, die nach der Konzeption des BGB gerade verhindert werden soll.315 Der hinter dem Typenzwang stehende und diesen rechtfertigende Gedanke – die Rechtssicherheit – ist allerdings nicht tangiert, wenn die absolute Wirkung einer Rechtsposition allgemein bekannt ist, weil sich dann jede Person darauf einstellen kann. Im Wege der Rechtsfortbildung kann daher auch der Rechtsverkehr neue Formen dinglicher Rechte schaffen;316 unzulässig ist lediglich die Begründung durch Parteivereinbarung, weil nur sie zu der beschriebenen Ungewissheit für Dritte führt.317 Wegen der weiten Verbreitung und der Kenntnis der beteiligten Kreise davon, dass Sicherungsübereignungen erfolgen, gehen mit der absoluten Wirkung des Sicherungseigentums keine nennenswerten Belastungen dritter Gläubiger des Sicherungsnehmers einher. Das bloße (d.h. nicht durch die Einräumung besonderer Sicherungsrechte manifestierte) Vertrauen eines Gläubi-

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Vgl. die Nachweise in RGZ 57, 175 (177). Prot. III, 200 f.; vgl. ferner Wieling, Sachenrecht, § 18, 1; Staudinger/Wiegand (2004), Anh zu §§ 929–931 Rdnrn. 9, 11. 313 Siehe nur RGZ 57, 175 (177); BGH NJW 1984, 1184 (1186); aus der heutigen Literatur Jauernig/Jauernig, § 930 Rdnr. 20; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 16 (jeweils auf § 223 Abs. 2 BGB a. F. hinweisend); ausführlich zur Entwicklung Staudinger/Wiegand (2004), § 930 Rdnr. 3, Anh zu §§ 929–931 Rdnrn. 8 ff., 55; ders., FG BGH I, S. 769, 774 ff. 314 Statt aller Staudinger/Wiegand (2004), Anh zu §§ 929–931 Rdnrn. 249 ff.; Jauernig/Jauernig, § 930 Rdnrn. 51 f.; Zöller/Stöber, § 771 Rdnr. 14; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 12 Rdnrn. 38 bzw. 41; M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2650); ausführlich Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 105 ff.; umstritten ist lediglich, ob der Sicherungsgeber zunächst die gesicherte Forderung begleichen muss. 315 M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2650). 316 Wiegand, FS Kroeschell, S. 641; Liebs, AcP 175 (1975), 1 (27, 35); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 5. 317 Wiegand, FS Kroeschell, S. 640 f.; Liebs, AcP 175 (1975), 1 (35). 312

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gers, beim Schuldner befindliche Gegenstände würden für seine Forderungen haften, ist überdies nur gering zu gewichten,318 zumal solche Sachen auch nach §§ 929, 930 BGB zu „gewöhnlichen“ Zwecken veräußert oder nur gemietet/geleast sein könnten. Der Zulassung der Sicherungsübereignung durch die Rechtsprechung einschließlich der Anerkennung einer Außenwirkung stehen somit schützenswerte Verkehrsinteressen nicht entgegen. c) Anwartschaftsrecht Das Anwartschaftsrecht wird ebenfalls als ein dingliches Recht betrachtet, das im positiven Gesetz nicht geregelt ist.319 Erscheinungsformen sind das Anwartschaftsrecht auf das Eigentum an beweglichen Sachen (des Vorbehaltskäufers vor Bedingungseintritt oder des Sicherungsgebers im Fall der aufschiebend bedingten Rückübereignung),320 des Hypothekars vor der Valutierung321 und des Auflassungsempfängers vor der Eintragung322. Obwohl die Einzelheiten zu Entstehungszeitpunkt323 und Rechtswirkungen324 teilweise streitig sind, besteht ein gemeinsames Merkmal darin, dass von einem mehrstufigen Erwerbstatbestand bereits so viele Teilakte erfolgt sind, dass der Veräußernde den Erwerb nicht mehr einseitig verhindern kann.325 Ab diesem Zeitpunkt genießt das Anwartschaftsrecht rechtlichen Schutz gegenüber Dritten (insbesondere auch nach § 823 Abs. 1 BGB326) und ist übertragbar und beleihbar, so dass es wirtschaftlich verwertet

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Vgl. Prot. III, 201. Vgl. Jauernig/Jauernig, § 929 Rdnr. 43; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 2329. 320 Dazu jeweils Staudinger/Bork (2003), Vorbem zu §§ 158–163 Rdnr. 58 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rdnr. 35. 321 Staudinger/Wolfsteiner (2002), § 1163 Rdnr. 29 ff.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rdnr. 35. 322 BGHZ 45, 186 (190 f.); 83, 395 (399); Palandt/Bassenge, § 925 Rn. 25; Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 13 Rdnr. 60 ff. 323 Besonders umstritten ist dies für das „Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers“, vgl. zum Streitstand Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 13 Rdnrn. 61 ff.; Wieling, Sachenrecht, § 20 I 2 d; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 2330 ff. 324 Weitgehend setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Bezeichnung als Anwartschaftsrecht nur einen Sammelbegriff für zahlreiche Vorwirkungen des entstehenden Eigentums darstellt, und aus dem Begriff selbst – schon wegen der Inhomogenität der drei Formen – keine Sachfragen gelöst werden können, vgl. Wieling, Sachenrecht, § 17 II; § 20 I 2 d aa; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 2329 ff.; Staudinger/Bork (2003), Vorbem zu §§ 158–163 Rdnr. 57; Jauernig/Jauernig, § 929 Rdnr. 43. 325 Vgl. BGHZ 27, 360 (368); 37, 319 (321); 45, 186 (188 f.); 49, 197 (201); 83, 395 (399); Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 46; Staudinger/Bork (2003), Vorbem zu §§ 158–163 Rdnr. 53; Palandt/Heinrichs, Einf v § 158 Rn. 9. 326 BGHZ 55, 20 (25 f.); Jauernig/Jauernig, § 929 Rdnr. 58; Wieling, Sachenrecht, § 17 II 2 a. 319

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und als Kreditsicherungsmittel eingesetzt werden kann.327 Das Anwartschaftsrecht ist damit eine Vorstufe eines anderen Rechts (des Eigentums an der beweglichen Sache oder dem Grundstück bzw. der Hypothek),328 weshalb bereits früh die bildhafte Formel verwendet wurde, das Anwartschaftsrecht sei kein aliud gegenüber dem Vollrecht sondern ein wesensgleiches Minus.329 Hieraus wird gefolgert, dass das Anwartschaftsrecht nicht ein wirklich neues dingliches Recht, sondern nur ein Erwerbsrecht eigener Art darstelle330 und seine Anerkennung deshalb auch nicht gegen das numerus-clausus-Prinzip verstoße.331 Die vorzeitige (d.h. vor Abschluss des Erwerbstatbestands eintretende) Anerkennung als eigene Rechtsposition kommt den verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Erwerbers aus Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG entgegen, da er bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine geschützte und übertragbare Rechtsposition erhält. Da bereits das Vollrecht absoluten Schutz genießt und die Verhaltenspflichten zur Wahrung der Integrität des Anwartschaftsrechts mit denen zum Schutz des Eigentums identisch sind, führt die Anerkennung des Anwartschaftsrechts nicht zu einer Ausdehnung oder Neukreation drittwirkender Rechtspositionen.332 Mit der Anerkennung des Anwartschaftsrechts ändert sich lediglich die Person dessen, der die Unterlassung von Störungen verlangen und bei einem Substanzschaden eine Vermögenseinbuße erleidet; insbesondere stehen dem Anwartschaftsberechtigten selbst Ansprüche auf Schadensersatz unmittelbar gegen den Schädiger zu, was im Fall der Insolvenz des Veräußerers von Vorteil ist. Die denkbaren Schwierigkeiten für einen Außenstehenden, die Aktivlegitimation zu ermitteln, bestehen auch unabhängig vom Vorhandensein eines Anwartschaftsrechts.333 In der Anerkennung des Anwartschaftsrechts liegt somit kein unzulässiger Verstoß gegen das numerus-clausus-Prinzip und das verfassungsrechtliche Gebot, Außenstehende zu schützen. 327 Siehe nur Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 46; Staudinger/ Bork (2003), Vorbem zu §§ 158–163 Rdnrn. 71 ff. 328 Vgl. L. Raiser, FG Sontis, S. 174, der deshalb die Qualifikation als „zeitlich geteiltes Eigentum“ vertritt; auch BGHZ 83, 395 (399). 329 Schwister, JW 1933, 1762 (1764); aufgegriffen etwa in BGHZ 28, 16 (21). 330 Palandt/Heinrichs, Einf v § 158 Rn. 9. 331 Schwister, JW 1933, 1762 (1764); Jauernig/Jauernig, § 929 Rdnr. 43; anders RG JW 1933, 1762 (1764). 332 Vgl. Staudinger/Bork (2003), Vorbem zu §§ 158–163 Rdnr. 61; allgemein Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (298); oben C.IV.2.a). 333 Nach überwiegender Ansicht sind Eigentümer und Anwartschaftsberechtigten analog § 1281 BGB „gemeinsame Gläubiger“ i. S. v. § 432 BGB (vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 Rdnr. 45; Staudinger/Beckmann (2004), § 449 Rdnr. 67; Jauernig/ Jauernig, § 929 Rdnr. 58; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rdnrn. 47 f.), so dass für den Schädiger die Gefahr besteht, dass er den Schadensersatzbetrag allein an den besitzenden Anwartschaftsberechtigten leistet und keine befreiende Wirkung gegenüber dem Eigentümer eintritt. Dieses Risiko wird jedoch gegenüber dem Fall, dass nur ein obligatorisches Besitzrecht besteht, nicht erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass § 851 BGB zur Anwendung kommen muss, wird somit nicht vergrößert.

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4. Grenzen des möglichen Inhalts dinglicher Rechte aus dem Eigentumsbegriff Der absolute Eigentumsbegriff, der Art. 14 Abs. 1 GG zugrunde liegt, schließt aus, dass beschränkt dingliche Rechte der Vollumfänglichkeit des Eigentums nahekommen.334 Diese Vorgabe bildet eine Grenze für das einfache Recht im Hinblick auf den inhaltlichen Umfang, den beschränkt dingliche Rechte aufweisen dürfen. a) Verwirklichung bei den gewöhnlichen Dienstbarkeiten (einschl. Nießbrauch) und den Verwertungsrechten In Übereinstimmung mit dieser Leitvorgabe weisen Dienstbarkeiten nach der Konzeption des BGB in § 1018 einen inhaltlich begrenzten Charakter auf: Sie berechtigen nur zur Nutzung „in einzelnen Beziehungen“, verbieten nur „gewisse Handlungen“ oder schließen nur die Ausübung „eines Rechts“ aus. Zudem sind Dienstbarkeiten entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht selbstständig übertragbar.335 Beim Nießbrauch reicht die Rechtsmacht zwar weiter, da sein Inhaber umfassend zu Nutzung und Fruchtziehung berechtigt ist (§ 1030 BGB). Da dieses Recht nur subjektiv-persönlich begründet werden kann und zugleich unübertragbar ist, ergibt sich nahezu stets eine Begrenzung in zeitlicher Hinsicht.336 Zudem besitzt der Nießbraucher keine so weitgehende Entscheidungsfreiheit wie der Eigentümer, da er die vorgefundene Bewirtschaftungsart beibehalten muss (§ 1036 Abs. 2 BGB), die Sache nicht umgestalten darf (§ 1037 Abs. 1 BGB) und sie in ihren Bestand erhalten muss (§ 1041 BGB).337 Eine Gleichwertigkeit mit dem Eigentum als Vollrecht ist damit nicht gegeben. Keinerlei Bedenken werfen ferner die dinglichen Verwertungsrechte auf. Ihr Inhalt ist auf die Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung – also auf 334 Vgl. Wiegand, FS Kroeschell, S. 628 f. mit Zitaten; Mot. III, 262; Leisner, HdbStR § 149 Rdnr. 52; ferner L. Raiser, FG Sontis, S. 178 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 207. 335 Vgl. BGH NJW 2003, 3769 (3770); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnrn. 25, 38 m.w. N. 336 Hattenhauer, S. 92 f.; Kanzleiter, DNotZ 1986, 624 (626); dies galt bereits im römischen Recht, siehe nur Wieling, Nuda proprietas, S. 2519. – Zeitlich unbegrenzt kann nur der Nießbrauch zugunsten einer juristischen Person bestehen, zumal dort die §§ 1059 a ff. BGB ggf. das Zusammenbleiben von Nießbrauch und Unternehmenseinheit sicherstellen. Die sogleich anzusprechende inhaltliche Beschränkung gilt auch bei ihm. 337 Die Pflicht des Nießbrauchers zur Substanzerhaltung gehört zum Kernbestand des Nießbrauchs, vgl. (je zentral zur Frage, inwieweit dabei der Sorgfaltsmaßstab mit dinglicher Wirkung reduziert werden) KG NZM 2006, 470 (470 ff.); Frank, DNotZ 2006, 472 (473).

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den Zugriff auf die Wertkomponente – reduziert (§ 1147 BGB). Das Fehlen jeglicher Nutzungsrechtskomponente schließt aus, dass sie dem Vollrecht ähnlich werden. Die vom BGB bereitgehaltenen beschränkt dinglichen Rechte lassen ihrem Charakter nach daher die Begründung eine Rechtsposition, die sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht umfassend ist, nicht zu. Dem Eigentümer verbleibt somit im Normalfall stets mehr als ein nudum ius.338 b) Sonderfälle von Dienstbarkeiten Eine Kollision mit dem Verbot, einen unbeschränkten Inhalt anzunehmen, droht allerdings, wenn Dienstbarkeiten aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung dem Eigentümer des „dienenden“ Grundstücks keine oder zumindest keine sinnvolle Nutzung mehr übrig lassen. Problematisch sind daher zum einen Dienstbarkeiten, die zur Nutzung einer Fläche als Kfz-Abstellplatz berechtigt, und zum anderen „Wohnungsbesetzungsrechte“ und „Fremdenverkehrsdienstbarkeiten“. Dienstbarkeiten, die eine Nutzung als Kfz-Abstellplatz zum Inhalt haben, weisen einen „verdrängenden“ Charakter auf, da sie dem Eigentümer jede praktische Möglichkeit zu substanzieller Nutzung nehmen. Die hieraus resultierenden verfassungsrechtlichen Bedenken lassen sich nicht durch die Überlegung ausräumen, dass die Rechte durch den eigenen, freiwilligen Entschluss des Eigentümers begründet werden: Das Aushöhlungsverbot stellt eine objektive Strukturvorgabe zur Erhaltung des Wesens und des Wertes des Eigentums dar, die auch bei Einverständnis des derzeitigen Eigentümers nicht aufgehoben werden kann. Unzulässig ist daher in jedem Fall die Eintragung einer Dienstbarkeit, die bereits ihrem Wortlaut nach zu sämtlichen Nutzungen berechtigt.339 Fraglich ist dagegen die Zulässigkeit von Dienstbarkeiten, die zwar nur einzelne Befugnisse nennen, dem Eigentümer aber faktisch jegliche wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmacht nehmen. Während derartige Rechte früher für unzulässig gehalten wurden, weil das Eigentum in der Sache zum nudum ius degeneriere und in Wahrheit ein umfassendes Nutzungsrecht eingeräumt werde,340 hat sich inzwischen die gegenteilige Ansicht („formale Abgrenzung“) durchgesetzt. Für sie spricht, dass dem Be338 Vgl. Hattenhauer, S. 93; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnrn. 3 ff.; BGH NJW 2003, 3769 (3770). 339 Siehe nur BayObLG MDR 2003, 684 (684); KG OLGZ 1991, 385 (386); KG FGPrax 1995, 226 (226 f.); OLG Celle NVwZ-RR 2005, 102; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 101. 340 BayObLGZ 1965, 180 (181); 1979, 444 (448 f.); 1986, 54 (56); OLG Frankfurt OLGZ 1985, 399 (400); OLG Köln DNotZ 1982, 442 (443); OLG Zweibrücken DNotZ 1982, 444 (445); MünchKomm/Joost, § 1018 Rdnr. 28; Soergel/Stürner (12. Aufl.), § 1018 Rdnr. 12. – Unproblematisch sind auch Kellerrechte, da hier dem Eigentümer ein signifikantes positives Nutzungsrecht am Grundstück (nämlich in den anderen vertikalen Ebenen) erhalten bleibt, siehe nur BayObLG NJW-RR 2005, 604 m.w. N.

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rechtigten auch in diesem Fall nur einzelne positive Nutzungsbefugnisse zustehen341 und der Eigentümer jedenfalls noch die „negativen“ Ausschließungsbefugnisse besitzt. Der Eigentümer, der einem anderen eine Dienstbarkeit – i. d. R. gegen Entgelt – bestellt, behält sich gerade deshalb Verbietungsbefugnisse hinsichtlich der nicht eingeräumten Nutzungen zurück, um sicherstellen zu können, dass sich das vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht nachträglich verschiebt. Der Inhaber des Rechts kann somit nicht andere Nutzungen ohne erneute (entgeltliche) Gestattung vornehmen. Den negativen Befugnissen kommt somit an dieser Stelle eine vom Schutz der positiven Befugnisse verschiedene Funktion zu.342 Selbst wenn dem Eigentümer aufgrund des beschränkt dinglichen Rechts alle wirtschaftlich sinnvollen Nutzungen versperrt sind, kann von einer Aushöhlung des Eigentums nur gesprochen werden, wenn dem Eigentümer auch solche negativen Befugnisse nicht mehr zustehen. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn dem Berechtigten auch formell sämtliche Gebrauchsmöglichkeiten eingeräumt werden. Wurde eine derartige unzulässige Gestaltung gewählt, kann allerdings auch eine Beschränkung der Ausübung auf eine Teilfläche der Dienstbarkeit nicht zur Wirksamkeit verhelfen, weil es nicht auf das katastermäßige Grundstück ankommen kann, sondern darauf, ob dem Eigentümer hinsichtlich eines einzelnen Flächenstücks noch irgendwelche Befugnisse verbleiben.343 Bei den „Wohnungsbesetzungsrechten“ 344 und „Fremdenverkehrsdienstbarkeiten“ 345 ergeben sich die Bedenken daraus, dass sie sowohl inhaltlich weit reichen als auch regelmäßig zugunsten einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (meist: Freistaat/Land) bestellt werden, so dass sie auf grundsätzlich unbestimm341 In diese Richtung (wenn auch nicht so deutlich) argumentierend Demharter, FGPrax 1995, 227 (228); ferner in BayObLGZ 1987, 359 (361); 1989, 442 (444 f.), wo die Entscheidung jeweils offengelassen wird. I.Ü. beruft sich diese Ansicht überwiegend darauf, dass sonst „Lücken“ im „System“ der dinglichen Rechts bestünden (Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 101; Soergel/Stürner (13. Aufl.), § 1018 Rdnr. 12; ders., AcP 194 (1994), 265 (282)); dieser Einwand, der im Rahmen einer Abgrenzung von Dienstbarkeit und Nießbrauch vorgebracht wird, verfängt aber nicht, weil gerade fraglich ist, ob ein umfassendes subjektiv-dingliches Nutzungsrecht überhaupt zulässig ist; zutreffend Kanzleiter, DNotZ 1986, 624 (626). 342 Vgl. oben B. und unten Teil 4 B.III.3.b)bb)(3). 343 Obwohl die Zulässigkeit von „nur materiell umfassenden“ Dienstbarkeiten an Teilflächen weitgehend bejaht wird (BGH NJW 1992, 1101 (1101); BayObLGZ 1987, 359 (362 f.); MünchKomm/Joost, § 1018 Rdnr. 28), wird dies bei den „formell umfassenden“ Dienstbarkeiten abgelehnt (BayObLG MDR 2003, 684 (685); BayObLGZ 1986, 54 (56); vgl. auch Staudinger/J. Mayer § 1018 Rdnr. 102; Kanzleiter, DNotZ 1986, 624 (625 f.)). 344 Vgl. BayObLGZ 1982, 184 (186 ff.); 2000, 140 (141 f.): Benutzung nur durch Personen, die gewisse Eigenschaften im Hinblick auf den (auf dem gleichen Grundstück betriebenen) Betrieb haben und für die die Baubehörde zustimmt; vgl. ferner KGJ 36, A 216 (A 219 f.); 38, A 324 (A 327 f.); 42, 244 (246 ff.). 345 Vgl. BayObLGZ 1985, 193 (195 ff.); LG Göttingen NJW-RR 1997, 1105: fremdenverkehrsgewerbliche Nutzung der Wohnungen.

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te Zeit bestehen. Die Bestellung einer subjektiv-persönlichen Dienstbarkeit zugunsten einer juristischen Person ist zwar, wie § 1092 Abs. 2 BGB zeigt, möglich,346 doch fragt sich, ob bei ihr Korrekturen erfolgen müssen, um einer langfristigen Entleerung des Eigentums entgegenzuwirken. Eine Legitimation derartiger Dienstbarkeiten lässt sich nicht darauf gründen, dass sie meist nicht im privaten Interesse bestehen, sondern die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorgaben (insbesondere des Bauplanungsrechts) sicherstellen sollen und hierzu in vielen Fällen auch eine Baulast eingesetzt werden könnte:347 Wenn sich der Staat der Mittel des Privatrechts bedient, ist er auch an dessen Strukturvorgaben gebunden. Aus diesem Grund ist auch unerheblich, dass die Dienstbarkeiten nur Bestimmungen sichern und gegenüber Rechtsnachfolgern kundtun sollen, die eigentlich einem ganz anderen Rechtsgebiet angehören.348 Die Zulässigkeit derartiger Dienstbarkeiten ergibt sich daraus, dass Unterlassungspflichten oder Zustimmungsvorbehalte dieser Art generell weniger geeignet sind, zu einer Aushöhlung des Eigentums zu führen: Der Eigentümer wird von dem Verbot nur getroffen, wenn er eine bestimmte Nutzung überhaupt ausüben will. Alles andere kann er auch nach der Dienstbarkeit beliebig unternehmen. Unterlassungspflichten des genannten Inhalts besitzen somit eine „wenn-dann-Struktur“, die nur die Art und Weise bestimmter Nutzungen reglementieren. Zudem unterliegt die Ausübung der in der Dienstbarkeit enthaltenen Befugnisse den Rechtmäßigkeitsanforderungen für öffentlich-rechtliches Handeln, so dass z. B. Anspruch auf Zustimmung besteht, wenn die sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind und auch nicht beliebige Zustimmungsvorbehalte aufgestellt werden können. Durchgreifende Bedenken gegen Wohnungsbesetzungsrechte u. ä. sind daher nicht zu erheben.349 c) Verwirklichung beim Erbbaurecht Ein Verstoß gegen die dargelegten Grundsätze zum „Aushöhlungsverbot“ liegt auf den ersten Blick beim Erbbaurecht vor.350 Das Erbbaurecht berechtigt seinen 346 Siehe nur BayObLGZ 2000, 140 (142); Jauernig/Jauernig, § 1090 Rdnr. 13; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 33 m.w. N. 347 Anders offenbar z. B. in LG Göttingen NJW-RR 1997, 1105 und BayObLGZ 1982, 184 (188 f.). – Das Recht des Freistaats Bayerns und des Landes Brandenburg kennt jeweils Baulasten nicht, vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 36. 348 Vgl. BayObLGZ 1985, 193 (199 f.). 349 Ohne weitere Ausführungen die Zulässigkeit bejahend BGH NJW 1975, 381 (381 f.). – Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 413, sieht derartige Dienstbarkeiten als Vermietungsverbote an. Diese Sicht berücksichtigt jedoch nicht, dass es nicht darauf ankommt, aufgrund welcher Berechtigung die Person dort wohnt, sondern ob ihr eine bestimmte Eigenschaft (Student, bloßer Wochenendbewohner) zukommt oder fehlt. 350 Das Erbbaurecht war ursprünglich in den §§ 1012 ff. BGB kodifiziert und ist seit 1919 in der „Verordnung über das Erbbaurecht“ geregelt, die zum 30.11.2007 (ohne sachliche Änderungen) in „Gesetz über das Erbbaurecht“ unbenannt wurde. Die ErbbauVO bzw. das ErbbauRG gelten nur für die nach dem Inkrafttreten der ErbbauVO (22.1.1919) begründeten Erbbaurechte (§ 38 ErbbauVO/ErbbauRG). – Zum folgenden

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Inhaber zur Errichtung und Benutzung eines Gebäudes auf und unter dem belasteten Grundstück. Da das Erbbaurecht – anders als der Nießbrauch – sowohl im Wege der Singular- als auch der Universalsukzession übertragen werden kann (§ 1 Abs. 1 u. 2 ErbbauRG) und auch nicht zwingend befristet ist,351 kann ein sowohl inhaltlich umfassendes als auch zeitlich dauerhaftes Nutzungsrecht geschaffen werden. Anders als die zuvor erwähnten Dienstbarkeiten, die zumindest nach der gesetzgeberischen Konzeption nur zur Nutzung in einzelnen Beziehungen berechtigen, ist das Erbbaurecht auch seinem Wesen nach darauf angelegt, den Grundstückseigentümer nahezu vollständig von allen positiven und negativen Befugnissen auszuschließen.352 Augenfällig wird die besondere Stellung des Erbbaurechts im Vergleich zu anderen Grundstücksrechten in der Behandlung wie ein Grundstück (vgl. § 11 ErbbauRG)353 und im Erstrangigkeitsgebot/Vorbelastungsverbot (§ 10 ErbbauRG).354 Dem Eigentümer verbleiben zwar noch gewisse Ausschließungsbefugnisse, da der Inhalt des Erbbaurechts die Art der erlaubten Bebauung wenigstens in Grundzügen erkennen lassen muss;355 Wert und Bedeutung dieser Ansprüche sind aber gering, da sie nur eine sehr grobe Steuerung der Grundstücksnutzung ermöglichen. Sowohl nach der Lebensanschauung (die Bebauung wird als die höchstwertige Nutzung angesehen) als auch der Ausgestaltung des Gesetzgebers verbleiben dem Grundstückseigentümer keine nennenswerten eigenen Verwendungsmöglichkeiten für die belastete Fläche mehr. Insoweit ist konsequent, dass (anders als beim Nießbrauch) keine Pflichten des Erbbauberechtigten bestehen, die bisherige Nutzung aufrechtzuerhalten und die vorgefundene Substanz zu erhalten; vielmehr soll der Berechtigte das Grundstück nach seinem Belieben baulich nutzen dürfen. Der einzige Nutzen, den der Eigentümer aus seiner Sache noch ziehen kann, liegt im Erbbauzins. Das Eigentum ist damit faktisch auf die Vermögenswertkomponente reduziert; auch dies ist gerade beabsichtigt, wie § 9 Abs. 1 ErbbauRG belegt.356

siehe eingehend Hattenhauer, S. 93 ff.; vgl. ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 379, der Entsprechendes auch zum Dauerwohnrech nach § 31 WEG ausführt. 351 Ein sog. „Ewiges Erbbaurecht“ wird allgemein für zulässig erachtet, vgl. MünchKomm/v. Oefele, § 1 ErbbauVO Rdnr. 70; Staudinger/Rapp (2002), § 1 ErbbVO Rdnr. 30; K. Winkler, NJW 1992, 2514 (2516); Palandt/Bassenge, § 27 ErbbauRVO Rn. 1; Bedenken erkennen lassend LG Deggendorf MittBayNot 1987, 254. 352 Vgl. auch OLG Hamm FGPrax 2006, 2 (2). 353 Siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 63; MünchKomm/v. Oefele, § 1 ErbbauVO Rdnr. 6; BGHZ 47, 190 (191). 354 Hierdurch soll der ungestörte Bestand des Erbbaurechts für die gesamte Dauer gewährleistet werden: MünchKomm/v. Oefele, § 10 ErbbauVO Rdnr. 1; Staudinger/Rapp (2002), § 10 ErbbVO Rdnr. 1, der zudem betont, dass andere Belastungen nicht das Erbbaurecht stören sollen. 355 Siehe nur K. Winkler, NJW 1992, 2514 (2516). 356 Auch die anderen dinglichen Nutzungsrechte können zwar entgeltlich eingeräumt werden (Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 31); das Gesetz trägt dem aber nirgends durch besondere Vorschriften Rechnung.

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Grund und Anlass für die Schaffung des Erbbaurechts als derart umfassendes Recht war das Ziel, Grundeigentum, das nicht veräußert werden würde357 oder (mangels Kapitals) von bestimmten Personenkreisen nicht erworben werden könnte, für die Bebauung – insbesondere zu Wohnzwecken – nutzbar zu machen. Der Erbbauberechtigte soll eine umfassende Rechtsposition erhalten, ohne einmalig erhebliche Geldbeträge aufbringen zu müssen. Durch seine Begründung führt das Erbbaurecht damit nicht zu der befürchteten Versteinerung der Grundeigentumsverhältnisse, sondern bewirkt eine Mobilisierung des Bodens, so dass es der ratio des Aufspaltungsverbotes nicht zuwiderläuft. Der Erwerb eines Eigenheims – sozialpolitisch sinnvoll und geboten (Art. 20 Abs. 1 GG) – wird dadurch auch Bevölkerungskreisen ermöglicht, die zum Kauf eines Grundstücks finanziell nicht in der Lage sind.358 Um die Investition, die mit der Errichtung eines Gebäudes verbunden ist, zu sichern, ist auch erforderlich, das Recht zeitlich lange bestehen zu lassen. Ein Bedarf nach einem dinglichen Recht, das seinem Inhaber Befugnisse wie einem Eigentümer gibt, ist damit ausnahmsweise vorhanden; seine Schaffung ist somit grundsätzlich legitim. Das Erfordernis, der zu befürchtenden dauerhaften und vollständigen Aufspaltung und Entleerung des Eigentums entgegenzuwirken, bleibt aber bei der konkreten Ausgestaltung des Erbbaurechts zu beachten. Hierzu bestehen zahlreiche Möglichkeiten, insbesondere ein zeitliche Befristung (vgl. § 27 ErbbauRG), ein Zustimmungsvorbehalt bei Verfügungen und in der Zwangsvollstreckung (§§ 5 ff. bzw. § 8 ErbbauRG) oder ein Heimfallanspruch (§ 2 Nr. 4, §§ 3, 4 ErbbauRG). Diese Mittel stellen zum einen sicher, dass das Erbbaurecht langfristig wieder mit dem Eigentum zusammengeführt wird, und erlauben zum anderen dem Eigentümer eine gewisse Kontrolle über die Person des Grundstücksnutzers.359 Auch der Aspekt, dass ein Entgelt vereinbart ist, kommt bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung Bedeutung zu, da in diesem Fall weniger von einer Aushöhlung gesprochen werden kann360 und das Erbbaurecht dann langfristig gegenüber einem Kauf weniger rentabel ist. Insgesamt können daher dem Eigentümer noch so viel Restbefugnisse verbleiben, dass keine vollständige Aushöhlung gegeben ist. Werden diese Gestaltungsmöglichkeiten jedoch nicht genutzt, 357 Vermögensträger der römisch-katholischen Kirche dürfen nach den Art. 1290 ff. CIC 1983 Gegenstände nur unter besonderen formellen und materiellen Voraussetzungen veräußern, so dass eine Nutzbarmachung von Grundstücken weitgehend nur durch Bestellung von Erbbaurechten möglich ist. Zu den kirchenrechtlichen Genehmigungserfordernissen (dies sich inzwischen allerdings auch auf die Bestellung von Erbbaurechten erstrecken) siehe Partikularnorm Nr. 19 der Deutschen Bischofskonferenz, KABl. 2002, 174 f. – Vgl. auch Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 61. 358 Vgl. K. Winkler, NJW 1992, 2514 (2514); Palandt/Bassenge, Überbl v §§ 1012– 1017 Rdnr. 1. 359 Zu diesen Möglichkeiten jeweils K. Winkler, NJW 1992, 2514 (2516, 2519 f., 2521 f.). 360 Vgl. (zu einer ähnlichen Situation) BayObLGZ 1979, 444 (448 f.).

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so dass dem Eigentümer auf unabsehbare Dauer keinerlei realen Befugnisse mehr zustehen, degeneriert das Eigentum zum bloßen Scheinrecht. Dies muss zur Folge haben, dass die Erbbaurechtsbestellung als nichtig anzusehen ist.361 d) Zusammenfassung Die sich aus dem Vollrechtscharakter ergebende Strukturverpflichtung setzt der Schaffung dinglicher Rechte nur äußerste Grenzen. Sie sind erst erreicht, wenn sich das Resteigentum auf ein nudum ius reduziert, weil für den Eigentümer auf unbestimmte Zeit keine nennenswerten Nutzungsrechte mehr gegeben sind. Derartige Gestaltungen werden in den meisten Fällen bereits durch die im einfachen Gesetz enthaltenen sachlichen Regelungen verhindert, die keine zugleich dauerhafte und vollumfängliche Befugnisübertragung zulassen.

V. Verbot dinglicher Verfügungsbeschränkungen (§ 137 S. 1 BGB) 1. Historische und verfassungsrechtliche Ausgangslage Im Zusammenhang mit dem Typenzwang steht auch § 137 S. 1 BGB, der einem rechtsgeschäftlich begründeten Verfügungsverbot die dingliche Wirkung versagt. Verbote, an sich veräußerliche Vermögensgegenstände durch rechtsgeschäftlichen Akt dem Rechtsverkehr zu entziehen und so selbst dem jeweiligen Eigentümer spätere Verfügungen unmöglich zu machen362, sind vergleichsweise neu. Regelungen, nach denen Verfügungen über bestimmte Sachen ausgeschlossen waren oder ausgeschlossen werden konnten, waren in der Vergangenheit häufig anzutreffen.363 Insbesondere Grundeigentum war in erheblichem Umfang dauerhaft durch „Fideikommisse, Lehen oder Stammgüter“, wie sie in Art. 59 EGBGB 361 Vgl. zum Ganzen MünchKomm/v. Oefele, § 1 ErbbauVO Rdnr. 70; Palandt/Bassenge, § 27 ErbbauRVO Rn. 1; K. Winkler, NJW 1992, 2514 (2516); hierhin tendierend auch LG Deggendorf MittBayNot 1987, 254. – Eine räumliche Beschränkung der tatsächlichen Ausübung des Erbbaurechts auf einen unwesentlichen Teil einer Grundstücksfläche ist kein geeignetes Mittel, dies zu vermeiden, da nach dem Gesetzesverständnis die Befugnisse umfassend auf den Erbbauberechtigten übergehen und die Situation somit der „formell unbestimmten“ Dienstbarkeit ähnelt. Vgl. oben bei Fn. 339; anders insoweit Staudinger/Rapp (2002), § 1 ErbbVO Rdnr. 30; LG Deggendorf MittBayNot 1987, 254. 362 Zu dieser Wirkung BGHZ 56, 275 (278); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 18. 363 Vgl. Liebs, AcP 175 (1975), 1 (13 f.); Timm, JZ 1989, 13 (16). – Nach dem österreichischen Recht kommt Verfügungsbeschränkungen über Immobiliarrechte eine Wirkung gegenüber Dritten zu, wenn sie zugunsten von nahen Familienangehörigen erfolgen und verbüchert sind; die Wirkung ist jedoch auf die Lebenszeit dessen, der sich dem Verfügungs-/Belastungsverbot unterwirft, begrenzt, vgl. § 364 c östABGB; Berger, JZ 1996, 519 (520).

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angesprochen sind,364 innerhalb einer (Adels-)Familie gebunden. Auch das gegenwärtige Erbrecht lässt Anordnungen, durch die eine freie Veräußerung durch den Rechtsinhaber ausgeschlossen wird – wenn auch nur in gewissem Umfang – zu (vgl. §§ 2100 ff. BGB).365 Ein Rechtsgeschäft, das die Verfügungsbefugnis des jeweiligen Eigentümers aufhebt, ist nach allgemeiner Terminologie366 selbst eine Verfügung, weshalb sich § 137 S. 1 BGB vor Art. 14 Abs. 1 GG legitimieren muss.367 Das Interesse, Vermögensgegenstände der freien Verfügung durch andere zu entziehen, könnte im Einzelfall zudem von der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG) und dem Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) gedeckt sein.368 Als rechtfertigende Gründe für § 137 S. 1 BGB werden der Schutz der Eigentümers vor seiner Selbstentmündigung,369 die Verhinderung eines Erstarrens des Güterverkehrs,370 die Absicherung des Typenzwangs371 sowie der Gläubigerschutz372 genannt.373 Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind, wie im Einzelnen zu zeigen ist, alle vier Ansätze von Interesse. 2. „Schutz des Eigentümers vor sich selbst“? Dem zuerst genannten Begründungsansatz nach soll § 137 S. 1 BGB verhindern, dass sich die private Verfügungsfreiheit ihr eigenes Grab schaufelt und der Eigentümer sich so selbst entmündigt.374 Die Garantien der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 1 GG) verböten dem 364 Zu den jeweiligen Charakteristika vgl. Staudinger/J. Mayer (1997), Art. 59 EGBGB Rdnrn. 9 ff.; siehe ferner unten bei Fn. 389. 365 Vgl. BGH NJW 2008, 1157 (1158). Als mögliche Alternativkonstruktion werden weiter Familienstiftungen angesehen; vgl. dazu Staudinger/J. Mayer (1997), Art. 59 EGBGB Rdnrn. 40 ff. m.w. N. 366 Vgl. oben Fn. 188. 367 Dies gilt jedenfalls für die Zeit, solange der Eigentümer lebt. Ob die Eigentumsgarantie auch das Recht erfasst, post mortem andere von der Verfügung auszuschließen, scheint dagegen fraglich. 368 Auf eine genaue Bestimmung und Erörterung dieser Schutzbereiche soll hier verzichtet werden; bezüglich des Erbrechts scheint die Eröffnung zu bejahen zu sein, für den Schutz der Familie dagegen nicht. 369 F. Baur, JZ 1961, 334 (335); Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (58). 370 BGHZ 56, 275 (278 f.); Wiegand, FS Kroeschell, S. 637. 371 BGHZ 134, 182 (186); BGH NJW 2012, 3162 (3163); Wiegand, FS Kroeschell, S. 637. 372 BGHZ 134, 182 (186 f.); BGH NJW 2012, 3162 (3163); Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (58). 373 Zu diesen Gründen jeweils eingehend auch Liebs, AcP 175 (1975), 1 (10 ff.). 374 Vgl. Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (58); von einer „Sklaverei“ in vermögensrechtlicher Hinsicht sprechen F. Baur, JZ 1961, 334 (335) und Hattenhauer, Eigentum, S. 90, der das Verbot der Selbstversklavung auch in § 311 BGB a. F. (§ 311b Abs. 2 BGB n. F.) enthalten sieht.

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Staat, dem Eigentümer eine endgültige Beschränkung seiner eigenen Verfügungsfreiheit zu ermöglichen.375 § 137 S. 1 BGB würde danach – im Sinne eines „Schutzes des Menschen vor sich selbst“ – dem Grundrechtsträger verbieten, seine grundrechtlichen Freiheiten in einer bestimmter Weise einzusetzen, um ihn selbst vor einer dadurch bewirkten Selbstbeschränkung zu bewahren.376 Aus dem Grundrecht wird somit die Unwirksamkeit einer vom Grundrechtsträger selbst eingegangenen Bindung abgeleitet, obwohl auch die Eingehung von Bindungen die Ausübung grundrechtlicher Freiheit darstellt. Die Frage nach der Zulässigkeit rechtlicher Bestimmungen dieser Art berührt daher die grundlegende Frage, wie weit der Staat die Selbstbestimmung des Einzelnen auch dann respektieren muss, wenn dessen Verhalten als „unvernünftig“ und sogar als „schädlich“ zu bewerten ist.377 Staatliches Handeln, das für die Ausübung von Grundrechten relevant ist, muss den Grundsätzen von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit sowie dem Gleichheitssatz genügen. Auch bei Maßnahmen zum Schutz von Freiheiten – und zwar gerade in den Fällen, in denen der Gesetzgeber den Grundrechtsträger vor seinem eigenen Handeln schützen will – ist daher zu verlangen, dass ein Schutzkonzept ein Mindestmaß an Systematik und innerer Konsistenz aufweist. Hierzu gehört, dass dann, wenn mit Ge- oder Verboten einer Gefahr geringeren Ausmaßes entgegenwirkt wird, „erst recht“ Vorkehrungen gegen größere Gefahren vergleichbarer Art getroffen werden müssen.378 Andernfalls stellt 375

F. Baur, JZ 1961, 334 (335). Vgl. BVerfGE 81, 242 (254 f.); 89, 214 (233 f.) BVerfG NJW 2012, 1062 (1063); ferner (ablehnend) Kempen, DZWir 1994, 499 (503 f.). – Als Voraussetzung eines „Schutzes vor sich selbst“ wird genannt, dass der Grundrechtsträger die Folgen des Handelns in dem Moment, in dem er die Bindung etc. eingeht, nur schwer erkennen kann, so dass er mangels Wissen um Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung nicht gänzlich frei agiert (vgl. BVerfGE 22, 180 (219); 58, 208 (224 f.); 59, 275 (278 f.); 90, 145 (172, 174); BVerfGE 99, 341 (351): „Selbstbestimmung setzt Selbstbestimmungsfähigkeit voraus“; BVerfG NJW 2012, 1062 (1064)). Diese Bedingung wäre in den Fällen des § 137 BGB erfüllt, da die wirtschaftliche Tragweite einer solchen Selbstbeschränkung oft erst nach langer Zeit offenkundig wird. 377 Zur Diskussion hierzu vgl. etwa Classen, AöR 122 (1997), 65 (75 f.); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (249 ff.); ders., Rangverhältnisse, S. 66 f.; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 70 ff.; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (85); Isensee, FS Großfeld, S. 500 ff.; ders., Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, S. 7 f.; ders., HdbStR § 111 Rdnr. 129 ff.; Jung, JZ 2001, 1004 (1009); Singer, JZ 1995, 1133 (1134 ff.); ferner Laufke, FS Lehmann, S. 168; BayVerfGHE 40, 58 (63). Röthel, NJW 2001, 1334 (1335) weist zutreffend darauf hin, dass eine zu intensive Kontrolle langfristig kontraproduktiv sein kann; ähnlich Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1229). Vgl. ferner zum Ganzen unten Teil 4 B.IV.2.a)bb)(1). 378 BVerfGE 88, 87 (100): Es gebe keinen einleuchtenden Grund dafür, Personen vor einer Entscheidung zu bewahren, die weit weniger einschneidend ist als eine andere, die das Gesetz ihnen ermöglicht. Siehe auch BVerfGE 107, 186 (200): Andere gesetzliche Regelungen dürfen der Annahme, die Grund einer bestimmten Regelung ist, nicht widersprechen. 376

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der Gesetzgeber die Gewichtigkeit und Dringlichkeit des von ihm verfolgten Ziels selbst infrage, so dass die Erforderlichkeit der Freiheitseinschränkung fehlt.379 Da das Konsistenzerfordernis aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot und dem Wilkürverbot resultiert, können sich aus ihm jedoch nur äußerste Schranken ergeben. Insbesondere darf der Gesetzgeber nicht daran gehindert werden, es zunächst mit milderen Maßnahmen zu versuchen, oder bestehende Regelungskomplexe aus aktuellem Anlass zu modifizieren. Ferner kann er selbst die Zwecke, die er verfolgen will, näher auswählen und definieren, woraus sich dann „das System“ erst ergibt. Nur, wenn für die gleichzeitige Geltung zweier Regelungen unter keinem Aspekt vernünftige und verhältnismäßige Gründe mehr erkennbar sind, kann sich insoweit eine verfassungsrechtliche Schranke ergeben. Auch unter diesen – die verfassungsrechtliche Kontrolle einschränkenden – Vorzeichen erweist sich jedoch § 137 S. 1 BGB als ungeeignet, wenn die Bestimmung das Ziel hat, den Eigentümer vor einem Verlust seiner Verfügungsbefugnis zu bewahren: Soll § 137 S. 1 BGB die Substanz der Sache (i. S. v. realer Nutzungsmacht) schützen, ist nicht zu verstehen, warum der Eigentümer ohne Weiteres die Sache auf einen anderen übertragen (§§ 929 ff. BGB) oder sein Eigentum daran aufgeben kann (§ 959 BGB).380 Bei der Übereignung und der Dereliktion mag für den Eigentümer zwar klarer erkennbar sein, dass er sein Recht vollständig und dauerhaft verliert, so dass er eines besonderen Schutzes nicht bedarf. Bei einem bloßen Verzicht auf die Verfügungsbefugnis bleibt der Eigentümer aber im Gegensatz zu diesen beiden Rechtsgeschäften immerhin Rechtsinhaber und kann die Sache weiter selbst nutzen oder einem anderen (auch gegen Entgelt) zur Nutzung überlassen. Dies ist aus Sicht der primären subjektiv-rechtlichen Nutzungsgarantie381 weniger folgenschwer als die vollständige Aufgabe bzw. Weggabe des Eigentums. Im Ausschluss der Verfügungsbefugnis kann daher kaum eine Selbstversklavung erblickt werden; jedenfalls wäre nicht einsichtig, warum der Gesetzgeber gerade an dieser Stelle Schutzmaßnahmen ergreift und eine weitergehende Entäußerung zulässt. Nachteile für den Eigentümer, der die Verfügungsbefugnis ausschließt, resultieren daneben aus der Minderung des Wertes der Sache, da ihr mangels Verkehrsfähigkeit kein (Tausch-)wert mehr zukommt. Auch das Ziel, den Eigen379 Zur Abgrenzung: Die Verfassungswidrigkeit einer Norm kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die getroffene Regelung „nicht weit genug“ gehe und sich daher das Ziel nur bedingt erreichen lässt (vgl. BVerfGE 71, 206 (215 ff.)). Trifft der Gesetzgeber aber eine weitgehende Maßnahme gegen bestimmte Grundrechtsbeeinträchtigungen und unterlässt er zugleich Schutzvorkehrungen gegen naheliegendere und stärkere Gefahren, handelt er inkonsequent, so dass sich für die vorgenommene Einschränkung keine Rechtfertigung mehr finden lässt. 380 Dieses Argument dürfte auch hinter den Überlegungen von Berger, JZ 1996, 519 (519) stehen. 381 Zum Widerspruch zur objektiven Strukturvorgabe unten 3. und 4. (S. 343 bzw. 345).

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tümer und seine Gesamtrechtsnachfolger vor derartigen Vermögensnachteilen zu schützen, würde jedoch halbherzig und damit in ungeeigneter Weise verfolgt, da andere Schutzvorkehrungen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von Verfügungsverboten nicht getroffen sind. Vielmehr erlaubt § 137 S. 2 BGB ausdrücklich, sich hinsichtlich künftiger Verfügungen über Gegenstände rechtgeschäftlich zu binden.382 Die so begründete Schadensersatzpflicht kann über den Wert der Sache betragsmäßig weit hinausgehen, sei es, weil der Eigentümer einen Vermögensschaden des Vertragspartners ausgleichen muss, sei es wegen eines diesem gegenüber eingegangenen Strafversprechens.383 Vom Blickwinkel der Vermögensnachteile aus erweist sich daher der Satz, ein dingliches Verfügungsverbot wirke stärker als ein obligatorisches,384 als unzutreffend. Ein konsistentes Schutzkonzept liegt somit wiederum nicht vor. Das Ziel, den Eigentümer vor den – praktischen oder wirtschaftlichen – Folgen seiner Willenserklärung zu schützen, kann daher die in § 137 S. 1 BGB enthaltene Regelung von vornherein nicht legitimieren, weil diese Intention nicht konsequent umgesetzt wäre. 3. Erhaltung der Umlauffähigkeit von Sachen Der Sinn des § 137 S. 1 BGB wird weiter darin gesehen, zu verhindern, dass eine Sache der Güterzirkulation entzogen und zu einer res extra commercium gemacht wird.385 Die Bestimmung würde damit weniger dem Schutz von Individuen (der Eigentümer) als den Interessen der Allgemeinheit dienen. Aus wirtschaftspolitischen Gründen ist geboten, eine Verknappung von Gütern am Markt zu vermeiden. Bei einer „künstlichen“ Marktenge kann kein fairer Preis erzielt werden. Müssen Güter zwangsläufig in der Hand einzelner Personen verbleiben, wird die Funktion des Marktes, eine gesamtökonomisch optimale Güterallokation zu bewirken, außer Kraft gesetzt und die Steuerungsfunktion des persönlichen Risikos ausgeschaltet.386 Eine dauerhafte Bindung von Vermögensgegenständen in der Hand einzelner Personen läuft zudem den politischen Anliegen des Privatrechts und der Verfas382 Vgl. BGHZ 134, 182 (186) im Anschluss an Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (346 f.); Timm, JZ 1989, 13 (16); allgemein ferner Berger, JZ 1996, 519 (519); Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnr. 5. 383 Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (346 f.); dies gibt auch Liebs, AcP 175 (1975), 1 (25) zu. 384 Liebs, AcP 175 (1975), 1 (39). 385 BGHZ 56, 275 (278 f.); Liebs, AcP 175 (1975), 1 (11); Wiegand, FS Kroeschell, S. 637; MünchKomm/Mayer-Maly/Armbrüster, § 137 Rdnr. 4; vgl. ferner allgemein Armbrüster, NJW 2001, 3581 (3584). 386 Siehe nur Liebs, AcP 175 (1975), 1 (23, 26). Eingehend zur Bedeutung der Transferfähigkeit Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 528 ff.

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sung zuwider: Die Möglichkeit, dass jeder Bürger Eigentum erwerben kann und dadurch die gleichen Chancen zum eigenen Tätigwerden besitzt, setzt die Verfügbarkeit der entsprechenden Güter voraus. Eine quasi feudalrechtliche Trennung in Verfügungs- und Nutzungseigentum würde die Verfestigung der vorhandenen Strukturen nach sich ziehen.387 In einem auf der Gleichstellung und Chancengleichheit aller Bürger und Privatautonomie aufgebauten Rechtssystem sind daher Fideikommisse und ähnliche Rechtsinstitute bedenklich,388 weshalb das BGB ihnen von Anfang an eher ablehnend gegenüberstand.389 § 137 S. 1 BGB hätte danach die Funktion, den freiheitlich-bürgerlichen Eigentumsbegriff und wirtschaftspolitische Grundstrukturen zu garantieren.390 Die Bestimmung wäre damit eine Eigentumsschranke i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG, die aus Gemeinwohl- oder Sozialstaatsgründen (Art. 20 Abs. 1 GG) auferlegt wird391 und ein legitimes Ziel verfolgt. Auch im Hinblick auf dieses Ziel gilt, dass es in schlüssiger Weise verfolgt werden muss, um den Eigentumseingriff rechtfertigen zu können. Verpflichtungen zu Schadensersatz oder Vertragstrafen, wie sie § 137 S. 2 BGB zulässt, können den Eigentümer in nahezu gleicher Weise an einer Verfügung hindern wie ein absolut wirkendes Verbot.392 Obligatorische Verfügungsverbote wirken jedoch – anders als absolute Beschränkungen – nur inter partes und erschöpfen sich daher in der Verhinderung einer Verfügung, so dass die Sache anschließend vom Erwerber beliebig weiterveräußert werden kann. Schuldrechtliche Verbote sind damit im Gegensatz zu den in § 137 S. 1 behandelten „absoluten“ Beschränkungen nicht geeignet, Güter dauerhaft ihrer Umlauffähigkeit zu berauben.393 Erst dies ruft aber die beschriebenen schädlichen Wirkungen am Markt hervor.394 Zudem ist die nach § 137 S. 2 BGB drohende Schadensersatzpflicht nicht in der Lage, die persönliche Risikobereitschaft und die Allokationsfunktion voll387 Vgl. Hattenhauer, Eigentum, S. 90; Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnr. 7; ferner HRG/Hagemann, I/889. 388 Liebs, AcP 175 (1975), 1 (23). 389 Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 108 folgert dies daraus, dass das BGB sie trotz ihrer damaligen Verbreitung nicht erwähnt, sondern in Art. 59 EGBGB landesrechtlichen Bestimmungen überließ. Die Auflösung der Fideikommisse wurde allerdings erst mit Art. 155 Abs. 2 S. 2 WRV und den daraufhin erlassenen Aufhebungsgesetzen betrieben (vgl. BGHZ 140, 118 (129); BayObLGZ 1996, 204 (205 ff.); Staudinger/J. Mayer (1997), Art. 59 EGBGB Rdnrn. 22 ff.). Vgl. auch oben C.V.1. 390 Hattenhauer, Eigentum, S. 91; in Hinblick auf das Erbrecht ebenso in der Sache Vyas, ZEV 2002, 1 (3 f.). 391 Vgl. Liebs, AcP 175 (1975), 1 (24). 392 Vgl. Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (347), der hieraus folgert (ihm folgend Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnr. 6), dass sich § 137 S. 2 nicht erklären lasse, wenn § 137 S. 1 BGB die Umlauffähigkeit schützen solle. 393 Vgl. Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (351) (wenn auch in anderem Zusammenhang). 394 Liebs, AcP 175 (1975), 1 (23, 37).

C. Rechtsfiguren zur Gewährleistung der Verfügungsfreiheit

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ständig auszuschließen; sie kann sie allenfalls erschweren. Ein Verstoß lohnt sich nämlich wirtschaftlich, sobald durch die Verfügung ein Gewinn erzielt wird, der höher ist als der durch Schadensersatz oder Vertragstrafen drohende Nachteil. Ein dinglich wirkendes Verbot kann dagegen auch durch noch so große finanzielle Anreize nicht durchbrochen werden. Damit ist ein sachlicher Grund dafür gegeben, dass die Rechtsordnung nur sie verhindert. § 137 S. 1 BGB ist daher geeignet und erforderlich, um legitime Allgemeinwohlbelange zu fördern. Die dargestellten politischen und wirtschaftslenkenden Ziele, denen über Art. 20 Abs. 1 GG Verfassungsrang zukommt, sind auch von großem Gewicht. Ob sie alleine die Angemessenheit der Einschränkung der Freiheit des Eigentümers, der eine dauernde Bindung der Sache herbeiführen will, bewirken können, mag fraglich sein, muss aber nicht entschieden werden, wenn weitere legitimierende Gründe vorhanden sind. Dies ist weiter zu untersuchen. 4. Sicherheit des Rechtverkehrs vor nicht erkennbaren Drittrechten – Absicherung des numerus clausus Als weiterer Grund und Zweck des § 137 S. 1 BGB wird die Gewährleistung von Orientierungssicherheit im Rechtsverkehr genannt. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs wird beeinträchtigt, wenn – nicht zu erkennende – rechtsgeschäftliche Beschränkungen der Verfügungsbefugnis möglich sind, weil ein potentieller Erwerber dann befürchten muss, auch bei Vorliegen der übrigen Übereignungsvoraussetzungen nicht das dingliche Recht zu erwerben.395 Das Verbot, die Verfügungen über eine Sache rechtgeschäftlich auszuschließen, stellt danach eine „flankierende Maßnahme“ dar, um den Typenzwang abzusichern:396 § 137 S. 1 BGB soll verhindern, dass der numerus clausus unterlaufen wird, indem die Verkehrsfähigkeit der Parteidisposition unterworfen und auf diese Weise dem BGB unbekannte dingliche Rechte, z. B. Zustimmungsvorbehalte bei Veräußerungen, kreiert werden.397 Die Vorschrift ist damit eine Ergän395 Vgl. Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (347); Liebs, AcP 175 (1975), 1 (11 f., 23, 34 ff.); Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnrn. 6, 8; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 112; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 382 f.; BayObLG NJW 1978, 700 (701); OLG Zweibrücken OLGZ 1981, 167 (168); OLG Düsseldorf OLGZ 1984, 90 (91). 396 Liebs, AcP 175 (1975), 1 (26); MünchKomm/Mayer-Maly/Armbrüster, § 137 Rdnr. 5; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 251 m.w. N.; Wiegand, FS Kroeschell, S. 635 ff.; Staudinger/ders. (1995), Anh zu §§ 929– 931 Rdnr. 4; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 18. 397 Wiegand, FS Kroeschell, S. 637; kürzer Staudinger-Symposion 1998/ders., S. 113; Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnrn. 7, 9 f.; BayObLG NJW 1978, 700 (701); OLG Zweibrücken OLGZ 1981, 167 (168). Der hiergegen von Berger, JZ 1996, 519 (519), erhobene Einwand, § 137 S. 1 BGB gelte nicht nur im Sachenrecht sondern für alle veräußerlichen Rechte, geht fehl, da der Typenzwang insoweit – aus den gleichen Gründen wie im Sachenrecht – auch bei anderen absoluten Rechten besteht.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

zung des Verbots, privatautonom drittrelevante Rechte zu schaffen,398 und beruht auf dem gleichen Grund; ebenso, wie der Eigentümer nicht beliebig Nutzungsbefugnisse abspalten darf, ist ihm durch § 137 S. 1 BGB versagt, die Verfügungsbefugnis auszuschließen.399 Diese Verknüpfung und Parallelität, die in der Entstehungsgeschichte des BGB bereits frühzeitig erkennbar ist,400 wird auch darin deutlich, dass gegen Beschränkungen der Verfügungsbefugnis wiederum keine durchgreifenden Bedenken bestehen, soweit sie vom Gesetz (jedenfalls als Option) anerkannt sind und publik gemacht werden können (vgl. die Zustimmungserfordernisse in §§ 11 f. WEG und §§ 5 ff. ErbbauRG).401 § 137 S. 1 BGB lässt sich daher mit den gleichen Gründen rechtfertigen wie der Typenzwang, als dessen Pendant er sich erweist.402 Das grundlegende Ziel, durch Rechtvereinfachung und Klarheit Orientierungssicherheit zu schaffen,403 kann somit zur Rechtfertigung des Verbots absolut wirkender Verfügungsbeschränkungen beitragen. 5. Schutz der Gläubiger vor dem Entzug haftender Vermögensgegenstände Die Funktion des § 137 S. 1 BGB wird schließlich darin gesehen, zugunsten der Gläubiger des Eigentümers den Entzug von Vollstreckungsmasse zu verhindern. Da die Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand grundsätzlich dessen Übertragbarkeit voraussetzt (vgl. § 851 Abs. 1 ZPO),404 könnte ein dinglich wirkendes Verfügungsverbot die Verwertbarkeit ausschließen.405 Gegenstände des Schuldners können auf vielfältigen Wegen aus dessen haftendem Vermögen ausscheiden, ohne dass die Rechtsordnung jeweils Gegenmaßnahmen bereithält. Der Verlust von potentiellen Vollstreckungsobjekten als solcher ist auch grundsätzlich unbedenklich; Nachteile drohen den Gläubigern nur, wenn dem Vermögen dabei kein äquivalenter Gegenwert zufließt. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um Übertragungen handelt, die an einen (versuchten) Vollstre398

Liebs, AcP 175 (1975), 1 (11). Wiegand, FS Kroeschell, S. 636. 400 Vgl. Liebs, AcP 175 (1975), 1 (17); Timm, JZ 1989, 13 (16). 401 Ebenso Liebs, AcP 175 (1975), 1 (26). – Zu § 12 WEG vgl. Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (428, 430); Armbrüster, JuS 2002, 665 (665); ferner BGHZ 157, 322 (330 ff.). 402 Siehe oben unter 2. 403 Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (347); Liebs, AcP 175 (1975), 1 (11 f., 23, 34 ff.); MünchKomm/Mayer-Maly/Armbrüster, § 137 Rdnr. 7. 404 Vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 716, 724; Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnr. 11; Zöller/Stöber, § 851 Rdnrn. 1 f. 405 BGHZ 134, 182 (186 f.); Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnr. 11; Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (58); Mot. III, 77. 399

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ckungszugriff Dritter anknüpfen, wie etwa auflösende Bedingungen, die im genannten Fall die vorgenommene Übereignung unwirksam werden lassen,406 oder vormerkungsgesicherte Ansprüche, die dann einen Rückerwerb ermöglichen407.408 Der Zweck des § 137 S. 1 BGB ist deshalb zunächst dahingehend zu präzisieren, davor zu schützen, dass der Schuldner eine Sache (und damit deren Nutzungen) behält, ohne dass Gläubiger auf sie oder einen äquivalenten Vermögenswert zugreifen können.409 Dies zu verhindern ist ein legitimes Ziel, das auch von anderen Regelungen verfolgt wird, beispielsweise die Anfechtung nach dem AnfG oder den §§ 132 ff. InsO. Würde der Staat durch die Anerkennung absoluter rechtsgeschäftlicher Verfügungsverbote in der Zwangsvollstreckung dem Schuldner den Weg eröffnen, Gegenstände in einfacher Weise unübertragbar und auch unpfändbar zu machen, würde er das – über Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte410 – Interesse der Gläubiger ignorieren, ihre Forderungen zu realisieren. Zu fragen ist jedoch, ob dieses Ziel die in § 137 S. 1 BGB getroffene Anordnung der vollständigen Unwirksamkeit rechtsgeschäftlich begründeter Verfügungsverbote rechtfertigen kann, insbesondere, ob diese Rechtsfolge zur Verwirklichung des genannten Ziels erforderlich ist. Der Gleichlauf von Übertragbarkeit eines Rechts und Möglichkeit des Vollstreckungszugriffs ist nämlich nicht logisch zwingend; § 851 Abs. 1 ZPO selbst räumt spezielleren Bestimmungen den Vorrang gegen dem dort aufgestellten Grundsatz ein. Der Gesetzgeber könnte daher, um den legitimen Schutzinteressen der Gläubiger Rechnung zu tragen, auch eine Sonderregelung des Inhalts schaffen, dass ein rechtsgeschäftlich begründetes Verfügungsverbot nicht dem Zugriff eines Gläubigers entgegensteht.411 Dies würde den Gläubigern in gleicher Weise einen Vollstreckungszugriff eröffnen, aber die Totalnichtigkeit für den Eigentümer vermeiden. Mangels Erforderlichkeit des Mittels kann sich daher unter diesem Gesichtspunkt keine Rechtfertigung für § 137 S. 1 BGB ergeben. 406 Vgl. Timm, JZ 1989, 13 (15 ff.); allgemein Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (409 f.). 407 Vgl. BayObLG NJW 1978, 700 (701); Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (343 ff.). 408 Siehe nur Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (350): Treten Resolutivbedingungen ein oder vormerkungsgesicherten Rücküberragungsansprüche ausgeübt, wird i. d. R. ein (Rück-)Zahlungsanspruch ausgelöst wird, in den vollstreckt werden kann. – Hinter den genannten Konstruktionen können wiederum auch legitime oder zumindest verständliche Motive stehen. Typisch und nachvollziehbar ist etwa der Wunsch dessen, der ein Hausgrundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (i. d. R. gegen Vorbehalt des Nießbrauchs oder eines Wohnrechts) überträgt, zu verhindern, dass es noch zu seinen Lebzeiten in fremde Hände gerät. 409 Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (349 f.); enger Berger, JZ 1996, 519 (521). 410 Vgl. oben Teil 2 B.II.3.a)dd)(7)(b), in Fn. 470. 411 Vgl. zum Ganzen Staudinger/Sack (2003), § 137 Rdnr. 11; MünchKomm/MayerMaly/Armbrüster, § 137 Rdnr. 6 m.w. N., die den Zweck von § 137 S. 1 BGB darin sehen, solche Spezialnormen entbehrlich zu machen.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

6. Ergebnis und Folgerungen Die beiden unter 3. und 4. genannten Gründe verfolgen in zulässiger Weise Belange der Allgemeinheit und einzelner Privater. Zumindest in ihrem Zusammenwirken sind sie so gewichtig, dass der Ausschluss rechtsgeschäftlich begründeter dinglicher Verfügungsbeschränkungen verhältnismäßig i. e. S. ist.412 Soweit auszuschließen ist, dass die genannten legitimierenden Interessen gefährdet werden, ist ein Verbot rechtsgeschäftlich begründeter Verfügungsverbote jedoch nicht mit der Verfassung vereinbar. Vielmehr lebt die Gestaltungsfreiheit wieder auf, die erlaubt, das vorhandene Instrumentarium an Rechtsfiguren (dingliche Rechte, Bedingungen) im Rahmen des einfachrechtlich Möglichen nach Belieben für die eigenen Zwecke einzusetzen.413 Beeinträchtigungen von Dritt- und Allgemeinbelangen unter dem Aspekt der Orientierungssicherheit sind z. B. dann nicht zu befürchten, wenn die Verfügungsverbote im Grundbuch zu erkennen sind.414 „Ersatzkonstruktionen“ für dingliche Verfügungsverbote – insbesondere vormerkungsgesicherte Rückübertragungsansprüche – wie sie seit langem rege diskutiert werden und von der Rechtspraxis anerkannt sind,415 sind daher nicht zu beanstanden, sofern sie auch den übrigen Normzwecken des § 137 S. 1 BGB nicht zuwiderlaufen.416 Aus dem letztgenannten Grund dürfen z. B. vormerkungsgesicherte Rückübertragungsansprüche nicht auf unabsehbare Zeit bestehen bleiben,417 da es sonst zu einer Aufspaltung der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis käme. 412 Anders wiederum Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 390 f., der die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs als ausreichend empfindet. Zu diesem Argument ist jedoch auf die Ausführungen oben S. 320 zu verweisen. 413 Ebenso für die Zulässigkeit von Eigentümerrechten Wellenhofer, LMK 2011, 323691. 414 Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (347); Timm, JZ 1989, 13 (18); vgl. auch Berger, JZ 1996, 519 (520). 415 Vgl. BGHZ 134, 182 (186 f.); BGH NJW 2012, 3162 (3163); BayObLG NJW 1978, 700 (701); OLG Zweibrücken OLGZ 1981, 167 (169); OLG Köln MittRhNotK 1995, 100 (100 f.); Berger, JZ 1996, 519 (519); Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 386 f.; Jürgen Kohler, DNotZ 1989, 339 (342 ff.); MünchKomm/Mayer-Maly/Armbrüster, § 137 Rdnr. 15; Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (59 ff.); Timm, JZ 1989, 13 (14 ff., 20 ff.). 416 Gegen dieses einschränkende Erfordernis wird verstoßen, wenn Erben und Testamentsvollstrecker weder einzeln noch zusammen dinglich wirksam über einen Nachlassgegenstand verfügen können sollen, weil dann eine res extra commercium geschaffen wird; richtig daher BGHZ 44, 115 (118); 56, 275 (278 ff.). Vgl. auch bei Fn. 309. 417 Ebenso Berger, JZ 1996, 519 (520). Aus dem BGB ergibt sich nach BGH NJW 2012, 3162 (3163 f.) keine höchstzulässige Geltungsdauer für Verpflichtungen nach § 137 S. 2 BGB; Regelungen, die dem Übernehmer die Veräußerung und Verpfändung verbieten, seien daher allein an § 138 Abs. 1 BGB zu messen, wobei neben der Dauer der Bindung auch das Maß der Beeinträchtigung und die Interessen des Übergebers zu berücksichtigen sind. Ob eine Grenze bei einer Dauer von 30 Jahren über den Tod des Erblassers abzuleiten ist, wird ausdrücklich offengelassen. Vgl. auch oben Fn. 294.

D. Zusammenfassung zu Teil 3

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Die legitime und grundsätzliche Wertentscheidung, die in § 137 S. 1 BGB zum Ausdruck kommt, darf ferner nicht auf der „nachfolgenden“ Ebene des Zivilprozessrechts und des Zwangsvollstreckungsrechts unterlaufen werden. Auswirkungen hat dies für die Frage, wie ein Urteil oder eine einstweilige Verfügung (§ 938 Abs. 2 ZPO), die das Verbot der Verfügung ausspricht, zu vollstrecken ist: Soweit die Pflicht, nicht zu verfügen, eine rechtsgeschäftlich begründete Hauptpflicht darstellt, darf kein gerichtliches Verfügungsverbot gem. § 136 BGB ergehen, weil dadurch (insbesondere bei Immobilien, bei denen das Verbot im Grundbuch eingetragen werden kann, § 135 Abs. 2 BGB) gerade das Ergebnis herbeigeführt würde, das § 137 S. 1 BGB materiellrechtlich verbietet.418 Der Gläubiger ist daher zur Durchsetzung solcher Ansprüche ausschließlich auf die Ordnungsmittelvollstreckung gem. § 890 ZPO verwiesen.419 Der „mittelbare (psychische) Zwang“ ist im Hinblick auf das Ziel, Güter nicht dem Markt zu entziehen, unschädlich, weil eine gleichwohl getroffene Verfügung wirksam ist und – entsprechend den Überlegungen zu § 137 S. 2 BGB – auch wirtschaftlich lohnend sein kann, wenn der Vorteil höher ist als das angedrohte Ordnungsgeld. Die Bemessung der Ordnungsmittel hat aus der genannten Überlegung allerdings wiederum unter Berücksichtigung der Funktionen des § 137 S. 1 BGB zu erfolgen, d.h. nicht so hoch, dass eine Verfügung „wirtschaftlich unmöglich“ würde.

D. Zusammenfassung zu Teil 3 Das Sachenrecht (3. Buch des BGB) enthält die Ansprüche, die dem Eigentümer bei einer aktuellen Beeinträchtigung seines Rechts zustehen; diese Bestimmungen werden durch das Schadensersatz- und das Bereicherungsrecht des Schuldrechts (2. Buch des BGB) ergänzt.420 Diese Regelungen der „negativen Komponente“ gewährleisten zugleich das Recht, die Sache positiv zu nutzen: Unterliegt der Eigentümer keinen rechtlichen Beschränkungen und kann er tatsächliche Einflüsse Dritter abwehren, ist ihm die beliebige Nutzung eröffnet. Der zweite große Teil der Normen des Sachenrechts bestimmt, welche dinglichen 418 Vgl. Staudinger/J. Kohler (2003), § 137 Rdnr. 53 m.w. N.; ders., DNotZ 1989, 339 (342 f.); Stein/Jonas/Brehm, § 890 Rdnr. 9; Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (59 ff.); a. A. BGH LM BGB § 137 Nr. 2; BGHZ 134, 182 (187), je aber obiter dictum; BayObLG NJW 1978, 700 (701); OLG Köln MittRhNotK 1995, 100 (100 f.). 419 Staudinger/J. Kohler (2003), § 137 Rdnr. 53; Stein/Jonas/Brehm, § 890 Rdnr. 9; Oertmann, Recht 1916, Sp. 57 (61); vgl. auch BGH LM BGB § 137 Nr. 2. 420 Insoweit lässt sich durchaus feststellen, dass das Sachenrecht von Normen durchsetzt ist, wie sie sich auch ohne Weiteres im Schuldrecht finden (Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 528 ff.). Dies beruht aber alleine darauf, dass das Eigentum ein Recht darstellt, das die Grundlage zahlreicher Ansprüche (überwiegend negativer Art) bildet, durch welche es sich praktisch realisiert, und sich das Schuldrecht seinem Wesen nach (ebenfalls) ganz überwiegend mit der Statuierung von Pflichten und Ansprüchen befasst. Der genannte Befund erlaubt daher nicht die Folgerung (so aber Füller), dem Sachenrecht sei jeder Eigenständigkeit abzusprechen.

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Teil 3: Grundstrukturen zentraler sachenrechtlicher Regelungen

Rechte an Sachen bestehen können und wie sie erworben und übertragen werden können. Diese beiden genannten Hauptgruppen von Regelungen entsprechen den beiden Kerngewährleistungen des Eigentums, nämlich der Nutzungs- und der Verfügungsbefugnis. Während die Bestimmungen über die negativen und positiven Befugnisse des Eigentümers vom Ziel des Ausgleichs zwischen dem Rechtsinhaber und allen übrigen Personen geprägt sind, wird der Kreis der dinglichen Rechte und der Übertragungsmöglichkeiten im Interesse nicht beteiligter Dritter eingeschränkt. Die Prinzipien des Sachenrechts erweisen sich an dieser Stelle als Grundgedanken der einfachgesetzlichen Rechtsordnung, die den Interessen der unmittelbar und/oder mittelbar beteiligten Personen Rechnung tragen. Sie besitzen jeweils einen sinnvollen und legitimen Hintergrund. Die Tatsache, dass sich bei jedem der Prinzipien Ausnahmen finden, stellt damit deren Berechtigung nicht in Frage.421

421 Erst recht lässt sich – da es sich nur um Grundsätze handelt und in einzelnen Konstellationen die verfolgten Belange nur auf eine andere Weise verwirklicht werden können – mit dem Vorhandensein von Ausnahmen oder Abschwächungen nicht deren Nichtbestehen belegen. In diesem Sinne auch Brehm, AcP 207 (2007), 268 (270).

Teil 4

Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen und Rechtsverhältnisse des Sachenrechts Nach diesen eher allgemeinen und grundlegenden Überlegungen zur Bedeutung des Art. 14 GG für die Strukturen des Sachenrechts und der damit verwandten Rechtsbereiche sind die Wirkungsweise und die Auswirkungen der Eigentumsgarantie auf einzelne Normen und Rechtsverhältnisse näher zu untersuchen.

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten wegen unberechtigten Umgangs mit fremden Sachen I. Vindikationsanspruch 1. Bedeutung des Vindikationsanspruchs für das Eigentum Zum zentralen Inhalt des Eigentums gehört, die Sache unmittelbar zu besitzen. Die Ausübung der unmittelbaren und vollständigen tatsächlichen Sachherrschaft ist regelmäßig Voraussetzung, um von der umfassenden Nutzungsbefugnis Gebrauch machen zu können. Das Recht zum Besitz ist logische Folge der Ausschließungs- und Verbietungsbefugnis, durch die das Sacheigentum in § 903 S. 1 BGB charakterisiert ist. Der Vindikationsanspruch nach § 985 BGB, der „simpelste Anspruch im ganzen BGB“ 1, ist daher als elementarer Rechtsverwirklichungsanspruch nicht vom Eigentum zu trennen.2 Einschränkungen des Herausgabeanspruchs wiegen daher besonders schwer.3 Da das Eigentum die Gesamtheit von Ansprüchen gegen alle anderen Personen ist4 und der Herausgabeanspruch von ihnen der wichtigste ist, höhlen Einreden o. ä., die die Durchsetzung des Vindikationsanspruchs erschweren oder ihn ganz ausschließen, das Eigentum selbst aus.5 Ein dauerhaftes Auseinanderfallen von 1 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1194; ganz ähnlich Picker, FG BGH I, S. 751 „einfachste(r) und klarste(r) dingliche(r) Anspruch“. 2 Dies äußert sich z. B. auch darin, dass er nicht isoliert abgetreten werden kann; statt aller Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 32 m.w. N. 3 Ebenso Eckert, JR 1994, 333 (335); inhaltlich ebenso Picker, FG BGH I, S. 748 f. 4 Oben Teil 2 B.I.5. 5 Vgl. Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 53 f., 56; Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnr. 108. – BGHZ 122, 308 (314) verschleiert dies mit der Formulie-

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Eigentum und Besitz kommt der Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung selbst gleich,6 weil der Sachnutzung durch den Eigentümer die Grundlage entzogen wird. Der Besitzer erlangt dagegen faktisch ein Besitzrecht, das der Position eines Eigentümers gleicht.7 Dies gilt in besonderem Maße bei beweglichen Sachen, da bei ihnen eine derartige Einrede wegen § 986 Abs. 2 BGB auch einem Rechtsnachfolger des Besitzers gegenüber wirkt und die Position damit übertragbar ist.8 Bei Immobilien bleibt zwar die Möglichkeit der Verfügung, doch stellt sich die Frage, ob und wie eine aus dem Grundbuch nicht ersichtliche Einschränkung des Herausgabeanspruchs gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger wirkt: Veräußert der Eigentümer das Grundstück an einen Dritten, ist zu erwägen, ob dieser insoweit „gutgläubig lastenfrei“ erwirbt und ihm damit der Abwehransprüche wieder vollumfänglich zustehen – was einerseits eine konsequente Fortführung von §§ 892 f. BGB, §§ 265 f., § 325 Abs. 2 ZPO darstellt, anderseits den erstrebten Schutz des Besitzers erheblich relativiert – oder ob sich der Erwerber an den Beschränkungen festhalten lassen muss – was letztlich auf eine Zurechnung von Wissen und Verhalten eines Einzelrechtsvorgängers hinausläuft, für die sich im Gesetz kein Anhaltspunkt finden lässt und die dem Publizitätsprinzip widerspricht.9 Gegen die Relevanz von Handlungen eines Eigentümers, die keine Verfügungen darstellen, für die dem Grundstückseigentum innewohnenden dinglichen Befugnisse spricht ferner, dass der Privatrecht die Vorstellung zugrunde liegt, dass der jeweilige Eigentümer nur Vertreter „des Grundstücks“ als dem an sich berechtigten und verpflichteten Subjekts ist.10 Eine dauerhafte Einrede, aufgrund derer der Besitzer zur Nutzung, nicht aber zur Verfügung berechtigt ist, schafft damit im Ergebnis ein in ein Nutzungs- und rung, die Verwirkung führe keinen Verlust, sondern eine materielle Beschränkung des Eigentums herbei; relativierend auch BGH NJW 2011, 1068 (1069). 6 Siehe nur BGH NJW 2007, 2183 (2184): „wirtschaftlich die Enteignung des Eigentümers“; Mot. III, 253: die dem Eigentümer verbleibende Position „steht praktisch dem Nichteigentum gleich“; Eckert, JR 1994, 333 (334 f.); Mühl, NJW 1956, 1657 (1659, 1661); v. Olshausen, JZ 1983, 288 (289); OLG München MDR 1957, 481 (482); LG Itzehoe JZ 1983, 308 (309). Zutreffend ist daher die von Wieling, Nuda proprietas, S. 2529 ff.; ders., Sachenrecht, § 1 I 2; Eckert, JR 1994, 333 (334 f.), vorgebrachte Kritik an der h. M., die zwischen dinglichen Ansprüchen und dem Recht selbst differenziert, diese übersieht, dass die §§ 985, 894 BGB das Wesen des Eigentums ausmachen. 7 Vgl. Wieling, Nuda proprietas, S. 2527. 8 Vgl. Eckert, MDR 1989, 135 (135). 9 OLG Frankfurt RdE 2006, 278 (279) nimmt für die Verwirkung eines Anspruchs auf Beseitigung einer Gasleitung eine Wirkung gegenüber dem Rechtsnachfolger an, da dies vom Wesen und Zweck dieses Rechtsinstituts gefordert wird. Vgl. auch Zabel, RdE 2006, 279 (280). OLG Köln NJW-RR 1998, 1625 rechtfertigt für das WEG-Recht das gleiche Ergebnis mit dem Satz, mangels besonderer gesetzlicher Bestimmungen könne der Erwerber nicht weitergehende Recht erhalten als sein Vorgänger; das System des Grundbuchs und das Prinzip, dass nur formgerechte Beschlüsse Bindung entfalten, sind aber gerade solche Bestimmungen. 10 Vgl. BGHZ 175, 253 (257); RGZ 40, 333 (337); H. Roth, LMK 2009, 294262.

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten

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Verfügungseigentum aufgespaltenes Recht.11 Dieser Zustand könnte allenfalls durch eine Verfügung des Besitzers als Nichtberechtigtem nach §§ 932 ff. BGB beendet werden;12 dieser Weg ist jedoch ebenfalls missbilligt.13 Dem Eigentümer verbleibt damit nur die bloße Chance, dass der Besitzer den Besitz an ihn verliert und so der Herausgabeanspruch wieder einredefrei auflebt, die aber kaum noch als geschütztes Recht bezeichnet werden kann.14 Die häufig anzutreffende Feststellung, nur Ansprüche, nicht aber das dingliche Recht selbst könne verwirkt werden,15 mag damit zwar formal zutreffend sein, doch müssen die beschriebenen Auswirkungen der Anspruchsverwirkung auf das dingliche Recht bei der Frage, ob diese Rechtsfolge eintritt, berücksichtigt werden. Das BGB von 1877/1900 kannte dementsprechend nur einen Fall, in dem der dingliche Herausgabeanspruch trotz fortbestehenden Eigentums ausgeschlossen war, nämlich die Verjährung des Vindikationsanspruchs bei beweglichen Sachen.16 Insgesamt ist im BGB dagegen die Tendenz angelegt, ein dominium sine re zu vermeiden.17 Die Vorschriften zur Mobiliarersitzung (§§ 937 ff. BGB) und zur Buchersitzung (§ 900 Abs. 1 BGB) dienen nicht zuletzt dazu, das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz zu verhindern, indem sie Eigentum und Besitz wieder zusammenführen.18 Ihnen liegt auch der Gedanke zugrunde, dass eine Rechtsposition mit nur geringem eignen Nutzwert vollständig aufgehoben werden und auf denjenigen übergehen soll, der die faktischen Befugnisse hat.19

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Eckert, MDR 1989, 135 (136). Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1317); Eckert, MDR 1989, 135 (136, 137). 13 Vgl. v. Olshausen, JZ 1983, 288 (290): die Möglichkeit des Besitzers hierzu ist nicht schutzwürdig; ferner OLG München MDR 1957, 481 (482). 14 Anders Eckert, MDR 1989, 135 (135, 136). 15 Zuletzt BGH NJW-RR 2006, 235 (236) m.w. N.; BayObLG NZM 2000, 358 (359); Staudinger/Looschelders (2005), § 242 Rdnr. 304. Vgl. nun aber BGHZ 187, 185 (191 f.), der auch die Verjährung des Anspruchs aus § 1027 BGB für ausgecshlossen hält, soweit der Anspruch nicht nur Störungen der Dienstbarkeit verhindern sondern deren Verwirklichung sicherstellen soll. 16 Siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 38; vgl. auch Armbrüster, NJW 2003, 3581 (3586 f.). – Umfassend zu Mitteln, um ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz zu verhindern, und deren Wieling, Nuda proprietas, S. 2519 ff.; zu deren Einfluss in der Entstehungsphase des BGB ders., S. 2524 ff. 17 Vgl. Grussendorf, AcP 150 (1949), 438 (442); v. Olshausen, JZ 1983, 288 (289); Picker, JuS 1974, 357 (357); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Wieling, Nuda proprietas, S. 2525 f. 18 Wieling, Nuda proprietas, S. 2519 ff. (passim); ders., Sachenrecht, § 11 I 2 a; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 2 m.w. N.; BGH NJW 1994, 1152 (1152). 19 Vgl. Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 32, 5 (S. 126 f.) (von dort auch teils die Formulierung). 12

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

2. Anwendbarkeit anspruchshemmender Tatbestände auf § 985 BGB Die Rechtsfolge, dass der Vindikationsanspruch ausgeschlossen oder zumindest undurchsetzbar wird, mag insbesondere erwogen werden, wenn eine andere Person die Sache über einen langen Zeitraum berechtigterweise benutzt hat. Bei Grundstücken kann hinzukommen, dass der Benutzer unzutreffend im Grundbuch eingetragen war. In diesen Konstellationen ist namentlich die Anwendbarkeit des bei § 242 BGB anzusiedelnden Einwands unzulässiger Rechtsausübung, besonders in seiner Erscheinungsform der Verwirkung,20 und des damit verwandten21 Schikaneverbots (§ 226 BGB), zu untersuchen.22 a) Voraussetzungen und Rechtfertigung von Einreden aus § 226 und § 242 BGB Das in § 226 BGB niedergelegte Schikaneverbot untersagt die Ausübung eines Rechts, wenn eine Person der anderen hierdurch ausschließlich Schaden zufügen will.23 Ein solches Verbot ist nicht nur legitime24, sondern verfassungsrechtlich geforderte Grenze jedes Anspruchs: Will ein Privater einem anderen lediglich Nachteile zufügen, fehlt es an einem rechtfertigenden Grund dafür, dass die staatlichen Rechtspflegeorgane durch den Erlass eines Urteils und dessen anschließende Vollstreckung in Rechtspositionen des anderen eingreifen.25 Ein zu schützendes Interesse des Gläubigers, das den Eingriff verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte, ist bei schikanösem Verhalten begriffsimmanent nicht vorhanden. Jegliche Eingriffe in die durch Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit des anderen müssen deshalb unterbleiben. Diese Erwägungen gelten in vollem Umfang auch für die Fälle der „unzulässigen Rechtsausübung“. Sie ist gegeben, wenn dem Handelnden ein irgendwie geartetes schutzwürdiges Eigeninteresse fehlt oder wenn er die ihm zustehende Rechtsposition als Deckmantel zur Erreichung eines anderen, ihm an sich nicht

20 Zu deren Charakter als Unterform der „unzulässigen Rechtsausübung“ siehe nur BGHZ 105, 290 (298); 122, 308 (314); BGH NJW-RR 1989, 818 (818); BGH NJW 2007, 2183 (2183); RGZ 155, 148 (152); OGHZ 1, 278 (282 f., 284); Grussendorf, AcP 150 (1949), 438 (440 f.). 21 Siehe nur Staudinger/O. Werner (2001), § 226 Rdnr. 5; Jauernig/Mansel, § 242 Rdnrn. 37: Teilweise Überschneidung von § 242 und § 226. 22 Vgl. zum Ganzen auch Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 94 ff. 23 Siehe nur Jauernig/Jauernig, § 226 Rdnr. 1. 24 D.h. eine solche, die vom Gesetzgeber oder der Rechtsprechung festgesetzt werden darf. 25 Ebenso BVerfGE 48, 396 (401) für das Rechtsschutzbedürfnis in der Zwangsvollstreckung.

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten

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erlaubten Ziels ausnutzt.26 Auch wenn die exceptio doli damit nicht tatbestandlich voraussetzt, dass (wie bei § 226 BGB) die Schädigungsabsicht den einzig denkbaren Beweggrund bildet und Vorsatz gegeben ist,27 fehlen auch hier legitime und damit schutzwürdige Interessen, so dass die Rechtsordnung dem anderen wiederum nicht die Duldung des fremden Verhaltens abverlangen darf. Das Rechtsinstitut der Verwirkung führt zu einer Hemmung der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs, wenn dieser über einen längeren Zeitraum hinweg nicht ausgeübt wurde (Zeitmoment) und hierdurch ein schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners begründet wurde, das die spätere Ausübung als unzumutbar erscheinen lässt (Umstandsmoment).28 Als Reaktion auf die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten29 ist die Verwirkung Ausdruck des Vertrauensschutzgedankens,30 indem sie im Einzelfall mit Rücksicht auf getroffene Vermögensdispositionen eine Herstellung der an sich geschuldeten Lage ausschließt. Die Rechtsfigur verfolgt somit das grundsätzlich legitime Ziel, schutzwürdigen Kontinuitätsinteressen Dritter Rechnung zu tragen. Der Inhaber des Anspruchs kann demgegenüber den Eintritt des Hemmungstatbestandes auf relativ einfache Weise vermeiden, indem er seine Ansprüche rechtzeitig geltend macht;31 insgesamt ist der Befugnisausschluss daher verfassungsrechtlich gerechtfertigt. b) Übertragbarkeit auf den Vindikationsanspruch und den negatorischen Abwehranspruch Die Rechtsordnung hält somit verschiedene Mittel bereit, um einem im Einzelfall rechtsmissbräuchlichen, widersprüchlichen oder treuwidrigen Verhalten zu 26 BGHZ 5, 186 (189); 145, 316 (329); 146, 98 (104); Jauernig/Mansel, § 242 Rdnr. 38 m.w. N. Vgl. auch Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 92 f. 27 Siehe nur Staudinger/O. Werner (2001), § 226 Rdnrn. 9, 10; Erman/A. Lorenz, § 242 Rdnr. 24; Jauernig/Jauernig, § 226 Rdnr. 4; Jauernig/Mansel § 242 Rdnr. 37 jeweils m.w. N.; BGH NJW 1975, 1313 (1314 [insoweit in BGHZ 63, 273 nicht abgedruckt]); LG Gießen NJW-RR 2000, 1255 (1255); ferner AG Königstein NJW-RR 2000, 1256 zu § 910 Abs. 2 BGB. 28 Jauernig/Mansel, § 242 Rdnrn. 54, 59 ff.; BGHZ 25, 47 (52); 105, 290 (298); 122, 308 (314 f.); 135, 92 (103); BGH NJW-RR 1989, 818 (818); NJW 2003, 3621 (3622 [insoweit in BGHZ 155, 170 nicht abgedruckt]); NJW-RR 2006, 235 (236); NJW 2007, 2183 (2183); BayObLG NJW-RR 1991, 1041 (1041); inhaltlich so bereits RGZ 155, 148 (152). Insoweit unterscheidet es sich von der Verjährung, bei der allein die Zeitdauer zur Hemmung führt, vgl. Grussendorf, AcP 150 (1949), 438 (441); OGHZ 1, 278 (283). – Zum Zusammenhang von Vertrauensschutz und § 242 BGB siehe auch de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften S. 238 ff. 29 BGHZ 25, 47 (52); 105, 290 (298); BGH NJW 2007, 2183 (2183); bereits RGZ 155, 148 (151) m.w. N. der früheren Rspr.; OGHZ 1, 278 (284); BVerfG Beschl. v. 14.12.2005, 1 BvR 2874/04, Absatz-Nr. 22. 30 Jauernig/Mansel, § 242 Rdnr. 55 m.w. N.; vgl. auch BGH NJW-RR 2006, 235 (236). 31 Vgl. nur BVerfGE 70, 278 (287); 74, 203 (216 f.); BVerfG Beschl. v. 7.3.2002, Az. 1 BvR 1321/00, Absatz-Nrn. 9 ff.

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begegnen. Diese sind in rechtssystematischer Hinsicht grundsätzlich auf die dinglichen Ansprüche anwendbar, so dass zu untersuchen ist, ob ihrer Heranziehung bei den Ansprüchen aus § 985 und § 1004 BGB sachliche Gründe, insbesondere deren Natur als Rechtsverwirklichungsansprüche, entgegenstehen. aa) Schikane und Rechtsmissbrauch Das Verbot der Schikane und des Rechtsmissbrauchs muss auch für den Vindikationsanspruch aus § 985 BGB uneingeschränkt gelten. Fehlt ein schutzwürdiges privates Eigeninteresse, ist dem Staat generell verboten, bei der Durchsetzung an sich gegebener Ansprüche mitzuwirken.32 Fälle der Schikane oder des Rechtsmissbrauchs sind bei der Ausübung des Anspruchs aus § 985 BGB allerdings kaum denkbar. Da der Besitz Voraussetzung für die Nutzung der Sache ist, hat der Eigentümer stets ein Interesse an der Herausgabe, so dass die Nachteilzufügungsabsicht quasi nie objektiv der einzige Zweck sein kann.33 Ein Herausgabeverlangen ist dabei selbst dann nicht schikanös, wenn der Eigentümer die Sache zuvor längere Zeit nicht genutzt hat, da er mit ihr beliebig verfahren darf und er somit auch ein zeitweiliges Unterlassen des Gebrauchs nicht rechtfertigen muss. Auf den negatorischen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB sind die genannten Rechtsausübungsverbote ebenfalls anwendbar. Deutlich wird dies dadurch, dass sich in einigen Bestimmungen spezielle Ausprägungen dieser Regeln finden. So lässt sich § 910 Abs. 2 BGB, dem zufolge überhängende Zweige nicht entfernt werden dürfen, wenn sie die Benutzung des Nachbargrundstücks nicht beeinträchtigen, als Fall des Schikaneverbots (hier für das Selbsthilferecht) begreifen.34 Soweit der Herausgabe- oder der Abwehranspruch wegen schikanösen oder rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ausgeschlossen ist, stellt sich auch das eingangs aufgeworfene Problem einer „Rechtsnachfolge in die Besitzeinrede“ nicht: Schikane und Rechtsmissbrauch knüpfen an die gegenwärtige Motivation des Eigentümers an. Treten Aspekte hinzu, die sein Begehren nunmehr verständlich erscheinen lassen, fällt die Einwendung gegenüber dem Eigentümer mit soforti32 Ähnlich die Überlegungen bei Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 122 f. für den vertraglichen Bereich. 33 Vgl. auch Grotheer, GRUR 2006, 110 (114 f.); ferner die Überlegungen in BGHZ 181, 233 (239) zum Recht des Besitzers, eine Besitzstörung abzuwenden. 34 An einer Beeinträchtigung fehlt es z. B., wenn die Abschattung bereits aus der besonderen örtlichen Situation (Höhenlage der Grundstücke oder durchgehende Bepflanzung in Ost-West-Richtung) resultiert und damit auf dem (zulässigen) Bestand an Bäumen als solchen, nicht jedoch gerade auf die überhängenden Zweige zurückzuführen ist. Auch ein Rückschnitt würde dann keine Besserung bewirken. Vgl. LG Saarbrücken NJW-RR 1986, 1341 (1341); LG Osnabrück NuR 1991, 298 (299); OLG Oldenburg NuR 1991, 299 (299 f.).

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ger Wirkung weg. Der Rechtsnachfolger kann daher unbeschadet eines möglicherweise früher gegebenen Schikane- oder Rechtsmissbrauchseinwands die Herausgabe der Sache an sich oder Beseitigung/Unterlassung von Störungen fordern. bb) Verwirkung Schwieriger zu beantworten ist, ob der Herausgabe- und/oder der Störungsbeseitigungsanspruch des Eigentümers verwirkt werden kann. (1) Vergleichbare Rechtsinstitute im BGB als Anhaltspunkte Der dingliche Herausgabeanspruch unterliegt bei beweglichen Sachen der Verjährung. Das BGB schließt somit nicht absolut aus, dass der Vertrauensschutzaspekt die Eigentümerinteressen überwiegt.35 Aus § 197 Nr. 1 BGB, der – übereinstimmend mit dem früheren Verjährungsrecht – bei „Herausgabeansprüchen aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten“ die längste dem BGB bekannte Verjährungsfrist anordnet, ist aber zugleich die Wertung zu entnehmen, dass hieran hohe Anforderungen zu stellen sind.36 Demgegenüber ist aus den § 898 und § 902 BGB abzuleiten, dass bei Immobilien dem Zeitablauf alleine keine rechtsvernichtende Wirkung zukommen soll.37 Eine Anwendung der in § 242 BGB wurzelnden Grundsätze zur Verwirkung auf den Vindikationsanspruch und den Grundbuchberichtigungsanspruch ist damit nach dem Konzept des BGB nicht vollständig ausgeschlossen; ebenso deutlich ist jedoch, dass hierfür gewichtige Gründe vorliegen müssen. Weiter ist zu beachten, dass § 986 Abs. 2 BGB bei beweglichen Sachen Einwendungen i. w. S. – also auch Einreden38 – gegen den obligatorischen Herausgabeanspruch auch auf den Vindikationsanspruch eines Erwerbers erstreckt,39 während für Immobilien eine entsprechende Bestimmung fehlt. Der Erwerber ist hier besonders schutzwürdig, da er weder den Verwirkungseinwand als solchen noch 35 Wegen der unterschiedlichen Zielrichtung und Voraussetzungen der Verwirkung im Vergleich zu den Vorschriften über die Verjährung (vgl. bei Fn. 28) liegt im Rückgriff auf die Regeln zur Verwirkung keine Umgehung der Verjährungsbestimmungen, siehe nur Jauernig/Mansel, § 242 Rdnrn. 57; vgl. auch OGHZ 1, 278 (283); BGH NJWRR 1989, 818 (818 f.); a. A. Eckert, JR 1994, 333 (335 f.). 36 So wohl auch der Gedanke in BGHZ 105, 290 (298) und bei Eckert, JR 1994, 333 (336). 37 Grussendorf, AcP 150 (1949), 438 (441); Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 21 Rdnr. 29; OGHZ 1, 278 (283); BGHZ 157, 301 (306): Bei Immobilien ist Eigentum auf Zeit nicht vorgesehen; BGH NJW 2007, 2183 (2184); NJW 2010, 1069 (1071). 38 So deutlich Staudinger/Gursky (2006), § 986 Rdnr. 50. Allgemein wird angenommen, dass § 986 Abs. 2 BGB ebenso weit reicht wie § 404 BGB; dieser erfasst auch Einreden. Vgl. Staudinger/Gursky (2006), § 986 Rdnrn. 49 ff.; MünchKomm/Baldus, § 986 Rdnr. 21. 39 Zur Vorschrift Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnrn. 24 ff.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

die Umstände, die zu ihm geführt haben, dem für die Rechtslage maßgeblichen Grundbuch entnehmen kann. Kommt dem Verwirkungseinwand Wirkung gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger zu, ist dieser einer Beschränkung des Rechtsinhalts ausgesetzt, die ausschließlich aus einem nicht-publikem Verhalten der Vergangenheit resultiert. Dies widerspricht der Grundtendenz des Gesetzes, dass beim Eigentum an Grundstücken die dinglichen Ansprüche durch das Handeln und (Fehl-)Verhalten eines Eigentümers grundsätzlich nicht berührt werden, sofern nicht ausnahmsweise eine Verdinglichung der Einwendung vorgesehen ist.40 Hierdurch wird deutlich, dass bei unbeweglichen Sachen besonders strenge Voraussetzungen gelten müssen. (2) Konsequenzen und Anwendung Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Frage nach der Möglichkeit einer Verwirkung des Vindikationsanspruchs bei beweglichen Sachen grundsätzlich zu bejahen ist; die Sachverhalte müssen jedoch den Situationen vergleichbar sein, in denen das BGB ein Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz ausnahmsweise billigt. Da die Hemmung des Herausgabeanspruchs die dingliche Zuordnung beeinflusst,41 müssen die Einzelfallumstände zwingend fordern, dass das Eigentum (wenn auch nicht formell, aber doch materiell) übergeht. Hierzu müssen die (Vertrauensschutz-)interessen des Besitzers die Belange des Eigentümers an Gewicht weit überragen. Als Vergleichsmaßstab kann die Position eines gutgläubigen Besitzers nach 10 Jahren Besitzzeit (vgl. § 937 BGB) oder eines sonstigen Besitzers nach 30 Jahren (vgl. § 197 Nr. 1 BGB) dienen. Sind diese strengen Voraussetzungen erfüllt, steht der Anwendbarkeit der Grundsätze zur Verwirkung weder die mangelnde Bestimmtheit des § 242 BGB noch das Gebot der klaren Formulierung von Rechtsübergangstatbeständen entgegen, da die Voraussetzungen durch die stetige Rechtsprechung ausreichend konturiert sind.42 Im Bereich des Immobiliareigentums wiegt der Umstand, dass der „materielle Eigentumsübergang“, den eine Verwirkung des Herausgabeanspruch bewirkt, den Publizitätserfordernissen nicht genügt, dagegen naturgemäß schwerer; zu berücksichtigen ist ferner die in § 902 BGB enthaltene Wertung. Soweit es um die Verwirkung des Grundbuchberichtigungsanspruchs nach § 894 BGB gegen einen unzutreffend eingetragenen Bucheigentümer geht, wäre dem Publizitätsgrundsatz zwar an sich genügt, doch ist § 898 BGB zu beachten. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts „Verwirkung“ auf die ele40 Vgl. dazu die Überlegungen zu § 912 und § 921 BGB, unten Teil 4 B.II.1. bzw. B.II.3. 41 Wieling, Nuda proprietas, S. 2529; inhaltlich ebenso Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnr. 108; C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (458); BGH NJW 2007, 2183 (2184). 42 Vgl. Eckert, JR 1994, 333 (334 f.); ferner Simon, AcP 204 (2004), 264 (277) zum venire contra factum proprium.

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten

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mentaren Rechtsverwirklichungsansprüche bei Grundstücken zwar wiederum nicht absolut verschlossen ist, aber noch höhere Anforderungen an das Interessenübergewicht zu stellen sind.43 Bei der Heranziehung der Grundsätze der Verwirkung bei der Rechtsanwendung ist zu beachten, dass der Eigentümer – nicht zuletzt wegen Art. 14 Abs. 1 GG – grundsätzlich frei bestimmen darf, welche Gebrauchsart er wählt; er kann sich dabei auch beliebig entscheiden, ob er die Sache selbst nutzen oder sie gegen Entgelt anderen obligatorisch überlassen will. Daher kann er auch seine Absicht pro futuro ändern und aus diesem Grund Gegenstände herausverlangen, die bisher anderen überlassen wurden, selbst wenn diese auf sie angewiesen sind. Ebenso darf er die Fortsetzung des Nutzungsüberlassungsverhältnisses von einem höheren Entgelt abhängig machen.44 Einer Bindung an einen einmal gefassten Entschluss unterliegt der Eigentümer nur, solange die eingegangenen Verpflichtungen (z. B. Mietverträge) wirken. Nach Ablauf eines Gebrauchsüberlassungsvertrags ist der Besitzer dagegen nicht schutzwürdig, weil er von vornherein nur auf das Fortwähren seiner abgeleiteten Nutzungsbefugnis für die Dauer des Vertrags vertrauen darf, aber nie erwarten kann, die Sache wie ein Eigentümer dauerhaft behalten zu können.45 Das Vertrauen eines Besitzers darauf, eine Sache auch künftig nutzen zu dürfen, wird somit als solches nicht geschützt; es darf auch nicht geschützt werden, weil der Staat damit zwangsläufig das an ihn gerichtete Gebot aus Art. 14 Abs. 1 GG, das Eigentum zu schützen, missachten würde.46 43 Für eine Anwendbarkeit auf den Herausgabe- und Grundbuchberichtigungsanspruch in besonderen Ausnahmefällen sprechen sich aus: Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnr. 108 (m.w. N. in Rdnrn. 109 ff.); MünchKomm/Roth, § 242 Rdnr. 80; v. Olshausen, JZ 1983, 288 (289); Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 21 Rdnr. 29; BGH NJW 2007, 2183 (2184) (zuvor wohl bereits in diesem Sinn BGH JZ 1980, 767 (768)); LG Itzehoe JZ 1983, 308 (309). Weitgehend vorbehaltlos wird sie bejaht von BGHZ 10, 69 (75); 79, 201 (210) (je zu § 985 BGB); BGHZ 122, 308 (314) m.w. N.; BGH VIZ 1998, 38 (40) (je zu § 894 BGB); OGHZ 1, 278 (282 f.); RG JW 1934, 3054 (3054 f.); LG Braunschweig ZMR 1988, 339 (340); Grussendorf, AcP 150 (1949), 438 (440); Siebert, JW 1934, 3054 (3055 f.); obiter dictum BGHZ 96, 371 (376); BGHZ 44, 367 (370 f.); BGH NJW 1979, 1656. Strikt ablehnend dagegen Ballerstadt, SJZ 1948, Sp. 388 (390); Eckert, JR 1994, 333 (334 ff.); Gadow, JhJb 84 (1934), 174 (187); Mühl, NJW 1956, 1657 (1659 ff. 1662); Wieling, Nuda proprietas, S. 2529; OLG München MDR 1957, 481 (482). – Richtig BGHZ 48, 351 (355), der die Verwirkung der Beschwerde gegen grundbuchverfahrensrechtliche Entscheidungen ausschließt, weil sonst eine Grundbuchlage perpetuiert würde, die mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmt. 44 Richtig BGH JZ 1980, 767 (768); zustimmend auch Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnr. 117. 45 Diese Überlegung liegt auch BGH JZ 1980, 767 (768) und BGHZ 157, 301 (308 f.) zugrunde und findet sich ferner bei Borzutzki-Pasing, jurisPK-MietR 11/2005 Nr. 5, wird aber von LG Braunschweig ZMR 1988, 339 (340) und KG KGR 2004, 539 f. nicht beachtet. 46 Bereits unter diesem Aspekt wird deutlich, dass die Anwendung des § 254 BGB auf § 985 und § 894 BGB abzulehnen ist (Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnr. 134;

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Der verfassungsrechtliche Vorrang des Schutzes der Interessen des Eigentümers, für den dauerhafte Einreden einen weitgehenden Nutzungs- und Wertverlust zur Folge hätten, und das wenig schutzwürdige Vertrauens des Besitzers lassen damit eine Verwirkung des zentralen Rechtsverwirklichungsanspruchs aus § 985 BGB nur in Extremfällen in Betracht kommen. Eher denkbar ist eine Verwirkung, soweit sie nur einzelne und akzidentielle Ansprüche aus dem Eigentum (zu denen i. d. R. die Abwehransprüche aus § 1004 BGB gezählt werden können) betrifft, weil dann die beschriebenen Folgen nicht in diesem Umfang eintreten.47 (3) Wiederzusammenführung von Eigentum und Besitz Um in den Fällen einer Verwirkung eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden, ist zu erwägen, ob der Eigentümer sein Recht auf den Besitzer zu übertragen hat.48 Immerhin ist das Interesse des Eigentümers, seine lediglich formal fortbestehende Rechtsposition zu behalten, nur gering zu bewerten, während der Besitzer – insbesondere, weil andernfalls eine Übertragung seiner faktisch vermögenswerten Besitzposition unmöglich ist – ein starkes Interesse daran hat, vollwertiges Eigentum zu erhalten.49 Die Schaffung einer Pflicht dieses Inhalts wäre in methodischer Hinsicht durchaus möglich: Zum einen könnte aus den § 886, § 1169, § 1254 BGB, § 12 SchiffsRG ein verallgemeinerungsfähiger Rechtsgrundsatz50 abgeleitet werden; zum anderen drücken auch

Medicus, FS Hagen, S. 166 f.; RGZ 93, 281 (282 f.); BGH LM HGB § 366 Nr. 4), da es für die Verwirklichung des Rechts grundsätzlich nicht darauf ankommen kann, ob und wieweit der Eigentümer für ein Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz verantwortlich gemacht werden kann. Die Anwendung ist aber – wie später gezeigt wird – auch aus systematischen Gründen verfehlt. 47 Wieling, Nuda proprietas, S. 2530; OLG München MDR 1957, 481 (482) gehen ebenfalls davon aus, dass nur die negatorischen Störungsabwehransprüche, nicht aber der Vindikationsanspruch verwirkbar ist. Die Möglichkeit der Verwirkung der negatorichen Ansprüche bejaht ausdrücklich BGH NJW-RR 2006, 235 (236); NJW 1990, 2555 (2556); OLG Frankfurt RdE 2006, 278 (279); ferner (je für den Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG i.V. m. § 1004 BGB) BayObLG NJW-RR 1991, 1041 (1041); OLG Stuttgart WuM 1998, 540 (541); OLG Köln NJW-RR 1998, 1625; OLG Celle NZM 2007, 842 (843 f.), je m.w. N. 48 Vgl. Flume, JhJb. 84 (1934), 340 (340 ff.); Neuner, JuS 2007, 401 (407); v. Olshausen, JZ 1983, 288 (290); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Wieling, Nuda proprietas, S. 2528 ff.; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 21 Rdnr. 29. 49 v. Olshausen, JZ 1983, 288 (290). 50 Vgl. Flume, JhJb. 84 (1934), 340 (341 ff.), der den Satz dahingehend formuliert, dass ein Anspruch auf Übertragung bestehe, sobald „der formale Bestand des einredebehafteten Rechts neben der Notwendigkeit stets erneuter Geltendmachung der Einrede noch weitere Nachteile mit sich bringt“ (S. 344). Ihm folgend v. Olshausen, JZ 1983, 288 (290), auch unter Berufung auf RGZ 169, 180 (183), das sich allerdings vorwiegend auf §§ 1019, 1020 BGB stützt. Vgl. dazu ferner MünchKomm/Baldus, § 985 Rdnr. 41, § 986 Rdnr. 7; Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnr. 120 (ablehnend); Eckert, MDR 1989, 135 (136).

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die Bestimmungen über die Ersitzung die Wertung aus, dass inhaltlose Rechte nicht fortbestehen sollen.51 Geht man so weit, dass man das dauernde Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz für erforderlich hält, erlaubt der weitere Schritt der Rechtsübertragung, die Friktion zu beheben, die zur verfassungsrechtlichen Vorgabe eines Vollrechts mit Verfügungs- und Nutzungsbefugnis bestehen: Die formelle Übertragung des Rechts auf den Einredeberechtigten greift nur minimal zusätzlich in die Position des Eigentümers ein, da sich der Rechtsverlust im Wesentlichen bereits durch die Anerkennung der peremtorischen Einrede vollzogen hat;52 der Entzug einer aus materiellen Gerechtigkeitsgründen nicht mehr schützenswerten Position ist eigentumsrechtlich kein schwerwiegender Eingriff.53 Zudem lassen sich auf diese Weise die Verkehrsfähigkeit der Sache wiederherstellen, dem Publizitätsgedanken Rechnung tragen und die Beruhigungsfunktion des Rechts, die in zahlreichen Rechtsinstituten zum Ausdruck kommt, verwirklichen.54 Eine Pflicht zur Übereignung in den Fällen, in denen den zentralen Rechtsverwirklichungsansprüche eine dauernden Einrede gegensteht, würde daher dem Bild des Eigentums zumindest nicht mehr widersprechen als das dauernde Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz selbst.55 Sie wäre mit Art. 14 GG somit jedenfalls nicht unvereinbar.

II. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Die Rückgabe der Sache an den Eigentümer allein kann nur bewirken, dass der tatsächliche Zustand für die Zukunft der rechtlich vorgesehenen Güterverteilung entspricht. Oftmals hat jedoch der Besitzer während der Zeit seines Besitzes Nutzungen gezogen oder nachteilige Veränderungen der Sache verursacht. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht nur, dem Eigentümer Ansprüche auf Rückverschaffung der Sache zu geben, sondern fordert auch, die Vermögensnachteile, die dem Eigentümer entstanden sind, weil er die Sache nicht selbst nutzen konnte, im Blick zu behalten und – ggf. unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des anderen – auszugleichen. Daher bedarf es einer „Reparaturwerkstatt“ 56, um 51 Vgl. Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 32, 5. (S. 126 f.). – Ablehnend dagegen LG Itzehoe JZ 1983, 308 (309), da die Vorschriften zur Ersitzung umgangen würden. 52 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 20; dies übersieht Eckert, MDR 1989, 135 (136), der noch relevante Rechtspositionen des Eigentümers feststellt. 53 Siehe nur BVerfG VIZ 1998, 507 (508), zutreffend gegen Grün, ZIP 1997, 491 (493 ff., insbes. S. 495), die diesen Aspekt nicht beachtet. 54 C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (465). 55 Ebenso der Tenor bei Wieling, Nuda proprietas, S. 2528 ff. Ablehnend aber Staudinger/Gursky (2006), § 985 Rdnrn. 103, 120 m.w. N.; Eckert, MDR 1989, 135 (136), der gerade hierin einen Verstoß gegen Art. 14 GG sieht. 56 Hattenhauer, Eigentum, S. 92.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

die Vermögenslage in jeder Hinsicht an die Situation anzugleichen, die hypothetisch bestünde, wenn der Eigentümer durchgängig im Besitz der Sache gewesen wäre.57 Den Ausgleich eingetretener Vermögensnachteile und -verschiebungen besorgen grundsätzlich das allgemeine Deliktsrecht und das Bereicherungsrecht (insbesondere § 823 Abs. 1 und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).58 Den Interessen des Besitzers kann jedoch, wenn dieser von seiner Besitzberechtigung ausgehen durfte, besonderes Gewicht zukommen. Die situationsspezifische Interessenlage kann dazu führen, dass an einzelnen Stellen59 eine anderes Ergebnis sachgerechter ist als das in den §§ 823 ff. und §§ 812 ff. BGB „allgemein vorgesehene“. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit den Vorschriften zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in §§ 987 ff. BGB einen ausdifferenzierten Normkomplex geschaffen,60 das die Ansprüche auf Schadens-, Nutzungs- und Verwendungsersatz – grundsätzlich abschließend61 und teils abweichend von den allgemeinen Anspruchstatbeständen – regelt. Hauptanknüpfungspunkt (Zurechnungsgrund) der Haftung für Schadens- und Nutzungsersatz ist – da diese Pflichten erst durch die Klagezustellung (§§ 987, 989 BGB i.V. m. § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO)62 oder die Kenntnis/das Kennenmüssen des Besitzers vom Nichtbestehen seines Besitzrechts (§ 990 Abs. 1 BGB)63 ausgelöst werden und die Schadensersatzpflicht zudem Verschulden voraussetzt – wiederum das subjektive Moment.64 Der redliche Besitzer – als solcher zählt hier auch der beim Besitzerwerb nur leicht fahrlässig Handelnde – wird so vor unerkennbaren Haftungsfolgen beim Umgang mit der Sache bewahrt 57

Vgl. Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 961 (961 f.). Vgl. oben Teil 3 A.II. 59 Die Tatsache, dass die sich aus den §§ 987 ff. BGB ergebende Regelung oftmals mit der der „allgemeinen“ Ansprüche übereinstimmt, stellt – entgegen Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 531 ff. – nicht die Berechtigung der Sonderregelungen in Frage. 60 Ein ähnlich strukturiertes System, das den gutgläubigen Besitzer von Schadensersatzansprüchen freistellt und ihm Verwendungsersatz zugesteht, findet sich bereits bei Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 1. Buch Kap. 13 §§ 4 ff. 61 Zur „Sperrwirkung“ des § 993 Abs. 1a. E. BGB siehe nur Jauernig/Jauernig, Vor §§ 987–993 Rdnr. 10; Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 929 (963 ff.); Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 226 ff.; Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 49; Wieling, Sachenrecht, § 12 III pr., IV pr.; abweichend C. Peters, AcP 154 (1954), 454 (455 ff.), der – anders als die ganz h. M., die von Spezialität ausgeht – eher Subsidiarität annimmt. 62 Zur Warnfunktion der Klagezustellung Wieling, Sachenrecht, § 12 II b; Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 10. 63 Dieser Tatbestand soll den Beginn der Haftung gegenüber der Rechtshängigkeit vorverlagern, siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 11 m.w. N. 64 Eine gewisse Ausnahme stellt nur § 988 BGB dar, der auf der Wertung beruht, dass der unentgeltliche Erwerb weniger schutzwürdig ist [vgl. unten Teil 4 E.I.3.a)], und die Interessen des Besitzers durch den Verweis auf das Bereicherungsrecht wahrt. 58

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten

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und dadurch gegenüber den allgemeinen Haftungsnormen privilegiert, weil er glauben durfte, mit der Sache beliebig verfahren zu können.65 Die Vorschriften können daher als „Minimalform gutgläubigen Erwerbs“ bezeichnet werden.66 Da der Besitzer allerdings den Wert der Sache selbst nicht behalten dürfen soll, ist ein aus einer Veräußerung der Sache erzielter Erlös unabhängig von der Kenntnis o. ä. herauszugeben (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).67 Neben den Ersatz- und Fortsetzungsansprüchen regelt das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis auch die Gegenansprüche des Besitzers wegen der von ihm getätigten Verwendungen auf die Sache. Deren Ausgleich ist angebracht, da mit der Herausgabe der Sache an den Eigentümer die getätigten Investitionen für den vormaligen Besitzer nutzlos werden. Primäres Differenzierungskriterium im Gesetz ist hier, ob die Aufwendungen auf die Sache zu deren Erhaltung „notwendig“ waren oder nicht (§ 994 gegenüber § 996 BGB).68 Da im erstgenannten Fall unterstellt wird, dass auch der Eigentümer sie getätigt hätte und sich somit eigene Auslagen erspart hat,69 werden Ausgleichsansprüche relativ großzügig zubilligt.70 Durch § 994 Abs. 1 S. 2 BGB sind hiervon – ebenfalls sachgerecht – ausgenommen die laufenden Kosten, soweit der Besitzer die Früchte behalten darf, da er sonst u. U. besser stünde als ein Eigentümer. Für sonstige Verwendungen erhält dagegen nur der gutgläubige und unverklagte Besitzer Ersatz, und auch dies nur, soweit eine fortdauernde Werterhöhung vorhanden ist (§ 996 BGB). Dies kommt dem Eigentümer entgegen, der nicht Aufwendungen ersetzen möchte, die ihm selbst keinen Vorteil bringen, weil er – wie ihm Art. 14 GG garantiert – eine andere Art der Nutzung bevorzugt.71 65 BGHZ 31, 129 (134); Gast, JuS 1985, 611 (614) m.w. N.; Staudinger/Gursky (2006), Vorbem zu §§ 987–993 Rdnr. 4; Picker, FG BGH I, S. 740 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1131 ff.; bereits Mot. III, 401, 403, 412, 414, 427 f.; Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 68, 1 (S. 282). – Dagegen soll die Haftung des Bösgläubigen verschärft werden, vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1231 ff. 66 Staudinger/Gursky (2006), Vorbem zu §§ 987–993 Rdnr. 4 m.w. N. 67 Statt aller BGHZ 55, 176 (179); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 58; auch BGHZ 36, 56 (59). – Dem Interesse des Besitzers wird wiederum durch § 818 Abs. 3 BGB Rechnung getragen. Vgl. unten Teil 4 E.I.2.d)bb). 68 Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 32. – Äußerst kritisch zu den §§ 994 ff. BGB Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 540 ff. 69 BGHZ 64, 333 (339); Jauernig/Jauernig, § 994 Rdnr. 1. – Entgegen Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 538 liegt darin kein Verstoß gegen Art. 14 GG, weil der Gesetzgeber die Belange des redlichen Besitzers, so gestellt zu werden, wie er sich glaubte, höher gewichten darf als die des Eigentümers. 70 Sie sind lediglich nach §§ 994 Abs. 2 i.V. m. 683 S. 1 BGB im Falle eines verklagten oder bösgläubigen Besitzers ausgeschlossen, wenn die Aufwendung dem konkreten Willen des Eigentümers widerspricht. 71 Vgl. zum hier ansetzenden Streit um eine eher „objektive“ oder „subjektive“ Deutung Wieling, Sachenrecht, § 12 V 3 b aa; Palandt/Bassenge, § 996 Rdnr. 2 (jeweils für Bemessung nach den persönlichen Verhältnissen wie bei § 951 und § 812 BGB); Staudinger/Gursky (2006), § 996 Rdnrn. 5 ff. (für eine objektive Bemessung).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Insgesamt liegt damit ein komplexes System von fallgruppenspezifischen Regelungen mit Ausnahmen und Unterausnahmen vor, mit dem für den Ersatz von Nutzungen, Schäden und Verwendungen Ergebnisse erzielt werden sollen, die den materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen möglichst nahe kommen. Der in §§ 1000 ff. BGB vorgesehene Mechanismus aus Zurückbehaltungs- und Verwertungsrechten, Ausschlussfristen und der Abhängigkeit des Ersatzanspruchs von einer Genehmigung bewahrt schließlich sowohl den Besitzer davor, die Sache herausgeben müssen, ohne zugleich Ersatz für seine Verwendung zu erhalten, als auch den Eigentümer davor, Verwendungsersatz in einer Höhe leisten zu müssen, die den Sachwert übersteigt.72 Auch in der Phase der Anspruchsdurchsetzung wird damit den gegenläufigen Belangen Rechnung getragen: Das von Art. 14 GG garantierte Rückerlangungsinteresse des Eigentümers und das Kostenersatzinteresse des Besitzers, das von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird, werden zu einem schonenden Ausgleich gebracht.

III. Zusendung unbestellter Waren (§ 241a BGB) Mit der Einführung des § 241a BGB wurde in jüngerer Zeit eine weitere Situation geschaffen, in der trotz fortbestehenden Eigentums der Vindikationsanspruch und die Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ausgeschlossen sind.73 Die Bestimmung, die eingreift, wenn Ware unbestellt von einem Unternehmer an einen Verbraucher (jeweils i. S. v. § 13 u. § 14 BGB) gesandt wurde, um einen Vertragsschluss herbeizuführen, wirft daher erhebliche Bedenken und Fragen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 GG auf.

72 Dieser hat damit letztlich das Wahlrecht, ob er die Sache zurückerlangen will, oder ob er sie dem Besitzer belässt. Das Risiko, wertübersteigende Verwendungen tragen zu müssen, bleibt so beim Besitzer; dies erscheint nicht ungerecht, da er auch dann, wenn er Eigentümer gewesen wäre, durch die Verwendungen ein „Verlustgeschäft“ getätigt hätte. Zu diesem Regelungszweck vgl. Mot. III, 415; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 40; kritisch Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 538, der die Regelung als „zu grob“ bezeichnet, um vor aufgedrängten Bereicherungen zu schützen. 73 Die Bestimmung, die auf die EG-Fernabsatzrichtlinie zurückgeht (vgl. unten 2.b), S. 366), wurde mit Gestz vom 27.6.2000 eingeführt. Die rechtspolitische Kritik an der Vorschrift (besonders deutlich Deckers, NJW 2001, 1474 (1474); Flume, ZIP 2000, 1427 (1429)) setzt bereits bei ihrem Standort im BGB an: Für viele (Flume, S. 1428 m.w. N.; Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 1; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323)) überzeugt die Einordnung zwischen den schuldrechtlichen Grundnormen der § 241 und § 242 BGB weder aus sachlichen Gründen noch unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutsamkeit. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hatte aus gesetzessystematischen Gründen die Einfügung als § 292 a BGB angeregt, BR-Drs. 25/1/00, S. 8 (Empfehlung Wi 12); der Entwurf der Bundesregierung meinte dagegen, die Norm sei nach § 241 BGB als der Grundnorm für Schuldverhältnisse am besten platziert (BT-Drs. 14/2658, S. 46).

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten

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1. Schadensersatz bei fahrlässigen Beschädigungen Vor Inkrafttreten des § 241a BGB stellte sich der Meinungsstand dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen der Empfänger einer unbestellt zugesandten Sache Ansprüchen wegen Beschädigung oder Zerstörung ausgesetzt war, sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung sehr uneinheitlich dar: Eine Auffassung nahm eine strenge Haftung nach den §§ 990, 989, 987 BGB an, da der Empfänger von Anfang an um sein fehlendes Besitzrecht wisse. Überwiegend wurde für eine Haftungsprivilegierung plädiert, die teils auf eine analoge Anwendung von § 690 BGB, teils von § 300 BGB gestützt wurde; auch wurde § 254 BGB herangezogen, um zu einer vollständigen oder wenigstens teilweisen Haftungsfreistellung zu gelangen. Vielfach wurde der Empfänger zudem als berechtigt angesehen, die Ware wegzuwerfen („Preisgaberecht“ 74).75 Zur Schadensersatzpflicht bei fahrlässig verursachter Beschädigung oder Untergang der Sache enthält § 241a BGB nunmehr eine eindeutige Regelung.76 Den Empfänger sollen keine Obhutspflichten im Hinblick auf die Sachen treffen, wenn er schon mit deren – aus seiner Sicht unerwünschten – Zusendung belastet wird.77 Die Regelung verfolgt damit den Schutz legitimer Belange anderer Privater, die auch die Nachteile für den Versender rechtfertigen. Die Ziele des Verbraucherschutzes überwiegen die Ersatzinteressen des Versenders dabei nicht zuletzt deshalb, weil die drohenden Schadensersatzpflichten wegen ihres Charakters als Geldleistungspflichten für den Schuldner ein zusätzliches Vermögensopfer bedeuten und somit wesentlich belastender wirken als eine Pflicht zur Herausgabe der Sache in natura. Umgekehrt darf derjenige, der Waren bewusst ohne Rechtsgrund verschickt, nicht darauf vertrauen, dass der Empfänger besonders sorgfältig damit umgehen wird. Da § 241a BGB somit eine sachgerechte Risikoverteilung bewirkt, sind verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Haftungsprivilegierung nicht begründet. 2. Herausgabeanspruch a) Wille des Gesetzgebers Weitaus problematischer ist der Ausschluss der Herausgabepflicht und der Schadensersatzhaftung im Fall vorsätzlicher Beschädigung (dazu unten 3.). Der Gesetzgeber wollte mit § 241a BGB bewusst auch die Heraus- und Rückgabean74 Für ein solches zumindest bei geringwertigen Gegenständen Staudinger/Bork (2003), § 146 Rdnr. 14; jede Art von Sachen Jauernig/Jauernig, § 145 Rdnr. 6. 75 Nachweise hierzu jeweils bei Berger, JuS 2001, 649 (650, Fn. 14–18); Casper, ZIP 2000, 1601 (1602, Fn. 10–15); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2318, Fn. 14–18); BT-Drs. 14/ 2658, S. 23; sowie bei den in Fn. 74 Genannten. 76 Berger, JuS 2001, 649 (653). 77 Casper, ZIP 2000, 1601 (1605).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

sprüche versagen, um die Zusendung unbestellter Waren zu bestrafen.78 § 241a BGB ist damit – ebenso wie der zeitgleich eingeführte § 661a BGB (Gewinnzusagen) – eine zivilrechtliche Sanktionsnorm.79 Die Frage, ob das Zivilrecht als Mittel dazu eingesetzt werden soll, um missbilligte Verhaltensweisen zu sanktionieren, oder diese Aufgabe ausschließlich dem Wettbewerbs-, Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht verbleiben soll,80 kann man zwar stellen; ebenso kann man attestieren, dass dem Zivilrecht der Sanktionsgedanke bisher eher fremd war.81 Die (rechtspolitische) Entscheidung, ob zur Verhinderung missbilligten Verhaltens auch privatrechtliche Ansprüche bzw. deren Verlust eingesetzt werden sollen, ist jedoch dem Gesetzgeber zu überlassen, da er die Mittel zur Erreichung eines Zwecks grundsätzlich auswählen darf.82 Das Zivilrecht ist hierzu jedenfalls nicht generell ungeeignet, da es Verhaltenssteuerung bewirken kann. Kernfrage der Prüfung am Maßstab der Verfassung muss vielmehr sein, ob die gewählte Regelung mit den Grundrechten der Betroffenen materiell in Einklang steht. b) Europarechtliche Vorgaben für § 241a BGB – Grundgesetz als Prüfungsmaßstab Die Frage nach der Vereinbarkeit von § 241a BGB mit Art. 14 GG stellt sich allerdings nur, wenn das Grundgesetz Prüfungsmaßstab für diese Bestimmung ist. Fraglich ist dies, weil die Einführung der Bestimmung auf die EG-FernabsatzRichtlinie zurückgeht, die in Art. 9 den Mitgliedstaaten aufgibt, Verbraucher bei Zusendung unbestellter Ware von Gegenleistungspflichten freizustellen und diese Vertriebspraktiken zu verbieten.83 Vorschriften im Recht der EU-Mitgliedstaaten, mit denen Richtlinien der EG umgesetzt werden, müssen nicht mit dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar sein, soweit sie lediglich unbedingte Anforderungen der Richtlinien implementieren und somit europarechtlich determiniert sind. Obwohl dem einzelnen Bürger gegenüber nur die mitgliedstaatliche Norm, nicht 78 BT-Drs. 14/1658, S. 46; BT-Drs. 14/3195, S. 32; Casper, ZIP 2000, 1601 (1605 f.); Riehm, Jura 2000, 505 (511); Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1316 f.); vgl. ferner Schwarz, NJW 2002, 1449 (1449 f.); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319). 79 Vgl. Riehm, Jura 2000, 505 (511, 513); Schneider, BB 2002, 1653 (1653 ff.); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320); Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1317); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnr. 19. 80 Vgl. Berger, JuS 2001, 649 (651); Flume, ZIP 2000, 1427 (1429); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2317, 2323). 81 Ebenso Casper, ZIP 2000, 1601 (1606), der aber aus dieser Systemfremdheit weitgehendere Schlüsse auf eine Unzulässigkeit zieht. – Diskutiert wird z. B., inwieweit § 817 BGB eine „Strafwirkung“ zukommt, vgl. Canaris, FS Deutsch, S. 105; Staudinger/St. Lorenz (2007), § 817 Rdnrn. 4 f.; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320 f.). 82 Ebenso im Ergebnis Schneider, BB 2002, 1653 (1658); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320, 2321). 83 Art. 9 der RL 97/7/EG, ABl. EG Nr. L 144, S. 19.

A. Herausgabeansprüche und Ersatzpflichten

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aber die Richtlinie selbst wirkt (vgl. Art. 288 UAbs. 3 AEUV),84 handelt es sich bei der transformierenden Vorschrift nur formell um nationales, materiell aber um europäisches Recht. Die umsetzende mitgliedstaatliche Norm hat am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts teil, der auch gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht besteht. Sie muss sich daher nur an den Grundrechten des EURechts messen lassen.85 Die in § 241a BGB angeordnete Rechtsfolge wird jedoch nicht von Art. 9 der Fernabsatz-RL gefordert. Die Zielvorgabe des Art. 9 Spgstr. 1, Warenzusendungen zum Zweck der Vertragsanbahnung zu verbieten, kann weder durch den Verlust des Vindikationsanspruchs allein verwirklicht werden, noch erfordert die praktische Umsetzung dieses Verbots den Anspruchsverlust als zusätzliche oder begleitende Maßnahme neben anderen Regelungen.86 Erforderlich und ausreichend, um ein solches Verbot zu schaffen, sind insbesondere die im deutschen Recht ohnehin vorhandenen wettbewerbsrechtlichen Regelungen.87 Der Ausschluss der Herausgabepflicht könnte somit allenfalls von Art. 9 Spgstr. 2 Fernabsatz-RL geboten sein, nach dem die Empfänger unbestellter Waren von Gegenleistungsansprüchen freizustellen sind. Die Herausgabe-/Rückgabeansprüche aus § 985 und § 812 BGB müssten dann „Gegenleistungsansprüche“ darstellen. Der Inhalt dieses Begriffs in dem europarechtlichen Rechtssatz ist im Wege der autonomen Auslegung zu bestimmen. Gegen eine „weite“ Interpretation, nach der sämtliche Arten von Ansprüchen erfasst wären, sofern sie nur an die Zusendung anknüpfen, spricht der Sprachgebrauch des Erwägungsgrundes 5 der Richtlinie.88 Zugunsten eines weiten Begriffsverständnisses lässt sich auch 84 Ebenso ex-Art. 249 UAbs. 3 EGV. – Zum Fehlen einer „unmittelbaren horizontalen Richtlinienwirkung“ siehe nur EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 Slg. I-3325, Tz. 24 f. – Faccini Dori. 85 Vgl. Streinz, HdbStR, § 182 Rdnr. 33; siehe auch BVerfGE 31, 145 (179), das ausdrücklich nur der Teil des Umsetzungsakts am Grundgesetz misst, bei dem der nationale Gesetzgeber einen Spielraum hat; BVerfG NJW 2012, 45 (45 f.). 86 Ebenso Deckers, NJW 2001, 1474 (1474). 87 Wie Casper, ZIP 2000, 1601 (1601); Schwarz, NJW 2002, 1449 (1449); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2317) (alle m.w. N.) ausführen, war die Zusendung unbestellter Waren wegen ihrer belästigenden Wirkung im deutschen Recht stets als Fall des „Anreißens“ nach § 1 UWG a. F. (nun § 4 Nr. 1, § 7 Abs. 1 UWG n. F.) sittenwidrig (vgl. BGH GRUR 1959, 277 (278 f.); BGH NJW 1965, 1662 (1662); NJW 1976, 1977 (1978); ferner BGH NJW 1992, 3040, alle m.w. N. aus dem Schrifttum). Die nicht als wettbewerbswidrig einzustufenden Fälle (vgl. BGH NJW 1965, 1662 (1662 f.)) wird man durch teleologische Reduktion von der Anwendung des § 241a BGB ausnehmen müssen (unten bei Fn. 108 f.; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2318); Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 4). Im Hinblick auf Art. 9 Spglstr. 1 Fernabs-RL bestand daher (wie auch die Bundesregierung erkannte, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 22 f., 46) überhaupt kein Umsetzungsbedarf (ebenso Artz, VuR 1999, 393 (396); Casper, ZIP 2000, 1601 (1604) m.w. N.; Deckers, NJW 2001, 1474 (1474); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2318); implizit auch Flume, ZIP 2000, 1427 (1429)). 88 Vgl. insbes. Casper, ZIP 2000, 1601 (1604).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

nicht mit der „verbraucherschützenden Gesamtintention“ der Fernabsatz-RL argumentieren,89 da dieser Gesichtspunkt zu pauschal ist, um etwas für das „weiteres“ Begriffsverständnis ableiten zu können.90 Daher ist davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch der Richtlinie sachlich mit dem Begriffsverständnis des deutschen Rechts übereinstimmt, so dass nur synallagmatisch verknüpfte Ansprüche gemeint und erfasst sind. Gesetzlich entstehende Ansprüche, die in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen und nur restitutorisch oder kompensatorisch wirken sollen, sind damit keine „Gegenleistungsansprüche“. Ihr Ausschluss ist daher dem nationalen Gesetzgeber nicht durch Art. 9 Spgstr. 2 Fernabsatz-RL verbindlich aufgegeben.91 § 241a BGB muss sich deshalb am Grundgesetz messen lassen. Maßnahmen, die über das zur Richtlinienumsetzung Erforderliche hinausgehen, sind allerdings aus europarechtlicher Sicht zulässig, da Art. 14 Fernabsatz-RL den Mitgliedstaaten die Verwirklichung eines höheres Schutzniveaus ausdrücklich erlaubt.92 c) Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung Für die Überprüfung an der Eigentumsgarantie ist § 241a BGB in die Regelungssystematik des Art. 14 GG (Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung) einzuordnen. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 241a BGB die unterschiedlichen Interessen im Privatrechtsverkehr koordinieren und in diesem Rahmen Personen (Verbraucher) vor Ausnutzung oder Belästigung durch andere (Versender) schützen. Hierzu statuierte er das Verbot der unbestellten Zusendung von Waren und sanktioniert dessen Missachtung. An einem Erwerb des Eigentums oder wesentlicher Befugnisse durch einen Hoheitsträger oder durch Private, die eine öffentliche Aufgabe verwirklichen sollen, ist dem Gesetzgeber dagegen nicht gelegen; dieser wird auch nicht bewirkt. Damit stellt die Bestimmung eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar.93 Ob der Gesetzgeber sich 89

Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 23; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453). Auch die entsprechende Untersuchung in BT-Drs. 14/2658, S. 23 äußert weniger die Überzeugung, dass der Begriff weit auszulegen ist, als lediglich die Befürchtung, dass man vielleicht hinter europarechtlichen Vorgaben zurückbleiben könnte. 91 Artz, VuR 1999, 393 (396); Berger, JuS 2001, 649 (650); Casper, ZIP 2000, 1601 (1604); MünchKomm/Kramer, § 241a Rdnr. 3; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1199; kritisch auch Sosnitza, BB 2000, 2317 (2318); anders – ohne nähere Begründung – Schröder/Thiessen, NJW 2004, 719 (720). 92 Casper, ZIP 2000, 1601 (1606); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319). 93 Casper, ZIP 2000, 1601 (1606) (ähnlich Riehm, Jura 2000, 505 (512)) begündet dieses Ergebnis damit, dass die Rechtsfolge allein durch eine Handlung des Versenders (und nicht durch einen Hoheitsakt oder unmittelbar durch § 241a BGB) ausgelöst werde. Dies schließt jedoch die theoretische Möglichkeit einer Legalenteignung nicht aus, vgl. oben Teil 2 B.III.2. 90

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mit dieser Regelung innerhalb der Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen hält, ist für diese Einordnung ohne Bedeutung. d) Legitimierende Ziele, Prüfungsmaßstab, Geeignetheit und Erforderlichkeit Der Ausschluss des dinglichen Herausgabeanspruchs des Eigentümers kommt materiell einem Verlust des Eigentums selbst gleich. Der Gesetzgeber wollte jedoch mit § 241a BGB ausdrücklich keinen neuen gesetzlichen Eigentumserwerbs- bzw. -übergangstatbestand normieren,94 so dass die Vorschrift zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz führt.95 Diese Situation ist, wie gezeigt, system- und strukturwidrig. Hierin allein kann gleichwohl noch kein Grund einer Verfassungswidrigkeit gesehen werden, da der Gesetzgeber nicht an die von ihm selbst angelegte Systematik gebunden ist.96 Der Ausschluss des Vindikationsanspruchs, durch den dem Eigentümer die Möglichkeit genommen wird, sich unter Zuhilfenahme staatlicher Rechtsverfolgungsorgane wieder in den Besitz des Gegenstands zu bringen, stellt jedoch einen gravierenden Eingriff in die subjektive Rechtsposition des einfachgesetzlich wie verfassungsrechtlich geschützten Eigentums dar. Als legitimierende Gründe für den Anspruchsausschluss kommen das Bestreben, die Bewerbung und Vermarktung von Waren durch deren unbestellte Zusendung an Nicht-Kaufleute generell zu bekämpfen, sowie der Schutz des Empfängers vor zivilrechtlichen Ansprüchen des Versenders in Betracht. Beides sind im Grunde billigenswerte und damit legitime Ziele.97 Den Ausschluss des Herausgabeanspruchs kann allerdings das zuletzt genannte Ziel von vornherein nicht legitimieren: Zwar mag geboten sein, den Empfänger der Ware von Schadensersatzansprüchen freizustellen, doch muss er nicht vor dem Herausgabeverlangen bewahrt werden, da ein Schutzbedürfnis nicht zu erkennen ist. Ein Herausgabeanspruch kann zu keinen weiteren Nachteilen für sein Vermögen führen, weil der Verplichtete nur einen „noch vorhandenen Überschuss“ abgeben muss. Beim Empfänger kann sich auch kein schutzwürdiges Vertrauen bilden, die Ware behalten zu dürfen, da ihm in Fällen des § 241a 94 Vgl. Berger, JuS 2001, 649 (652 f.); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128; Riehm, Jura 2000, 505 (512); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450, 1452); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 35. 95 Siehe nur Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452 f.); BT-Drs. 14/2658, S. 46. 96 Insoweit richtig Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128; allgemein oben Teil 2 C.II.3.b). 97 Zur „Ziellegitimität“ als Voraussetzung der Zweck-Mittel-Relation v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 231; Gentz, NJW 1968, 1600 (1602); Schlink, FS BVerfG, S. 450; v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 304; BVerfGE 21, 150 (155); 26, 215 (224 f.); 72, 66 (78 f.); 78, 205 (211); 81, 156 (191 f.); 104, 1 (11). – Der Gedanke, dass der Gesetzgeber ungerechtfertigte Gesetze nicht schaffen darf, findet sich bereits bei Thomas v. Aquin, Summa theologica II-I qq. 95 ff. (insbes. q. 95 a. 1 c.).

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Abs. 1 BGB gerade deutlich gemacht wird, dass die Ware nur gegen Bezahlung dauerhaft bei ihm verbleiben soll.98 Hierin unterscheidet sich die Situation von den Fällen der Verwirkung, in denen ein derartiges Vertrauen besteht und bedingen kann, als Rechtsfolge einen Anspruchsausschluss vorzusehen. Auch anderweitige Handlungspflichten (z. B. zur Rücksendung), die den Empfänger im Zusammenhang mit der Herausgabepflicht belasten könnten, bestehen nicht, da bereits nach den allgemeinen Regeln der Vindikationsanspruch am jeweiligen Lageort der Sache zu erfüllen ist.99 Eine Rechtfertigung für § 241a BGB könnte daher nur im Schutz der Verbraucher vor Belästigung durch die inkriminierten Absatzpraktiken und der Wettbewerber gegen unlautere Unternehmer100 gefunden werden. In § 241a BGB ist dabei die Verhaltensnorm (Verbot der Zusendung unbestellter Ware) mit der Sanktionsnorm (Ausschluss des Herausgabeanspruchs) verbunden. Diese normsystematische Erkenntnis hat nicht unerhebliche Auswirkungen darauf, welche Anforderungen für die Rechtfertigung der Bestimmung gelten. Im Blickpunkt des Verhältnismäßigkeitsgebotes steht nämlich weniger das Verhaltensgebot (das legitimen Interessen der Verbraucher und der Marktteilnehmer dient und mit diesen gerechtfertigt werden kann) als vielmehr die angeordnete Sanktion. Die Prüfung ist in einer solchen Konstellation nicht auf eine grobe Kontrolle beschränkt, ob gleichberechtigte Belange erkennbar unangemessen behandelt wurden; vielmehr muss eine „strenge“ Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen, da der Staat einen Nachteil auferlegt, dem kein unmittelbarer Vorteil eines anderen Privatrechtssubjekts entspricht, und der allein der nachdrückliche(re)n Durchsetzung des Unterlassungsgebots dient. Schließlich ist der Prüfungsmaßstab auch nicht deshalb weniger streng, weil es sich bei der Frage, welche Ansprüche dem Eigentümer gegenüber anderen zustehen und wann sie ausnahmsweise entfallen sollen, bei konstruktivistischer Betrachtung „nur“ um eine Erfüllung der Schutzpflicht101 oder die Versagung einer Begünstigung102 geht: Da der Herausgabeanspruch des § 985 BGB den zentralen Inhalt des Eigentums bildet und erforderlich zur Ausübung nahezu aller Nutzungsbefugnisse ist, belastet jede Einschränkung den Ei98

Anders insoweit bei § 661a BGB, vgl. unten Teil 4 A.III.2.e)aa)(2) bei Fn. 128 f. Berger, JuS 2001, 649 (650); Casper, ZIP 2000, 1601 (1607); vgl. auch BT-Drs. 14/2658, S. 46; allgemein Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnr. 33; Wieling, Sachenrecht, § 12 I 2 b; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1096; Jauernig/Jauernig, § 985 Rdnr. 7. Streitig ist nur, wie Ortsveränderungen nach dem durch §§ 989, 990 BGB beschrieben Zeitpunkt zu behandeln sind; vgl. dazu Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnr. 33; Picker, FG BGH I, S. 726 ff. 100 Vgl. Fn. 87 sowie BGHZ 165, 172 (181), dem zufolge diese Ziele auch § 661a BGB zugrunde liegen, obwohl diese Vorschrift primär bewirken soll, dass der Verbraucher den Versender beim Wort nehmen kann. 101 In diese Richtung BVerfG 110, 1 (21 f., 30): Zivilrechtlichen Normen wie § 817 S. 2 BGB würden nur demjenigen der staatliche Rechtschutz verweigern, der sein Eigentum für deliktische Zwecke aufgegeben hat, weil es dann keinen Schutz verdiene. 102 So aber wohl BVerfGE 110, 1 (22) (zu § 817 S. 2 BGB). 99

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gentümer besonders schwer. Durch die Verweigerung des Rechtsschutzes wird das Recht selbst negiert. § 241a BGB kann daher die Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG nur bestehen, wenn entsprechend gewichtige Gründe gerade für den Ausschluss des Herausgabeanspruchs vorhanden sind. Allenfalls der Aspekt, dass der Eintritt der nachteiligen Rechtsfolge vom Verhalten des Eigentümers abhängt und durch pflichtkonformes Verhalten leicht vermeidbar ist,103 kann einen Grund liefern, die Anforderungen etwas zu senken.104 Überprüft man § 241a BGB an diesem Maßstab, ist zunächst festzustellen, dass ein Ausschluss des Herausgabeanspruchs einen Unternehmer davon abhalten kann, Waren zum Zwecke der Vertragsanbahnung an Fremde zu verschicken. Die Bestimmung ist daher grundsätzlich geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen.105 Da die abschreckende Wirkung größer ist als bei Fehlen einer derartigen Sanktion, darf der Gesetzgeber sie auch grundsätzlich als erforderlich ansehen.106 Ausgehend von dem genannten Normzweck sind von der in § 241a BGB angeordneten Rechtsfolge jedoch drei Konstellationen auszunehmen: Da bei Personenverschiedenheit von Versender und Eigentümer die Sanktion nicht den Eigentümer treffen darf, ist § 241a BGB – im Wege der teleologischen Reduktion – dahingehend einzuschränken, dass der Anspruchsausschluss Rechte Dritter nicht betrifft.107 Die Norm ist ferner insofern zu weit gefasst, als sie auch Warenzusen103

Zu den Sonderfällen, in denen dies nicht zutrifft, unten e). Vgl. oben Fn. 1374; BVerfGE 88, 145 (160). – Allein aus diesem Grund lehnt demgegenüber Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319) jede weitere Prüfung an der Eigentumsgarantie ab. 105 Vgl. Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322). Kritisch insoweit Berger, JuS 2001, 649 (651), der darauf hinweist, dass die Effektivität der Sanktionsnorm auch vom Bestehen von Informationsvorsprüngen abhängt, weil sich nur der informierte Verbraucher auf seine Rechte berufen kann, während ein Unkundiger unter dem Druck von Inkassounternehmen o. ä. zahlen wird. Für die Geeignetheit genügt aber, dass das Mittel einen Schritt zur Förderung des erstrebten Ziels beitragen kann; ungeeignet ist ein Mittel erst, wenn die Zielerreichung mit ihm überhaupt nicht gefördert werden kann (so auch BVerfGE 65, 116 (126); 67, 157 (175); 81, 156 (192); 126, 331 (362); BVerfG NVwZ 2004, 975 (976); NJW 2012, 1062 (1063); v. Mangoldt/Klein/Sommermann, Art. 20 Rdnr. 304; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 234 f.; Gentz, NJW 1968, 1600 (1603); Julius, ZStW 109 (1997), 58 (72); vgl. bereits BVerfGE 16, 147 (179)). Nicht notwendig ist damit auf dieser Prüfungsstufe, dass eine „Volleignung“ vorliegt, das Ziel also alleine hiermit erreichbar ist (Gentz NJW 1968, 1600 (1603); v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 234). 106 Vgl. zu den Maßstäben bei der Kontrolle der gesetzgeberischen Einschätzung BVerfGE 68, 193 (218 f.); 81, 156 (192 ff.); 104, 337 (347 f.); 105, 17 (34, 36) m.w. N.; 126, 331 (362 f.); BVerfG NVwZ 2004, 975 (976); Schlink, FS BVerfG, S. 453 f., 456 f. – Die unter (ee)) zu behandelnden erfolgsirrelevanten Nebenwirkungen sind noch nicht bei der Erforderlichkeit, sondern erst bei der Angemessenheit zu berücksichtigen, vgl. Gentz, NJW 1968, 1600 (1604); Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 118. 107 Vgl. Berger, JuS 2001, 649 (651, 653 f.); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128. 104

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dungen im wohlverstandenen Interesse des Empfängers – etwa an einen langjährigen Kunden, von dessen grundsätzlicher Kaufneigung der Versender berechtigterweise ausgehen darf – erfasst,108 die nicht sanktionsbedürftig sind.109 Dieser Mangel kann durch eine großzügige Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbestellt“ behoben werden.110 Entsprechendes muss gelten, wenn ein Kaufvertrag an sich zustande gekommen ist, sich aber als rechtlich unwirksam herausstellt.111 e) Verhältnismäßigkeit i. e. S. Soweit solche Sonderfälle nicht vorliegen, hängt die Vereinbarkeit des § 241a BGB mit der Eigentumsgarantie entscheidend von der Angemessenheit der Regelung ab. Die durch den Eingriff bewirkte Freiheitseinbuße darf dazu im Verhältnis zu den Auswirkungen für den Eigentümer, gemessen an der Bedeutung des angestrebten Zieles, nicht jenseits der Grenze des Zumutbaren liegen.112 Die hierbei anzulegenden Maßstäbe hängen davon ab, in welcher Weise genau § 241a BGB Sanktionswirkungen entfaltet. Für § 241a BGB kommen dabei verschiedene Zielschwerpunkte in Betracht. aa) Maßstäbe repressiver strafrechtlicher Sanktionen Besonders strenge verfassungsrechtliche Anforderungen gelten für staatliche Maßnahmen, die eine echte Sanktionierung i. S. einer Strafe bewirken. (1) Tatschuldprinzip und Unschuldsvermutung Echte Sanktionen müssen dem – in der Menschenwürde und im Rechtsstaatsprinzip begründeten – Tatschuldprinzip genügen, nach dem die Auferlegung einer Strafe oder einer Maßnahme mit strafähnlicher Wirkung ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt (nulla poene sine culpa).113 Das Schuldprinzip verlangt zudem einen strengen Verhältnismäßigkeitszusammenhang gerade zwischen der Schwere der Schuld und der Härte der Sanktion, wobei zum einen – abstrakt – 108 Berger, JuS 2001, 649 (651); Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 4; MünchKomm/ Kramer, § 241a Rdnr. 8; a. A. wohl Casper, ZIP 2000, 1601 (1608). 109 Vgl. aus der Rechtsprechung des BGH die Nachweise oben Fn. 87. 110 Berger, JuS 2001, 649 (652); ähnlich Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 4; dahin neigend Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128. 111 Casper, ZIP 2000, 1601 (1604 f.); Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 2 (zur Nichtigkeit nach Anfechtung); vgl. ferner Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1316). 112 Vgl. BVerfGE 59, 336 (355); 78, 77 (85); 83, 1 (19). 113 Vgl. BVerfGE 20, 323 (331 ff.); 23, 127 (132); 58, 159 (162 f.); 74, 358 (371); 80, 109 (120); 80, 244 (255); 84, 82 (57); 92, 277 (326 ff.); 110, 1 (13); BVerfG NJW 1994, 2412 (2413); NJW 1995, 248 (249); Hömig/Hömig, Art. 103 Rdnr. 12; eingehend H. A. Wolff, AöR 124 (1999), 55 (57 ff.).

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Tatbestand und Rechtsfolge der Strafnorm sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen und zum anderen – konkret – die im Einzelfall angeordnete Sanktion der Schwere der Tat und der Schuld des Täters angemessen sein muss.114 Mit dem Schuldprinzip verbunden sind schließlich die Unschuldsvermutung115 und das Erfordernis, ausreichende verfahrensrechtliche Vorkehrungen für die Ermittlung des Sachverhalts im Hinblick auf die äußere und innere Tatbestandsseite zu treffen.116 (2) Vorliegen einer „Strafe“ Nicht jeder Nachteil, der als Folge eines Normverstoßes auferlegt wird, ist allerdings eine Strafe oder strafähnliche Maßnahme in diesem Sinn.117 Eine „echte“ Strafe liegt nur vor, wenn die nachteilige Rechtsfolge nicht nur der Prävention oder des Ausgleichs wegen sondern als Sühne oder Vergeltung für begangenes Unrecht auferlegt wird und ein ethisches Unwerturteil enthält.118 Ob dies im Einzelfall vorliegt, ist anhand wertender Kriterien festzustellen.119 Dieser Analyse kommt im Zivilrecht eine entscheidende Rolle zu, da zahlreiche Rechtsfolgenanordnungen präventive – verhaltenssteuernde – Wirkungen entfalten sollen, aber keine ethische Missbilligung enthalten.120 „Echte“ Strafen sind daher nur solche Regelungen, mit denen in signifikanten Maß nicht zugleich ein anderer Zweck, insbesondere nicht der „zivilrechtstypische“ Interessenausgleich unter Privaten, verfolgt wird.121 Der Strafcharakter fehlt daher, wenn eine 114 Siehe nur H. A. Wolff, AöR 124 (1999), 55 (60 ff., 67 ff.); BVerfGE 25, 269 (286); 54, 100 (108); 80, 244 (255); 90, 145 (173); 92, 277 (327); 110, 1 (13); BGH NJW 1983, 2710 (2710); GRUR 1994, 146 (147). 115 Zu ihr BVerfGE 71, 206 (216 f.); 74, 358 (370 f.); 82, 106 (114); 110, 1 (22 f.); BVerfG MedR 2006, 54 (56). 116 Vgl. BVerfGE 84, 82 (57); H. A. Wolff, AöR 124 (1999), 55 (72 f.). 117 BVerfGE 110, 1 (13 f.); BGHZ 160, 298 (302 f.). – Ausführlich dazu, dass nicht jede vom Normadressaten als nachteilig empfundene Rechtsfolge eine Sanktion i. e. S. sein kann, Koller, Theorie des Rechts, S. 85 f., S. 158 ff. (in Auseinandersetzung mit dem Verständnis Kelsens) sowie S. 302 f., wo die bloße Wiedergutmachung der Strafe gegenübergestellt wird. 118 BVerfGE 9, 137 (144); 9, 167 (169 f., 171); 20, 323 (331 f.); 22, 125 (132); 74, 358 (371, 375 f.); 80, 109 (121); 82, 106 (114 f.); 110, 1 (13, 15 f., 18); BVerfG NJW 1994, 2412 (2412 f.); NJW 1995, 248 (249); BGH NJW 2003, 3260 (3260); Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (427); H. A. Wolff, AöR 124 (1999), 55 (58 f.); vgl. ferner Weßlau, StV 1991, 226 (231) m.w. N.; Lindacher, NJW 1980, 1400. 119 BVerfGE 110, 1 (14); vgl. ferner die Analyse in BVerfGE 9, 137 (145 f.) zum „Reugeld“. 120 Vgl. BGH NJW 2003, 3260 (3260) zu § 661a BGB. Die gegen dieses Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG NJW 2004, 762. – Siehe ferner BGHZ 160, 298 (302 f.). 121 Vgl. Schneider, BB 2002, 1653 (1656); ganz ähnlich BVerfGE 110, 1 (14 f.); BVerfG NJW 1994, 2412 (2412 f.); NJW 1995, 248 (249); ferner Stürner, AfP 1998, 1

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Bestimmung lediglich die materiell rechtmäßige Lage wiederherstellen soll, indem sie den Ausgleich eines Schadens bewirkt122 oder einen ungerechtfertigten Vorteil für die Zukunft beseitigt.123 Gleiches gilt, wenn die Norm Abmahnungscharakter besitzt und dem Betroffenen lediglich die Kosten auferlegt werden, die zur Unterrichtung über ein rechtswidriges Verhalten aufzuwenden waren.124 Auch der immaterielle Schadensersatz („Schmerzensgeld“, § 253 Abs. 2 BGB) ist deshalb trotz der ihm zukommenden Genugtuungsfunktion nicht als „echte“ Strafe einzuordnen, weil dieser Aspekt nur neben der Ausgleichsfunktion steht und mit dieser verknüpft ist.125 Nicht zu den notwendigen Voraussetzungen einer „echten“ Sanktion zählt dagegen, dass mit der Maßnahme eine Stigmatisierung verbunden ist oder eine Eintragung in Strafregister o. ä. erfolgt.126 Die beschriebenen elementaren Erfordernisse des Schuldprinzips gelten deshalb auch außerhalb der klassischen Kriminalstrafen, insbesondere z. B. für die Ordnungsmittel bei Zuwiderhandlungen gegen gerichtliche Unterlassungsurteile und -verfügungen (§ 890 ZPO).127 Untersucht man § 241a BGB im Hinblick auf diese Gesichtspunkte, ist festzustellen, dass nicht lediglich eine vorangegangene Güter- oder Befugnisverschiebung „berichtigt“ wird. Anders als im Fall von Gewinnzusagen, bei denen der Unternehmer mit § 661a BGB „beim Wort genommen“ werden soll,128 bewirkt die Bestimmung auch nicht, dass der Empfänger das erhält, was ihm zuvor versprochen worden ist: Der Verbraucher bringt bei der Zusendung unbestellter Ware nicht einmal ein Minimum an Vertrauen auf; ihm wird systemnotwendig von Anfang an offenbart, dass er die Ware nur gegen Bezahlung behalten dürfen

(8): jede Durchsetzung subjektiver Rechte hat auch Sanktionscharakter sowie generalund spezialpräventive Funktion; ähnlich BVerfGE 22, 125 (131 ff.) zum Präventionswirkung; Canaris, FS Deutsch, S. 107. 122 Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (400, 411, 412). 123 BVerfGE 110, 1 (14 ff., 17 f.). 124 Vgl. BVerfGE 22, 125 (132 f.): gebührenpflichtige Verwarnung nach § 22 StVG a. F.; BVerfGE 80, 109 (121): Kostenhaftung des Halters nach § 25 a StVG. 125 Vgl. BGHZ 18, 149 (154); 26, 349 (358); 118, 312 (339); 128, 117 (120); Palandt/Heinrichs, § 253 Rdnr. 11; Seitz, NJW 1996, 2848 (2848). – Einen Strafcharakter i. S. v. Art. 103 GG verneint BGHZ 160, 298 (302 f.) selbst für die Geldentschädigung bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen, obwohl bei ihr Sanktionscharakter und Genugtuungsfunktion im Vordergrund stehen (vgl. BGH NJW 1996, 984 (985)); dort zu einem solchen neigend dagegen Deutsch, Anm. LM § 823 (Ah) Nr. 122; Seitz, NJW 1996, 2848, passim. 126 So aber Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (425 f., 434). 127 BVerfGE 20, 323 (332 ff.); 58, 159 (162); 84, 82 (57); BVerfG Beschl. v. 24.11. 1989, Az. 2 BvR 1542/89; BGH GRUR 1994, 146 (147); Lindacher, NJW 1980, 1400. – Denkbar sind in diesem Bereich lediglich gewisse Abschwächungen, vgl. Schneider, BB 2002, 1653 (1656 f.). 128 BGH NJW 2003, 3260 (3261); BGHZ 165, 172 (181); in Anschluss daran Schröder/Thiessen, NJW 2004, 719 (720, auch S. 722).

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soll.129 Wie gezeigt, dient der Ausschluss des Herausgabeanspruchs auch nicht nur dazu, den Verbraucher von der Pflicht zu sorgfältigem Umgang mit der Sache zu entlasten. Vielmehr soll der faktische Eigentumsverlust für den Unternehmer ein spürbares Übel sein, weil sein Verhalten aus wettbewerbs- und verbraucherschutzrechtlichen Gründen missbilligt wird. Fraglich ist allerdings, ob § 241a BGB einen Vorwurf erhebt, der die „Sphäre des Ethischen“ erreicht130: Der Gesetzgeber greift zwar zu einem durchaus einschneidenden Mittel; die Intensität der angeordneten Reaktion erlaubt jedoch nicht zwingend den Schluss, dass damit eine ethische Missbilligung ausgedrückt werden wollte. Hiergegen spricht gerade, dass der Gesetzgeber nicht explizit eine Strafbestimmung geschaffen sondern es bei einem Mittel belassen hat, das jedenfalls äußerlich eine zivilrechtstypische Rechtsfolge aufweist. Ebenso wenig deutet sonst darauf hin, dass der Gesetzgeber den Verstoß gegen eine Bestimmung, die nicht dem Schutz tradierter Rechte oder Rechtsgüter dient sondern als zeitund verhältnisbedingtes Ordnungsrecht qualifiziert werden kann131, als sittliche Verfehlung der handelnden Person ansah. Schließlich enthält auch die Norm selbst keine Elemente, die über eine Ermahnung zu pflichtgemäßem Handeln hinausgehen und dem Versender bewusst vorhalten, in rücksichtsloser Weise die eigenen Absatzinteressen höher gestellt zu haben als die Belange der Adressaten. Damit kann § 241a BGB der Charakter einer „echten“ Strafe nicht attestiert werden. Vielmehr gelten insoweit nur die gewöhnlichen Anforderungen an Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit, bei deren Prüfung aber jeweils zu berücksichtigen ist, dass der Eigentumsverlust über die Abwendung von Nachteilen, die Korrektur einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung oder die Kompensation einer Schadenszufügung o. ä. hinausgeht.132 129

Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1199. Vgl. BVerfGE 9, 167 (171) für die Vernachlässigung der Aufsicht in Betrieben. 131 Vgl. BVerfGE 9, 167 (171). 132 Würde man dagegen § 241a BGB als „echte“ Strafe ansehen, erwiese sich die Bestimmung aus mehreren Gründen als nichtig: Strafnormen dürfen nicht ausschließlich an objektive Merkmale anknüpfen (Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (412); oben bei Fn. 113). § 241a Abs. 1 BGB setzt aber weder seinem Wortlaut nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus noch ist aus systematischen Gründen eine Auslegung möglich, dass die Rechtsfolge nur bei Verschulden eintritt (vgl. Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (428)), da § 241a Abs. 2 BGB zeigt, dass nicht in jedem Fall einer „fahrlässigen“ Zusendung unbestellter Ware die Ansprüche bestehen bleiben sollen sondern nur, wenn dies für den Empfänger erkennbar ist (vgl. Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1316, 1317)). Zudem läge ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor, weil der Versender einen Herausgabeprozess anstrengen und in dem Zivilrechtsstreit sowohl sein Eigentum als auch der Tatbestandsmerkmale der § 241a Abs. 2 oder 3 BGB oder das Vorliegen einer Bestellung beweisen muss (vgl. Weßlau, StV 1991, 226 (230 ff.); Eser, S. 845 ff.; ferner Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 657). Über eine bloße Beweiserleichterung z. B. in der Form des Anscheinsbeweises, die strukturelle Schwierigkeiten der anderen Prozesspartei ausgleicht und insoweit mit der Unschuldsvermutung vereinbar kann (vgl. BVerfGE 84, 82 (85); BVerfG Beschl. v. 24.11.1989, Az. 2 BvR 1542/89), geht § 241a 130

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bb) Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe für die Einziehung zur präventiven Gefahrenabwehr und als sonstiger Tatfolge Regelungen, die das Vermögen oder einzelne Gegenstände entziehen, müssen sich ferner – unabhängig davon, ob sie einen Strafcharakter besitzen – am Verbot der Vermögenskonfiskation messen lassen. Aus der Garantie des Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG ergibt sich unmittelbar, dass (abgesehen von den Fällen des Art. 14 Abs. 3 GG) der Verlust einer Sache oder des Vermögens nur angeordnet werden darf, wenn sich die Regelung als Schranke des Eigentums verstehen lässt.133 Dies ist nur dann der Fall, wenn die betroffene Sache einen inneren Zusammenhang mit einem vorangegangenen oder gegenwärtigen Verstoß gegen rechtliche Bestimmungen aufweist, die aus Gründen des Allgemeinwohls (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG) oder im Interesse einzelner angeordnet sind. Ein solcher innerer Zusammenhang kann z. B. darauf gestützt werden, dass die Sache (wie bei den natur- und tierschutzrechtlichen Einziehungstatbeständen sowie in den Fällen des § 74 Abs. 2 Nr. 2 u. Abs. 3 StGB134) eine Gefahr für andere Rechte und Rechtsgüter darstellt. Die Gefahrenintensität (d.h. das Produkt BGB weit hinaus, weil es nicht genügt, dass der Eigentümer den gegnerischen Sachvortrag erschüttert, sondern im Fall des non liquet seine Herausgabeklage abgewiesen wird. Entgegen Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (432) spielt dabei keine Rolle, dass die Grundsätze der (einfachrechtlichen) ZPO diesen Anforderungen nicht entsprechen könnten: Verfahrensablauf und Beweislastverteilung müssen im jeweiligen Einzelfall die typische beweisrechtliche Stellung berücksichtigen (vgl. BVerfGE 52, 131 (147)). Ferner verletzt § 241a BGB das Schuldprinzip, indem das Ausmaß der auferlegten Sanktion ausschließlich und starr mit dem Wert der zugesandten Sache verknüpft ist, während das vom Versender verwirklichte Unrecht primär von der Intensität des Wettbewerbsverstoßes und der Lästigkeit für den Verbraucher abhängt (vgl. Schneider, BB 2002, 1653 (1657) zu § 661a BGB; Canaris, FS Deutsch, S. 107 f. zum Strafschadensersatz; BGH GRUR 1994, 146 (147) zur pauschalen Festsetzung des Ordnungsgeldes; Seitz, NJW 1996, 2848 (2848); abw. Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (429); Schröder/ Thiessen, NJW 2004, 719 (720)). Auch ist zu bezweifeln, dass der Gesetzgeber – selbst, wenn man bei einer Anordnung der Sanktion unmittelbar im Gesetz eine „abstrakte“ Proportionalität genügen lassen würde (so Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (408, 414, 428, 431); Schröder/Thiessen, NJW 2004, 719 (720) – die notwendige Abwägung zwischen Unrecht und Sanktionsschwere sachgerecht treffen konnte: Da die Belastung für den Versender entscheidend davon abhängt, wie viele Empfänger die versandten Waren ohne Bezahlung behalten, war dem Gesetzgeber die tatsächliche Eingriffsintensität und damit ein wesentlicher Faktor für die Verhältnismäßigkeitprüfung nicht bekannt (ebenso Schneider, BB 2002, 1653 (1657) zu § 661a BGB). 133 Vgl. BVerfG MedR 2006, 54 (55); weniger deutlich BVerfG NJW 1996, 246 (246). 134 Sog. Sicherungseinziehung, Julius, ZStW 109 (1997), 58 (73); Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rdnrn. 310 f.; vgl. ferner BayObLG NJW 1994, 534; OLG Düsseldorf NJW 1993, 1485 (1486); Kühl, § 74 Rdnr. 2. – Vgl. zu den einzelnen Fällen des § 74 StGB Achenbach, JR 1993, 516 (517); Julius, ZStW 109 (1997), 58 (69); Kühl, § 74 Rdnrn. 1 f. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 656. Wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen und Anforderungen muss ein Strafurteil erkennen lassen, auf welcher Alternative die Einziehung im konkreten Fall beruht (BayObLG NJW 1994, 534).

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aus dem Ausmaß des drohenden Schadens und der Verwirklichungswahrscheinlichkeit) und die Effektivität des zur Abwehr eingesetzten Mittels müssen dann angemessen sein im Vergleich zur Intensität des Eingriffs.135 Erforderlich ist somit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer – ggf.: erneuten – Schädigung oder Gefährdung kommen würde und diese nur durch die Erlangung der Verfügungsgewalt über die Sache effektiv zu verhindern ist.136 Die Gefahr kann dabei von der Sache selbst ausgehen oder – was bei der Versendung unbestellter Waren allein in Betracht kommt – sich aus ihrem Verbleib in der Verfügungsgewalt des Eigentümers ergeben.137 Daneben kann der Entzug (hier untechnisch verwendet) eines Gegenstands auf den Verwirkungs-/Missbrauchsgedanken gestützt werden (wie etwa in § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB): Wer seine Sache zur Begehung strafbarer Handlungen einsetzt, missbraucht sein Eigentumsrecht, so dass es die Schutzwürdigkeit verliert. Von einer Verwirkung kann jedoch ebenfalls nur die Rede sein, wenn ein hinreichender missbilligenswerter Zusammenhang zwischen der Tat und der betreffenden Sache gegeben ist.138 Dieser besteht insbesondere, wenn die Sache zur Tatbegehung eingesetzt wurde oder sie durch diese erlangt wurde (instrumenta bzw. producta sceleris). Für die Verhältnismäßigkeit sind dann die Tat und der Verlust der Sache gegenüberzustellen.139 Aus diesem Grund wird z. B. bei Bagatelldelikten die Zulässigkeit einer strafrechtlichen Einziehung verneint.140 Wendet man diese Grundsätze auf § 241a BGB an,141 fällt auf, dass sich unbestellt zugesandte Sachen im Hinblick auf ihr „Gefahrenpotential“ ganz erheblich von typischen Tatwerkzeugen (etwa den Druckplatten des Geldfälschers) unterscheiden. Während letztere das Risiko einer erneuten rechtswidrigen Verwendung in sich tragen, sind die von § 241a BGB erfassten Waren „deliktsneutral“. Bei solchen Gegenständen kommt im Zweifel dem Erhaltungsinteresse des Eigentümers der Vorrang zu, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für eine erneute 135 Oben Teil 3 A.I.; Julius, ZStW 109 (1997), 58 (75); Eser, S. 850; nur terminologisch anders BVerfGE 70, 297 (311, 312). 136 Achenbach, JR 1993, 516 (518). 137 Zu diesen beiden Alternativen Julius, ZStW 109 (1997), 58 (74, 75). 138 Vgl. jeweils Eser, S. 837 f., 847 m.w. N.; Kühl, § 74 Rdnr. 1; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 656 f., 660; Weßlau, StV 1991, 226 (228 f., 234) m.w. N.; Weber, NJW 1950, 401 (402). – Eine Verwirkung in diesem Sinn steht nicht in Kollision mit Art. 18 GG, da hier nicht die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Grundrechts als solche vollständig (vgl. Hömig/Antoni, Art. 18 Rdnr. 4), sondern nur in Bezug auf den einzelnen Gegenstand bewirkt wird; vgl. Weßlau, StV 1991, 226 (229 m.w. N.). 139 Für die strafrechtliche Einziehung ist dieses allgemein gültige Gebot in § 74 b StGB ausdrücklich niedergelegt, vgl. BVerfG NJW 1996, 246 (247); BGH NJW 1983, 2710 (2710 f.); Achenbach, JR 1993, 516 (518); Julius, ZStW 109 (1997), 58 (71); Kühl, § 74 b Rdnr. 1; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rdnr. 313. 140 So deutlich Achenbach, JR 1993, 516 (518); siehe ferner BVerfGE 70, 297 (311). 141 Die Parallelen zwischen § 241a BGB und § 74 StGB erkennt auch Berger, JuS 2001, 649 (653): „funktionale Entsprechung“.

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deliktische Verwendung bestehen.142 Bei § 241a BGB fehlt es an diesen: Würde ein hinreichender Zusammenhang zwischen Tat und Gegenstand bestehen, müsste zum einen dem Versender konsequenterweise der Besitz jeglicher verkaufstauglicher Waren verboten werden143 und zum anderen müsste der Gegenstand dem Rechtsverkehr vollständig entzogen werden. Beides geschieht jedoch nicht. Die Demonstration des staatlichen Normdurchsetzungswillens im Sinne positiver Generalprävention144 verlangt ebenfalls nicht, dass die unbestellt versandte Sache beim Empfänger verbleibt. Das allgemeine Rechtsgefühl ruft zwar bei besonders „bemakelten“ Gegenständen nach einer Einziehung, nicht aber bei deliktsneutralen Sachen.145 Der Umstand, dass eine Sache in wettbewerbswidriger Weise versandt wurde, macht einen Alltagsgegenstand nicht in einem solchen Maß unrechtsbehaftet wie etwa das Küchenmesser, mit dem ein Mord begangen wurde.146 Deshalb stößt es auch nicht auf allgemeines Unverständnis, wenn die Ware im Eigentum des Versenders bleibt und ggf. mit staatlicher Hilfe in seinen Besitz zurückgelangt. Wie § 74 b Abs. 2 Nr. 3 StGB zeigt, ist in Fällen, in denen nicht die Sache selbst gefährlich ist, sondern nur ihr Verbleib gerade in der Hand des Täters, zudem als milderes Mittel dem Täter zunächst die Veräußerung aufzugeben, da ihm so wenigstens der Sachwert verbleibt.147 Auch diesem Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgebots trägt § 241a BGB erkennbar nicht Rechnung.148 Zu den natur- und artenschutzrechtlichen Einziehungsermächtigungen lässt sich eine Parallele ebenfalls nicht herstellen. Für sie ist kennzeichnend, dass die Haltung der geschützten Tiere oder deren Tötung zum Zwecke der Verarbeitung untersagt ist. Die Einziehung ist dort Bestandteil eines Systems international geltender Handelsbeschränkungen, dessen Wirksamkeit erfordert, die Tiere oder Tierprodukte vollständig vom Markt zu entfernen.149 Vor diesem Hintergrund be-

142 Siehe nur Julius, ZStW 109 (1997), 58 (76); Kühl, § 74 Rdnr. 5. – Vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1992, 3050 (3051); NJW 1993, 1485 (1486), das nicht Kausalität zwischen Einsatz des Mittels und Erfolg genügen lässt, sondern dessen Abhängigkeit hiervon verlangt. 143 Vgl. Julius, ZStW 109 (1997), 58 (84), der bei einfach wiederzubeschaffenden Gegenständen die Präventivwirkungen einer Einziehung als gering ansieht. 144 Dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rdnrn. 22 f. 145 Ausführlich Julius, ZStW 109 (1997), 58 (80 ff.); vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1992, 3050 (3050 f.). 146 Vgl. Julius, ZStW 109 (1997), 58 (83); inhaltlich ebenso BVerfGE 110, 1 (28 f.). 147 Vgl. BGH NJW 1983, 2710 (2711); BayObLG NJW 1994, 534; Julius, ZStW 109 (1997), 58 (73 f.). 148 Dies gilt umso mehr als die h. M. annimmt, dass § 241a BGB auch einen Erlösherausgabeanspruchs ausschließt, so Riehm, Jura 2000, 505 (512); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453); dahin tendierend auch Casper, ZIP 2000, 1601 (1608). Einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB bejahen dagegen Berger, JuS 2001, 649 (653) und Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322 f.). 149 BVerfG NJW 1990, 1229 (1229).

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einträchtigt bereits der bloße Besitz der betreffenden Gegenstände in der Hand einzelner Privater die Durchsetzung der Verbotsziele. Bei den von § 241a BGB erfassten Gegenständen ergibt sich die Verbotswidrigkeit aber – wie gezeigt – nicht aus der Sache als solcher und deren Verfügbarkeit am Markt, sondern aus ihrem Versenden ohne vorherige Bestellung, d.h. aus der konkreten Verwendungsweise. Diese hängt der Sache nicht unmittelbar an, so dass ein Bedarf, derartige Sachen weitestgehend zu „verbannen“, nicht besteht. cc) Keine Rechtfertigung des faktischen Erwerbs durch den Besitzer Über die soeben erörterten Aspekte hinaus ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch zu berücksichtigen, dass § 241a BGB nicht nur den Verlust der Sache sondern auch den Quasi-Erwerb durch den Empfänger bewirkt.150 Dem Empfänger der Ware verschafft § 241a Abs. 1 BGB jedenfalls die tatsächliche Möglichkeit, die Sache zu nutzen;151 diese Position kann er auch mittels der possessorischen Ansprüche gegen Dritte einschließlich des Eigentümers verteidigen,152 so dass ihm eine eigentümerähnliche Position zufällt. Das Ziel, die missbilligte Vertriebspraxis zu unterbinden, besteht demgegenüber im Interesse aller Verbraucher als potentiell Betroffenen. Der geschützte Personenkreis und die unmittelbar begünstigte Person divergieren somit. Ein schlüssiges Argument, warum gerade derjenige Verbraucher die Ware unentgeltlich behalten können soll, der sie eher zufällig bekommen hat, lässt sich nicht finden.153 Die Bereicherung des Empfängers ist offenbar nur eine Notlösung des Gesetzgebers, um den Verlust der Sache für den Versender implementieren zu können. In der deutschen Rechtsordnung, die wiederum auf den vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen aufbaut, ist aber eine weitgehende Abneigung festzustellen, eine zum Schutze aller angeordnete „Strafzahlung“ einem Einzelnen zukommen zu lassen. Hiervon zeugen Art. 17 EGStGB, die Ausgestaltung der zivilprozessrechtlichen 150

Vgl. allgemein zur Relevanz dieses Aspekts oben Teil 2 C.II.2.d)cc). Nach h. M. gewährt § 241a BGB auch eine Befugnis zur Nutzung und schließt Nutzungsersatzansprüche aus, so Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322); dagegen zu Recht Berger, JuS 2001, 649 (653); vgl. auch Casper, ZIP 2000, 1601 (1607). – Demgegenüber nimmt die h. M. an, dass § 241a BGB kein Recht zum Besitz gewährt, etwa Berger, JuS 2001, 649 (653); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128, die dem § 241a BGB nur eine dauernde Einrede entnehmen; anders (also ein Besitzrecht bejahend) Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); ähnlich Wieling, Sachenrecht, § 12 I 3 a: Besitzrecht bis zum ersten Abholungsversuch durch den Eigentümer. 152 Vgl. die Untersuchung bei Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452 f.), der zum Ergebnis gelangt, dass die Folgen in sich nicht stimmig und systemwidrig sind (S. 1454). 153 Wie gezeigt (oben S. 374, bei Fn. 128), lässt sich diese Rechtsfolge nicht damit legitimieren, dass der Empfänger auf das Behaltendürfen vertrauen durfte. – Ebenso die Kritik von Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1199. 151

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Zwangs- und Ordnungsmittel (§ 888, § 890 ZPO; § 35, § 89 FamFG)154 sowie die Ablehnung von punitive damages, die sich auch in der Nichtanwendung entsprechender Bestimmungen fremden Sachrechts und der Nichtanerkennung entsprechender gerichtlicher Entscheidungen zeigt (Art. 40 Abs. 3 Nrn. 1 u. 2 EGBGB bzw. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).155 In verfassungsrechtlicher Hinsicht hat dies insofern Bedeutung, als die Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Einbeziehung des gesamten Normgefüges erfolgen muss.156 Zu diesem gehört auch der Aspekt, zu welchen (sachlich ungerechtfertigten) Vorteilen für andere die Auferlegung eines Nachteils führt. Der dem Versender zugemutete Eingriff wird intensiviert, wenn er nicht nur sein Eigentum faktisch verliert, sondern auch noch das Vermögen eines anderen mehren muss, ohne dass sachliche Gründe hierfür erkennbar sind. Hätte der Gesetzgeber, anstatt mit § 241a BGB eine dauernde Einrede zu schaffen, die Regelung als echten Erwerbstatbestand ausgestaltet, wäre die hierin liegende verfassungsrechtliche Problematik deutlich offengelegt worden.157 dd) Mangelnde Effektivität des Mittels Die Wirksamkeit von § 241a BGB als Sanktionsnorm ist weiter dadurch in Frage gestellt, dass ihr Wirken ganz entscheidend davon abhängt, dass der Empfänger sein Recht, die Herausgabe zu verweigern, kennt. Der unaufgeklärte Verbraucher wird dem Druck des Versenders nachgeben und zahlen. Dies gilt umso mehr, als weitgehend unklar ist, wann eine Annahme des Vertragsangebots vorliegt, insbesondere, ob und unter welchen Umständen eine Ingebrauchnahme durch den Empfänger als Vertragsannahme zu deuten ist.158 Die Gefahr, dass der 154 Zwangs- und Ordnungsgelder fließen – auch wenn die erstgenannten vom Gläubiger beigetreiben werden – der Staatskasse zu, siehe nur BGH NJW 1983, 1859 (1859 f.); Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. Rdnrn. 1090, 1108; Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 30, m.w. N. 155 Vgl. BGHZ 118, 312 (334 ff.). Zutreffend bezeichnet Rohe, AcP 2001 (2001), 117 (131) es als willkürlich, einem einzelnen Geschädigten in Produzentenhaftungsfällen den (oft exorbitanten) Geldbetrag zuzusprechen, der den Kosten entspricht, die der Hersteller gegenüber der Produktion fehlerfreier Produkte erspart hat. Ebenso Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (344 f.); zur parallelen Problematik beim Strafschadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen Canaris, FS Deutsch, S. 107 f. – Der gleiche Gedenke liegt den Überlegungen von Julius, ZStW 109 (1997), 58 (91, 95) und Weßlau, StV 1991, 226 (227) zugrunde, die problematisieren, dass der Staat mit dem Verfall nach § 73 StGB eine unrechtmäßig zustande gekommene Rechtsgüterzuordnung durch die Zuweisung des Vermögenswertes an ihn korrigiert. Zum Verhältnis von Verfall und Zurückgewinnungshilfe vgl. BVerfGE 110, 1 (30 f.). 156 Siehe nur BVerfGE 81, 156 (194). 157 Vgl. Wieling, Sachenrecht, § 12 I 3 a; ferner Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454). 158 Nimmt man an, dass § 241a BGB dem Empfänger Besitz und Nutzung umfassend zuweist (Nachweise oben Fn. 151), kann die Benutzung noch nicht als Ausdruck

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Sanktionszweck aufgrund der unklaren oder dem Empfänger unbekannten Rechtslage ausbleibt, ist deshalb groß.159 Wenn der Versender sich des Mahnverfahrens bedient und auf die Nichteinlegung von Rechtsbehelfen durch den Empfänger hofft, erhält der Verbraucher auch keine entsprechende rechtliche Belehrung. Die Effektivität eines Verbraucherschutzes durch emanzipierende Hilfe160 ist damit hier recht gering anzusetzen. Die Wirksamkeit des in § 241a Abs. 1 BGB angeordneten Anspruchsausschlusses wird zudem durch das Bestehen von Umgehungsmöglichkeiten erheblich beeinträchtigt: Der Versender kann auf recht einfache Weise (insbesondere durch Beilegung einer „Auftragsbestätigung“) den erkennbaren Anschein erwecken, dass er von einer Bestellung des Empfängers ausgehe, so dass § 241a Abs. 2 BGB mit seinen günstigeren Rechtsfolgen eingreift.161 Eine derartige Praxis ist aber mindestens in gleichem Maß zu missbilligen wie ein klar offenbartes unbestelltes Zusenden zum Zweck des Warenabsatzes. ee) Gefahr von Eingriffen in das Eigentum redlicher Versender In die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des § 241a BGB ist auch der Aspekt einzustellen, dass die Regelung nachteilige Wirkungen gegenüber Personen entfalten kann, die sich nicht in der missbilligten Weise verhalten haben.162 § 241a BGB ermöglicht unredlichen Kunden, eine bestellte Sache umsonst zu behalten, wenn sie das Vorangehen einer Bestellung bestreiten und dem Versender der (von ihm zu führende) Beweis einer Bestellung misslingt.163 Die Möglichkeit derartiger „Kollateralschäden“ zum Nachteil gesetzestreuer Versandhändler ist nicht als gering einzuschätzen und führt zu schweren Auswirkungen für sie. § 241a BGB wirft damit auch unter diesem Gesichtspunkt gravierende Bedenken auf.

eines Annahmewillens angesehen werden, so dass ein Vertragsschluss erst bei einer eindeutigen Erklärung oder der Kaufpreiszahlung vorliegt. In diesem Sinn Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 3; MünchKomm/Kramer, § 241a Rdnr. 13; Riehm, Jura 2000, 505 (511 f.); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 4 Rdnr. 19; a. A. konsequent Berger, JuS 2001, 649 (654); Casper, ZIP 2000, 1601 (1607). 159 Vgl. Berger, JuS 2001, 649 (651); ferner Schneider, BB 2002, 1653 (1657). 160 So formuliert von Schröder/Thiessen, NJW 2004, 719 (722). 161 Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1317). 162 Vgl. die entsprechenden Überlegungen von Weßlau, StV 1991, 226 (232) zum Verfall redlich erworbenen Vermögens aufrund einer Vermutung. – Wie die Ausführungen in BVerfGE 109, 64 (87 ff.) zeigen, nimmt auch das BVerfG an, dass grundgesetzwidrige Auswirkungen auf Dritte zur Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift führen können; siehe ferner Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 8 f. 163 Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1317).

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ff) Keine mangelnde Schutzwürdigkeit des Eigentümers Das Gewicht des durch § 241a BGB bewirkten Eingriffs ist schließlich nicht dadurch gemindert, dass das Fortbestehen des Herausgabeanspruchs dem Eigentümer keine wirklichen Vorteile bringt, weil der besitzende Verbraucher die Sache ohnehin jederzeit ersatzlos zerstören oder wegwerfen könnte.164 Ist die Durchsetzung eines Rechts in bestimmten Situationen mit tatsächlichen Schwierigkeiten behaftet, kann allenfalls ein Mehr an Rechtsmacht zu verlangen sein, doch kann niemals gerechtfertigt sein, die Befugnisse noch weiter zu beschränken. Das Erfordernis, das Noch-Vorhandensein der Ware beim Empfänger als Voraussetzung des Herausgabeanspruchs zu beweisen, erlegt dem Versender ohnehin erhebliche praktische Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung auf. Diese Belastung mag als zwangsläufige Nebenfolge des Schutzes des Empfängers erforderlich und verhältnismäßig sein, rechtfertigt jedoch nicht, den Anspruch als solchen ganz auszuschließen.165 gg) Ergebnis Die Versendung unbestellter Ware in der Absicht, eine möglicherweise vorhandene mangelnde Rechtsunkundigkeit oder Trägheit der Empfänger zum Abschluss von Kaufverträgen auszunutzen, ist grundsätzlich zu missbilligen. Dem ist gegenüberzustellen, dass auch vor Einführung des § 241a BGB wirklich unerträgliche Zustände im Hinblick auf Rechtssicherheit und Haftung weder insgesamt166 noch für den einzelnen Empfänger herrschten, und dass die nachteiligen Folgen für den Versender ganz erheblich sind. Die Zumutbarkeitsgrenzen sind daher nicht eingehalten. § 241a Abs. 1 BGB setzt mit dem faktischen Eigentumsentzug das schwerste denkbare zivilrechtliche Mittel ein, um ein nicht allzu schwerwiegendes Übel zu bekämpfen, und ohne in ausreichendem Umfang sicherzustellen, dass die Sanktion in der Praxis ausreichend effektiv wirkt und zur Pflichtwidrigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. In einem solchen Fall 164 So jedoch Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128. – Eine entsprechende Rechtsfolge des § 241a BGB wird vorläufig unterstellt; dazu sogleich unten 3. 165 Vgl. Casper, ZIP 2000, 1601 (1607). 166 Vgl. Sosnitza, BB 2000, 2317 (2318); Casper, ZIP 2000, 1601 (1601): Fragen beschäftigten Rechtsprechung offenbar nur selten; vgl. auch MünchKomm/Kramer, § 241a Rdnr. 3. – Nach zutreffender und stetiger Rechtsprechung ist die Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens zwar danach zu beurteilen, ob die Werbepraktiken bei einer Verallgemeinerung des Verhaltens zu einer Beunruhigung des Wirtschaftslebens führen können, so dass für die Belästigungswirkung nicht auf die einzelne Handlung, sondern auf eine gedachte Summierung durch Nachahmer abzustellen ist (BGH GRUR 1959, 277 (279, auch S. 280 f.); BGH NJW 1965, 1662 (1663)). Da enstprechende Praktiken nicht gehäuft aufgetreten sind, fehlt gleichwohl ein nachhaltiges Allgemeininteresse an der Bekämpfung oder Verhinderung.

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dürfen auch geeignete und erforderliche Mittel nicht eingesetzt werden, weil die Beeinträchtigungen der Grundrechte der Betroffenen den Zuwachs an Rechtsgüterschutz überwiegen.167 Die Bestimmung verletzt daher – wie es auch der Rechtsausschuss des Bundesrats befürchtet hatte168 – die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG i.V. m. dem Übermaßverbot.169 Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis wurde in der Literatur vorgeschlagen, eine verfassungskonforme Auslegung des § 241a Abs. 1 BGB vorzunehmen, nach der die Herausgabeansprüche aus § 985 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht berührt werden.170 Die Rechtsfolge „Ausschluss aller Herausgabeansprüche“ war jedoch – wie gezeigt – der erklärte Wille des Gesetzgebers, über den sich der Rechtsanwender auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht hinwegsetzen darf.171 Richtigerwiese ist daher § 241a Abs. 1 BGB insoweit, als er den Herausgabeanspruch betrifft,172 verfassungswidrig. Ein mit einem entsprechenden Rechtsstreit befasstes Gericht muss deshalb gem. Art. 100 Abs. 1 GG den Zivilrechtsstreit aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ermöglichen.173 3. Schadensersatz bei vorsätzlichen Beschädigungen – Preisgaberecht § 241a Abs. 1 BGB schließt nach dem Willen des Gesetzgebers auch Schadensersatzansprüche aus, die sich aus einer vorsätzlichen Beschädigung durch den Empfänger ergeben würden. Die vorherigen Untersuchungen haben bereits deutlich gemacht, dass dem Verbraucher ein Preisgaberecht zustehen muss, wenn das Ziel, den Verbraucher von der Lästigkeit der Aufbewahrung zu befreien, in effektiver Weise verwirklicht werden soll. Schadensersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Ver167

Vgl. BVerfGE 90, 145 (185). BR-Drs. 25/1/00, S. 9 (Empfehlung R 13); BT-Drs. 2920, S. 5. – Der Rechtsausschuss des Bundestages hat die Zweifel mit der Überlegung beiseite geschoben, dass sich der Betroffene über eine rechtliche Vorgabe hinwegsetzt (BT-Drs. 14/3195, S. 32, zuvor ähnlich die BReg, BT-Drs. 2920, S. 14). 169 Ebenso Deckers, NJW 2001, 1474 (1474); Wieling, Sachenrecht, § 12 I 3 a; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1199; zumindest schwere Bedenken äußern Berger, JuS 2001, 649 (651): „manches spricht dafür . . .“; Riehm, Jura 2000, 505 (512); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454); rechtspolitisch zweifelnd schließlich Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 128. 170 Hierfür Deckers, NJW 2001, 1474 (1474). 171 Vgl. oben Teil 2 C.I.5.b)bb)(1). 172 Eine derartige „qualifizierte Teilnichtigkeitserklärung ohne Normtextreduzierung“ nimmt das BVerfG regelmäßig vor, vgl. BVerfGE 8, 51 (52); 60, 16 (17, 52); 61, 291 (291 f.); 62, 117 (118 f.); 67, 299 (299, 329); 71, 137 (137, 146). 173 Der Vorschlag von Flume, ZIP 2000, 1427 (1429), man solle die Norm pro non scripto behandeln, dürfte eher dessen Missfallen an ihr ausdrücken als die verfassungsrechtliche Folge bezeichnen. 168

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hältnis und aus Delikt, die an sich durch eine „Entsorgung“ der Sachen ausgelöst würden, sind daher durch § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen.174 Auch dieses Preisgaberecht kann zwar hinterfragt werden, da als alternatives Mittel, um den Empfänger vor Ersatzansprüchen zu schützen, in Betracht käme, ihm zu gestatten, die Sache auf Kosten des Versenders zurücksenden.175 Das Regelungsziel, den Empfänger auch vor jeder faktischen Belastung zu bewahren, lässt sich jedoch nur durch das Preisgaberecht erreichen, da bereits das Zurücksenden einen gewissen tatsächlichen Aufwand (Verpacken; zur Post bringen) erfordert. Das Anliegen, dem Verbraucher auch diese Verpflichtung abzunehmen, ist wiederum legitim, so dass der Gesetzgeber – dem hinsichtlich der Frage, welche Ziele er verfolgen will, ein erheblicher Entscheidungsfreiraum zusteht176 – es verfolgen und zur Grundlage seines legislativen Handelns machen darf. Zur Erreichung dieses Ziels ist der Ausschluss von Ersatzansprüchen auch nicht offensichtlich unangemessen, so dass die Regelung in diesem Punkt vor Art. 14 Abs. 1 GG Bestand hat. Eine Unverhältnismäßigkeit des Anspruchsausschlusses kann nur bei rein rechtsmissbräuchlich-schikanösen Beschädigungshandlungen – etwa, wenn der Empfänger die Sache vor den Augen des Versenders, der die Ware gerade abholen will, zerstört – gegeben sein. In diesem Fall lassen sich jedoch unter Zuhilfenahme der allgemeinen Regeln (§ 226, § 242, § 826 BGB) angemessene Ergebnisse erzielen.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten Die Hervorhebung der Wichtigkeit des Herausgabeanspruchs für den Eigentümer darf nicht dahin missverstanden werden, dass den Abwehransprüchen gegen sonstige Beeinträchtigungen (d.h. gegen solche, die nicht in einer Besitzentziehung bestehen) nur eine untergeordnete Bedeutung zukäme. Der Störungsabwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB macht vielmehr mit dem

174 Ebenso Berger, JuS 2001, 649 (653); Casper, ZIP 2000, 1601 (1605); Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnr. 20. 175 Sendet der Verbraucher die Sache zurück, hat er einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB, da die Rücksendung wegen § 241a BGB ein Geschäft des Unternehmers darstellt; Palandt/Heinrichs, § 241a Rdnr. 6. Vgl. ferner den Alternativvorschlag in BT-Drs. 14/2920, S. 14, der dieses Recht ausdrücklich neben dem Preisgaberecht nannte; dazu Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450). 176 Vgl. BVerfGE 81, 156 (191 f.); Schlink, FS BVerfG, S. 450; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320). – Allgemein dazu, dass die Mittelvorgabe und damit die Erforderlichkeitsprüfung von der Formulierung des Detailziels abhängt, Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 253 f.; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 45; auch BVerfGE 21, 150 (158); 71, 206 (215).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Vindikationsanspruch, der einen Spezialfall des erstgenannten bildet,177 zusammen das Lebenselexier des Sachenrechts „Eigentum“ aus.178 „Sonstige“ Beeinträchtigungen können u. a. dadurch erfolgen, dass die Zuordnung des Eigentums als Recht zu seinem Inhaber unmittelbar in Frage gestellt wird, insbesondere durch unberechtigte Verfügungen,179 durch Berühmen einer eigenen Eigentümerstellung gegenüber Dritten180 oder durch unrichtige Grundbucheintragungen.181 In der Masse der Anwendungsfälle des § 1004 BGB liegen die Beeinträchtigungen jedoch in einem tatsächlichen Verhalten.182 Die Konflikte haben ihre Ursache zumeist darin, dass von einer bestimmten Nutzung eines Grundstücks nachteilige Auswirkungen auf die Umgebung ausgehen. Die Interessen der beteiligten Eigentümer, das jeweils eigene Grundstück zu nutzen und dabei nicht gestört oder beeinträchtigt zu werden, stoßen sich dann im Raum183. Aufgabe der Rechtsordnung ist, die Freiheit der beiden Eigentümer miteinander in Einklang zu bringen. Das Zusammenspiel des negatorischen Abwehranspruchs nach § 1004 BGB mit den Duldungspflichten aus § 906 BGB ist dabei als Standard- und Musterfall vorrangig zu betrachten.

I. Grundkonstellation: Konflikt benachbarter Grundstückseigentümer 1. Voraussetzungen und Inhalt des Störungsbeseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB Die Eigentumsgarantie entfaltet Vorgaben im Hinblick auf die Fragen, wann und in welchem Umfang eine Person überhaupt wegen einer Beeinträchtigung 177 Siehe nur Mot. III, 422 f. Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 4; Lettl, JuS 2005, 871 (871); Picker, FG BGH I, S. 705, 748 ff.; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (218 f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1366; BGH NJW 2007, 432 (433): „eng verwandt“; BGH NZM 2007, 37 (38); a. A. offenbar Herrmann, JuS 1994, 273 (277). 178 H. Hübner, Diskussionsbeitrag zu Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 131. Vgl. zur engen Zusammengehörigkeit der Rechtsverwirklichungsansprüche auch Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 66, 2 (S. 272 f.); König, NJW 2005, 191 (192); BGH NJW 2005, 1366 (1367); NJW 2007, 2182 (2182). 179 Vgl. den Überblick bei J. Hager, in: Staudinger/Eckpfeiler, T. Rdnrn. 224 ff. 180 Siehe zu beidem Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 31; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 Rdnr. 6; zum letzeren BGH NJW 2006, 689 (689 f.), jeweils das Erfordernis der Erklärung gegenüber Dritten betonend; vgl. auch Staudinger/J. Hager (1999), § 823 Rdnr. B 78 m.w. N. 181 Dazu, dass § 894 BGB ein Sonderfall zu § 1004 BGB darstellt, siehe nur Staudinger/Gursky (2002), § 894 Rdnrn. 17 f.; Wieling, Sachenrecht, § 20 III 1a; vgl. ferner Pleyer, JZ 1959, 305 (306); Medicus, FS Hagen, S. 166. 182 Vgl. (insoweit zu § 823 Abs. 1) Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (279). 183 Formulierung nach RGZ 167, 14 (24).

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des Eigentums in Anspruch genommen werden kann [sogleich unter a)]. Sie gibt ferner den Rahmen dafür vor, welche Arten und welches Maß an Einwirkungen vom einfachen Recht erlaubt werden darf [unter b)]. a) Störerbegriff und Rechtsfolgen des negatorischen Anspruchs aa) Pflichten aus § 1004 BGB und Schadensersatzpflichten als Eingriffe in das Eigentum des Störers Die Bedeutung der dinglichen Rechtsverwirklichungsansprüche und der deliktischen Schadensersatzansprüche für das Eigentum des Anspruchsinhabers, der sein Recht schützen will, wurde bereits dargelegt.184 Das Bestehen derartiger Ansprüche berührt jedoch auch die Freiheitsrechte des „Störers“. Pflichten zur Vornahme oder Unterlassung von Handlungen, die sich auf eine Sache im Eigentum des Anspruchsverpflichteten beziehen, eröffnen in jedem Fall den Schutzbereich des Art. 14 GG,185 da in derartigen Ge- oder Verboten eine Einschränkung der Freiheit liegt, mit der Sache beliebig verfahren zu dürfen.186 Darüber hinaus sind aber auch alle Pflichten sonstiger Art, soweit sie an die Stellung des Anspruchsverpflichteten als Eigentümer einer Sache anknüpfen, Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Eigentums an dieser.187 Die den Eigentümer treffenden Verpflichtungen können die Funktion des Eigentums, einen Freiraum der ökonomischen Eigeninitiative zu schaffen, vereiteln und so auf die Motivation, Eigentum zu erwerben oder zu behalten, einwirken.188 Eingriffe in Art. 14 GG setzen daher nicht voraus, dass eine Beschränkung der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis gezielt erfolgt.189 Ein qualitativer Unterschied zwischen Pflichten 184

S. 275 ff. BVerfGE 102, 1 ff. (zur Zustandsstörerhaftung); siehe ferner Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 121. 186 Vgl. BVerwGE 84, 335 (339 f.) zum Baugebot; ferner bereits M. Wolff S. 10. – Die Grenze der zumutbaren Sozialbindung wird bei solchen Positivpflichten sogar früher erreicht als bei Unterlassungsgeboten, weil ihnen naturgemäß eine höhere Eingriffsintensität zukommt, siehe nur Ehlers, VVdStRL 51 (1992), 211 (231); ferner Breuer, FS Bartlsperger, S. 33. 187 Ebenso Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 169 f.: Anknüpfung an die grundrechtliche Rechtsstellungsgarantie genügt; Rdnrn. 541 ff.; Jachmann, Besteuerung, S. 82. 188 BVerfGE 102, 1 (20); inhaltlich ebenso BVerfGE 93, 165 (172) zur Erbschaftsbesteuerung. – Entprechendes wird bei anderen Grundrechten praktiziert. So misst das BVerfG Zahlungspflichten, die durch eine berufliche oder unternehmerische Tätigkeit ausgelöst wurden, an Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 109, 64 (84 f.): Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld) und Schadensersatzpflichten der Presse bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen an Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfGE 34, 269 (284 ff.)). 189 So aber Lepsius, JZ 2001, 22 (23), der im Fall BVerfGE 102, 1alleine die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sieht. Die Entscheidung BVerfGE 20, 351 (359) verneint jedoch – entgegen Lepsius – nicht die Schutzbereichs185

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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zur Geldzahlung (wie beim Schadensersatz) oder zur Vornahme/Unterlassung sonstiger Handlungen (wie bei § 1004 BGB) besteht dabei nicht. In allen Fällen wird der Eigentümer durch die Pflicht objektiv belastet und besteht ein Bezug zum Innehaben und Nutzen eines Gegenstands.190 Störungsbeseitigungsansprüche sowie Schadensersatz- und sonstige Zahlungspflichten stellen somit Eigentumseingriffe dar, soweit sie durch ein Verhalten ausgelöst werden, das als von Art. 14 GG geschützte Sachnutzung verstanden werden kann.191 bb) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Störerverantwortlichkeit Intensive Überlegungen dazu, welche Voraussetzungen und Richtlinien die Verfassung für die Inanspruchnahme einer Person als Störer aufstellt, wurden bereits im Bereich des öffentlichen Sicherheitsrechts angestellt. (1) Grundlagen der Störerhaftung im Polizei- und Sicherheitsrecht Im öffentlichen Polizei- und Sicherheitsrecht wird die Störereigenschaft gewöhnlich entweder durch ein pflichtwidriges Verhalten (aktives Tun oder Unterlassen; Handlungsstörer) oder durch die tatsächliche Herrschaft über die Sache, von der eine Gefahr ausgeht (Zustandsstörer), begründet.192 Schuldhaftes Verhalten ist in beiden Fällen nicht erforderlich. Die Dereliktion der Sache, von der die eröffnung oder die Eingriffsqualität, sondern nur den Charakter der Maßnahme als Enteignung (ebenso Schwabe, FS Thieme, S. 262). – Inhaltlich wie im Text auch BVerfGE 88, 366 (377), wo sich der Eingriff daraus ergab, dass die Versagung der Eintragung in das Zuchtbuch die Verwendung als Zuchthengst praktisch ausschloss. 190 In diesem Sinn auch Bickel, NJW 2000, 2562 (2562). 191 Vgl. (je zum sogleich zu erörternden § 4 Abs. 6 BBodSchG) Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (723); Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1011 ff.). – Der hier vertretenen Auffassung entsprechend setzt sich die Ansicht durch, dass Steuern an Art. 14 GG zu messen sind, wenn der Steuertatbestand die Rechtsinhaberschaft zur Bemessungsgrundlage hat und zudem aufgrund der belastenden Wirkung eine Verhaltensänderung bewirkt wird (ebenso jetzt BVerfGE 115, 97 (111 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 170; Jachmann, Besteuerung, passim, insb. S. 80 f.; ausführlich Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1170 ff.)). Die allgemeine Frage, inwieweit Art. 14 GG Relevanz für die Besteuerung hat, kann mangels Bedeutung für die in dieser Arbeit zu untersuchenden Fragen unterbleiben; dazu etwa v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 173; Erdmann, DVBl. 1986, 659 (663 ff.); Herdegen, FS BVerfG, S. 273 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 447; Jachmann, Besteuerung, S. 79; BK/Kimminich, Art. 14 Rdnrn. 50 ff., insbes. 62; ders., JuS 1978, 217 (218 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 161 ff., 336; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 985; Stober, NVwZ 1982, 473 (478); Wendt, NJW 1980, 2111 (2113 f.); BVerfGE 4, 7 (17); 8, 274 (330); 14, 221 (241); 74, 129 (148); 87, 153 (169); 91, 207 (220); 95, 267 (300); 105, 17 (32); 115, 97 (113); BVerfG NJW 2004, 846 (847). 192 Vgl. etwa Art. 7 u. 8 BayPAG und Art. 9 Abs. 1 u. 2 BayLStVG; §§ 4 u. 5 NWPolG und §§ 17 u. 18 NWOBG; ferner § 4 Abs. 1 u. 2 BBodSchG.

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Störung ausgeht, beendet eine einmal begründete Störerhaftung nicht.193 Der hiernach Verantwortliche hat gefährliche Handlungen künftig zu unterlassen und – wichtiger – vorhandene Zustände, die die jeweiligen Schutzgüter beeinträchtigen, auf eigene Kosten zu beseitigen. Das zum 1.3.1999 in Kraft getretene BBodSchG ordnet darüber hinaus in § 4 Abs. 3 S. 4 und Abs. 6 eine Sanierungspflicht weiterer Personen an. Im vorliegenden Zusammenhang ist § 4 Abs. 6 BBodSchG von besonderem Interesse, der auch den früheren Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks für sanierungspflichtig erklärt, sofern er nicht beim Erwerb des Eigentums im guten Glauben hinsichtlich des Fehlens einer schädlichen Bodenveränderung war und auch im Übrigen schutzwürdig ist.194 Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber der Veräußerung belasteter Immobilien an illiquide Gesellschaften („versteckte Dereliktion“) zuvorkommen.195 (2) Rechtfertigung und Begrenzung der „reinen Zustandsstörerhaftung“ Ein „numerus clausus der Störertypen“ lässt sich der Verfassung nicht unmittelbar entnehmen.196 Das Rechtsstaatsprinzip und die betroffenen Grundrechte erlauben jedoch nur dann, einen Bürger zur Gefahren-/Störungsbeseitigung heranzuziehen, wenn er durch sein Verhalten oder den Zustand seiner Sache eine unmittelbare Ursache für eine Gefahr gesetzt hat.197 Nur in diesem Fall steht er der Gefahr näher als alle anderen Personen, so dass seine Inanspruchnahme sachlich gerechtfertigt werden kann. Daher muss ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Gefahr und der Person, der ein Verhalten geboten oder verboten wird, bestehen.198 Bei der hierzu anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Effektivität der Gefahrenabwehr und die Eingriffsintensität gegeneinander abzuwägen.199 193 Siehe etwa Art. 6 Abs. 3 BayPAG; § 5 Abs. 3 NWPolG; § 18 Abs. 3 NWOBG. Näher und m.w. N. Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (483 f.). 194 Zu dieser Vorschrift Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (722 f., 726); Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1011 f.); Riedel, ZIP 1999, 94 (98 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (355); ferner unten bei Fn. 303. 195 Siehe nur Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (722 f.); Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1010); Riedel, ZIP 1999, 94 (98 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356). 196 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (725); anders offenbar Lepsius, JZ 2001, 22 (23). 197 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (724 ff.); vgl. ferner Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 509. 198 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (724). Dies setzt bei von körperlichen Sachen ausgehenden Gefahren im Regelfall ein gewisses Maß an Sachherrschaft voraus, Taupitz, FS Hagen, S. 476 f., BGHZ 41, 393 (396 f.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 f. 199 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (726 f.); inhaltlich ebenso Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (297); oben Teil 3 A.I.

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Diesen Maßgaben entspricht grundsätzlich auch eine „reine“ Zustandsverantwortung, obwohl bei ihr die Einstandspflicht unabhängig von einem eigenen pflichtwidrigen früheren Verhalten und von subjektiven Voraussetzungen besteht. Grund und Ziel der Störerverantwortlichkeit ist, vorhandene Gefahren für die Schutzgüter möglichst effektiv zu bekämpfen. Zu der hierzu notwendigen Einwirkung auf die Sache ist der Eigentümer stets rechtlich – und regelmäßig auch tatsächlich – in der Lage. Das rechtliche Können des Eigentümers ist zwar keine hinreichende Bedingung der Pflichtigkeit,200 doch folgt die Pflicht, vorhandene Gefahren für die Allgemeinheit auf seine Kosten zu beseitigen, aus der in Art. 14 Abs. 2 GG ausgedrückten Sozialpflichtigkeit, da sie gewissermaßen die Kehrseite der privatnützigen Verfügungs- und Nutzungsbefugnis darstellt.201 Dies legitimiert grundsätzlich, den Eigentümer zur Beseitigung der Störung heranzuziehen. Die Sozialpflichtigkeit darf die Privatnützigkeit jedoch nicht übersteigen, weshalb eine Störungsbeseitigungspflicht, die alleine an die Eigentümerstellung anknüpft, erforderlichenfalls in ihrem Umfang begrenzt sein muss. Dem Eigentümer dürfen keine Kosten auferlegt werden, die so hoch sind, dass die die Privatnützigkeit des Sachgebrauchs ausschalten würden.202 Das BVerfG hat daher, nachdem entsprechende Einschränkungen wiederholt erwogen und gefordert worden waren,203 eine betragsmäßige Begrenzung der Haftung eines Zustandsstörers für die Fälle für notwendig erachtet, in denen den Eigentümer keine eigene Verantwortung für den störenden Zustand trifft und er sich daher in einer „Opferposition“ befindet.204 Die maximal zumutbare Belastung entspricht dabei im Regelfall dem Verkehrswert des Grundstücks nach der Sanierung, doch sind auch die Schutzwürdigkeit des Eigentümers sowie weitere, mit

200 Lässt man das rechtliche Können als Grund der Pflichtigkeit genügen, wäre auch eine Pflichtigkeit jedes Bürgers, der tatsächlich zur Störungsabwehr in der Lage ist, ohne Weiteres zu begründen. Wie Art. 9 Abs. 3 LStVG, Art. 10 PAG zeigen, setzt die Verantwortlichkeit eines Nicht-Störers aber u. a. ein besonderes Gewicht der zu schützenden Interessen voraus und ist diese subsidiär; zudem besteht eine Entschädigungspflicht (vgl. Art. 70 PAG, Art. 11 LStVG). Vgl. Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (296 f. [in Fn. 22]); OVG Münster NJW 2010, 1988 (1989). 201 Vgl. BVerfGE 102, 1 (18 f.); BVerwGE 106, 43 (46 ff.); BVerwG NVwZ 1997, 577 (578); BayVGH NVwZ 1986, 942 (944); weitere Nachweise und Darstellung bei Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (485 f.); Georgiades, FG Sontis, S. 166; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 509 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 II 2; ähnlich bereits Anschütz, Art. 153 Anm. 5 (S. 706). 202 Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1012) m.w. N.; ferner Riedel, ZIP 1999, 94 (99). 203 Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 516 ff.; BayVGH NVwZ 1986, 942 (945); BVerwGE 106, 43 (50); BVerwG NVwZ 1997, 577 (578); weitere Nachweise bei Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (728, Fn. 97). 204 BVerfGE 102, 1 (19 ff.); vgl. auch (kritisch) Bickel, NJW 2000, 2562 (2562); ferner BVerwG NVwZ 2003, 1252 (1252) zum Abfallbesitz (vgl. unten Fn. 209); OVG Münster NJW 2010, 1988 (1989).

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der Sache in funktionaler Verbindung stehende Vermögenswerte zu berücksichtigen.205 cc) Zivilrechtlicher Störerbegriff und Beseitigungspflicht in Rechtsprechung und Literatur Im Zivilrecht finden sich entsprechende Definitionen nicht. Insbesondere gibt der Wortlaut des § 1004 Abs. 1 BGB keinen näheren Aufschluss darüber, wann eine Person „Störer“ im Sinne dieser Norm ist und was unter einer „Beeinträchtigung“ zu verstehen ist. (1) Verantwortlichkeit aufgrund Handlungsoder Zustandsstörereigenschaft Ganz überwiegend wird als „Beeinträchtigung“ i. S. d. § 1004 Abs. 1 BGB jeder Zustand verstanden, der durch einen von außen kommenden Eingriff o. ä. hervorgerufen wurde und für den Eigentümer in irgendeiner Form nachteilig ist. Eine fortdauernde Eigentumsbeeinträchtigung kann dabei auch in dem Zustand selbst, in dem sich die Sache aufgrund der störungs-/beeinträchtigungsbedingten Veränderung befindet, liegen.206 Maßgebliches Tatbestandsmerkmal ist nach dieser Konzeption die Eigenschaft als „Störer“, für die – wie im öffentlichen Sicherheitsrecht – an ein menschliches Verhalten207 oder den Zustand einer Sache angeknüpft wird, das die Beeinträchtigung ausgelöst hat bzw. darstellt.208 Anders als nach der Störerdogmatik im öffentlichen Recht209 wird im Zivilrecht aller205 BVerfGE 102, 1 (20 ff.); Analyse bei Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (729); Lepsius, JZ 2001, 22 (26); G. Hager, Harmonisierung, S. 785. Umfassend zu den einzelnen für die Zumutbarkeit relevanten Gesichtspunkte Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 520, der an der Entscheidung als Senatsvorsitzender mitgewirkt hat. 206 Vgl. BGHZ 90, 255 (265 f.); BGH NJW 2005, 1366 (1367); NJW-RR 2003, 953 (954); NJW 1989, 2541 (2542); Urt. v. 7.4.2006, Az. V ZR 144/05, Rdnr. 7; Baur/Stürner, § 12 Rdnr. 20; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 1 b; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnrn. 4 f.; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 24 Rdnr. 14; dargestellt auch bei Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 3; Katzenstein, NZM 2008, 594 (595); Lettl, JuS 2005, 871 (872); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1369. 207 Auch hier kann dieses in einem pflichtwidrigen Unterlassen liegen, BGHZ 114, 183 (187); 122, 283 (284); BGH NJW 2007, 432 (432); ausführlich Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (480 ff.). 208 Siehe nur Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 Rdnrn. 5, 13 ff.; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (468 ff.); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1a; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 24 Rdnrn. 15 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II, III; BGH NJW 2007, 432 (432); NJW-RR 2008, 827. 209 Vgl. Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (484 f. und 488); gegenüberstellend auch AG Bad Oldeslohe NuR 1999, 418 (418); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1a ee. – Eine Parallele zeigt sich beim „Abfallbesitz“, der – anders als der zivilrechtliche Besitz (siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 2 Rdnr. 19) – keinen Besitzbegründungswillen voraussetzt, sondern nur auf ein Mindestmaß tatsächlicher Sachherrschaft, das über die beliebiger anderer Personen hinausgeht, BVerwGE 106, 43 (45 f.); 67, 8 (11 f.); BVerwG NVwZ 2003, 1252 (1252); NJW 1989, 1295 (1296).

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dings überwiegend gefordert, dass die Beeinträchtigung in irgendeiner Weise („wenigstens mittelbar“) auf ein menschliches Handeln zurückzuführen ist.210 Wegen dieser zusätzlichen Voraussetzung, die nur bei der Zustandsverantwortlichkeit praktisch relevant wird und als einschränkendes Kriterium dienen soll, genügen z. B. weder das bloße Wirken von Naturkräften211 noch die Eigentümerstellung oder die Sachherrschaft als solche212, um die Störereigenschaft auszulösen. Hinter diesem Erfordernis dürfte die Überlegung stehen, dass bei reinem Naturwirken die Beseitigungspflicht unverhältnismäßig wäre, da ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Beeinträchtigung und dem Störer nicht gegeben ist.213 Die Störungsbeseitigungspflicht soll somit mittels Zurechnungsüberlegungen (also mit Hilfe von Wertungen) materiell begründet werden.214 Das rechtliche und tatsächliche Beseitigen-Können ist somit wiederum lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung der Störerhaftung. Da eine nähere Abgrenzung, wann ein „wenigstens mittelbarer Zusammenhang mit einer Willensbetätigung“ gegeben ist, lange Zeit nicht gegeben war,215 entwickelte sich eine kaum überschaubare und kaum systematisierbare Kasuistik: Während das Pflanzen einer Traubeneiche für hinreichend ursächlich für das 130 Jahre später erfolgte Eindringen ihrer Wurzeln in einen Abwasserkanal befunden wurde,216 sollte das bloße Anpflanzen und Aufziehen genügend widerstandsfähiger Bäume keine Gefahrenlage im Hinblick auf ihr Umstürzen begrün210 BGHZ 28, 110 (111); 29, 314 (317); 41, 393 (397); 90, 255 (266); 114, 183 (187); 120, 239 (254); 122, 283 (284); 142, 66 (69); 155, 99 (105); BGH NJW 1956, 1564 (1565); NJW 1983, 751 (751); NJW 1985, 1773 (1774); NJW 1995, 2633 (2634); NJW-RR 2003, 953 (954); NJW 2005, 1366 (1368); NJW 2007, 432 (432); NJW 2007, 2182 (2183); NZM 2009, 834 (834); OLG Stuttgart MDR 2005, 329 (329); bereits RGZ 127, 29 (34); 134, 231 (234); auch BGH NJW-RR 2001, 232 (232); w. Nw. bei Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (488). 211 BGHZ 114, 183 (187); 120, 239 (254); 160, 232 (239 f.); BGH NJW 1985, 1773 (1774); NJW 1995, 2633 (2634); NJW-RR 1996, 659 (659); 2001, 1208 (1208); OLG Stuttgart MDR 2005, 329 (329); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1a bb; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 3 c. 212 BGHZ 28, 110 (111); 90, 255 (266); 106, 229 (235); 122, 283 (284); 142, 66 (69); BGH NJW 2007, 432 (432); BayObLG NJWE-MietR 1996, 60 (61); OLG Nürnberg BauR 2003, 733 (734); OLG Düsseldorf NuR 2003, 316; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 17; Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1a bb. 213 Vgl. G. Hager, Harmionisierung, S. 792 ff. 214 Vgl. Mühl, JZ 1984, 850 (851); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1a bb; BGHZ 142, 66 (69 f.); 155, 99 (105); BGH NJW-RR 2001, 232 (232) m.w. N. („Zusammenhang mit dem Zustand des Grundstücks“); BGH NJW-RR 2001, 1208 (1208); NJW 2007, 432 (432) („in wertender Betrachtung von Fall zu Fall“); OLG Nürnberg BauR 2003, 733 (734). 215 Vgl. Herrmann, JuS 1994, 273 (274); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (489 ff.). 216 BGH NJW 1995, 395 (396); ähnlich BGHZ 97, 231 (234 f.); 106, 142 (144); BGH NJW 1991, 2826 (2826); BGH NJW 2004, 603 (604); sowie OLG Frankfurt NJW 1988, 2618 (2619) für den Laubfall.

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den.217 Das Pflanzen einer Lärche sollte nicht für den Befall benachbarter Bäume mit Wollläusen verantwortlich machen.218 Bei landwirtschaftlichen Grundstücken sollten die notwendige Art der Bodenbearbeitung und die mit einem Wechsel der Fruchtfolge zwangsläufig verbundenen Veränderungen der Oberfläche zur natürlichen Eigenart des Grundstücks gehören und deshalb überhaupt keine Beseitigungspflicht begründen,219 wohingegen die Aussaat gentechnisch veränderter Pflanzen die Störereigenschaft auslösen soll.220 Eine besondere Gefährlichkeit des pflichtgründenden Verhaltens wurde lange Zeit in der Rechtsprechung nicht verlangt.221 Die neuere Rechtsprechung stellt demgegenüber in diesem Zusammenhang darauf ab, ob den Eigentümer eine Sicherungspflicht trifft.222 Hierin kann eine Fortentwicklung der sog. „Anlagentheorie“ gesehen werden, die die maßgeblichen Pflichten aus dem Unterhalten einer gefahrschaffenden oder -erhöhenden Anlage ableitet.223 Das Verständnis von Beeinträchtigung als einem gegenständlichen Zustand der betroffenen Sache führt dazu, dass der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf der Rechtsfolgenseite zur vollständigen Rückgängigmachung dieses Zustands verpflichtet. Dies führt allerdings zu – noch näher aufzuzeigenden – Überschneidungen und Wertungswidersprüchen zum Recht des Schadensersatzes, weil derartige Pflichten allgemein nur bei Verschulden bestehen.224 Die 217 BGHZ 122, 283 (284 f.); bestätigend BGH NJW 2003, 1732 (1733). – Noch weiter OLG Düsseldorf NuR 2003, 316, dem zufolge man sogar für den „Zahn der Zeit“ einstehen müsse, und OLG Karlsruhe NJW 1983, 2886, das die Verantwortlichkeit erst beendet sieht, wenn die waltenden Naturkräfte nicht mehr im Zusammenhang mit der Nutzung des Grundstücks in Verbindung stehen, was z. B. bei „vulkanischen Dämpfen“ der Fall sei. 218 BGH NJW 1995, 2633 (2634); ähnlich AG Bad Oldeslohe NuR 1999, 418 (418 f.) zur Ansiedlung von Krähen in einem Stadtpark „in unvordenklicher Zeit“ gepflanzten Bäumen; vgl. ferner BGH NJW-RR 2001, 1208 (1208 f.): Mehltau an Weinreben; OLG Stuttgart MDR 2005, 329 (329 f.): Dickmaulrüssler. 219 BGHZ 114, 183 (188); ähnlich BGH NJW-RR 2001, 1208 (1208 f.). 220 OLG Stuttgart ZUR 2000, 29 (30). 221 So ausdrücklich noch BGHZ 142, 66 (69). 222 BGH NJW 2004, 603 (604); NJW 2004, 1035 (1036); 1037 (1039); NJOZ 2005, 175 (177 f.); NJW 2005, 1366 (1369); NJW-RR 2011, 739 (740); ferner OLG Stuttgart NJOZ 2004, 4474 (4474), das zutreffend auf die Parallelität zum Schadensersatz hinweist. Zu dieser Entwicklung vgl. auch Wenzel, NJW 2005, 241 (242); Lettl, JuS 2005, 871 (873). 223 Etwa BGHZ 106, 142 (144); 120, 239 (254); BGHZ 122, 283 (284 f.): „besondere Gefahrenquelle“; BGH NJW 1991, 2826 (2826); NJW-RR 2003, 953 (955). Die Anlagentheorie geht zurück auf F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (479); findet sich aber sachlich ähnlich bereits in RG JW 1910, 654 (654). – Siehe auch Stürner, Anm. LM § 906 BGB Nr. 91: „mittelbare Verhaltenshaftung“; die Abgrenzung zwischen „gefahrerhöhender“ und normaler Grundstücksnutzung sei zwar schwierig, es gebe aber nichts Besseres. 224 So vor allem die Kritik, z. B. Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 6 f.; Th. Kahl, Anm. LM § 1004 BGB Nr. 217; Katzenstein, NZM 2008, 594 (596); vgl. ferner

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Anknüpfung der Verantwortlichkeit an die Herbeiführung des Störungszustands bringt ferner mit sich, dass die Zustandsstörerhaftung durch die Aufgabe des Eigentums an der störungsbegründenden Sache nicht erlischt.225 (2) Störerhaftung als negatorische Kausalhaftung Ein anderer Ansatz sieht in § 836 und § 908 BGB ein Musterbeispiel der Störerverantwortlichkeit226 und folgert daraus, dass Störer i. S. v. § 1004 Abs. 1 BGB sei, wer eine Beeinträchtigung durch sein (aktives) Handeln oder durch die Vernachlässigung seiner Sicherungspflicht – insbesondere vermittelt durch den Zustand von Sachen – kausal hervorruft.227 Entscheidend ist danach die Kausalität eines Handelns oder eines pflichtwidrigen Unterlassens des Eigentümers der störungsbewirkenden Sache. Materieller Anknüpfungspunkt wird damit die Vernachlässigung einer Sicherungspflicht, die von § 1004 BGB vorausgesetzt werde und sich meist aus der Stellung als Besitzer ergebe.228 Auslöser der Sicherungspflichten können Umstände und Ereignisse jeder Art sein; der Inhalt der Sicherungspflicht richtet sich jeweils danach, was nach allgemeinem Verständnis von einem Eigentümer in der einzelnen Situation verlangt werden kann.229 Der Beseitigungsanspruch ist nach dieser Lehre darauf gerichtet, die Beendigung der Störung herbeizuführen, was je nach Fallsituation ein Tun oder ein Unterlassen erfordern kann. Insbesondere in Fällen, in denen sich die Störungen Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3087) (mit eigenem Abgrenzungsversuch, der hier nicht weiter verfolgt wird); F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (466, 487 ff.); ders., JZ 1973, 560 (560); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 1, 2; VII u. ö.; G. Hager, Harmonisierung, S. 785; Kolbe, NJW 2008, 3618 (3618); Lettl, JuS 2005, 871 (871, 872); Siems, JuS 2005, 884 (885); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (466); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 b aa; RGZ 111, 341 (343); BGHZ 68, 350 (353); 135, 235 (239); BGH JZ 1996, 682 (683); BayVerfGH NZM 2005, 494 (495); um Abgrenzung bemüht BGH NJW 2004, 603 (604 f.). 225 BGHZ 41, 393 (397); BGH NJW 2005, 1366 (1367); NJW 2007, 2182 (2183) m.w. N.; zu diesem Ableitungszusammenhang ferner Katzenstein, NZM 2008, 594 (595). 226 Maßgeblich Herrmann, Störer nach § 1004 BGB, S. 442 ff.; dies., JuS 1994, 273 (278 ff.). Diesen Ansatz ablehnend Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 133 f.; ders., FS Gernhuber, S. 327, vor allem deshalb, weil § 836 BGB keine Gefährdungshaftung statuiert, sondern eine Haftung aus vermutetem Verschulden (vgl. Jauernig/Teichmann, § 836 Rdnr. 1; Staudinger/Belling/Eberl-Borges (2001), § 836 Rdnr. 2), sowie unter Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte. 227 Herrmann, Störer nach § 1004 BGB, S. 131 ff., 405 ff.; dies., JuS 1994, 273 (277, 278). 228 Herrmann, Störer nach § 1004 BGB, S. 417, 419 ff., zusammenfassend S. 430, 445, 448 f.; zur Pflicht aufgrund des Besitzes z. B. S. 434, 446. Kürzer dies., JuS 1994, 273 (277 ff.). 229 Siehe nur Herrmann, Störer nach § 1004 BGB, S. 407 ff. So sollen zwar vorbeugende Vorkehrungen gegen Katastrophen nicht geschuldet sein, wohl aber die Beseitigung von hierdurch verursachten Situationen binnen angemessener Zeit.

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bereits an Sachen des Störers oder des Beeinträchtigten körperlich ausgewirkt haben, sind daher auch tatsächliche Veränderungen rückgängig zu machen; weitergehende Schäden sollen dagegen nicht zu ersetzen sein.230 (3) Störerhaftung allein kraft Eigentümerstellung („Eigentumstheorie“) Nach einer weiteren Auffassung soll den Eigentümer allein aufgrund der Eigentümerstellung eine umfassende Verantwortung für seinen Rechtskreis (d.h. die in seinem Eigentum stehenden Sachen) treffen.231 Der Haftungsgrund liegt damit in Art. 14 Abs. 2 GG und dem Aspekt, dass gefahrerhöhende Zustände ihre Ursache regelmäßig in einer (im eigenen Interesse errichteten) Anlage oder sonstigen Veränderung des Grundstücks haben und so mit den Vorteilen der Sachnutzung korrespondieren.232 Einer Kausalbeziehung zwischen einem Verhalten des jeweiligen Eigentümers, die von den beiden bisher vorgestellten Ansichten gefordert wird, und der Störung bedarf es damit grundsätzlich nicht.233 Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB richtet sich nach diesem Verständnis darauf, alle gegenwärtigen Beeinträchtigungen zu beseitigen, nicht jedoch auf Schadensersatz.234 (4) Rechtsusurpationstheorie Einen im Vergleich zu diesen Konzeptionen grundlegend verschiedenen Ansatz verfolgt die sog. Rechtsusurpationstheorie, die sich dabei allerdings auf die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers stützen kann.235 Sie knüpft zentral an den Begriff der Beeinträchtigung an, unter dem nicht die Veränderung der tatsächlichen Situation (dann: Schaden), sondern die Überschreitung der rechtlichen 230 Herrmann, JuS 1994, 273 (276 f.); dies., Störer nach § 1004 BGB, S. 133 f., 158, 426 ff., 445, 477 f., 494 f. 231 Vgl. Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (passim, insbes. S. 297 ff.); Kübler, AcP 159 (1960), 236 (passim, insbes. S. 272, 279 ff., 291). 232 Deutlich Kübler, AcP 159 (1960), 236 (280, 283 ff.); Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (301); ders., JZ 1961, 499 (500); der Gedanke findet sich bereits bei M. Wolff, FG Kahl, S. 10 (zu Art.153 Abs. 3 WRV). 233 Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (299 ff.); ders., JZ 1961, 499 (500). – Eine Grenze soll die Störerverantwortlichkeit nach dieser Lehre allenfalls finden, wenn das die Störung auslösende Ereignis als „höhere Gewalt“ zu qualifizieren ist oder auf ein Verhalten Dritter zurückgeht, vgl. Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (307 ff.); strenger Kübler, AcP 159 (1960), 236 (280, 283 f.). Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 76 hält diese Einschränkung für inkonsequent. 234 Vgl. Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (292 f. [m. Fn. 6]). 235 Vgl. Mot. III, 422 ff. (dazu, dass sich die Verantwortlichkeit nicht aus einem Handeln in der Vergangenheit ergibt, S. 424; zur Unterscheidung vom Schadensersatz S. 425).

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Grenzen des Handelns einer Person zu verstehen ist. Der negatorische Anspruch dient damit – wie § 985 BGB – der Erhaltung der rechtlichen Integrität des Eigentums und ist darauf gerichtet, den Zustand der Rechtssphären herzustellen, der dem Inhalt des Eigentums als absolutem Recht entspricht.236 Eine Beeinträchtigung i. S. d. § 1004 Abs. 1 BGB liegt danach vor, wenn ein drohendes oder gegenwärtiges Handeln oder ein entsprechender Zustand, der von einer fremden Sache ausgeht, die Ausübung der Eigentümerbefugnisse (nämlich: die Sache beliebig und ausschließlich zu nutzen, § 903 S. 1 BGB) behindern, so dass das Verhalten des anderen nach seinen realen Auswirkungen eine unbefugte Inanspruchnahme des geschützten Rechts durch ihn bedeutet.237 Kennzeichen einer Beeinträchtigung ist damit die faktische Rechtsusurpation durch eine anderen Person,238 indem diese eine (fiktive) Befugnis ausübt oder entsprechende Zustände pflichtwidrig fortbestehen lässt, die ihr nach der Rechtsordnung nicht zukommt und zu der sie daher einer Gestattung des Eigentümers bedürfte.239 Bei diesem Ansatz bestehen damit keine Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Beseitigungs- und Schadensersatzpflicht. Ebenso bedarf es keiner gesonderten Bestimmung des Störers als Anspruchsgegners, da mit der Verwirklichung des Tatbestands der Rechtsusurpation zugleich feststeht, von wem das störende Verhalten ausgeht und wer es beenden muss.240 Der negatorische Anspruch ist danach als Haftung wegen eines rechtswidrigen Habens einzuordnen.241 Konsequenz ist, dass der Störungsbeseitigungsanspruch nur solange besteht, wie das störende Verhalten als solches (und nicht bloß seine Wirkungen) fortdauert.242 Er endet, sobald die störende Handlung beendet bzw. 236 Picker, FS Gernhuber, S. 332, 334; ders., JZ 1976, 370 (371): rechtliches Können – tatsächliches Können; inhaltlich ebenso Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 17, 137; Henckel, AcP 174 (1974), 97 (99 ff.); Th. Kahl, Anm. LM § 1004 BGB Nr. 217; Katzenstein, NZM 2008, 594 (596, 597 u. ö.); Kolbe, NJW 2008, 3618 (3618); Mot. III, 423. 237 Picker, FS Gernhuber, S. 332, 343; ders., JZ 1976, 370 (371); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (459); Gsell, LMK 2008, 266937; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 4 ff.; ders., JZ 1990, 921 (921); ders., JZ 1996, 683 (684); Katzenstein, NZM 2008, 594 (596); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1390; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 10 ff.; König, NJW 2005, 191 (192); sympathisierend auch MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnrn. 33 ff., 81; G. Hager, Harmonisierung, S. 786; Taupitz, FS Hagen, S. 481, 482 f.; bereits klar in diesem Sinn Mot. III, 423, 424. 238 Picker, FS Gernhuber, S. 332; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460); Th. Kahl, Anm. LM § 1004 BGB Nr. 217. 239 Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 4; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 129 ff.; ders., FS Gernhuber, S. 332 f., 335, 345 ff. m. Beispielen; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1380, 1390; bereits Stoll, AcP 162 (1963), 203 (220 ff.); ähnlich RG JW 1910, 654 (654): Widerspruch zu Eigentumsinhalt. 240 Vgl. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 129. 241 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 69, 1366, 1379. 242 So bereits Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (489); Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 130, 160 ff.; ders., FS Gernhuber, S. 335 ff.; Wilhelm, Sachen-

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dem von einer Sache ausgehenden störenden Zustand abgeholfen wird,243 aber auch, wenn das Eigentum an der Sache infolge Verbindung (§§ 946 ff., 93 f. BGB) übergeht244 oder aufgegeben wird (§ 928 Abs. 1 BGB)245: In allen Fällen nimmt der (ehemalige) Eigentümer nicht mehr die fremde Sphäre für sich in Anspruch. Die Abwehransprüche sind nach der Rechtsusurpationstheorie in diesen Fällen auch entbehrlich, da der Eigentümer ihrer nur deshalb bedarf, weil der auf das staatliche Gewaltmonopol zurückzuführende grundsätzliche Achtungsanspruch gegenüber der Rechtssphäre des Störers auch bei Überschreitung seiner Befugnisse fortbesteht246 und der Eigentümer deshalb über ein Instrument verfügen muss, mit dem er die Wiederherstellung der rechtlich gesollten Zustände erzwingen kann. Wird die Störung nicht mehr von einer anderen Person aufrechterhalten, ist der Beeinträchtigte mangels eines entgegenstehenden fremden Rechts nicht mehr an einer selbstständigen Abhilfe gehindert.247

recht, Rdnr. 1381; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 11. – Damit stimmt diese Ansicht mit der Situation bei § 985 und § 894 BGB überein, die Spezialfälle des negatorischen Abwehranspruchs sind (vgl. unten Fn. 177 und 181) und bei denen die Herausgabe- bzw. Zustimmungspflicht anerkanntermaßen mit dem Verlust des Besitzes bzw. der Buchposition endet (so bereits Mot. III, 422 f.; RGZ 93, 281 (283); BGH NJW 2005, 1366 (1367); Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 340, 346; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 9 f.; ders., JZ 1990, 921 (922); ders., JZ 1996, 683 (684); Katzenstein, NZM 2008, 594 (594, in Fn. 5); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1381, 1385 ff.; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (225); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460); MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 37). – Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 52 ff., gibt diese Parallele zu, meint aber (S. 87), dass sich Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen dennoch kategorial unterscheiden könnten. Der gegen eine Parallelität geäußerte Einwand von Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088), nach Beendigung der Vindikationslage gehe der Herausgabeanspruch ins Leere, während beim Beseitigungsanspruch noch ein Resultat in Gestalt einer Beeinträchtigung vorhanden sei, die kompensiert werden müsse, geht fehl: Auch nach Rückgabe einer Sache an den Eigentümer sind solche (für Armbrüster Beeinträchtigungen darstellende) Resultate in Gestalt von gezogenen Nutzungen oder erlittenen Verschlechterungsschäden vorhanden, die auszugleichen sind. Deren Kompensation überlässt das BGB aber dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und ggf. den allgemeinen Ausgleichsinstrumentarien wie dem Deliktsrecht, die aber jeweils für Schäden durchwegs ein Verschulden verlangen. Vgl. hierzu Picker, FG BGH I, passim, insbes. S. 726 ff. 243 Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 4. 244 Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (461); Wilhelm, Sachenrecht Rdnr. 1386; dies als konsequent bezeichnend Taupitz, FS Hagen, S. 481. Dies nicht problematisierend in BGH NJW 2004, 603 (604) bzgl. abgetrennter Wurzeln; einen Eigentumsübergang ausdrücklich für unerheblich haltend BGH NJW-RR 2003, 953 (954). 245 Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (461, 463); Gursky, JZ 1990, 921 (921); Picker, FS Gernhuber, S. 336 f., 342, 356; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1385. 246 „Schutzenklave“, bei Picker, FS Gernhuber, S. 334, 347, 349 ff.; ders., Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 134 f.; vgl. auch Gursky, JZ 1990, 921 (921); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460). 247 Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 131; ders., FS Gernhuber, S. 336; Katzenstein, NZM 2008, 594 (596).

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dd) Verfassungsrechtliche Bewertung Für die hier vorzunehmende verfassungsrechtliche Bewertung dieser Konzeptionen sind die Wirkungen entscheidend, die sich bei ihrer Anwendung für die Freiheiten und das Eigentum der Grundrechtsträger ergeben. Die Fachgerichte dürfen bei der Auslegung und Anwendung des Rechts zu keinem Ergebnis gelangen, das dem Gesetzgeber anzuorden verboten wäre. Daher ist zu untersuchen, wie diese Ansätze die Freiheitsräume der Beteiligten gegeneinander abgrenzen und ob sie zu Verstößen gegen das Über- oder Untermaßverbot führen. Dem betroffenen („gestörten“) Eigentümer steht dabei die Schutzpflicht für sein Eigentum zur Seite, während beim (potentiellen) Störer durch die Auferlegung von Geboten/Verboten und der Einstandspflicht für Schäden die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), bei Bezug zur Nutzung einer Sache ebenfalls sein Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), berührt wird. (1) Bestimmung des Anspruchsverpflichteten bei den negatorischen Ansprüchen Die vorgestellten Konzeptionen stimmen darin überein, dass zur Beseitigung einer Gefahrensituation verpflichtet ist, wer sie durch sein aktives Handeln pflichtwidrig herbeigeführt hat. Eine Verantwortlichkeit für sonstige Störungssituationen wird nach den unter cc) (1), (3) und (4) dargestellten Ansätze jeweils aufgrund einer Wertung begründet; den allgemeinen Schadens- und Störungsvermeidungspflichten und der Eigentümerstellung als solcher wird allerdings jeweils unterschiedliches Gewicht eingeräumt. Eine Anknüpfung an das Moment der Eigentümerstellung begegnet dabei keinen grundlegenden Bedenken. Das Gebot der Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) und die widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Interessen des anderen rechtfertigen, dem Eigentümer Pflichten zur Vermeidung solcher Gefahren aufzuerlegen, die mit seinem Verhalten – zu dem auch das bloße Innehaben des Eigentums gehört – in Zusammenhang stehen.248 Der Eigentümer kann daher auch zur Abwehr von Gefahren verpflichtet sein, wenn er die Störung nicht selbst herbeigeführt hat: Der Eigentümer einer Sache, von der eine Gefahr ausgeht, muss entscheiden, ob er an deren Nutzung festhalten will oder nicht. Will er sie weiter nutzen, muss er Sicherungsmaßnahmen ergreifen und die Kosten in Kauf nehmen; diese Belastung ist nicht unbillig, da ihm immerhin die Nutzungsvorteile zukommen.249 Jedoch muss stets eine Abwägung erfolgen, ob dem Eigentümer bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände die konkrete Maßnahme der Gefahrabwendung zugemutet werden kann. Weitreichende Pflichten 248 Zutreffend F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (477); Georgiades, FG Sontis, S. 165; Pleyer, JZ 1959, 305 (307); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (484, 494). 249 Vgl. Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (302 f.).

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würden die Handlungs- und Nutzungsfreiheit des Eigentümers zu stark einengen.250 Unzumutbare Pflichten könnten auch durch eine mittelbare Heranziehung von Art. 14 Abs. 2 GG im Rahmen des § 1004 BGB nicht legitimiert werden, da das Sozialpflichtigkeitsgebot nicht von der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes entbindet.251 Wertungen sind schließlich auch deshalb notwendig, weil der Aspekt der Sozialpflichtigkeit keine Aussage oder Entscheidungsregel dazu enthält, wem von mehreren in Betracht kommenden Eigentümern die Folgen eines Ereignisses aufzuerlegen sind.252 Die unter cc) (1), (3) und (4) genannten Konzeptionen genügen daher grundsätzlich den sich aus Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG ergebenden Anforderungen. Demgegenüber kann der rein kausalitätsorientierte Ansatz der Theorie der negatorischen Kausalhaftung [oben cc) (2)] weder sachlich überzeugen noch vor der Eigentumsgarantie bestehen. Wie dargestellt, sind sowohl das Verhalten des (potentiellen) Störers als auch des Beeinträchtigten äquivalent und adäquat kausal für die Beeinträchtigung, so dass dieser Aspekt als Abgrenzungsmoment ungeeignet ist.253 Die strikte Einstandspflicht des Eigentümers führt zudem zu einer strangulierenden Haftung, die mit Art. 14 GG nicht in Einklang zu bringen ist.254 Im Vergleich zur öffentlich-rechtlichen Störerhaftung erweist sich die Verantwortlichkeit im Zivilrecht damit oftmals als weniger streng. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Eigentümer dem anderen nicht die Rücksichtnahme schuldet, die er der Allgemeinheit entgegenbringen muss. Für jeden Träger eines Recht(sgut)s gilt, dass er gewisse Unzulänglichkeiten in Kauf nehmen muss. Zudem unterscheiden sich die involvierten Schutzgüter und die Dringlichkeit der Gefahrenabwehr: Während in den nach § 1004 BGB zu entscheidenden Fällen ein privates Recht (insbesondere das Eigentum) betroffen ist, geht es dort um die öffentliche Sicherheit, etwa, weil die Trinkwasserversorgung gefährdet ist oder ein Fels auf bebaute Gebiete abzustürzen droht.255 Da die bedrohten Rechtsgüter 250

Vgl. Picker, FS Gernhuber, S. 325 ff., 362 ff.; oben B.I.1.a)bb)(2). Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (494); BGHZ 28, 110 (112); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1a bb; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 a. 252 Dies übersieht Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (302 ff.), weil er – vom von ihm richtig gehaltenen Postulat, der Beeinträchtigte müsse Ersatz erhalten – den (an sich richtigen) Gedanken der Konnexität von Vor- nur Nachteilen nur auf den Störer, nicht aber auch den beeinträchtigten Eigentümer anwendet (ebenso die Kritik bei Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 75 f.). 253 Vgl. van Boom, ZeuP 2005, 618 (631); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (457 f.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1a m.w. N. (Fn. 71); Neuner, JuS 2005, 385 (387 f.); Picker, FS Gernhuber, S. 318, 323; Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 172. Deutlich wird dies z. B. in BGHZ 135, 235 (241): Sowohl die vorhandenen Pappeln als auch die Anlage des Tennisplatzs sind kausal; BGH NJW 1985, 1773 (1774): sowohl instabiler Felshang als auch Bebauung an dessen Fuße. 254 Vgl. Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (458); MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 81; Picker, FS Gernhuber, S. 325 ff., 362 ff.; Taupitz, FS Hagen, S. 485. 255 Siehe nur Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (480). 251

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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als Gemeingüter typischerweise besonders hochwertig sind, die Behörde oftmals in der gebotenen Eile nicht Nachforschungen anstellen kann, wer die Gefahr verursacht hat, und die Störerhaftung im öffentlichen Recht primär vom Kriterium der Effektivität der Gefahrenabwehr bestimmt ist,256 muss sich die Behörde bereits dann an den Eigentümer halten können, wenn nur eine eher „dünne“ Zurechnungsbeziehung gegeben ist. Diese genügt dann aber auch unter Verhältnismäßigkeitsaspekten regelmäßig (d.h., wenn nicht eine Opferposition gegeben ist), um die Inanspruchnahme zu rechtfertigen. (2) Umfang der Verpflichtung aufgrund der negatorischen Ansprüche (a) Notwendigkeit der Abgrenzung zum Schadensersatz Größere Unterschiede weisen die vorgestellten Ansätze im Hinblick auf die Frage auf, wie weit die Verantwortlichkeit nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB inhaltlich reicht. Die in Rechtsprechung und Literatur vorherrschende Auffassung sieht auch den Zustand einer Sache, der durch eine Beeinträchtigung ausgelöst worden ist, selbst als Beeinträchtigung des Eigentums an, die gem. § 1004 BGB zu beseitigen ist,257 und gelangt damit im Ergebnis zu einem Schadensersatzanspruch. So soll – um ein häufig gebrauchtes Beispiel zu verwenden258 – der Steinewerfer auch verpflichtet sein, die zerstörte Fensterscheibe zu ersetzen. Zum gleichen Anspruchsinhalt gelangen die „Theorie der negatorischen Kausalhaftung“ und die „Eigentumstheorie“. Die weitgehende Ähnlichkeit des Inhalts, der danach den negatorischen Ansprüchen zukommen soll, mit einer Schadensersatzpflicht führt zunächst zu einen Wertungswiderspruch auf einfachrechtlicher Ebene mit den §§ 823 ff., § 989 BGB, die Schadensersatz grundsätzlich nur bei Verschulden vorsehen.259 Sie wirft zugleich die verfassungsrechtliche Frage auf, ob ein Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes vorliegt, weil eine gesetzgeberische Grundentscheidung in 256 BayVGH NVwZ 1986, 942 (946); BGHZ 158, 354 (361); auch unten Fn. 319 f.; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (461); Leinemann, VersR 1992, 25 (25); G. Wagner, JZ 2005, 150 (151). 257 BGH NJW 2005, 1366 (1367) (festhaltend trotz kritischer Stimmen); weitere Nachweise oben bei Fn. 206. Zutreffend attestieren daher Medicus, FS Hagen, S. 165 f.; Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 13; Taupitz, FS Hagen, S. 474 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1374 f., dass dieses Verständnis damit einer Kausalhaftung sehr nahe kommt. – Ablehnend mit Recht bereits Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (488 f.). Das RG enthielt sich im Haldenbrand-Fall ausdrücklich einer allgemeinen Stellungnahme und griff (zweifelhaft) auf die Überlegung zurück, im Weiterbrennen des Dammes liege eine gegenwärtige Störung (RGZ 127, 29 (34 f.)). 258 Etwa bei Picker, FS Gernhuber, S. 345 f.; in BGH JZ 1996, 682 f. 259 Vgl. oben bei Fn. 224 f.; ferner etwa Taupitz, FS Hagen, S. 482 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 1, 2; VII; Neuner, JuS 2005, 385 (388).

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nicht mehr akzeptabler Weise umgangen wird. Zudem kann es bei der genannten Sichtweise zu einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgebots kommen, da die Rechtfertigungsanforderungen für Schadensersatzpflichten grundlegend anders sind als für Abwehransprüche: Wegen der sich aus der Eigentumsgarantie ergebenden Schutz- und Gewährleistungspflichten muss der Eigentümer ohne Weiteres ein fremdes Verhalten abwehren können, das sich gegen die ihm umfassend zugewiesenen Gebrauchsbefugnisse richtet und auf diese Weise sein Nutzungsrecht vereitelt.260 Der rechtlich gesollten Ordnung, die wiederherzustellen der Eigentümer in der Lage sein muss, widerspricht aber nur das Beschädigt- oder Beeinträchtigtwerden einer Sache durch einen anderen (das Verhalten), nicht dagegen das Beschädigt-/Beeinträchtigtsein (als Resultat des Verhaltens).261 Die Pflicht, die Folgen eingetretener Beeinträchtigungen und Verletzungen zu restituieren oder zu kompensieren, geht vielmehr über die Bewahrung und Wiederherstellung der rechtlich gesollten Befugnisverteilung hinaus.262 Da die Gefahr nachteiliger Veränderungen der Sache grundsätzlich vom Eigentümer selbst zu tragen ist (casum sentit dominus) und zudem die schützenswerten Belange des Schadensverursachers zu berücksichtigen sind,263 bedarf es eines besonderen Zurechnungsgrundes, wenn andere für Schäden ersatzpflichtig sein sollen. Die verfassungsrechtliche Interessenlage unterscheidet sich insoweit bei den beiden Arten von Ansprüchen in erheblicher Weise, da auf Seiten des Eigentümers nicht mehr Substanz(nutzungs)interessen, sondern „nur“ Vermögensinteressen betroffen sind. (b) Rechtfertigung der Kostentragungspflicht für Beseitigungshandlungen Gegen die vorgenommene Differenzierung zwischen den beiden Anspruchstypen könnte eingewandt werden, die Beseitigungspflicht ähnle ohnehin stark der Schadensersatzpflicht, da der Störer die Beseitigung auf seine Kosten vornehmen muss. Die vom Gesetz gewählte Lösung, die Pflicht zur Wiederherstellung der rechtmäßigen Lage dem Störer aufzuerlegen und die dabei anfallenden Kosten bei ihm zu belassen, ist jedoch selbst – wenn auch indirekt – verfassungsrechtlich vorgegeben.264 260 Bei einem solchen muss aber ein Abwehranspruch unbedingt, d.h. ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedarf, bestehen, vgl. oben Teil 3 A.II.2.b). 261 Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (489); ihm folgend Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (460); Picker, FS Gernhuber, S. 336. – Im einen Fall dauert der pflichtauslösende Akt an, im anderen ist er abgeschlossen, vgl. Picker, JuS 1974, 357 (359); ferner Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 270. 262 So auch i. E. Lettl, JuS 2005, 871 (872). 263 Vgl. allg. oben Teil 3 A.II.3.b). 264 Schwächer („reine Zweckmäßigkeitsentscheidung“), sonst aber wie hier Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 165 ff.; ders., FS Gernhuber, S. 341 ff.; ders., JuS 1974, 357 (360, 362); ders., JZ 1976, 370 (371); ders., FG BGH I, S. 706 ff.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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§ 1004 BGB erlegt die Durchführung der Beseitigungsmaßnahme dem Störer auf und überlässt ihm dadurch die Entscheidung, auf welche Weise die Beeinträchtigung beendet werden soll. Sein aus dem Eigentum fließendes alleiniges Handlungs- und Dispositionsrecht im Bezug auf die Sache wird somit auch dann aufrechterhalten und geachtet, wenn von der Sache Störungen ausgehen.265 Stünde dem Beeinträchtigten das Recht zu, selbst geeignete Maßnahmen zur Beendigung der Störung zu ergreifen, wäre die Sache quasi vogelfrei. Durch eine Einwirkungsbefugnis des Beeinträchtigten drohten „Verwicklungen und eine Vervielfältigung der Streitpunkte“;266 die Eigentumsgarantie des Störers würde verletzt und das staatliche Entscheidungs- und Gewaltmonopol partiell außer Kraft gesetzt.267 Bei der geltenden Regelung sind diese gewahrt, da der Eigentümer grundsätzlich erst ein Urteil gegen den Störer erwirken muss, das dann nach den Regeln der ZPO (insbesondere nach § 887 ZPO) vollstreckt wird.268 Nur im Ausnahmefall des § 910 BGB gibt das Gesetz (von den allgemeinen Notrechten abgesehen269) ein Selbsthilferecht. Dieses ist damit gerechtfertigt, dass in den erfassten Situationen nur eine einzige Abhilfemöglichkeit in Betracht kommt und – bereits wegen der Geringfügigkeit270 – weitere Verwicklungen kaum zu befürchten sind, weshalb der Vorteil, der in der Vereinfachung der Störungsbeseitigung liegt, ausnahmsweise überwiegt.271 Die Durchführung der Störungsbeseitigung durch den Störer bringt zwanglos mit sich, dass er mit dem Aufwand und den Kosten der Beseitigung belastet wird, weil sie bei ihm anfallen; diese Wirkung ist daher nicht intendiert, sondern (zur Vindikation); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1390 ff. (auch Rdnr. 1195); Buchholz/ Radke, Jura 1997, 454 (463); ablehnend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 c. 265 Vgl. BGHZ 67, 252 (253); BGH LM BGB § 906 Nr. 25; NJW 1984, 1242 (1243); NJW-RR 2006, 235 (237); LG München I NJW-RR 1989, 1178 (1179); Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 27 f. 266 Mot. III, 426; anknüpfend Picker, JuS 1974, 357 (360); ders., Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 138, 169 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1392. 267 Picker, FS Gernhuber, S. 342; ders., Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 138; vgl. auch ders., JuS 1974, 357 (360); ders., FG BGH I, S. 706 ff. (zur Vindikation); ferner die Ausführungen bei KG NZM 2005, 745 (745 f.). 268 Vgl. auch LG Bonn NJW-RR 1987, 1421 (1421); zu den §§ 887 ff. ZPO und den jeweiligen Vorzügen und Nachteilen der Vollstreckungsmittel vgl. ferner Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 35 ff. 269 Zu ihnen und ihrer Rechtfertigung unten C.I.2. 270 Ebenso KG NZM 2005, 745 (746). 271 Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 169; ders., JuS 1974, 357 (360 ff.); Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 56; Wilhelm, JZ 2004, 629 (629 f.); LG Bonn NJW-RR 1987, 1421 (1421). – Das Verständnis des BGH scheint hiervon abzuweichen, da er ein Nebeneinander von Selbsthilferecht und Abwehranspruch annimmt, BGHZ 60, 235 (241 f.); 97, 231 (234); BGH NJW 1992, 1101 (1102); NJW 2004, 603 (603); LG Saarbrücken NJW-RR 1986, 1341 (1341); H. Roth, JZ 1998, 94 (94) m.w. N.; ebenso KG NZM 2005, 745 (746), das allerdings den Zweck der Justizentlastung ebenfalls anerkennt.

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nur mittelbar und reflexartig.272 Die theoretisch denkbare Alternative, die Beseitigung selbst dem Störer aufzutragen, aber die Kosten dem Eigentümer aufzuerlegen, verbietet sich: Der Charakter des Eigentums als subjektives Recht würde aufgehoben, wenn der Störungsbeseitigungsanspruch durch Überbürdung der Kosten mittelbar beschränkt würde.273 Zudem würden die gleichen Folgeprobleme produziert, weil der Störer keinen Anreiz mehr hätte, die Kollision auf dem wirtschaftlich optimalen Weg zu beseitigen. Die sich ergebende Kostenbelastung des Störers ist daher kein Argument gegen den genannten Einwand, Störungsbeseitigung und Schadensersatz seien strikt zu trennen. (c) Parallelbetrachtung zur Störerhaftung im öffentlichen Recht Die Folge einer schadensersatzähnlichen Haftung lässt sich auch nicht mit der Rechtslage im öffentlichen Sicherheitsrecht legitimieren. Das öffentliche Sicherheitsrecht und das Zivilrecht besitzen verschiedenen Bezugspunkte im Gestalt der jeweils betroffenen Schutzgüter,274 so dass sich entsprechend andere Rechtsfolgen ergeben, obwohl identische Grundsätze gelten: Wird der Eigentümer eines Grundstücks, von dem eine Verseuchung des Grundwassers auszugehen droht, zur Auskofferung und Behandlung des schadstoffbelasteten Erdreichs verpflichtet, so beseitigt dies die gegenwärtige Gefahr für das Grundwasser (und damit das wichtige Allgemeingut Trinkwasserversorgung).275 In einem Zivilrechtsstreit ist diese Anordnung vergleichbar mit dem Verlangen, Wurzeln zurückzuschneiden, damit diese nicht (weiter) auf das Nachbargrundstück vordringen und dort durch Anhebung des Bodens Schäden anrichten, also das Rechtsgut Eigentum gefährden. Der weitergehenden Forderung, auch den von den Wurzeln bereits aufgeworfenen Teerbelag zu reparieren,276 entspräche in der öffentlich-rechtlichen Parallelsituation die Pflicht, eine Ersatzversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser aus Tankwagen zu unternehmen, die infolge der Verseuchung erforderlich geworden ist. Hierauf wird die Störerhaftung jedoch nicht erstreckt, wohl deshalb, weil dies klar Schadensersatz darstellen würde. (d) Versuche zur Einschränkung der Haftung auf der Rechtsfolgenseite Der Bedarf, den Anspruchsumfang zu begrenzen, wird teils auch von Vertretern der genannten Konzeptionen erkannt, doch wird kaum ein klares Kriterium 272 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1395; sachlich ebenso Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 167. 273 Siehe nur H. Roth, JZ 1998, 94 (96) m.w. N. 274 Vgl. oben B.I.1.a)dd)(1); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (480). 275 Vgl. Riedel, ZIP 1999, 94 (96). 276 Anders, wenn der Teerbelag erneuert werden muss, weil dieser erst zum Zweck der Entfernung der Wurzeln aufgerissen werden musste. Vgl. dazu unten B.I.1.a)dd)(4).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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angeführt. Häufig wird z. B. angegeben, die Beseitigungspflicht beziehe sich nur auf die „primäre Störungsquelle selbst, nicht aber auf die Störungsfolgen“.277 Ein überzeugend begründbarer Punkt, an dem die Störerhaftung enden soll, lässt sich jedoch nicht finden.278 Ob die Sache selbst störungsbedingt beschädigt ist und daher in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden kann (wozu § 1004 BGB verpflichten soll) oder ob diese nur nicht genutzt werden konnte und sich daher der Nachteil allein in entgangenem Gewinn manifestiert (was aufgrund von § 1004 BGB nicht verlangt werden könnte) hängt oft nur vom Zufall ab. Eine unterschiedliche Behandlung führt damit zu Wertungswidersprüchen. Ähnliches gilt für die sog. actus-contrarius-Theorie, der zufolge der Inhalt der Beseitigungspflicht gerade die Rückgängigmachung des störenden Verhaltens ist.279 Diese Formel besitzt zwar eine gewisse Klarheit, stößt aber ebenfalls an ihre Grenzen, wenn eine Rückgängigmachung – insbesondere wegen der in den Altlastenfällen typischen Verbindung mit anderen Sachen – nicht möglich ist;280 hier droht wieder die Einführung einer teilweisen Schadensersatzpflicht. Insgesamt zeigt sich damit, dass jeder Versuch, die Rechtsfolgen in nachprüfbarer Weise und anhand greifbarer Kriterien auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß zu begrenzen, scheitern muss.281 (e) Keine Rechtfertigung durch größere Schutzeffektivität Als sachliche Begründung für ein eher weites Verständnis von Inhalt und Reichweite des § 1004 BGB wird angeführt, es sei sinnvoller oder sachgerechter, 277 So etwa Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 240, 242; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 6 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3, VI; Lettl, JuS 2005, 871 (872); Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 b aa. Herrmann, JuS 1994, 273 (276) differenziert zwischen dem „Objektschaden“ und dem sonstigen Vermögensschaden. 278 Ebenso Stoll, AcP 162 (1963), 203 (225); Taupitz, FS Hagen, S. 481 f.; Wilhelm, JZ 2004, 629 (629 f.); Neuner, JuS 2005, 385 (388); vgl. ferner Picker, FS Gernhuber, S. 346, der berechtigterweise fragt, warum nicht auch (was konsequent wäre) verlangt werde, dass der Steinewerfer den Hustensaft für den – wegen der zerstörten Fensterscheibe erkälteten – Bewohner des Raumes bezahlt. 279 F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (489 f.); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 Rdnr. 20; Lettl, JuS 2005, 871 (872); ihren Ergebnissen zustimmend Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 97 ff., 240; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 c; Neuner, JuS 2005, 385 (391); Taupitz, FS Hagen, S. 483 f.; kritisch Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088), der diese Abgrenzung für diffus hält. 280 Vgl. Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (458 f.); Picker, FS Gernhuber, S. 328; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 13 f.; siehe ferner Medicus, FS Hagen, S. 168. 281 Ebenso Picker, FS Gernhuber, S. 323. 331, 357 ff.; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (456, 461); Th. Kahl, Anm. LM § 1004 BGB Nr. 217; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1376 ff.; anders Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (496).

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den Beseitigungsanspruch in Fällen unverschuldeten Handelns auszudehnen, anstatt ihn „leer laufen zu lassen“ 282. Eine weitgehende verschuldensunabhängige Beseitigungshaftung entspreche der Schutzkonzeption des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB,283 während eine Beschränkung des Anspruchs auf ein noch gegenwärtiges Verhalten den Anwendungsbereich der negatorischen Ansprüche erheblich einschränke.284 Daher sei innerhalb des sich eröffnenden „Zwischenbereichs“ eine Haftpflicht des schuldlosen Störers für Schäden aufgrund einer „an den Bedürfnissen der Praxis orientierte(n) wertende(n) Abgrenzung“ – wohl: im Einzelfall – zu bejahen.285 Kernargument ist damit, dass der Eigentumsschutz ein Normverständnis und eine Normauslegung gebiete, bei dem Eigentumsschutz am weitestgehenden verwirklicht werde, und bei einem anderen Verständnis der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das Eigentum nicht ausreichend entsprochen werde.286 Beeinträchtigung und Schaden stellen – wie gezeigt – verschiedene Kategorien dar.287 Die negatorischen Ansprüche erfassen nur Beeinträchtigungen des rechtlichen Könnens und damit noch fortdauernde Einschränkungen der Handlungsmacht, nicht aber deren Folgen, die stattdessen unter den Begriff des Schadens zu subsumieren sind.288 Inhalt und Aufgabe dieser Ansprüche ist ausschließlich, den Zustand wiederherzustellen, der dem Inhalt des absoluten Rechts entspricht.289 Daher ist weder ein „Zwischenbereich“ vorhanden, noch trifft der Vor282

So jeweils Kluth, WiB 1996, 275. So Kluth, WiB 1996, 275; in der Sache ebenso BGH NJW 2005, 1366 (1367), der ausgehend von dem Satz, dass das Eigentum umfassend geschützt sei, ein entsprechende Haftung postuliert. 284 So Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 7. 285 Wenzel, NJW 2005, 241 (243); vgl. auch BGHZ 135, 235 (239) und BGH NJW 2004, 603 (604), die zwar differenzieren, aber dennoch von einer „partiellen Überlappung“ ausgehen. 286 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 55; (implizit) BGH NJW 2005, 1366 (1367). 287 Oben a)cc)(4). Die Notwendigkeit einer strikten Trennung der Rechtsfolgen stellte bereits Mot. III, 424 f. klar; die Haftung (im Sinne von Schadensersatzpflicht) wird gesondert erörtert (S. 427 f.). Dies – wohl in Bezug auf diese Stelle – in Erinnerung rufend auch Wieling, LMK 2003, 183 (184); Lettl, JuS 2005, 871 (872), der lediglich statt „Schaden“ den Begriff der „Beeinträchtigungsfolge“ gebraucht; vgl. ferner RGZ 93, 281 (283); Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (488 f.). 288 Taupitz, FS Hagen, S. 483. 289 Vgl. Mot. III, 423. RGZ 63, 374 (379) lehnte daher eine Erstattung der Aufbaukosten des zerstörten Hauses ausdrücklich ab und stellte stattdessen fest, dass zur Beseitigung der Beeinträchtigung nur die Auswechslung des defekten Rohrs erfolgen müsse; siehe ferner RGZ 93, 281 (283). – Wenn Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 55 unter Berufung auf Mot. III, 393 anführt, der rechtmäßige tatsächliche Zustandes solle wiederhergestellt werden, übersieht sie, dass die Aufgabe der Beeinträchtigung ein tatsächliches Handeln voraussetzten kann. Die Betonung in Mot. III, 422, dass es um die Herstellung eines tatsächlichen Zustandes gehe und der Anspruchs283

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wurf zu, die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das Eigentum werde vernachlässigt: Da das Eigentum – einfachrechtlich wie verfassungsrechtlich – ein Recht ist und der Staat nur dessen (d.h. des Rechtes) Integrität zu achten und vor dem Zugriff Dritter zu bewahren hat, bezieht sich auch die Schutzpflicht primär auf das rechtliche Können. In unbedingter Weise fordert die Schutzpflicht nur, dass der Eigentümer anderen Personen entgegengetreten kann, die in seine Rechtssphäre eindringen. Hierzu genügen Ansprüche, die verpflichten, ein aktives störendes Verhalten einzustellen und vorhandene Zustände zu deaktivieren, von denen Störungen auch ohne aktives Zutun ausgehen. Bei nachteiligen Veränderungen der Sachsubstanz ist der Staat zwar ebenfalls gehalten, Maßnahmen zu ergreifen (d.h. Ansprüche auf Wiederherstellung oder Ersatz zu schaffen), doch muss er dabei auch die Freiheitsinteressen der anderen beachten, so dass ein besonderer Zurechnungsgrund erforderlich ist. Demgegenüber kann die Rechtsusurpationstheorie, die bereits beim Begriff der Beeinträchtigung bei der Unterscheidung von Rechtsübertretung und Schaden ansetzt, beide Bereiche klar voneinander trennen. Nach ihr ist der Anspruch aus § 1004 BGB ausschließlich darauf gerichtet, das gegenwärtige rechtsanmaßende Verhalten zu beenden und für die Zukunft zu unterlassen, so dass der Zustand wiederhergestellt wird, der dem absoluten Recht entspricht.290 (f) Zwischenergebnis Versteht man mit der vorherrschenden Auffassung unter „Beseitigung der Beeinträchtigung“ die Wiederherstellung des früheren tatsächlichen Zustands, ist nicht gewährleistet, dass in allen Fällen verfassungskonforme Ergebnisse erzielt werden. Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten auf der Rechtsfolgenseite weisen die Theorie der negatorischen Kausalhaftung – die darüber hinaus wegen der unbeschränkten Haftung für aktiv verursachte Störungen ausscheiden muss – und die Eigentumstheorie auf. Die Rechtsusurpationstheorie trennt dagegen streng zwischen negatorischem Schutz und Schadensersatz-/Deliktsrecht, die zwei Archetypen rechtlicher Schutzinstrumente mit jeweils eigenständiger Funktion darstellen und erst durch ihr Zusammenwirken eine lückenlose Sicherung subjektiver Rechte und Rechts-

gegner sich gerade kein Recht zu seinem Verhalten zuschreiben müsse, resultiert im Wesentlichen aus einem Klarstellungbedürfnis, da die actio negatoria ursprünglich nur gegen das ausdrückliche Berühmen mit einer Dienstbarkeit gegeben war (statt vieler so F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (475 f.); Olzen, JuS 1984, 328 (330); Picker, FG BGH I, S. 750; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (220 ff.); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 69; allgemein Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 23 Rdnr. 14, § 27 Rdnr. 23). 290 Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (462); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 11; Stoll, AcP 162 (1963), 203 (222).

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güter gewähren.291 Beide ergänzen sich, überschneiden sich aber nicht: Während die Abwehransprüche auf den Schutz des Rechts bzw. Rechtsguts (nicht auf den Erhalt der physischen Integrität der Sache, des Körpers usw.) zielen, schützen die Haftungsnormen primär das Vermögen.292 Erstere wirken gegen gegenwärtiges und künftiges Verhalten, die letztgenannten haben in der Vergangenheit liegende Akte zum Gegenstand.293 Daher unterscheiden sich auch ihre Voraussetzungen; dies beruht auf verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Gefahr, dass beide Rechtsinstitute verschwimmen und eine verschuldensunabhängige Haftung kreiert wird,294 kann bei Heranziehung der Rechtsusurpationstheorie sicher vermieden werden, so dass sie aus verfassungsrechtlicher Sicht vorzugswürdig ist. (3) Übertragbarkeit einzelner verfassungsrechtlicher Anforderungen für das öffentliche Sicherheitsrecht auf den negatorischen Anspruch Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich auch, ob und inwieweit bei den Pflichten des Zustandsstörers im Zivilrecht weitere Einschränkungen vorzunehmen sind, um der neueren Rechtsprechung des BVerfG zu genügen.295 (a) Wegfall der Störerverantwortlichkeit durch Dereliktion Nach überwiegender Auffassung hat die Aufgabe des Eigentums (Dereliktion, § 959 bzw. § 928 BGB) keine Auswirkungen auf eine bereits begründete zivilrechtliche Störerverantwortlichkeit.296 Bei einer Veräußerung erlischt demgegenüber die Störerverantwortlichkeit des bisherigen Rechtsinhabers.297 Damit ergibt sich eine weitgehende Kongruenz mit der Rechtslage im öffentlichen Polizei- und Sicherheitsrecht, das für den Fall der Dereliktion die Fortdauer der Störungsbeseitigungspflicht anordnet und lediglich in § 4 Abs. 6 BBodSchG eine „Nachhaftung“ des Alteigentümers vorsieht.298

291 Picker, FS Gernhuber, S. 330, 334 f., 338, 366; ähnlich bereits ders., JZ 1976, 370 (371); Katzenstein, NZM 2008, 594 (600 f.); vgl. ferner Reinhardt, JZ 1961, 713 (717). 292 Picker, FS Gernhuber, S. 332; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (456, 459); oben Teil 3 A.II.3.d). 293 Picker, JuS 1974, 357 (359). 294 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1374 ff. 295 Vgl. dazu Neuner, JuS 2005, 385 (389 ff.), der eine volle Übertragbarkeit der Grundsätze annimmt; für eine Begrenzung ferner Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI 2. 296 Vgl. oben cc) unter (1), (2) und (3). 297 BGHZ 41, 393 (397 f.); BGH NJW 1998, 3273 (3273)). 298 Vgl. oben B.I.1.a)bb)(1).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Nach der Rechtsusurpationstheorie endet demgegenüber die Störungsbeseitigungspflicht, sobald der Störer das Eigentum an der Sache, von der die Beeinträchtigung ausgeht, aufgibt. Der (ehemalige) Eigentümer maßt sich dann keine Herrschaft über die fremde Sphäre mehr an; zudem bedarf der Rechtsgutsträger der negatorischen Ansprüche nicht mehr, da er der Störung nun selbst abhelfen kann, ohne Rechte anderer zu verletzen. Ersatz der entstehenden Kosten kann er vom Alteigentümer nur erhalten, soweit eine (andere) Anspruchsgrundlage erfüllt ist.299 Diese Konsequenz ist einer der Hauptansatzpunkte der Kritik an der Rechtsusurpationstheorie,300 die darauf gestützt wird, es sei nicht einzusehen, weshalb derjenige, der mit dem Steinewerfen aufhört, nicht unabhängig von einem Verschulden verpflichtet sein solle, die Steine zu entfernen.301 Die Möglichkeit, durch eine Dereliktion die negatorischen Beseitigungsansprüche entfallen zu lassen, schränke deren Effektivität erheblich ein.302 Die Billigkeit mag nahe legen, die Eigentumsaufgabe mit dem Ziel, sich von der Pflicht zur Störungsbeseitigung und der Kostenlast zu befreien, als unbeachtlich anzusehen. Der Eindruck, der Eigentumsschutz werde hierdurch in unzulässiger Weise vermindert, schwindet jedoch wiederum, wenn man auch die Interessen des (ehemaligen) Eigentümers der Sache betrachtet, von der die Störung ausgeht. Wird ihm die Beseitigungslast auferlegt, obwohl er nicht mehr durch die Ausübung der Herrschaft die Rechtssphäre des anderen beeinträchtigt, wird er wegen eines vorangegangenen Verhaltens zu etwas verpflichtet, das über das Gebot hinausgeht, sich nunmehr rechtmäßig zu verhalten. Dies erfordert, auch seine Belange zu berücksichtigen. Zum gleichen Ergebnis führt die Überlegung, die einfachgesetzlichen Bestimmungen und richterlichen Rechtssätze, nach denen die Dereliktion die Störungs299 Das schadensersatzbegründende Verhalten kann dabei u. U. sogar in der Dereliktionshandlung selbst liegen, vgl. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 160 f.; ders., FS Gernhuber, S. 338 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1385; Gursky, JZ 1996, 683 (684) gegen BGH JZ 1996, 682 (682). Siehe ferner Katzenstein, NZM 2008, 594 (597 ff.). 300 Siehe etwa Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088); MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnrn. 34, 39; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 d; Lettl, JuS 2005, 871 (874); Medicus, FS Hagen, S. 168; Neuner, JuS 2005, 385 (388 f.) (der der Rechtsusurpationstheorie i. Ü. dogmatische Vorzüge bescheinigt und ihr in JuS 2005, 487 (488) sachlich folgt); H. Roth, JZ 1998, 94 (95); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (472, 497); BGH NJW 2005, 1366 (1367). – Die dabei meist vorgetragene Argumentation ist bezeichnend für die unterschiedlichen Blickwinkel: Unter Hinweis auf Mot. III, 425 f. wird auf den gesetzgeberischen Willen verwiesen, die Beseitigungskosten dem Störer aufzuerlegen; dabei wird jedoch nicht problematisiert, wie lange die Störereigenschaft/ Beseitigungspflicht eigentlich andauert. 301 Vgl. BGH JZ 1996, 682 (682); NJW-RR 2001, 232 (232); speziell zur fehlenden Gleichwertigkeit der deliktischen Schadensersatzansprüche BGH NJW 2005, 1366 (1367); NJW 2007, 2182 (2182). Gegen die Geeignetheit des o. g. Beispiels aber Taupitz, FS Hagen, S. 482. 302 BGH NJW 2007, 2182 (2182).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

beseitigungspflicht nicht entfallen lässt, als partielle Verbote der Eigentumsaufgabe zu verstehen. Die Bestimmungen wären dann Einschränkungen der von Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Verfügungsbefugnis. Die Haftung des gegenwärtigen Eigentümers als Zustandsstörer im öffentlichen Recht basiert im Wesentlichen auf der Sozialbindung des Eigentums. Die Allgemeinwohlgüter, die dort gefährdet sind, sind typischerweise derart gewichtig, dass der Staat den bisherigen Eigentümer nicht nur „in die Pflicht nehmen“ sondern ihn auch „in der Pflicht halten“ darf, so dass er auch dann die Beseitigungslast einschließlich der Kosten tragen muss, wenn er das Eigentum aufgibt.303 Nur in Ausnahmefällen – wenn er nämlich keinen Beitrag zur Entstehung der Situation geleistet hat und auch sonst seine Inanspruchnahme unzumutbar ist – muss eine Begrenzung der Zustandsstörerverantwortlichkeit erfolgen.304 Demgegenüber beruht die zivilrechtliche Störerverantwortlichkeit primär auf dem Charakter des Eigentums als subjektives privates Recht. Es stehen sich zwei grundsätzlich ähnlich gewichtige Interessen auf Entfaltung bzw. Integritätsschutz gegenüber. Verbietet man dem Eigentümer der störungsauslösenden Sache, das Eigentum daran aufzuerlegen, wird ihm ein Verbot auferlegt, das an ein vorangegangenes Verhalten knüpft. Damit ergibt sich auch bei dieser Betrachtung, dass es eines Zurechnungsgrundes bedarf, was wiederum ein entsprechendes Interessenübergewicht verlangt. Da die negatorischen Ansprüche einen solchen gerade nicht enthalten, sind sie mithin insgesamt nicht geeignet, eine Verpflichtung eines ehemaligen Eigentümers zu begründen.305

303 Demgegenüber lässt sich die Nachhaftung aus § 4 Abs. 6 BBodSchG nicht unmittelbar mit der Sozialpflichtigkeit rechtfertigen, da diese grundsätzlich auf die Zeit begrenzt ist, in der der Betroffene Rechtsinhaber ist (Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (724 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356)). Eine besondere Verantwortung des früheren Eigentümers, der das Grundstück veräußert hat, ist lediglich darin zu sehen, dass er durch seine Verfügung eine unmittelbare Ursache für die Gefahr setzt, dass später kein zahlungsfähiger Sanierungsverantwortlicher greifbar ist. Der frühere Eigentümer kann daher nur insoweit in Anspruch genommen werden als sich gerade dieses Risiko verwirklicht (vgl. jeweils Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (726 f.); Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1013). Riedel, ZIP 1999, 94 (98); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356)). 304 Oben B.I.1.a)bb)(2). 305 Kein gangbarer Weg ist damit auch, eine Dereliktion, die allein darauf abzielt, der eigenen Verantwortlichkeit zu entgehen, als sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) oder jedenfalls treuwidrig (§ 242 BGB) anzusehen, wie es Neuner, JuS 2005, 385 (389) offenbar tun will. Zwar sind die § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB auf die Dereliktion ein einseitiges Rechtsgeschäft (Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 29; Palandt/Bassenge, § 959 Rdnr. 1) anwendbar. Wenn aber eine Pflicht zur Restitution noch nicht allein deswegen besteht, weil eine eigene Sache fremdes Eigentum beeinträchtigt, kann auch die Aufgabe des Eigentums als solche keine Haftung auslösen (ebenso Picker, FS Gernhuber S. 339; ferner BayObLGZ 1983, 85 (88)).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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(b) Bedarf und Vereinbarkeit einer weiteren Einschränkung der Haftung des Zustandsstörers auf Beseitigung – Anwendbarkeit von § 251, § 254 und § 275 Abs. 2 BGB Die zivilrechtliche Pflicht zur Beseitigung der Störung einschließlich der Kostentragung kann dem Störer weitreichende Lasten auferlegen, wenn hierzu ein bereits bestehender tatsächlicher Zustand („Störungsquelle“) verändert werden muss, etwa, wenn ein Felshang befestigt oder ein überstehendes Gebäude abgebrochen werden muss. Da die sicherheitsrechtliche Zustandsstörerhaftung im Fall einer „Opferposition“ aus verfassungsrechtlichen Gründen zu begrenzen ist, liegt nahe, auch im Zivilrecht eine Einschränkung der Störungsbeseitigungspflicht anhand von situationsbezogenen Zumutbarkeitskriterien vorzunehmen.306 Einfachrechtlich ließe sich eine derartige Einschränkung der Störungsbeseitigungspflicht auf eine entsprechender Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB, von § 275 Abs. 2 BGB, von § 250 BGB oder von § 254 BGB (reduziert auf die Frage der Mitverursachung307) stützen.308 Für die Anwendung dieser Bestimmungen soll ferner sprechen, dass der Störer andernfalls bei verschuldeten Schäden besser stünde als bei unverschuldeten, weil auf den Schadensersatzanspruch § 251 Abs. 2 BGB und § 254 BGB anwenden sind. Wurde beispielsweise ein Gebäude unter Verletzung einer nachbarschützenden Dienstbarkeit zu hoch errichtet, verpflichtet § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB dazu, dieses abzutragen; fällt dem Bauherrn Verschulden zur Last, findet dagegen § 823 Abs. 1 BGB Anwendung, so dass § 251 Abs. 1 BGB heranzuziehen ist und im Fall einer nur geringen Überschreitung eine Pflicht zur Abtragung des Bauwerks ausschließt.309 306 Vgl. Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (499 f.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/ 2, § 86 VI 2 b; Neuner, JuS 2005, 385 (390 f.), der generell eine hälftige Teilung vorschlägt. Sein Hinweis auf Rawls ist jedoch fehlerhaft: Der Test mit dem „Schleier des Nichtwissens“ (vgl. oben Teil 2 C.I.4.b)bb)(1), in Fn. 1031) führt keineswegs dazu, dass in jeder Situation eine Halbteilung des Schadens angemessen ist. Oft ist der Gerechtigkeitsgehalt einer 100:0-Lösung so groß und überzeugend, dass nur sie allgemein konsensfähig ist. 307 Vgl. Lettl, JuS 2005, 871 (877); beiläufig auch in BGHZ 135, 235 (240). 308 Siehe etwa (jeweils m.w. N.) BGHZ 135, 235 (239 ff.); BGH NJW 2008, 3122 (3123); NJW 2008, 3123 (3124 f.); NJW 2010, 2341 (2341 f.); LG Bad Frankenthal NJW 1955, 263 (263); KG NZM 2008, 700 (700); Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3089 f.); Lettl, JuS 2005, 871 (874 ff.); v. Thur, JhJb. 46 (1904), 38 (52 ff.); M. Wolf, LM BGB § 254 (Bb) Nr. 13; vgl. ferner RGZ 127, 29 (35); 138, 327 (329) und Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnrn. 68 f. Sieht man § 1004 BGB als kupierten Schadensersatzanspruch an, ist dies durchaus konsequent (Medicus, FS Hagen, S. 161). – Gegen die Anwendung von § 251 und § 254 auf § 1004 BGB MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnrn. 113 ff.; Soergel/Martens, § 254 Rdnr. 15; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 65 f.; Medicus, FS Hagen, S. 169 f.; H. Roth, JZ 1998, 94 (94 ff.); Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 578; RGZ 51, 408 (410 f.); 93, 100 (106); sowie alle Vertreter der Rechtsusurpationstheorie: Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 162 f.; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 154 ff. m.w. N. 309 Vgl. v. Thur, JhJb. 46 (1904), 38 (54); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI 2 a; Lettl, JuS 2005, 871 (877). – Eingehend zu den Fällen des § 912 BGB unten B.II.2.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Zweck und Aufgabe der negatorischen Ansprüche ist der Schutz des Rechts des Eigentümers, dem die Beeinträchtigungen zum Nachteil gereichen. Eine Verletzung eines subjektiven Rechts muss wegen Art. 14 GG unbedingt ausgeräumt werden können; jede Einschränkung des Abwehranspruchs bedeutet eine Beschränkung des Inhalts des subjektiven Rechts.310 Eine Lösung, nach der sich einerseits die Pflicht zur Störungsbeseitigung auf ein noch aktuelles Verhalten beschränkt, andererseits keine weiteren Begrenzungen bestehen, ist daher mit der Verfassung vereinbar. Da sich die Ansprüche nur gegen ein aktuelles Verhalten richten, ist umgekehrt eine einzelfallorientierte Einschränkung der Abwehrrechte des Eigentümers auf der Rechtsfolgenseite verfassungsrechtlich nicht etwa geboten, sondern unzulässig,311 weil derartige Beeinträchtigungen abgewehrt werden können müssen. Der vermeintliche Wertungswiderspruch besteht dann ebenfalls nicht, da der Schadensersatzanspruch (auf den § 251 und § 254 BGB Anwendung finden) die Nachteile erfasst, die bereits eingetreten sind (d.h. die Folgen der Verschattung), während der Beseitigungsanspruch allein die Frage betrifft, ob der Nachbar jetzt und künftig für die Einhaltung der Vorschriften sorgen muss. Der Vorrang der Integrität des Rechts gegenüber denkbaren Verschonungsinteressen des Störers schließt allerdings nicht absolut aus, dass der Gesetzgeber situative Einschränkungen speziell des negatorischen Beseitigungsanspruchs (nicht aber des Unterlassungsanspruchs) vorsieht, um wichtigen Belangen des Anspruchsverpflichteten und/oder des Allgemeinwohls zu entsprechen.312 So schließt § 912 BGB den negatorischen Anspruch gegen einen „erfolgten“ schuldlosen Überbau aus, um nicht die bereits geschaffenen wirtschaftlichen Werte zu vernichten, obwohl ein Unterlassungsanspruch gegen einen künftigen oder gegenwärtigen Überbauvorgang besteht.313 In ähnlicher Weise begrenzt § 101 Abs. 2 Nr. 1 UrhG den urheberrechtlichen Vernichtungsanspruch, damit nicht Bauwerke zerstört werden müssen, und wandelt § 101 Abs. 1 UrhG bei schuldlosem Verletzungen im Interesse am Erhalt erzeugter Werkstücke den Vernichtungsanspruch in einen Entschädigungsanspruch um. Solche Beschränkungen müssen jedoch hinreichend klar vom Gesetzgeber angeordnet sein. § 251 Abs. 2 BGB und § 254 BGB genügen dieser Anforderung nicht, weil sich diese Bestimmungen gesetzessystematisch nicht auf Beseitigungsansprüche (sondern auf Schadensersatzansprüche) beziehen. Der Umstand, dass mit § 912 BGB und § 101 UrhG

310 Vgl. oben (2)(b); ferner Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (461); Staudinger/ Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 156 m.w. N.; Th. Kahl, Anm. LM § 1004 BGB Nr. 217; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 163; RGZ 51, 408 (411): die gegenteilige Ansicht würde „auf einem Umwege zur Enteignung des Eigentums führen“. 311 Vgl. Kolbe, NJW 2008, 3618 (3619): „Abwägung im Einzelfall passt nicht zu den Ansprüchen aus § 1004 I BGB“; gegen eine generelle Reduzierung der Verantwortlichkeit des Zustandsstörers auf eine Duldungspflicht auch BGH MDR 2010, 688 (688). 312 A.A. – ohne nähere Begründung – Kolbe, NJW 2008, 3618 (3620). 313 Vgl. BGH NJW 1971, 426 (428).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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vereinzelte Bestimmungen bestehen, zeigt zudem, dass für eine derartige Einschränkung der Rechtsfolgen gewichtige Interessen des Störers und/oder der Allgemeinheit erkennbar sein müssen. Ein Rückgriff auf § 251 Abs. 2 BGB ist damit auch deshalb unzulässig, weil die vorrangigen Wertungen etwa des § 912 BGB (nur grobe Fahrlässigkeit; erheblicher wirtschaftlicher Wert) umgangen würden.314 Diese Einwände gelten in gleicher Weise für die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB.315 Fehlen derartige Sonderregelungen, ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag vollumfänglich verwirklichen wollte. Da keine Pflicht besteht, die Bestandschutzinteressen des (sich rechtswidrig verhaltenden) Störers über die Rechtsverwirklichungsinteressen des Rechtsinhabers zu stellen, erweist sich die positivrechtliche Lage insoweit nicht als defizitär.316 Über die explizit geregelten Fälle hinaus sind Einschränkungen des § 1004 Abs. 1 BGB daher nicht möglich. (c) Figur des „mittelbaren Störers“ und „Vorrangige Inanspruchnahme des Handlungsstörers“ Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Störerhaftung gilt der Satz, dass in Fällen, in denen mehrere Personen der Störung gleich effektiv abhelfen können, vorrangig ein Handlungsstörer in Anspruch zu nehmen ist. Hauptkriterium bei der Störerauswahl ist zwar, wer am besten (tatsächlich und wirtschaftlich) zur Beseitigung der Gefahr in der Lage ist. Bei der Ermessensausübung sei jedoch auch zu beachten, dass der Handlungsstörer grundsätzlich – wenn also andere Gesichtspunkte nicht Abweichendes gebieten – vorrangig heranzuziehen ist.317 Wesentlicher Grund dieser Präferenzregel dürfte die Gerechtigkeitsüberlegung sein, dass auf diese Weise derjenige mit den Kosten belastet wird, der sie auch endgültig tragen soll; dies ist nach dem Verursacherprinzip i. d. R. derjenige, der die Gefahr, Bodenbelastung etc. herbeigeführt hat.318 Wenngleich der gesamte Komplex des Innenverhältnisses einschließlich eines finanziellen Ausgleichs unter mehreren Störern außerhalb des Regelungsbereiches des Polizeirechts liegt 314

Vgl. MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 115; H. Roth, JZ 1998, 94 (95 f.). Vgl. Gsell, LMK 2008, 266937; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 154; Kolbe, NJW 2008, 3618 (3618). 316 Eine Grenze ist lediglich in den bereits erörterten Fällen der Schikane (§ 226 BGB) u. ä. erreicht. 317 Vgl. BayVGH NVwZ 1986, 942 (945); NVwZ 1987, 912 (912); NVwZ-RR 1997, 617 (618); NVwZ 2001, 458 (458 f.), die aber z. T. die Schwierigkeit betonen, dass in der akuten Gefahrensituation die für die interne Haftungsverteilung maßgeblichen Aspekte oft nicht bekannt sind; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (500 ff.); Leinemann, VersR 1992, 25 (25). 318 Vgl. BayVGH NVwZ 1986, 942 (945); NVwZ 1987, 912 (912); Taupitz, FS Hagen, S. 469 f.; Leinemann, VersR 1992, 25 (25); nun BGHZ 158, 354 (362, 369) und G. Wagner, JZ 2005, 150 (150 f.) unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum BBodSchG und den dortigen Ausgleichsanspruch (§ 24 Abs. 2 BBodSchG). 315

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und der Beantwortung durch das bürgerliche Recht überlassen ist,319 spricht daher nichts dagegen, sich bereits bei der Störerauswahl – wenn auch als nachrangiges Kriterium – am wahrscheinlichen Ergebnis der zivilrechtlichen Beurteilung zu orientieren.320 Umso größere Bedeutung hat dieser Aspekt als nach h. M. eine „allgemeine“ Pflicht zum Ausgleich unter mehreren Störern nicht besteht, die Inanspruchnahme durch die Behörde beim Fehlen besonderer Ansprüche (z. B. aus einem Kaufvertrag) so endgültig über die Kostenlast entscheidet.321 Situationen, in denen mehrere Personen für die Störungsbeseitigung in Betracht kommen, können auch im Zusammenhang mit § 1004 BGB auftreten. Insbesondere kann neben den eigentlich Handelnden ein sog. „mittelbarer Störer“ treten:322 Als Handlungsstörer wird auch angesehen, wer eine Beeinträchtigung durch einen anderen in adäquater Weise durch seine eigene Willensbetätigung verursacht.323 Die Rechtsusurpationstheorie kennt den „mittelbaren Störer“ ebenfalls, da eine Anmaßung fremder Eigentumsbefugnisse nicht notwendig allein durch ein eigenes Verhalten, sondern auch durch die Duldung oder Billigung fremden Verhaltens erfolgen kann.324 Typische Fälle mittelbarer Störungen sind das unzureichende Einschreiten gegen Mieter, die nachbarrechtlichen Bestimmungen zuwiderhandeln,325 und die Weitergabe von Werbematerial an Personen, 319 Vgl. BGHZ 98, 235 (240); 110, 313 (318): Das Polizeirecht darf keine abschließende Regelung treffen, weil es sich um eine bürgerlichrechtliche Frage handelt, deren Entscheidung den ordentlichen Gerichten und der Zivilgesetzgebung vorbehalten ist. 320 BayVGH NVwZ 1986, 942 (945 f.); NVwZ 1998, 1195 (1196); OVG Lüneburg NJW 1998, 97 (98 f.); BVerwG NVwZ 1990, 474 (475). Dagegen verneint BayVGH NVwZ 2001, 458 (458 f.) eine Pflicht, das zivilrechtliche Innenverhältnis zu berücksichtigen. 321 Vgl. BGHZ 98, 235 (240); 110, 313 (318); BGH NJW 1981, 2457 (2458); NJW 2006, 3628 (3631) m.w. N.; Leinemann, VersR 1992, 25 (26 ff.). Die Anwendung von § 426 BGB halten für vorzugswürdig Leinemann, VersR 1992, 25 (29 f.); Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (503 f.). Für das BBodSchG findet sich eine ausdrückliche Regelung in § 24 Abs. 2 BBodSchG; zu ihr Neuner, JuS 2005, 385 (390); Riedel, ZIP 1999, 94 (99 f.); BGHZ 158, 354 ff. 322 Soweit ersichtlich, taucht die Konstellation erstmals in der Entscheidung OLG Colmar OLGE 5 (1902), 386 (386) auf. 323 BGHZ 49, 340 (347); 144, 200 (203); NJW-RR 2003, 1235 (1235, 1236); BGH NJW 1982, 440 (440); NJW 1992, 1101 (1101 f.); JZ 1961, 498 (498); OLG Koblenz OLGR 2001, 117 (117 f.); NJW-RR 2002, 1031 (1032); NJW 2003, 2837 (2837); Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 12, 290. 324 Vgl. Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnrn. 122 ff.; Westermann/Gursky, § 35 Rdnr. 15. – Vgl. ferner Herrmann, JuS 1994, 273 (281 f.), die ebenfalls das Verhalten beider als klaual ansieht, aber zur Eingrenzung die schadensersatzrechtliche Figur der Unterbrechung des Kausalverlaufs heranzieht (dem folgend OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1031 (1033)). Zum Begründungsansatz der Eigentumstheorie siehe schließlich Pleyer, JZ 1961, 499 (500). 325 BGH NJW 1967, 246; BGHZ 144, 200 (204) unter Berufung auf RGZ 47, 162 (163 f.); BGHZ 97, 25 (26); 134, 231 (234); 159, 129 (136); BGH NJW 2006, 992 (993); Lutter/Overrath, JZ 1968, 345 (345 ff.); auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 2 b.

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die dieses unter Missachtung von Verboten anbringen oder einwerfen.326 Die besondere Nähe des mittelbaren Störers zur Störung liegt in den Vermietungsfällen darin, dass die Überlassung des Besitzes an dem Grundstück die Einwirkung auf das Nachbargrundstück erst ermöglicht;327 in den Fällen der unerwünschten Briefkastenwerbung ergibt sie sich daraus, dass der Werbende die Verteilung der Zettel oder Prospekte durch die Austräger veranlasst hat.328 Haben die Vermieter/Initiatoren für die Wahrung einer fremden Rechtssphäre zu sorgen, dürfen sie sich nicht hinter einem anderen verstecken.329 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Figur des „mittelbaren Störers“ bestehen nicht. Zwar ist die Möglichkeit zur Störungsbeseitigung Grundvoraussetzung jeder Verantwortlichkeit. Diesem Erfordernis wird aber dadurch entsprochen, dass die Rechtsfolge bei mittelbaren Störungen auf das Verhalten gerichtet ist, das einerseits zur Beendigung erforderlich,330 andererseits dem Störer möglich und zumutbar ist.331 Die Verpflichtung des mittelbaren Störers besteht daher regelmäßig332 darin, auf den unmittelbaren Störer mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumenten (Aufforderung zur Einhaltung der Regeln; Abmahnung; Kündigung) einzuwirken. Selbst die Pflicht zur Vollbeendigung des Vertragsverhältnisses verstößt dabei nicht gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit, da sie zwar das einschneidendste,333 zugleich aber auch das denkbar effektivste Mittel darstellt, um weitere Einwirkungen zu verhindern.334 Wegen dieses Gegengewichts in der Abwägung von Effektivität und Gefahrenintensität mit der 326 BGHZ 106, 229 (235); OLG Koblenz NJW 2003, 2837 (2837 f.); OLGR 2001, 117 (117 f.); NJW-RR 2002, 1031 (1031 ff.); ausführlich zur Thematik unten B.I.1. c)cc), insbes. S. 462. 327 Vgl. BGHZ 144, 200 (204). 328 Vgl. BGHZ 106, 229 (235). 329 Siehe dazu BGHZ 144, 200 (204) m.w. N.; BGH NJW 1998, 3273 (3273); NJW 1983, 751 (751). Ebenso für die Pflichten innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft BGHZ 129, 329 (335). 330 Vgl. BGHZ 106, 229 (235): es seien alle zu Gebote stehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten auszuschöpfen (exemplarisch wird hierzu eine Vertragsstrafenvereinbarung genannt, S. 236); ferner BGHZ 129, 329 (335); BGH NJW 1982, 440 (441); OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1031 (1032 f.); OLG Düsseldorf NZM 2006, 782 (783). Der BGH will die Details aber dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten, vgl. BGHZ 129, 329 (335). Vgl. ferner Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 135 f. 331 Vgl. BGH NJW 1982, 440 (440); NJW 1998, 3273 (3273); BayObLG NJWEMietR 1996, 60 (61); OLG Koblenz NJW 2003, 2837 (2837 f.); Lutter/Overrath, JZ 1968, 345 (353); zusammengefasst BGH NJW 2007, 432 (433): in dem Maße, in dem er in zurechenbarer Weise an der Beeinträchtigung mitwirkt. 332 Soweit dem mittelbaren Störer im Einzelfall unmittelbare Verhinderung der Störung möglich ist, schuldet er diese, vgl. BGHZ 49, 340 (347). 333 Vgl. BGH JZ 1961, 498 (499). 334 Siehe dazu auch H. Roth, Anm. LM BGB § 1004 Nr. 246; Lutter/Overrath, JZ 1968, 345 (352).

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Belastung ist ein Verstoß gegen das Übermaßverbot daher regelmäßig nicht zu befürchten. Die Figur des mittelbaren Störers begegnet damit keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Somit stellt sich auch im Zivilrecht die Frage, ob und welche Kriterien für die Auswahl bestehen.335 Ein rechtliches Gebot, bei gleichzeitigem Vorhandensein eines Handlungs- und eines Zustandsstörers vorrangig den erstgenannten heranzuziehen, kann hier gleichwohl nicht gelten. Ebenso wie eine Behörde wird sich der Eigentümer zwar bei seiner Auswahl daran orientieren, wer die Störungsbeseitigung am effektivsten bewirken (können) wird.336 Während das öffentliche Recht aber durch das „kann“ in den sicherheitsrechtlichen Tatbeständen ein Ermessen ausdrückt und somit der Behörde vorschreibt, die Regeln sachgerechter Entscheidung zu beachten (vgl. Art. 40 BayVwVfG), fehlt im Zivilrecht eine entsprechende Verpflichtung. Ein Anspruchsinhaber kann vielmehr jeden heranziehen, gegenüber dem er einen Anspruch besitzt; sich hierbei daran zu orientieren, von wem er am einfachsten und effektivsten die Leistung (i. w. S.) erhalten kann, entspricht zwar der Zweckmäßigkeit und Klugheit, ist aber nicht rechtlich vorgegeben. Dem Aspekt, dass die einzelnen Anspruchsgegner mehr oder weniger zu der Störung beigetragen haben und nur bedingt zur Beendigung der Störung in der Lage sein, wird – wie beschrieben – bereits durch die konkrete Rechtsfolge des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB Rechnung getragen. Im Übrigen wird es den Anspruchsverpflichteten überlassen, für einen gerechten Ausgleich untereinander zu sorgen (vgl. § 830 und § 840 i.V. m. § 426 BGB für Schadensersatzansprüche). Der Eigentümer darf seine Auswahl daher frei, insbesondere ohne Rücksicht auf Verhältnismäßigkeitsaspekte, treffen.337 Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit des Zustandsstörers und eine Pflicht des Eigentümers, sich vorrangig an einen Handlungsstörer bzw. einen „unmittelbaren Störer“ zu wenden, sind daher weder möglich noch erforderlich. (4) Ersatz von Schäden bei der Durchführung der Störungsbeseitigungsmaßnahme Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Störungsbeseitigung ist schließlich von Interesse, wer die Kosten für Schäden tragen muss, die bei der Durchführung der Beseitigungsmaßnahme entstehen.338 Die Wiederherstellung der Integrität der 335 Vgl. Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 17; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (500 ff.). 336 Gewährt die Rechtsordnung einem Rechtsinhaber Ansprüche gegen mehrere Personen, hat dies häufig gerade den Grund, die Durchsetzbarkeit der Ansprüche zu sichern und das Insolvenzrisiko auf die Schädiger/Störer abzuwälzen. Vgl. Staudinger/ Vieweg (2008), § 840 Rdnrn. 2, 43 f. 337 Vgl. Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 18; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (501 f.).

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„sonstigen“ Rechte und Rechtsgüter stellt einen „echten“ Schadensersatz dar, der nur mittelbar etwas mit dem Beseitigungsanspruch selbst zu tun hat.339 Die Ersatzpflicht des beseitigungspflichtigen Störers ergibt sich hier aus folgender Überlegung: Muss der Störer, um seine Pflicht zu erfüllen, fremdes Eigentum noch weiter verletzen, bedürfte er grundsätzlich der Einwilligung des Eigentümer. Diese darf der Eigentümer zwar redlicherweise nicht verweigern, weil er sich widersprüchlich verhalten würde, wenn er einerseits Beseitigung verlangt, andererseits eine notwendige und zumutbare eigene Mitwirkungshandlung ablehnt. Der Eigentümer muss die Einwilligung jedoch wiederum billigerweise nur erteilen, wenn der Störer im Gegenzug die Reparaturkosten übernimmt. Die Situation gleicht insoweit den Fällen, für die § 867, § 1005 und § 962 S. 3 BGB ein Abholungsrecht gewähren und eine Schadensersatzpflicht vorsehen. Die Ersatzpflicht stellt sich damit als Folge und Preis der Einwilligung und der sie ersetzenden Gestattung durch das Gesetz dar.340 In der Sache liegt somit wiederum eine Aufopferung vor, weil eine zum Schaden führende Beeinträchtigung wegen eines anderen Interesses – nämlich: die eigene Störungsbeseitigungspflicht erfüllen zu können – ausnahmsweise erfolgen darf.341 Einfachrechtlich lässt sich dieser Ersatzanspruch auf eine Analogie zu § 867, § 1005 und § 962 S. 3 BGB stützen.342 b) Zulässiges Maß an Einwirkungen Vorgaben entfaltet das Verfassungsrecht auch für die Frage, welche Arten und welches Maß an Einwirkungen erlaubt sein dürfen und müssen. Die wichtigsten einfachrechtlichen Bestimmungen für die Zulässigkeit von Einwirkungen finden sich in § 906 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB. Die dort geregelten Duldungspflichten reagieren darauf, dass sich bestimmte Emissionen weit338 Vgl. BGHZ 135, 235 (238 ff.); BGH NJW 2005, 1366 (1368); KG NZM 2008, 700 (701). 339 Zutreffend G. Vollkommer, NJW 1999, 3539 (3539): Es geht „mehr um die praktische Durchsetzung dieses Anspruchs, weniger um den Umfang des Beseitigungsanspruchs“; H. Roth, JZ 1998, 94 (95); vgl. ferner BGH NJW 2005, 1366 (1368); den Unterschied nicht berücksichtigend M. Wolf, LM BGB § 254 (Bb) Nr. 13. 340 Vgl. G. Vollkommer, NJW 1999, 3539 (3539). – Demgegenüber stellt M. Wolf, LM BGB § 254 (Bb) Nr. 13 primär auf den Gedanken der Risikozuweisung ab. 341 G. Vollkommer, NJW 1999, 3539 (3539 f.) hebt hervor, dass bei § 867 BGB der Eigentümer ein wirtschaftliches Interesse daran hat, die Sache wiederzuerlangen, in den hier behandelten Fällen dagegen nicht. Dieser Unterschied lässt sich allerdings auch so überbrücken, dass an die Stelle des „echten“ Eigeninteresses das „normativ auferlegte“ Interesse tritt, der Störung abzuhelfen. 342 Ebenso Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 165; Staudinger/ Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 162; ferner G. Vollkommer, NJW 1999, 3539 (3539), der zudem auf § 811 Abs. 2 S. 1 BGB hinweist. – Anders H. Roth, JZ 1998, 94 (96), der § 823 Abs. 1 BGB anwendet und eine Ersatzpflicht mangels Verschuldens verneint.

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gehend unbeherrscht und unkontrollierbar ausbreiten und deshalb eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Grundstücksnachbarn erfolgen muss:343 Den Eigentümern der Nachbargrundstücke ist ein Ausweichen regelmäßig nicht möglich, weil sie ihre eigenen Pläne mit der Nutzung ihrer Grundstücke aufgeben und u. U. Wertverluste hinnehmen müssten. Ein vollständiges Verbot jeglicher Einwirkungen, das erforderlich wäre, um Störungen anderer absolut auszuschließen, würde umgekehrt weitreichende Verbote für die Grundstücksnutzung bedeuten. Die Pflicht, ein gewisses Maß an Belastungen hinzunehmen, dient somit der sinnvollen Ausnutzung der Nutzungspotentiale von Grundstücken.344 Ohne eine solche Regelung würde das Eigentum „an seiner eigenen Konsequenz zu Grunde gehen“ und würde ein „perpetuierliche(r) nachbarliche(r) Kriegszustand“ ausgelöst.345 Im verfassungsrechtlichen Kontext sind bei § 906 BGB die darin enthaltenen ausfüllungsbedürftigen Begriffe („wesentlich“, „ortsüblich“ und „wirtschaftlich zumutbar“, ferner „angemessener Ausgleich“) von besonderem Interesse. § 906 BGB enthält allerdings auch Verweisungen oder Bezugnahmen auf Vorschriften aus anderen Regelungsbereichen; darüber hinaus schränkt der lex-specialis-Satz seinen Anwendungsbereich ein. Daher ist zunächst auf derartige Wechselwirkungen mit anderen Normen einzugehen, die ebenfalls verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. aa) Bedeutung anderer Rechtsnormen durch und neben § 906 BGB (1) Konkretisierung der „Wesentlichkeit“ durch öffentlich-rechtliche Vorschriften Nach § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB (n. F.)346 kommt anderen – insbesondere öffentlich-rechtlichen – Bestimmungen, die Grenz- oder Richtwerte für Immissionen enthalten, sowie bestimmten Verwaltungsvorschriften (insbesondere der TA Luft und TA Lärm) eine Indizwirkung des Inhalts zu, dass bei Einhaltung der dort festgelegten Werte eine nur unwesentliche Beeinträchtigung gegeben ist.347 343 BGHZ 117, 110 (112) 157, 33 (41); Jauernig, JZ 1986, 605 (608); Keßler, UPR 2000, 328 (332); Olzen, Jura 1994, 281 (283); H. Roth, JuS 2001, 1161 (1162); MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnr. 27. 344 Vgl. Mot. III, 264; BGHZ 44, 171 (177); 111, 158 (162); 117, 110 (112); OLG Karlsruhe OLGZ 1983, 449 (450); OLG Düsseldorf OLGZ 1980, 16 (18); OLG Dresden NJW 2005, 1871 (1871); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 147 f.; Hagen, FS Lange, S. 497, 502; vgl. ferner RGZ 111, 341 (343) (vor Inkrafttreten des BGB). 345 v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (94, 95). 346 In der seit 1.10.1994 geltenden Fassung. 347 Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (973); Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 3; BGHZ 148, 261 (264 f.). – Den Charakter als Indizregelung und die Beweislastverteilung klar-

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Angenommen wird ferner – in „umgekehrter“ Richtung – dass bei einem Überschreiten regelmäßig eine wesentliche Einwirkung vorliegt.348 Diese Regelfall-Harmonisierung349 und die damit einhergehende Konvergenz der zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Maßstäbe350 erleichtert die Rechtsanwendung und verwirklicht somit die verfassungsrechtliche Zielvorgabe größtmöglicher Rechtssicherheit und Investitionssicherheit, weil das Maß des zivilrechtlich Zulässigen leichter und sicherer ermittelt werden kann.351 Die Heranziehung von Verordnungen und technischen Anleitungen ist auch deshalb geboten, weil Risikobewertungen, die der Verordnungsgeber (bzw. „Anleitungsgeber“) mit Legitimation durch den parlamentarischen Gesetzgeber getroffen hat, grundsätzlich für alle Rechtsbereiche einheitlich Geltung verdienen und erhalten müssen.352 Damit Rechtsvorschriften über § 906 Abs. 1 S. 2 BGB Einfluss auf die zivilrechtlichen Beziehungen entfalten können, müssen sie ihrem Zweck nach „zumindest auch“ der Beurteilung individueller Beeinträchtigungen dienen können.353 Da dieses Kriterium weit zu verstehen ist, kommt z. B. bei Konflikten, die stellend BGH NJW 2004, 1317 (1318 f.) und die Anm. Röthel, JZ 2004, 1083 (1084); bestätigt in BGH NZM 2004, 957 (958); NJW-RR 2006, 235 (237); OLG Frankfurt NZM 2005, 838 (839). 348 BGH NJW 2004, 1317 (1318); NZM 2004, 957 (958); BGHZ 175, 253 (264) zu einer DIN-Norm; zuvor bereits G. Hager, NJW 1986, 1961 (1962); Marburger, FS Ritter, S. 921; Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 188; Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (973); vor Einfügung der S. 2 u. 3 BGHZ 70, 102 (110); 111, 63 (66 ff.); BGH NJW 1995, 132 (133). 349 Vieweg, FS Link, S. 992 m.w. N. 350 Eine Konvergenz wurde bereits zuvor durch die inhaltliche Gleichstellung der Begriffe „wesentlich“ in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB und „erheblich“ in § 1 und § 3 Abs. 1 BImSchG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung von BGH und BVerwG (BGHZ 111, 63 (65 f., auch 68 f.), 120, 239 (255); 121, 248 (255); 122, 76 (78); BGH NJW 2003, 3699 (3699); und BVerwGE 79, 254 (258); 81, 197 (200); 88, 210 (213); ferner BayVGHE 44, 19 (20); OVG Hamburg BauR 1992, 356 (358)) hergestellt. Vgl. zum Ganzen F. Baur, FG Sontis, S. 190 ff.; Broß, VerwArch 80 (1989), 395 (407); Dolderer, UPR 1999, 326 (329); Hagen, FS Lange, S. 506 f.; ders., FS Medicus, S. 171 f.; ders., FS Röhricht, S. 1179 ff.; Münch, Anm. LM BGB § 906 Nr. 105; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 128; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (457, 459 f.); Vieweg, NJW 1993, 2570 (2572 f.); Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (969, 973). – Diese inhaltliche Konvergenz schließt nicht aus, dass die Zumutbarkeitsschwelle von den beiden Gerichtsbarkeiten im Hinblick auf das jeweilige Rechtsschutzziel (unmittelbarer Abwehranspruch oder Verpflichtung der Behörde auf Einschreiten gegen Dritte) unterschiedlich bemessen wird, vgl. BVerwG NJW 2003, 3360 (3361). 351 Vgl. BVerwG ZUR 2003, 367 (368); Broß, FS Hagen, S. 362. 352 Vgl. Röthel, JZ 2004, 1083 (1083 f.). 353 Vgl. BGH NJW 2005, 660 (663), dort den Charakter des FlugLärmG ablehnend, da dieses Gesetz nur durch die Ausweisung von Lärmschutzzonen verhindern will, dass sich in immissionsintensiven Gebieten weitere empfindliche Nutzungen ansiedeln; ferner BGH NJW 2007, 98 (99), die Anwendbarkeit des § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB auf die 16. BImSchV verneinend (aber die Heranziehung beim „verständigen Durch-

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sich aus den Wirkungen elektromagnetischer Felder auf andere Geräte ergeben,354 dem EMVG Bedeutung für das Zivilrecht zu. Das EMVG stellt durch Verweis auf „private“ technische Normen Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit elektrischer Geräte auf.355 Anlass zur Schaffung der Bestimmung war zwar die Harmonisierung des Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.356 Gleichwohl lässt sich § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 EMVG entnehmen, dass die individuellen Nutzungsinteressen dessen, der ein störbares Gerät betreibt, besondere Berücksichtigung finden. Damit entfalten die Vorgaben des EMVG eine Indizwirkung auch für das Zivilrecht.357 Die im Gesetz vorgesehene Indizwirkung von Grenzwerten macht nicht entbehrlich, bei der Rechtsanwendung im Einzelfall zu prüfen, ob sie die Wesentlichkeitsgrenze zutreffend beschreiben.358 Grenzwerte aus Verordnungen, Verwalschnittsmenschen“ billigend). – Zu den Schwierigkeiten, zu ermitteln, welche Gesetze etc. gemeint sind, vgl. Marburger, FS Ritter, S. 911. 354 Rechtstreitigkeiten dieser Art sind in der Rechtsprechung seit 1931 bekannt, vgl. RGZ 133, 342: Elektrifizierung einer Eisenbahnlinie mit Gleichstrom nimmt Grundstück die Eigenschaft als magnetisch störungsfreies Gebiet und vereitelt so den bisherigen Nutzungszweck als Eichplatz für Geräte. Noch älter (18.1.1913) ist RGZ 81, 216, in der „vagabundierende elektrische Ströme“ aus einer Schienenleitung zur Beschädigung einer in der gleichen Straße verlegten Gasleitung geführt haben sollen. 355 Zum EMVG Keßler, UPR 2000, 328 (328, 330); Schünemann, NJW 1996, 81 (82 ff.). 356 Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 89/336/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 (mit mehreren Änderungen). Siehe auch Keßler, UPR 2000, 328 (332); Schünemann, NJW 1996, 81 (81). 357 Keßler, UPR 2000, 328 (332 ff.); Schünemann, NJW 1996, 81 (84 f.); Staudinger/ H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 173. Das EMVG ist auch Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB; näher dazu unten (2). – Die Vorgängerregelung enthielt in § 23 FernmAnlG eine explizite Regelung, vgl. dazu Ostendorf, JuS 1974, 756 (758) m.w. N.; BGHZ 88, 344 (349) m.w. N. 358 Siehe nur BGH NJW 2004, 1317 (1318); NJW-RR 2006, 235 (237); NJW 2007, 98 (98); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 188; vgl. ferner (jeweils auch zur Beweislast) OLG Düsseldorf MMR 2002, 235 (236); OLG Frankfurt MMR 2001, 316 (317); OLG München DWW 1998, 212 (212); LG Karlsruhe Urt. v. 27.11.2001, Az. 7 O 115/01 (juris). – Jansen, AcP 202 (2002), 517 (526 f.) nimmt (ohne auf § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB einzugehen) an, dass öffentlich-rechtliche Vorgaben stets die für das Zivilrecht maßgeblichen Verhaltensmaßstäbe enthalten. Richtig ist zwar, dass ein Verhalten nicht zugleich verboten und (relativ oder absolut) erlaubt sein kann (siehe nur Hruschka, GS Blomeyer, S. 777 ff.; Röhl, JA 1999, 600 (602 f.)). Die Vorgaben des öffentlichen Rechts lassen aber aufgrund der o. g. Funktion und Zielrichtung strengere Anforderungen in anderen Bestimmungen unberührt. Verbietende zivilrechtliche Bestimmungen setzen sich damit über die „Erlaubnis“ (besser: „Billigung“) durch das öffentliche Recht hinweg. Anders das Verständnis von Jansen, AcP 202 (2002), 517 (527); sein Argument (S. 532), der Gesetzgeber habe die strengeren zivilrechtlichen Maßstäbe nur haftungsrechtlich gelten lassen wollen, verkennt jedoch, dass mit den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen i. d. R. nur ein generell sinnvolles Schutzniveau erreicht werden soll (vgl. Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 410 f.). Der Umstand, dass hierdurch evtl. die Rechtslage unklar wird, mag zwar für den Bürger wenig erfreulich sein, macht die Rechtsordnung aber nicht unvernünftig (so jedoch Jansen) und

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tungsvorschriften und technischen Anleitungen können nur herangezogen werden, wenn die konkret zu beurteilende Situation der von der Norm erfassten Regelsituation entspricht. Hierzu gehört nicht nur, dass die Störungen in physikalischer u. ä. Hinsicht gleichartig sind, sondern auch, ob sie durch vergleichbare Vorgänge hervorgerufen werden, weil hiervon abhängt, ob eine – oftmals vorhandene – politische Entscheidung, bestimmte Nutzungen zu privilegieren, übertragen werden kann.359 Zudem können Grenzwerte von anderen Interessen einschließlich fiskalischer Überlegungen geprägt sein,360 was ihre Tauglichkeit als Konfliktlösung für das Zivilrecht entfallen lassen kann. Vorrangige Aufgabe derartiger Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ist ferner zumeist, einen möglichst gleichmäßigen Gesetzesvollzug durch alle befassten Behörden zu gewährleisten. Die für die Genehmigung relevanten Grenzwerte sind daher so gewählt, dass ein gewisses Schutzniveau sicherstellt ist, weshalb sie oft von allgemeinen und großräumigen Überlegungen geprägt sind.361 Im Zivilrecht steht demgegenüber der Schutz des konkreten Akzeptors in der Einzelfallsituation im Mittelpunkt,362 der hier auch retrospektiv (d.h. im Zeitpunkt des Betriebs) verwirklicht werden kann.363 Das private Nachbarrecht berücksichtigt daher individuelle Anfälligkeiten und Besonderheiten stärker als das öffentlich-rechtliche Umweltkann daher am Verbotensein nichts ändern (vgl. auch Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 407 f.). 359 Beide Gesichtspunkte werden deutlich bei der Frage, ob die 18. BImSchV (SportanlagenlärmschutzVO) über ihren eigentlichen Anwendungsbereich (Einrichtungen, die dem Vereinssport, Schulsport oder vergleichbar organisiertem Freizeitsport dienen sollen) hinaus auch Bolzplätze erfasst. Zum einen sind Bolzplätze im Gegensatz zu Sportanlagen kleinräumige Anlagen, die Kindern und Jugendlichen eine Gelegenheit zur körperlichen Freizeitbetätigung geben sollen, so dass sie insofern eher einem Spielplatz vergleichbar sind. Von ihnen gehen auch nicht Schiedsrichterpfiffe, Applaus und An-/Abfahrtsverkehr aus (vgl. BVerwG ZUR 2003, 367 (367); BayVGH NVwZ-RR 2004, 20 (21); BVerwG Beschl. v. 30.7.2003, Az. 4 B 16/03 (juris); Hagen, FS Röhricht, S. 1186 ff.; Scheidler, NVwZ 2011, 838 (840); LT-Drs. 16/8124, S. 6, 7). Zum anderen wurde die 18. BImSchV gerade geschaffen, um den Betrieb der darin aufgeführten Sportstätten bevorzugt zu ermöglichen (vgl. Hagen, FS Röhricht, S. 1183 ff.; BVerwG NVwZ 2001, 1167 (1169); ZUR 2003, 367 (368)). – Erst recht kann die 18. BImSchV daher keine Anwendung auf Festzeltmusik finden, BayVGH NVwZ 2005, 719 (720). Demgegenüber entnimmt ihr OVG Münster BauR 2004, 204 (205 f.) wichtige Anhaltspunkte für eine Breitwasserrutsche; gegen eine (inzwischen von § 22 Abs. 1a BImSchG weitgehend ausgeschlossene) Anwendung der TA Lärm auf Kindergärten spricht sich Maaß, ZUR 2006, 196 (198 f.) aus. 360 Vgl. Broß, VerwArch 80 (1989), 395 (413) zum Straßenverkehrslärm. 361 Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (974). Vgl. ferner G. Wagner, VersR 2008, 1017 (1019), der allgemein auf die „unübersehbaren Schwächen regulatorischen Verwaltungsrechts“ hinweist. 362 Vgl. Röthel, JZ 2004, 1083 (1083): „beteiligtenbezogene Perspepktive“; dies., Jura 2000, 617 (619) m.w. N.; Marburger, FS Ritter, S. 909 f.; beide auch gegen jede zu starke Bindung des Zivilrichters an öffentlich-rechtliche Vorgaben. Allgemein zu den unterschiedlichen Zentrierungen Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (602). 363 Vgl. Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 410 f. Für den „Bestandsschutz“ einer Anlage, die wesentliche Beeinträchtigungen hervorruft, sorgt hier § 906 Abs. 2 S. 1

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recht, das eher generalisiert.364 Daher können im Zivilrecht zusätzliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein und ein Abweichen von der Verordnung etc. gebieten.365 Auch soweit nach diesen Maßstäben Grenzwerte nicht für die zivilrechtliche Beurteilung herangezogen werden können, können gleichwohl einzelne andere Elemente derartiger Regelwerke anwendbar sein. So enthalten Regelwerke z. B. oft allgemeingültige Aussagen dazu, wie eine Impuls- oder Informationshaltigkeit bei der Messung und der Mittelwertbildung zu berücksichtigen ist.366 Die Zahlenwerte und Aufschläge sind insoweit Ausdruck von situationsunabhängigen Vor-Wertungen des Verordnungsgebers und des „geronnenen“ Sachverstands. Sie lassen sich daher zur Ermittlung der Zumutbarkeitsschwelle auch in nur ähnlich gelagerten Fällen heranziehen.367 Möglich und sinnvoll ist ferner die Anwendung von Regeln zum Mess- und Ermittlungsverfahren,368 sofern sie nicht auf spezielle Interessen- und Beweislastsituationen zugeschnitten sind.369 § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB differenziert nicht danach, ob die Grenzwerte in einer bundes- oder landesrechtlichen Bestimmung enthalten sind. Kompetenzrechtliche Bedenken dagegen, dass auf diese Weise landesrechtliche Vorschriften Wirkungen im bundesrechtlich kodifizierten Zivilrecht entfalten können, bestehen nicht.370 Da das bürgerliche Recht der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz unterfällt, dürfen die Länder eigene Normen erlassen, sofern der bunBGB, der einen Abwehranspruch trotz Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle ausschließt und in einen Entschädigungsanspruch umwandelt; dazu unten B.I.1.b)dd). 364 Schmalholz, ZUR 2000, 257 (260, Fn. 41); Röthel, JZ 2004, 1083 (1083); vgl. auch Jauernig, JZ 1986, 605 (605). 365 Röthel, JZ 2004, 1083 (1083 f.). 366 Vgl. BVerwGE 90, 163 (166) (Lästigkeit des Glockenschlags in der Nacht); OVG Münster ZUR 2003, 368 (369) (Verkehrslärm); OVG Münster NuR 2003, 570 (571 f., 574) (Windenergieanlage); BVerwGE 81, 197 (201 f.); OVG Münster NVwZ-RR 2005, 102 (102 f.) (Aufprall von Bällen und Trillerpfeifen, aber bei geschlossener Sporthalle abgelehnt). BGHZ 148, 261 (265), verlangt die zusätzliche Berücksichtigung des Umstands, dass die Geräusche plötzlich einsetzen und ihre Dauer nicht abzusehen ist; vgl. ferner BGH JZ 1969, 635 (636): Operettenaufführungen; OLG Schleswig NJW-RR 1986, 884 (884). 367 BVerwGE 90, 163 (166) zum Glockengeläut; LG München I NJW-RR 1989, 1178 (1178) zur DIN 2058 und TA Lärm für das Krähen von Hähnen. 368 Vgl. BVerwG ZUR 2003, 367 (368); BayVGH NVwZ-RR 2004, 20 (21, 22), bestätigt von BVerwG Beschl. v. 30.7.2003, Az. 4 B 16/03 (juris); VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 643 (645), jeweils zur 18. BImSchV. 369 So verbietet sich, vorgesehene Messabschläge, die die Eingriffsschwelle der Behörde bei Überwachungsmessungen im Interesse des Betreibers einer bestehenden Anlage anheben sollen, in zivilrechtlichen Nachbarkonflikten anzuwenden, da dies die Beweislastregelungen, die in § 906 Abs. 1 BGB angelegt sind, unterlaufen würde. Vgl. BGH NZM 2004, 957 (958) zu den Messabschlägen bei Überprüfungsmessungen nach der TA Lärm. 370 Anders Marburger, FS Ritter, S. 910 ff.: unzulässige Delegation von Rechtssetzungskompetenz durch den Bundesgesetzgeber durch eine dynamische Verweisung.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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desrechtlichen Regelung keine inhaltliche Sperrwirkung zukommt (Art. 72 Abs. 1 GG).371 Enthält das Bundesrecht lediglich Generalklauseln oder allgemein gehaltene (i. S. v. nicht bestimmten) Regelungen, aus denen sich ein konkretes Maß nur im Wege rechtsschöpferischer Auslegung herleiten lässt, und konkretisiert das Landesrecht diese lediglich, liegt keine widersprechende Regelung i. S. v. Art. 31 GG vor.372 Dem Bundesgesetzgeber ist zudem erlaubt, bewusst Regelungsfreiräume für die Länder zu schaffen oder offenzuhalten.373 Daher muss es auch möglich sein, auf Bestimmungen des Landesrechts Bezug zu nehmen, soweit dies der Konkretisierung dient. (2) Wirkung als Schutzgesetz außerhalb des § 906 BGB Öffentlich-rechtliche Vorschriften können Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten auch dadurch entfalten, dass sie als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB wirken und – vermittelt über § 1004 Abs. 1 BGB – einen Abwehranspruch (den quasinegatorischen Abwehranspruch) gegen den Zuwiderhandelnden begründen.374 (a) Auswirkungen und Bedeutung „Schutzgesetze“ wirken sich für den Begünstigten in prozessualer und materieller Hinsicht vorteilhaft aus: Ist eine Bestimmung als Schutzgesetz zu qualifizieren, bedarf es nicht der Anwendung des § 906 BGB mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen, da sie das speziellere Gesetz darstellt.375 Der betroffene Nachbar kann verlangen, dass die Ge- oder Verbote eingehalten werden, ohne die Umstände darlegen und beweisen zu müssen, aus denen sich ergibt, dass die hervorgerufene Einwirkung wesentlich und unzumutbar ist bzw. eine ungeschriebene Verkehrssicherungspflicht verletzt wird.376 Das Maß des aufgrund eines Schutzgesetzes noch Zulässigen kann dabei unterhalb der Schwelle der „wesentlichen Beeinträchtigung“ i. S. d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB liegen.377 Ein Schutzgesetz 371 Siehe im Einzelnen Sachs/Degenhart, Art. 72 Rdnrn. 25 f.; Hömig/Schnapauff, Art. 72 Rdnr. 2; zur Feststellung einer solchen Sperrwirkung BVerfGE 113, 348 (371 f.). 372 BVerfGE 7, 342 (354) (zum Urlaubsanspruch); vgl. auch Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 16 IV 2. 373 Vgl. BVerfGE 80, 24 (30). 374 Siehe nur BGHZ 122, 1 (3 ff.); BGH NJW 1995, 132 (134); NJW 1997, 55; BayObLG BayVBl. 2001, 729 (730); Jansen, AcP 202 (2002), 517 (521); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 7; Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 e. 375 Ebenso BGHZ 122, 1 (6 f.). 376 Vgl. BayObLG VersR 1979, 743 (744), das diese Überlegung im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB heranzieht und die Schutzgesetzeigenschaft nach Abs. 2 offen lässt. 377 Vgl. Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (B) Nr. 10; Broß, FS Hagen, S. 365 f.; Krähe, SpuRt 1994, 81 (83); H. Roth, JuS 2001, 1161 (1163); deutlich auch BGH NJW

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wirkt damit wie ein abstrakter Gefährdungstatbestand zu Gunsten des Betroffenen und definiert so eine eigene, zusätzliche Schutzsphäre.378 Eine Rechtsnorm379 ist Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie über ihre Ordnungsfunktion im Interesse der Allgemeinheit hinaus zumindest auch auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter und Interessen des Einzelnen zielt.380 Dies deckt sich weitgehend mit der Schutznormtheorie,381 die im öffentlichen Recht über die drittschützende Funktion einer Norm entscheidet.382 Nachbarschützende Wirkung in diesem Sinne kommt danach z. B. den zahlreichen Normen des öffentlichen Rechts zu, die vor Bränden und Explosionen schützen sollen,383 sowie den bauordnungsrechtlichen Bestimmungen zu Abstandsflächen, Baugrenzen und Gebäudehöhen, die dem Nachbarn eine ausreichende Belichtung und Belüftung seines Gebäudes sichern sollen.384 (b) Sonderfall: „Verwaltungsakt“ Innerhalb der Schutzgesetze ist zwischen Regelungen zu unterscheiden, die selbst die Rechtsfolge verbindlich anordnen, und solchen, bei denen erst eine

1997, 55 (den Fall, dass Beeinträchtigungen niemals eintreten können, ausdrücklich offenlassend). – Anders noch RGZ 133, 342 (346). 378 BGHZ 122, 1 (6); BGH NJW 1997, 55; H. Roth, JuS 2001, 1161 (1163). – Wie K. Schmidt, FS Zeuner, S. 260 hervorhebt, bedeutet dies im Bereich des Deliktsrechts, dass auch reine Vermögensschäden ersetzt werden müssen. Besonders wichtig ist z. B. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB. 379 Gemäß Art. 2 EGBGB kann es sich um ein Gesetz oder eine untergesetzliche Norm handeln, siehe nur F. Peters, JZ 1983, 913 (913). Die Eigenschaft als Schutzgesetz ist dabei für jede einzelne Vorschrift eines Gesetzeswerks gesondert zu bestimmen, vgl. Schünemann, NJW 1996, 81 (84). 380 BGHZ 40, 306 (306); 46, 17 (23); 66, 388 (390); 84, 312 (314); 100, 13 (14); 122, 1 (3); 150, 343 (352); BGH NJW 1995, 132 (133); K. Schmidt, FS Zeuner, S. 260; J. Hager, in: Staudinger/Eckpfeiler, T. Rdnr. 703; Keßler, UPR 2000, 328 (334); Schünemann, NJW 1996, 81 (84); kritisch F. Peters, JZ 1983, 913 (passim). – Kreft, Anm. LM BJagdG Nr. 11; OVG Münster NVwZ-RR 2004, 641 (642) stellen dagegen mehr auf die prozessuale Seite ab und fragen danach, ob der Bürger aufgrund der Bestimmung selbst über die Rechtsmacht verfügen soll, seinen Interessenbereich unmittelbar mit den Mitteln des Privatrechts zu schützen. 381 Zur Schutznormtheorie BVerwGE 81, 329 (334) m.w. N.; 98, 118 (120 f.); VG Arnsberg ZfB 138 (1997), 171 (182); Dietlein, JuS 1996, 594 (595 ff.); Enders, AöR 115 (1990), 610 (611); Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (529 f.); Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (505, 509 ff.); ähnlich die „Konfliktschlichtungsformel“ bei Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 247 ff. – Auch der BGH benutzt diesen Terminus, vgl. BGH NJW 1995, 132 (134); NJW 1997, 55. 382 Deutlich OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 339 (340). 383 Vgl. Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 269; Staudinger/ J. Hager (1999), § 823 Rdnr. G 62. 384 Vgl. nur BayVGH NVwZ-RR 2001, 291 (293).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Konkretisierung durch Verwaltungsakt notwendig ist.385 Klassische Felder solcher „Schutzverwaltungsakte“ sind das öffentliche Bau- und Immissionsschutzrecht.386 Richtigerweise ist auch hier nicht der Verwaltungsakt als solcher,387 sondern die Rechtsnorm, auf der der Verwaltungsakt beruht, als das Schutzgesetz zu betrachten.388 Bedarf es eines Schutzverwaltungsakts, kann auf den zugrundeliegenden Rechtssatz nicht unmittelbar zurückgegriffen werden, solange die konkret-individuelle Behördenentscheidung noch nicht erlassen ist.389 Dies beruht darauf, dass die Entscheidung der zuständigen Behörde gewisse planerische und lenkende Elemente enthält,390 die von nur kontrollierenden Rechtsanwendungsorganen wie den Zivilgerichten nicht getroffen werden können:391 Die Aufgabe, die öffentlichen Interessen zu verwirklichen und zu koordinieren, ist nach dem verfassungsund einfachrechtlichen Kompetenzgefüge exklusiv der zuständigen Exekutivbehörde zugewiesen; zudem fehlen den Gerichten die notwendigen zusätzlichen Informationen über die weiteren Gesichtspunkte. Die Entscheidung der Behörde kann durch das Organ der Rechtsprechung damit weder ersetzt392 noch – umgekehrt – in Frage gestellt werden.393

385 Entscheidend hierfür ist, ob durch die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts (ggf. mit Auflagen) erst die konkrete Verhaltensnorm herstellt wird oder die Verfügung nur den Vollzug der Rechtsnorm sicherstellen soll; vgl. K. Schmidt, FS Zeuner, S. 273; BGHZ 62, 265 (267 f.); ferner Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (B) Nr. 10; für eine Vermutung zugunsten des Bedarfs nach einen Verwaltungsakt Medicus, JZ 1986, 778 (783); ähnlich F. Peters, JZ 1983, 913 (916). 386 Vgl. Staudinger/J. Hager (1999), § 823 Rdnr. G 61; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 75. 387 So aber RG JW 1916, 38 (38); ferner OLG München VersR 1983, 887 (888). 388 BGHZ 62, 265 (266); 122, 1 (3); zustimmend Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (B) Nr. 10; BGH NJW 1995, 132 (134); BayObLG VersR 1979, 743 (744); Überblick bei MünchKomm/G. Wagner, § 823 Rdnrn. 341 f.; K. Schmidt, FS Zeuner, S. 264 f.; F. Peters, JZ 1983, 913 (916), letzere beiden die Qualifizierung als „gestreckten Verbotstatbestand“ befürwortend. 389 Nachweise zur gegenteiligen Ansicht bei Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 75. 390 Siehe nur Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 75; Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (B) Nr. 10. 391 Hüffer, FS Niederländer, S. 283. 392 Ebenso K. Schmidt, FS Zeuner, S. 274: Materielle Prüfung soll bei Behörde monopolisiert werden; Hüffer, FS Niederländer, S. 283; vgl. ferner BGHZ 120, 239 (246 f.). 393 Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (B) Nr. 10 m.w. N.; auch Staudinger/J. Hager (1999), § 823 Rdnr. G 10. Eine Bindung ablehnend MünchKomm/G. Wagner, § 823 Rdnrn. 344 f.: Das Gericht solle sich lediglich an der Entscheidung der Behörde mit ihrem Sachverstand und Erfahrung orientieren, soweit die Parteien nicht Gesichtspunkte vortragen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit oder Unzweckmäßigkeit des Verwaltungsakts ergebe.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

(c) Verfassungsrechtliche Bewertung der Divergenz der Schutzniveaus Die von § 1004 i.V. m. § 823 Abs. 2 BGB vermittelte Möglichkeit, auf ein konkretisiertes Ge- oder Verbot in einem Schutzgesetz (ggf. i.V. m. einem Verwaltungsakt) zurückgreifen zu können, bedeutet – wie auch die „Zweispurigkeit“ oder „Zweigleisigkeit“ des Rechtsschutzes394 insgesamt – einen verfassungsrechtlich zu begrüßenden Zuwachs sowohl an Rechtsgüterschutz als auch an Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit.395 Der betroffene Rechts-/Rechtsgutsträger kann zivilrechtlich die Einhaltung des Schutzniveaus fordern, ohne dass komplexe Abwägungen (wie bei § 906 Abs. 1 S.1 BGB) vorgenommen werden müssen. Hiermit kann sogar eine Steigerung des Schutzniveaus verbunden sein. Bei öffentlich-rechtlichen Normen kommt regelmäßig als weiterer Vorteil hinzu, dass der „Umweg“ 396, die Behörde zu einem Einschreiten zu zwingen, entbehrlich wird.397 394 Hierzu vgl. Vieweg/Röthel, DVBl. 1996, 1171 (1171 f.); Olzen, Jura 1994, 281 (282); BGHZ 122, 1 (8); BGH NJW 1984, 1242 (1242); BVerwG NJW 2003, 3360 (3361); OLG Stuttgart ZUR 2000, 29 (29) (zur Gentechnik). 395 Übersehen werden darf jedoch nicht, dass die Festsetzung von „günstigeren“ Grenzwerten o. ä. in Verwaltungsakten für den Rechtsgutsträger nur eine mehr oder weniger große Chance bedeutet. In den Fällen, in denen eine Genehmigung unbeschadet privater Rechte erteilt wird (z. B. Art. 72 Abs. 4 BayBO, § 75 Abs. 3 BauO NRW), muss die Behörde nämlich Einwirkungen nicht verbieten, auch wenn sie die Rechte einzelner Nachbarn verletzen würden, da das behördliche Instrumentarium nur einen Mindestschutz der Allgemeinheit bewirken soll und es somit genügt, wenn die getroffene Regelung insgesamt ein hierzu taugliches Niveau festsetzt. Eine Pflicht zur abschließenden Beachtung individueller privater Interessen besteht in derartigen Verwaltungsverfahren somit nicht (Broß, FS Hagen, S. 360 f. m.w. N.; vgl. ferner M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2649); Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 410, 416 f.). Dem Nachbarn bleiben die Optionen, entweder eine ihm günstigere Auflage und ggf. deren Durchsetzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu erstreiten – hierauf besteht ein Anspruch jedoch nur, soweit er sein Ziel zivilrechtlich nicht erreichen kann (vgl. K. Schmidt, FS Zeuner, S. 276; Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (606)) – oder auf dem Zivilrechtsweg seine (weitergehenden) Rechte aus § 1004 Abs. 1 i.V. m. § 906 BGB geltend zu machen. Durch das bloße Kontrollinstrument der Genehmigung wird der materielle Schutzanspruch hier somit nicht verbraucht (Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (605)). Wegen dieser Entkoppelung wird auch nicht entgegen dem Inhalt der Fachgesetze eine privatrechtsgestaltende Wirkung des Verwaltungsakts herbeigeführt (so Röthel, Jura 2000, 617 (620), die daher eine Anwendung im Rahmen des § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB vorzieht): Eine privatrechtsgestaltende Wirkung im eigentlichen Sinn liegt nur vor, wenn die Genehmigung abschließend und konstitutiv für alle Ansprüche das Maß an Beeinträchtigungen festlegt. Eine derartige abschließende Regelung erfolgt aber gerade nicht, wenn der Einzelne öffentlich-rechtlichen Vorgaben durchsetzen kann, weil ihm lediglich ein weiterer Weg zur Verteidigung der Interessen eröffnet wird. Da keine verbindliche Entscheidung getroffen wird, ist – anders als bei den echten privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten, vgl. Teil 4 B.I.2.a)bb) – die Beteiligung des Nachbarn im Verwaltungsverfahren auch nicht zwingend erforderlich. 396 Grunsky, JZ 1970, 785 (786). 397 Ebenso Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (B) Nr. 10.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Diesen Vorteilen stehen keine beachtenswerten Interessen des Störers gegenüber. Seine Freiheit wird nicht zusätzlich verringert, da er ohnehin zur Beachtung dieser Gebote und Verbote verpflichtet398 und deshalb hinsichtlich der Fortführung des unerlaubten Verhaltens nicht schutzwürdig ist.399 Dem verwaltungsrechtlichen Instrumentarium zur Durchsetzung von Auflagen o. ä. und dem zivilrechtlichen Schadensersatz bzw. dem zivilrechtlichen Abwehranspruch liegt dieselbe Verhaltensnorm zugrunde;400 diese wird mit § 823 Abs. 2 BGB nur um eine weitere Sanktionsnorm ergänzt. (3) Auswirkungen öffentlich-rechtlicher Verbote mit Erlaubnisvorbehalt auf nachbarliche Beziehungen (a) Verhinderung der Erfüllung der Beseitigungs-/Unterlassungspflichten durch öffentlich-rechtliche Verbote mit Erlaubnisvorbehalt Öffentlich-rechtliche Vorschriften können schließlich für die Rechtsverhältnisse unter Nachbarn relevant werden, indem sie das Verhalten verbieten, das zur Beseitigung einer bestehenden Beeinträchtigung oder Verhinderung einer künftigen Beeinträchtigung erforderlich ist. Derartige Konstellationen, in denen der den Abwehranspruch mittelbar ausschlossen ist, sind insbesondere im Zusammenhang mit Baumschutzsatzungen/-verordnungen, die das Entfernen oder Zurückschneiden von Bäumen verbieten,401 oder den artenschutzrechtlichen Verboten der § 44 Abs. 1 u. 2 BNatSchG 2009 bekannt.402 Derartige Verbote mit Erlaubnisvorbehalt hindern den Eigentümer, der aus § 1004 Abs. 1 BGB folgenden Pflicht nachzukommen, und verbieten dem Nachbarn, sein Selbsthilferecht nach § 910 BGB auszuüben,403 da sich der von den Bestimmungen verfolgte Zweck 398 Vgl. K. Schmidt, FS Zeuner, S. 267 f.; ferner BGHZ 111, 63 (68 f.): Es sei „geboten, (den Störer) . . . privatrechtlich nicht günstiger zu stellen, als (er) öffentlich-rechtlich stehen würde“. – Anders noch BGH WM 1974, 572 (573). 399 Inhaltlich ebenso BGHZ 122, 1 (8). 400 Vgl. Dörner, JuS 1987, 522 (525). 401 BGH NZM 2005, 318 (318 f.); LG Landshut NJW-RR 1989, 1420 (1421). 402 BGHZ 120, 239 (242 ff.); LG Hechingen NJW 1995, 971 (972) (je zum inhaltsgleichen § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a. F.). In der RG-Entscheidung vom 27.4.1910 (RG JW 1910, 654 f.) spielte dieser Gesichtspunkt noch keine Rolle, weshalb das Gericht die jederzeitige Möglichkeit bejahte, den künstlich angelegten Teich „durch Ablassen des Wassers zu beseitig(en) oder außer Tätigkeit (zu) setz(en)“, um den von den Fröschen „ausgehende(n) Gesang“ zu beenden. Vgl. ferner LG Hanau NJW 1985, 500; LG Lüneburg NJW-RR 1986, 502 (503); OLG Schleswig NJW-RR 1986, 884 (886). – Entsprechende Situationen können sich auch im Bau- und Denkmalschutzrecht ergeben, vgl. BGHZ 28, 153 (158 f.), das auf das unveröffentlichte Urteil v. 17.9.1954, Az. V ZR 35/54, Bezug nimmt; BGHZ 23, 61 (64), sowie zum Ganzen eingehend Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 1 f., 44 ff. 403 Statt vieler OLG Düsseldorf NJW 1989, 1807 ff.; weitere Nachweise bei Günther, NuR 2002, 587 (593). Vgl. ferner den Fall BGHZ 160, 232 ff.

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des Tierschutzes etc.404 nur verwirklichen lässt, wenn nicht nur der Eigentümer, sondern auch Dritte (einschließlich der Nachbarn) die geschützten Objekte nicht verändern, beschädigen oder beseitigen dürfen.405 Die verwaltungsrechtlichen Verbote überlagern in diesen Konstellationen somit die rein zivilrechtliche Lage406 und wirken im Ergebnis wie Duldungspflichten i. S. v. § 1004 Abs. 2 BGB.407 (b) Formelle Verfassungsmäßigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1, Art. 31 GG Der Beachtlichkeit solcher Bestimmungen im Zivilrecht steht nicht entgegen, dass sie u. U. dem Landesrecht angehören und den Ländern gem. Art. 72 Abs. 1 i.V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG grundsätzlich verwehrt ist, in das im BGB weitgehend abschließend kodifizierte Bundesrecht abzuändern. Die Regelungen dazu, welche Handlungen zum Zweck des Natur- und Artenschutzes verboten sind, gehören zur Sachmaterie des Naturschutzes, die (des notwendigen Zusammenhangs wegen) auch den Aspekt umfasst, ob sich die sachlichen Regelungen nur an die Eigentümer oder auch an andere Personen richten und dadurch Rechtsbeziehungen unter Privaten mittelbar beeinflussen.408 Die Ausschlusswirkung naturschutzrechtlicher Bestimmungen verstößt und verstieß daher nicht gegen die

404 Vgl. dazu BayVGHE 54, 81 (82); BayVGH NVwZ 1986, 951 (951 f.); OVG Bremen NVwZ 1986, 953 (954); OVG Lüneburg AgrarR 1990, 210 (211); VGH Mannheim NVwZ-RR 1996, 382 (382); NJW 1997, 2128 (2128 f.). 405 Siehe nur OLG Düsseldorf NJW 1989, 1807 (1808); OVG Schleswig NVwZ-RR 1995, 80 (81); OLG Karlsruhe AgrarR 1988, 263 (263 f.); OVG Bremen NVwZ 1986, 953 (953); BayVGH NVwZ-RR 2006, 807 (808); Uerpmann, NuR 1994, 386 (386); Winkler, JA 1993, 283 (284); LG Bochum NuR 2003, 384; Otto, NuR 2003, 384; Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 61 f. 406 Treffend OVG Bremen NVwZ 1986, 953 (953). 407 Unmittelbar ziehen § 1004 Abs. 2 BGB heran OLG Hamm OLGR 1999, 392 (392 f.); OLG Düsseldorf NJW 1989, 1807 (1807); LG Landshut NJW-RR 1989, 1420 (1420); LG Dortmund NJW-RR 1987, 1101; Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2571); Winkler, JA 1993, 283 (284); Staudinger/ Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 148. Denkbar ist auch eine Einordnung als vorübergehende Unmöglichkeit (Herrmann, Störer nach § 1004 BGB, S. 414 f., 435 f., 439, 441, 494; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 1004 Rdnr. 115; Uerpmann, NuR 1994, 386 (389 f.); F. Baur, AcP 160 (1961), S. 465 (490); Lutter/Overrath, JZ 1968, 345 (353, 354); siehe auch Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 148) oder – vorzugswürdig – als Umstand, der die Eigenschaft als „Störer“ bzw. das Tatbestandmerkmal „Beeinträchtigung“ entfallen lässt (vgl. Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 149; Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 158 ff.). Zu den genannten Ansätzen ausführlich Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 70 ff. 408 Vgl. Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 65 f.; RGZ 107, 78 (82). – Auf Art. 55 EGBGB stützten die Zulässigkeit OLG Düsseldorf NJW 1989, 1807 (1807); auf Art. 111 EGBGB LG Dortmund NJW-RR 1987, 1101; Otto, NJW 1989, 1783 (1784); Uerpmann, NuR 1994, 386 (386).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Kompetenzordnung der Verfassung, da sie Teil der Sachregelung zum Naturschutz ist und daher in die Regelungskompetenz dessen fällt, der nach den Art. 70 ff. GG jeweils hierfür zuständig ist.409 (c) Grundrechtliche Betroffenheit des Nachbarn Die Auswirkungen naturschutzrechtlicher Beseitigungsverboten können für den Nachbarn ebenso intensiv sein wie für einen Eigentümer. So können – um nur die typischen Konstellationen zu nennen410 – Gefahren für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Menschen drohen, wenn Wurzeln, morsche Äste oder Laub die Verkehrssicherheit von Wegen beeinträchtigen 411 oder Pollen o. ä. lebensgefährliche Reaktionen bei hiergegen allergischen Anwohnern auslösen.412 Durch Wurzeln, die Mauern anheben oder zu Verstopfungen der Kanalisation führen, und durch Blätter und Zapfen, die die Bedachung und Dachentwässerung beeinträchtigen, können ferner erhebliche Schäden an Bauwerken entstehen.413 Hinzu kommen u. U. erhebliche Nachteile und Belästigungen durch eine Verschattung von Wohnräumen414 und bepflanzten Flächen415 sowie durch einen erhöhten Reinigungsaufwand416.

409 Vor der Föderalismusreform bestand für das Naturschutzrecht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder, die allerdings durch die Rahmenbestimmungen gem. Art. 75 GG vorgeprägt waren. Nunmehr besitzt der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, die teils von den Ländern durchbrochen werden kann (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 i.V. m. Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG n. F.). Zum „Artenschutz“ zählt auch der „allgemeine Artenschutz“, d.h. Verbote, die den Umgang mit nicht speziell geschützten Tieren oder Pflanzen regeln (vgl. Louis, ZUR 2006, 340 (341)). 410 Ein umfassenden Überblick beiten Günther, NuR 2002, 587 (588 ff.); Otto, NJW 1989, 1783 (1783 ff.). 411 Vgl. BGH NZM 2005, 318 (319); BayVGHE 54, 81 (86): rutschige Oberfläche; OVG Saarlouis NuR 1999, 531 (531, 532): umknickende Bäume; OLG Hamm OLGR 1999, 392 (392); OVG Berlin NVwZ-RR 1997, 530 (531 ff.); VGH Mannheim NJW 1997, 2128 (2129 f.); ausführlich Günther, NuR 1994, 373 (373 ff.). 412 Vgl. OVG Münster NuR 2003, 575; OLG Bamberg NJW-RR 1992, 406 f.; LG Hanau AgrarR 1990, 201; LG Amberg NJW-RR 1988, 1259 f.; LG Memmingen NJWRR 1987, 530 f.; LG Ellwangen NJW 1985, 2339 f.; Schmalholz, ZUR 2000, 257 ff., die die Frage der Darlegungs- und Beweislast für die Ursächlichkeit eine Pollenquelle und die Gefahr zusätzlicher Stiche unterschiedlich beurteilen. 413 Vgl. BGHZ 97, 231 ff.; 135, 235 ff.; 157, 33 (44); BGH NJW 2004, 1035 (1036); NJW 1995, 395 ff.; NJW 1991, 2826 ff.; OLG Karlsruhe AgrarR 1990, 209 (210); OLG Nürnberg RdL 1972, 36 (37); BayVGHE 54, 81 (86); OVG Berlin NVwZ 2005, 721 (721); OVG Bremen NVwZ 1986, 953 (955). 414 Vgl. VGH Mannheim NJW 1997, 2128 (2130); Otto, NJW 1989, 1783 (1783); zu „baumfreundlich“ VGH Kassel NVwZ-RR 1994, 1020 f. 415 Vgl. OVG Bremen NVwZ 1986, 953 (954 f.); OLG Nürnberg RdL 1972, 36 (36); ferner OVG Berlin NuR 2004, 461 (462). 416 Vgl. OLG Karlsruhe NJW 1983, 2886; OLG Frankfurt NJW 1988, 2618 (2619); OLG Karlsruhe DWW 2010, 59 (61 f.).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Der mittelbare Ausschluss der Ansprüche des Nachbarn, die ihm kraft seines Eigentums zustehen (und wegen Art. 14 Abs. 1 GG aus zustehen müssen, insbesondere des § 1004 BGB) und seiner Selbstvornahmebefugnis (§ 910 BGB) durch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist auch von seinen Auswirkungen her nicht so außergewöhnlich und geringfügig, dass er wegen des Typisierungsrechts des Gesetzgebers generell hintan gestellt werden dürfte.417 Der rechtförmlich bewirkte Ausschluss des negatorischen Anspruchs bewirkt daher auch für den Nachbarn einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in sein Eigentum (u. U. in sein Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG418). Der Normgeber unterliegt deshalb auch wegen der Auswirkungen, die die Bestimmungen auf den Nachbarn entfalten, der uneingeschränkten Bindung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben, weshalb sie auch dem Nachbarn gegenüber verhältnismäßig sein müssen.419 (d) Auswirkungen auf die Auslegung der Befreiungstatbestände und die Antrags-/Klagebefugnis Eine Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle kann dabei oft nur verhindert werden, wenn das Beseitigungsverbot durch Erteilung der Genehmigung, Erlaubnis etc. im Einzelfall wegfällt. Materielles und prozessuales Recht müssen daher so ausgelegt und angewandt werden, dass der betroffene Nachbar eine übermäßige Belastung optimal abwehren kann. Dies erfordert zunächst, Ausnahme- und Befreiungstatbestände, die regelmäßig in den Verbotsbestimmungen vorhanden sind, auch dann heranzuziehen, wenn die Verfolgung des Normzwecks zu einer übermäßigen Belastung des Eigentümers des benachbarten Grundstücks führt.420 Die Ausnahme- und Befreiungstatbestände haben zwar primär unzumutbare Härten für den Eigentümer des unter Schutz gestellten Gegenstands im Blick. Die Berücksichtigung der Belange des Nachbarn ist aber in gleicher Weise geboten. Steht der Normwortlaut einer solchen Einbeziehung ausnahmsweise421 entgegen, muss der Aspekt, dass der Ei417 Vgl. BVerwG NJW 1999, 2912 (2914); Röthel, JZ 2005, 578 (579), auch dazu, dass er möglicherweise bei der Normsetzung nicht bedacht wurde. 418 Vieweg, NJW 1993, 2570 (2571). 419 Siehe nur BayVGHE 52, 48 (52 f.); 54, 81 (85 f.); implizit auch BGHZ 120, 239 (245 f.); Otto, NJW 1989, 1783 (1785); Röthel, JZ 2005, 578 (579); Uerpmann, NuR 1994, 386 (387). 420 Vgl. BayVGHE 52, 48 (53, 55); OVG Berlin NVwZ 2005, 721 (721); Uerpmann, NuR 1994, 386 (387). 421 Die vorhandenen Bestimmungen lassen zumeist (im Wege „grundrechtsfreundlicher Auslegung“) ein Verständnis zu, nach dem auch eine unverhältnismäßige Härte für den Nachbarn einen Befreiungstatbestand auslöst. Vgl. etwa zu § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a BNatSchG (a. F.), BayVGHE 52, 48 (51 ff.); Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2576); M. Winkler, JA 283 (284) („verfassungskonforme Auslegung“); ferner Uerpmann, NuR 1994, 386 (387).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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gentümer seiner zivilrechtlichen Pflicht zur Unterlassung von Beeinträchtigungen nachkommen können muss, mittels einer „normativen Betrachtung“ als beachtlicher Belang des Eigentümers qualifiziert werden, so dass ein Befreiungstatbestand auf diese Weise erfüllt wird. Entsprechende Überlegungen gelten für die verwaltungsverfahrensrechtliche Antragsbefugnis, die Widerspruchsbefugnis und die Klagebefugnis im Fall der Versagung einer beantragten Befreiung.422 Die Beantragung „direkt“ durch den Nachbarn ist dabei regelmäßig effektiver als die Alternative, den Eigentümer hierzu zu zwingen, da der Eigentümer ein derartiges Verfahren nur sehr halbherzig betreiben wird.423 Zudem spricht der Umstand, dass die behördliche Genehmigung die Entscheidung über das Bestehen des zivilrechtlichen Beseitigungsanspruchs nicht vorwegnimmt, sondern diese Frage unabhängig davon im Zivilrechtsweg zu klären ist, dafür, Verfahrenseinleitungsund Betreibungsrechte eher großzügig zu bejahen.424 Im Hinblick auf das Maß an Beeinträchtigungen, das eine Ausnahme, Befreiung etc. rechtfertigt, müssen die gleichen Regeln gelten wie für gleichartige nachteilige Auswirkungen auf den Eigentümer des geschützten Objekts. Unterschiedliche Niveaus können jedoch zwischen der Auslöseschwelle für eine Befreiung vom öffentlich-rechtlichen Verbot und dem Maß liegen, ab dem eine „wesentliche Beeinträchtigung“ des Nachbarn gegeben ist. Auch wenn oftmals beide Maßstäbe kongruent sein werden,425 ist eine Divergenz nicht ausgeschlossen, da im einen Fall die Privatinteressen dem Allgemeinwohlbelang des Naturschutzes gegenüberzustellen sind und im anderen Fall die Handlungs- und Schutzinteressen der beiden privaten Eigentümer den Kerngegenstand der Abwägung bilden, so dass im zweiten Fall die Abwägung nur im untergeordneten Maß durch das öffentliche Interesse am Erhalt der geschützten Objekte beeinflusst wird.426 (e) Verwirklichung in Zivilprozess und Zwangsvollstreckung Der Nachbar ist, auch wenn er zumeist selbst eine Befreiung beantragen und ggf. deren Erteilung durchsetzen kann, gleichwohl oft auf die Mitwirkung des Eigentümers angewiesen. Der Eigentümer wird die Handlungen, die für den Er422 Vgl. BayVGHE 52, 48 (49 f.); 54, 81 (81 f.); OVG Saarlouis NuR 1999, 531 (531); OVG Lüneburg NuR 1997, 151 (152); Gerhard, NuR 2003, 644 (645); Günther, NuR 2002, 587 (593) m.w. N.; Uerpmann, NuR 1994, 386 (386 f., 388); Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 262 ff.; teils abweichend Otto, NJW 1989, 1783 (1784). 423 Vgl. Bitzer, DZWir 1995, 367 (368); Uerpmann, NuR 1994, 386 (388). Der Umweg kann jedoch Vorteile aufweisen und darf dem Nachbarn daher nicht völlig verwehrt werden, vgl. Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 304 f. 424 Vgl. OVG Münster NuR 1998, 666; VGH Mannheim NuR 1996, 408 (408 f.). 425 Vgl. Vieweg, NJW 1993, 2570 (2577); Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 62 ff.; zum „verständigen Durchschnittsmenschen“ unten B.I.1.b)cc). 426 Vgl. Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 62 f.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

folg des Verwaltungsverfahrens von Bedeutung sind, meist nicht freiwillig bewirken. Da der Nachbar seinen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht verwirklichen kann, solange die Befreiung nicht erteilt ist, müssen ihm gegenüber dem Eigentümer Ansprüche auf Mitwirkung zustehen,427 da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ich der Störer hinter dem öffentlich-rechtlichen Verbot verschanzt.428 Diese Pflicht lässt sich als temporäre Modifikation des Beseitigungs-/Unterlassungsanspruchs erklären: Da der Störer „an sich“, d.h. bei isolierter Betrachtung des Rechtsverhältnisses unter dem Gesichtspunkt des privaten Nachbarrechts,429 zur Beseitigung verpflichtet ist, trifft ihm, solange ihn ein Verbot vorübergehend an der Erfüllung dieser Pflicht hindert, als Vorstufe zur eigentlichen Abhilfemaßnahme die Pflicht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die erforderlichen Handlungen rechtmäßig vornehmen zu können.430 Demgegenüber ist das Zivilgericht wiederum nicht befugt, selbst eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen oder deren Fehlen mit der Überlegung zu umgehen, dass dem Nachbarn ein Anspruch auf ihre Erteilung zusteht. Erst der Verwaltungsakt beseitigt konstitutiv das rechtssatzmäßige Verbot; das Gericht kann nicht seine Einschätzung an die Stelle der Beurteilungs-/Ermessensspielräume der Behörde setzen. Im Rahmen einer Klage nach § 1004 oder § 910 BGB muss daher nur geprüft werden, ob deren Voraussetzungen vorliegen können und somit die Erteilung einer Ausnahme überhaupt möglich ist.431 Erscheint dies aussichtsreich, kann die Verurteilung zur Beseitigung unter dem Vorbehalt der Genehmigungserteilung erfolgen.432 bb) Konkretisierung durch Technische Normen Müssen wertungsbedürftige Begriffe quantifizierend ausgefüllt werden, ist der Rechtsanwender regelmäßig433 geneigt, vorgefundene Tabellen, Festlegungen oder ähnliche Regelwerke – namentlich technische Normen oder Richtlinien – 427

Vgl. BGHZ 120, 239 (248); kritisch Uerpmann, NuR 1994, 386 (389 f.). So wörtlich BGHZ 120, 239 (245); sinngemäß auch BGH NJW 1995, 714 (714); OVG Lüneburg NuR 1997, 151 (152). 429 Vgl. M. Winkler, JA 1993, 283 (284). 430 Dazu eingehend Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 294 ff. 431 BGHZ 120, 239 (246 f.); BGH NZM 2005, 318 (318 f.); zustimmend Uerpmann, NuR 1994, 386 (390); LG Hechingen NJW 1995, 971 (972); siehe auch Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22; sowie Vieweg, NJW 1993, 2570 (2571). 432 BGHZ 120, 239 (247 f.); BGH NJW 1995, 714 (715); NZM 2005, 318 (319); dem folgend LG Hechingen NJW 1995, 971 (972); Röthel, JZ 2005, 578 (578); Bitzer, DZWir 1995, 367 (368); Schmalholz, ZUR 2000, 257 (265); diese Grundsätze bestätigend BGHZ 160, 232 (237); BGH NZM 2005, 318 (319). Eingehend zum Charakter dieses Vorbehalts Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 241 f. 433 Zu nennen sind hier die Schmerzensgeldtabellen oder Tabellen für die Nutzungsausfallentschädigung bei Kraftfahrzeugen. 428

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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heranzuziehen, auch wenn sie nicht von staatlichen Einrichtungen in einem förmlichen Rechtssetzungsverfahren erlassen wurden, sondern von Sachverständigenorganisationen o. ä.434 stammen. Derartige Regelwerke werden auch bei der Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt“ in § 906 Abs. 1 S. 2 genutzt, wenn Rechtsnormen, die dem § 906 BGB vorgehen oder Indizwirkung für das entfalten, nicht vorhanden sind. Dies wirft die Frage auf, ob und wieweit Regelwerke, die nicht zu den in § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB genannten gehören, als Hilfe zur Konkretisierung eingesetzt werden dürfen. Eine enge Orientierung an solchen Regelwerken bringt ebenso den Vorteil einer weitgehenden Transparenz und Vorhersehbarkeit der Entscheidung mit sich, fördert somit Rechtssicherheit und Rechtsanwendungsgleichheit. Die Eignung technischer Regelwerke als Maßstab leidet jedoch oftmals darunter, dass ihre Zielrichtung primär darin liegt, Material- und Produktionsstandards aufzustellen, und der Schaffung adäquater Schutz-/Sicherheitsstandards nur eine begleitende Rolle zukommt.435 Damit besteht die Gefahr, dass die normgebenden Organisationen als „Richter in eigener Sache“ der Harmonisierung von Produktions- und Vermarktungsbedingungen und der Wirtschaftlichkeit das wesentliche Gewicht zubilligen und die Schutzbelange etwaiger Betroffener zu kurz kommen. Bei Regelwerken, die von unabhängigen Sachverständigenorganisationen oder von Behörden herausgegeben wurden, bestehen derartige Bedenken zwar weniger stark, so dass z. B. den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission regelmäßig besondere Beachtung zuteil kommen wird.436 Auch bei ihnen ist jedoch (wie bereits bei den von § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 erfassten Vorschriften) darauf zu achten, ob sie die Individualinteressen nach zivilrechtlichen Maßstäben ausreichend würdigen oder nur auf typische Fälle eingehen. Von maßgeblicher Bedeutung ist schließlich die Aktualität: Der geronnene Sachverstand ist nahezu die einzige Legitimationsquelle technischer Regelwerke. Werden neue Möglichkeiten zur Verringerung von Störungen entwickelt oder neue Erkenntnisse über die Schädlichkeit gewonnen, verliert damit die Erkenntnisquelle an Überzeugungskraft und Legitimation. Wichtig ist schließlich, ob die technischen Regelwerke ihrer eigenen Zielrichtung nach einen ausgewogenen Zustand beschreiben wollen oder nur ein unabdingbares Mindestniveau wiedergeben; im letztgenannten Fall lassen sich die Zahlenwerte kaum für die Lösung zivilrechtlicher Konflikte heranziehen, weil dem einen Grundrechtsträger regelmäßig nicht zugemutet werden kann, sich 434 Praktisch relevant sind vor allem die Normen des DIN und des VDI, sowie des Bund-Länder-Ausschusses Immissionsschutz; vgl. z. B. BGHZ 69, 105 (115 f.): Bewertung und Messung von Fluglärm. 435 Zu den Funktionen der technischen Normung vgl. Dietz/Regenfus, Risiko und technische Normung, S. 405. 436 Vgl. OLG Koblenz RdE 1997, 154 (155); ganz ähnlich zu den LAI-Hinweisen für Freizeitlärm BGHZ 111, 63 (67); BGH NJW 2003, 3699 (3700).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

zugunsten des anderen mit dem gerade noch zumutbaren Niveau zufriedenzugeben.437 Der Umstand, dass die Legitimation der Regelwerke auf dem Sachverstand beruht, wirft ferner das Problem auf, dass die Sachkunde nur die Beantwortung wissenschaftlich-technischer Fragen einschließlich der zu beachtenden Wirkmechanismen und der Messmethoden rechtfertigt, nicht jedoch auch die darauf aufbauenden Zumutbarkeitsbewertungen. Die technischen Regelwerke enthalten aber auch wertende Entscheidungen über die Zumutbarkeit von Immissionen,438 etwa zur Zahl der noch hinzunehmenden Geruchsstunden in den VDI-Richtlinien zur landwirtschaftlichen Tierhaltung.439 Für derartige Beurteilungen ist ein Gremium von Bausachverständigen oder Ingenieuren nicht mehr „besonders qualifiziert“. Soll einer solchen Festlegung Verbindlichkeit zukommen, muss sie durch ein Organ erfolgen, das aufgrund demokratischer Legitimation die Befugnis besitzt, Entscheidungen über die Einschränkung der Freiheitssphäre von Bürgern zu treffen. Sachverständige können bei der solchen Organen vorbehaltenen Tätigkeit nur vorbereitend und empfehlend tätig sein, indem sie z. B. Auskunft geben, bei welchen Immissionswerten mit welcher Wahrscheinlichkeit welche Schäden zu erwarten sind oder wie sie das Wohlbefinden beeinträchtigen. Vorgaben für das Verfahren zur Aufstellung der Regelwerke und die Zusammensetzung derartiger Gremien (wie sie sich für die staatlichen Rechtssetzungsverfahren in Art. 76, Art. 77 oder Art. 80 GG finden) fehlen ebenfalls, so dass nicht gewährleistet ist, dass alle Gesichtspunkte in den Entscheidungsfindungsprozess einfließen können und angemessen gewichtet werden. Gegenüber allen Formen nicht-normativer Regelwerke ist daher sowohl in sachlicher als auch kompetenzrechtlicher Hinsicht ein erhöhtes Maß an Zurückhaltung an den Tag zu legen.440 Der Gesetzgeber hat daher durchaus berechtigt davon abgesehen, für technische Regelwerke eine Verbindlichkeit oder auch nur eine Indizwirkung (wie in § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB) anzuordnen.441 Gerichte dürfen sich deshalb zwar an technischen Regelwerken und dem darin enthaltenen Sachverstand orientieren und sie als Entscheidungshilfe verwenden,442 müssen jedoch den möglichen Einfluss der genannten „Störfaktoren“ und 437

Vgl. die Ausführungen in BGHZ 172, 346 (351 f., 354 ff.) zur DIN 4109. Vgl. Dietz/Regenfus, Risiko und technische Normung, S. 423 ff. zum Wertungscharakter der Festlegung des noch vertretbaren Risikos. 439 Zu nennen sind insbes. die VDI 3471 für die Schweinemast, VDI 3473 für die Rindermast, VDI 2374 für die Tierhaltung. Vgl. ferner BayVGHE 44, 19 (21) für Lichtimmissionen. 440 Ähnlich zu allen vorgestellten Arten von Regelwerken Vieweg, NJW 1993, 2570 (2573); Röthel, JZ 2004, 1083 (1084). 441 Eine strengere Bindung als die dort vorgesehene Indizwirkung ist a fortiori ohnehin nicht möglich, vgl. Vieweg, NJW 1993, 2570 (2573); Röthel, JZ 2004, 1083 (1084); H. Roth, Anm. LM § 906 BGB Nr. 100; BGH NJW 2003, 3699 (3700). 438

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Defizite prüfen und beachten. Technische Regelwerke können somit einen ersten, groben Anhalt liefern.443 Unzulässig ist eine schematische Anwendung ohne Blick auf den Einzelfall.444 Gegebenenfalls muss das Gerichtdie zugrundegelegten wertenden Annahmen auf ihre Angemessenheit überprüfen und die Einschätzungen durch eigene ersetzen.445 cc) Bestimmung des Maßes der „Wesentlichkeit“ in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB: Der „verständige Durchschnittsmensch“ Bieten sich keine Anhaltspunkte in Gestalt technischer Regelwerke oder liegt ein atypischer Fall446 vor, bleibt die Aufgabe der Konkretisierung der Begriffe „Wesentlichkeit“, „Ortsüblichkeit“ und „Zumutbarkeit“ vollständig dem erkennenden Gericht überlassen. Das Maß der unter Nachbarn gebotenen Rücksichtnahme – sei es durch eine Einschränkung der Grundstücksnutzung, sei es durch das Akzeptieren gewisser Beeinträchtigungen – ist dann unter Abwägung aller widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu bestimmen.447 (1) Vom „normalen“ zum „verständigen“ Durchschnittsmenschen Zur Festlegung des Niveaus von Beeinträchtigungen, das „noch unwesentlich“ ist, kann nicht darauf abgestellt werden, ob der Akzeptor sich subjektiv gestört fühlt. Da das Störungsempfinden jedes Individuums höchst unterschiedlich ist, wäre die tatsächliche Belastung unüberprüfbar und bestünde die Gefahr der Si442 BGHZ 121, 248 (252); auch BGH NJW 1999, 1029 (1030); BGH NJW 2001, 3054 (3055 f.); OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 1236 (1237) je zur GIRL; ähnlich BVerwG NVwZ 1993, 1184 (1186) zur VDI-RL 3471, die sich ebenfalls mit Geruchsbelästigungen befasst; BGH NJW 2003, 3699 (3700); BVerwGE 88, 143 (149) und OVG Koblenz NJW 2005, 772 (773) zu den LAI-Hinweisen für Freizeitlärm; BGH NJW 2005, 660 (663); BayVGHE 44, 19 (21); LG Wiesbaden NJW 2002, 615 (616). LG Düsseldorf NJW-RR 2000, 30 (30) sieht bei einem erheblichen Übersteigen eines Grenzwerts in einer als Entwurf und Vornorm vorliegende DIN-Norm die Grenze des Zumutbaren erreicht. 443 BGHZ 140, 1 (7); BVerwGE 81, 197 (203); 79, 254 (259, 264 f.: „indizielle Bedeutung“); BVerwG NJW 2003, 3360 (3361); BayVGH NVwZ 1991, 2660 (2661); BGHZ 70, 102 (110); BGH NJW 1983, 751 (752); auch LG Düsseldorf NJW-RR 2000, 30 (30). 444 BVerwG NJW 1999, 2912 (2913) (bestätigend BayVGHE 52, 48); BVerwGE 81, 197 (202 f., 205); 88, 143 (149); BVerwG Beschl. v. 30.7.2003, Az. 4 B 16/03 (juris); BGHZ 120, 239 (256); 122, 76 (80 f.); BGH NJW 2003, 3699 (3700); NJW 1995, 132 (133); schon BGH LM BGB § 906 Nr. 25; aus der Rechtsprechungspraxis OVG Hamburg BauR 1992, 356 (359); VG Minden NVwZ-RR 2003, 198 (200). 445 Vgl. BVerwGE 88, 143 (149). 446 Siehe etwa BGHZ 120, 239 (256 ff.): ungleichmäßige zeitliche Verteilung des Lärms; BGHZ 121, 248 (255): unterschiedliche Art und Stärke des Lärms; BGHZ 140, 1 (8): atmosphärische Besonderheiten. 447 Formuliert nach BGHZ 38, 61 (63); vgl. auch Fn. 463; BVerwGE 90, 163 (166).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

mulation.448 Die Rechtsprechung hat deshalb den „differenziert-objektiven Maßstab“ angelegt und zunächst die Figur des „normalen Durchschnittsmenschen“ 449 kreiert. Unwesentlich ist danach, was ein Durchschnittsbenutzer des betroffenen Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit450 praktisch kaum noch als Beeinträchtigung empfindet.451 Relevante Faktoren für die Beurteilung einer Beeinträchtigung als wesentlich sind danach u. a. die Dauer und die Tageszeit, zu der die Einwirkung erfolgt,452 und deren Lästigkeit.453 Eine besondere Lästigkeit kann sich z. B. bei Lärm aus einer gesteigerten Wahrnehmbarkeit gegenüber anderen Umgebungsgeräuschen (dem sog. Grundpegel)454, der Frequenz und spektralen Zusammensetzung der Geräusche455, einer Impulshaltigkeit456 oder Infor448 Vgl. BVerwGE 68, 62 (67); OLG Köln NJW-RR 1997, 656; LG München I NJWRR 1989, 1178 (1178); LG Memmingen NJW-RR 1987, 530 (530); Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 5 b (S. 217); RGZ 70, 311 (313); OLG Celle JW 1937, 2116; detailliert Schmalholz, ZUR 2000, 257 (261); bereits v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (113 ff.); prägnant das folgende Zitat (S. 114): „Wollte man sich (für einen individuellen Maßstab) entscheiden, so müsste dem Schmied das Hämmern untersagt werden, wenn neben ihm eine hysterische Dame einzieht, die bei seinen wuchtigen Schlägen Anfälle von Ohnmacht bekömmt“. 449 Erstmals – soweit ersichtlich – RG JW 1932, 400 (402); später BGH LM BGB § 906 Nr. 6; NJW 1959, 1632 (1632); JZ 1969, 635 (636); BGHZ 70, 102 (110); BGH NJW 1984, 1242 (1242); zustimmend Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 5 b (S. 217); Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1955); G. Hager, NJW 1986, 1961 (1962); entgegen der neueren Rspr. (unten Fn. 462) daran festhaltend Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 178 f.; ders., JZ 2002, 245 (246); vgl. dazu auch Vieweg, NJW 1993, 2570 (2572). 450 Vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 178; ders., JZ 2002, 245 (246); OLG Schleswig NJW-RR 1986, 884 (884); zusammenfassend Schmalholz, ZUR 2000, 257 (259); inhaltlich ebenso die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, die für die Zumutbarkeit die „gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit“ untersucht: BVerwG ZUR 2003, 367 (368); OVG Münster ZUR 2003, 368 (369). 451 BGH NJW 1982, 440 (441); OLG Schleswig UPR 1995, 235 (236); NJW-RR 1986, 399 (399); OLG München NJW-RR 1991, 1492 (1493); Filthaut, VersR 1992, 150 (153). – Grundlegend anders Planck/Strecker, § 906 Anm. 4 a: Beeinträchtigungen seien unwesentlich, wenn es sich um Einwirkungen handelt, die von jedem Grundstück infolge der im Haushalt erforderlichen Tätigkeiten ausgehen. 452 BGHZ 46, 35 (39); 111, 63 (67, 70); 148, 261 (265 f.); BGH NJW 2003, 3699 (3701) (vgl. auch die Anm. von Wieling, LMK 2004, 3 (3)); OLG Koblenz NJW-RR 2004, 24 (25); OVG Koblenz NJW 2005, 772 (773 f.). 453 Vgl. BGHZ 46, 35 (38); 175, 253 (265); BGH NJW 1992, 2019 (2019); BVerwGE 81, 197 (203); OLG Köln NJW-RR 1991, 1425 (1425); OLG München NJWRR 1991, 1492 (1493); LG München I NJW-RR 1989, 1178 (1178); Röthel, Jura 2000, 617 (619); zusammenfassend Gaentzsch, UPR 1985, 201 (203); zahlreiche Nachweise bei jurisPK/Vieweg/Regenfus, § 906 Rdnr. 54. 454 Vgl. BGHZ 120, 239 (258); OLG Koblenz NJW-RR 2004, 24 (25); OVG Hamburg BauR 1992, 356 (361); Soergel/J. F. Baur, § 906 Rdnr. 73. 455 Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 187; BGHZ 46, 35 (38); BGH WM 1969, 1042 (1044): Hohe Frequenzen bei Freiluftopernaufführung; OLG München NJW-RR 1991, 1492 (1493): Radioübertragung; OLG Köln OLGZ 1994, 313 (314): Jaulen und Wimmern von Tieren; VGH Mannheim NVwZ 1999, 85 (86 f.): niederfrequente Geräusche (im Bereich der 80-Hz-Terz).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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mationshaltigkeit457 des Lärms, einer (Un-)Regelmäßigkeit („Lärmerwartung“ 458) oder einer aus sonstigen Gründen als unangenehm empfundenen Charakteristik459 ergeben. Da auf das jeweilige beeinträchtigte Grundstück abzustellen ist, können bestimmte subjektive Anfälligkeiten (z. B. von Wohnheimen für ältere und behinderte Menschen oder von Kindergärten) die Wesentlichkeitsschwelle senken, sofern die gesteigerte Empfindlichkeit typischerweise mit der betreffenden Nutzung des Grundstücks einhergeht.460 Die Rechtsprechung hat den Kreis der Aspekte, die der Beurteilung von Einfluss sein können, später insofern erweitert461 als auch Interessen der Allgemeinheit und grundrechtliche Wertungen umfassend zu berücksichtigen und in die Abwägung einzustellen sind. Schlagwortartig zieht die Rechtsprechung nun den „verständigen Durchschnittsmenschen“ als Maßstab heran.462 Ihn zeichnet aus, 456 BGH NJW 1983, 751 (751 f.); OVG Hamburg BauR 1992, 356 (360); oben Fn. 366. 457 Dazu etwa OLG München NJW-RR 1991, 1492 (1493): Sprachtexte und Musik führen zu Appellcharakter von Radiosendungen; BVerwGE 81, 197 (201 f.): Zurufe bei Fußballspiel; OVG Koblenz NJW 2005, 772 (773): Musik und Festveranstaltungen. 458 Vgl. BGH WM 1969, 1042 (1044): „Erwartungsgeräusch“, da den Anliegern der Ablauf der Freiluftopernaufführung infolge fünfmaliger Wiederholung pro Woche bekannt sei. 459 BGH NJW 1968, 1133 (1133 f.): Wendegeräusch bei Straßenbahnkehre; zu Kinderlärm LG Hamburg ZUR 2006, 193 (194); vgl. ferner OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 1236 (1237); Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 23: Grad der Ekelerregung bei Gerüchen. 460 Vgl. Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 22; VGH Mannheim NVwZ 1999, 85 (86). 461 Insbesondere gilt weiterhin, dass – wie bereits beim normalen Durchschnittsmenschen – das Maß der hinzunehmenden Beeinträchtigungen u. a. von den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten und hygienischen Vorstellungen (OLG Schleswig UPR 1995, 235 (236); NJW-RR 1986, 399 (399)), von der Tageszeit (BGHZ 148, 261 (265 f.)) sowie von der Lästigkeit (oben Fn. 453) abhängt. Gleiches gilt für die Aspekte, ob eine der Streitparteien um eine gütliche Regelung bemüht war (Vieweg/ Röthel, NJW 1999, 969 (974 f.)), ob Schutzmaßnahmen bereits konkret geplant sind und die Störung daher nur vorübergehend erfolgen wird (OLG München DWW 1998, 212 (212)), ob der Emittent eine Lärmquelle trotz bestehender Möglichkeit nicht an eine weniger störende Stelle verlegt (BGH NJW 2003, 3699 (3701)), und ob ihm ein Ausweichen (vgl. OVG Koblenz NJW 2005, 772 (774): Alternativstandort, u. U. jährlich wechselnde, gleichmäßige Verteilung auf mehrere gleich geeignete Orte; AG München NJW 2005, 760 (761): 30 m entfernter Parkplatz) oder das Ergreifen eigener Gegenmaßnahmen (OVG Koblenz NJW 2005, 772 (772): „architektonische Selbsthilfe“) zuzumuten ist. Die Beachtlichkeit dieser Aspekte folgt jeweils mittelbar aus dem Prinzip der Praktischen Konkordanz [vgl. oben Teil 2 C.I.3.b)]: Wer sich um eine Ausweichmöglichkeit – und damit um einen Weg, Konflikte real zu vermeiden und die involvierten Interessen in natura weitgehend zu verwirklichen (erste Stufe) – bemüht, ist auf der zweiten Ebene schutzwürdiger als der, der diesen Kompromiss vereitelt hat. Daher verdient der Störer in den genannten Fällen keinen Schutz, so dass eine Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle erfolgen muss (vgl. BGH NJW 2003, 3699 (3701)). 462 BGHZ 120, 239 (255); 121, 248 (255); 140, 1 (5); 148, 261 (264); 157, 33 (43); BGH NJW 2001, 3054 (3055); NJW 2003, 3699 (3699, 3700); NJW 2004, 1317 (1318); BGH NZM 2004, 957 (958); NJW 2005, 660 (663); NJW-RR 2006, 235 (237); NJW 2007, 98 (98); gebilligt in BVerfG NJW 1997, 2509 (2510). Diesem Maßstab fol-

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

dass er das in einer komplexen Gesellschaft gebotene Verständnis für die Belange der Allgemeinheit und konkreter anderer Mitbürger an den Tag legt. Zur Ermittlung der Wesentlichkeitsschwelle hat somit eine einzelfallabhängige Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange zu erfolgen:463 „Wesentlich“ i. S. v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB ist somit, was dem Eigentümer auch bei Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange nicht zuzumuten ist.464 Diese Normativierung465 des Tatbestandsmerkmals bedingt eine umfassende Bewertung der Störung durch den Rechtsanwender.466 (2) Beispiele beachtlicher Abwägungsfaktoren Zu den Aspekten, diese Abwägung beeinflussen können, gehören zunächst die Grundrechte der involvierten Personen. Sie entfalten über das Medium der „wesentlichen“ Beeinträchtigung mittelbare Wirkung.467 So müssen wegen der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG) akustische Äußerungen von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die im Zusammenhang mit der Religionsausübung und Verkündigung stehen,468 in weiterem Umfang zulässig sein als „gewöhnliche“ Geräusche.469 Diese gesteigerte Rücksicht ist Ausdruck des Gebotes gend OLG Koblenz RdE 1997, 154 (155); OLG Schleswig UPR 1995, 235 (235); LG Wiesbaden NJW 2002, 515 (617); LG Aschaffenburg NVwZ 2000, 965 (966); LG Düsseldorf DWW 1997, 188 (189). – Der Terminus findet sich erstmals, soweit ersichtlich, bei Gaentzsch, UPR 1985, 201 (203); er wird ferner in OVG Hamburg BauR 1992, 356 (361) verwendet. In RGZ 59, 116 (120) wurde zuvor auf „verständige Leute“ rekurriert, in RGZ 60, 147 (149 u. ö.) auf den „verständigen Menschen“; der BGH gebrauchte erstmals in BGHZ 111, 263 (266) den Begriff des „verständigen Bauherrn“ (vgl. unten Fn. 976 [Hervorhebungen nicht im Original]). Den suggestiven Charakter der Formulierung bemerkt Wieling, LMK 2004, 3 (3): Wer die Einwirkung nicht billigt, „ist entweder nicht verständig, oder kein Durchschnittsmensch; auf ihn muss man keine Rücksicht nehmen“. 463 BGHZ 120, 239 (255); 148, 261 (264); BGH NJW 2005, 660 (663); Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (970); Röthel, Jura 2000, 617 (619). 464 BGHZ 120, 239 (255); BGH NJW 1999, 1029 (1030); BGH NJW 2003, 3699 (3700); NJW 2004, 1317 (1318); NJW 2007, 98 (98). – Die „ältere“ Entscheidung OLG Nürnberg NJW-RR 1988, 979 (979) griff auf den Grundsatz von Treu und Glauben zurück, um das Interesse an einer für das soziale Zusammenleben wichtigen Jugendarbeit berücksichtigen zu können; ebenso OLG Köln NJW-RR 1991, 1425 (1425). 465 Vieweg, NJW 1993, 2570 (2572); eine solche bereits fordernd Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (604). 466 Röthel, Jura 2000, 617 (618); OLG Köln NJW 1998, 763 (764), jeweils nach BGH (oben Fn. 462); Wieling, LMK 2004, 3 (3). 467 Vieweg, NJW 1993, 2570 (2573). 468 Mangels religiöser Motivation genießt das „reine Zeitschlagen“ i. d. R. keine Privilegierung, vgl. BVerwGE 90, 163 (167); BayVGH BayVBl. 2003, 241 (242 f.); LG Aschaffenburg NVwZ 2000, 965 (966); VG Minden Urt. v. 4.5.2006, Az. 9 K 108/06, juris-Abs. 51 ff. Demgegenüber weist Schwerdtfeger, ZevKR Bd. 46 (2001), 319 (322) darauf hin, dass auch das Zeitschlagen Zeichen der Präsenz in der Gesellschaft sein und daher die Privilegierung verdienen kann.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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der Toleranz, die im pluralistischen Staat jeder dem anderen schuldet.470 Da auch der Betrieb von Kindergärten und die Jugendarbeit nach dem – wegen Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV weitgehend maßgeblichen471 – Selbstverständnis der christlichen Kirchen einen Teil der Verkündigung und des sozialen Auftrags bildet, ist erhöhte Akzeptanz gegenüber solchen Einrichtungen ebenfalls zu fordern.472 Diese Überlegungen können auf öffentliche Meinungsäußerungen und Kundgebungen zu politischen Zwecken übertragen werden. Aufzüge, Kundgebungen o. ä. sind daher wegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG und Art. 8 GG von Anwohnern auch dann hinzunehmen, wenn sie mit intensiven Geräuschen durch Lautsprecher oder Sprechchöre einhergehen. Demgegenüber wurde, soweit ersichtlich, dem Aspekt, dass die betreffende Handlung einer gewerblichen Betätigung dient und daher Art. 12 Abs. 1 GG für sich in Anspruch nehmen kann, bisher keine privilegierende Wirkung beigemessen.473 Bei rein kommerziellen Werbemaßnahmen soll vielmehr eine stärkere Rücksichtnahmepflicht des Werbenden auf die Interessen anderer bestehen.474 Dem liegt offenbar der Gedanke zugrun-

469 Vgl. BVerwGE 68, 62 (67 f.); BayVGH BayVBl. 2003, 241 (242 f.), das eine Überschreitung des Beurteilungspegels der TA Lärm um 5 dB(A) für zumutbar hält. Vgl. ferner Mainusch, ZevKR 44 (1999), 558 (560 f.); Schwerdtfeger, ZevKR Bd. 46 (2001), 319 (322 f.). – Die Streitigkeit war in den genannten Fällen jeweils nur wegen des Status der Glocken als res sacrae öffentlich-rechtlicher Art (vgl. BVerwGE 68, 62 (63 ff.); Mainusch, ZevKR 44 (1999), 558 (561 f.); Schwerdtfeger, ZevKR Bd. 46 (2001), 319 (320 f.)). – Der BayVGH trägt zudem dem kirchlichen Selbstverständnis und ihrer Selbstverwaltungshoheit auch im Fall der Überschreitung der Grenzwerte weiter Rechnung, indem der Kirche die Wahl zwischen aktivem und passivem Lärmschutz gegeben wird und die Unterlassungspflicht nicht sofort mit Rechtskraft des Urteils, sondern erst nach einer längeren Zeit einsetzt, so dass sie entscheiden kann, ob sie zur Vermeidung der Immissionen die Lautstärke ihrer Verkündigungsaktivitäten einschränkt oder unter deren Beibehaltung passiven Lärmschutz finanziert. 470 Vgl. A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 328 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 443 a ff. – Der Begriff „Toleranz“ bedeutet ein bewusstes Aushalten abweichender Überzeugungen anderer (neben den Genannten vgl. Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (61 ff.); Di Fabio, Gewissen, Glaube, Religion, S. 35, 41). 471 Vgl. BVerfGE 24, 236 (246 ff.); Schwerdtfeger, ZevKR Bd. 46 (2001), 319 (322); Mainusch, ZevKR 44 (1999), 558 (560). Was Ausdruck des eigenen Glaubens ist, hängt primär vom Verständnis vom Einzelnen ab. Um eine Ausuferung zu vermeiden, muss allerdings eine gewisse Plausibilitätskontrolle stattfinden, ob es sich nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild um eine Religion bzw. Religionsgemeinschaft handelt (vgl. BVerfGE 83, 341 (353); BVerfG NVwZ 1993, 357 (358); strenger der in BVerfGE 24, 236 (245 f.) geäußerte Vorbehalt, die Religionsgemeinschaft müsse sich „im Rahmen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen der Kulturvölker“ halten). 472 Vgl. Mainusch, ZevKR 44 (1999), 558 (560). 473 Eine Tendenz zur Berücksichtigung scheint Münch, Anm. LM BGB § 906 Nr. 105, erkennen zu wollen. 474 LG Düsseldorf DWW 1997, 188 (189). Die dort zitierten Entscheidungen OLG Frankfurt BB 1970, 731 und HansOLG Hamburg MDR 1972, 1034 geben für den

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de, dass Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber den Schutzbedürfnissen anderer Bürger nur geringe Durchsetzungskraft besitzt, da dieses Grundrecht nicht den persönlichgeistigen Bereich des Individuums und den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung erfasst. Uneinheitlich ist die Bewertung bei Einwirkungen, die von – dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG zuzuordnenden – Freizeitbetätigungen ausgehen: So wurde der von einer Hobbyimkerei ausgelöste Bienenflug in einem Fall als weniger schutzwürdig bewertet, da sie eben „nur als Freizeitbeschäftigung“ ausgeübt wird,475 während ein anderes Gericht attestierte, dass das Interesse an der Ausübung dieses Hobbys als nicht gering zu bewerten ist.476 Richtigerweise wird man in diesen Fällen die zu Art. 2 Abs. 1 GG entwickelte Sphärentheorie477 heranziehen und danach fragen müssen, wie bedeutend die Ausübung der Tätigkeit für die Persönlichkeit i. e. S. ist oder ob nur die Sozialsphäre berührt ist. Über das Merkmal der „Wesentlichkeit“ sollen ferner Staatszielbestimmungen und andere objektive Verfassungsvorgaben Einfluss auf die vorzunehmenden Abwägung gewinnen und die Individualinteressen auf der einen Seite verstärken oder auf der Gegenseite relativieren können.478 Wichtige Beispiele sind hier – neben den in Art. 20 a GG anerkannten Belangen des Umwelt- und Artenschutzes479 – die Gedanken von Mitmenschlichkeit und Rücksichtnahme480 gegenüber benachteiligten Gruppen oder Minderheiten, die im Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 und im besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verankert sind,481 sowie das aus Art. 6 und Art. 20 Abs. 1 GG abzuleitende Interesse an einer kinderfreundlichen Umwelt482. Diese Zielvorgaben können jeweils die EntRechtssatz, dass die Maßstäbe bei Reklamezwecken niedriger anzusetzen seien, wie ihn das LG Düsseldorf annimmt, allerdings nichts her. 475 So OLG Bamberg NJW-RR 1992, 406 (407); ähnlich Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnrn. 114, 154, der bei Liebhaberei (spezell Haustierhaltung) für äußerst strenge Anforderungen plädiert. 476 So LG Ellwangen NJW 1985, 2339 (2340). 477 Vgl. oben Teil 2 B.II.3.a)ee)(5), in Fn. 612. 478 Vgl. Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (973). 479 Vgl. BGHZ 157, 33 (43); OLG Hamm NZM 2009, 335 (335). Zur Beachtlichkeit des „veränderten Umweltbewusstseins“ bereits BGHZ 120, 239 (255); ferner Medicus, JZ 1986, 778 (780); OLG Schleswig NJW-RR 1986, 884 (886, 887). Sehr weitgehend OLG Köln NJW-RR 1997, 656. 480 Der von OLG Köln, OLG Karlsruhe und LG Münster (folgende Fn.) verwendete Begriff „Toleranz“ passt nicht (vgl. Fn. 470); gemeint ist „Rücksichtnahme“. 481 OLG Köln NJW 1998, 763 (764); dem Urteil in Begründung und Ergebnis zustimmend Röthel, Jura 2000, 617 (619); vgl. ferner OLG Karlsruhe WuM 2007, 279 (280): Pflegeheim; LG Münster NJW 2009, 3730 (3731): autistisches Kind in Nachbarschaft; Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 (973, 974 f.). 482 Vgl. OLG Düsseldorf DWW 1996, 20 (21 f.); LG Hamburg ZUR 2006, 193 (194); VG Gießen ZUR 2006, 195 (195); VG Osnabrück ZevKR 44 (1999), 555 (557 f.); Maaß, ZUR 2006, 196 (198 f.); Mainusch, ZevKR 44 (1999), 558 (559); Neuner, JuS 2005, 487 (490); ferner Hagen, FS Röhricht, S. 1185 ff. zur Privilegierung von Kinderspielplätzen in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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scheidung über die Zulässigkeit von Immissionen beeinflussen. Unerheblich ist dabei, wer Träger einer sozialen Einrichtung i. w. S. ist; für die sozialwohlfördernde Wirkung ist ohne Bedeutung, ob eine staatliche Körperschaft selbst aktiv wird oder dieses Ziel durch das Handeln anderer Personen des privaten oder öffentlichen Rechts verwirklicht wird.483 Abwägungserheblich sollen ferner Belange sein, die – anders als die bisher genannten Gesichtspunkte – keine Verankerung im Grundgesetz gefunden haben, sondern allein in einfachrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck kommen. So wurden aus den Bestimmungen des Gaststättenrechts, die für vorübergehende Veranstaltungen großzügigere Anforderungen vorsehen, abgeleitet, dass bei Gemeindefesten, Vereinsfeiern und traditionellen Umzügen von den Nachbarn ein höheres Maß an Rücksichtnahme und Verständnis gegenüber den emittierten Geräusche gefordert sei. Die Privilegierung in § 12 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG sei Ausdruck davon, dass solche Veranstaltungen als Formen des gemeindlichen oder städtischen Lebens von einem Großteil der Bevölkerung akzeptiert und getragen sind und zudem positive Wirkungen auf den Zusammenhalt und die Identität der örtlichen Gemeinschaft entfalten.484 Die referierte Rechtsprechung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass bei der Beurteilung der Wesentlichkeit jeweils die sozialen Interessen des Störers und die sozialen Auswirkungen zu berücksichtigen sind.485 (3) Verfassungsrechtliche Betrachtung – Kriterien für die Beachtlichkeit einzelner Belange Die Figur des „verständigen Durchschnittsmenschen“ ermöglicht, nahezu sämtliche Interessen der Streitparteien und der Allgemeinheit in die Streitentscheidung einzubeziehen und ihren so situationsabhängig Geltung zu verschaffen. Eine Öffnung des Begriffs der „Wesentlichkeit“ für Wertungen aller Art stellt sich daher als nahezu ideale Verwirklichung des Gebotes dar, grundrechtlich geschützte Interessen bei der Entscheidung privatrechtlicher Streitigkeiten zu beachten und im Sinne der praktischen Konkordanz einem schonenden Ausgleich zuzuführen.486 Grundrechtlich geschützte Interessen erfüllen auch stets das (vom BGH aufgestellte) Kriterium, dass das jeweilige wertende Moment nach seinem 483 So ausdrücklich BayVGH NJW 2005, 1882 (1883); VG Osnabrück ZevKR 44 (1999), 555 (558). 484 BGH NJW 2003, 3699 (3700 f.); ihm folgend OVG Koblenz NJW 2005, 772 (773 f.). Zur BGH-Entscheidung Wieling, LMK 2004, 3 (3), der diesen Belang und die Entscheidung zwar grundsätzlich billigt, aber die notwendigen Grenzen aufzeigt. 485 In diesem Sinn bereits vor BGHZ 120, 239: OLG Nürnberg NJW-RR 1988, 979 (979); OLG Köln NJW-RR 1991, 1425 (1425); OLG Düsseldorf DWW 1996, 20 (22); BVerwGE 79, 254 (259, 260); 81, 197 (200); 68, 62 (67 f.). 486 Vieweg, NJW 1993, 2570 (2573).

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Sinn und Zweck geeignet sein muss, die Erheblichkeitsprüfung aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen zu beeinflussen.487 (a) Mangelnde Rechtssicherheit Öffentliche Interessen, die für die eine oder andere Lösung sprechen, finden sich allerdings so gut wie immer, da nahezu in jedem Verhalten eines Privaten Funktionen und Wirkungen ausgemacht werden können, die zugleich das Leben der Gemeinschaft fördern. Ebenso lassen sich die Individualinteressen der Beteiligten quasi stets auf Grundrechte zurückführen. Vom Gesetzgeber festgelegte Vorrangrelationen für das Verhältnis der Grundrechte untereinander fehlen dagegen weitgehend. Daher lässt sich kaum vorhersehen, welche Interessen das Gericht, das den Konflikt zu entscheiden hat, „entdeckt“ und in seiner Abwägung in den Vordergrund stellt.488 Die Lösung des Konflikts wird dadurch weitgehend dem jeweils entscheidenden Tatrichter überlassen,489 dem vor allem in den – häufigen – Fällen, in denen eine quantitative Abwägung zu erfolgen hat, ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum bleibt.490 Damit ist ex ante nicht feststellbar, welches Maß an Beeinträchtigungen noch zulässig ist. Diese Schwierigkeiten wurzeln zum ganz wesentlichen Teil darin, dass der Gesetzgeber in § 906 BGB unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet hat. Dies wiederum ist jedoch nahezu unverzichtbar, weil selbst typisierende und fallgruppenspezifische Regelungen durch die Legislative aufgrund der vielfältig denkbaren Sachgegebenheiten kaum möglich sind und stets die Gefahr besteht, dass relevante Gesichtspunkte übersehen oder nicht adäquat gewürdigt werden.491 Der Maßstab des „verständigen Durchschnittsmenschen“ und die damit einhergehende Einbeziehung einer Vielzahl von Interessen machen allerdings die Abwägung noch vielschichtiger und deren Ergebnis unberechenbarer. Daher ist nach sachlichen Gründen für oder gegen den Maßstab „verständiger Durchschnittsmensch“ zu fragen. (b) Begrenzung des Einflusses öffentlicher Belange Der Wortlaut des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB liefert kein Argument, das gegen die Ausweitung des Kreises der berücksichtigungsfähigen Belange und insbesondere die Einbeziehung öffentlicher Belange spricht. Der Terminus „wesentlich“ enthält vielmehr von vornherein einen Auftrag, die Beeinträchtigung auch vor dem Hintergrund der geltenden Anschauungen zu bewerten. 487

BGHZ 140, 1 (5); dazu auch unten (c). Vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 177. 489 Vgl. Marburger, FS Ritter, S. 914 f. (Fn. 52). Die Problematik behandelt ferner Vieweg, NJW 1993, 2570 (2572); allgemein oben Teil 2 C.I.4.b)bb). 490 Vgl. LG Hechingen NJW 1995, 971 (972). 491 Vgl. zum Ganzen oben Teil 2 C.I.4.b)cc). 488

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In systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass § 906 BGB eine Regelung des Zivilrechts darstellt. Dieser – zunächst banal klingende – Befund lenkt den Blick darauf, dass die Bestimmung der Koordinierung privater Interessen dient. Sie soll beiden Eigentümern erlauben, die Nutzungsfreiheit zu verwirklichen, damit sie mit der Sache ihren Interessen nachgehen können. Die privaten Interessen müssen daher stets den Kern der Abwägung bilden. Andernfalls droht eine Verwässerung des differenzierten Entscheidungsprogrammes, das in den § 906 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB enthalten ist.492 Die Berücksichtigung öffentlicher Interessen in einem angemessenen Umfang ist hierdurch nicht ausgeschlossen; diese dürfen jedoch nicht die Abwägung derart beherrschen, dass sie die zentralen und eigentlichen bestimmenden Faktoren werden.493 Die Individualinteressen des Eigentümers müssten dann nämlich aus Allgemeinwohlerwägungen zurücktreten, obwohl nach außen hin das widerstreitende Privatinteresse des anderen der Rechtfertigungsgrund zu sein scheint.494 Dies stellt nicht nur einen „optischen Mangel“ dar, sondern kann auch leicht zur Verletzung verfassungsrechtlicher Vorgaben führen, da für die Einschränkung von Freiheiten zur Verfolgung „reiner Allgemeininteressen“ andere formelle und materielle Anforderungen gelten als bei der Koordination von Individualinteressen. Die öffentlichen Interessen können daher – bildlich gesprochen – nur in einem schmalen Bereich das Ergebnis der Anwendung des § 906 BGB beeinflussen, wenn nämlich die gegenüberstehenden privaten Interessen „isoliert“ nahezu gleichgewichtig sind. In diesem Fall können die Allgemeinwohlbelange eine Seite verstärken und so die Frage der Zulässigkeit von Grundstückimmissionen beeinflussen. Im Übrigen gilt, dass allein die Tatsache, dass der Verursacher gute Gründe (insbesondere sozialer Art) hinter sich hat, eine Beeinträchtigung noch nicht unwesentlich und zulässig macht.495 Diese Verständnis führt auch nicht dazu, dass dem Gesetzgeber keine Möglichkeit bliebe, sicherzustellen, dass das privaten Nachbarrecht der Durchsetzung bestimmter Ziele nicht entgegensteht: Ihm bleibt der Weg, Regelungen zu erlassen, die bestimmte Einwirkungen für zulässig erklären und auch dem Nachbarn gegenüber wirken.496 Hierbei hat er aber dann die allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen an eigentumsbeschränkende Rechtsnormen zu beachten.

492 Ebenso – mit weitergehenderer Kritik als hier – Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 177 f.; in diese Richtung ferner J. F. Baur, FG BGH I, S. 852. 493 Vgl. Marburger, FS Ritter, S. 914 f. (Fn. 52). 494 Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22: „verschleiern“. Vgl. bereits oben Teil 2 C.I.2.b)bb). 495 Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 178, der deshalb die gesamte Rechtsfigur kritisiert; weniger drastisch Vieweg, NJW 1993, 2570 (2571): unter dem Deckmantel öffentlicher Interessen könnten massive nachbarliche Störungen gerechtfertigt werden. 496 Vgl. oben aa)(3).

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(c) Voraussetzung der Einbeziehung eines öffentlichen Belangs Diese Erkenntnisse leiten über zur Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Gerichte einen öffentlichen Belang aufgreifen und – im Ergebnis: zum Nachteil eines der beteiligten Privaten – in die Abwägung bei § 906 Abs. 1 S. 1 BGB einstellen dürfen. Der BGH hat hierzu die Formel verwendet, dass die Einbeziehung davon abhänge, ob das jeweilige wertende Moment nach Sinn und Zweck die Erheblichkeitsprüfung aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen beeinflussen kann.497 Mindestvoraussetzung für eine Berücksichtigung eines Gesichtspunkt muss sein, dass dessen Anerkennung als schutzwürdiger Belang in der Rechtsordnung hinreichend manifestiert ist. Diese Anforderung ergibt sich daraus, dass die Gerichte nicht eigenständig Rechtspolitik verwirklichen oder der Rechtssetzung vorgreifen dürfen, da ihnen die Anwendung des geltenden Rechts aufgetragen ist. So mögen zwar Bäume generell als Sauerstofflieferant, Windbremser und Schallisolator wirken und deshalb ein Allgemeininteresse an einem reichen Baumbestand bestehen; da sich jedoch keine Regelungen finden, die Bäume generell abweichend von anderen Störungsquellen behandeln,498 erlaubt dieser Umstand als solcher aber nicht, das Interesse eines Nachbarn, der Auswirkungen von Bäumen als lästig empfindet, zurückzustellen.499 Noch fragwürdiger sind Unterstellungen, eine Störungsquelle bringe dem Nachbarn auch Vorteile, beispielsweise die von Bienen bewirkte Bestäubung der Pflanzen,500 die Sauerstoffversorgung der Luft oder die Annehmlichkeiten und Nützlichkeiten einer schönen Landschaft.501 Wenn ein Eigentümer diese – für einen objektiven Betrachter und die Allgemeinheit durchaus nützlichen – Auswirkungen nicht als Vorteil für sich erkennen kann, darf ihm dies nicht ohne Grundlage in einem Rechtssatz als abwägungsrelevanter Aspekt entgegengehalten werden. Alles andere liefe auf eine Bevormundung hinaus,502 welche Folgen und Zustände er für gut zu halten hat und wie er mit seiner Sache umzugehen hat, die jedoch durch Art. 14 Abs. 1 GG dem Staat gerade untersagt ist. Dabei geht es auch nicht um die Anwendung eines notwen497 BGHZ 140, 1 (5), anschl. verneint für Privilegierung von Landwirtschaft i. S. d. § 201 BauGB. 498 Die Bestimmungen des BNatSchG und der Landesnaturschutzgesetze erlauben nur, einzelne schützenswerte Landschaftsbestandteile oder den innerörtlichen Bestand unter Schutz zu stellen. Sie sind damit dem Objektschutz zuzurechnen. Eine Förderung des Baumbestands überhaupt im Interesse der Luftverbesserung insgesamt ist im BNatSchG dagegen nicht angelegt. 499 So aber geschehen in OLG Frankfurt NJW 1988, 2618 (2619 f.); OLG Köln NJW-RR 1997, 656; OLG Hamm NZM 2009, 335 (335). 500 So LG Memmingen NJW-RR 1987, 530 (530). 501 So OLG Frankfurt NJW 1988, 2618 (2620); sympathisierend BGHZ 157, 33 (46). 502 Anders kann man die Entscheidung OLG Schleswig NJW-RR 1986, 884 (885), dass sich andere Menschen von Froschlärm nicht gestört fühlten, sondern sich jedes Jahr auf neue darüber freuten, nicht kommentieren.

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digerweise objektiven Maßstabs; dieser soll nur die unterschiedlichen Empfindlichkeiten des Einzelnen ausgleichen,503 kann aber nicht Gemeinwohlinteressen beachtlich werden lassen. Sollen derartige Nützlichkeiten, an deren Erhaltung für die Gemeinschaft durchaus ein Interesse besteht, zu Ungunsten des sich gestört fühlenden Eigentümers wirken, bedarf es einer klaren Qualifizierung derselben als zu verfolgender öffentlicher Belang.504 Notwendige Bedingung dafür, dass ein Allgemeinwohlbelang Berücksichtigung bei § 906 BGB finden kann, ist damit, dass er einen Niederschlag in einem Rechtssatz gefunden hat. Die bloße Erwähnung in einem Rechtssatz ist allerdings nicht als ausreichend anzusehen. Vielmehr muss in ihm auch der Wille zum Ausdruck kommen, zur Verwirklichung des Belangs diesen mit einem (jedenfalls bedingten) Vorrang gegenüber anderen Interessen und Zielen auszustatten. Der Normgeber muss somit das Allgemeinwohlinteresse erforderlichenfalls auf Kosten privater Rechte verfolgen wollen. Fehlt eine solche Vorrangentscheidung, ist eine Einbeziehung eines öffentlichen Belangs zwar nicht absolut ausgeschlossen, muss aber umso sorgfältiger begründet werden. Beispielsweise lässt sich dem BayKiBiG nicht die eindeutige Aussage entnehmen, dass Kindergärten im Hinblick auf die von ihnen ausgehenden störenden Einwirkungen eine besondere Privilegierung genießen sollen, oder wenigstens, dass sie in der Nähe der Wohnstätten der Familien errichtet werden sollen.505 Ein Schluss darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die mit dem Betrieb solcher Einrichtungen zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigungen in erhöhtem Umfang zu dulden sein sollen, ist daher nicht ohne Weiteres möglich. Eine Privilegierung kann allenfalls auf die ergänzende Überlegung gestützt werden, dass es dem Ziel einer bedarfsgerechten Versorgung mit Kindergärten eher entspricht, diese (auch) innerhalb von Wohngebieten zu errichten und zu betreiben.506 Da die einem Kindergarten zukommende Aufgabe durchaus auch an anderen Standorten (wohngebietsfern) verwirklicht werden kann, ist diese Argumentation jedoch keineswegs zwingend; vielmehr bedarf es eines erheblichen Maßes an weiteren Annahmen und Interpretation, was immer dazu führt, dass das Ergebnis angreifbar sein wird. Für diese Sicht spricht auch, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung für erforderlich gehalten hat, um Kinderlärm zu privilegieren: Der neu geschaffene § 22 Abs. 1a BImSchG definiert Geräuschimmissionen von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtun503

Siehe oben cc)(1). Zutreffend hat daher BGH LM BGB § 906 Nr. 11 die Einbeziehung der Raumnot für den ruhenden Verkehr in den Innenstädten in die „Ortsüblichkeit“ deshalb verneint, weil öffentliche Interessen alleine (ohne verbindliche Vorgaben durch Planungen oder Auflagen) nicht eine Schmälerung der Eigentümerbefugnisse rechtfertigen. 505 Vgl. Maaß, ZUR 2006, 196 (198 f.), auch zu expliziten Aussagen im Recht anderer Länder. 506 Vgl. – für Jugendlärm – LT-Drs. 16/8124, S. 4, 6. 504

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gen (insbesondere Ballspielplätzen) als im Regelfall507 nicht schädliche Umwelteinwirkung und schließt die Heranziehung von Immissionsgrenz- oder -richtwerten aus.508 Der Gesetzgeber hat mit dieser Neuregelung die Erwartung verbunden, dass die Zivilgerichte aufgrund der Ausstrahlungswirkung und der Regelfall-Harmonisierung in § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB Kinderlärm auch in zivilrechtlicher Hinsicht regelmäßig als unwesentliche Beeinträchtigung i. S. v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB bewerten werden.509 Eine Vorrangentscheidung der genannten Art kann auch in der Verfassung selbst – wie etwa im Fall des Art. 20 a GG – erfolgen, soweit einem Staatsziel eine hinreichend konkrete Aussage innewohnt. Bedenken begegnet jedoch, abstrakten Vorgaben der Verfassung wie der Sozialpflichtigkeit oder schlicht dem Allgemeinwohl Wertungen zu „entnehmen“ und sie im Rahmen des § 906 BGB zu mobilisieren, da dann i. d. R. eine ausreichende Anerkennung als relevantes Interesse und eine Vorgewichtung fehlen. Ausdrücklich muss eine solche Vorrangentscheidung allerdings nicht getroffen sein; beispielsweise mag eine Festsetzung von Grünbestandteilen und ggf. deren Durchsetzung im Wege des Pflanzgebots (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 i.V. m. § 178 BauGB) hinreichend klar ergeben, dass eine Kommune in einem bestimmten Bereich die Bepflanzung und den Bewuchs mit Bäumen als geboten ansieht. 507 Dem Betätigungsinteresse wird somit kein absoluter Vorrang gegenüber dem Schutzinteresse eingeräumt, vgl. BR-Drs. 128/11, S. 7; Hansmann, DVBl. 2011, 1400 (1403 f.); aus diesem Grund zu Recht kritisch dazu, dass die mit der Regelung erhoffte Befriedung eintritt und Nachbarprozesse verhindert werden, Scheidler, NVwZ 2011, 838 (841). – Demgegenüber gilt nach Art. 2 des nahezu zeitglich verabschiedete BayKJG Kinderlärm generell als sozialadäquat und ist deshalb hinzunehmen. Der bayerische Landesgesetzgeber sah das Erfordernis, eine „wertende Güterabwägung . . . vorzunehmen“ (LT-Drs. 16/8124, S. 4) dadurch erfüllt, dass auch „aus fachlicher Sicht nicht erkennbar (sei), dass verfassungsrechtliche Grenzen tangiert werden“. Die landesrechtliche Regelung dürfte allerdings wegen Art. 31 GG insoweit nicht in Kraft getreten sein, da ihr Inkrafttreten zum 1.8.2011 bestimmt wurde, die Änderung des § 22 Abs. 1a BImSchG aber bereits am 28.7.2011 in Kraft getreten war (vgl. BGBl. I, 1474). Zur Frage der Gesetzgebungskompetenz vgl. BR-Drs. 128/11, S. 4; Scheidler, NVwZ 2011, 838 (839 f.); Fricke/Schütte, ZUR 2012, 89 (93 ff.), gegenüber LT-Drs. 16/8124, S. 4 f. Auch die Regelfall-Regelung in § 22 Abs. 1a BImSchG darf jedenfalls nicht dazu führen, dass zu Gesundheitsgefahren führender Lärm zulässig wird, Fricke/Schütte, ZUR 2012, 89 (90 f.). 508 Der Bayerische Landesgesetzgeber hat demgegenüber für Jugendspieleinrichtungen bestimmt, dass die Tages-Immissionsgrenzwerte der 18. BImSchV entsprechend gelten sollen (Art. 3 Abs. 1 BayKJG); zugleich wird für die betroffenen Anlagen der Betrieb während der Nachtstunden untersagt (Art. 3 Abs. 3 BayKJG). Anders als bei Sportanlagen gelten somit keine Ruhezeiten am Mittag und an den Wochenenden (vgl. LT-Drs. 16/8124, S. 7). Entgegen der Auffassung des Gesetzgebers (LT-Drs. 16/8124, S. 7) sind wegen § 906 Abs. 1 S. 2 BGB Auswirkungen auf das private Nachbarrecht durchaus gegeben. 509 Vgl. BR-Drs. 128/11, S. 3, 7; Scheidler, NVwZ 2011, 838 (838, 841). – Eine unmittelbare Anwendung von § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB scheitert daran, dass § 22 Abs. 1a BImSchG keine Grenz- oder Richtwerte enthält.

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Zurückhaltung ist ferner geboten, wenn der Gesetzgeber die Verfolgung eines Zieles nicht selbst in die Hand nimmt, sondern nur andere staatliche Stellen – wie etwa die Kommunen – zum Erlass von Verordnungen, Satzungen oder Verwaltungsakten ermächtigt. Grund dieser Normsetzungstechnik ist regelmäßig, dass der Gesetzgeber der lokalen Körperschaft die Entscheidung überlassen will, ob das Ziel in einem konkreten räumlichen Gebiet tatsächlich verwirklicht werden soll, da dies nur in einzelnen Situationen geboten ist. Eine positive Wertentscheidung liegt dann nur in Gestalt des ermächtigenden Gesetzes vor, die jedoch durch die örtlichen Gegebenheiten „bedingt“ ist und damit nicht uneingeschränkt durchsetzungsfähig sein soll. Ein Untätigbleiben der ermächtigten Stelle muss dann so verstanden werden, dass der Belang – obwohl die Möglichkeit besteht – nicht verfolgt werden soll, da dies in der konkreten Situation nicht erforderlich ist oder politisch nicht durchsetzbar erscheint. An diese Einschätzung sind die Gerichte gebunden. Praktisch bedeutet dies, dass Gerichte dem Ziel, Bäume innerhalb der bebauten Bereiche zu erhalten, nur sehr eingeschränkt Rechnung tragen dürfen, soweit die Kommunen/Behörden entsprechende Satzungen etc. nicht erlassen haben; sie dürfen nicht durch eine hohe Gewichtung dieser Belange im Rahmen der „Wesentlichkeit“ das gleiche Ergebnis herstellen wie es bei Erlass einer solchen Satzung etc. bestünde. Schließlich ist – wie bei jeder Abwägung – zu beachten, dass ein Faktor, der grundsätzlich abwägungserheblich ist, nicht in jeder Situation das gleiche Gewicht besitzt. Dieser Regel kommt deutlich in der Feststellung des BVerwG zum Ausdruck, dass zwar Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz berücksichtigt werden müssen,510 diese Abwägung aber auch vor dem Hintergrund der örtlichen Gegebenheiten einschließlich der historischen Entwicklung erfolgen muss. Daher besteht z. B. eine gesteigerte Duldungspflicht gegenüber dem nichtsakralen Zeitschlagen nicht bereits wegen der allgemeinen traditionellen Präsenz der Kirche, sondern nur an Orten, an denen eine spezifische Prägung durch sie vorhanden ist.511 Die Wendung des BGH, die Einbeziehung öffentlicher Belange setze voraus, dass der jeweilige Aspekt nach Sinn und Zweck die Erheblichkeitsprüfung beeinflussen kann,512 muss damit so verstanden werden, dass sie auch eine individuell-situative Komponente besitzt, die diese Bewertung von der konkreten Konstellation abhängig macht. 510 So eine häufige Formulierung des BVerwG, BVerwGE 88, 143 (145, 149); 90, 163 (165 f., 167); BVerwG ZUR 2003, 367 (368); aufgegriffen von BayVGH BayVBl. 2003, 241 (242); NVwZ 1999, 555 (556); VGH Mannheim NVwZ-RR 2003, 194 (195); OVG Hamburg BauR 1992, 356 (363). 511 So BVerwGE 90, 163 (167). Wie diese aussehen kann und wo sie beispielsweise gegeben wäre, bleibt jedoch offen. Kritisch auch Hagen, FS Röhricht, S. 1180 ff. – Teils abweichend BGH NJW 2003, 3699 (3700 f.), dem zufolge eine längere Tradition von Gemeindefesten nicht zwingend ist, weil auch Änderungen ihrer Art und Ausrichtung möglich sein müssten. 512 Oben Fn. 497.

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Kommt einem Belang Relevanz für die „Wesentlichkeit“ zu, ist schließlich bei der Abwägung selbst zu berücksichtigen, dass den öffentlichen Belangen in zivilkonfliktschlichtenden Rechtssätzen nur ergänzende – nicht die zentrale – Bedeutung zukommen darf. Die öffentlichen Belange müssen daher auf die privaten Interessen hin ausgerichtet werden und können sich nur durch sie entfalten. Auf diese Weise wird eine – unzulässige – Dominanz der öffentlichen Interessen vermieden. Werden diese Regeln befolgt, bestehen keine Bedenken gegen die Einbeziehung öffentlicher Belange in die Begriffe „Wesentlichkeit“ oder „Zumutbarkeit“; eine Gefahr, dass dem Eigentümer zu viel Rücksicht auf die Interessen anderer auferlegt wird ,513 droht dann nicht. dd) Berücksichtigung des Vertrauensschutzes – Steuerungswirkungen des § 906 Abs. 2 BGB Die Einbeziehung aller öffentlichen und privaten Belange in den Begriff der Wesentlichkeit darf schließlich nicht dazu führen, dass die Regelung in § 906 Abs. 2 BGB umgangen wird,514 die – wie noch zu zeigen ist – eine differenzierte Berücksichtigung von Vertrauens-/Bestandsschutzgesichtspunkten erlaubt. Eine Verwässerung dieser Regelung droht jedoch beim Aspekt der Priorität. (1) Stand der Rechtsprechung und Literatur zur Relevanz der „Priorität“ In einer Vielzahl von Nachbarkonflikten wird die Frage laut, inwieweit sich auswirkt, dass eine der konflingierenden Nutzungen bereits längere Zeit vor dem Hinzutreten der anderen ausgeübt wurde. Die richtige „Einordnung“ des Prioritätsaspekts bei den Begriffen „Wesentlichkeit“, „Ortsüblichkeit“ und „Vermeidbarkeit bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit“ ist dabei nicht nur von theoretischem oder dogmatischem Interesse, sondern auch dafür entscheidend, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die Priorität richtigerweise Relevanz erlangen kann und darf.515 Für den BGH kann die zeitliche Priorität (bisweilen auch „Prävention“ genannt) weder dem Störer einen Rechtfertigungsgrund für eine Eigentumsbeeinträchtigung liefern noch die Wesentlichkeitsschwelle des § 906 Abs. 1 BGB anheben.516 Die vorgefundene Situation soll im Rahmen der Ortsüblichkeit beacht513 Vgl. die Bemerkung von Münch, Anm. LM BGB § 906 Nr. 105, der verständige Durchschnittsmensch erweise sich bisweilen als sehr leidensfähig. 514 Siehe Marburger, FS Ritter, S. 914 f. (Fn. 52); bereits oben Fn. 492. 515 Vgl. zum Ganzen Klöhn, AcP 208 (2008), 777 (780 ff., 786 ff.). Für ein sorgfältiges Ausloten auch Hagen, FS Medicus, S. 174. 516 So seit BGHZ 15, 146 (148) in Anknüpfung an das RG (z. B. RGZ 81, 216 (225); 154, 161 (165)); BGHZ 60, 235 (242); 135, 235 (241); 148, 261 (267) mit die Rspr. zusammenfassender Anm. K. Schmidt, JuS 2001, 1227 (1228); BGHZ 175, 253

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lich sein (Vorbelastungsprinzip517) und so eine gewisse mittelbare Berücksichtigung finden.518 Daneben zieht der BGH die Gedanken der Mitverantwortung für den Konflikt und des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses heran, um eine gesteigerte Rücksichtnahme- und Duldungspflicht „neuer“ Nutzungen zu begründen.519 (2) Einordnung als Aspekt der „Wesentlichkeit“ oder Behandlung im Rahmen der „Ortsüblichkeit“ – § 906 Abs. 2 S. 1 BGB als Ausdruck des Vertrauensschutzes Auf dem ersten Blick liegt nahe, den Gesichtspunkt, dass die störende Nutzung zeitlich vor der anderen aufgenommen wurde, im Rahmen des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB – also bei der Abwägung, ob die Beeinträchtigung „wesentlich“ ist – zu berücksichtigen, zumal nach dem „differenziert-objektiven Maßstab“ der Gebietscharakter relevant ist. Jedoch wirft sich die – nicht in zufriedenstellender Weise lösbare – Frage auf, ob solche objektiv nicht erkennbaren tatsächlichen (262 f.); BGH NJW 1976, 1204 (1205); NJW 2007, 98 (99); dem folgend z. B. OLG München DWW 1998, 212 (213); LG Itzehoe NZV 1993, 73 (74 f.). Demgegenüber berücksichtigt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Priorität im Rahmen der „Erheblichkeit“ (vgl. BVerwGE 81, 197 (206); 88, 143 (148); 88, 210 (214, 215); BVerwG NVwZ 1993, 1184 (1185); NVwZ 2005, 328 (330)); zusammenfassend Hagen, FS Medicus, S. 161 ff.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 40 m.w. N.; vgl. ferner Krähe, SpuRt 1994, 81 (81). – Auch bei § 906 BGB stellen (ohne Auseinandersetzung mit der Rspr. des BGH) auf die Priorität ab OLG Nürnberg NJW-RR 1988, 979 (979); OLG Bamberg NJW-RR 1992, 406 (407). – Die Fälle der Kollision mehrerer Personen, die Bodenschätze abbauen wollen (BGHZ 145, 316 (327 f.); RGZ 147, 161 (171 f.)) und der Kollision von Oberflächeneigentum und Bergbau (BGHZ 146, 98 (103)) wurden jeweils wegen Besonderheiten des Bergrechts abweichend beantwortet. 517 J. F. Baur, FG BGH I, S. 859 f.; Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 184; Schmalholz, ZUR 2000, 257 (263). 518 Vgl. BGHZ 117, 110 (114); BGH NJW 2001, 3054 (3055); OVG Hamburg BauR 1992, 356 (362); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 184; ders., JZ 2002, 245 (245); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 40; ausdrücklich anders noch BGH JZ 1969, 635 (636) m.w. N.; weitgehend ablehnend LG Itzehoe NZV 1993, 73 (74 f.). – Das früher auch vom BGH angeführte Argument (BGHZ 15, 146 (148); BGH NJW 1976, 1204 (1205); ebenso Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 21), der Prioritätsaspekt müsse vollständig unbeachtlich sein, weil bei § 906 BGB der tatsächlicher Zustand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, trägt dieses Ergebnis nicht: Entscheidend ist, ob eine einmal (in der Vergangenheit) vorhandene Prioritätssituation für die Folgezeit – und damit auch für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – eine Duldungspflicht auslösen kann (in diesem Sinn auch Klöhn, AcP 208 (2008), 777 (804) m.w. N.). 519 BGHZ 148, 261 (267 ff.). Münch, Anm. LM BGB § 906 Nr. 105 entnimmt dieser Entscheidung, dass nun der Vorrang älterer Rechte anerkannt sei; eine Tendenz erkennend auch Hagen, FS Röhricht, S. 11182 f. Dieser Eindruck dürfte aber durch BGH NJW 2007, 98 (99) relativiert sein, da es dort heißt, dass der Hinzuziehende nur die Immissionen zu dulden habe, die sich in den Grenzen der Richtwerte halten. – Vgl. ferner Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 24 ff., der bei evidenter Priorität einen Ausschluss der Schutzwürdigkeit unter dem Gesichtspunkt „freiwilliger Interessenexponierung“ vornimmt.

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Umstände Inhalt und Umfang der Befugnisse aus dem Eigentum auch mit Wirkung gegenüber einem Einzelrechtsnachfolger verändern können520. Bei einer Berücksichtigung des Prioritätsaspekts bei § 906 Abs. 2 S. 1 BGB („Ortsüblichkeit“) lenken demgegenüber die dort enthaltenen Tatbestandsvoraussetzungen den Blick sogleich auf das im Zusammenhang mit der Priorität maßgebliche Interesse, das darin besteht, dem Emittenten die Aufrechterhaltung des Betriebs zu wirtschaftlich tragbaren Kostenbedingungen zu ermöglichen,521 und dessen Verhältnis zu den kollidierenden Belangen der Nachbarn. Das Interesse, eine Anlage weiterbetreiben zu können, auch wenn eine Neuerrichtung infolge von Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht mehr zulässig wäre, ist typischer Gegenstand des Vertrauensschutzes. Genießt ein Verhalten (Betrieb einer Anlage) Vertrauensschutz, hängt die Zulässigkeit einer eingreifenden Neuregelung – allgemein formuliert – davon ab, wie schützenswert das betätigte Vertrauen ist, welche Konsequenzen die Enttäuschung des Vertrauens für den Betroffenen hätte und wie gewichtig der Zweck ist, der mit der eingreifenden Maßnahme verfolgt wird.522 Alle diese drei Kriterien finden sich in den beiden Tatbestandsmerkmalen des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB wieder: Für die Beurteilung, ob Maßnahmen organisatorische oder technischer Art523 zur Reduzierung524 der Emissionen wirtschaftlich zumutbar sind, ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Emittenten525 (= Auswirkungen für Betroffenen) den Kosten der Maßnahme und der dadurch bewirkten Verbesserung der Situation (= Bedeutung des Ziels) gegenüberzustellen.526 Die Schutzwürdigkeit des Anlagenbe-

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Bereits oben Teil 3 A.I. und Teil 4 B.I.1.a)dd)(3)(b). Vgl. Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 29; Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 237; ders., JZ 2002, 245 (245). 522 Vgl. BVerfGE 13, 261 (272); 24, 220 8230 f.); 30, 367 (387 ff.); 31, 275 (292 ff.); 51, 356 (363); 58, 81 (120 f.); 64, 87 (104); 72, 141, (154 f.); 88, 384 (404); 95, 64 (87), die jeweils den „Vertrauensschaden“ des Einzelnen dem Wohl der Allgemeinheit gegenüberstellen und Fallgruppen darstellen, in denen das Vertrauen nicht schutzwürdig ist; Sachs/Sachs, Art. 12 Rdnr. 135. 523 Zu diesen einzelnen Möglichkeiten vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 240; Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 29; LG München I NJW-RR 1989, 1178 (1179). 524 Aus der Gesamtsystematik des § 906 BGB folgt, dass Abs. 2 nicht Vorkehrungen verlangt, die zu wesentlichen Veränderungen oder der Einstellung des störenden Betriebs führen; siehe nur OLG Düsseldorf OLGZ 1980, 16 (19); Britz, DÖV 1996, 505 (506) m.w. N.; verkannt von OLG Köln VersR 1997, 121. 525 Hierbei ist ebenfalls ein generalisierender (objektiver) Maßstab anzulegen, siehe nur Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 4; Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 29; Staudinger/ H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 237; Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 34; Wieling, Sachenrecht, § 23 II 4 c aa; H. Roth, JZ 2002, 245 (245); ders., JuS 2001, 1161 (1162); Medicus, JZ 1986, 778 (783); OLG Karlsruhe BB 1965, 690; LG München I NJW-RR 1989, 1178 (1179). 526 Vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1986, 884 (884); ferner OLG Schleswig UPR 1995, 235 (236); NJW-RR 1986, 399 (400); OLG Düsseldorf OLGZ 1980, 16 (19); 521

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treibers – als dritter Faktor – hängt maßgeblich davon ab, ob er davon ausgehen darf, weiterhin auf fremde Grundstücke einzuwirken;527 hierfür zieht das Gesetz als Indikator heran, wie andere Grundstücke im Vergleichsgebiet genutzt werden: Handeln mehrere Personen wie der Emittent, darf dieser davon ausgehen, dass der überwiegende Teil der Bewohner des Gebiets seinem Verhalten trotz der daraus resultierenden Nachteile zustimmt.528 Zugleich gewährleistet das der „Ortsüblichkeit“ innewohnende Erfordernis, dass die störende Nutzung nicht nur vorhanden sein muss, sondern die von ihr (bzw. ihnen) ausgehenden Emissionen aufgrund ihrer Dauer und ihres Gewichts charakteristisch für das Gebiet sind und ihm quasi anhaften,529, dass die Intensität und Wahrscheinlichkeit der Beeinflussung der anderen Grundstücke für einen objektiven Betrachter hinreichend erkennbar ist. Ist dies der Fall, muss derjenige, der eine empfindliche Nutzung dort aufnimmt, von vornherein erkennen, dass es zu Einwirkungen und daraus resultierenden Konflikten kommen wird.530 Die Frage, ob man dem Früheren sein Privileg erhalten oder den Hinzukommenden schützen soll, ist dann relativ klar zu beantworten, weil die Wertung, dass der Hinzukommende die Kollision auslöst, sicher (i. S. v. „eindeutig“) getroffen werden kann.531 Demgegenüber ist eine überzeugende Entscheidung nicht möglich, wenn allein auf den zeitlichen Vorrang abgestellt wird, da nicht einzusehen ist, warum – überspitzt – derjenige, der mit den Emission einen Tag früher beginnt als der, der ein Wohngebäude errichtet, schutzwürdig sein soll (oder umgekehrt).532 Eine Argumentation mit der Figur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses533 oder H. Roth, JZ 2002, 245 (245); ausführlich G. Hager, NJW 1986, 1961 (1963 f.) (vergleichend mit § 14 und § 17 Abs. 2 BImSchG). 527 Insofern ist – entgegen Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 228, der in der Formulierung der gesetzlichen Regelung einen Fehler sieht – durchaus ein sachlicher Grund vorhanden, dass nur die Ortsüblichkeit der emittierenden Nutzung relevant werden kann, nicht aber eine Ortsunüblichkeit der beeinträchtigten Nutzung. Diese Differenzierung im Wortlaut des § 906 Abs. 2 BGB betonend BGH LM BGB § 906 Nr. 6; RGZ 139, 29 (31) („Gutehoffnunghütte I“). 528 Der historische Gesetzgeber sah im Begriff „ortsüblich“ ein Synonym zur „Verkehrssitte“ im Schuldrecht und wählte diesen Terminus nur, weil er ihn im Bereich des Sachenrechts als passender empfand, vgl. Mot. III, 260. Vgl. auch Mot. III, 267: „örtlich hergebrachte(s) Maß der Immissionen“. 529 Die Rechtsprechung nimmt dementsprechend an, dass auch eine einzelne Anlage zur Ortsüblichkeit der von ihr ausgehenden Einwirkungen führen kann, wenn diese so bedeutend ist, dass die den Charakter des Grundstücks, auf das eingewirkt wird, prägt, vgl. BGHZ 15, 146 (149); 30, 273 (277); 59, 378 (381); 69, 105 (111); 97, 97 (105); 111, 63 (73); BGH NJW 1981, 751 (751); Baumann, JuS 1989, 433 (435). 530 Insoweit richtig BGHZ 148, 261 (268 f.) (zustimmend Münch, Anm. LM BGB § 906 Nr. 105); vgl. auch K. Schmidt, JuS 2001, 1227 (1228); Hagen, FS Medicus, S. 170; Neuner, AcP 203 (2003), 46 (68). 531 Vgl. Klöhn, AcP 208 (2008), 777 (passim, z. B. S. 790). 532 Einem Eigentümer würde dann ohne Grund ein Mehr an Berechtigung als dem anderen zugestanden, vgl. Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 232 f. 533 So BGHZ 148, 261 (269).

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mit dem Aspekt eines Mitverschuldens/-verursachung stößt überdies auf ihre Grenzen, wenn der Nachbar selbst zur Aufnahme der „neuen“ Nutzung faktisch oder wirtschaftlich gezwungen ist, da in dieser Situation sein Verhalten nicht als rücksichtslos oder treuwidrig bewertet werden kann.534 Richtigerweise sind daher Prioritätsüberlegungen ausschließlich beim Tatbestandsmerkmal „ortsüblich“ zu berücksichtigen.535 (3) Ökonomische Betrachtung des § 906 Abs. 2 S. 1 u. 2 BGB – Garantie des unerlässlichen Mindestschutzes Die vorstehenden Überlegungen zeigen zugleich, aus welchen Gründen § 906 Abs. 2 S. 1 BGB vor der Verfassung bestehen kann, obwohl die Bestimmung den Abwehranspruch auch gegenüber erheblichen Einwirkungen ausschließt. Die Funktion des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB, Vertrauensschutz im Zivilrecht zu bewirken, ist unter Verhältnismäßigkeits- und Gerechtigkeitsaspekten geboten536 und legitimiert Einschränkungen der Nutzungsfreiheit der anderen Eigentümer. Nicht zu übersehen ist allerdings, das § 906 Abs. 2 S. 1 BGB in seiner geltenden Fassung537 bewirkt, dass sich die Nutzung durchsetzt, die insgesamt den geringsten finanziellen Aufwand verursacht:538 Ist die störende Nutzung „ortsüblich“, entscheidet das Kriterium der wirtschaftlichen Zumutbarkeit darüber, ob die Beeinträchtigung an der Quelle real zu vermeiden ist oder ob stattdessen der Nachbar einen Geldausgleich erhält, mit dem er entweder passive Schutzmaßnahmen treffen oder den wirtschaftlichen Ertragsnachteil kompensieren kann.539 Soweit der Eigentümer danach die Immissionen hinzunehmen hat, gilt das „Dulde und liquidiere“, das vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG legitimiert werden muss. Die Rechtfertigung liegt zum einen im gesamtökonomischen Interesse, nicht wegen einer einzelnen empfindlichen Nutzung einem Bestand von Anlagen den Betrieb zu untersagen. Dies spart Kosten und Ressourcen, die bei einer Neuerrichtung an anderer Stelle anfielen. Zum anderen ist auch unter dem Aspekt, niedrig belastete Räume zu erhalten, vorzugswürdig, emittierende Anlagen in einem Gebiet zu konzentrieren, um den übrigen Raum zu schonen und ihn gerade für andere – empfindliche – Nutzungen freizuhalten. § 906 Abs. 2 BGB sorgt 534 Gegen die Heranziehung des § 254 BGB auch Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 23 f. 535 Im Ergebnis ebenso Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnrn. 184, 220. 536 Vgl. H. Roth, JZ 2002, 245 (246). 537 Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes v. 22.12.1959 am 1.6.1960 war der Ausschluss bereits alleine durch die Ortsüblichkeit gegeben, vgl. G. Hager, NJW 1986, 1961 (1963). 538 Zu ökonomischen Aspekten vgl. auch Klöhn, AcP 208 (2008), 777 (806 ff.). 539 Die von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bewirkte Internalisierung der Kosten beim Betreiber führt wiederum zu einer Verteuerung der Produkte aus der Anlage und wirkt so regulierend, vgl. Salje, Ökonomische Analyse, S. 157, auch S. 159.

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damit dafür, dass für alle Anlagen irgendwo ein Platz ist,540 und entfaltet somit eine raumordnende Funktion541. Daher sprechen auch nicht unerhebliche Allgemeininteressen für die in § 906 Abs. 2 BGB enthaltene Regelung. Trotz dieser zweifellos sinnvollen Steuerungswirkungen begegnet § 906 Abs. 2 BGB Bedenken, weil er – anders als § 906 Abs. 1 BGB – den Abwehranspruch ohne Rücksicht darauf ausschließt, wie intensiv die Einwirkungen sind. § 906 Abs. 2 S. 1 BGB kann insbesondere auch Immissionen „zulässig machen“, die Gefahren für die Gesundheit von Anwohnern auslösen. Der Schutz dieser Rechtsgüter steht (ebenso wie der verfassungsrechtlichen Vorrang des Substanzschutzes beim Eigentum) nicht zur Disposition des Mehrheitswillens.542 Ein Ausweg läge darin, Benutzungen, die schwerwiegende Lebens- oder Gesundheitsgefahren hervorrufen, nie als „ortsüblich“ anzusehen.543 Dieser Ansatz entspricht der festzustellenden Tendenz, das Tatbestandsmerkmal „ortsüblich“ nicht nur rein faktisch zu verstehen, sondern auch normative Aspekte einzubeziehen.544 So wird diskutiert, ob und wie sich weit (bau-)planerische Vorgaben auf die Ortsüblichkeit auswirken;545 ferner wird die Benutzung eines Grundstücks, die formell oder materiell gegen Rechtssätze verstößt, unabhängig vom Ausmaß der Immissionen als nicht ortsüblich behandelt.546 Dieser Ansatz stößt zwar – soll die 540

Vgl. G. Wagner, VersR 2008, 1017 (1018). Goebel, JR 2002, 485 (486 f.); vgl. auch Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 177 ff. m.w. N. 542 Kritisch deshalb Hagen, FS Medicus, S. 164, gegen die Argumentation in RGZ 64, 363 (365) (vgl. auch in Fn. 528), die Mehrheit der Bewohner des Gebiets stimme der emissionsintensiven Nutzung zu. 543 In diesem Sinn Schmalholz, ZUR 2000, 257 (264); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnrn. 110, 231; vgl. ferner Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 8 f. – Weiter gehen die Tendenzen, bei Überschreitung der Grenz- und Richtwerte aus Verordnungen i. S. d. § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB eine wesentliche und ortsunübliche Einwirkung anzunehmen, vgl. MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnr. 24; Hagen, FS Röhricht, S. 1181 f. 544 Eine solche Normativierung ausdrücklich feststellend Hagen, FS Röhricht, S. 1185 f., dort zum Toleranzgebot für wohnortnahe Kinderspielplätze; vgl. ferner J. F. Baur, FG BGH I, S. 855 ff. 545 Der BGH lehnt dies ab und ermittelt die Ortsüblichkeit ausschließlich anhand der tatsächlichen Verhältnisse im Vergleichsgebiet; planerische Vorgaben berücksichtigt er nur mittelbar und als Anhalt, vgl. BGHZ 46, 35 (40); BGH LM BGB § 906 Nr. 11; BGH NJW 1981, 751 (752); auch BGH NJW 1992, 2569 (2569); ebenso Staudinger/H. Roth (2009); § 906 Rdnr. 216; Soergel/J. F. Baur, § 906 Rdnrn. 9, 12; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2572); Baumann, JuS 1989, 433 (438). Teile der Literatur tendieren dazu, vorhandene Bebauungspläne zu berücksichtigen, da sich die planerischen Ziele sonst bei ungünstiger zeitlicher Baureihenfolge nicht verwirklichen ließen, z. B. Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (602, 604); ders., UPR 1985, 201 (201 f., 206 ff.) m.w. N. Umfassend zur Problematik Vieweg/Regenfus, FS Bartlsperger, S. 405 ff., passim. 546 So verwehrt BGHZ 140, 1 (10) dem Betreiber einer Anlage, die nach öffentlichem Recht genehmigungspflichtig ist, sich auf die Ortsüblichkeit der Immissionen zu berufen, wenn sie nicht genehmigt – und auch nicht genehmigungsfähig – ist (vgl. auch BGH NJW-RR 2006, 235 (236 f.); NZM 2010, 756 (758)). In BGHZ 157, 33 (44, 46) 541

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Wortbedeutung von „ortsüblich“ nicht überdehnt werden – auf Grenzen, weil der Erhalt des verfassungsrechtlich unabdingbaren Schutzniveaus nichts mit der faktischen Situation zu tun hat, selbst wenn diese einfachrechtlich illegal ist. Der Eingriff in den Normtatbestand ist jedoch – im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung – erforderlich. Der so unbedingt garantierte Mindeststandard – der mit der „enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle“ gleichzusetzen sein wird547 – liegt allerdings regelmäßig erheblich unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle des § 906 Abs. 1 BGB, weil diese Bestimmung eine faire Aufteilung der Sphären beider Eigentümer „in der Mitte“ vornimmt und daher der Akzeptor mehr Schutz erhält, als verfassungsrechtlich unbedingt geboten ist. ee) Zusammenfassende Schlussbemerkung Die Duldungspflichten aus § 906 BGB und den Normen, auf die diese Bestimmung verweist, schaffen ein abgestuftes Schutzsystem, das die verfassungsrechtlichen Gebote aus Art. 14 Abs. 1 GG umsetzt.548 Durch die Indizwirkung von Grenz- und Richtwerten und dem Vorrang des § 906 Abs. 1 gegenüber § 906 Abs. 2 BGB wird Rechtssicherheit geschaffen und das Abwägungsmaterial eingegrenzt. c) Schutz gegen „negative“ und „ideelle“ Einwirkungen Der Eigentümer eines Grundstücks fühlt sich oftmals nicht nur durch klassische („positive“) Immissionen wie Lärm, Abgase und Strahlungen (vgl. die in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB genannten Phänomene) gestört, sondern auch durch andere Vorgänge und Effekte. Ob und wieweit die Abwehransprüche aus § 1004 BGB sich auch gegen sonstige Beeinträchtigungen (insbesondere die sog. „negativen“ und „ideellen“ Immissionen549) richten, ist Gegenstand der Diskussion in Rechtsprechung und Lehre. Die Frage besitzt wiederum eine verfassungsrechtliche Dimension, weil Art. 14 Abs. 1 GG vorgibt, dass dem Inhaber des Rechts die umfassende Freiheit zur Nutzung der Sache auch im Verhältnis zu Dritten wurde die „Ortsüblichkeit“ der Bäume schon deshalb verneint, weil diese die landesrechtlichen Abstandsvorschriften für Pflanzen unterschritten hatten. Ähnlich BGHZ 97, 97 (105): unzureichender Schutz gegen Immissionen aus Kläranlage; ferner OLG Rostock NJW 2006, 3650 (3652): Verstoß gegen Anwendungsbestimmungen eines Pflanzenschutzmittels; umgekehrt OLG München MDR 2009, 136: Genehmigung indiziere Ortsüblichkeit. 547 Vgl. BGHZ 122, 76 (79); 140, 285 (298, 301); ferner BGH NJW 2001, 3054 (3055); BVerwGE 88, 310 (213); Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 66; H. Roth, NVwZ 2001, 34 (passim, insbes. S. 35, 37 f.). 548 Vgl. M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648); Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 549 Zu der Differenzierung vgl. Jauernig/Jauernig, § 1004 Rdnr. 4, § 903 Rdnr. 3; Scherer, JR 1997, 309 (309, 310 f.); Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 21 Rdnrn. 6 ff. und sogleich.

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gewährt sein muss und sich daher eine inhaltliche Beschränkung der Abwehrrechte auf bestimmte Arten von Einwirkungen nicht unmittelbar entnehmen lässt. Der Eigentümer muss jedes Verhalten rechtlich verhindern können, das dem von ihm gewählten Gebrauch hinderlich ist, sofern nicht kollidierende Interessen anderer überwiegen. Stellt der Staat die hierzu erforderlichen Vorschriften (Abwehransprüche) nicht zur Verfügung, ist Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berührt. aa) Stand der Rechtsprechung und Literatur – Praktisch relevante Fälle und Abgrenzungsschwierigkeiten Für die überwiegende Auffassung richtet sich der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB nur gegen die unerwünschte Zuführung von Stoffen oder Strahlen auf das Grundstück, so dass sie nur hinzunehmen seien, wenn ausnahmsweise eine Duldungspflicht besteht. Dagegen seien „negative Immissionen“, unter denen die Verhinderung („Abschattung“) erwünschter Einstrahlungen (insbesondere von Licht und Funkwellen550) oder der Entzug einer schönen Aussicht zusammengefasst werden, nicht von § 1004 BGB erfasst.551 Bei „ideellen Einwirkungen“ werden Abwehransprüche nach § 1004 BGB ebenfalls überwiegend verneint.552 Unter ihnen werden Phänomene zusammengefasst, die das sittliche oder ästhetische Empfinden der Nachbarschaft stören. Beispiele sind sittlich anstößige Betätigungen,553 Spielhallen oder „Laserdroms“ 554 sowie die Nutzung eines Gebäudes als 550

BGHZ 88, 344 (345 ff.); für Abschattung durch Bäume zweifelnd nun BGH NJOZ 2005, 3210 (3211). In OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1542 (1544) ging es um die Abschattung und Verwirbelung von Wind hinter Windkraftanlagen. Mit der Störung des Rundfunkempfangs durch Windkraftanlagen hatten sich OVG Koblenz NVwZ-RR 2004, 734 (734 f.) und OVG Münster NVwZ 2003, 361 (363) zu befassen, die jeweils das Bestehen von Abwehransprüchen nach dem BImSchG verneinten. – Durch die weite Verbreitung des Kabelfernsehens und den Empfang direkt vom Satelliten mittels Parabolantennen dürfte das Problem der Störungen des Fernseh- und Rundfunkempfangs heute weitgehend an Bedeutung verloren haben. Der Schutz gegen Abschattung vom Sonnenlicht wird maßgeblich durch das Baurecht (Abstandsflächen, Rücksichtnahmegebot) verwirklicht. 551 Jauernig/Jauernig, § 903 Rdnr. 3; Olzen, Jura 1994, 281 (285); BGH NZM 2003, 727 (727); OLG Düsseldorf NVwZ 2001, 594 (595); Dehner, NZM 2005, 172 (173); OLG Nürnberg RdL 1972, 10 (13) m.w. N. (zu § 907 BGB). 552 BGHZ 51, 396 (398): „jedenfalls für die Fälle der Verletzung lediglich des ästhetischen Empfindens“; BGHZ 54, 56 (61); 95, 307 (308 ff.); BGHZ 144, 200 (203): „nur begrenzt abwehrfähig“; seit RGZ 76, 130 (131 ff.). – Anders Baumann, JuS 1989, 433 (435); F. Baur, JZ 1969, 432 (432 f.); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 64 ff.; Jauernig/Jauernig, § 903 Rdnr. 3, § 906 Rdnr. 2; ders., JZ 1986, 605 (606 ff.); Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 7 (S. 218 f.); Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (299 f.) (analoge Anwendung des § 906 BGB); Pleyer, JZ 1959, 305 (306); OLG Hamburg NJW 1988, 2052 (2052 f.): Aufstellen von Gartenzwergen vor Eigentumswohnanlage; AG Münster NJW 1983, 2886 (2886 f.): Ablagerung von Steinen, einer Tonne und zwei Eimern an der Grundstücksgrenze. Weitere Nachweise bei BGHZ 51, 396 (397 f.); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 76. 553 Vgl. Jauernig, JZ 1986, 605 (606 ff.).

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Vereinsheim oder Versammlungsstätte von (als extremistisch eingestuften) politischen Parteien oder Religionsgemeinschaften. Teilweise wird allerdings, um bei negativen oder ideellen Immissionen Extremfällen begegnen zu können, auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis555 oder das Allgemeine Persönlichkeitsrecht verwiesen.556 bb) Negative Einwirkungen (1) Einfachrechtliche und verfassungsrechtliche Verankerung des Problems Als Hauptargument dafür, dass der Anspruch aus § 1004 BGB bei „negativen“ Immissionen nicht gegeben sei, wird angeführt, dass sie keine „Einwirkungen“ darstellten, sondern lediglich deren Entziehung oder Vorenthaltung;557 derartige Phänomene seien weder von § 906 BGB unmittelbar erfasst noch den dort genannten Erscheinungen ähnlich.558 Zudem überschreite das Verhalten des anderen die Grenze zum Nachbargrundstück nicht.559 In § 1004 BGB selbst, der den negatorischen Abwehranspruch statuiert, findet sich das Tatbestandsmerkmal „Einwirkung“ allerdings nicht.560 Da der Begriff in 554 Da „Laserdroms“ nicht erlaubnisbedürftig sind, ist ein Verbot nur wegen Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung möglich. Hierzu vgl. einerseits BayVGH NVwZ-RR 1995, 32 f., für den Plastikkulissen kaum Ansatz für martialisch Illusionen bieten und auch bei Aufbietung von Phantasie ein Gesamteindruck in der Nähe traditioneller Spielinhalte bleibe, andererseits OVG Koblenz NVwZ-RR 1995, 30 ff., für das ein realer Kampfcharakter der aktiv umherlaufenden und mit waffenähnlichen Geräten schießenden Teilnehmer deutlich wahrzunehmen sei; vgl. ferner OVG Münster DÖV 1995, 1004 (1005); EuGH, EuZW 2004, 753 ff. – Die praktische Relevanz der beiden Fälle wird allerdings dadurch vermindert, dass diese Anlagen bauplanungsrechtlich nur in bestimmten Gebieten zulässig sind, in denen der Anteil der Wohnnutzung gering ist. 555 So etwa zu negativen Immissionen BGH LM BGB § 906 Nr. 2 (anders noch LM BGB § 906 Nr. 1); BGHZ 95, 307 (310); 113, 384 (388 ff.); BGH NZM 2003, 727 (727); LG Gießen NJW-RR 2000, 1255 (1255); Jauernig/Jauernig, § 903 Rdnr. 3. 556 So Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 78; dahin tendierend Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 132; Olzen, Jura 1994, 281 (286); vgl. auch Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 24 Rdnr. 11 (neben Ansprüchen aus § 1004 BGB); ablehnend dagegen BGHZ 54, 56 (60 f.). 557 RGZ 98, 15 (16); 155, 154 (158); BGHZ 88, 344 (346 f.); 113, 384 (386 f.); OLG Nürnberg RdL 1972, 10 (13); für diese h. M. auch Horst, DWW 1997, 361 (361, 368, 370); Soergel/J. F. Baur, § 903 Rdnr. 49; MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnr. 28; weitere Nachweise und Kasuistik bei jurisPK/Vieweg/Regenfus, § 906 Rdnr. 33 f. 558 Vgl. Ostendorf, JuS 1974, 756 (758, 759); praktiziert auch in BGHZ 88, 344 (346); vgl. ferner OVG Koblenz NVwZ-RR 2004, 734 (734) zum BImSchG. 559 So RGZ 50, 255 (228); 57, 239 (240); 98, 15 (17); 133, 342 (350); 155, 154 (157, 159); BGHZ 88, 344 (346, 347) nach Mot. III, 259, 264; OLG Düsseldorf MDR 1991, 57; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 58; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnrn. 49 f.; Neuner, JuS 2005, 487 (487) m.w. N.; Olzen, Jura 1994, 281 (285); Wieling, Sachenrecht, § 23 II 4 a cc; vgl. auch Picker, JZ 2010, 541 (542 ff.).

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der Grund-Definition des Eigentums (§ 903 S. 1 BGB) und der (auf § 1004 BGB bezogenen) Duldungspflicht des § 906 BGB enthalten ist, ist allerdings nicht ausgeschlossen, ihn auch für die Auslegung des § 1004 BGB heranzuziehen.561 Die entscheidende, vom einfachen Recht losgelöste Frage lautet jedoch, ob die Rechtsordnung ein Verhalten, das „negative Immissionen“ auslöst, mit Rücksicht auf den betroffenen Eigentümer verbieten muss oder zulassen darf.562 Ist – insbesondere zum Schutz der „positiven“ Nutzungsbefugnisse des Eigentums, die in § 903 S. 1 BGB einfachgesetzlich festgeschrieben und durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantiert sind – erforderlich, negative Immissionen allgemein oder in bestimmten Fällen abwehren zu können, muss sich das Verständnis der einfachrechtlichen Begriffe „Einwirkung“ und „Beeinträchtigung“ hieran orientieren. Da nicht einmal der Gesetzgeber die Ansprüche zulässigerweise ausschließen dürfte, verstieße die abweichende Rechtsprechung insoweit gegen Art. 14 Abs. 1 GG. (2) Vergleich mit ähnlichen Sachbereichen Festzustellen ist zunächst, dass der deliktische Schutz des Eigentums nicht davon abhängt, dass die körperliche Substanz einer Sache betroffen ist. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB kann in allen Fällen bestehen, in denen die Nutzbarkeit der Sache gemindert ist,563 so dass u. U. die bloße Behinderung des Besitzes oder der Benutzung der Sache genügt.564 Ebenso genießt das Eigentum und der Gewerbebetrieb deliktischen Schutz gegen die Abschneidung der „Verbindung nach außen“ einschließlich der Werbemöglichkeit und bei Störungen des Zugangs über einen öffentlichen Weg (Gemeingebrauch).565 Der Un560 Hierauf weisen z. B. hin: MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 49; Staudinger/ Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 66; Pleyer, JZ 1959, 305 (306); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 125; Scherer, JR 1997, 309 (312); Wieling, Sachenrecht, § 23 II 4 a cc. 561 In diesem Sinn auch Scherer, JR 1997, 309 (312); siehe ferner Jauernig, JZ 1986, 605 (610); (zutreffend) ablehnend Tiedemann, MDR 1978, 272 (274). 562 Ähnlich Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 901 (907); MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 49 (je nur zum einfachen Recht). 563 Insoweit unterscheidet sich § 823 Abs. 1 BGB (Eigentum . . . verletzt) z. B. von § 7 Abs. 1 StVG, § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG, in denen jeweils davon die Rede ist, dass eine Sache beschädigt wird. 564 BGHZ 55, 153 (159) („Fleet-Fall“); BGHZ 146, 98 (101); Möschel, JuS 1977, 1 (1); Staudinger/J. Hager (1999); § 823 Rdnr. B 89 m.w. N.; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 33; Säcker/Mohr, JZ 2010, 440 (442). 565 Vgl. BGHZ 62, 361 (364, 367); 144, 200 (203); BGH NJW 1998, 2058 (2059 f.); NZV 2011, 604 (605); differenzierend zum Schutz des Gemeingebrauchs aber Zeuner, FS Flume, S. 779, 785; vgl. ferner Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 129; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 115 f.; kritisch M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648) m.w. N. – Zum Anliegergebrauch im öffentlichen Recht Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 89, 112 ff.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

terlassungsanspruch aus § 909 BGB setzt ebenfalls keine unmittelbaren Berührung des benachbarten Grundstücks voraus, sondern besteht immer, wenn dessen Boden irgendwie den Halt in der Senkrechten verliert oder die unteren Bodenschichten im waagerechten Verlauf beeinträchtigt werden.566 In gleicher Weise sind Bergschäden auch dann zu ersetzen, wenn sie nicht am Grundstück vertikal über dem Bergwerk, sondern andernorts auftreten.567 Schließlich belegen die zahlreichen Bestimmungen des Landesnachbarrechts, die detailliert Ansprüche auf Unterlassung und Verhinderung negativer Immissionen enthalten, dass deren Abwehr grundsätzlich zum Inhalt des Eigentums gehört. Zu nennen sind etwa die Baubeschränkungen,568 die (seit historischer Zeit bekannten569) Vorschriften über Mindestgrenzabstände für Pflanzen570 oder die Ansprüche auf Zugang zu Antennenanlagen571. Der Umstand, dass in diesen Regelungen und Fallgruppen auf Störungen der Gebrauchsmöglichkeit fremder Sachen durch „Vorenthaltung“ oder „Entzug“ positiver Faktoren reagiert wird, belegt, dass die Rechtsordnung durchaus auch ein Verhalten verbieten kann, das die Grundstücksgrenzen nicht unmittelbar überschreitet.572 Eine Verletzung der fremden Rechtssphäre „Eigentum“ kann deshalb unabhängig davon vorliegen, ob sich die unmittelbaren Auswirkungen des Verhaltens auf den Bereich innerhalb der eigenen Grundstücksgrenzen beschränken oder nicht.573 Entscheidend ist stets, ob im konkreten Fall eine Pflicht besteht, das eigene Verhalten so einzurichten, dass die Nutzbarkeit fremder Sachen nicht tangiert wird.574

566 BGHZ 85, 375 (378); 101, 290 (291 f.) je m.w. N.; inhaltlich so schon BGHZ 44, 130 (135 f.) m.w. N.; BGH NJW 1980, 224 (225). Schon v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (94, 111) sieht, dass es hier an einem unmittelbaren Hinüberwirken fehlt; dagegen sieht RGZ 155, 154 (160) in § 909 einen nicht verallgemeinerbaren Sonderfall. Zu § 909 BGB und verwandten Erscheinungen vgl. ferner Dehner, NZM 2005, 172 (173). 567 PrKglObTrE 4, 354 (360 ff.); 9, 101 (109 ff.). 568 Hierzu zählen insbes. auch die Bestimmungen über die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen, etwa in Art. 6 BayBO; vgl. Horst, DWW 1997, 361 (368); zu Vorschriften des privaten Rechts Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 68; vgl. auch Jauernig, JZ 1986, 605 (610). 569 So verbot § 247 PrALR II, 15 (aus dem Jahr 1794) die Anpflanzung von Bäumen innerhalb bestimmter Entfernungen zu Windmühlen, damit deren Betrieb nicht durch Abschattung des Windes beeinträchtigt wird, vgl. RGZ 79, 402 ff.; ferner Tiedemann, MDR 1978, 272 (275 f.) 570 Dazu oben Teil 2 C.I.4.b)cc)(2). 571 Vgl. die Nachweise in BGHZ 88, 344 (351 ff.); z. B. § 26 Abs. 1 Nr. 1 Landesnachbargesetz NRW. 572 Wie hier Picker, JZ 2010, 541 (548 ff.); jeweils bezogen auf einzelne der genannten Vergleichssituationen ferner Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 66 ff.; Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 7 b (S. 219). 573 Ebenso Tiedemann, MDR 1978, 272 (274) m.w. N. 574 Picker, JZ 2010, 541 (548 ff.).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Die genannten Beispiele machen zudem deutlich, dass der Gebrauch einer Sache immer – wenn auch unterschiedlich stark – in einer Wechselwirkung mit der Umwelt besteht und damit die Möglichkeit einer solchen Wechselwirkung voraussetzt.575 Ebenso wie die in § 906 BGB ausdrücklich genannten Phänomene sind „Entziehungshandlungen“ typischerweise geeignet, die Benutzbarkeit des Grundstücks signifikant einzuschränken.576 Die zunehmend enger werdende Bebauung verstärkt dabei den Bedarf nach entsprechendem Schutz.577 Die Rechtsordnung muss daher der grundgesetzlichen Gewährleistung entsprechen und den Eigentümer mit Abwehransprüchen ausstatten. Ein Verständnis, dass in den „Entziehungsfällen“ generell keine Abwehransprüche bestehen,578 genügt damit jedenfalls den heutigen Schutzanforderungen nicht, weil im Hinblick auf das von Art. 14 Abs. 1 GG vorgegebene Ziel, dem Eigentümer die Nutzungsmöglichkeiten optimal offen zu halten, gegenwärtig kein relevanter Unterschied zwischen der Entziehung vorhandener Positivfaktoren einerseits und der Zuführung körperlicher oder unwägbarer Stoffe andererseits besteht.579 Eine formale Differenzierung allein nach dem äußeren Bild – ob also die Benutzung oder ihre Auswirkungen die Grenze überschreiten oder sie sich innerhalb der räumlichen Grenzen des Grundstücks halten – würde daher einer sachlichen Rechtfertigung entbehren.580 Im Übrigen mangelt es auch an klaren Abgrenzungskriterien zwischen beiden Fällen.581 Der Schutz vor „negativen Immissionen“ gehört daher – als Teil eines umfassenden Funktionsschutzes582 – zum Eigentum.583

575 Vgl. Möschel, JuS 1977, 1 (2); Neuner, JuS 2005, 487 (487); Picker, JZ 2010, 541 (549 f.); M. Wolf, Sachenrecht, Rdnrn. 309, 311. 576 Vgl. Scherer, JR 1997, 309 (313); ferner Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 60. 577 Vgl. Mühl, JZ 1984, 850 (851). 578 So beruft sich etwa BGHZ 88, 344 (347) darauf, dass die Motive zum BGB sich gegen die Abwehrbarkeit aussprächen (dagegen Tiedemann, MDR 1978, 272 ff.). Jedenfalls Mot. III, 264 gibt hierfür jedoch nichts her, da dort nur ausgesagt wird, nicht jedes Hinüberwirken von Immissionen solle objektiv rechtswidrig sein; daraus kann nicht geschlossen werden, nur ein Hinüberwirken könne rechtswidrig sein. 579 In diesem Sinn auch Tiedemann, MDR 1978, 272 (274); Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 66 f.; Wolf/Wellenhofer, § 24 Rdnr. 7. 580 Kritisch bereits v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (94). 581 So werden die Störungen durch Reflexionen von natürlichem Licht von der h. M. als positive Einwirkungen qualifiziert, die bloße Abschattung dagegen nicht (Nachweise bei Ostendorf, JuS 1974, 756 (757 ff.), der selbst eine analoge Anwendung der §§ 1004, 906 befürwortet). Der BGH sieht diesen Widerspruch und nimmt deshalb auch bei Reflexionsstörungen „negative Einwirkungen“ an (BGHZ 88, 344 (348 f.); ebenso Horst, DWW 1997, 361 (369 ff.); OLG Düsseldorf MDR 1991, 57). Zutreffend ist das Gegenteil (vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 123; OLG Stuttgart MDR 2009, 1099 (1099); LG Düsseldorf DWW 1997, 188 (189)). 582 Vgl. Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderungen, S. 101 ff. 583 Vgl. Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 59 ff.; Tiedemann, MDR 1978, 272 (276); Wolf/Wellenhofer, § 24 Rdnr. 7; OLG Düsseldorf NVwZ 2001,

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

(3) Maßstäbe für die Zulässigkeit „negativer Immissionen“ Auch bei den negativen Immissionen gilt es damit, die konkurrierenden Freiheitssphären in sinnvoller und gerechter Weise gegeneinander abzugrenzen. Zahl und Art der Verbindungen nach außen und von außen sind, wie gezeigt, determinierende Faktoren für den Wert einer Sache.584 Dies führt allerdings nicht dazu, dass der Eigentümer ein seinem Sachgebrauch nachteiliges Verhalten eines anderen relativ leicht (d.h. unter niedrigen Voraussetzungen) unterbinden können muss. Ein Entzug von Chancen, der die Nutzbarkeit nachteilig beeinflusst, kann durch ganz vielfältige und unterschiedliche Verhaltensweisen und Vorgänge ausgelöst werden. Um sämtliche negativen Auswirkung sicher zu verhindern, müssten unzählige Verbote geschaffen werden, die die Handlungsfreiheiten aller anderen Personen und insbesondere die Eigentumsnutzungsfreiheit der Nachbarn in sehr starkem Maße einschränken würden.585 Den weitgehenden Reglementierungen stünden meist nur jeweils (für sich genommen) geringe Vorteile für den Eigentümer gegenüber. Hinzu kommt die grundlegende Überlegung, dass das Eigentum seinem Inhaber die Chance geben soll, durch geschicktes Ausnutzen aller Umstände – zu denen bei Immobilien insbesondere deren Lage und Einbettung gehört – einen möglichst großen Gewinn zu erzielen. Zu den Faktoren, von denen ein Eigentümer profitieren kann, gehört auch das Verhalten anderer Privater, das ihm eine günstig(er)e Position verschaffen kann, auch wenn er darauf keinen gesetzlichen Anspruch hat.586 Da Nachteile genauso zu behandeln sind wie Vorteile, muss nicht jedes fremde Handeln, das günstige Umstände zunichte macht, einen Abwehranspruch auslösen.587 Will sich der Eigentümer günstige Umstände dauerhaft sichern, obliegt dies ihm und seiner Initiative; so kann er z. B. Rechtsgeschäfte mit anderen abschließen und dadurch eine günstige Position schaffen oder sichern.588 Die Grenze des (für die übrigen Rechtssubjekte) noch Verhältnismäßigen ist daher schnell erreicht. Die Schwelle, bei deren Überschreiten ein Verhalten wegen seiner nachteiligen Folgen auf die Nutzbarkeit fremder Sachen untersagt werden können muss, ist daher hoch anzusetzen.589 Allein die Tatsache, dass die 594 (595); ferner Neuner, JuS 2005, 487 (487) (bei schwerer und unerträglicher Betroffenheit); siehe auch v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (90). 584 Vgl. Zeuner, FS Flume, S. 779. 585 Vgl. Reinhardt, JZ 1961, 713 (719); Picker, JZ 2010, 541 (549 ff.); OLG Düsseldorf NVwZ 2001, 594 (595) zu negativen Immissionen; ferner BGHZ 54, 56 (61) zu ästhetischen Immissionen. 586 Vgl. Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (518 ff.). 587 In diesem Sinn auch RGZ 133, 342 (347). 588 Ebenso RGZ 133, 342 (351); v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (104); OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 1313 (1315). 589 Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 67 m.w. N. will die Abwehransprüche erst einsetzen lassen, wenn die für den Nachbarn entstehenden Nachteile sein Handeln

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Nutzbarkeit einer fremden Sache gemindert und ein Wertverlust bewirkt wird, löst folglich noch keine Abwehransprüche aus.590 Generell zu versagen sind Abwehransprüche jedoch nicht, weil die Eigentumsgarantie dem Staat gebietet, die essentiellen Verbindungsmöglichkeiten offen zu halten und dazu notfalls auch anderen Personen Duldungs- oder Unterlassungspflichten aufzuerlegen. Da es auf die jeweilige Intensität der Beeinträchtigung der Nutzbarkeit ankommt, müssen insofern die völlig verschieden gelagerten Fälle negativer Immissionen, die von der Abhaltung von natürlichen Zuführungen (insbesondere Licht und Luft) bis zum Entzug der schönen Aussicht reichen, unterschiedlich behandelt werden.591 Einen Anhaltspunkt für das in diesem Sinne „unbedingt Notwendige“ liefert § 917 BGB, der für den Zugang zu öffentlichen Wegen und Ver-/Entsorgungsleitungen einen Anspruch auf Duldung des Mitgebrauchs anderer Grundstücke gibt.592 Da das Verfassungsrecht und auch das einfache Recht nur einen essentiellen Mindeststandard an Anbindung etc. garantiert, ist auch im Übrigen im Hinblick auf andere „negative Immissionen“ nur ein Schutz zu gewähren, der sich auf die für die Grundstücksnutzung unbedingt erforderlichen Verbindungen und Positivfaktoren bezieht.593 Soweit der Empfang von Rundfunksignalen betroffen ist, ist in die Abwägung auch die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG einzustellen,594 die auch die schlichte Entgegennahme von Informationen schützt.595 Hierdurch ist der Rechtsstreit allerdings noch nicht entschieden:596 Die Regeln über das Privateigentum als allgemeine Gesetze beschränken einerseits das Grundrecht aus

grob rücksichtslos und damit rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Für eine Orientierung an § 906 BGB, also an Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit, Pleyer, JZ 1959, 305 (306); Mühl, JZ 1984, 850 (851); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 62 f.; Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 107; inhaltlich ähnlich Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 126 ff. (Rücksichtnahmegebot); Picker, JZ 2010, 541 (551 f.). 590 Zutreffend Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 78 (zu den ideellen Immissionen). 591 Anders praktiziert in BGHZ 88, 344 (345). 592 Vgl. Jauernig/Jauernig, § 917 Rdnr. 3; Zeuner, FS Flume, S. 782; BGHZ 88, 344 (349); 177, 165 (167 f.); unten B.II.1. 593 Vgl. oben Teil 2 C.I.2.a)dd). 594 Ostendorf, JuS 1974, 756 (757) m.w. N.; allgemein Lerche, Jura 1995, 561 (562). 595 BVerfGE 27, 71 (82 f.); Hömig/Antoni, Art. 5 Rdnr. 9; ausführlich Lerche, Jura 1995, 561 (562, 565). – Der Umstand, dass auf dem einzelnen abgeschatteten Grundstück keine Signale ankommen, ändert an der generellen Empfangbarkeit und damit der Eröffnung des Schutzbereichs nichts, siehe nur Lerche, Jura 1995, 561 (565 f.). 596 Vgl. auch Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 69, der aber – weitergehend – jede Auswirkung von Art. 5 GG auf den Rechtsstreit de lege lata verneint und allenfalls einen Auftrag an den Gesetzgeber ableitet.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Art. 5 Abs. 1 GG (Art. 5 Abs. 2 GG),597 sind andererseits aber selbst entsprechend der „Wechselwirkungs-(Schaukel-)theorie“ im Lichte der wertsetzenden Bedeutung der Informationsfreiheit für den freiheitlich-demokratischen Staat auszulegen und ggf. einzuschränken.598 Daher kommt es darauf an, wie in der konkreten Situation praktische Konkordanz erzielt werden kann. Da die technischen Möglichkeiten einen Zugang zu Hörfunk- und Fernsehprogrammen inzwischen auch ohne Empfang terrestrischer Sender erlauben, sind deshalb im Ergebnis Abwehransprüche gegen die Abschottung elektromagnetischer Wellen zur Rundfunkübertragung nur noch in Ausnahmefällen zu bejahen.599 cc) Ideelle Einwirkungen (1) Bedeutung der „inneren Verarbeitung“ Die Möglichkeit, ideelle600 Immissionen abzuwehren, wird ebenfalls mit der Begründung verneint, es handle sich nicht um Einwirkungen, die die Grenze überschreiten.601 Das bloße Sichtbarsein von Zuständen oder Vorgängen in der Nachbarschaft wirke weder auf das Grundstück selbst ein noch belästige es Personen, die sich dort aufhalten, in einer Art und Weise, dass ihr gesundheitliches Wohlbefinden gestört oder bei ihnen körperliches Unbehagen erzeugt werde.602 Unter physikalischen Gesichtspunkten ist eine derartige Unterscheidung nicht gerechtfertigt, da das abstoßerregende Bild aus nichts anderem als einfallenden Lichtstrahlen besteht.603 Ebenso wenig überzeugt das Argument, die Empörung über unsittliche Vorgänge oder verunstaltende Zustände erfolge erst aufgrund einer vom Menschen selbst vorgenommenen Ideenverbindung und -verarbeitung, 597

Lerche, Jura 1995, 561 (562); zutreffend insoweit auch noch BGHZ 88, 344

(350). 598 Siehe dazu BVerfGE 7, 198 (208 f.); 7, 230 (234 ff.); 42, 163 (169); 54, 129 (137); 62, 230 (244); 71, 206 (214); 85, 248 (263); 66, 116 (135 f.); 102, 347 (360); BVerfG NJW 1993, 1252 (1253); NJW 2010, 47 (52, 55); BGHZ 157, 322 (326 f.); vgl. auch BVerfGE 90, 27 (33); Heintzen, DVBl. 2004, 721 (723 f.). – Dies übersieht BGHZ 88, 344 (349 f.). 599 Vgl. auch unten B.IV.3. zur Duldungspflicht von Parabolantennen. 600 Der Begriff findet sich – soweit ersichtlich – in RGZ 50, 225 (228); das Gericht meint dort, der (von der Revison eingesetzte) Begriff der „ideale(n) Immission“ sei dem BGB fremd. 601 Vgl. RGZ 50, 225 (228); 57, 239 (240); hiergegen aber bereits Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (296). 602 So das zentrale Argument in RGZ 76, 130 (131 f.); wiederholt in BGHZ 51, 396 (397); 95, 307 (309); für den „Sykbeamer“ so OLG Zweibrücken MDR 2001, 984 (985); zuvor Künzl, NJW 1985, 774 (775). 603 Scherer, JR 1997, 309 (311); Pleyer, JZ 1959, 305 (306); LG Frankfurt/M. DWW 1988, 57 (58); OLG Celle SeuffArch 60 (1905), 18 (19); OLG Colmar OLGE 5, 386 (387).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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da auch bei sonstigen „sinnlichen“ Wahrnehmungen (Gerüche, Wärme, Geräusche) eine mehr oder weniger intensive gedankliche/neurologische Verarbeitung stattfindet und erst sie die negativen Empfindungen auslöst.604 In diesem Zusammenhang kann allenfalls fraglich sein, ob das Eigentumsgrundrecht oder andere Verfassungsgarantien – insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht605 – thematisch einschlägig sind. Art. 14 GG garantiert neben dem bloßem Innehaben selbst und dem Verfügen auch den Sachgebrauch.606 Da der Schutzbereich dieses Grundrechts aber nicht bei jedem Verhalten eröffnet sein kann, bei einem eine Sache lediglich involviert ist, muss ein hinreichender Zusammenhang mit der Sachnutzung gegeben sein;607 die Beeinträchtigung darf sich insbesondere nicht in erster Linie gegen eine Person als solche, sondern muss sich gegen die Person als Sachnutzer richten.608 Diese Bedingung ist z. B. erfüllt, wenn der

604 So bereits OLG Colmar OLGE 5, 386 (387); Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (297); vgl. auch Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 7 a (S. 219). 605 Umstritten ist insbes. die Einordnung von unerwünschter Briefkastenwerbung zu kommerziellen oder politischen Zwecken. Der Einwurf von Werbematerial in einen Hausbriefkasten ist unzulässig, wenn der Eigentümer durch eine entsprechende Aufschrift am Briefkasten zu erkennen gibt, dass er derartige Werbung nicht wünscht (vgl. BGHZ 60, 296 (300); 106, 229 (232); LG Bremen NJW 1990, 456 (456); OLG Hamm NJW 2011, 3794 (3795)). Stellt man in den Vordergrund, dass sich das Werbematerial (als körperliche Gegenstände) im räumlich-gegenständlichen Bereich des Grundstücks bzw. der Wohnung befindet, ist Art. 14 GG betroffen (in diesem Sinn BGHZ 106, 229 (232); BGH NJW 1992, 1958 (1959); KG NJW 2002, 379 (379); OLG Bremen NJW 1990, 2140 (2140); LG Bremen NJW 1990, 456 (456, 457); OLG Nürnberg AfP 1972, 233 (234)). Betont man die Belästigung des Empfänger durch die Konfrontation mit der Suggestivwirkung der Werbung, liegt nahe, das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfG NJW 2002, 2938 (2939); NJW 1991, 910 (911); BGHZ 60, 296 (300); zur Telefonwerbung OLG Stuttgart NJW 1988, 2615) oder die negative Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. KG NJW 2002, 379 (380); Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (passim, insbes. S. 1339)) als betroffen anzusehen. – Das BVerfG hat eine Entscheidung des KG (NJW 2002, 379 ff.), nach der die Aufschrift „Bitte keine Werbung einwerfen“ sowohl kommerzielle als auch politische Werbung erfasse, gebilligt (BVerfG NJW 2002, 2938 (2939)). Brocker, NJW 2002, 2072 (2074); Löwisch, NJW 1990, 437 (438) halten demgegenüber den Widerspruch des Eigentümers in diesem Fall für unbeachtlich, da der Staat den Parteien wegen Art. 21 GG einen Zugang zu den Bürgern ermöglichen müsse und diese mit der Entsorgung des unerwünschten Materials nur unerheblich belastet würden. Den Verbraucherwillen stärker differenzierend OLG Hamm NJW 2011, 3794 (3795). 606 Andernfalls bliebe für die Eigentumsgarantie nur ein sehr geringer Anwendungsbereich übrig, vgl. P. M. Huber, Umweltschutz, S. 47 f. 607 Scherer, JR 1997, 309 (311 f.) m.w. N. 608 Zeuner, FS Flume, S. 778 f. (zum einfachen Recht); diesem Kriterium im Grunde zustimmend Künzl, NJW 1985, 774 (776); vgl. ferner Staudinger/J. Hager (1999), § 823 Rdnr. B 89; BGHZ 63, 203 (206 f.). Etwas strenger Engel, AöR 118 (1993), 169 (180) m.w. N., nach dem beim Grundeigentum nur die Nutzungen geschützt seien, die dem Eigentumsgegenstand „wesensmäßig inhärent“ seien (Hervorhebung im Original), und BGHZ 98, 341 (347), dem zufolge sich die Nutzungen „objektiv“ oder „situationsgemäß anbieten“ müssten; ähnlich BGHZ 60, 126 (139).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Bewohner bei der Nutzung eines Hausgrundstücks zum Wohnen betroffen ist,609 weil ein solches Objekt dazu bestimmt ist, dem Menschen eine Erholungs- und Schutzzone610 zu bieten. Mit der bestimmungsgemäßen Nutzung geht die Beeinträchtigung des Empfindens beim Nutzer zwangsläufig einher611 und wirkt damit unmittelbar auf die Gebrauchstauglichkeit der Sache als solcher zurück. Die Aufgabe des Eigentums, seinem Inhaber den Sachgebrauch zu ermöglichen, würde verkannt, wenn derartige Auswirkungen vom Eigentumsschutz ausgeklammert würden.612 Die Eigentumsgarantie ist daher berührt, wenn eine moralisch oder ästhetisch als negativ bewertete Nachbarschaft Rückwirkungen auf das Ansehen der dort wohnende Personen entfaltet oder wenn die Tauglichkeit zum Wohnen für Familien gemindert ist, weil die Erziehung der Kinder durch Einrichtungen in der Nachbarschaft erschwert wird. Die Relevanz ideeller Immissionen kann schließlich nicht deshalb verneint werden, weil der Eigentümer sich dem Anblick erst (mehr oder weniger bewusst) aussetzen muss:613 Der Bewohner eines Grundstücks wird nahezu zwangsläufig der Zustände oder Geschehnisse in seiner Umgebung ansichtig. Da er sie sogar regelmäßig wiederkehrend wahrnimmt, wird die belastende Wirkung vielmehr noch verstärkt.614 Daher kann es wiederum nur darauf ankommen, ob bestimmte Handlungen unterbleiben müssen, um die ungehinderte Benutzung des eigenen Grundstücks in bestimmter Hinsicht zu ermöglichen.615 Unzulässige Eigentumsbeeinträchtigungen können somit auch lediglich sichtbare Vorgänge und Zustände sein, die auf die Psyche des Bewohners einwirken,616 soweit sie den typischen Gebrauch 609 Enders, AöR 115 (1990), 610 (624); BGHZ 44, 171 (174): Ein Grundstück erhält seine Zweckbestimmung erst durch den Menschen. 610 Vgl. BGH NJW 2004, 762 (763 f.); NJW 2004, 766 (787); OLG Bamberg NJWRR 1992, 406 (408); VG Minden Urt. v. 4.5.2006, Az. 9 K 108/06, juris-Abs. 50; ferner BVerfG NJW 2004, 999 (1000) (zu Art. 13 GG). 611 Dieser Aspekt kommt bei Scherer, JR 1997, 309 (313); Künzl, NJW 1985, 774 (776) zu kurz; wie hier in der Sache Jauernig, JZ 1986, 605 (607, 609); Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 70. 612 Vgl. v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (121 ff., zusammenfassend S. 128); siehe ferner Jauernig, JZ 1986, 605 (607). 613 Ebenso Künzl, NJW 1985, 774 (775): allzu kleinliche Aufspaltung des Vorgangs. 614 Vgl. Heckmann, JZ 1996, 880 (883); ferner BVerfGE 93, 1 (16): Die besondere Belastung durch das Kreuz an der Klassenzimmerwand rühre daher, dass der Schüler dem Eindruck ständig ausgesetzt sei und keine Ausweichmöglichkeit bestehe; BVerwG NJW 1995, 2648 (2649), das mit dieser Argumentation den bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsschutz rechtfertigt. 615 Vgl. Scherer, JR 1997, 309 (313); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 132; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 64 f.; OLG Celle SeuffArch 60 (1905), 18 (19). 616 OLG Celle SeuffArch 60 (1905), 18 (19); in BGHZ 95, 307 (309) zieht sich das Gericht hilfsweise auf dieses Erfordernis zurück; grdsl. auch MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnr. 29; ferner wie hier Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 68 f.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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der Sache in erheblichem Umfang nachteilig beeinflussen. Belegen lässt sich die rechtliche Relevanz derartiger Störungen wiederum durch zahlreiche landesnachbarrechtliche Bestimmungen, z. B. zu Gestaltung von Einfriedungen, die genau diesem Bedürfnis Rechnung tragen.617 In diesem Fall bestehen Schutz- bzw. Gewährleistungsansprüche gegen den Staat, die durch die Schaffung zivilrechtlicher Unterlassungspflichten umzusetzen sind. (2) Zulässigkeitsmaßstäbe für „ideelle Immissionen“ Ob auch im Einzelfall Abwehransprüche bestehen (müssen), hängt damit wiederum vom Gewicht der beteiligten Interessen ab. Bei der Bemessung der Schwere des Eingriffs kommt dem Umstand, dass („nur“) das Empfinden der Bewohner beeinträchtigt ist, durchaus Relevanz zu. Die psychische Integrität der Grundstücksnutzer ist zwar – ebenso wie der Schutz der körperlichen Integrität – grundsätzlich vom Eigentumsschutz mit-erfasst.618 Die staatliche Schutzpflicht für das psychische Wohlbefinden setzt jedoch erst relativ spät ein, wenn nämlich die Beeinträchtigungen in ihrer Wirkung körperlichen Eingriffen gleichzusetzen sind, insbesondere, weil sie ihrer Intensität nach der Zufügung von Schmerzen entsprechen.619 Derart intensiv sind die hier in Rede stehenden Auswirkungen so gut wie nie. Demgegenüber ist das Streben nach einem vom Elend der Welt unbeschwerten Gemüt kein hinreichend gewichtiger Belang, um Grundrechtspositionen anderer einzuschränken.620 Hinzu kommt, dass Maßstäbe dafür, was ästhetisch und was unästhetisch ist, weitgehend fehlen;621 sie müssen auch weitgehend fehlen, weil der Staat sonst in das Persönlichkeitsrecht des anderen eingreifen würde. Auf die individuellen Maßstäbe des Betroffenen kann nicht abgestellt werden, weil sonst die Reichweite des Eigentumsschutzes letztlich vom Empfinden des Einzelnen abhinge und die Maßstäbe des Rechtmäßigen subjektiviert würden.622 Insgesamt sprechen somit 617

Vgl. etwa §§ 32 ff. NachbG NRW, dazu BGH NJW 1985, 1458 (1459 f.). So bereits OLG Colmar OLGE 5, 386 (387), einfachgesetzlich mit § 906 BGB argumentierend. – Der Staat ergreift daher auch in anderen Sachbereichen Maßnahmen zur Bewahrung des psychisch-ästhetischen Wohlbefindens, z. B. mit dem bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbot, siehe nur BVerwG NJW 1991, 983 (984); BVerwG NJW 1995, 2648 (2649). 619 Vgl. BVerfGE 56, 54 (75); Hömig/Antoni, Art. 2 Rdnr. 12. 620 BVerfGE 102, 347 (364); 128, 226 (266). 621 Künzl, NJW 1985, 774 (775); Staudinger/Gursky (2006); § 1004 Rdnr. 78; Olzen, Jura 1994, 281 (286); im Grunde auch Scherer, JR 1997, 309 (311). – Im Bauordnungsrecht ist die Formel gebräuchlich, der Anblick müsse bei einem nicht unbeträchtlichen, für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter nachhaltigen Protest hervorrufen, vgl. BVerwG NVwZ 1991, 64 (65); NJW 1991, 983 (984); NJW 1995, 2648 (2649); inhaltlich so seit BVerwGE 2, 172 (177). 622 Scherer, JR 1997, 309 (313); vgl. auch Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 65; Künzl, NJW 1985, 774 (775). – Subjektiviert bedeutet hier, dass al618

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

zahlreiche Gesichtspunkte für eine hohe Auslöseschwelle, damit der Eigentumsschutz nicht ausufert.623 Stört sich der Eigentümer an moralisch missbilligten Vorgängen auf dem Nachbargrundstück, stellen sich seine Belange nicht als wesentlich gewichtiger dar. Der Anwohner mag sein religiöses oder ethisches Empfinden betroffen fühlen, wenn er zusehen muss, wie andere Personen sich seinen – für richtig gehaltenen – Vorstellungen zuwider verhalten. Aus ähnlichen Überlegungen mag er es ablehnen, wenn auf dem Nachbargrundstück Versammlungsstätten für Religionsgemeinschaften oder politische Vereinigungen unterhalten werden, mit denen sich der Eigentümer nicht identifiziert. Allein durch ein derartiges AusgesetztSein gegenüber dem Handeln anderer Privater, das sich ohne jeden Zwang zur positiven Akzeptanz für ihn vollzieht, ist jedoch die Religionsfreiheit nicht betroffen.624 Der Staat kann nicht vor Konfrontationen im alltäglichen Leben mit abweichenden Meinungen und Vorstellungen, mit als unangenehm empfundenen Lebensweisen, mit Missständen aller Art oder mit Hinweisen auf die Endlichkeit der Existenz nicht schützen.625 Hieran hindert den Staat, der allein diesseitige Ordnungsaufgaben zu bewältigen hat,626 bereits die Pflicht, die Freiheit des anderen zu beachten: In einer Staats- und Gesellschaftsordnung, die jede Glaubensüberzeugung anerkennt und ihr Raum gibt, kann kein Recht darauf bestehen, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen oder religiösen Symbolen verschont zu bleiben.627 Die Nichtidentifikation und Neutralität gegenüber einzelnen Meinungen ist tragendes Prinzip des modernen Staats.628 Zudem ist es praktisch unmöglich, sämtliche Assoziationspunkte, die beim Bürger das Bewusstsein der o. g. Zustände und Vorgänge hervorrufen, aus dem alltäglichen Leben zu verbannen. Jeder Bürger reagiert auf andere Eindrücke und empfindet anderes als negativ. Je nach Vorwissen und assoziativ-emotionaler Haltung des leine die Maßstäbe des Einzelnen maßgeblich wären. Dies schließt nicht aus dass die Wirkungen einer Beeinträchtigung beim Subjekt (dem Benutzer des Grundstücks) ansetzen. Insofern liegen äquivoke Begriffe vor, die leicht verwechselt werden können. M.a.W.: Die Frage nach der Subjektivität/Objektivität der Maßstäbe hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Beeinträchtigung beim Rechtsobjekt (der Sache selbst) oder beim Rechtssubjekt (dem Sachnutzer) „ansetzen“ muss. 623 Dies befürchtend etwa BGHZ 51, 386 (398). 624 Vgl. BVerfGE 93, 1 (16): kein Recht, von entsprechenden Bekundungen anderer verschont zu werden; BGH NJW 2006, 984 (985); ferner Di Fabio, Gewissen, Glaube, Religion, S. 63. 625 Vgl. Scherer, JR 1997, 309 (314); in diese Richtung auch MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 60; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 79; Heckmann, JZ 1996, 880 (885 f.); Jauernig, JZ 1986, 605 (609). 626 Statt vieler Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (20 f.); ebenso bereits das Verständnis von Hobbes, De Cive, 13. Kapitel 6. (vgl. dazu auch bei Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 290, Fn. 38). 627 So selbst das BVerfG im Kruzifix-Beschluss, BVerfGE 93, 1 (16). 628 Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (55 f.); vgl. ferner BVerfGE 33, 23 (28).

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Rezipienten geht von einem Symbol, Vorgang oder Zustand keine, eine negative oder eine positive Wirkung aus.629 Ein allgemeiner Konfrontationsschutz würde letztlich jeden Kontakt mit anderen Personen grundrechtlich bewehren;630 dies würde wiederum zu einer umfangreichen Einschränkung der Entfaltungsfreiheit aller anderen Personen führen. Damit ist der Blick auf den „Störer“ und darauf gelenkt, dass er sich ebenfalls auf sein Eigentumsrecht oder andere Grundrechte berufen kann. Im Fall der Nutzung als Versammlungsstätte für religiöse oder politische Vereinigungen gilt, dass das Eigentum seinem Inhaber die erforderlichen Mittel bereitstellen soll, seine Intentionen, Ansichten und Überzeugungen auszudrücken, anderen mitzuteilen und zu verwirklichen. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG oder die Freiheit der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG) sind dabei u. U. schutzbereichsverstärkend zu berücksichtigen.631 In den meisten Fällen moralischer Immissionen sind daher schützenswerte Gegenbelange zu vorhanden. Da sich nahezu stets ein Nachbar gestört fühlen kann, käme ein Verbot von Handlungen, die zu derartigen „Einwirkungen“ auf die Nachbarschaft führen können, faktisch einem Totalverbot gleich, das aber von Verfassungs wegen unzulässig wäre. In den verbleibenden Fällen – insbesondere den „verwahrlosten“ Nachbargrundstücken und „Müllhalden“ – darf die „negative Komponente“ der Eigentumsfreiheit nicht übersehen werden. Der Eigentumsgarantie kommt, wie jedem anderen Grundrecht,632 auch eine negative Seite zu.633 Art. 14 Abs. 1 GG schützt somit auch davor, ungewollt Veränderungen seiner Sache vornehmen zu müssen; grundsätzlich ist deshalb niemand verpflichtet, sein Grundstück aufzuräumen oder „ordentlich“ aussehen zu lassen.634 Pflichten, das eigene Grundstück zur 629 Vgl. Heckmann, JZ 1996, 880 (882); auch Scherer, JR 1997, 309 (309, 314), die ergänzt, dass gerade im Erkennen des Assoziationszusammenhangs und der Bewältigung negativ empfundener Emotionen auch ein Reifungsprozess der individuellen Persönlichkeit liegt. 630 Heckmann, JZ 1996, 880 (884 f.). 631 Zu den letztgenannten Fällen besonders oben B.I.1.b)cc)(2); vgl. aber auch Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (215 f., dort konkret zur Relegionsfreiheit). 632 Zur negativen Seite der Grundrechte Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 (460); Bethge, VVdStRL 57 (1998), 7 (26); V. Götz, VVdStRL 41 (1983), 7 (15 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 288; Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1340); Merten, VerwArch 73 (1982), 103 (105 ff.); Stober, NVwZ 1982, 473 (474); vgl. bereits Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 1. Buch Kap. 1 § 9. 633 Papier, BB 1997, 1213 (1219); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 992; Schmidt-Preuß, AG 1996, 1 (8); BVerwGE 84, 335 (339 f.) zum Baugebot; vgl. ferner BGH NJW 2000, 1719 (1720); schließlich EGMR NJW 1999, 3695 (3699) zu Art. 1 des Zusatzprotokoll zur EMRK. 634 Etwas anderes gilt selbstverständlich, wenn von den unästhetischen Zuständen gleichzeitig Gefahren ausgehen, z. B. durch baufällige Anlagen oder gesundheitlich bedenkliche wilde Abfalldeponien; vgl. BGHZ 51, 396 (399).

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Vermeidung „ästhetischer Immissionen“ in einer bestimmten Weise zu gestalten oder (als verunstaltend empfundene) Zustände zu beseitigen, berühren damit die negative Freiheit des Eigentümers, die auch beinhaltet, aus reiner Bequemlichkeit untätig bleiben zu dürfen. Die Fallgruppen der „ideellen Immissionen“ können damit zwar nicht vollständig aus dem Kreis der abwehrbaren Einwirkungen ausgeschlossen werden.635 In der Praxis wird eine Störung des ästhetischen oder des sittlichen Empfindens aber kaum so stark sein, dass es zwingend verboten werden müsste.636 Ein solcher Ausnahmefall ist nur gegeben, wenn auch ein verständiger Durchschnittsmensch (das Verständnis besteht hier gegenüber den individuellen Vorstellungen und u. U. schlicht der Bequemlichkeit des anderen) die Belästigung als eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit zum üblichen Gebrauch versteht.637 Aber auch dann ist noch das Interesse des „Störers“ an der Durchführung seines Verhaltens zu berücksichtigen und mit denen des Nachbarn ins Verhältnis zu setzen. Handlungen, die von einem Eigeninteresse gedeckt sind und daher keinen Fall von Schikane darstellen,638 werden daher im Regelfall die relativ geringgewichtigen Belange der sich beeinträchtigt fühlenden Nachbarn überwiegen. dd) Konsequenz: Verpflichtung zur Schaffung eines Schutzes überhaupt Auch in den als „negative“ oder „ideelle“ Immissionen bezeichneten Fallgestaltungen dürfen Abwehransprüche somit nicht stets und von vornherein verneint werden.639 Bei der Entscheidung, auf welche Weise der Staat – in Person des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung – die Grundrechte und Schutzpflichten verwirklicht, steht ihm jedoch die Wahl des Mittels zu.640 Der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung, die offene Begriffe ausfüllt, muss die Schutzwürdigkeit der aufgeführten Interessen lediglich erkennen und auf irgendeine Weise ein angemessenes Ergebnis zu erzielen. Insbesondere bedeutet das aus der Verfassung abgeleitete Erfordernis entsprechender Abwehransprüche nicht zwingend, dass 635 Vgl. Grunsky, JZ 1970, 785 (786); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 65 f. 636 In diesem Sinn auch Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 2, der die Wesentlichkeit ideeller Immissionen im Rahmen des § 906 BGB in der Regel für ausgeschlossen hält; im Ergebnis auch Scherer, JR 1997, 309 (313). 637 Vgl. Scherer, JR 1997, 309 (313). – Wie Scherer, JR 1997, 309 (313); MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnrn. 55 ff.; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 24; Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 132; Jauernig, JZ 1986, 605 (609) zutreffend ausführen, ist eine Wertminderung Indiz dafür, dass eine allgemein als störend empfundene Beeinträchtigung vorliegt; anders BGHZ 95, 307 (310). 638 So erwogen in RGZ 98, 15 (17); BGH NJW 1975, 170 (170); siehe ferner Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 76. 639 Ebenso Wieling, Sachenrecht, § 23 II 4 a dd. 640 Weiter gehend Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 78, der aus Gründen der Rechtsklarheit einen generellen Ausschluss für zweckmäßig hält.

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die referierte Rechtsprechung des BGH zu §§ 903, 906, 1004 BGB gegen das Grundgesetz (insbesondere Art. 14 GG) verstößt.641 Das gebotenen Mindestniveau an Schutz kann auch durch andere Rechtsinstitute gesichert werden; dies versucht die Rechtsprechung über das aus § 242 BGB abgeleitete „nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis“ 642 oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht643. Der Umstand, dass die Einordnung beim Persönlichkeitsrecht vom hier vertretenen Standpunkt aus nur in der Minderzahl der Fälle zutreffend erscheint, ist dabei unerheblich. Ebenso ist es eine Frage der Methodik und Dogmatik, ob für die einzelnen Immissionen unterschiedliche Rechtsinstitute herangezogen werden sollten. 2. Ausschluss des negatorischen Abwehranspruchs gegen Entschädigung Schließt das Gesetz im Einzelfall gezielt den Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen aus, können Aufopferungsansprüche gegeben sein. Gleiches wird teils angenommen, wenn sich der negatorische Anspruch nicht realisieren lässt. Die Situationen, in denen das Gesetz oder die Rechtsprechungspraxis Entschädigungsansprüche anstelle von Abwehransprüchen vorsehen, sind daher im Folgenden zu untersuchen. a) Kodifiziert: § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und besondere öffentlich-rechtliche Normen Positivrechtlich sind Ausgleichsansprüche wegen der Zuführung von Immissionen in zwei Fällen bzw. Fallgruppen ausdrücklich statuiert, nämlich in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und in zahlreichen öffentlich-rechtlichen Normen, die im Zusammenhang mit bestimmten behördlichen Genehmigungen stehen. aa) Ortsübliche, nicht auf zumutbare Weise vermeidbare Immissionen § 906 Abs. 2 S. 2 BGB reagiert darauf, dass der Eigentümer nach Abs. 2 S. 1 der Norm selbst wesentliche Einwirkungen im Interesse der Entfaltungs- und Betätigungsfreiheit des Nachbarn hinzunehmen hat, wenn sie ortsübliche sind und sich nicht auf wirtschaftlich vertretbare Weise vermeiden lassen.644 Muss der Eigentümer erhebliche Beeinträchtigungen dulden, soll er – gemäß den Grundsät641

So aber wohl M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2648): „bedenkliche Verkürzung“. BGHZ 113, 384 (388 ff.). – Ähnlich der Lösungsvorschlag von Staudinger/ H. Roth (2009), § 906 Rdnrn. 126 ff., die Rspr. der Verwaltungsgerichte zum Rücksichtnahmegebot zu übertragen. 643 Für möglich haltend BGHZ 54, 56 (60 f.); favorisierend auch Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 78; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rdnr. 50. 644 Eingehend oben B.I.1.b)dd). 642

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zen der Praktischen Konkordanz645 und dem Aufopferungsgedanken646 – wenigstens einen finanziellen Ausgleich dafür erhalten, dass er sein Grundstück nicht mehr uneingeschränkt nutzen kann.647 Das „zumutbare Maß“ an Beeinträchtigungen i. S. v. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist dabei so zu bestimmen wie die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB.648 Die Höhe des Ausgleichsanspruchs bemisst sich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung,649 so dass alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind, insbesondere, ob der Grund für den besonderen Umfang der Beeinträchtigungen der Sphäre des Störers oder des Betroffenen zuzuordnen ist und ob die Konfliktsituation von einem der beiden Eigentümer verschärft wurde.650 Da nur Ausgleich für die Beeinträchtigung einer ortsüblichen Benutzung zu leisten ist, hat der Aspekt der Vorbelastung/Priorität gewissen Einfluss auf die Anspruchshöhe.651 bb) Privatrechtsgestaltende Präklusion Soweit Abwehransprüche § 906 BGB ausgeschlossen Verwaltungsrechts wie § 14 Länder) beschränkt sein.652

nach § 1004 Abs. 1 BGB gegeben und nicht durch sind, können sie durch bestimmte Vorschriften des BImSchG und § 75 VwVfG (des Bundes oder der Diese Bestimmungen knüpfen an öffentlich-rechtli-

645 Vgl. oben Teil 2 C.I.3.b): Ausgleichsprinzip auf der 3. Stufe; den Ausgleichsgedanken betonend ferner BGHZ 59, 378 (384); 62, 361 (370). 646 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 pr; H. Roth, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch, S. 32 (daneben den Billigkeitsgedanken nennend); Wieling, Sachenrecht, § 23 II 4 c bb. Zur Einordnung vgl. ferner Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 38 ff.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 220 f. 647 Siehe nur Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574 f.); J. F. Baur, FG BGH I, S. 852, 859; ferner Hagen, FS Röhricht, S. 1177 f. 648 So nun ausdrücklich BGH NJW 2007, 98 (99) m.w. N.; vgl. jurisPK/Vieweg/Regenfus, § 906 Rdnr. 100. 649 BGHZ 49, 148 (155); 59, 378 (386); BGH NJW 1990, 3195 (3197); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1482 (1483); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 262; ders., JuS 2001, 1161 (1163); Soergel/J. F. Baur, § 906 Rdnr. 8; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 75 ff.; Neuner, JuS 2005, 487 (490); Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 51 ff. Für vollen Schadensausgleich Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 8; ders., JZ 1986, 605 (611 f.), da der Eingriff durch ein privates Interesse gerechtfertigt werde und der Gesetzgeber Schadensersatz gewollt habe. 650 Vgl. BGHZ 49, 148 (153); BGH LM BGB § 906 Nr. 29; Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 264; ähnlich auch OLG Frankfurt NJW 1988, 2618 (2620). 651 Vgl. G. Wagner, VersR 2008, 1017 (1019, 1025); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 234 ff.; jurisPK/Vieweg/Regenfus, § 906 Rdnr. 146; BGHZ 117, 110 (113 f.). 652 Zu nennen sind weiter § 11 LuftVG, § 7 Abs. 6 AtomG, die auf § 14 BImSchG verweisen, § 23 GenTG sowie § 11 WHG und Art. 16 Abs. 3 BayWG; nach dem herrschenden Verständnis auch §§ 114 ff. BBergG. Zusammenstellung bei Staudinger/ H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 27; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 136. – Vgl. zur Ähnlichkeit mit § 906 BGB Dolderer, UPR 1999, 326 (330 f.).

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che Genehmigungen an, denen ein Verwaltungsverfahren mit einer umfangreichen Öffentlichkeitsbeteiligung vorangeht ist und deren Erteilung materiellrechtlich eine umfassende Abwägung aller privaten und öffentlichen Interessen voraussetzt.653 Mit den Spezialgesetzen, in denen sich derartige Regelungen finden, erlaubt der Gesetzgeber die jeweils erfassten Vorhaben, sofern ein bestimmtes Schutzniveau für die beeinträchtigten Dritten gewährleistet wird, weil er die Ausführung bzw. den Anlagenbetrieb als gemeinwohldienlich ansieht. Diese Zulassungsentscheidung soll nicht in einem Zivilrechtsstreit erneut überprüft werden. Gesetzliche privatrechtliche Ansprüche bleiben daher nur insoweit bestehen, als sie auf eine Verringerung der Beeinträchtigungen gerichtet sind. Zum Ausgleich der hierdurch bewirkten Minderung der Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke wird ein Entschädigungsanspruch gegen den Genehmigungsadressaten (Betreiber) gewährt. Grundlegende Bedenken gegen die Verfassungskonformität der „privatrechtsgestaltenden Präklusion“ in diesen Regelungen bestehen nicht. Privates und öffentliches Recht wirken bei der Festlegung des Eigentumsinhalts gleichrangig zusammen.654 Die Interessen des Eigentümers werden durch die – im Verwaltungsverfahren uneingeschränkt bestehende655 – Pflicht, sie bei der Entscheidung angemessen zu berücksichtigen, und das Beteiligungsrecht im Verfahren vor der Behörde geschützt. b) Ungeschrieben: Anspruchsausschluss durch andere öffentlich-rechtliche Normen Ein Ausschluss des negatorischen Abwehranspruchs durch öffentlich-rechtliche Normen wird auch – indirekt – bewirkt, wenn diese die Beseitigung bestimmter geschützter Objekte (Teiche als Lebensraum von Tieren oder Bäume) verbieten.656 Hier fragt sich, ob der Eigentümer der Sache, von der die Beeinträchtigungen ausgehen, dem unter den Störungen leidenden Nachbarn zur Entschädigung verpflichtet ist.

653 Dies ist offenkundig bei den Normen, die im Anschluss an eine Planfeststellung stehen (vgl. nur BGH NJW 2005, 660 (661 f.)), sowie bei § 7 Abs. 2 AtG a. F., der ein Genehmigungsermessen vorsah, das sachgerecht auszuüben war. Auch im Rahmen der Genehmigung nach dem BImSchG findet – trotz des strikten Genehmigungsanspruchs – eine solche Abwägung statt, indem die „Erheblichkeit“ nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG am Maßstab des „vernünftigen Durchschnittsmenschen“ zu erfolgen hat [vgl. oben B.I.1.b)cc)(1)]. Zum BBergG eingehend unten B.III.1. 654 Siehe nur BVerfGE 72, 66 (67, 77); BGH NJW 2005, 660 (661 f.); auch BVerfG NVwZ 2003, 197 (198). 655 Vgl. oben Teil 3 A.I., Teil 4 B.I.1.b)aa)(2)(c); zur abweichenden Situationen in den Fällen der Genehmigungserteilung „unbeschadet privater Rechte Dritter“. 656 Zu diesen Konstellationen oben B.I.1.b)aa)(3).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Einer unmittelbaren Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB steht in diesen Fällen entgegen, dass der Ausschluss des Abwehranspruchs nicht auf § 906 Abs. 2 S. 1 BGB beruht und somit nicht „hiernach“ erfolgt.657 Zu erwägen ist aber eine Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB im Wege der Analogie oder der Rechtsfortbildung. Einer Entschädigungspflicht des Eigentümers stehen in derartigen Situationen übergeordnete – verfassungsrechtliche – Gesichtspunkte entgegen. Der Grund für die Versagung des Abwehranspruchs des Nachbarn ist nicht ein privates Interesse des Eigentümers der Sache, von der die Störungen ausgehen, sondern ein Allgemeinwohlbelang (an der Erhaltung bestimmter Tiere, Pflanzen oder Landschaftsbestandteile). Nach dem Aufopferungsprinzip hat grundsätzlich der „von der Aufopferung Begünstigte“ die Entschädigung zu leisten, da er das eigene Interesse trotz entgegenstehender Belange anderer und auf deren Kosten verwirklichen darf.658 Da die Beseitigungsverbote im Interesse aller Bürger an einer artenreichen oder baumbewachsenen Umwelt bestehen, müssen demnach sie – in Gestalt des Staates oder der Körperschaft, die die Unterschutzstellung angeordnet hat – die nachteiligen Folgen, die dem Nachbarn entstehen, ausgleichen, nicht ein einzelner Eigentümer.659 Keine Rolle kann dabei spielen, dass das Verbot dem Biotop-Eigentümer im Einzelfall durchaus gelegen kommen kann und er das Fortbestehen-Dürfen als angenehm empfindet: Da ausschließlich die öffentlichen Belange rechtfertigen, dem Nachbarn die Duldungspflicht aufzuerlegen, und die Individualinteressen des Biotop-Eigentümers weder beim Erlass der Normen noch bei der Entscheidung über eine Ausnahmegenehmigung Beachtung finden,660 kann ihm auch keine Geldleistungspflicht auferlegt werden. Da der Eigentümer somit dem Grund des Anspruchsausschlusses nicht näher steht als alle anderen Bürger, darf ihm auch keine allein ihn treffende Geldleistungspflicht 657 Richtig OLG Hamm NZM 2009, 335 (335); LG Dortmund NJW-RR 1987, 1101; Otto, NJW 1989, 1783 (1785); Britz, DÖV 1996, 505 (507); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 251 für die Fälle der Baumschutzsatzungen. 658 Vgl. oben Teil 2 C.II.4.c). 659 BGHZ 120, 239 (252); insoweit zustimmend Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22; Bitzer, DZWir 1995, 367 (371); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 251 (für die Baumschutzsatzungen; anders Rdnr. 155 für den Froschteich-Fall); Schwabe, JR 1993, 240 (241); zuvor bereits LG Aschaffenburg NJW 1987, 1271 (1272); OLG Karlsruhe AgrarR 1990, 209 (210); vgl. auch Otto, NJW 1989, 1783 (1784 f.); BGHZ 160, 232 (238 f.). – Gerhard, NuR 2003, 644 (645) will das Problem der Dreieckskonstellation durch einen Rückgriff (Amtshaftungsansprüche bei verzögerter Genehmigungserteilung durch die Behörde) lösen, was aber nur in einzelnen Fällen zu einer sachgerechten Lösung führen könnte, weil solche Ansprüche beim Fehlen einer Befreiungsmöglichkeit nicht bestehen. 660 Siehe nur OVG Lüneburg NJW 1996, 3225; VGH Mannheim NVwZ-RR 1996, 382 (382 f.). – Dies äußert sich darin, dass auch der Eigentümer selbst an einer Beseitigung gehindert ist, vgl. BGHZ 120, 239 (252); Otto, NJW 1989, 1783 (1784 f.). Er besitzt keine Dispositionsbefugnis darüber, ob von dem „Privileg“ Gebrauch gemacht werden soll, da es nicht um den Schutz seiner individuellen Interessen geht.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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auferlegt werden. Soweit die Vermögensinteressen des betroffenen Nachbarn einen Ausgleich verlangen,661 ist dieser somit von der jeweiligen normsetzenden staatlichen Stelle als Repräsentantin der begünstigten Allgemeinheit zu bewirken. Gegenüber dem Nachbarn können nur deliktische Ansprüche bestehen. Diese sind auch ausreichend, um auf die wenigen Fälle zu reagieren, in denen die Schaffung oder Aufrechterhaltung der Störungsquelle als rücksichtslos zu bewerten ist. Anzuknüpfen ist dabei – weil das Nicht-Beseitigen der Störungsquelle nicht rechtswidrig ist und daher den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB nicht verwirklichen kann662 – an das Verhalten, das die Gefahren- oder Störungsquelle schafft oder fortdauern lässt663: Liegt in der Verursachung (aktiv oder durch Untätigbleiben) des störenden Zustands ein – wegen einer Rücksichtnahmepflicht auf die Nachbarn, die es verbietet, solche Störungslagen zu schaffen oder fortbestehen zu lassen – rechtswidriges Verhalten,664 haftet der Verantwortliche aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz, soweit die weiteren Voraussetzungen dieser Norm (insbesondere Verschulden, d.h. Erkennbarkeit der möglichen späteren Gefährlichkeit) vorliegen.665 Den Eigentümer kann somit wie gewöhnlich eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit für eine störungsursächliche Nutzungsentschei661 Vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 155, der die Froschteich-Entscheidung für unvereinbar mit Art. 14 GG hält. Ohne Erörterung der Problematik bejaht einen derartigen Anspruch OLG München MDR 1991, 971 (als Vorinstanz zu BGHZ 120, 239). 662 Zutreffend insoweit BGHZ 160, 232 (235); zweifelnd aber Röthel, JZ 2005, 578 (579). Deren Bedenken, auch dem Nachbarn eine Duldungspflicht aufzuerlegen, sind zwar im Grunde berechtigt. Die öffentlichen Interessen rechtfertigen aber auch im Verhältnis zum Nachbarn das abstrakt-generelle Verbot (vgl. Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 61 ff.); die Intensität seiner Beeinträchtigung ist im Erlaubnisverfahren zu berücksichtigen [vgl. oben B.I.1.b)aa)(3)(c)]. 663 Es liegt damit eine Situation einer „actio illicita in causa“ vor. 664 Im Kern ebenso BGHZ 160, 232 (237, 239): Rodung von Bäumen über das Maß hinaus, das für die Standfestigkeit der anderen Bäume unschädlich war. Ohne Relevanz ist, dass der Unterlassungsanspruch (gegen die Rodung) erloschen ist: In der Folgezeit bestand ein Anspruch, weitergehende Sicherungsmaßnahmen (zusätzliche Rodung; Abstützen usw.) zu treffen (vergleichendes Beispiel: Wer ein gefährliches Produkt in Umlauf gebracht hat, wird dadurch, dass er das in-den-Verkehr-Gelangen pro futuro nicht mehr verhindern kann, nicht von seiner Verantwortung frei; seine Verkehrssicherungspflicht hat nun lediglich einen andere Inhalt, nämlich Warnung oder Rückruf). Richtig daher BGHZ 160, 232 (239): „Störung setzte sich durch die schadensstiftenden Bäume fort“. Ebenso im Fall BGH NZM 2005, 318 (319): „pflichtwidrig das ungehinderte Wachstum der Bäume hingenommen“. 665 Vgl. auch unten bei Fn. 705 sowie (dies erwägend) Rehbinder, Anm. LM BGB § 823 (Dd) Nr. 22; OLG Hamm NZM 2009, 335 (336). – A.A. Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 155, der aus der (insoweit zutreffend festgestellten) Rechtswidrigkeit des Ermöglichens der Froschansiedlung ohne weitere Begründung auf das Bestehen eines verschuldensunabhängigen Aufopferungsanspruchs gegen den Nachbarn schließt. Aus diesem Grund überzeugt seine Differenzierung zu den Baumschutzsatzungs-Fällen (Rdnr. 251) nicht.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

dung666 treffen. Für die Frage, ob die Herbeiführung einer bestimmten Situation auf dem Nachbargrundstück pflichtwidrig ist und damit „Naturschutz auf Kosten des Nachbarn“ betrieben wird,667 sind die allgemeinen Regeln heranzuziehen. Relevant ist somit, wie wahrscheinlich der Eintritt von wesentlichen Beeinträchtigungen oder Schäden ist, welchen Umfang diese haben können und ob das Risiko nicht aufgrund anderer, überwiegender Interessen hinzunehmen ist.668 Ferner kann sich eine zivilrechtlichen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt ergeben, dass der Eigentümer, der die Schadenseignung bzw. Störungswirkung erst im Laufe der Zeit erkannt hat, eine Ausnahmegenehmigung, die zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist, nicht schnell und nachdrücklich genug erwirkt,669 oder dass er erkennbare Schadensanzeichen nicht unverzüglich der Behörde anzeigt.670 c) Ungeschrieben: Faktische Duldungspflicht im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis („nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch“) aa) Darstellung der Rechtsprechung und Argumente Der BGH erkennt dem Eigentümer eines Grundstücks den sog. „nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch“ zu, wenn er aus „besonderen Gründen“ rechtlicher oder tatsächlicher Art gehindert war, den ihm an sich zustehenden negatorischen Abwehranspruch gegen rechtswidrige Einwirkungen durchzusetzen, und die dadurch erlittenen Nachteile das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten.671 Triftige tatsächliche Gründe, 666

Terminus nach Röthel, JZ 2005, 578 (580) (dort zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ana-

log). 667

Treffend BGHZ 160, 232 (239); BGH NZM 2005, 318 (319). Auf den letztgenannten Aspekt dürfte BGHZ 120, 239 (252) mit der (von BGHZ 160, 232 (239) aufgegriffenen) Passage abstellen, die Anlegung des Gartenteichs habe „der Zielsetzung des Naturschutzes entsprochen“. Jedoch wird in BGHZ 160, 232 der Bezugspunkt etwas verkannt: Entscheidend ist nicht, ob die Beseitigung der anderen Bäume, sondern das Stehen-Lassen der später umgefallenen Bäume im Interesse des Allgemeinwohls (konkret: des Naturschutzes) stand. Da sowohl das Stehen-Lassen der Bäume als auch das Bestehen-Lassen des Teichs im Sinn des Naturschutzes waren, unterscheiden sich die Fälle im (unter Aufopferungsgesichtspunkten) wesentlichen Punkt nicht. Vgl. ferner BGH NZM 2005, 318 (319); Gsell, juris-BGHZivilR 23/2005, Anm. 4; Röthel, JZ 2005, 578 (579). 669 Insoweit kann auch dem Aspekt, dass es dem Eigentümer und Störer jederzeit möglich ist, eine solche Erlaubnis zu beantragen (Röthel, JZ 2005, 578 (580)) und so der Störungssituation abzuhelfen, Rechnung getragen werden, ohne dass es eines verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs bedarf. Eine zu Unrecht erfolgte Verweigerung der Genehmigung lässt die Haftung des Eigentümers entfallen, vgl. OLG Hamm NZV 1994, 27 (28). 670 Vgl. Günther, NuR 1994, 373 (374 bzw. 375 f.). 671 BGHZ 16, 366 (369 f.); 28, 255 (232 f.); 90, 255 (262, 263); 111, 158 (163); 120, 239 (251); 122, 283 (284); 147, 229 (235); 147, 45 (50); 155, 99 (102); 157, 33 668

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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die der Durchsetzung des Abwehranspruchs im Wege stehen und dadurch einen „faktischen Duldungszwang“ begründen, liegen insbesondere vor, wenn der betroffene Eigentümer die Gefahr nicht rechtzeitig erkennen konnte.672 Der Anspruch setzt nicht voraus, dass die Nachteile von Einwirkungen i. S. d. § 906 BGB ausgelöst wurden.673 Er wird vielmehr auch bei grobkörperlichen Immissionen und Vertiefungen674 sowie bei „negativen“ und „ideellen“ Immissionen675 zugestanden. Ein Verschulden des Störers wird nicht vorausgesetzt, so dass der Entschädigungspflicht auch und gerade besteht, wenn ein Schadensersatzanspruch wegen dieses Tatbestandsmerkmals nicht gegeben ist.676

(44 f.); 160, 232 (236); BGH VersR 1985, 740; NJW 1990, 3195 (3196); NJOZ 2005, 175 (177); NJW 2006, 992 (992); NZM 2009, 834 (834); NJW 2011, 3294 (3296); NJW-RR 2011, 739 (739 f.); nur in der Formulierung anders BGHZ 85, 374 (384 f.); vgl. ferner OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1231 (1231); NJW-RR 1995, 1482 (1483); OLG Nürnberg BauR 2003, 733 (736); LG Münster NJW-RR 1986, 947 (948, 951). Der Rechtsprechung zustimmend Soergel/J. F. Baur, § 906 Rdnrn. 151 ff.; MünchKomm/ Säcker, § 906 Rdnr. 137; für Teilbereiche H. Roth, JuS 2001, 1161 (1164); ders., Der bürgerlich rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 20 ff. Zur Entwicklung Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 413 ff.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 24 ff. 672 BGHZ 85, 374 (385); 111, 158 (163); 120, 239 (252); 142, 66 (68); 155, 99 (103); BGH NJW 1999, 1029 (1030); NJOZ 2005, 175 (177); inhaltlich ebenso zuvor BGHZ 85, 374 (384 f.); 90, 255 (263). Weitergehend Wenzel, NJW 2005, 241 (246) und zuvor Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 173, nach denen es nur unzumutbar gewesen sein müsse, Rechtsschutz einzuholen. – In BGHZ 157, 33 ff. beruhte den Ausschluss des Abwehranspruchs allerdings nicht auf tatsächlichen Gründen, sondern auf einem Rechtssatz, so dass kein faktischer Duldungszwang, sondern eine echte Aufopferungskonstellation vorlag. Problematisch an der Entscheidung ist, dass der bundesrechtliche § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zur Begründung des Anspruchs herangezogen wurde. Methodisch richtiger wäre gewesen, aufzuzeigen, dass der Aufopferungsgrundsatz als grundlegendes und rechtsstaatlich gefordertes Prinzip auch Teil des jeweiligen Landesrechts ist und sich aus diesem „landesrechtlichen Aufopferungsprinzip“ die Ausgleichspflicht ergibt. Dies hätte auch der Konnexität der Anspruchsausschlussnorm und der Entschädigungsnorm (vgl. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 94 f.) entsprochen. § 545 ZPO hätte einer solchen Fortbildung des Landesrechts nicht entgegengestanden, da in Niedersachsen drei Oberlandesgerichte errichtet sind. Zur Befugnis der Gerichte, Lücken im Landesrecht durch analoge Anwendung von Bundesrecht zu schließen, vgl. ferner BGHZ 177, 165 (169); die dort genannten Fundstellen stützen diese Aussage allerdings nicht vollständig. 673 BGHZ 90, 255 (262); 155, 99 (103); Krahe/Middelberg, zfs 2002, 557 (558); vgl. A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 103 ff.; Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 412; je m.w. N. 674 Vgl. BGHZ 28, 225 (227, 229 ff.); 157, 33 (45); BGH NZM 2009, 834 (834); NJW 2011, 3294 (3296); Krähe, SpuRt 1994, 81 (83) (Kugeln, Speere, Hämmer, Schrot von einem Sportgelände); Dötsch, NZM 2004, 177 (178); Lettl, JuS 2005, 871 (876); bzw. BGHZ 72, 289 (292); 85, 375 (384 f.); BGH NJW 1980, 224 (225); NJW-RR 1997, 1374 (1374); zusammenfassend Lemke, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 47 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 50. 675 Vgl. BGHZ 113, 284 (388 ff.). 676 Deutlich BGHZ 85, 374 (384); vgl. ferner Baumann, JuS 1989, 433 (436).

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Zur Rechtfertigung des „nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ wird vorrangig das Ausgleichsinteresse des beeinträchtigten Grundstückseigentümers angeführt: Wenn der Eigentümer vorübergehend auf seinen Beseitigungsanspruch verzichten und Schäden hinnehmen müsse, sei es ein Gebot der Gerechtigkeit, ihn schadlos zu halten.677 Sein Integritätsinteresse sei evident schutzwürdiger als das Handlungsinteresse des Verursachers, der einen Nutzen aus seinem Verhalten ziehe und die Gefahren am ehesten beherrschen könne.678 Der drohende Ausgleichsanspruch mindere ferner die wirtschaftlichen Vorteile und nehme auf diese Weise beeinträchtigenden Verhaltensweisen ihren Reiz.679 Die Gesichtspunkte „Veranlassung, Gefahrenbeherrschung und Vorteilsausgleichung“ 680 und ein „nahezu unabweisbares praktisches Bedürfnis“ 681 legitimierten damit einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch, der den Schutz durch das Deliktsrecht ergänzt.682 Das Gesetz weise insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit auf, zumal der Gedanke, dass ein Ausgleichsanspruch an die Stelle des nicht durchsetzbaren Abwehranspruchs trete, zahlreichen Bestimmungen wie z. B. § 14 BImSchG oder § 904 BGB zugrunde liege.683 Geht man (wie die BGH-Rechtsprechung) von einem „weiten“ Beeinträchtigungsbegriff aus, kann die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs in den Fällen, in denen der Beseitigungsanspruch infolge tatsächlicher Hindernisse leer läuft, nur als folgerichtig bezeichnet werden. Die unterschiedlichen Folgen von Auswirkungen auf ein Grundstück würden grundlos unterschiedlich behandelt, weil nur bei der „Aufbringung“ zusätzlichen Materials eine „Haftung“ aufgrund des negatorischen Beseitigungsanspruchs gegeben ist, während in den Fällen, in denen lediglich die vorhandene Substanz verändert wird, nur ein deliktischer (und damit verschuldensabhängiger) Schadensersatzanspruch bestünde.684 Der Entschädigungsanspruch gleicht diesen Widerspruch aus.

677 BGHZ 58, 149 (160); Darstellung auch bei Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1a; vgl. auch Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574), nach Hagen, FS Lange, S. 505; ferner BGHZ 62, 361 (367); BGH NZM 2009, 834 (835). 678 Hagen, FS Lange, S. 499; Gerhard, NuR 2003, 644 (645). 679 Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575). 680 Hagen, FS Lange, S. 501; ihm folgend Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575) und jetzt BGHZ 155, 99 (106). 681 Hagen, FS Lange, S. 500, 501; zustimmend Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574); Wenzel, NJW 2005, 241 (243, 246 f.); Lemke, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 55 f. – Anzumerken ist, dass Hagen, Wenzel und Lemke Richter des V. Zivilsenats („Grundstückssenat“) des BGH waren bzw. sind und die Rechtsprechung zum faktischen Duldungszwang maßgeblich auf sie zurückgeht bzw. von ihnen getragen wird. – Siehe ferner Krahe/Middelberg, zfs 2002, 557 (558); Gerhard, NuR 2003, 644 (644 f.). 682 Hagen, FS Lange, S. 503; ähnlich Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 683 Vgl. Hagen, FS Lange, S. 501; BGHZ 72, 289 (292); 101, 290 (294); 111, 158 (162); 122, 283 (284).

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bb) Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (1) Einordnung als Quasi-Gefährdungshaftung Die Auferlegung einer Geldzahlungspflicht, die nicht an ein verschuldetes Verhalten anknüpft, stellt im Ergebnis eine Gefährdungshaftung unter Nachbarn dar,685 da die Zahlungspflicht praktisch nur vom Eintritt eines entsprechenden Schadens beim Eigentümer abhängt: Für den BGH sind Einwirkungen, die zu „objektiv feststellbaren physischen Auswirkungen“ führen, stets wesentlich i. S. d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB.686 Damit wird für die Ausgleichspflicht allein darauf abgestellt, dass das Nutzungsverhalten des Eigentümers einen Schaden ausgelöst hat687. Ein gewisses Korrektiv wird lediglich dadurch erzeugt, dass der Verursacher auch „Störer i. S. d. § 1004 BGB“ gewesen sein muss.688 Hierdurch werden aber nur außerordentliche Geschehensabläufe wie z. B. Naturereignisse als Grundlage der Haftung ausgeschieden; am Umstand, dass es – setzt man „Schadensursächlichkeit“ mit „Wesentlichkeit“ und „Rechtswidrigkeit“ gleich – nicht auf eine ex ante gegebene und erkennbare Schädigungseignung ankommt, ändert dies nichts. Der BGH ordnet den Ausgleichsanspruch demgegenüber als Entschädigung (nicht als Schadensersatz) ein. Beim Ausgleich für „technische Unfallschäden“ gehe nicht um die Einführung einer Gefährdungshaftung, sondern um die Haftung für rechtswidrige Störungen, die aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung resultieren, aber nicht abgewehrt werden können.689 Unterschiede 684 Vgl. Picker, FS Gernhuber, S. 329 f.: „konkav – konvex“; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1376 f., 1379; ferner Medicus, FS Hagen, S. 162 f. Besonders deutlich zeigt dies der Fall BGH NJW 2004, 1035 (1036): Da die Risse in der Mauer durch Winddruck, der über den Baumstamm und das Wurzelwerk weitergeleitet wurde, hervorgerufen worden waren, schied § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB mangels Gegenwärtigkeit aus; wären die Wurzeln eingedrungen und hätten die Mauer gehoben, hätte der BGH den Anspruch bereits aus § 1004 Abs. 1 BGB bejaht. 685 Vgl. Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 167 f.; Dötsch, NZM 2004, 177 (180); Medicus, FS Hagen, S. 165; Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 418; H. Roth, LMK 2009, 294262; ders., Anm. LM BGB § 906 Nr. 101; ders., JZ 2004, 918 (918); ferner OLG Oldenburg NJW 1958, 1096 (1097) m.w. N. 686 Erstmals BGH NJW 1999, 1029 (1030); dann BGHZ 157, 33 (43); 159, 168 (172 f.); BGH NJW 2004, 603 (604); dem zustimmend (ohne weitere Auseinandersetzung) J. F. Baur, FG BGH I, S. 858; ebenso praktiziert in OLG Rostock NJW 2006, 3650 (3652). – Die Formel „objektiv feststellbare physische Auswirkungen“ dürfte inhaltlich nichts anderes bedeuten als „Schäden“. 687 So ausdrücklich BGHZ 157, 33 (43 f.); vgl. ferner Wieling, LMK 2005, 26 (27). 688 Vgl. Lemke, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 49 ff.; BGH NZM 2009, 834 (834); NJW-RR 2011, 739 (739, 740); ferner bei Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 110 ff. 689 So BGHZ 155, 99 (104), entgegen der zutreffenden Kritik von H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 25; wie der BGH ferner Lettl, JuS 2005, 871 (876).

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bestünden ferner in der Rechtsfolge, da nur ein Ausgleich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung geschuldet sei.690 Insbesondere sei nicht der gesamte entgangene Gewinn (die Differenz zum hypothetischen Vermögenswert), der bei der Nutzung der Sache erzielt worden wäre, zu kompensieren sondern nur die Minderung des Verkehrswertes.691 Dies erlaube eine ökonomische Feinsteuerung692 der Art, dass alle Umstände, die zu der Störung geführt haben,693 sowie der Aspekt, dass jeder Nachbar ohnehin ein gewisses Maß an Immissionen nach § 906 BGB entschädigungslos hinzunehmen hat,694 berücksichtigt werden können. Trotz dieser Unterschiede unterliegt der Ausgleichsanspruch auch nach Auffassung des BGH der cessio legis des § 67 VVG und wird als Schadensersatzanspruch i. S. d. § 1 Nr. 1 AHB angesehen.695 Der „Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB“ erlegt – unabhängig von diesen Details, die für die verfassungsrechtliche Beurteilung zunächst ohne Bedeutung sind – eine Zahlungspflicht für ein Verhalten auf, das inhaltlich im Zusammenhang mit der Rechtsstellung als Eigentümer696 und deren Ausnutzung steht. Dies führt zwangsläufig zu nachteiligen Auswirkungen auf die von Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Möglichkeit, die eigene Sache beliebig zu nutzen. Die Grenzen, die sich aus den jeweiligen Grundrechten und dem Enumerationsprinzip für die Zulässigkeit einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht erge690 Siehe nur BGHZ 48, 98 (105); 58, 149 (160); 62, 361 (371); 72, 289 (297); 85, 374 (386); 90, 255 (263); 142, 66 (70); 147, 45 (53); 157, 33 (47); BGH NJW 1982, 2884 (2884 f.); VersR 1985, 740; NJW 1990, 3195 (3196); NJW 1995, 714 (715); NJW-RR 1988, 1291 (1292); NJW-RR 1997, 1374 (1374); NJW 1999, 1029 (1031); NJW 2009, 762 (765); H. Roth, LMK 2009, 280109. Demgegenüber nehmen Schadensersatz als Rechtsfolge an Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 15; Baumann, JuS 1989, 433 (436). 691 BGHZ 62, 361 (371); vgl. ferner Kreft, Anm. LM BGB § 1004 Nr. 123; Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 169. – Zu erheblichen Unterschieden im Anspruchsumfang führt dies aber nicht (wie auch der BGH selbst feststellt, vgl. BGHZ 142, 66 (71); BGH VersR 1985, 740; NJW 1990, 3195 (3196); NJW-RR 1997, 1374 (1374); ebenso Filthaut, VersR 1992, 150 (153)). Insbesondere ist bei Substanzschäden auch der Nutzungsausfall als Folgeschaden zu ersetzen (vgl. BGHZ 58, 149 (161)) und sind objektivierbare künftige Gewinne in den Verkehrswert „eingepreist“ (Maultzsch, JbJgZivRW 2005, 57 (74 f.); ders., Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 242 ff.). Siehe ferner G. Wagner, VersR 2008, 1017 (1026); de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften, S. 306 ff. 692 Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575). 693 Hagen, FS Lange, S. 502 ff. mit Nachw. aus der Rspr.; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575 f.). 694 Siehe nur BGHZ 62, 361 (372); BGH NJW-RR 1988, 1291 (1292). 695 BGHZ 142, 66 (67 bzw. 71 f.); Krahe/Middelberg, zfs 2002, 557 (562). Vgl. zum Ganzen Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 40 ff.: „Kriterien . . . schwerlich festzustellen“. 696 Dies gilt auch, soweit sich der Anspruch gegen einen Mieter oder Pächter richtet, da dessen Besitzrecht insoweit den grundrechtlichen Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG genießt. Vgl. Dötsch, NZM 2004, 177 (178 f.).

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ben,697 gelten daher auch hier.698 Da der Gesetzgeber keine generelle Gefährdungshaftung unter Nachbarn geschaffen hat und die allgemeine Schadensersatzhaftung ein Verschulden voraussetzt, müsste sich die Begründung eines derartigen Ausgleichsanspruchs im Wege eines methodisch vertretbaren Vorgehens vollziehen.699 Lassen sich im Haftungssystem des BGB und des übrigen bürgerlichen Rechts nicht hinreichende Anhaltspunkte und Argumente für eine derartige „Entschädigungspflicht analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB“ finden, ist die „Rechtsfortbildung“ durch den BGH nicht nur methodisch falsch (was noch keinen Verfassungsverstoß bedeuten würde700), sondern verletzt vor allem auch zugleich grundrechtliche Garantien.701 (2) Fehlen der sachlichen Voraussetzungen für eine Begründung des „nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ im Wege der Analogie und aus dem Aufopferungsprinzip Soll sich die Legitimität des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch aus einer Analogiebildung zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB702 oder anderen Vorschriften ergeben, müssen die allgemeinen Voraussetzungen eines Analogieschlusses gegeben sein. Daher muss (1.) eine planwidrige Regelungslücke bestehen und muss (2.) die von einer Norm nicht erfasste Situation der dort geregelten im Hinblick auf die vom Normsetzer intendierte ratio legis gleichartig sein.703

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Vgl. oben Teil 3 A.II.3.c). Ebenso Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 416 f., der in der Betitelung als Ausgleichsanspruch nur einen Versuch sieht, die sogleich zu behandelnden Wertungswidersprüche nicht aufzudecken; vgl. auch Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 267. 699 Anders Gerhard, NuR 2003, 644 (645): Der Anspruch ergebe sich aus einer Subsumtion eines Sachverhalts unter § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Von einer Analogie geht aber selbst der BGH aus, vgl. BGHZ 155, 99 (103, 104). 700 Vgl. oben Teil 2 C.I.5.c). 701 Zutreffend BGHZ 55, 229 (232 f., 234); vgl. ferner Classen, JZ 2003, 693 (700 f.). 702 Soweit der Ausgleichsanspruch wegen „faktischen Duldungszwanges“ bei Vertiefungen, Grobimmissionen u. ä. zugesprochen wird, liegt sogar eine „doppelte Analogie“ zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB vor, da sowohl vom Vorliegen einer Immission als auch vom Ausschluss kraft gesetzlicher Vorschriften abgesehen wird (ebenso Wieling, LMK 2003, 183 (183)). Zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer „doppelten Analogie“ dieser Art Regenfus, JA 2009, 579 (580, 582). 703 Vgl. nur Koller, Theorie des Rechts, S. 231 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 889; Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 11; BGHZ 105, 140 (143); 110, 183 (192); 120, 239 (252); 149, 165 (174); 155, 380 (389 f.); BGH NJW 2003, 1932 (1933); NJW 2005, 53 (56); BVerfGE 82, 6 (12 f.). 698

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(a) Analogie zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (aa) Planwidrigkeit der Regelungslücke Einer Analogie zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB steht bereits entgegen, dass es an einer planwidrigen Lücke im Gesetz fehlt. Soweit ein Verhalten ex ante als gefährlich zu bewerten ist (wenn also eine „Sicherungspflicht“ verletzt ist und damit der Handelnde „Störer“ ist), ist es rechtswidrig; wegen des objektivierten Verschuldensmaßstabs des Zivilrechts ist das Verhalten dann auch typischerweise vorwerfbar, so dass alle Voraussetzungen einer Haftung wegen fahrlässigen deliktischen Verhaltens gegeben sind. Fahrlässigkeit ist insbesondere bei einer unzureichenden Kontrolle der bestehenden Zustände gegeben.704 Verschulden des Eigentümers liegt ferner vor, wenn er eine noch ungefährliche Situation schafft, aber erkennen kann – oder sogar bewusst in Kauf nimmt –, dass sich hieraus Störungen oder Gefahren entwickeln werden und er dann aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage sein wird, diesen rechtzeitig entgegenzuwirken.705 Weder unter dem Aspekt der Schadensprävention noch des Schadensausgleichs bedarf es daher eines zusätzlichen Ersatzanspruchs neben dem deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Umgekehrt gibt die bestehende Rechtsordnung, für die das Verschuldensprinzip charakteristisch ist, keinen Anhalt dafür, dass andere Personen für bloße Zufälle haftbar gemacht werden können.706 Durch den verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch wird demgegenüber in Abweichung von der – seit langem erkannten,707 sachlich berechtigten und nicht grundsätzlich in Abrede gestellten – Konzeption des BGB eine lückenlose Haftpflicht generiert.708 704 Auf diese Weise lassen sich die Fälle umstürzender Bäume sachgerecht lösen: Der Eigentümer eines Grundstücks hat im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren dafür zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht. Ein Baumbestand ist daher so anzulegen, dass er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch, Windwurf und Umstürzen auf Grund fehlender Standfestigkeit gesichert ist, vgl. BGHZ 160, 18 (20, 22); BGH NJW 2003, 1732 (1733); NJOZ 2005, 174 (176 f.); ähnlich BGH NJW 1985, 1773 (1774) für einen Felshang. Warum eine Haftung gegeben sein muss, wenn diese – strengen – Pflichten eingehalten werden, ist nicht erkennbar; dies bemerkt auch der BGH wenn er mit ganz ähnlichen Kriterien die Störereigenschaft verneinen will [vgl. oben B.I.1.a)cc)(1)]. Wie hier Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 253. 705 Damit kann auf den von Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575 f.) angesprochenen Fall, dass der Nachbar ein Biotop anlegt und dann in der Zeit bis zum Erlass der Beseitigungsgenehmigung – und u. U. sogar darüber hinaus – legal Störungen hervorrufen darf, reagiert werden. Ebenso lässt sich mit diesem Ansatz die Situation aus BGHZ 160, 232 (239) handhaben; dazu oben 2.b). 706 Vgl. Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 131 f. 707 Siehe nur RGZ 58, 130 (132); 63, 374 (380); Spyridakis, FG Sontis, S. 248 f. 708 Noch schärfer Wieling, LMK 2005, 26 (27), nach dem der verschuldensunabhängige Anspruch die §§ 823 ff. BGB überflüssig macht.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs bedarf es auch nicht, um Vorteile abschöpfen zu können, die dem Eigentümer der Störungsquelle aus seinem störenden Verhalten in der Vergangenheit erwachsen sind und an sich dem Nachbarn zustehen.709 Hierzu ist das Bereicherungsrecht berufen und ausreichend.710 Wenn bei Unfallschäden, wie sie hier in Rede stehen, kein Bereicherungsausgleich erfolgen kann, beruht dies ausschließlich darauf, dass sachbedingt keine konkreten Vorteile vorhanden sind, die einer Abschöpfung zugänglich wären.711 Entsprechendes gilt für die Überlegung, dass der Störer Kosten für die Beseitigung des gefahrenbringenden Zustands erspart habe:712 Hier fehlen ebenfalls Vorteile beim „Schädiger“, die unmittelbar mit dem Nachteil des anderen korrelieren. Überdies ginge ein Entschädigungsanspruch umfänglich weiter als das Bereicherungsrecht des BGB, in dem die charakteristische Beschränkung des Anspruchs auf den jeweils noch vorhandenen Vermögensvorteil (§ 818 Abs. 3 BGB) auf der Rechtsfolgenseite in der gebotenen Weise dafür sorgt, dass den Interessen des gutgläubigen Verpflichteten ausreichend Rechnung getragen wird.713 Insgesamt ist somit ein umfangreicher Bestand an Regelungen vorhanden, die in den typischen Konstellationen, die nach einem Ausgleich verlangen, entsprechende Ansprüche vorsehen; Bedarf nach einem weiteren Rechtsinstitut besteht daher nicht.714 Die Betrachtungsweise des BGH, dass bei faktischem Duldungszwang keine verschuldensunabhängige Haftung vorhanden ist und daher eine Lücke vorliege,715 ist demgegenüber zu eng und führt zu einem falschen Ergebnis, weil sie die unbewiesene (und auch unbeweisbare) These zugrundelegt, für jedes Verhalten müsse eine verschuldensunabhängige Haftung bestehen.716 Die suggestive Formulierung, es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetz709 Aus diesen Gründen einen Ausgleichsanspruch befürwortend Krahe/Middelberg, zfs 2002, 557 (558). 710 Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 420. 711 Zutreffend H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 43 f.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 92 ff., 251 ff.; vgl. auch Goebel, JR 2002, 485 (489); zur Bedeutung des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ferner Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 63, 182. 712 Vgl. BGHZ 58, 149 (160); ferner Hubmann, JZ 1958, 489 (491 f.). – Zum Ansatz, etwaige Vorteile nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu ermitteln, vgl. Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 420 f. 713 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 67, 72 ff.; oben Teil 3 A.II.3.b). 714 In diesem Sinne Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 418; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 276 nach einer umfassenden Untersuchung der typischen Fallgruppen (S. 257 ff.); H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 42 f.; auch ders., JZ 2004, 918 (919). 715 BGHZ 155, 99 (104). – Vgl. auch Wenzel, NJW 2005, 241 (243), dem zufolge der V. Zivilsenat des BGH von einem dreigliedrigem Haftungssystem (aus Deliktshaftung, Gefährdungshaftung und verschuldensunabhängiger Störerhaftung) ausgehe. 716 Vgl. Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 111.

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geber die Haftung auf Fälle des Verschuldens habe beschränken wollen,717 verkehrt das vorhandene und sachlich gebotene Regel-Ausnahme-Verhältnis: Auszugehen ist gerade davon, dass nicht jeder, dessen Verhalten ursächlich für einen Schaden war, einer Haftpflicht unterliegen soll, sondern dass – um dessen Handlungsfreiheit willen – notwendig „Lücken“ vorhanden sein müssen.718 (bb) Identität der Sach- und Interessenkonstellation Die zweite methodische Voraussetzung einer Analogie zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist ebenfalls nicht gegeben: Die besondere Situation, auf die der Aufopferungsgedanke und der Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB reagieren, besteht gerade darin, dass ein Abwehranspruch aus rechtlichen Gründen nicht gegeben ist.719 Kennzeichnend ist somit, dass ein Verhalten, das an sich (i. S. v.: nach allgemeinen Maßstäben und Regeln) als rechtswidrig beurteilt wird, in der konkreten Situation nicht verhindert werden kann, weil der Abwehranspruch in der besonderen Konstellation wegen hier vorhandener anderweitiger und übergeordneter Interessen durch eine Rechtsnorm ausgeschlossen ist.720 Eine Analogie zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist danach möglich, wenn der Abwehranspruch aus Zumutbarkeitsüberlegungen – etwa im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses – ausgeschlossen ist, weil auch in diesem Fall die Rechtsordnung (in Gestalt des § 242 BGB) die Duldung eines „an sich unzulässigen“ Verhaltens gebietet und damit eine „Rechtseinbuße“ gegeben ist.721 Der „erst-recht-Schluss“ 722, bei der Verhinderung der Durchsetzung von Abwehransprüchen aufgrund tatsächlicher Umstände müsse Gleiches gelten, mag zwar auf dem ersten Blick bestechen, ist jedoch unzulässig:723 Beim Ausgleich für Schä717

BGHZ 72, 289 (295); auch Krahe/Middelberg, zfs 2002, 557 (558). Ebenso Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 230, 260 f., 275, 279; Popescu/Majer, NZM 2009, 181 (183); vgl. ferner OLG Oldenburg NJW 1958, 1096 (1097). 719 RGZ 58, 130 (134); RG WarnR 1911 Nr. 405; OLG Oldenburg NJW 1958, 1096 (1096); Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 228, 277; Popescu/ Majer, NZM 2009, 181 (182 f.). 720 Vgl. RGZ 63, 374 (376); ebenso Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 250 ff.; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 135. 721 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 4 b; Krähe, SpuRt 1994, 81 (83); Neuner, JuS 2005, 487 (491); Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 413; BGHZ 58, 149 (160); 68, 350 (354); 113, 384 (391). – Zutreffend auch BGHZ 24, 45 (46 f.), das einen Aufopferungsanspruch bei Impfschäden gewährt, wenn die Eltern durch ein eindringlich gehaltenes Merkblatt zur Impfung ihrer Kinder aufgefordert worden waren. Derartige staatliche Äußerungen sind wie Eingriffe i. e. S. (Gebote) zu behandeln. 722 Vgl. Lettl, JuS 2005, 871 (876); Wenzel, NJW 2005, 241 (246); ferner (ablehnend) Goebel, JR 2002, 485 (486). 723 Ebenso (mit im Detail anderer Begründung) Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 255; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 718

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den geht es nicht mehr um den Ausgleich einer Einbuße an Rechtsmacht, sondern um den Ersatz von Substanzeinbußen an der Sache selbst.724 Ursache dafür, dass die Sache beschädigt oder zerstört wurde, war nicht, dass der Eigentümer gefährliche Einwirkungen eines anderen hinnehmen musste, weil dessen Entfaltungsinteresse höher gewichtet wurde als sein Schutzinteresse, sondern der tatsächliche Vorgang. Eine Interessenbewertung zu Lasten des Eigentümers, die nach den Regeln der Praktischen Konkordanz (Ausgleichsprinzip auf der 3. Stufe) eine Kompensation der hierdurch ausgelösten Nachteile verlangt, ist bei nur faktischer Unmöglichkeit der Anspruchsrealisierung nicht vorhanden. Das Interesse des Eigentümers, das fremde Verhalten abwehren zu können (um die Sachsubstanz zu schützen) setzte sich gerade durch, da Abwehrbefugnisse bestanden und gerichtlicher Rechtsschutz eröffnet war. Von diesen Möglichkeiten muss der Nachbar Gebrauch machen.725 § 906 Abs. 2 S. 2 BGB macht hiervon keine Ausnahme. Man mag es zwar als einen „Übelstand“ empfinden, dass sich eine Beseitigungsklage wegen einer zwischenzeitlichen Schadensverwirklichung nicht mehr durchsetzen lässt726 oder sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann, doch erlaubt dies nicht, die Kategorien von „Schaden“ und „Beeinträchtigung“ sowie von „rechtlichen Beschränkungen“ und „tatsächlichen Ereignissen“ zu vermischen. Der Aspekt, für den Nachbarn sei es praktisch schwierig, die Schädigungseignung des in seiner Umgebung stattfindenden Verhaltens zu erkennen, rechtfertigt ebenfalls keinen Verstoß gegen die im Gesetz enthaltenen Haftungsvoraussetzungen,727 sondern könnte allenfalls Anlass zur Einführung einer Gefährdungshaftung durch ein entsprechendes Gesetz sein. Die Gleichstellung von rechtlichem und faktischem Duldungszwang müsste überdies zur Konsequenz haben, dass auch Deliktsunfähige einer allgemeinen Entschädigungspflicht unterliegen müssten, da ihr Handeln ebenfalls regelmäßig aus faktischen Gründen nicht abgewehrt werden kann.728 Der Gedanke, dass der geschädigte Eigentümer nicht das Risiko einer falschen Auslegungsprognose tragen soll, kann eine Ausdehnung der Anspruchs auf

S. 151 ff. Als „fragwürdige Konstruktion“ bezeichnet ihn auch Schmitt-Kammler, FS Wolf, S. 609. 724 Vgl. OLG Oldenburg NJW 1958, 1096 (1097); Neuner, JuS 2005, 487 (491) 725 Vgl. Spyridakis, FG Sontis, S. 248 f. unter Hinweis auf den römischen Rechtssatz „ius civile vigilantibus scriptum est“ (D. 42, 8, 24); dies auch zugebend Baumann, JuS 1989, 433 (435); nunmehr anerkennend auch BGHZ 160, 232 (236 f.). 726 Vgl. RGZ 63, 374 (379); in der Sache auch Siems, JuS 2005, 884 (886). 727 Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 418. 728 So zutreffend Wieling, LMK 2003, 183 (184). Zu § 829 BGB vgl. oben Teil 3 A.II.3.d), in Fn. 93. – Vgl. ferner J. F. Baur, FG BGH I, S. 868, der aufzeigt, dass auch in anderen Bereichen (wie dem Presserecht) Abwehransprüche häufig nicht durchgesetzt werden können, aber geleichwohl kein Entschädigungsanspruch kreiert wird.

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rechtswidrige Immissionen ebenfalls nicht rechtfertigen729: Das BVerfG hat zwar das Interesse, durch eine falsche Beurteilung einer komplizierten Rechtslage keine Nachteile zu erleiden, durch das Erfordernis eines „verfahrensrechtlichen Junktims“ mittelbar anerkannt.730 In der vorliegenden Konstellation droht ein vergleichbares Dilemma aber nicht, weil keine Spaltung des Rechtswegs gegeben ist. Der Eigentümer kann einen doppelten Prozessverlust leicht vermeiden, indem er im Verfahren vor dem Zivilgericht einen Hauptantrag auf Unterlassung und einen Hilfsantrag auf Entschädigung stellt. Möglich und überlegenswert wäre allenfalls, den Gedanken heranzuziehen, dass es unter Nachbarn tatsächlich üblich und – aus Gründen der gegenseitigen Rücksichtnahme und zur Vermeidung einer Streiteskalation – auch von der Rechtsordnung erwünscht sein kann, dass bei möglicherweise gefährlichem oder schädigungstauglichem Verhalten des anderen nicht sofort Klage erhoben sondern Gelegenheit zur „freiwilligen“ Abhilfe gegeben wird.731 Eine Pflicht, von der klageweisen Durchsetzung negatorischer Ansprüche zunächst abzusehen, wenn der Nachbar Abhilfe oder jedenfalls Klärung verspricht und nichts darauf hindeutet, dass er dieser Zusage in angemessener Zeit nicht nachkommen wird, könnte insbesondere aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis732 hergeleitet werden. Allerdings müssten hierzu noch nähere Kriterien oder Fallgruppen entwickelt werden, da jedenfalls bei erheblichen Gefahren – also hohem Schadenspotential oder unmittelbar bevorstehenden Schadensereignissen – die Pflichten aus dem ungeschriebenen nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis nicht so stark sein können, dass sie eine Abstandnahme von einer Klageerhebung gebieten. Auch geht der BGH diesen Weg gerade nicht.733 Eine Übertragung der in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB angeordneten Rechtsfolge ist daher nicht zulässig. Bei bloßen Schäden verlangt die Rechtsordnung nicht, dass – wie es Voraussetzung eines Ausgleichs unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung und der Praktischen Konkordanz ist – das Eigentümerinteresse zurücktritt. Unfallschäden entsprechen somit im entscheidenden Punkt gerade nicht den Fäl729 So aber H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 16 f., da sich in § 906 BGB viele ausfüllungsbedürftige Begriffe fänden; kürzer ders., JuS 2001, 1161 (1164); ders., JZ 2004, 918 (919). Ablehnend Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 73 ff.: Das Einschätzungsrisiko muss nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgutsinhaber tragen. 730 Vgl. oben Teil 3 A.II.3.e). 731 Vgl. BGH NJW 2011, 3294 (3296). Der BGH sieht darin, dass die Kläger auf eine Zusage der Beklagten, sie würden eine Reparatur vornehmen lassen, vertraut hatten, einen „tatsächlichen Hinderungsgrund“. Ähnlich bereits BGH NJW 1995, 714 (714): Ausschluss des Abwehranspruchs, weil Kläger gerichtliche Geltendmachung wegen einer Zusage gegenüber Immissionsschutzbehörde „unterlassen durfte“. 732 Vgl. oben Teil 2 C.I.6.c)ee). 733 Vgl. BGH NJW 2011, 3294 (3296). Dagegen äußert sich BGH NJW 1995, 714 (714) nicht, ob die Zusage gegenüber der Behörde einen „tatsächlichen“ oder einen „rechtlichen“ Hinderungsgrund darstellen sollte.

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len, in denen § 906 Abs. 2 S. 2 BGB einen Ausgleich vorsieht. Dies verbietet, den Regelungsplan des Gesetzgebers dahin zu ergänzen, dass beide Fälle gleich zu behandeln seien,734 und damit eine Analogie.735 (b) Gesamtanalogie zu anderen Ausgleichsansprüchen In Betracht zu ziehen ist ferner eine (Gesamt-)Analogie zu den Tatbeständen der Gefährdungs- und der Aufopferungshaftung sowie den anderen Fällen der Aufopferung wie z. B. § 912 BGB. Eine derartige Gesamt- oder Rechtsanalogie736 scheitert jedoch ebenfalls von vornherein wiederum daran, dass der Aufopferung und der Gefährdungshaftung ein Ausschluss des Abwehranspruchs durch einen Rechtssatz zugrunde liegt, während hier die Nicht-Realisierbarkeit ausschließlich auf einer praktischen Unmöglichkeit beruht. Einer Gesamtanalogie steht ferner entgegen, dass die einzelnen Gefährdungshaftungstatbestände nur punktuelle Ausnahmen vom Verschuldensprinzip darstellen, das das deutsche Privatrecht beherrscht. Gäbe es einen allgemeinen Anspruch auf Schadensersatz bei gefährlichen Tätigkeiten, wären zahlreiche der konkreten Anspruchsgrundlagen (insbesondere § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG) überflüssig.737 Ebenso würden die Sonderregelungen zum Haftungsumfang unterlaufen, die die Gefährdungshaftungstatbestände typischerweise aufweisen (wie etwa in den §§ 9, 10 HaftpflG738).739 Diese Inkonsistenz lässt sich auch nicht mit dem 734

So aber gerade BGHZ 155, 99 (103 f.). Vgl. auch J. F. Baur, FG BGH I, S. 868, der resümiert, dass der Rechtssatz, bei Unmöglichkeit rechtzeitiger Geltendmachung des Abwehranspruchs bestehe eine verschuldensunabhängige Haftung, „sicherlich nicht generell gültig“ ist. 736 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 891 ff., der die Gesetzesanalogie, bei der eine einzelne Bestimmung für den ungeregelten Lebenssachverhalt herangezogen wird, von der Rechtsanalogie unterscheidet, bei der ein Komplex von Rechtsnormen herangezogen wird. 737 Siehe nur Taupitz, FS Hagen, S. 472; OLG Oldenburg NJW 1958, 1096 (1097). – Dies gilt vor allem dann, wenn man – wie der V. Zivilsenat des BGH NJW 1999, 1029 (1030) – annimmt, dass zwischen dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch und den kodifizierten Tatbeständen Anspruchskonkurrenz besteht. Anders später BGH DVBl. 2001, 1431 (1435) (III. Zivilsenat) und zuvor H. Roth, Anm. LM § 906 BGB Nr. 100: Der Aufopferungsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB sei zwar „eng verwandt“ mit dem Bergschadensanspruch und stehe in „engem Zusammenhang“ mit diesem, trete aber materiellrechtlich hinter diesen zurück. Differenzierend nun BGHZ 178, 90 (98 f.): § 906 Abs. 2 S. 2 BGB werde in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich durch andere abschließende Normen verdrängt, außerhalb desselben aber nicht. – Vgl. ferner BGHZ 72, 289 (295); 111, 158 (166 f.); 120, 239 (249); 142, 227 (236); BGHZ 185, 371 (374); BGH NJW-RR 1997, 1374 (1374); NJOZ 2005, 174 (176 f.); Hagen, FS Lange, S. 487; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574); Röthel, JZ 2005, 578 (580). 738 Zu diesen vgl. Filthaut, VersR 1992, 150 (153); Dietz, Technische Risiken, S. 47 ff. 739 Vgl. BGHZ 155, 99 (107 ff.); anders wiederum BGHZ 142, 227 (235) (III. Zivilsenat) gegenüber der Haftung nach § 22 Abs. 2 WHG; vgl. ferner BGHZ 160, 232 735

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Argument auflösen, § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG wolle die Öffentlichkeit schützen, während der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur die Schäden der Eigentümer und Besitzer von angrenzenden Grundstücken kompensieren wolle,740 da der „materielle Nachbarbegriff“ 741 gilt und sich daher die Personenkreise nicht unterscheiden. Die einzelnen Vorschriften, die deren Grundlage bilden könnten (§ 904 S. 2 BGB, § 14 S. 2 BImSchG742, § 2 HaftPflG), sind auch im Hinblick auf ihren Tatbestand (Arten der Gefahr) und ihre Rechtsfolgen743 äußerst inhomogen, so dass sich aus ihnen kaum eine gemeinsame Regel ableiten lässt, die Basis einer Gesamtanalogie sein könnte.744 Abstrahiert man die Gefährdungstatbestände dahin, dass sie die Ersatzpflicht an ein „besonderes Risiko“ knüpfen, ist die Übertragbarkeit der ratio legis zu verneinen, da das Nachbarschaftsverhältnis als solchem keine spezifische Gefährlichkeit zukommt. Die Schadensereignisse, in den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch auslösen sollen – Immissionen, Erschütterungen, Brände, umstürzende Bäume, Aufschüttungen, die zur Bildung eines Kaltluftsees führen – weisen untereinander erhebliche Unterschiede auf. Selbst die Überlegung, dass sich beim Zusammenleben zweier Nachbarn in nächster Nähe zwangsläufig gefahrenträchtige Situationen ergeben und daher eine erhöhte Rücksichtnahme auf den anderen geboten ist, könnte de lege lata die verschuldensunabhängige Haftung nicht rechtfertigen, sondern könnte nur eine Verschärfung der Sorgfaltsanforderungen, bei deren schuldhafter Verletzung § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatzansprüche auslöst, legitimieren. Die Nachbarschaft als solche kann daher nicht Grund einer Gefährdungshaftung sein.745 (234 f.). – Wie im Text Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 267; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 b; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 12, 25; Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 417 f., jeweils auch unter Einbeziehung des § 836 S. 1 BGB; ausführlich Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 110 ff., 119 ff. zusätzlich mit dem Hinweis auf das UmweltHaftG; vgl. ferner A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 136 f., 188 ff.; Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, S. 181 f. (für eine Subsidiarität). 740 So BGHZ 155, 99 (107). 741 Nachbar ist jeder, der sich aufgrund persönlicher oder sachlicher Bindung regelmäßig im Einflussbereich des emittierenden Grundstücks aufhält. Die nachbarliche Gemeinschaft ist damit so weit gefasst, wie die schädlichen Einwirkungen reichen. Vgl. RGZ 167, 14 (24); Vieweg, FS Link, S. 987 f. m.w. N.; Baumann, JuS 1989, 433 (434); Filthaut, VersR 1992, 150 (152) m.w. N.; Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 112. 742 Speziell hierzu (ablehnend) Goebel, JR 2002, 485 (489, 490). 743 Zu nennen sind hier Einschränkungen des Umfangs der Ersatzpflicht, insbes. Haftungshöchstbeträge. 744 Vgl. Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 253; Dietz, Technische Risiken, S. 47. 745 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 267; Dötsch, NZM 2004, 177 (180); Goebel, JR 2002, 485 (487); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 b; H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 29; a. A. Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3089).

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(3) Materielle Vereinbarkeit eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit den Grundrechten des Eigentümers als Anspruchsschuldner Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch lässt sich somit nicht im Wege der Analogie aus dem gegenwärtigen Recht ableiten. Ein Anspruch dieses Inhalts wäre allerdings auch, wenn er explizit im Gesetz statuiert wäre, materiell mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot und dem Gesetzesvorbehalt unvereinbar. Für den von einem Schadensereignis betroffenen Eigentümer würde ein derartiger Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgründen die Belastungen mildern und so das – aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG resultierende und hier „drittwirkende“ – Entschädigungsgebot verwirklichen.746 Auf Seiten des Anspruchsgegners, der ebenfalls Grundrechte – im typischen Fall Art. 14 Abs. 1 GG – für sich in Anspruch nehmen kann, wirkt sich eine derartige Ersatzpflicht jedoch in höchstem Maße belastend aus, da nahezu jede Nutzungstätigkeit auf seinem Grundstück eine Entschädigungspflicht auslösen kann. Besonders schwer wiegt dabei, dass die Zahlungspflicht nur vom Eintritt eines entsprechenden Schadens beim Nachbarn abhängt, aber kein pflichtwidriges Verhalten voraussetzt747 und damit völlig unabhängig davon besteht, ob Sorgfaltsregeln oder Grenzwerte beachtet wurden.748 Ebenso wenig einschränkend kann das – in diesem Sinn verstandene – Kriterium der „Störereigenschaft“ und der „Sicherungspflicht“ wirken. Selbst bei völlig bestimmungsgemäßer Nutzung und ex ante als ungefährlich einzustufendem Verhalten droht damit die Gefahr ruinöser Schadensersatzansprüche.749 Diese Haftung lässt sich auch nicht mit der Überlegung begründen, sie leite zu möglichst gefahrlosem Verhalten an: Präventivwirkungen setzen klare Verhaltensmaßstäbe voraus, weil eine drohende Ersatzpflicht nur dann steuernd wirken kann, wenn sie im Zeitpunkt des schadensauslösenden Verhaltens bekannt ist.750 Der einzig sichere Weg, die drohende Haf746 Vgl. Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574); H. Roth, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 14; Lemke, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 54. 747 Der BGH spricht in diesem Zusammenhang davon, der Schaden sei „rechtswidrig“ (der richtige Begriff wäre „ausgleichsbedürftig“). Wie das Gericht zu dieser Wertung gelangt, ist nicht erkennbar; das Gesetz ordnet jedenfalls eine Ausgleichspflicht gerade nicht (weder ausdrücklich noch mittelbar) an. Zurückhaltender BGH NJW-RR 2011, 739 (739), wo lediglich von einer „Haftung für rechtswidrige Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung“ gesprochen wird. Auch diese Grundstücksnutzung sieht der BGH aber, wie sich aus dem Kontext und den Überlegungen ergibt, dass Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden nicht bestanden habe (S. 740), als rechtmäßig an, so dass wiederum ein Widerspruch besteht. 748 Auf diese kommt es nach der Rechtsprechung (oben Fn. 686) nicht an; so treffend H. Roth, Anm. LM § 906 BGB Nr. 100; vgl. ferner Wieling, LMK 2005, 26 (27). 749 H. Roth, Anm. LM BGB § 906 Nr. 101; dies erkennend auch Hagen, FS Lange, S. 500. 750 Siehe nur Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 109. – Haftungsbegrenzend wirkt sich auch nicht das Erfordernis (BGHZ 90, 255 (263); 111, 158

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tung zu vermeiden, läge darin, den Erwerb von Grundstückseigentum oder wenigstens jegliche Tätigkeit, die irgendwie nachteilige Folgen auf andere haben könnte, zu unterlassen.751 Dies kann jedoch nicht im Sinne des Art. 14 Art. 1 GG sein. Die Ausdehnung des Ersatzanspruchs auf alle Fälle, in denen ein Abwehranspruch aus tatsächlichen Gründen nicht verfolgt werden konnte, führt daher zu unzumutbaren Folgen für Grundstückseigentümer,752 weil ihre Handlungsspielräume erheblich eingeschränkt und damit ihre Eigentumsgarantie verkürzt wird, die grundsätzlich jede Nutzung erlaubt, soweit sie nicht eine signifikante Gefahrenschwelle erkennbar überschreitet. Aus diesen Gründen wäre auch der Gesetzgeber gehindert, im Interesse des Nachbarn eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Eigentümers des schadensauslösenden Grundstücks für sämtliche Schäden auf dem Nachbargrundstück anzuordnen. Die Rechtsprechung zum „nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch“ verletzt damit dessen Grundrecht aus Art. 14 GG. Als erster Schritt in die richtige Richtung – nämlich zu einer Abkehr von dieser Rechtsprechung – könnte die Entscheidung des BGH angesehen werden, dass zwischen mehreren Mietern im selben Haus ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nicht besteht.753 Derzeit wirft die Entscheidung aber lediglich die neuen Fragen auf, wie der Widerspruch dazu, dass sowohl Gläubiger als auch Schuldner des Anspruchs analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich auch Mieter sein können,754 und die daraus resultierende Benachteiligung des Eigentümers gerechtfertigt werden können,755 zumal zwischen Wohnungseigentümern

(164); 155, 99 (106); 160, 232 (235); siehe auch Wilhelm, JZ 2004, 629 (630)) aus, dass der Nachbar die Gefahr nicht rechtzeitig realisieren konnte: Wegen der typischerweise geringeren Sachnähe kann von ihm regelmäßig „eine bessere Erkenntnis . . . nicht verlangt werden“. Die Fälle besseren Wissens lassen sich zudem, wenn man den Anspruch schadensersatzrechtlich behandelt, zwanglos mit § 254 Abs. 2 BGB erfassen. 751 Im gleichen Sinn Otto, NuR 2003, 317 zum Bäume-Pflanzen, um deren Umstürzen von vornherein zu vermeiden. – Die beschriebenen Folgen mögen zwar praktisch oftmals dadurch abgemildert sein, dass der Schaden von der Haftpflichtversicherung des Grundstückseigentümers getragen wird (vgl. oben bei Fn. 695). Jedoch gilt wiederum, dass aus dem Bestehen einer Versicherung bzw. einer Versicherbarkeit kein Anspruch folgt. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Prämien steigen, wenn Zahl und Ausmaß der Versicherungsfälle zunehmen. 752 Ebenso RG WarnR 1911 Nr. 405; vgl. ferner Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 176 ff., 184. 753 BGHZ 157, 188 (190 ff.); anders zuvor OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1521 (1521 f.); vgl. auch Dötsch, NZM 2004, 177 (177 ff.); ders., JZ 2004, 918 (918 f.), der die hiesige Bewertung teilt; die Entscheidung ablehnend dagegen Siems, JuS 2005, 884 (886 f.), der eine „besondere nachbarrechtliche Rechtsbeziehung“ auch zwischen Mietern annimmt. 754 Vgl. BGHZ 147, 45 (50); 155, 99 (101 f.); BGH NJW-RR 2002, 1576 (1576 ff.); NZM 2009, 834 (834); NJW-RR 2011, 739 (739). 755 Richtig insoweit Siems, JuS 2005, 884 (886 f.).

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untereinander wiederum anderes gelten dürfte.756 Die Hervorhebung des Erfordernisses, dass die schadensauslösende Handlung dem Bereich der konkreten Nutzung des Grundstücks zuzuordnen sein und einen sachlichen Bezug zu diesem aufweisen muss, also nicht nur gelegentlich des Aufenthalts auf diesem erfolgt sein darf,757 ist demgegenüber – weil sie den Anwendungsbereich des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs einschränkt – tendenziell zu begrüßen.758 Der Ansatz macht aber deutlich, dass die eigentliche Frage für die Rechtfertigung des Anspruchs lauten müsste, welche Risiken er abdecken soll, und dies nur unzureichend hinterfragt wird.759 Erst recht zutreffend ist, den Anspruch nicht auf andere Anspruchsgegner als Eigentümer und Nutzer des benachbarten Grundstücks auszudehnen.760 Die Ausführungen, dass ein derartiger Anspruch dem Willen des historischen Gesetzgebers zuwiderlaufen würde,761 treffen zwar zu, gelten aber in gleicher Weise für Ansprüche gegen den Nachbarn. (4) Ergebnis Die Rechtsprechung des BGH, nach der bei einem „faktischen Duldungszwang“ verschuldensunabhängig Ausgleich für Schäden an benachbarten Grundstücken zu leisten ist, kann weder auf die bestehende Rechtsordnung gestützt werden, noch ist sie materiell mit den Vorgaben vereinbar, die das Grundgesetz für derartige Entschädigungspflichten stellt. Sie steht in Widerspruch zu Art. 14 GG, der verbietet, dem Eigentümer ungeschriebene und unvorhersehbare Ersatzpflichten aufzuerlegen und auf diese Weise indirekt seine Nutzungsfreiheit einzuschränken.762 Allein der Umstand, dass durch das Unfallereignis unzumutbare Schäden entstanden sind, kann eine Haftungspflicht nicht rechtfertigen.763 756 Vgl. OLG Stuttgart NZM 2006, 141; BGHZ 185, 371 (376 f.) ablehnend nur, soweit die Beeinträchtigung vom Gemeinschaftseigtentum ausgeht. Wie oben auch Wenzel, NJW 2005, 241 (244.); Siems, JuS 2005, 884 (887); zu diesen Wertungswidersprüchen ausführlich Dötsch, NZM 2004, 177 (179 ff.). 757 BGH NZM 2009, 834 (835); dazu Ch. Wolf, JA 2010, 65 (67); das Erfordernis aufgreifend und daher Schmerzensgeld versagend BGH NZM 2010, 756 (757). 758 Wie hier – Zustimmung im Ergebnis – H. Roth, LMK 2009, 294262. 759 Der BGH führt aus, dass das Abschießen von Silvesterraketen ausschließlich in der Befolgung eines gesellschaftlichen Brauchs liegt und in keinem sachlichen Zusammenhang zu dem Grundstück steht, von dem aus er erfolgt (BGH NZM 2009, 834 (835)). Richtig hieran ist, dass sich bei wertender Betrachtung das Risiko, das solchen pyrotechnischen Gegenständen innewohnt, realisiert hat und nicht das der Wohnnutzung i. e. S. Warum dann aber ein Brand, der – ebenso unspezifisch – durch marode Elektroleitungen ausgelöst wird, den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch begründen können soll, ist nicht ersichtlich. Im einen wie im anderen Fall wird ein bestimmtes Risiko (für das der Gesetzgeber keine Gefährdungshaftung statuiert hat) durch die Nähe des Zusammenlebens bzw. -arbeitens verstärkt. 760 BGH NJW 2010, 3158 (3159): Bauunternehmer. 761 BGH NJW 2010, 3158 (3159). 762 Ebenso Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 274; Otto, NuR 2003, 317; allgemein ebenso noch BGHZ 55, 229 (232 f., 234).

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Ein Grund, weshalb diese Aspekte nur wenig beachtet worden sind, mag darin liegen, dass Ausgangspunkt der Rechtsprechung zum „faktischen Duldungszwang“ Fälle waren, in denen ein Hoheitsträger beteiligt war764 oder eine Duldungspflicht jedenfalls mit Gemeinwohlüberlegungen begründet wurde765.766 Ungeachtet der – sogleich unter d) zu erörternden – Frage, ob und wieweit unter Berufung auf die Gemeindienlichkeit einer Anlage ohne explizite gesetzliche Grundlage Duldungspflichten begründet und mit Ersatzansprüchen kompensiert werden können, verbietet sich die Übertragung dieser Argumente in das „allgemeine“ Zivilrecht, weil zum einen die spezifische Interessenkonstellation nicht mehr gegeben ist und zum anderen auf der Seite des Verpflichteten ein Grundrechtsträger steht, dessen Freiheit zu achten ist.767 d) Ungeschrieben: Anlagen, deren Betrieb dem öffentlichen Interesse dient („bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch“) aa) Darstellung der Rechtsprechung und Argumente Entschädigung für den Ausschluss von Abwehransprüchen ist nach der Rechtsprechung zu leisten, wenn Einwirkungen von Anlagen (i. w. S.) ausgehen, die von einem öffentlichen Träger betrieben werden oder der Erfüllung einer gemeinwichtigen Aufgabe dienen.768 Negatorische Ansprüche privater Nachbarn sollen 763 Vgl. Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 59. – Zu weiteren (einfachrechtlichen) Argumente vgl. Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 176 ff. 764 Vgl. BGHZ 48, 98 (105); 62, 361 (371); 72, 289 (297): Verkehrswegebauarbeiten; BGHZ 58, 149 (160): Dammbruch; vgl. ferner BGH NJW 1990, 3195 (3196) zur weitgehenden inhaltlichen Identität des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit dem enteignenden und dem enteignungsgleichen Eingriff; zu dessen Behandlung als staatliche Unrechtshaftung Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 28 f., 260 f.; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, S. 123 ff., 174 ff. 765 Z. B. RGZ 100, 69 (74 f.): Flugbetrieb; BGHZ 16, 366 (369 f.): behördlich angeordnete Schädlingsbekämpfung. 766 Hierauf hinwiesend besonders Hagen, FS Lange, S. 491 f.; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 105. 767 Ganz ähnlich OLG Oldenburg NJW 1958, 1096 (1097), das aus diesem Grund eine Übertragung der Rechtsprechung zum öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch ablehnt. Den Umstand, dass der Staat sich mangels Grundrechtsbindung nicht so behandeln lassen muss wie ein Privater, betont auch Ehlers, Die Verwaltung 20 (1987), 373 (377 f.); siehe ferner BVerfGE 61, 149 (188) unter Zitat der Materialien zum BayAGBGB: Der Staat könne „jede Haftungsverbindlichkeit übernehmen, welche er will“; hieraus kann aber nicht geschlossen werden, er dürfe auch dem Bürger jede Haftungsverbindlichkeit auferlegen. 768 BGHZ 29, 314 (317); 48, 98 (101 f. 104); 60, 119 (122); 72, 289 (292); 144, 200 (205) m.w. N.; BGH LM BGB § 906 Nr. 17; JZ 1961, 498 (499); JZ 1969, 635 (635 f.); NJW 1980, 770 (770); vgl. auch Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 192; Rennert, VBlBW 1995, 41 (47, m. Fn. 76 und 77); Zusammenstellung der zustimmenden Literatur ferner bei Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 129 f.

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in diesem Fall nur soweit bestehen, wie sie die Fortsetzung der gemeindienlichen Betriebstätigkeit nicht in Frage stellen, also lediglich eine Reduzierung der Immissionen im Rahmen des Möglichen zum Inhalt haben.769 Wegen der hieraus resultierenden Nachteile wird der Eigentümer auf eine Geldentschädigung, den sog. „bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch“, verwiesen. Bei der Anspruchshöhe sind wiederum die Grundsätze der Enteignungsentschädigung heranzuziehen770 Das Reichsgericht, das diese Rechtsprechung begründet hat, leitete diese Grundsätze aus dem in den § 904 BGB, § 25 PrEisenbahnG, § 26 GewO, §§ 58, 148 PrAllgBergG, § 75 EinlPrALR und Art. 9 PrVerf enthaltenen Rechtsgedanken771 sowie aus den Überlegungen ab, dass die staatliche Konzessionierung Unterlassungsklagen verbiete772 und dass die Gemeinnützigkeit des Unternehmens Vorrang vor den Eigentümerinteressen haben müsse.773 Letztlich zog es damit den Aufopferungsgedanken heran. Der BGH schloss sich dieser Rechtsprechung sowohl im Ergebnis als auch im zentralen Argument an, das Interesse des Einzelnen an der Nutzung seines Grundstückseigentums habe hinter einem dringenden Allgemeininteresse zurückzustehen.774 Bisweilen wurde die Pflicht zur Duldung von Immissionen ferner auf die gesetzlichen Bestimmungen gestützt, die eine Enteignung zur Verwirklichung entsprechender Vorhaben vorsehen, da ihnen zu entnehmen sei, dass die Allgemeinwohlinteressen als höherwertig anzusehen sind.775 Ein Ausschluss von privaten Abwehransprüchen in den genannten Fällen sei überdies praktisch unverzichtbar, so dass die Rechtsprechung jedenfalls so lange fortzuführen sei, bis der Gesetzgeber eine allgemeine Vorschrift geschaffen hat, die derartige Anlagen privilegiert.776 Als „gemeinwichtige“ Betriebe in die-

769 Siehe nur RGZ 133, 152 (153); 159, 129 (131); 170, 40 (43); Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1954); dem folgend LG Itzehoe NZV 1993, 73 (74); darstellend auch H. Roth, NVwZ 2001, 34 (35, 37). – Eine Unzumutbarkeit der Nutzungseinschränkung wird hier (anders als bei § 906 Abs. 2 S. 2 BGB) nicht verlangt, Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 128. 770 BGHZ 144, 200 (209); RGZ 167, 14 (26); Kreft, Anm. LM BGB § 906 Nr. 25; offengelassen in BGHZ 48, 98 (195); 60, 119 (124)); anders (voller Schadensersatz) RGZ 58, 130 (136); H. Roth, Anm. LM BGB § 1004 Nr. 246; Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 15. 771 Vgl. RGZ 58, 130 (134 f.); 159, 129 (143, 135 f.); RG DR 1942, 1703 (1704). 772 RGZ 58, 130 (134); auch RGZ 81, 216 (224 f.); 155, 154 (156); zuvor OAG München SeuffArch Bd. 14 Nr. 208 S. 724 (725 f.). 773 RGZ 167, 14 (25); vgl. auch Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 6 (S. 218). 774 Zuerst wohl in BGHZ 29, 314 (317); zur Übernahme der Argumente vgl. deutlich BGH JZ 1969, 635 (636); NJW 1970, 856 (857). 775 BGHZ 60, 119 (122 f.); vgl. auch BGHZ 110, 17 (23); LG Hannover ZfB 122 (1981), 456 (459). 776 BGHZ 144, 200 (206); Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 192; Wenzel, NJW 2005, 241 (246); vorsichtiger Soergel/J. F. Baur, § 903 Rdnr. 117.

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sem Sinne wurden u. a. Stromleitungen,777 die Erneuerung von Straßen und Leitungen778, Bushaltestellen779 sowie ein Drogenhilfezentrum780 angesehen. Die Rechtslage entspricht damit der Situation bei „hoheitlich betriebenen“ Anlagen,781 bei denen ebenfalls Abwehransprüche versagt werden, wenn die abzuwehrende Beeinträchtigung auf die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit zurückgeht und diese beendet, geändert oder eingeschränkt werden müsste.782 Die Grundlage der Entschädigungszahlung wird dort lediglich als „Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff“ und nicht als „bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch“ bezeichnet.783 Die Parallelität dieser Rechtsinstitute untereinander und zum privaten Nachbarrecht zeigt sich auch darin, dass in beiden Fällen Einwirkungen entschädigungslos hinzunehmen sind, wenn sie die in § 906 Abs. 1 u. 2 BGB beschrieben Schwelle nicht überschreiten.784 bb) Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (1) Verfassungsrechtliche Problematik und Prüfungsmaßstab Anders als in den zuvor erörterten Fällen des „faktischen Duldungszwangs“ bietet in den nun zu behandelnden Situationen der Aufopferungsgedanke, der sowohl § 906 Abs. 2 S. 2 BGB als auch den entsprechenden Vorschriften des öffentlichen Rechts zugrunde liegt, eine hinreichende Ausgangsbasis für die Pflicht 777 BGHZ 60, 119 (vgl. aber Gieseke, FS Hedemann, S. 99 m.N.). Zabel, RdE 2006, 279 (280) hält gewöhnliche Gasleitungen ebenfalls für gemeinwichtig. 778 BGHZ 48, 98; 72, 289; offengelassen wurde dort jeweils nur die Qualifikation als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Betätigung. 779 LG Essen NZV 1989, 195 (196). 780 BGHZ 144, 200. – Weitere Beispiele bei Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 192. 781 Zur – hier nicht weiter zu vertiefenden – Frage der Abgrenzung BGH NJW 1997, 744 (744): Der Abwehranspruch teilt die Rechtsnatur des Handelns des Hoheitsträgers, das die Immissionen bewirkt; ähnlich Martens, FS Schack, S. 87 f.; vgl. ferner F. Schack, JuS 1963, 263 (265 f.); teils anders ders., BB 1965, 341, 342 f. 782 BGHZ 49, 340 (347) m.w. N.; BGH NJW 1980, 770 (770); seit RGZ 133, 152 (153, 155); 159, 129 (135). Vgl. dazu Papier, NJW 1974, 1797 (1797); ders., JuS 1985, 184 (187) sowie Martens, FS Schack, S. 85 f., der ausführt, dass das Vorgehen gegen solche Anlagen zunächst ein Rechtswegproblem darstellte, da das RG (a. a. O.) davon ausging, es dürfe mangels Vorliegen einer bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeit ein hoheitliches Handeln nicht verhindern. – Verwandt dürfte auch der Folgenentschädigungsanspruch sein; nach ihm ist Geldersatz zu leisten, wenn die Rückgängigmachung einer hoheitlichen Maßnahme unzumutbar ist, vgl. BVerwGE 94, 100 (117). 783 Vgl. BGHZ 48, 98 (101 f.); 72, 289 (291); BGH WM 1976, 1116 (1117); NJW 2005, 660 (661); OLG Nürnberg BauR 2003, 733 (736); J. F. Baur, FG BGH I, S. 860 ff.; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 125 f.; Filthaut, VersR 1992, 150 (155 f.); Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1954); Krohn, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch, S. 57 ff., 66; Papier, NJW 1974, 1797 (1798). 784 BGHZ 72, 289 (292); BGH WM 1976, 1116 (1117); NJW 1976, 1204 (1205); NJW 1980, 770 (770); H. Roth, NVwZ 2001, 34 (36); Baumann, JuS 1989, 433 (435).

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zur Entschädigungsleistung: Der Ausschluss des an sich gegebenen Abwehranspruchs erfolgt durch besondere – geschriebene bzw. ungeschriebene – Rechtssätze, die den Betrieb solcher Anlagen privilegieren; der Betroffene besitzt daher keine rechtliche Möglichkeit, sich gegen die Einwirkungen zu wehren.785 Verfassungsrechtliche Bedenken wirft demgegenüber der (der Entschädigungsfrage vorgelagerte) Umstand auf, dass ohne spezielle positivrechtliche Regelung Abwehransprüche aus dem Eigentum einschränkt werden. Dem betroffenen Bürger wird eine gesteigerte Duldungspflicht gegenüber bestimmten Anlagen auferlegt, so dass zugleich die von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG garantierte umfassende Nutzungsmöglichkeit eingeschränkt wird. Die Anforderungen, die bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung dieser Rechtsprechung zugrunde zu legen sind – insbesondere im Hinblick auf Prüfungsdichte und Gesetzesvorbehalt – hängen maßgeblich davon ab, ob die Regeln für Grundrechtskollisionen unter Privaten oder diejenigen für das Verhältnis Staat-Bürger Anwendung finden. In den Genuss der Privilegierung gegenüber Abwehransprüchen der Nachbarn können sowohl Privatrechtssubjekte als auch staatlichen Körperschaften kommen, wenn der Anlagenbetrieb wegen Fehlens einer Widmung, einer satzungsmäßigen Regelung o. ä. als privatrechtlich zu qualifizieren ist. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die gleichen Anforderungen an Befugniseinschränkungen wie sonst im Zivilrecht gelten. Andernfalls wäre es dem Staat möglich, die „Flucht ins Privatrecht“ anzutreten, um großzügigeren rechtlichen Beurteilungsmaßstäben zu unterliegen. Gerade aus diesem Grund ist anerkannt, dass der Staat die materiellen Anforderungen, die sich aus seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen ergeben (z. B. im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einnahmenerzielung oder einen Kontrahierungszwang), auch dann einhalten muss, wenn er die Aufgaben der Daseinsvorsorge wie ein Privater betreibt.786 Entsprechendes muss für die Zulässigkeit des Betriebs von Anlagen gelten. Trotz der Zuständigkeit der Zivilgerichte und der Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Normen sind daher die materielle Bindung des Staates an die Grundrechte und der Gesetzesvorbehalt zu beachten,787 wenn der Staat zur Verfolgung 785 Vgl. nur BGHZ 48, 98 (101); RGZ 58, 130 (134); 167, 14 (25); MünchKomm/ Säcker, § 906 Rdnrn. 127 ff. 786 Unter dem Stichwort des „Verwaltungsprivatrechts“ ist z. B. der Grundsatz entwickelt worden, dass der Staat auch bei Betätigung in den Formen des Privatrechts seine besonderen Bindungen an die Grundrechte nicht abstreifen kann. Siehe nur Bullinger, FS Rittner, S. 85 m.w. N.; de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften, passim, insbes. S. 35 f.; Ehlers, Die Verwaltung 20 (1987), 373 (377 f.); Enders, JZ 2011, 577 (578 f.); Osterloh, JuS 1998, 465; W. Schmidt, Anm. LM BGB § 157 (D) Nr. 70; Siegel, DÖV 2007, 237 (239); Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (396 f.); BVerfGE 128, 226 (244 ff., 261 ff.); BGHZ 84, 1 (6 ff.); 135, 92 (98 ff.); 153, 93 (100, 101 f., 106 f.). 787 In der Sache ebenso Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 139 f.: Der Staat müsse zusätzlich zu § 903 S. 1 BGB den Art. 14 GG beachten. Vgl. ferner Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1365, der einen enteignenden Charakter annimmt.

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seiner Aufgaben besondere Privilegien – hier: in gesteigertem Maße Immissionen hervorrufen zu dürfen – gegenüber Privaten in Anspruch nimmt. (2) Möglichkeit einer Analogie zu § 14 BImSchG, § 75 VwVfG u. ä. Zunächst ist dabei wiederum die Tragfähigkeit einer Analogie zu den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu untersuchen, die eine privatrechtsgestaltende Präklusion vorsehen (z. B. § 14 BImSchG, § 75 VwVfG788). Bei näherer Betrachtung offenbart sich, dass den genannten Bestimmungen nicht die ratio legis zugrunde liegt, dass gemeinwichtige Betriebe zu bevorzugen seien: Der in § 14 BImSchG vorgesehene Ausschluss privatrechtlicher Ansprüche erfolgt unabhängig davon, ob die projektierte Anlage gemeindienlich ist oder rein privaten Interessen dient, da das BImSchG den Betriebszweck in diesem Zusammenhang789 nicht berücksichtigt. Die privatrechtsgestaltende Präklusion des § 14 BImSchG tritt vielmehr in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei Anlagen ein, die rein kommerziellen Zwecken dienen. Entsprechendes gilt für alle anderen Vorschriften, die diese Rechtsfolge anordnen Das gemeinsame Wesen der genannten verwaltungsrechtlichen Bestimmungen besteht vielmehr darin, dass sie an Genehmigungsakte anknüpfen, denen ein Verwaltungsverfahren – i. d. R. mit Öffentlichkeitsbeteiligung – vorgeschaltet ist, in dem die Betroffenen Einwendungen vorbringen konnten und die Auswirkungen der geplanten Anlage geprüft wurden. Diese aufwändigen und umfassenden „spezifische(n) Verfahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im nachbarlichen Bereich“ 790 sollen sicherstellen, dass das zulässige Maß an Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen festgelegt und das zwingend gebotene Maß an Schutz eingehalten wird. Die Durchführung dieses Verfahrens ist daher essentiell791 und wesentlicher Grund dafür, dass der Ausschluss aller (d.h. einschl. der privatrechtlichen) Ansprüche gegen den Anlagenbetreiber in Anbetracht der staatlichen Schutzpflichten überhaupt bestehen kann. Bei den schlicht gemeindienlichen Anlagen fehlt es demgegenüber an einem der788

Zu ihnen vgl. oben bei Fn. 652; ferner Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1954). Dieser ist nur bei § 22 Abs. 1 BImSchG relevant, der „Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden“ von der Vorschrift ausnimmt, soweit es nicht um Luftverunreinigungen und Lärm geht. Diese Einschränkung verfolgt jedoch keinen spezifischen Regelungszweck, sondern beruht darauf, dass dem Bundesgesetzgeber für eine Regelung, die auch andere Immissionen erfasst, die Kompetenz gefehlt hätte (siehe nur BayVGH NVwZ 1991, 2660 (2661) m.w. N.; vgl. Art. 74 Abs. 1 Nrn. 11, 24 GG). 790 So treffend BGH NJW 2005, 660 (662). 791 Vgl. Berkemann, JR 1989, 221 (226): Je offener die sachlich-materiell Norm, desto wichtiger ist das Verfahren; Fehler des Verfahrens infizieren dann die Richtigkeit der Entscheidung. 789

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artigen Verfahren, so dass eine Übertragung der ratio legis mangels gleichgelagerter Situation nicht möglich ist.792 (3) Rechtsfortbildung auf der Basis des § 906 BGB Mangels analoger Anwendbarkeit der Normen, die eine privatrechtsgestaltende Präklusion anordnen, gilt daher auch bei gemeinwichtigen Anlagen ausschließlich § 906 BGB.793 Die Privilegierung dieser Anlagen könnte deshalb nur durch eine – u. U. rechtsfortbildende – Anwendung dieser Bestimmung erzielt werden. Als Ansatzpunkt dafür, „gemeinwichtige“ Anlagen bevorzugt zu behandeln, ließe sich der Begriff „wesentlich“ in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB heranziehen. Für die Toleranzschwelle eines verständigen Durchschnittsmenschen mag es durchaus als relevant anzusehen sein, ob der Allgemeinheit durch den Betrieb der Anlage ein besonderer Nutzen erwächst, so dass den öffentlichen Interessen bei der vorzunehmenden Abwägung ein spezifisches Gewicht eingeräumt werden kann.794 In Betracht zu ziehen ist ferner, die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB als Einfallsstelle für öffentliche Interessen zu nutzen.795 Ausschlaggebend dafür, ob eine Sonderstellung von Anlagen mit gemeinwohlfördernder Funktion entwickelt werden kann, sind der Gesetzesvorbehalt und die Wesentlichkeitstheorie. Soweit der Staat durch die Schaffung einer besonderen Duldungspflicht „seine“ oder von privaten (staatsunabhängigen) Dritten betriebene „gemeinwichtige“ Anlagen privilegiert, nimmt er ein besonderes Mittel zur Verfolgung von Aufgaben der Gemeinwohlverwirklichung in Anspruch: Der Zivilrechtstreit wird nur und gerade deshalb so entschieden, weil dies die Allgemeinwohlbelangen verwirklicht, nicht, weil diese Lösung den involvierten Privatinteressen am besten Rechnung trägt. Damit unterscheidet sich der Fall vom gewöhnlichen, echten Konflikt zwischen Privaten; vielmehr streitet – jedenfalls zusätzlich – das Gemeinwohl für die Fortführung des Betriebs und wirkt sich dominierend auf das Ergebnis aus. Daher kommt die Wesentlichkeitstheorie zur 792 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 148 f., 151; vgl. bereits Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 50, 6 (S. 218). 793 Vgl. Papier, NJW 1974, 1797 (1799); ders., Recht der öffentlichen Sachen, S. 157 f.; 158 f.; RGZ 159, 129 (135). 794 Dem Erfordernis aus BGHZ 140, 1 (5), dass der jeweilige Aspekt nach Sinn und Zweck die Erheblichkeitsprüfung beeinflussen können muss, wäre somit genügt. 795 So der Vorschlag von Keßler, UPR 2000, 328 (333). BGHZ 49, 148 (154) (zustimmend Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1955)) hat eine Anhebung der Zumutbarkeitsschwelle des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB aus dem Grund für möglich gehalten, dass der Störer eine öffentliche Aufgabe erfülle, die mit enormen Kosten verbunden ist, aber keinen Gewinn abwirft. BGHZ 59, 378 (386) hat diesen Aspekt demgegenüber bei der Bemessung der Entschädigungshöhe abgelehnt, da er bei hoheitlichem Handeln regelmäßig gegeben ist.

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Anwendung.796 Die Entscheidung, dass die Eigentümerinteressen gegenüber dem mit dem Betrieb einer bestimmten Art von Anlagen verfolgten Gemeinwohlbelang zurücktreten sollen, muss deshalb vom Parlament getroffen und in einem formellen Gesetz zum Ausdruck gebracht sein; eine Delegation auf die Rechtsprechung ist – ebenso wie auf die Exekutive – allenfalls hinsichtlich der Details („Wie“), nicht aber der Grundentscheidung („Ob“) möglich.797 Als Gesetz im formellen Sinn, das Ausdruck einer solchen Grundentscheidung sein könnte, kommt hier nur § 906 BGB selbst in Betracht. Ein Anhaltspunkt dafür, dass Immissionen, die von gemeinwichtigen Anlagen herrühren, in nennenswertem Maß anders zu behandeln sein sollen als andere Einwirkungen, kann dem Wortlaut des § 906 BGB nicht entnommen werden. Eine Differenzierung nach diesem Kriterium ist in keinem der dort verwendeten Begriffe enthalten oder auch nur angelegt,798 so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber eine unterschiedliche Beurteilung von Einwirkungen danach, ob sie aus einer in rein privatem Interesse betriebenen oder einer „auch gemeindienlichen“ Anlage stammen, nicht gewollt hat. Die Stellung der Norm im privaten Nachbarrecht legt vielmehr nahe, dass sie von einer privatwirtschaftlichen Nutzung beider Grundstücke ausgeht, vorrangig die privaten Interessen im Auge hat und daher öffentliche Belange lediglich ergänzend hinzugezogen werden können.799 Das jeweilige Allgemeininteresse wird man zwar innerhalb des Rahmens, den der Maßstab des „vernünftigen Durchschnittsmenschen“ allgemein hierfür offen lässt, zur Geltung kommen lassen müssen, doch kann dies niemals dazu führen, dass Abwehransprüche generell ausgeschlossen werden. Das Eigentum wird somit de lege lata im Hinblick auf die Abwehrbefugnisse gegenüber den drei denkbaren Gruppen von Anlagen (hoheitlich betrieben – privatrechtlich betriebenen, aber gemeindienlichen – rein privaten) in gleicher Weise beschrieben. Unabhängig davon, dass der Gesetzgeber durch entsprechende positivrechtliche Regelungen die widerstreitenden Interessen fallgruppenspezifisch abweichend gewichten und die Grenzen des Eigentums gegenüber dem Staat anders als gegenüber Privaten festlegen könnte,800 besteht damit derzeit in § 906 BGB keine ausreichende Basis für einen Rechtssatz des Inhalts, gemeindienliche Anlagen seien generell 796 Vgl. BVerfGE 88, 103, (116); Isensee, DZWir 1994, 309 (312); oben Teil 2 C.I.4.a)bb). 797 Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 238; Papier, NJW 1974, 1797 (1798, 1800); inhaltlich ebenso bei MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnrn. 127 ff. 798 Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 142 f., 148; Pleyer, JZ 1961, 499 (501); vgl. auch MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnr. 132. 799 Vgl. bereits die Überlegungen oben B.I.1.b)cc)(3). 800 Vgl. Martens, FS Schack, S. 91, 93; Papier, NJW 1974, 1797 (1799); ders., JuS 1985, 184 (188); ders., Recht der öffentlichen Sachen, S. 157 f.; BVerwGE 88, 210 (213) mit dem selbstverständlichen Hinweis, dass nur der durch Art. 14 GG (bzw. Art. 2 Abs. 2 GG) gebotene Schutzstandard unbedingt eingehalten werden muss.

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privilegiert. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn man zusätzlich Art. 14 Abs. 2 GG in den Blick nimmt, da sich die Bestimmung in einer Direktive an den Gesetzgeber erschöpft.801 Noch weniger kann ein allgemeiner Satz des Inhalts, dass das Allgemeininteresse an der Versorgung mit einem erforderlichen Gut Vorrang vor dem Interesse einzelner habe,802 unter dem Grundgesetz bestehen, nicht zuletzt deshalb, weil in einer solchen Regel ein – grundsätzlich unzulässiger803 – Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis läge. Das öffentliche Interesse an der Fortführung des Betriebs804 als solcher kann ebenfalls nicht in § 906 BGB verstärkt berücksichtigt werden. Ein (volkswirtschaftliches) Interesse, geschaffene Werte nicht brach liegen zu lassen, besteht bei jeder genehmigungspflichtigen Anlage (also auch den rein privaten) und wird bereits von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB aufgegriffen und berücksichtigt. Eine besondere Berücksichtigung und Gewichtung des öffentlichen Interesses gerade bei gemeindienlichen Anlagen im Rahmen des Begriffs „wesentlich“ ist daher insgesamt nicht möglich. Entsprechende Überlegungen gelten für den Ansatz, bei diesen Anlagen die Maßstäbe für die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ zu modifizieren. Die Aspekte, dass der Staat durch die ungehinderte Fortführung eines stark emittierenden Betriebs Ausgaben spart, volkswirtschaftlich erwünschte Beschäftigung erhalten bleibt etc., kann nicht die Einschränkung von Befugnissen des Individuums rechtfertigen. Das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung für eine Besserstellung bestimmter Anlagen wirkt damit – als logische Folge von Verfassungsgrundsätzen, insbesondere dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips – im Ergebnis zugunsten der privaten Grundstückseigentümer.805 Will der Staat seine Interessen am Betrieb von Anlagen, die er als gemeinwichtig einstuft, effektiv verwirklichen, kann er dies tun, indem er ein entsprechendes (und auch im Übrigen verfassungskonformes) Gesetz schafft.806 Ein derartiges Gesetz ist aus den genannten Gründen aber notwendige Bedingung einer gesteigerten Duldungspflicht. Für eine Überbrückung der Zwischenzeit, bis eine gesetzliche Regelung

801 Papier, NJW 1974, 1797 (1800); Martens, FS Schack, S. 90; anders Lueg, Sozialbindung des Eigentums, S. 146 ff., der hierin einen tauglichen Erklärungsansatz sieht; allgemein oben Teil 2 B.II.3.a)dd)(6). 802 So aber LG Hannover ZfB 122 (1981), 456 (458). 803 Siehe nur Schlink, FS BVerfG, S. 448. Von diesem Grundsatz gehen auch BVerfGE 105, 279 (301 ff.) 105, 252 (268 ff.) („Osho“ bzw. „Glykolwein“) aus; die dort für den engen Bereich der sachlichen Informationstätigkeit entwickelte Ausnahme kann auf die vorliegende Fallkonstellation erkennbar nicht übertragen werden. 804 Vgl. Hubmann, JZ 1958, 489 (490); ferner BVerwG NVwZ 2003, 244 (345). 805 Vgl. Isensee, DZWir 1994, 309 (310). 806 Ebenso Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnr. 30; ders., Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 15; oben Fn. 800.

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geschaffen ist, durch die Rechtsprechung ist kein Raum.807 Zudem indiziert der Umstand, dass die politische Kraft für ein derartiges Gesetz nicht mobilisiert wird, dass in der Gesellschaft kein Konsens für eine generelle Privilegierung gemeinwichtiger Anlagen vorhanden ist. Aus diesen Gründen kann schließlich auch die Möglichkeit einer Enteignung nicht als Legitimation der Privilegierung genügen,808 weil sich andernfalls letztlich jedes Enteignungsverfahren erübrigen und der Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG praktisch beseitigt würde.809 Die Wesentlichkeit und Zumutbarkeit – und damit die Rechtswidrigkeit – einer Immission geht deshalb noch nicht allein dadurch verloren, dass sie einem gemeinwichtigen Betrieb entstammt.810 Eine gesteigerte Pflicht zur Duldung von Einwirkungen bedürfte wegen ihrer Auswirkungen auf die privaten Rechte und Rechtsgüter einer ausdrücklichen positiven Normierung. Die derzeitige Rechtsprechung erweist sich daher vom verfassungsrechtlichen Blickwinkel aus als nicht haltbar.811 Die Geldkompensation kann hieran wegen des Verbots des „Dulde und liquidiere“ nichts ändern.812 (4) Keine Möglichkeit einer positivgesetzlichen Regelung Da sich der Gesetzgeber zu einer entsprechenden positivrechtlichen Regelung entschließen könnte, ist kurz zu untersuchen, inwieweit der Rechtssatz, von gemeinwichtigen Betrieben ausgehende Einwirkungen seien generell zu dulden, mit den Vorgaben des Grundgesetzes im Einklang stehen würde.

807 Vgl. BVerwGE 94, 100 (108 ff.): Hat ein Hoheitsträger die Möglichkeit, nach Durchlaufen eines Verwaltungsverfahrens Befugnisse zu erwerben (dort: Straßenbau nach Planfeststellung), muss er dieses auch durchführen; es genügt nicht, dass eine Ermächtigungsgrundlage als solche besteht. Dies lässt sich auf das Verhältnis von Verfassungsrecht zum einfachen Recht übertragen. 808 Vgl. oben B.I.2.d). 809 Vgl. Kimminich, NJW 1973, 1479 (1482); ferner die Begründung in Fn. 807. 810 Martens, FS Schack, S. 91; inhaltlich auch MünchKomm/Säcker, § 906 Rdnr. 132. 811 Martens, FS Schack, S. 90; Olzen, Jura 1994, 281 (288 f.); Pleyer, JZ 1961, 499 (501); Staudinger/H. Roth (2009), § 906 Rdnrn. 30, 45; ders., Der bürgerlich rechtliche Aufopferungsanspruch, S. 15; ders., JuS 2001, 1161 (1162 f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1365; vgl. ferner Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 157 f.; ders., NJW 1974, 1797 (1798 f.), der zutreffend ausführt, dass das Staatshaftungsrecht kein Gegenargument liefert, weil für faktische Grundrechtseinwirkungen der Gesetzesvorbehalt mangels Realisierbarkeit nicht gilt, und vielmehr der Betrieb, von dem Emissionen ausgehen, selbst auf eine ausreichende rechtliche Grundlage gestellt werden muss. Eher kritisch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 4 b. 812 Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Hinweis von Dolderer, UPR 1999, 326 (328) auf den Schutz des Haushaltsgesetzgebers.

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(a) Bestimmtheitsgrundsatz Ein derartiger Rechtssatz müsste dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Das Kriterium der „Gemeinwichtigkeit“ erweist sich an dieser Stelle als ungeeignet zur Abgrenzung, weil letztlich beim Betrieb jeder Anlage irgendein Vorteil für die Allgemeinheit erkannt werden kann,813 und sei es nur in Gestalt der Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern.814 Auch die Präzisierung, der Betrieb müsse unmittelbar dem öffentlichen Interesse dienen,815 hilft nur bedingt weiter, weil sie Wertungen im Einzelfall nicht entbehrlich macht. Darauf, ob der Vermögenserwerb oder die Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse im Vordergrund steht,816 kann bei Anlagen, die von „echten“ Privaten betrieben werden, nicht sinnvoll abgestellt werden, da bei ihnen neben dem Nutzen für die Allgemeinheit die Gewinnerzielungsabsicht dominiert. Die von der Rechtsprechung versuchte Eingrenzung, dass das Allgemeinwohlinteresse einen Ausdruck im Gesetz gefunden haben muss,817 stellt ebenso keine Lösung dar: Auf diese Weise können auch ganz abstrakt gehaltene Ziele wie die „Eindämmung der Drogensucht“ anerkannt werden. Ob und in welchen Situationen einem solchen Ziel der Vorrang gegenüber Individualinteressen zukommen soll818 lässt sich aber nicht ohne Weiteres ableiten. (b) Vorrang der Substanzgarantie Des weiteren muss der Eingriff in die (primäre) Substanzgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, der in dem Ausschluss des negatorischen Abwehranspruchs und der Verweisung auf eine Entschädigung durch eine derartige Regelung läge, die Verhältnismäßigkeitsanforderungen wahren. Mit der Eigentumsgarantie ist nicht vereinbar, den Betroffenen ohne Rücksicht auf das Gewicht der konkurrierenden privaten und öffentlichen Interessen im Einzelfall zur Duldung zu verpflichten und ihn auf eine Geldkompensation zu 813

Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 151. Pleyer, JZ 1961, 499 (501). 815 So früher BGH JZ 1961, 498 (499); JZ 1969, 635 (635). – Gegen eine zu weite Ausdehnung der Grundsätze zu gemeinwichtigen Anlagen auch BGHZ 66, 37 (41); BGH JZ 1956, 346; BGH NJW-RR 1988, 1229 (1231). 816 So jedoch BGH JZ 1961, 498 (499) für eine Omnibuslinie; zustimmend Pleyer, JZ 1961, 499 (501). 817 BGHZ 144, 200 (206 f.); zu Recht kritisch Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 143 (Fn. 111). 818 Die Erwähnung im Gesetz alleine kann nicht genügen, vielmehr ist eine Privilegierung i. S. v. Vorrangentscheidung erforderlich, vgl. oben B.I.1.b)cc)(3)(c). – Aus diesen Gründen können auch nicht die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit i. S. d. §§ 52 ff. AO hier als Kriterium herangezogen werden, da sie nur ausdrücken, unter welchen Bedingungen der Staat auf eine Steuererhebung verzichtet; eine Abwägung mit Individualinteressen steht dem nicht gleich. 814

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verweisen.819 Gerade hierzu würde jedoch eine generelle Duldungspflicht führen, da sie Abwehrrechte ohne Rücksicht darauf versagt, ob die zugunsten des Anlagenbetriebs sprechenden Belange auch im konkreten Fall bedeutender sind als das Nutzungsinteresse des Eigentümers. Eine verfassungskonforme Regelung müsste deshalb dem Eigentümer stets den Einwand eröffnen, die Einwirkungen seien selbst in Anbetracht des (abstrakt hochwertigen) gemeindienlichen Zwecks unzumutbar. Dies hat nicht etwa zur Konsequenz, dass eine umfassende Zweckmäßigkeitskontrolle politischer Entscheidungen im Vorfeld des Vorhabens stattfinden müsste.820 Im Fall des Frankfurter Drogenhilfezentrums mit dem bezeichnenden Namen „Cafe Fix“ hätte daher keine umfassende Überprüfung des Drogenbekämpfungskonzepts zu erfolgen.821 Erforderlich ist aber eine Auseinandersetzung damit, ob die Beeinträchtigungen erforderlich und verhältnismäßig sind.822 Dies schließt eine Prüfung ein, ob es Alternativen zur Verwirklichung des Vorhabens gerade an diesem Ort gibt823 und ob die Auswirkungen das – auch in Ansehung des öffentlichen Zwecks – noch erträgliche Maß für den betroffenen Eigentümer überstiegen. Kann dies nicht bejaht werden und ist auch eine Reduzierung auf das dem Nachbarn noch zumutbare Maß praktisch nicht möglich,824 muss der Betrieb vollständig unterbleiben. Damit ist – auch bei Berücksichtigung des gesetzgeberischen Wertungs- und Typisierungsspielraums – kaum eine Fallgruppe denkbar, in der eine generelle Duldungspflicht in verfassungskonformer Weise unmittelbar kraft Gesetzes eintreten kann. Um den dargestellten Anforderungen zu genügen, muss dem Ausschluss von negatorischen Ansprüchen vielmehr ein Genehmigungsverfahren o. ä. vorgeschaltet sein, weil nur so der Bürger in die Lage versetzt wird, Einwendungen vortragen zu können und eine Überprüfung des Gewichts der kollidierenden Belange des Einzelfalles zu erreichen.825 Der – für das Enteignungsrecht anerkannte – Satz, dass sich ausreichender Eigentumsschutz nur durch Verfahren ver819

Vgl. BVerfGE 100, 226 (244 f.). Eine solche besteht auch bei Enteignungen wegen der politischen Entscheidungsfreiheit nicht. 821 Vgl. BGHZ 144, 200 (206 f.). 822 Pleyer, JZ 1961, 499 (501). – Das BVerfG hat das Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag zum Flughafen Salzburgs i. Ü. hierauf überprüft, BVerfGE 72, 66 (80 f.). 823 Verlangt von H. Roth, Anm. LM BGB § 1004 Nr. 246; in der von ihm angeführten Entscheidung BGH NJW 1997, 744 (745) ist dieser Gedanke jedoch nur ansatzweise vorhanden. 824 Vgl. H. Roth, Anm. LM BGB § 1004 Nr. 246; BGHZ 144, 200 (208) zu den erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten beim Vollzug des Gebots, das Betreten und Verunreinigen des Nachbargrundstücks durch Benutzer zu verhindern. Im Ergebnis wurde somit nur ein Anspruch auf Ergreifen angemessener Reduzierungsmaßnahmen (eine Reduzierung auf das dem Betreiber zumutbare Maß) zuerkannt. 825 Papier, NJW 1974, 1797 (1801); so zu verstehen wohl auch BGHZ 110, 17 (23). Vgl. ferner im Bezug auf Beeinträchtigungen durch umgehenden Bergbau BVerwGE 81, 329 (341); Beckmann, DVBl. 1989, 669 (672); ausführlich unten B.III.1.c)cc). 820

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wirklichen lässt, gilt somit auch hier, da auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen in die primäre Substanzgarantie eingreifen.826 Die Überlegung, dass ein genereller Ausschluss des Abwehranspruchs selbst dann nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn „an sich beachtliche“ öffentliche Belange vorhanden sind, ist auch der Grund, weshalb die beiden (inzwischen durch das 2. RBerG zum 1.1.1987 formell aufgehobenen) Gesetze „zur Beschränkung der Nachbarrechte gegenüber Betrieben, die für die Volksertüchtigung (bzw.: die Volksgesundheit) von besonderer Bedeutung sind“ aus den Jahren 1933 und 1935827 weithin828 für verfassungswidrig gehalten wurden. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz lag nicht nur im Ausschluss des Rechtswegs wegen der Entschädigung (§ 1 Abs. 1 S. 4, § 2 Abs. 3 S. 3 NRBeschrG),829 sondern auch darin, dass die ministerielle Entscheidung abschließend war und nicht daraufhin überprüft werden konnte, ob die kollidierenden Interessen vernünftig abgewogen wurden, wie es nun Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 GG fordern.830 Wenn hiernach selbst die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens als solches nicht genügt, wenn in ihm zwar Eigentümerinteressen vorgebracht werden können, aber die Abwägung nicht rechtsstaatlichen Anforderungen genügt und nicht überprüfbar ist,831 muss erst recht eine generelle, die Abwehransprüche unmittelbar ausschließende gesetzliche Regelung, die die im Einzelfall vorliegenden Belange nicht beachten kann, an den Vorgaben der Verfassung scheitern.832 (5) Ergebnis Für einen Ausschluss der privatrechtlichen Abwehransprüche gegenüber „gemeinwichtigen Betrieben“ ist als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass (1.) ein bestimmt formuliertes Parlamentsgesetz vorliegt, in dem konkret benannten 826

Papier, NJW 1974, 1797 (1801). RGBl. I 1933, 1058 bzw. RGBl. I 1935, 1247; abgedruckt bei Staudinger/Seufert (11. Auflage), § 906 Rdnr. 1b; Gesetzesbegründung in DJ 1933, 862 f.; zum NRBeschrG eingehend Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip, S. 247 f. 828 Von der Gültigkeit gingen dagegen offenbar aus BGH LM BGB § 906 Nr. 25; JZ 1969, 635 (635); OLG Nürnberg NJW-RR 1988, 979 (979). 829 Vgl. insoweit F. Schack, BB 1965, 341 (344, in Fn. 61); Staudinger/Seufert (11. Auflage), § 906 Rdnr. 1b. 830 Vgl. BT-Drs. 10/5532, S. 30; Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 149; Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip, S. 248. 831 Dies folgte daraus, dass damals ein allgemeiner Verwaltungsrechtsschutz nicht gegeben war; siehe auch die Gesetzesbegründung in DJ 1933, 862 (863). 832 Dagegen hielten die Würdigung der Eigentümerinteressen für ausreichend Pleyer, JZ 1961, 499 (501) und Staudinger/Seufert (11. Auflage), § 906 Rdnr. 1b, der keinen Unterschied zu § 26 GewO erkennt. Die Gesetzesbegründung in DJ 1933, 862 (862) geht aber selbst davon aus, dass das Gesetz durch den Ausschluss auch des Anspruchs auf Minderung der Belästigung über die Rechtsfolgen des § 26 GewO „noch wesentlich hinaus“ geht. 827

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Anlagen eine vorrangige Bedeutung gegenüber Privatinteressen eingeräumt wird, und (2.) die Entscheidung aufgrund einer auf den Einzelfall bezogenen Interessengewichtung und -abwägung nach verfahrensmäßiger Beteiligung der betroffenen Eigentümer erfolgt. Die materiellen Anforderungen der Verfassung stünden damit selbst einer gesetzlichen Regelung entgegen, die die gegenwärtige Rechtsprechung zu „Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Betrieben“ pauschal kodifiziert. Im gegenwärtigen Zeitpunkt verstößt die Judikatur des BGH zudem gegen die Eigentumsgarantie und die Wesentlichkeitstheorie, weil sie die öffentlichen Belange besonders gewichtet, ohne dass eine gesetzgeberische Entscheidung hierfür ausreichenden Anklang im BGB findet.

II. Rechte zur partiellen Mitbenutzung benachbarter Grundstücke Der Eigentümer eines Grundstücks hat nach dem BGB nicht nur Immissionen – sie waren bisher Gegenstand der Untersuchung – zu dulden, sondern auch andere Formen der tatsächlichen Inanspruchnahme. Diese Fälle, in denen es zu nachhaltigeren Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit für den Eigentümer kommen kann, sind nur näher zu beleuchten. 1. Notwegerecht (§ 917 BGB) Das in § 917 BGB geregelte Notwegerecht soll gewährleisten, dass eine ökonomisch sinnvolle Nutzung eines Grundstücks nicht an dessen mangelnder Verbindung zu einem öffentlichen Weg scheitert.833 Über die Benutzung zum Befahren und Begehen hinaus wird die Norm (soweit spezielle Regeln im Landesnachbarrecht fehlen) auch auf das Durchführen von Ver- und Entsorgungsleitungen angewendet.834 a) Anforderungen an Auslegung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale Nach § 917 i.V. m. §§ 912 ff. BGB erhält der Eigentümer des „dienenden“ Grundstücks als Ausgleich für die auferlegte Pflicht, das Befahren etc. durch den Nachbarn zu dulden, die sog. Notwegrente. Wegen des Vorrangs der Substanzgarantie muss die vorrangige Frage jedoch lauten, ob eine Pflicht zur Duldung des Befahrens überhaupt bestehen darf (abstrakt-generelle Ebene des Gesetzes) und 833 Schulte, JZ 1984, 297 (298); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 64. – Zu strukturellen Überlegungen zu § 917 BGB als Kollisionsregelung vgl. bereits oben Teil 2 C.I.2.a). 834 Vgl. BGHZ 31, 159 (161); 79, 307 (308 f.); 177, 165 (167 f.); BGH NJW 1964, 1321 (1321); OLG Köln Urt. v. 15.11.2002, Az. 19 U 75/02, sub 3. b) bb) (insoweit in NJW-RR 2003, 376 nicht abgedruckt); Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 4 m.w. N.; Jauernig/Jauernig, § 917 Rdnr. 3; Gieseke, FS Hedemann, S. 115.

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auch im Einzelfall besteht (Ebene der konkreten Rechtsanwendung). Ist das Begehren des Nachbarn nach Eröffnung eines Zugangs nicht schutzwürdig, fehlt es auch dem Staat an einem rechtfertigenden Grund dafür, dem anderen Eigentümer eine Einschränkung aufzuerlegen. Der Gedanke, dass nur Fälle wirklicher Wegenot den Nachbarn zur Duldung verpflichten, ist besonders deutlich in § 918 BGB ausgedrückt.835 Die Norm ist ein Beispiel für eine fallgruppenspezifische Interessenabwägung unmittelbar im Gesetz,836 da bei einer „verschuldeten“ 837 Wegenot die Duldungspflicht ausgeschlossen wird (Abs. 1) und für die Fälle einer vorangegangenen Grundstücksteilung als Notwegepflichtiger strikt der Eigentümer der anderen Teilfläche festlegt wird (Abs. 2), da er der Notlage näher steht als andere Nachbarn. Nähere Kriterien, wie die beteiligten Belange zum Ausgleich zu bringen sind, enthält auch § 917 BGB selbst. Aus der Voraussetzung, dass die Überfahrt notwendig sein muss, um eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung zu ermöglichen, folgt zum einen, auf welche Bedürfnisse und Nutzungswünsche abzustellen ist, und zum anderen, dass eine Notwegeduldungspflicht nur in Betracht kommt, wenn dies hierzu erforderlich ist. Der Eigentümer des wegelosen Grundstücks wird somit nicht zu einer völlig unrentablen Nutzung,838 zum Verzicht auf die Erreichbarkeit mit gängigen Verkehrsmitteln839 oder zur Inkaufnahme großer Umwege gezwungen.840 Umgekehrt wird der Nachbar nicht bereits duldungspflichtig, wenn ein Wegerecht der Zweckmäßigkeit oder Bequemlichkeit des anderen entspricht,841 wenn es die Nutzung kostengünstiger macht,842 wenn eine 835

Zu dieser Regelung Wieling, Sachenrecht, § 23 II 3 c. Vgl. oben Teil 2 C.I.4.b)cc). 837 Zu den Voraussetzungen vgl. BGH NJW 2006, 3426 (3427 f.); OLG Brandenburg DtZ 1996, 389 (390). 838 Vgl. BGHZ 75, 315 (317). 839 Vgl. BGH NZM 2009, 253 (254): bei Wohngrundstück Möglichkeit sowohl der Belieferung mit Heizöl als auch Erreichbarkeit mit eigenem Kraftfahrzeug. 840 Bei großen Grundstücken kann der Eigentümer daher u. U. die Eröffnung eines „zusätzlichen“ Weges verlangen, wenn die Bewirtschaftung über eine vorhandene Verbindung als unzureichend anzusehen ist, vgl. RGZ 79, 116 (120 f.); BGH NJW 1954, 1321; LM BGB § 917 Nr. 12/13; NJW 2006, 3426 (3427); NZM 2009, 253 (254); OLG Brandenburg DtZ 1996, 389 (390); Soergel/J. F. Baur, § 917 Rdnr. 3. 841 BGHZ 75, 315 (319); BGH NJW 1964, 1321 (1322); NJW 2006, 3426 (3427); OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1385; OLG Brandenburg DtZ 1996, 389 (390); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042 (1043); OLG Nürnberg RdL 1971, 177 (177); OLG Köln Urt. v. 15.11.2002, Az. 19 U 75/02, sub 3. b) bb); OLG Saarbrücken OLGR 2004, 391 (juris-Abs. 22, 26); Soergel/J. F. Baur, § 917 Rdnr. 3. – Ebenso BayVGH BayVBl. 2001, 115 (115 f.) zum Kanalleitungsrecht des Entwässerungsbetriebs aufgrund von Art. 24 Abs. 2 S. 3 GO und kommunaler Satzung. 842 Vgl. BGH NJW 2006, 3426 (3427) dazu, welche Kosten gegenüberzustellen sind. Den Ausführungen ist nur hinzuzufügen, dass die Nachteile für den Nachbarn bei dieser Abwägung auch deshalb keine Rolle spielen können, da sie für die Höhe der Notwegrente maßgeblich sind und so bereits als „ökonomischer Faktor“ wirken. 836

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wirtschaftlich vorteilhaftere Nutzung durch Vermietung von Teileinheiten eröffnet werden soll843 oder wenn damit persönlichen Bedürfnissen entsprochen oder eine provisorische Nutzung ermöglicht werden soll.844 Die genannten Tatbestandsmerkmale sind dabei in gewissem Umfang auch normativ zu verstehen. Das Notwege- oder Leitungsduldungsrecht setzt daher z. B. voraus, dass das zu versorgende Gebäude baurechtlich zulässig ist, da andernfalls die Notwendigkeit zu einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung fehlt.845 Denkbare Alternative zu dieser vom Gesetz vorgegebene Prüfungsreihenfolge und Bewertung wäre – wie teilweise gefordert846 – eine „offene“ Abwägung aller involvierten Interessen, bei der insbesondere auch die für den Betroffenen entstehenden Kosten und Nachteile sowie dessen individuelle Nutzungswünsche zu berücksichtigen wären. Die Unbeachtlichkeit solcher Überlegungen und Interessen mag auf dem ersten Blick unbillig scheinen, zumal sich beide Seiten auf die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes berufen können. Die Eigentumsgewährleistung wirkt jedoch auf der einen Seite als Eingriffsverbot, das der Staat strikt zu beachten hat, und auf der anderen als Schutz-/Leistungspflicht, so dass der Staat nur zur Gewährung des Mindeststandards verpflichtet ist.847 Den Letztgenannten bildet die Ermöglichung der – objektiv zu bestimmenden848 – „ordnungsgemäßen Benutzung“ i. S. d. § 917 BGB. Nutzungswünschen, die hierüber hinausgehen, 843 BGH NJW-RR 2006, 1160 (1161); RGZ 79, 116 (119 f.), die zutreffend mit der Ähnlichkeit zu dem in § 918 BGB geregelten Fall argumentieren (vgl. aber bei Fn. 840). 844 BGH NVwZ 2004, 377 (379); NZM 2009, 253 (253); BGH LM BGB § 917 Nr. 14. 845 BGH NJW 2006, 3426 (3426); NZM 2008, 1150 (1153 [insoweit in BGHZ 177, 165 nicht abgedruckt]); vgl. ferner BGH NJW 1991, 176 (177); allgemein Staudinger/ H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 20. – Dies deckt sich mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, nach der ein drohendes Notleitungsrecht des Nachbarn zur Anfechtung einer diesem erteilten Baugenehmigung berechtigt (BayVGH NuR 2000, 642; Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 25 m.w. N.; vgl. ferner BVerwGE 50, 282 (289 f.); BVerwG NuR 2004, 205). 846 Ausdrücklich von MünchKomm/Säcker, § 917 Rdnr. 14 (zur Benutzung durch PKW); der Formulierung nach auch OLG Nürnberg RdL 1971, 177 (178); praktiziert ferner von OLG Karlsruhe RdL 1972, 68 (70), das der Geringfügigkeit der Beeinträchtigung besondere Bedeutung zumisst. Wie hier jedoch BGH NJW 1964, 1321 (1322, 1323); NJW 2006, 3426 (3427); Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 19; OLG Saarbrücken OLGR 2004, 391 (juris-Abs. 27); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042 (1042, 1043); OLG Schleswig MDR 2003, 25 (26). 847 Vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042 (1043) sowie die Ausführungen im vorigen Absatz. 848 BGH NJW 1964, 1321 (1322); BGH LM BGB § 917 Nr. 12/13; RGZ 79, 116 (117, 120), das „Größe, Lage, Kulturart und Umgebung“ als Kriterien nennt; OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042 (1042); Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 18; zur Kasuistik Rdnrn. 27 ff.; Soergel/J. F. Baur, § 917 Rdnr. 5. – Wie OLG Düsseldorf OLGZ 1992, 208 (213) und Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnrn. 1, 20 ausführen, gehört hierzu dagegen nicht die Nutzung des Grundstücks für eine öffentliche Einrichtung.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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braucht nicht zur Realisierung verholfen zu werden; vielmehr muss der Gesetzgeber das aus Art. 14 Abs. 1 GG folgende Unterlassungsgebot beachten, da der Eigentümer eines duldungspflichtigen Grundstücks in erheblichem Umfang an der selbstbestimmten Nutzung seines Eigentums gehindert wird und für ihn ein schwerer Eingriff vorliegt.849 Eine Angleichung der Maßstäbe für die Befolgung des Unterlassungsgebot (Abwehrrecht) und des Handlungsgebots (Schutzpflicht) ist in den Fällen des § 917 BGB nicht geboten: Der Eigentümer einer abgeschnittenen Fläche muss grundsätzlich mit der Situation seines Gegenstandes zurechtkommen und darf nicht auf Hilfe von Seiten des Staates warten, die auf Kosten anderer Privater erfolgen müsste. Er selbst muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Verbindung zu öffentlichen Wegen herzustellen850 oder erforderlichenfalls auf andere, wirtschaftlich noch tragbare Nutzungen ausweichen. Ein weitergehendes Notwegerecht ist somit jedenfalls nicht verfassungsrechtlich geboten; es spricht sogar viel dafür, dass ein wesentlich weitreichenderes Notwegrecht mit der Eigentumsgarantie nicht in Einklang zu bringen wäre. Der Gesetzgeber hat damit den Gestaltungsspielraum für eine klare und zulässige Interessenvorgewichtung mit einem Regel-Ausnahme-Mechanismus851 genutzt. Aus diesen Gründen verbietet sich sowohl eine Umgehung oder Verwischung der gesetzlichen Prüfungsreihenfolge852 als auch ein Rückgriff auf das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis.853 b) Umfang des Entschädigungsanspruchs Das Interesse, das eigene Grundstück beliebig nutzen und die Überfahrt durch den Nachbarn verbieten zu können, wird bei Bestehen eines Notwegerechts – entsprechend dem Prinzip der Praktischen Konkordanz und der Aufopferung – in § 917 Abs. 2 i.V. m. §§ 912 ff. BGB finanziell kompensiert. Da die Geldrente die wirtschaftlichen Nachteile auffangen soll, ist sie danach zu bemessen, wie das notwegepflichtige Grundstück an Wert verliert.854 Hierbei ist nicht stets starr am 849 Dies betonen auch BGHZ 75, 315 (319); OLG Koblenz BauR 2003, 1881 (1882) (zu § 26 LandesnachbarG Rh-Pf); OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1385; OLG Brandenburg DtZ 1996, 389 (390); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042 (1042). 850 BGH LM BGB § 917 Nr. 12/13; Soergel/J. F. Baur, § 917 Rdnr. 4. 851 OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042 (1043). 852 BGH NJW 1964, 1321 (1322, 1323). 853 BGH NJW-RR 2006, 1160 (1161); NJW 1990, 2555 (2556); NJW 1964, 1321 (1322); vgl. aber BGH NJW 2003, 1392 (1392 f.). 854 Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1011, 1015); BGHZ 113, 32 (36). – Wegen dieser Bemessung hat die Kosten von Veränderungen des Notwegs nicht der Duldungspflichtige zu tragen. Eine analoge Anwendung des § 1023 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB scheidet aus, weil die Entstehung des Notwegs – anders als bei den rechtgeschäftlich eingeräumten Dienstbarkeiten – nicht vom Willen des Eigentümers abhängt und dieser sich daher nicht ein Entgelt ausbedingen kann, das auch diese Nachteile ausgleicht (zutreffend BGHZ 79, 307 (310)).

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formellen Grundstücksbegriff der GBO855 festzuhalten, sondern auch der Mehrwert zu beachten, der sich aus der Eigentum an mehreren einzelnen, aber räumlich zusammenhängenden Grundstücksparzellen ergibt. Ein „Abschlag“ von der vollen Entschädigung aus Gründen der Sozialbindung kommt umgekehrt nicht in Betracht:856 Die Notwegduldungspflicht ist eine staatliche Hilfsmaßnahme zugunsten eines anderen Privaten, der die zuvörderst diesem selbst obliegende Aufgabe, für eine Wegeverbindung zu sorgen, nicht erfüllen kann. Ein öffentliches Interesse, ihm die Zuwegung zu verschaffen, ist nicht in nennenswertem Umfang gegeben. c) Verfahrensmäßige Absicherung des Entschädigungsanspruchs Beachtenswert ist schließlich die Ausgestaltung des Tatbestands für die Duldungspflicht und des Notwegrentenanspruchs. Beide entstehen nicht bereits mit dem Vorliegen der „objektiven“ gesetzlichen Bedingungen des Notwegerechts, sondern setzen zudem das Verlangen des Nachbarn voraus.857 Diese Regelung gibt zum einen dem (latent) Notwegeberechtigten die Wahlmöglichkeit, von § 917 BGB Gebrauch zu machen und die Geldzahlungspflicht um des Vorteils willen in Kauf zu nehmen, oder hiervon abzusehen.858 Zum anderen wird dadurch, dass eine eigenmächtige Benutzung unzulässig ist, dem Eigentümer de facto ein „Zurückbehaltungsrecht“ eingeräumt, das funktionell mit § 273 BGB vergleichbar ist859 und den Verpflichteten über § 917 Abs. 2, § 914 Abs. 3 BGB hinaus sichert. Durch diesen Mechanismus ist weitgehend sichergestellt, dass dem Eigentümer nur dann ein Opfer im Interesse des Nachbarn auferlegt wird, wenn er wirklich finanziell entschädigt wird; immerhin erfährt er notwendig davon, dass der andere sein Grundstück berechtigt mitbenutzt. Eine Duldungspflicht, die unabhängig von der Erklärung eines Verlangens durch den Nachbarn begründet wird, wäre auch in dessen Interesse nicht erforderlich.860 Das verfas855

Zu den Grundstücksbegriffen siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 13 Rdnr 2. Anders wohl Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1011). 857 BGHZ 94, 160 (162); BGH LM BGB § 917 Nr. 12/13; NJW-RR 2006, 1160 (1161); Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnrn. 2, 3; Jauernig/Jauernig, § 917 Rdnr. 4; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 64; Wieling, Sachenrecht, § 23 II 3 a. Dieses Verständnis liegt auch RGZ 87, 424 (425) zugrunde (wenn die „gesetzliche Eigentumsbeschränkung in die Tat umgesetzt wird“). Anders MünchKomm/Säcker, § 917 Rdnrn. 19, 23; LG Hannover MDR 1991, 870. 858 Zutreffend muss das Notwegerecht daher, wenn eine Mehrheit von Personen Eigentümer des abgeschnittenen Grundstücks ist, von allen Eigentümern gemeinsam geltend gemacht werden, da sonst eine finanzielle Belastung des einzelnen ohne dessen Zutun möglich wäre (vgl. BGH NJW 2006, 3426 (3426 f.)). Aus dem gleichen Grund ist ein Mieter oder Pächter nicht berechtigt, die Duldung zu verlangen; er ist auf Gewährleistungsansprüche gegnüber dem Vermieter/Verpächter verwiesen (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1160 (1161); ebenso bereits RGZ 79, 116 (120)). 859 BGH LM BGB § 917 Nr. 12/13. 860 BGHZ 94, 160 (163). 856

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sungsrechtliche Entschädigungsgebot, das auch eine angemessene einfachgesetzliche Implementierung verlangt, wird so auch im Hinblick auf die Normanwendung in der Lebenswirklichkeit optimal umgesetzt. Die gewählte Ausgestaltung, nach der das Benutzungsrecht allein aus dem Zusammenspiel von Gesetz und Privaterklärung entsteht, hat allerdings wiederum (Effizienz-)Vorteile gegenüber dem – ebenfalls denkbaren – Weg, die Entstehung des Notwegerechts generell von einem gerichtlichen Urteil abhängig zu machen.861 Bei einer einvernehmlichen Lösung der Parteien werden Zeit und Transaktionskosten gespart; Drittinteressen, denen die größere Klarheit gestaltender Urteile dienen könnte, sind nicht ersichtlich.862 2. Überbau (§ 912 BGB) a) Kollidierende einfachrechtliche Prinzipien und Lösung durch den Gesetzgeber Einen Ausschluss des negatorischen Abwehranspruchs des Grundstückseigentümers und eine Verweisung auf Ersatzansprüche ist auch in den §§ 912 ff. BGB für den „entschuldigten Überbau“ vorgesehen. Der in § 94 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Grundsatz der Bodenakzessorietät (das Eigentum an einem Gebäude ist an das Eigentum am Grundstück gebunden – superficies solo cedit)863 würde bei einem Überbau zu einer vertikalen Aufspaltung des Eigentums an der Gebäudesubstanz entlang der gemeinsamen Grenze führen. Dieses Ergebnis kollidiert mit dem Gedanken der Gebäudeeinheit des § 93 BGB, nach dem an einem Gebäude ein einheitliches Eigentum besteht.864 Während § 94 BGB die Herrschaftsmacht des Eigentümers über den gesamten Bereich über der ihm zugewiesene Fläche gewährleisten will, kommt § 93 BGB dem Überbauenden entgegen, da er das gesamte Gebäude – unabhängig von dessen exakter Lage – ihm als Eigentümer des sog. Stammgrundstücks zuweist. Mit den §§ 912 ff. BGB will der Gesetzgeber verhindern, dass vorhandene Bauwerke (zumindest teilweise) abgebrochen werden müssen: Geschaffene Werte 861 § 917 Abs. 1 S. 2 BGB soll nur bei Streitigkeiten die Konkretisierung der Pflicht ermöglichen, BGHZ 79, 307 (309), BGH NJW 1991, 176 (178); Säcker/Paschke, NJW 1981, 1009 (1011, 1013); Wieling, Sachenrecht, § 23 II 3 a. – Vgl. ferner zur Frage, ob die Entscheidung nach § 917 Abs.1 S. 2 BGB konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat, RGZ 87, 424 (425); Staudinger/H. Roth (2009), § 917 Rdnr. 2. 862 Anders bei den typischen Fällen, in denen das Gesetz eine Gestaltungsklage vorsieht, etwa den gesellschaftsrechtlichen Entziehungs- und Ausschließungsklage oder den familienrechtlichen Statusklagen. 863 Vgl. allgemein Knütel, FS Seiler, S. 554. 864 Dazu jeweils BGHZ 27, 204 (208); 64, 333 (335 f.); 102, 311 (313).

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sollen – sowohl im privaten Interesse des individuell Betroffenen als auch aufgrund der volkswirtschaftlich motivierten Überlegung, Ressourcen nicht zu verschwenden – nicht unnütz vernichtet werden.865 Die gesetzliche Regelung muss allerdings auch die Position des Eigentümers der überbauten Fläche beachten, für den eine Duldungspflicht den Ausschluss des Nutzungsrechts – somit einen Eigentumseingriff – bedeutet.866 In dieser Situation gewichtet der Gesetzgeber die beiden konträren Belange – ähnlich wie beim gutgläubigen Erwerb867 – primär nach subjektiven Momenten (Verschulden) auf Seiten des Überbauenden:868 Beim „unentschuldigten“ Überbau869 verbleibt es mangels besonderer Regelung bei der realen Teilung des Gebäudeeigentums auf der Grenzlinie nach § 94 Abs. 1 BGB, so dass dem Eigentümer des vom Überbau betroffenen Grundstücks eine Beseitigung des herüberragenden Gebäudeteils eröffnet ist.870 Sein Interesse genießt in diesem Fall den Vorrang, da das Erhaltungsinteresse des Überbauenden wegen seines pflichtwidrigen Vorgehens nicht schutzwürdig ist; das volkswirtschaftliche Interesse und der Aspekt der natürlich-wirtschaftlichen Einheit allein können eine Duldungspflicht des Eigentümers nicht rechtfertigen.871 Handelte der Überbauende dage865 Zu diesem Zweck der Überbauvorschriften und des § 93 BGB siehe nur Mot. III, 283; BGHZ 39, 5 (10, 11); 59, 191 (196); 64, 273 (276); 97, 292 (294); 102, 311 (314, 315); 157, 301 (304); 175, 253 (258 f.) BGH NJW 1971, 426 (428); NJW 1985, 789 (790 f.); NJW 2002, 54 (54); NZM 2008, 939 (939); BGH LM BGB § 912 Nr. 9; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 665 (666); Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 1; MünchKomm/Säcker, § 912 Rdnr. 1; v. Thur, JhJb. 46 (1904), 38 (41 f.; auch zum römischen Recht); vgl. ferner Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 51 m.w. N. auch zu dem Aspekt, dass so „Erpressungsversuchen“ entgegengewirkt werden kann. – Diese Funktion des § 912 BGB hat Konsequenzen für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Gebäude“ (vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnrn. 6, 10; MünchKomm/Säcker, § 912 Rdnrn. 4, 6; Horst, NJW 2010, 122 (122 f.); BGH NZM 2008, 939 (939 f.); OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 665 (666)) und „sofort“ (unten bei Fn. 875). 866 Vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 3; MünchKomm/Säcker, § 912 Rdnr. 2. 867 Vgl. BGHZ 157, 301 (304): „gutgläubiger Überbau“. – Zum Gutglaubensschutz unten E.I. 868 Wieling, Sachenrecht, § 23 II 2 pr., nach Mot. III, 283 f.; vgl. ferner BGH NJW 1971, 426 (427): In § 912 BGB werde durch diese beiden Kriterien „maßgeblich auf den Willen der beiden Nachbarn abgehoben“. 869 Er liegt vor, wenn der Überbauende grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat oder wenn ein Widerspruch des Nachbarn erfolgt ist. 870 Für die h. M. (z. B. Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 74; BGH NJW 2010, 1069 (1070)) besteht ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB. Für die Rechtsusurpationstheorie besteht ein Beseitigungsrecht des Eigentümers; der Überbauende haftet für die Kosten nach Maßgabe des § 823 Abs. 1 BGB, vgl. Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 41 ff. 871 Vgl. BGHZ 27, 204 (207 f.); 64, 333 (337); 102, 311 (313); 140, 285 (291 ff.); 155, 27 (37); BGH NJW 1982, 756 (756); NJW 1985, 789 (791); Palandt/Bassenge, § 912 Rdnr. 16; Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 76; Wieling, Sachenrecht, § 23 II 2 b; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 61. Zu einer Ausnahme (die wiederum

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gen weder vorsätzlich noch grob fahrlässig und ist auch kein rechtzeitiger Widerspruch erfolgt („entschuldigter“ Überbau), ordnen die §§ 912 ff. BGB eine Duldungspflicht des beeinträchtigten Eigentümers an und weisen das Eigentum an dem Gebäude insgesamt dem Überbauenden zu (§ 93 BGB). Ansprüche auf Beseitigung bestehen dann nicht.872 b) Verfassungsrechtliche Bewertung Dem Interesse am Erhalt des bereits – jedenfalls teilweise – geschaffenen Bauwerks steht die Schutzpflicht aus der Eigentumsgarantie gegenüber. § 912 BGB lässt zwar, indem er nur den erfolgten (abgeschlossenen) Überbau betrifft, die Rechtswidrigkeit eines bevorstehenden oder stattfindenden Überbaus unberührt und schließt somit Abwehransprüche gegen einen stattfindenden Überbauvorgang nicht aus.873 Gleichwohl schränkt die Bestimmung den unmittelbar von Art. 14 GG geschützten Abwehranspruch ein, der nicht nur die Befugnis enthält, künftige Verletzungen verhindern zu können, sondern auch, gegenwärtige Störungen beenden und so die rechtliche vorgesehene Befugnis- und Nutzungsverteilung wiederherstellen zu können.874 Daher muss dem Eigentümer – damit eine insgesamt ausgewogene Regelung gegeben ist – eine einfache Möglichkeit eröffnet sein, sich den Anspruch auf Beseitigung eines Überbaus auch einem Redlichen gegenüber zu erhalten. Diesem Gebot trägt das Gesetz mit der Möglichkeit Rechnung, durch Erklärung eines formlosen Widerspruchs den Ausschluss des Abwehranspruchs auf einfache Weise zu verhindern. Da das (Individual- und Allgemein-)Interesse an der Werterhaltung des Gebäudes mit Fortschreiten des Werkes an Gewicht zunimmt und das Interesse des Eigentümers irgendwann als Fall der „Normativierung“ sachenrechtlicher Bestimmungen verstanden werden kann) siehe ferner BGH NZM 2008, 939 (940): Ist das Bauteil bauordnungswidrig ausgeführt, könnte der geschaffene Zustand ohnehin nicht aufrechterhalten werden. Mangels Schutzwürdigkeit des Eigentümers ist daher eine Duldungspflicht aus § 912 BGB nicht gegeben. 872 Allg. M.; siehe nur BGHZ 27, 197 (199 f.); 27, 204 (205 f.); 110, 298 (300); 175, 253 (258); BGH NJW 1982, 756 (756 f.); NJW-RR 1989, 1039 (1040); BGH LM BGB § 912 Nr. 9; Wieling, Sachenrecht, § 23 II 2 c bb; Palandt/Bassenge, § 912 Rdnr. 12. Streitig ist nur, ob dies aus § 93, § 94 Abs. 2 BGB (Palandt/Bassenge, § 912 Rdnr. 12; Soergel/Baur, § 912 Rdnr. 23) oder § 95 Abs. 1 S. 2 BGB (Staudinger/Roth (2002), § 912 Rdnr. 42; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 13; BGHZ 157, 301 (304)) folgt; der BGH begründet in den anderen genannten Entscheidungen sein Ergebnis jeweils mit dem Zusammenspiel beider. 873 Besonders deutlich BGH LM BGB § 912 Nr. 4, differenzierend zwischen der Tätigkeit des Überbauens und dem Zustand als Ergebnis (Hervorhebungen im Original). Vgl. ferner BGHZ 64, 273 (274, 276); BGH NJW 1971, 426 (427); Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 5; Palandt/Bassenge, § 912 Rdnr. 1; P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 67; auch MünchKomm/Säcker, § 912 Rdnr. 12. 874 Vgl. oben Teil 3 A.II.2.a). Der Bereich des Schadensersatzes, in dem abweichende Grundsätze gelten, ist erst erreicht, wenn der Ausgleich für eingetretene Nachteile begehrt wird.

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übersteigt, muss der Widerspruch allerdings rechtzeitig („sofort“) erfolgen; für die Konkretisierung dieses Begriffs ist folglich ausschließlich darauf abzustellen, ob der bis dahin bestehende Überbau ohne erhebliche Zerstörung des Bauwerks rückgängig gemacht werden kann.875 Soweit den Individualinteressen des Überbauenden und den Allgemeininteressen hiernach das höhere Gewicht zukommt, darf der Grundstückseigentümer entsprechend dem Aufopferungsgedanken876 auf eine Geldentschädigung nach § 912 Abs. 2, §§ 913 f. BGB verwiesen werden. Die Vorschriften privilegieren den Eigentümer insofern gegenüber den allgemeinen Bestimmungen, als er auch bei schuldlosem Handeln des Überbauenden eine Geldzahlung erhält; den Überbauenden stellt sie ebenfalls günstiger, da er (abweichend von § 823 Abs. 1 BGB) bei leichter Fahrlässigkeit nicht Schadensersatz schuldet.877 Dies lässt sich wiederum damit rechtfertigen, dass bei Bauarbeiten der tatsächliche Grenzverlauf relativ leicht übersehen wird. Alternativ zur Überbaurente kann der Eigentümer auch den Abkauf der betroffenen Teilfläche fordern (§ 915 BGB) und so eine endgültige Bereinigung der Eigentumsverhältnisse herbeiführen. Unternimmt er dies nicht, führt das Regelungssystem aus den §§ 912 ff. BGB und den §§ 93 f. BGB dazu, dass die Eigentumsverwirklichungsansprüche hinsichtlich einer Teilfläche des Grundstücks nicht bestehen. Damit beeinflussen subjektive Gesichtspunkte – nämlich dem Vorhandensein von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beim Überbau –, ob an dem Gebäude ein einheitliches Eigentum besteht und wem dieses zugeordnet ist; dies berührt das Publizitätsprinzip. Eine gewisse Durchbrechung des Publizitätsprinzips ist jedoch bereits in § 95 BGB angelegt.878 Zudem ist die Verkehrsanschauung bei der Zuordnung von Gebäuden/Gebäudeteilen ohnehin nur bedingt 875 Siehe nur BGHZ 59, 191 (196 f.); 97, 292 (294); BGH NJW-RR 1989, 1039 (1040); bereits RGZ 109, 107 (108 f.) unter Hinweis auf Mot. III, 284; OLG Köln NJW-RR 2003, 376 (377); Jauernig/Jauernig, § 912 Rdnr. 8; Palandt/Bassenge, § 912 Rdnr. 10; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 58; Wieling, Sachenrecht, § 23 II 2 c aa. Teils abweichend demgegenüber die (eher auf Verwirkung oder Verschweigung hindeutende) Erklärung bei v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (100): „Wer sich durch fremden Bau in seinem Recht verletzt fühlt, möge sprechen zur rechten Zeit, d.h. wenn der Bau begonnen wird“. – § 912 BGB führt überdies dazu, dass ein rechtmäßiger – d.h. mit Einwilligung des damaligen Eigentümers erfolgter – Überbau dauerhaft nicht beseitgt werden muss und so die Einwilligung „verdinglicht“ wird, vgl. BGHZ 157, 301 (308); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 63. 876 Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 1. 877 Nach ganz h. M. sind die §§ 912 ff. BGB eine abschließende Regelung der Ersatzansprüche im Verhältnis beider Eigentümer, siehe BGH LM BGB § 912 Nr. 4; BGHZ 57, 304 (308 f.); 68, 350 (355); 155, 170 (172); BGH NJW 2008, 3123 (3125). Gegenüber anderen Personen bleiben z. B. deliktische Ansprüche bestehen. 878 BGHZ 110, 298 (303); BGHZ 165, 184 (192); siehe aber auch Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 51, 3 c (S. 222): die Offenkundigkeit der Sachlage (werde) zu Unrecht unterstellt.

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aussagekräftig, weil das Grundstück im rechtlichen Sinn – das nach der Konzeption des BGB Grundlage der Eigentumszuordnung ist – keine in der Umwelt klar abgegrenzte Sache ist und daher von vornherein nur schwer Ansatzpunkt einer natürlichen Betrachtung sein kann.879 Diese (nur zusätzliche) Durchbrechung der genannten Grundkonzeption wiegt damit weniger schwer. c) Fälle entsprechender Anwendung der § 912 ff. BGB Die Bevorzugung des Gesichtspunkts der natürlich-wirtschaftlichen Einheit, wie sie in § 93 BGB zum Ausdruck kommt,880 ist auch über den eigentlichen Anwendungsbereich der §§ 912 ff. BGB hinaus sachgerecht und legitim. Sie lässt sich daher als allgemeiner Grundsatz881 auf ähnlich gestaltete Konstellationen, insbesondere den sog. Eigengrenzüberbau (einschl. der Teilung überbauter Grundstücke),882 die Gestattung zur Bebauung der gemeinsamen Grenze883 sowie die Beeinträchtigung von Dienstbarkeiten884 ausdehnen.885 Die vertikale Teilung des Eigentums stellt demgegenüber die Ausnahme dar, die nur gilt, wenn andere Gesichtspunkte gegeben sind, die einer vorwerfbaren Rechtsverletzung vergleichbar sind.886 Darüber hinaus erweist sich die Regelung in den §§ 912 ff. BGB als modellhaft für die Lösung eines ähnlichen Falls der Überschreitung eines vorgegebenen räumlichen Bereiches, nämlich die Verletzung von Grenzabstandsflächen. Die Analogie zu § 912 BGB887 ist gerechtfertigt, weil die Abstandsregelungen ebenso wie die umfassende Befugniszuordnung in § 903 BGB dem Interesse des

879 BGHZ 27, 197 (199) unter Bezugnahme auf Staudinger/Seufert (11. Auflage), § 921 Anm. 12; vgl. ferner BGH NJW-RR 2006, 662 (663 f.): nicht tatsächliche Abgrenzung, sondern Katasterpläne sind für den Grenzverlauf entscheidend. 880 Vgl. BGHZ 64, 333 (337); 102, 311 (315); BGH NJW 2002, 54 (54). 881 BGHZ 39, 5 (11); 97, 292 (294); Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 2. 882 BGH LM BGB § 912 Nr. 9; BGHZ 64, 333 (336 f.); 102, 311 (314); 105, 202 (204); 111, 298 (300); 175, 253 (259); BGH NJW 2002, 54 (54); seit RGZ 160, 166 (174 ff.); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 887. 883 BGH NJW 1971, 426 (426); abweichend zuvor RGZ 160, 166 (183 f.). 884 BGHZ 39, 5 (10 ff.); BGH NJW 2008, 3123 (3124). Siehe aber auch OLG Köln NJW-RR 1989, 1040 (1040 f.) zum Vorrang des Gebrauchsregelungsverfahrens nach § 43 Nr. 1 WEG in Wohnungseigentumsgemeinschaften. 885 Vgl. ferner den Fall BGH NJW 1985, 789 (790 f.): Überbau von Erbbaurecht aus. 886 Vgl. BGHZ 102, 311 (315). 887 Eine analoge Anwendung nehmen z. B. vor OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 665 (666); OLG Koblenz NJW-RR 1999, 1394; OLG Köln NJW-RR 2003, 376 (376); Staudinger/H. Roth (2009), § 912 Rdnr. 59; MünchKomm/Säcker, § 912 Rdnr. 54; bereits Prot. III, 378 hielt dies ausdrücklich für möglich. Gegen eine analoge Anwendung jedoch RGZ 87, 371 (373 f.), das die dort relevante landesrechtliche Vorschrift dahingehend auslegte, dass in Widerspruch zu ihr errichtete Gebäude unbedingt zu entfernen seien, und § 912 BGB bei besonderen Schutzrechten für unanwendbar hielt.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Grundstücksnachbarn (insbesondere an ausreichender Zufuhr von Licht und Luft) dienen. Diese Funktion kommt sowohl den zivil- als auch den öffentlich-rechtlichen Normen zu, die die Zulässigkeit der Errichtung von Bauwerken regeln. Des Weiteren besteht auch die Kollision von Werterhaltungs- und Integritätsinteresse in nahezu gleicher Weise. Vor diesem Hintergrund ist der Unterschied, ob die Grenzlinie für die zulässige Bebauung innerhalb des Grundstücks liegt oder sich mit der Grundstücksgrenze deckt, irrelevant.888 Daher ist geboten, dort die in § 912 BGB ausgedrückten gesetzgeberischen Wertungen (einschließlich der Ausschlusswirkung gegenüber anderen Beseitigungsansprüchen)889 in gleicher Weise zur Geltung kommen zu lassen. d) Ausschluss der Beseitigung wegen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass § 912 BGB die Gesichtspunkte „Vermeiden-Können“ und „wirtschaftliche Folgen eines Abbruchs“ zu einem Entscheidungsprogramm für den Rechtsanwender verarbeitet. Ein Grund, diese Aspekte in einer weiteren Abwägungsstufe nochmals zu berücksichtigen, besteht nicht.890 Insofern kann im sachlichen Anwendungsbereich des § 912 BGB für die Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB, bei dem ebenfalls der Schuldneraufwand (vgl. S. 1) und das Verschulden (vgl. S. 2) die zentralen Kriterien der Zumutbarkeitsabwägung sind, kein Bedarf erkannt werden. Das Gegenargument, § 912 BGB definiere die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs, während § 275 Abs. 2 BGB eine Bestimmung zu den Rechtsfolgen darstellt,891 verfängt nicht: Auch § 275 Abs. 2 BGB besitzt einen Tatbestand, ebenso wie § 912 BGB eine Rechtsfolge. Richtig ist, dass § 275 BGB eine allgemeine Norm dazu darstellt, unter welchen Bedingungen die Erfüllung eines Anspruchs verweigert werden kann. Auf diese allgemeine Bestimmung kann aber nicht zurückgegriffen werden, wenn sich aus der Norm, aus der der Anspruch als Rechtsfolge resultiert, ergibt, dass jene nicht anwendbar sein soll. Dies ist aber dann anzunehmen, wenn die Gesichtspunkte, die bei der allgemeinen Norm maßgeblich sind, in der anspruchsbegründenden Norm abschließend bewertet und in deren Tatbestand abgearbeitet sind. Andernfalls würde das dort durch den Gesetzgeber getroffene 888 Anders Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 177, da die Baulinienüberschreitung weniger evident sei als eine Grenzüberschreitung. Dies trifft jedoch nicht zu. 889 OLG Koblenz NJW-RR 1999, 1394, zu § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. den landesbauordnungsrechtlichen Normen. 890 Anders BGH NJW 2008, 3123 (3125). 891 BGH NJW 2008, 3123 (3125). – Unerheblich ist dabei, dass die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB nur den Beseitigungsanspruch hemmt, aber nicht die übrigen Folgen auslöst, die eine Duldungspflicht nach § 912 BGB nach sich ziehen würde, also insbes. Ersatzsansprüche unberührt lässt (so der BGH): Dieser Verweis auf Schadensersatzansprüche läuft auf ein unzulässiges „Dulde und Liquidiere“ hinaus.

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Wertungsgefüge auf einer nachgelagerten Ebene relativiert. Konsequenterweise kann daher § 275 Abs. 2 BGB dann nicht auf den Beseitigungsanspruch aus § 1004, § 912 BGB angewendet werden, wenn sich die Unzumutbarkeit ganz oder überwiegend aus den wirtschaftlichen Nachteilen für den Beseitigungspflichtigen oder dessen Vertreten-Müssen ergibt. 3. Grenzanlagen (§ 921 BGB) a) Regelungsinhalt und -ziel Rechte zur Mitbenutzung des Nachbargrundstücks i. w. S. sieht das BGB ferner in §§ 921 f. BGB für den Bereich der „Grenzanlagen“ vor. Grenzanlagen (bei denen es sich nicht um bauliche Anlagen handeln muss892) dürfen im Zweifelsfall von beiden Eigentümern entsprechend dem jeweiligen eigenen Bedarf benutzt werden (§ 921 S. 1, § 922 S. 1 BGB); die Benutzungsbefugnis wird ergänzt vom Verbot, die Anlagen eigenmächtig zu beseitigen oder zu verändern (§ 922 S. 3 BGB),893 und der Pflicht zur gemeinsamen Unterhaltung (§ 922 S. 4 i.V. m. §§ 741 ff. BGB). Über diese im Gesetz geregelten Duldungs- und Unterlassungsgebote hinaus können sich mittelbar weitere Pflichten ergeben. So hat der Nutzer einer „halbscheidigen Giebelmauer“, der sein Gebäude abbricht, durch entsprechende bautechnische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Mauer ihre Funktion für den anderen Nachbarn in jeder Hinsicht auch weiterhin erfüllt, indem er z. B. zusätzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der zuvor vorhandenen Dichtigkeit und Standsicherheit des nun einseitig blank liegenden Mauerwerks trifft.894 Das Mitbenutzungs- und -verwaltungsregime der §§ 921 f. BGB greift ein, wenn sich eine objektiv „nützliche“ Anlage auf zwei benachbarten Grundstücken befindet895 und – nicht notwendig in deren Mitte – von der Grenze durchschnitten wird.896 Mit der Vermutung eines derartigen Mitbenutzungsrechts reagiert der Gesetzgeber darauf, dass sich zwischen zwei Grundstücken oftmals Grenzeinrichtungen befinden, die objektiv beiden Grundstücken dienen und auch tatsächlich von beiden Eigentümern benutzt werden, sich jedoch infolge des Zeitablaufs nicht mehr aufklären lässt, wer (d.h. welcher der Nachbarn oder beide) sie 892

Rötelmann, RdL 1958, 211 (211); a. A. OLG Celle RdL 1958, 210 f. Dazu BGH NJW 1985, 1458 (1459). 894 Vgl. BGHZ 78, 397 (398 f.); BGH NJW 1989, 2541 (2541, 2542); NJW 2010, 1808 (1808); OLG Dresden NZM 2008, 299 (300). – BGH NJW 2008, 2032 (2033) bejaht ferner die Pflicht, eine Grenzanlage an den heute allgemein üblichen Standard anzupassen. 895 Statt aller BGHZ 68, 350 (352). 896 BGHZ 143, 1 (3 f.); BGH NJW-RR 2001, 1528 (1529); LG Aachen MDR 1998, 591 (592); Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnrn. 2, 6; a. A. OLG Celle RdL 1958, 210 (210). Maßgeblich hierfür ist der Zustand im Zeitpunkt der Beurteilung, vgl. BGHZ 143, 1 (4); Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 6. 893

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ursprünglich angelegt hat. Das Mitbenutzungsrecht und das Veränderungsverbot machen die Fragen nach dem genauen Grenzverlauf und dem Eigentum an der Grenzanlage897 irrelevant, so dass die andernfalls häufig zu erwartenden Streitigkeiten hierüber vermieden werden.898 Die gemeinsame Zuständigkeit für die Benutzung und die Unterhaltung der Einrichtung entspricht darüber hinaus einem volkswirtschaftlichen Interesse,899 weil die vorteilhafte Anlage die Nutzbarkeit der beiden beteiligten Grundstücke steigert. In Reaktion auf die geänderten Wohn- und Lebensbedürfnisse gewinnt als Vorteil, den eine Grenzanlage entfalten kann, zunehmend die Funktion als Lärmoder Sichtschutz an praktischer Bedeutung.900 Diese Entwicklung dürfte sogar noch verstärkt werden, nachdem der BGH (in Übereinstimmung mit der überwiegenden neueren Literatur) das Merkmal der „grenzscheidenden Wirkung“ ausdrücklich nicht mehr verlangt.901 Die Bestimmung besitzt daher auch gegenwärtig und künftig eine nicht unerhebliche praktische Bedeutung. b) Verfassungsrechtliche Aspekte der „Verdinglichung der Grenzanlagen“ Die Pflicht, eine bestehende Grenzanlage im Interesse des Nachbarn auf dem eigenem Grundstück zu dulden, dem Nachbarn die Mitbenutzung zu ermöglichen und zur Unterhaltung beizutragen, kann für den Eigentümer Nachteile bedeuten, wenn er selbst kein Interesse an der Grenzeinrichtung (mehr) hat. Insofern steht 897 Die h. M. nimmt eine lotrechte vertikale Teilung des Eigentums an, vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 17 m.w. N., § 922 Rdnr. 13; OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 656 (657); zum Meinungsstand BGHZ 91, 282 (287); RGZ 162, 209 (212). 898 Vgl. zum Ganzen Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnrn. 2, 16; BGHZ 112, 1 (3), 143, 1 (3 f.); 154, 139 (144 f.); BGH NJW 1985, 1458 (1459); LG Gießen NJWRR 1995, 77; RGZ 70, 200 (203); 162, 209 (212 f.); Rötelmann, RdL 1958, 211 (211). – Der im BGB vorgesehene Weg, eine Grunddienstbarkeit zu bestellen, wird regelmäßig nicht eingeschlagen, so dass Abmachungen in Vergessenheit geraten und jedenfalls gegenüber den Sonderrechtsnachfolgern keine Wirkung entfalten; vgl. BGH NJW-RR 2001, 1528 (1529); NJW-RR 2003, 1313 (1314); OLG Brandenburg DtZ 1996, 389 (390); Rötelmann, RdL 1958, 211 (211); Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 1. 899 Rötelmann, RdL 1958, 211 (211) nach Mot. III, 274. 900 So fast alle neueren veröffentlichten Entscheidungen BGHZ 143, 1 (5) (ThujaHecke; dort unstreitig zwischen den Parteien); LG Aachen MDR 1998, 591 (592); LG Gießen NJW-RR 1995, 77; LG Frankfurt/M. NJW-RR 1992, 88 (89); dies als möglichen Vorteil i. S. d. § 921 BGB anerkennend auch Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 8. – Problematisch ist dagegen, die Sauerstoffproduktion und Luftverbesserung als Vorteile anzusehen (so aber LG Frankfurt/M.)., da dies nicht speziell den unmittelbaren Nachbarn, sondern jedermann zugute kommt. 901 BGHZ 154, 139 ff.; vorher bereits (obiter dictum) BGH NJW 1985, 1458 (1459); Rötelmann, RdL 1958, 211 (211) m.w. N.; Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 8. Anders die frühere h. M., etwa RGZ 70, 200 (204 f.); Planck/Strecker, § 921 Anm. 3 a; Achilles/Greiff, § 921 Rdnr. 3; weitere Nachweise bei BGHZ 154, 139 (142).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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er nicht weniger ungünstig als derjenige, der einen Notweg oder einen Überbau dulden muss und nur mit einer Geldrente entschädigt wird. Belastend können sich die §§ 921 f. BGB für einen Grundstückseigentümer ferner auswirken, wenn er die Grenzanlage unterhalten oder „technisch verbessern“ muss. Die Gefahr, dass die genannten Pflichten – die nach dem Gesetzeswortlaut ausschließlich durch die objektive Situation der Grundstücke und der Anlage begründet werden902 – ohne jedes Zutun eines Nachbarn begründet werden, besteht jedoch nicht. Nach allgemeinem Verständnis muss nämlich zumindest zu einem früheren Zeitpunkt eine – jedenfalls konkludente – Zustimmung des betroffenen Eigentümers vorgelegen haben.903 Die bloße Benutzung einer Einrichtung durch den anderen Nachbarn macht diese damit ebenso wenig zur Grenzeinrichtung904 wie die eigenmächtige Errichtung einer Anlage auf oder an der Grundstücksgrenze durch den anderen Nachbarn. Insoweit liegt ein zurechenbarer Willensakt des (später nachteilig betroffenen) Eigentümers vor, der mit einer konkludenten Verfügung vergleichbar ist, und es rechtfertigt, ihn hieran festzuhalten. Indem § 921 BGB auch den Einzelrechtsnachfolger der jeweiligen Eigentümer bindet, bewirkt die Bestimmung eine Verdinglichung der einmal gegebenen Zustimmung.905 Dies ist jedoch notwendig, weil die berechtigten Erwartungen des anderen Nachbarn in den Fortbestand der Nutzungsmöglichkeit enttäuscht würden, wenn vorhandene und einvernehmlich errichtete (oder zumindest geduldete) Einrichtungen ohne Weiteres entfernt werden müssten. Einem Erwerber des „belasteten“ Grundstücks ist zumutbar, den potentiellen Nachteil hinzunehmen, da er im Regelfall von geringer Intensität ist und die Grenzeinrichtung als solche objektiv erkennbar ist, so dass die Publizität in noch hinreichendem Maße gegeben ist.906 Gegen die Gefahr einer schikanösen Ausnutzung und Aufrechterhaltung hilft i. Ü. das Erfordernis, dass ein Interesse an der Nutzung der Grenzeinrichtung bestehen muss,907 so dass nicht zu befürchten ist, dass funktionslos gewordene Anlagen auf ewig versteinern.

902

Vgl. Rötelmann, RdL 1958, 211 (211). BGHZ 91, 282 (286); 143, 1 (5) m.w. N.; BGH NJW-RR 2001, 1528 (1529); OLG Oldenburg DWW 2008, 315 (316); OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 464; OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 656 (657); LG Aachen MDR 1998, 591 (592); LG Frankfurt/M. NJW-RR 1992, 88 (89); Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 9; MünchKomm/ Säcker, § 921 Rdnr. 3; vgl. auch BGH NJW 1985, 1458 (1460). Als konkludente Zustimmung genügt, dass der Nachbar jahrelang die Grenzeinrichtung duldet, obwohl er weiß oder zumindest vermutet, dass eine Grenzberührung vorliegt. 904 BGH NJW-RR 2001, 1528 (1529). 905 Ebenso Staudinger/H. Roth (2009), § 921 Rdnr. 9; BGH MDR 1966, 143 (144). Ähnlich OLG Celle RdL 1958, 210 (211): Ersitzung einer Mitbenutzungsdienstbarkeit. 906 Vgl. oben B.II.2.b). 907 Dies zutreffend fordernd LG Gießen NJW-RR 1995, 77; vgl. auch BGH MDR 1966, 143 (145). 903

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4. Nutzung fremden Eigentums für politische o. ä. Äußerungen Eine – auch gegenüber den soeben erörterten Fällen – besondere Situation stellt die Inanspruchnahme fremden Eigentums zum Zwecke der Äußerung und Verbreitung politischer oder religiöser Auffassungen dar. Das positive Gesetz erlegt dem privaten Eigentümer eines Grundstücks nicht die Pflicht auf, zu dulden, dass andere Personen politische Demonstrationen auf frei zugänglichen Flächen908 oder in Gebäuden909 abhalten oder (mittels eines „Beamers“) Lichtbilder mit (sach-)politischen Aussagen auf die Wände von Gebäude projizieren910. Da in den genannten Fällen der andere Bürger sich auf seine Grundrechte berufen kann, ist jedoch zu erwägen, das jeweils berührte Grundrecht als Ursprung einer unbenannten Duldungspflicht i. S. v. § 1004 Abs. 2 BGB heranzuziehen.911 Entsprechende Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme fremden Eigentums bei Streikaktionen.912 Verwandt mit diesen Konstellationen sind die Fälle, in denen zwar ein Gesetz eine Duldungspflicht statuiert, der hiervon betroffene Eigentümer diese jedoch als besondere Beeinträchtigung seiner grundrechtlichen Freiheit (z. B. im Hinblick auf das Gewissen) empfindet und deshalb von der Regelung ausgenommen sein will.913 908 Vgl. OLG Köln NJW 1995, 3319 f.; NJW 1998, 1405 f.: „Klagemauer“ gegen Golfkrieg auf dem Platz vor dem Kölner Dom; LG Aachen NJW-RR 2007, 89 (89 f.): Besetzung eines Tagebaugeländes und eines Baggers über mehrere Tage zum Protest gegen Braunkohlekraftwerke. 909 Vgl. BVerfGE 128, 226, BGH NJW 2006, 1054 ff.: Demonstration gegen Abschiebungen am Abfertigungsschalter des Frankfurter Flughafens; OLG Jena NJW 2006, 1892 ff.: Hausfriedensbruch im Erfurter Dom durch einen „bibelfesten“ Gottesdienststörer. Die Ausführungen zur rechtswidrigen Verwirklichung des Tatbestands des § 123 StGB können uneingeschränkt auf § 1004 BGB übertragen werden. 910 Vgl. OLG Dresden NJW 2005, 1871 ff.: Protest gegen Milcherzeugung aus gentechnisch verändertem Futter durch Projektion an die Wand einer Molkerei. 911 Vgl. BGHZ 137, 89 (100). 912 Vgl. Säcker/Mohr, JZ 2010, 440 (441, 445). 913 So wehrte sich in BGH NJW 2006, 984 ff.; BVerfG NVwZ 2007, 808 ff. ein Veganer dagegen, die Ausübung der Jagd und die Aufstellung eines Hochsitzes auf seinem Grundstück dulden zu müssen. Nach § 20 LJG Rh-Pf bedarf die Errichtung von Futterplätzen, Ansitzen u. ä. der Zustimmung des Eigentümers, die er aber zu erteilen hat, soweit ihm die Errichtung zumutbar ist. In ähnlicher Weise verlangt Art. 36 BayJagdG bei wesentlich beeinträchtigenden Anlagen die Einwilligung des Eigentümers, die durch die Jagdbehörde ersetzt werden kann. – Demgegenüber hält der EGMR die Pflicht, die Jagd auf dem eigenen Grundstück zu dulden, für unvereinbar mit Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, weil es keine Erklärung dafür gebe, dass große Grundeigentümer, wenn sie nicht selbst jagen, anderen die Jagd auf ihrem Land verbieten können, während im Gegensatz dazu kleine Grundeigentümer gezwungen sind, dies zu dulden (EGMR, NJW 1999, 3695 ff., Tz. 92, bzgl. Frankreich; NuR 2008, 489 ff. bzgl. Luxemburg; nun ferner Beschl. der Großen Kammer vom 26. Juni 2012, 9300/07, Herrmann gegen Deutschland; eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verneinend aber BVerfG NVwZ 2007, 808 (810)). Den in BGH NJW 2006, 984 (S. 985 f. m.w. N.) her-

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a) Duldungspflichten unmittelbar kraft Verfassungsrechts Grundlage von (über die positivierten Duldungspflichten hinausgehendes) Befugnissen zur Inanspruchnahme fremden Eigentums kann nur das jeweils thematisch einschlägige Grundrecht sein. Die Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG) garantiert dem Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Überzeugung gemäß zu leben und zu handeln.914 Dies schließt das äußerliche Bekennen und Praktizieren sowie das Werben für den eigenen Glauben ein.915 In ähnlicher Weise gewährleistet die Meinungs(äußerungs)freiheit (Art. 5 Abs. 1 Hs. 1 GG) nicht nur, die eigene Meinung überhaupt anderen Personen kundzutun und sie von ihr zu überzeugen, sondern erstreckt sich auch auf die Form der Meinungsäußerung.916 Ebenso beinhaltet die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG), über Art, Zeit und Ort einer abzuhaltenden Versammlung entscheiden zu können.917 Diese Elemente der Schutzgewährleistungen sind von erheblicher Bedeutung, wenn die (fremden) Flächen und Gebäude, die hierzu in Anspruch genommen werden sollen, jeweils einen Bezug zu der zu verbreitenden Meinung, Aussage etc. besitzen und/oder einen besonders plakativen Zugang zur Öffentlichkeit bieten.918 Ein Recht, zur Meinungsäußerung und -verbreitung fremde Grundstücke zeitweise919 in Anspruch zu nehmen, wenn diese wegen eines bestehenden Kontextes hierzu besonders geeignet sind, besteht gleichwohl nicht. Der sachliche Gewährvorgehobenen Aspekt, dass das BJagdG (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2) auch die Erhaltung eines artenreichen Tierbestands zum Ziel hat, hat der EGMR nicht als erheblichen Unterschied zur Rechtslage in Frankreich und Luxemburg angesehen. Einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot oder die Gewissensfreiheit der EMRK hat der EGMR nicht mehr gesondert untersucht. 914 BVerfGE 32, 98 (106); 33, 23 (28); 93, 1 (15); BVerfGE NJW 2003, 2815 (2816); BAG NJW 2003, 1685 (1687); OLG Jena NJW 2006, 1892 (1892); vgl. unten Fn. 922. 915 BVerfGE 12, 1 (4); 24, 236 (245); 32, 98 (106); 105, 279 (294); Hömig/Bergmann, Art. 4 Rdnr. 7. 916 Vgl. BVerfGE 60, 234 (241); 128, 226 (264); BGH NJW 1994, 124 (126); OLG Köln NJW 1998, 1405 (1405); OLG Dresden NJW 2005, 1871 (1872); LG Aachen NJW-RR 2007, 89 (90). 917 BVerfGE 69, 315 (343); 73, 206 (249); 87, 399 (406); 104, 92 (108); 128, 226 (250 f.); BVerwGE 91, 135 (138); BGH NJW 2006, 1054 (1055); Sachs, JuS 2006, 737 (737 f.). 918 Vgl. BGH NJW 2006, 1054 (1055 f.): Hinweis auf laufende Abschiebungen am Flughafen; OLG Dresden NJW 2005, 1871 (1871 f.): Hinweis auf Verwendung gentechnisch veränderten Futters an der Molkerei; OLG Jena NJW 2006, 1892 ff.: Protest während eines Gottesdienstes gegen Haltung der deutschen katholischen Kirche zur Abtreibung. 919 Den Ausnahmecharakter der (dort bejahten) Duldungspflicht betonend OLG Dresden NJW 2005, 1871 (1872). Siehe ferner BGHZ 137, 89 (100 f.), der betont, dass die längerdauenernde gezielte Behinderung der Sachnutzung nicht von Art. 8 Abs. 1 GG gedeckt ist.

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leistungsgehalt der Grundrechte ist, wie beschrieben,920 unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen spezifischen Schutzrichtung zu bestimmen. Die Reichweite des Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG ist daher darauf zu reduzieren, dass dem Staat die Regelung oder Einmischung in genuin religiöse bzw. weltanschauliche Fragen oder Handlungen des Einzelnen untersagt ist.921 Die Verbreitung der eigenen Lehre ist zwar auch nach diesem „engeren“ Verständnis von der Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit erfasst,922 doch nur insoweit, als der Staat sie nicht behindern darf. Der Staat ist demgegenüber nicht verpflichtet, dem Einzelnen die Möglichkeit zur bestmöglichen Entfaltung aktiv zu schaffen. Entsprechendes gilt für die Meinungsäußerungs- und die Versammlungsfreiheit. Eine Abwägung der Freiheitsrechte der involvierten Privaten muss daher nicht erfolgen, da es bereits an einer Kollision fehlt:923 Wenn der Grundrechtsberechtigte auch vom Staat grundsätzlich924 nicht verlangen kann, dass er ihm zum Grundrechtsgebrauch die Benutzung von Flächen, Räumen oder Einrichtungen eröffnet,925 und stattdessen gilt, dass derjenige, der von seinen Grundrechten Gebrauch machen will, selbst für die Voraussetzungen sorgen muss, kann den privaten Eigentümer erst recht keine Pflicht treffen, andere Personen aktiv bei der Ausübung ihrer Grundrechte zu unterstützen.926 Weder die Heranziehung der Abwehr- noch der Schutzpflichtkomponente927 führen dazu, dass das Grundrecht seinen sachlichen Gewährleistungsgehalt ändert. Auch gewichtige Interessen des anderen können nicht dazu führen, dass der Eigentümer seine Sache zur Propaganda – u. U. „gegen sich selbst“ – zur Verfügung stellen muss. Eine Ausnahme könnte erst dann eingreifen, wenn der Grundrechtsträger überhaupt keine Möglichkeit besitzt, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln seine Grundrechte in adäquater Weise zu verwirklichen.928 Bei einer solchen „Mono920

Vgl. oben Teil 2 C.I.2.a)bb)(2)(b). Vgl. BVerfGE 105, 279 (294 f.) 922 Vgl. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (182). 923 Teils anders offenbar OLG Köln NJW 1998, 1405 (1405), nach dem die Meinungsfreiheit ihre Schranke im Eigentumsrecht finde und sich letztere in einer Güterabwägung durchsetze; dagegen im Hinblick auf die Kunstfreiheit wie im Folgenden. 924 Eine Ausnahme gilt, wenn bereits ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist, vgl. BVerfGE 128, 226 (251 f.); Enders, JZ 2011, 577 (577). 925 Vgl. BVerfGE 128, 226 (251); BVerwGE 91, 135 (137 f.); BGH NJW 2006, 1054 (1055); kritisch Sachs, JuS 2006, 737 (737). 926 Vgl. SV Schluckebier, BVerfGE 128, 226 (274 f.); Pfeiffer, LMK 2011, 322526; jeweils gegen entsprechend uneindeutige Passagen in BVerfGE 128, 226 (252); Hömig/ Bergmann, Art. 4 Rdnr. 10. 927 Zur Verdeutlichung: Die Schutzpflicht im Hinblick auf Art. 4 GG bedeutet z. B., dass der Einzelne Angriffe anderer durch Störungen oder Verunglimpfungen verbieten kann. 928 Dies verneinten ausdrücklich OLG Köln NJW 1998, 1405 (1405) und offenbar OLG Jena NJW 2006, 1892 (1893) für die jeweils zu entscheidenden Fälle. – Hier liegt auch der Grund, weshalb in den oben erörterten Fällen der akustischen Äußerungen 921

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polstellung“ erwächst aus dem Grundrecht zwar die Pflicht des Staates, nach Abwägung mit anderen Interessen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.929 In den vorliegenden Fällen würde dies erfordern, die Inanspruchnahme fremder Güter durch Statuierung von Duldungspflichten zu eröffnen. Dieser „Leistungsanspruch“ kollidiert mit den Interessen des Eigentümers, die von Art. 14 GG und ggf. „spiegelbildlich“ weiteren Grundrechten (insbesondere dem eigenen Recht auf Meinungs- oder Gewissensfreiheit930) geschützt werden. Das Eigentum soll in erster Linie seinem Inhaber die Ausübung seiner Grundrechte erlauben; er muss dieses nicht „gegen sich selbst“ 931 einsetzen lassen. Dabei muss auch Berücksichtigung finden, dass Außenstehende bei einer politischen Demonstration auf einem fremden Grundstück regemäßig vom Einverständnis des Eigentümers ausgehen werden (was wiederum darauf beruht, dass derartige Duldungspflichten regelmäßig nicht bestehen). Der Eigentümer wird daher besonders stark mit einer Meinungsäußerung identifiziert, die mittels seiner Sache erfolgt, so dass eine hohe Eingriffsintensität gegeben ist. Gleiches gilt, wenn z. B. auf den Baukörper eines Kernkraftwerks atomkraftkritische Parolen projiziert werden, weil – auch wenn es zu keinerlei Substanzbeeinträchtigung kommt – der Eigentümer bestimmen darf, ob von seiner Sache politische Äußerungen ausgehen sollen oder nicht, und er sich auch nicht mit solchen in Verbindung bringen lassen muss. Ob die Inanspruchnahme zu einer Substanz- oder Funktionsbeeinträchtigung932 der Sache führt, ist dabei jeweils unerheblich. Eine Pflicht zur Duldung der Sachnutzung durch andere zum Zweck der Grundrechtsverwirklichung durch diese kann daher nicht angenommen werden.933 Ein Betreten des Grundstücks durch fremde Personen ist daher mangels einschlägiger Befugnisnorm rechtswidrig; bei Lichtprojektionen sind diese wegen der dargestellten Auswirkungen auf den Eigentümer als „wesentlich“ i. S. v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen. b) Einschränkung gesetzlicher Duldungspflichten durch Grundrechte Will der Eigentümer von einer einfachrechtlich auferlegten Duldungspflicht zugunsten eines anderen Bürgers ausnahmsweise – insbesondere aus Gewissens(S. 436) und der ideellen Beeinträchtigungen (S. 460) eine Abwägung zu erfolgen hatte: Sind die Grundstücke benachbart und wirkt die Nutzung des eigenen Grundstücks zwangsläufig über die Grenze hinüber, kann das garantierte Verhalten nicht ausgeübt werden, ohne das Eigentum des anderen zu beeinträchtigen. 929 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139); BGH NJW 2006, 1054 (1055 f.); Sachs, JuS 2006, 737 (738). 930 So im Fall des OLG Jena NJW 2006, 1892 ff. 931 Zu gering würdigt diesen Aspekt OLG Dresden NJW 2005, 1871 (1872), das lediglich attestiert, dass die Verwendung der eigenen Fassade „besonders ärgerlich“ sei. 932 Vgl. dazu BGH NJW 2006, 1054 (1055 f.). 933 Vgl. Sachs, JuS 2006, 737 (738).

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gründen – befreit werden, ist eine Beeinträchtigung seiner speziellen Grundrechte ebenfalls nicht ohne Weiteres gegeben. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit scheitert daran, dass nicht jedes religiös motivierte Verhalten einen Akt der Religionsausübung darstellt.934 Der Umstand, dass eine bestimmte positive Eigentumsnutzung auch auf religiösen, politischen o. ä. Motiven beruhen und so (auch) Ausdruck einer religiösen Grundhaltung des einzelnen Bürgers sein kann, führt daher noch nicht dazu, dass dieses Grundrecht berührt ist. Den Auswirkungen einer Duldungspflicht ist vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass der Schutz durch Art. 14 GG vom speziellen Freiheitsgehalt der jeweils anderen Freiheit verstärkt wird.935 Zudem ist zu bedenken, dass der Eigentümer jeweils nicht gezwungen ist, sich aktiv mit dem fremden Verhalten zu identifizieren,936 sondern dieses nur passiv dulden muss.937 Da bekannt ist, dass eine derartige Duldungspflicht aus Gründen des Allgemeininteresses vom Gesetzgeber abstrakt-generell angeordnet ist, wird von Außenstehenden nicht auf ein konkretes Einverständnis oder eine Akzeptanz des Eigentümers geschlossen. Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit ist ebenfalls nicht berührt. Diese Garantie schützt – über die glaubensbezogenen Handlungen im engeren Sinn hinaus – davor, von der öffentlich und hoheitlich handelnden Staatsgewalt gehindert zu werden, sich gemäß dem Befehl des eigenen Gewissens, das ein Tun oder Unterlassen938 gebietet, zu verhalten.939 Der einzelne soll in Situationen, die er nicht selbst herbeigeführt hat, seinem Gewissen folgen und aufgezwungene Gewissenskonflikte abwehren können.940 Ein solcher Appell muss sich nicht aus Geboten und Verboten einer anerkannten Religionsgemeinschaft ergeben, sondern kann auch hiervon losgelöst auf einer individuellen inneren Einstellung beruhen,

934

Siehe nur Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (215 f.). So BVerfGE 104, 337 (346) für das Schächten. 936 Hier liegt ein signifikanter Unterschied zu den Sachverhalten in BVerfGE 93, 1 (16); BAG NJW 2003, 1685 (1687). Dort wird jeweils ausgesprochen, dass Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG auch die Freiheit garantiere, zu entscheiden, welche religiösen Symbole der einzelne anerkennt und verehrt und welche er ablehnt. Im vorliegenden Zusammenhang wird eine Identifikation jedoch nicht gefordert. 937 Vgl. BGH NJW 2006, 984 (985, 986); BVerfG NVwZ 2007, 808 (810), denen zufolge in der Auferlegung einer Duldungspflicht kein Eingriff in Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG liege. In der Entscheidung EGMR, NJW 1999, 3695 ff., die hinsichtlich der Verletzung der Eigentumsgarantie zu einem anderen Ergebnis gelangt, wird eine Verletzung der Gewissensfreiheit mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr erörtert. 938 Ein Dulden ist ein Fall des Unterlassens, nämlich das Unterlassen von Widerstand. 939 Siehe nur BVerfGE 78, 391 (395); BVerfG NJW 1993, 455 (455); Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (50 ff.) m.w. N.; ders., Der Staat 42 (2003), 165 (180); Rupp, NVwZ 1991, 1033 (1034); vgl. ferner Di Fabio, Gewissen, Glaube, Religion, S. 19. 940 Muckel, NJW 2000, 689 (689). 935

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wenn sie für den Adressaten hinreichend ernsthaft und verbindlich ist.941 Dies bedeutet zunächst, dass nicht jede von einer eigenen, freien Entscheidung getragene Handlung oder Unterlassung das Ergebnis einer Gewissensbetätigung darstellt und daher den Schutzbereich eröffnet;942 bei einem anderen Verständnis würde die Gewissensfreiheit weitgehend in der allgemeinen Handlungsfreiheit aufgehen.943 Soweit die Gewissensfreiheit berührt ist, ist weiter zu beachten, dass eine relevante Kollision eines staatlichen Rechtssatzes mit dem Gewissen nicht gegeben ist, wenn dieses lediglich das Verhalten erlaubt, das das staatliche Recht verbietet (hier: den Widerstand gegen die Benutzung durch andere).944 Der Bürger kann dann die Handlung in Einklang mit dem staatlichen Recht unterlassen, ohne gegen den inneren Befehl verstoßen zu müssen. Dementsprechend wird ein Zurücktreten des staatlichen Normbefehls hinter den Gewissensappell nahezu ausschließlich für Situationen erwogen, in denen dem Bürger ein eigenhändiges, höchstpersönliches aktives Tun abverlangt wird, das ihm sein Gewissen verbietet.945 Eine echte Gewissensnot ist daher nicht gegeben, wenn der betroffene Eigentümer nur selbst den Fleischverzehr, das Töten von Tieren und die Jagd ablehnt, weil sich daraus nicht der innere Auftrag ergibt, gegen solche Handlungen anderer vorzugehen. Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit ist damit nur eröffnet, wenn das Gewissen gebietet, aktiv einzuschreiten. Auch dann kann dem Bürger aber regelmäßig eine zumutbare Verhaltens- oder Handlungsalternative auferlegt werden.946 Die Gewissensfreiheit soll dem Einzelnen staatlichen Zwang ersparen, hat aber nicht die Funktion, ihm zu ermöglichen, die Umwelt nach den eigenen Vorstellungen zu beeinflussen, staatliche Entscheidungen zu korrigieren947 oder Propa-

941 Vgl. Rupp, NVwZ 1991, 1033 (1034, 1037), mit weiteren Überlegungen, inwieweit dies durch eine Plausibilitätskontrolle überprüft werden kann. 942 Vgl. Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (64); Hömig/Bergmann, Art. 4 Rdnr. 9. 943 Zutreffend Muckel, NJW 2000, 689 (689); vgl. ferner Di Fabio, Gewissen, Glaube, Religion, S. 22 f. (zur Religionsfreiheit). 944 Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (65 f.); Rupp, NVwZ 1991, 1033 (1035); vgl. ferner BVerfGE 23, 127 (134, 135) sowie (zur Religionsfreiheit) BVerfGE 32, 98 (109). 945 Vgl. Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (61, 68); Muckel, NJW 2000, 689 (690); BVerfG NVwZ 2007, 808 (810). 946 Vgl. Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (61); Muckel, NJW 2000, 689 (690). 947 Muckel, NJW 2000, 689 (689); noch schärfer Hömig/Bergmann, Art. 4 Rdnr. 9: Art. 4 Abs. 1 gewährt keinen Anspruch darauf, in den Rechtskreis anderer ge- oder verbietend nach eigenen Vorstellungen einzuwirken; ähnlich Rdnr. 17; BVerfG NVwZ 2007, 808 (810): kein Recht, die Rechtsordnung nur nach seinen Vorstellungen zu gestalten und verlangen, dass die eigene Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder deren Anwendung gemacht wird.

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ganda für die eigenen Wertmaßstäbe zu betreiben.948 Eine zumutbare Alternative läge im Fall des Jagdgegners darin, sein Grundstück zu veräußern, um nicht durch die Bereitstellung an der Jagd „mitwirken zu müssen“. Auf diese Weise wird er zwar gezwungen, insoweit auf die Ausübung seines Grundrechts aus Art. 14 GG zu verzichten. Derartige Konsequenzen zeichnen aber echte Gewissensentscheidungen gerade aus;949 auch der Staat darf den Bürger vor die Wahl stellen, von einem Grundrecht Gebrauch zu machen oder hierauf um seines Gewissens willen zu verzichten. Bedarf, auf dem Eigentum ruhende Duldungspflichten zugunsten anderer mit Rücksicht auf die Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG in einzelnen Fällen zu beschränken, besteht somit nicht.

III. Konflikte bei vertikal benachbarten Nutzungen Konflikte können sich nicht nur aus der unterschiedlichen Nutzung nebeneinander im Raum liegender Grundstücke („horizontale Nachbarn“) ergeben, sondern auch aus räumlich übereinander stattfindenden Benutzungen. Das BGB befasst sich mit Streitigkeiten zwischen „vertikalen Nachbarn“ 950 in § 905 BGB, der dem Grundstückseigentümer eine Duldungspflicht i. S. d. § 1004 Abs. 2 BGB auferlegt und so das „Säuleneigentum“ 951 nach oben und unten hin begrenzt. Umfassendere Regelungen zum Verhältnis mehrerer horizontal übereinander stattfindender Nutzungen, die die gesamte Bandbreite der dabei auftretenden Interessenkonflikte erfassen, enthält das Bergrecht, weshalb zunächst diese Bestimmungen zu betrachten sind. 1. Konfliktregelungen im Bergrecht a) Grund der rechtlichen Sonderbehandlung Der Bergbau war bereits frühzeitig Gegenstand besonderer rechtlicher Bestimmungen. Ohne die Schaffung besonderer Bergbaurechte würde der Abbau von Bodenschätzen weitgehend von den Grenzen der Oberflächengrundstücke und dem Belieben der Oberflächeneigentümer abhängen.952 Die möglichst umfas948

Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (65). Böckenförde, VVdStRL 28 (1970), 33 (69, 71). 950 Zu den Begriffen und den Besonderheiten eingehend Vieweg, FS Link, S. 985 (988 ff.); zum Terminus der „vertikalen Nachbarschaft“ im Bergrecht z. B. VG Arnsberg ZfB 138 (1997), 171 (180); Hüffer, JR 1991, 156 (157). 951 BVerwGE 89, 69 (79); Rittstieg, JZ 1983, 161 (164); Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (605). 952 Siehe statt aller Schulte, JZ 1984, 297 (298); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (17 f.). 949

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sende Ausnutzung der Rohstoffvorkommen war aber sowohl volkswirtschaftlich als auch fiskalisch erwünscht, zumal die Einnahmen unmittelbar oder mittelbar dem Landesherrn bzw. dem Staat als Inhaber des Bergregals zuflossen.953 An dieser Gesamtsituation hat sich – trotz des in der Bundesrepublik Deutschland stark gesunkenen Beitrags des Bergbaus zum Bruttosozialprodukt und der Abhängigkeit der Branche von staatlichen Subventionen954 – nichts Wesentliches geändert, zumal der Sektor immer noch eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitsplätzen bereitstellt.955 Mit dem BBergG von 1980956 wurde eine Vereinheitlichung der früher stark zersplitterten Rechtsmaterie bewirkt.957 Kernaufgabe des Bergrechts ist dabei, die – teils parallelen, teils gegenläufigen – Gemeinwohlinteressen,958 die Interessen der Oberflächeneigentümer und die Interessen des Bergbauunternehmers959 zu koordinieren.

b) Rechtliche Voraussetzungen des Abbaus von Bodenschätzen Grundelement des Bergrechts ist, dass die in § 3 Abs. 3 BBergG aufgezählten bergfreien Bodenschätze aus dem Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers herausgenommen sind (§ 3 Abs. 2 S. 2 BBergG)960 und ihre Gewinnung eine Gestattung voraussetzt (§ 6 BBergG). Diese kann als (öffentlich-rechtliche) Bewilligung (§ 8 BBergG) oder als (privatrechtlich konstruiertes) Bergwerkseigentum (§ 9 BBergG) erteilt werden. Die beiden Formen unterscheiden sich nicht im Umfang der eingeräumten Befugnisse, sondern nur darin, dass das Bergwerkseigentum als grundstücksgleiches Recht behandelt wird und dadurch beleihbar 953 Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnrn. 11 ff.; Kühne, JuS 1988, 433 (434 ff.); Leisner, DVBl. 1988, 555 (558); Turner, JZ 1968, 250 (251 f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 2192 f. 954 Vgl. Kühne, JuS 1988, 433 (434). 955 Vgl. etwa den Sachverhalt in BVerfGE 77, 130 ff. 956 Ein Überblick über das BBergG findet sich z. B. bei Karpen, AöR 106 (1981), 15 (16 f.). 957 Kühne, JuS 1988, 433 (433). 958 Formulierung nach Kühne, JuS 1988, 433 (434); siehe ferner Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (893 f.); Hoppe, DVBl. 1993, 221 (222); Beckmann, DVBl. 1992, 741 (742) dazu, dass sich deren Zahl durch die gewachsene Bedeutung des Umweltschutzes sogar noch vergrößert hat. 959 Zu ihnen vgl. unten Teil 4 B.III.1.c)dd)(2). 960 Statt aller Karpen, AöR 106 (1981), 15 (18); BGHZ 146, 98 (102) unter Hinweis auf die „deutschrechtliche Tradition“; BGHZ 189, 218 (221); 189, 231 (235 f.). Die Verfassungskonformität dieses Zustands, der als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren ist, wird heute allgemein bejaht und soll nicht weiter vertieft werden, siehe etwa Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (528); ders., NVwZ 1998, 889 (890); Hoppe/ Beckmann, DÖV 1988, 893 (894); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (20 ff.) m.w. N.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 432 f.; Schulte, JZ 1984, 297 (299 f.); BGHZ 53, 226 (233 f.); VG Arnsberg ZfB 138 (1997), 171 (185).

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ist und zur Kreditfinanzierung genutzt werden kann.961 Der das Abbaurecht verleihende behördliche Akt begründet mit konstitutiver Wirkung eine Art Nachbarschaftsverhältnis zwischen dem Bergbaubetreiber und den Oberflächeneigentümern.962 Die Zulassung der eigentlichen Fördertätigkeit erfolgt allerdings erst in einer weiteren Genehmigung, dem sog. Betriebsplan (§§ 50 ff. BBergG), in dem die Bergaufsichtsbehörde den Abbau für einen zeitlichen Abschnitt nach Art, Ort und Umfang detailliert regelt.963 Die grundeigenen Bodenschätze (§ 3 Abs. 4 BBergG) stehen demgegenüber im Eigentum des Grundstückseigentümers (§ 3 Abs. 2 S. 1 BBergG) und können von ihm grundsätzlich frei abgebaut werden. Da jedoch auch bei ihnen der – auch untertägig mögliche (vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 2 BBergG) – Abbau mit einem gesteigerten Gefahrenpotenzial für Menschen und Sachen verbunden ist, gelten die primär sicherheitsrechtlichen Bestimmungen über das Betriebsplanverfahren auch für den Abbau grundeigener Bodenschätze.964 Sonstige Bodenbestandteile/-„schätze“, insbesondere einfache Sande und Kiese, werden vom Bergrecht nicht erfasst.965 Das Eigentum an ihnen und ihr Abbau unterliegen somit ausschließlich den allgemeinen verwaltungsrechtlichen966 und den zivilrechtlichen Bestimmungen, insbesondere den § 1004 und § 909 BGB. 961 Vgl. Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (527); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (18); Kühne, JuS 1988, 433 (436, 438); Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 9 Rdnrn. 6, 9; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 2199. – Zur Entstehung des Bergwerkseigentums als privates Recht siehe Kühne, JuS 1988, 433 (435); zum Schutzumfang BGHZ 146, 98 (100 f.). 962 Leisner, DVBl. 1988, 555 (559) m.w. N.; vgl. auch Kühne, JuS 1988, 433 (435). Da die Freigabe des Abbaus erst durch den Betriebsplan erfolgt (dazu sogleich), kann die Verleihung oder Bewilligung jedoch noch nicht Rechte der Oberflächeneigentümer berühren, so zutreffend ThürOVG Jena ZfB 2004, 137 (145). – Umstritten ist, ob das Bergbaurecht zum Oberflächeneigentum in einem Verhältnis der Über-, Unter- oder Gleichordnung steht (vgl. etwa Karpen, AöR 106 (1981), 15 (28 ff.); Leisner, DVBl. 1988, 555 (559) m.w. N.). Da diese Einordnung nur eine begriffliche Beschreibung und Zusammenfassung der Regelungen zu den einzelnen Problembereichen bedeuten kann, ist sie hier nicht weiter zu behandeln. Vgl. ferner BGHZ 145, 316 (327). 963 BGHZ 189, 231 (238 f.); ThürOVG Jena ZfB 2004, 137 (144). Zum Charakter des Betriebsplans als (gebundene) Genehmigung, der nur die Besonderheit der Erteilung für Zeitabschnitte zukommt, statt vieler Gaentzsch, NVwZ 1998, 889 (891, 892), auch zu den verschiedenen Arten von Betriebsplänen; siehe ferner BVerwGE 89, 246 (251); Kühne, JuS 1988, 433 (436); Beckmann, DVBl. 1989, 669 (669 f.); ders., DVBl. 1992, 741 (743, 744, 748). § 52 Abs. 2 a, §§ 57 a ff. BBergG sehen nunmehr auch ein Planfeststellungsverfahren vor; Grund hierfür ist aber allein das Erfordernis einer UVP, vgl. § 57 c BBergG. 964 Vgl. BVerwG NVwZ 1989, 1162 (1162); BGHZ 145, 316 (325); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (22); Gaentzsch, NVwZ 1998, 889 (889). 965 Gaentzsch, NVwZ 1998, 889 (889 f.); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 7. 966 Vgl. eingehend Gaentzsch, NVwZ 1998, 889 (889 f., 892 ff.). – Vgl. insbes. Art. 1 BayAbgrabG; § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauO NRW.

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c) Verfassungsrechtliche Untersuchung des geltenden Bergschadensrechts aa) Darstellung der Regelungen „Senkungen, Pressungen, Zerrungen oder Erdrisse“ (vgl. § 117 Abs. 1 Nr. 2 BBergG) sowie Veränderungen des Grundwasserspiegels, die durch den Bergbau ausgelöst werden, rufen regelmäßig Schäden an Grundstücken und Bauwerken hervor. Dies macht eine besondere Regelung des Verhältnisses zwischen Bergwerksbetreiber und Oberflächeneigentümer erforderlich, wie sie sich heute im „Bergschadensrecht“ der §§ 114 ff. BBergG findet.967 Das BBergG räumt dem Oberflächeneigentümer einen verschuldensunabhängigen968 Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer und den Bergbauberechtigten wegen sämtlicher Schäden ein, die aus einem genehmigten Bergbau resultieren (§§ 114–116 BBergG).969 Gegenüber anderen Ersatzansprüchen zeichnet sich die Bergschadenshaftung durch die dem Geschädigten günstige Ursächlichkeitsvermutung (§ 120 BBergG) aus;970 eine für die verschuldensunabhängige Haftung typische971 Haftungshöchstgrenze besteht nur bei Personenschäden (vgl. § 117 Abs. 1 Nr. 1 BBergG).972 Eine weitere den Geschädigten begünstigende Besonderheit stellen schließlich die §§ 122 f. BBergG dar, die im Fall der Insolvenz der Primärschuldner einen Anspruch gegen die Bergschadenskasse vorsehen.973 967 Vgl. dazu Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (224); Hüffer, FS Niederländer, S. 267; Kühne, FS Deutsch, S. 205 f. 968 Die Frage nach der dogmatischen Einordnung des Anspruchs wird uneinheitlich beantwortet, ist nach den obigen Ausführungen [oben Teil 2 C.II.4.b)cc)] für die verfassungsrechtliche Behandlung aber auch unbedeutend. Als Gefährdungshaftung qualifizieren den Bergschadensanspruch PrKglObTrE 4, 354 (360 f.); Müller-Erzbach, Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 338 ff.; Boldt/Weller, Vor § 114 Rdnr. 2; Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 39 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 V 3 a. Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG,§ 114 Rdnrn. 21, 26; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 2218 nehmen jeweils bei Sachschäden Aufopferungs-, bei Personenschäden Gefährdungshaftung an. Hüffer, FS Fabricius, S. 127 f. und Kühne, FS Deutsch, S. 215 f. (siehe auch ders., JZ 1990, 138 (138, in Fn. 2)) sehen den Ursprung der Haftung in der komplexen Beziehung beider Beteiligter gesehen; ähnlich Karpen, AöR 106 (1981), 15 (35, m.w. N. zum Meinungsbild), der ihn als Anspruch eigener Art qualifiziert, der § 906 Abs. 2 S. 2 BGB verwandt sei. In der Sache (ohne den Begriff anzuführen) argumentiert mit dem Aufopferungsgedanken BGHZ 53, 226 (233 ff.). 969 Vgl. BGHZ 189, 218 (227 f.); OVG Münster ZfB 127 (1986), 358 (365 f., 367); J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (515); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 V 3 a; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 2214, 2216; bereits PrKglObTrE 4, 354 (361, 366); 9, 101 (112). 970 Hierzu Kühne, FS Deutsch, S. 211 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 V 3 b. 971 Vgl. Dietz, Technische Risiken, S. 47 ff. 972 Bis zum Inkrafttreten des 2. SchÄndG war in Übereinstimmung mit anderen Fällen der Gefährdungshaftung ferner ein Schmerzensgeld nicht geschuldet. 973 Karpen, AöR 106 (1981), 15 (33, 34 f.). – Zum Grund dieser Regelung oben Teil 2 C.II.4.d).

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Nach diesen Ansprüchen statuiert das Bergschadensrecht für den Oberflächeneigentümer die Obliegenheit974, bauliche Anlagen an die mit dem Bergbau verbundenen Gefahren anzupassen (§ 110 BBergG). Die Kosten hierfür hat der Eigentümer zu tragen, sofern sie unerheblich sind.975 Bei den weitergehenden Sicherungsmaßnahmen976 nach § 111 BBergG besteht demgegenüber ein Anspruch auf vollständigen Ersatz der Aufwendungen.977 Lässt sich ein geplantes Bauwerk auch auf diese Weise nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand vor Bergschäden schützen, kann der Bergwerkseigentümer eine sog. Bauwarnung aussprechen, die Entschädigungspflichten gegenüber dem Grundstückseigentümer auslöst, ihn aber im Gegenzug von späteren Schadensersatzpflichten befreit (§ 113 BBergG). Alle genannten Regelungen sind vom Gedanken des bestmöglichen Verhältnisses von Kostenaufwand und Schadensrisikoverringerung geprägt.978 bb) Duldungspflicht des Oberflächeneigentümers Mit der Gewährung dieser ineinander verzahnten Ansprüche verpflichtet das Gesetz den Oberflächeneigentümer, den unter seinem Grundstück umgehenden Bergbau im genehmigten Umfang zu dulden. Ausgeschlossen sind neben den öffentlich-rechtlichen alle bürgerlichrechtlichen Abwehransprüche. Diese Rechtsfolge entspricht neben der historischen Tradition979 auch dem Verständnis des Gesetzgebers des BBergG und der Gesamtsystematik dieses Gesetzes.980 Grund 974 Sanktion der Nichtbeachtung ist lediglich, dass nach § 112 S. 1 (siehe auch § 113 Abs. 2) BBergG der Bergschadensersatzanspruch entfällt; so zutreffend Kühne, FS Deutsch, S. 208; Hüffer, FS Fabricius, S. 117, 127. 975 Dazu unter ee). 976 BGHZ 111, 263 (266) grenzt die Anpassungs- von den Sicherungsmaßnahmen danach ab, ob sie sich einem verständigen Bauherrn als zu treffende Schutzvorkehrungen aufdrängen; Anpassungsmaßnahmen sind daher, was auch in einem Bergschadensgebiet im Allgemeinen als ausreichend erscheint oder über die Wahl des Materials und der Bauweise nicht hinausgeht. Der Abgrenzung des BGH zustimmend Hüffer, JR 1991, 156 (157), kritisch zu einer Differenzierung im Gesetz noch ders., FS Fabricius, S. 128 f. – Zu weiteren Abgrenzungsversuchen Zeiler, DB 1986, 417 (419); Finke, ZfB 129 (1988), 40 (42 ff.). 977 Hüffer, FS Fabricius, S. 117. 978 Kühne, FS Deutsch, S. 208 f., mit Hinweis auf die ökonomische Analyse des Rechts; vgl. ferner BGHZ 188, 113 (118). 979 Vgl. §§ 109 ff. Tit. 16 Th. II PrALR, die allgemein als besondere Ausprägung des „allgemeinen“ Aufopferungsgrundsatzes der §§ 74, 75 EinlPrALR angesehen wurden (so PrKglObTrE 4, 354 (363); v. Bohlen, JW 1933, 2251 (2252)); ferner RGZ 72, 303 (306, 308); 119, 211 (212, 213); 130, 350 (354, 355); Müller-Erzbach, Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 343 f.; Leisner, DVBl. 1988, 555 (558). Historisch überliefert ist die Rechtsregel „Gold darf man nicht suchen, wo der Pflug geht“; entgegen dem Wortlaut bedeutete dies weniger eine Verbotsnorm als die Statuierung einer Ausgleichspflicht (vgl. Schmidt-Wiegand, Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 149 m.w. N.).

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des Vorrangs des Bergbaus gegenüber anderen Interessen (einschließlich denen der Grundeigentümer) sind die eingangs beschriebenen gesamtökonomischen Belange:981 Da der Bergbau aus dem Bergwerk mehr herauswirtschaften kann als die Land- und Forstwirtschaft aus der Kultivierung der Erdoberfläche, wird der erstgenannte privilegiert; das Grundeigentum muss dem Bergbau weichen.982 Selbst planmäßig „auf Bruch zu bauen“ ist erlaubt, wenn und soweit der bergmännisch richtig geführte Abbau dies verlangt.983 Ausdruck dieses Vorrangs des Bergbaus ist heute nicht zuletzt die sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG.984 cc) Öffentlich-rechtlicher Drittschutz im Betriebsplanverfahren Ausgehend von dieser Konzeption wurde lange Zeit angenommen, dass die Belange der Oberflächeneigentümer hinter den Interessen des Bergbaus unbedingt zurückzutreten hätten und daher bei der Betriebsplangenehmigung nicht besonders zu beachten seien.985 Ihren Belangen würde nach der Intention des Gesetzes – im Sinne des „Dulde, aber liquidiere“ – ausschließlich durch die Regelungen des Bergschadensrechts Rechnung getragen.986 Die in § 55 BBergG enthaltenen Versagungsgründe sollten den Oberflächeneigentümern allenfalls reflexartig günstig sein, ihnen aber keine subjektiven öffentlichen Rechte gewähren.987 980 Siehe nur J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (515) m.w. N.; Boldt/Weller, § 8 Rdnrn. 7 f.; Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (894, 895 f.) m.w. N.; Hüffer, FS Niederländer, S. 269; Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (225); Kühne, FS Deutsch, S. 207; Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S. 40; Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, Vor § 110 Rdnrn. 2 ff.; vgl. auch BGHZ 146, 98 (102); OLG Hamm DNotZ 2006, 624 (625). – Nach BT-Drs. 8/1315, S. 86 wurde aus den genannten Gründen eine ausdrückliche Regelung für nicht notwendig erachtet. 981 Siehe nur Schulte, JZ 1984, 297 (298); Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (322 f., 365); ders., Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 341. 982 So nahezu wörtlich Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (365). 983 Hüffer, FS Niederländer, S. 272; Hoppe, DVBl. 1993, 221 (224); Boldt/Weller, § 8 Rdnr. 8. – Dagegen verlangt der BGH für nach § 909 BGB zu beurteilende Fälle der Grundstücksvertiefung, dass diese zu unterbleiben haben, wenn dem Nachbargrundstück die nötige Stütze nicht anderweitig verschafft werden kann, BGHZ 101, 290 (293); vgl. auch BGHZ 91, 282 (284). 984 Zu ihr vgl. BVerwGE 74, 315 (318); 81, 329 (339; aber auch 344); BVerwG NVwZ 1989, 1162 (1163); ferner Beckmann, DVBl. 1992, 741 (743); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 2204. 985 So etwa OVG Münster ZfB 127 (1986), 358 (365, 369); BT-Drs. 8/1315 S. 137 f.; weitere Nachweise bei Beckmann, DVBl. 1989, 669 (669); in BVerwGE 81, 329 (335). Großzügiger allerdings bereits OVG Münster NuR 1983, 122 (123 f.). 986 Vgl. BVerwGE 81, 329 (335); Hüffer, FS Niederländer, S. 269; Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (895). 987 OVG Münster ZfB 126 (1985), 198 (214, 216 f.).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Von diesem Verständnis wandte sich das BVerwG im „Moers-Kapellen-Urteil“ teilweise ab.988 Seit diesem „rechtlichen Bergrutsch“ 989 geht das BVerwG davon aus, dass ein genereller und absoluter Vorrang des Bergbaus gegenüber dem Oberflächeneigentum nicht mit dem verfassungsrechtlichem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist;990 § 48 Abs. 2 BBergG sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass gewichtige Interessen der Privateigentümer öffentliche Interessen im Sinne dieser Vorschrift darstellen.991 Anders als bei Gefahren für Leben und Gesundheit wird jedoch nicht § 55 Abs. 1 S. 1 BBergG herangezogen,992 was zu einem noch stärkeren Drittschutz führen würde.993 Auch nach der „neuen“ Rechtsprechung ist der vom Gesetz eingeräumte Vorrang des Bergbaus nicht unbeachtlich. Vielmehr sieht sie in ihr eine Vorrangentscheidung, die von grundsätzlich sachgerechten Erwägungen getragen ist. Eine Prüfung und Abwägung der Drittinteressen seien deshalb nur bei großen Schäden, die insgesamt einem Gemeinschaden nahe kommen, erforderlich; kleine und 988 BVerwGE 81, 329 ff.; ebenso vom gleichen Tag BVerwG NVwZ 1989, 1162. Zustimmend Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (530); Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (224); im Grunde auch Hüffer, FS Niederländer, S. 276; dem BVerwG folgend BGHZ 146, 98 (102). Die vereinzelt anzutreffende Kritik bemängelt, dass der Charakter des Betriebsplans als gebundener Zulassungsakt durch unbestimmte Rechtsbegriffe aufgeweicht werde (Kühne, JZ 1990, 138 (139); zuvor ders., JuS 1988, 433 (436)), und das Betriebsplanverfahren praktisch undurchführbar werde (Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1140 f.); ähnlich Hüffer, FS Niederländer, S. 276). Anderen geht die Beschränkung auf „schwere Schäden“ nicht weit genug (Beckmann, DVBl. 1989, 669 (671 f.); ders., DVBl. 1992, 741 (745 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 434 a. E.). Die dogmatische Begründung kritisieren Kühne, JZ 1990, 138 (139); Beckmann, DVBl. 1989, 669 (671); ders., DVBl. 1992, 741 (744 f.). 989 Plastisch Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (528). 990 BVerwGE 81, 329 (343); zuvor so Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (901). – Die verfassungsrechtlichen Bedenken wurden bereits zuvor in der Literatur herausgearbeitet, maßgeblich wohl Hoppe/Beckmann in DÖV 1988, 893 ff. und ihrer dort in Fn. 1 nachgewiesenen umfangreicheren Monographie; ferner Stüer, NuR 1985, 263 ff. 991 BVerwGE 81, 329 (335, 339, 345); zuletzt BVerwG ZfB 151 (2010), 129 (134). 992 BVerwGE 89, 246 (249); BVerwG ZfB 151 (2010), 129 (132); Frenz, NVwZ 2011, 86 (86 f.). Für eine drittschützende Auslegung der einzelnen Anforderungen des § 55 Abs. 1 BBergG bereits Stüer, NuR 1985, 263 (264 f., 266 f.). – Für den Schutz von Sachgütern lehnen (u. a. unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien) eine Verankerung in § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 oder Nr. 9 BBergG ab: BVerwGE 81, 329 (335 f.); BVerwG ZfB 132 (1991), 140 (142); Hüffer, FS Niederländer, S. 271; ders., FS Fabricius, S. 118 m.w. N.; Kühne, JZ 1990, 138 (139); OVG Münster ZfB 126 (1985), 198 (214); ZfB 127 (1986), 358 (365 ff.). OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (182) nennt sowohl § 48 Abs. 2 als auch § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BBergG. 993 Bei einer Einbeziehung in § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 oder Nr. 9 BBergG steigen die Schutzinteressen der Eigentümer vom bloßen Abwägungsbelang (der in der Entscheidung überwunden werden kann) zum zwingenden Versagungsgrund auf, so dass der Drittschutz unterhalb der Schwelle eines drohenden Gemeinschadens einsetzt. Vgl. jeweils Hoppe, DVBl. 1993, 221 (228 f.); Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (531); Beckmann, DVBl. 1992, 741 (747); allgemein ferner Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 343 ff.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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mittlere Schäden seien dagegen generell als zugelassen anzusehen, weil sich ihnen gegenüber das Abbauinteresse durchsetzt.994 Ferner solle der Schutz des Oberflächeneigentümers vornehmlich durch die Aufnahme von Nebenbestimmungen in den Betriebsplan bewirkt werden;995 es wird also weniger das „Ob“ als das „Wie“ des Abbaus beeinflusst.996 dd) Verfassungskonformität des Ausschlusses zivilrechtlicher Abwehransprüche (1) Einordnung der Duldungspflicht gegenüber vom Bergbau hervorgerufenen Einwirkungen als Inhalts- und Schrankenbestimmung Für die Beurteilung, ob der Gesetzgeber den Bergbau in dieser Weise privilegieren durfte, muss die Duldungspflicht zunächst in das Schrankensystem der Eigentumsgarantie – Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung – eingeordnet werden, weil hiervon die Rechtfertigungsanforderungen abhängen. Der Unterschied der Duldungspflicht gegenüber den Einwirkungen, die durch den Bergbau verursacht werden, zur Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG), die als Enteignung i. S. v. Art. 14 Abs. 3 GG einzuordnen ist,997 ist auf dem ersten Blick nicht besonders deutlich, zumal auch Bergschäden praktisch einen Totalverlust für den Eigentümer bedeuten können.998 Mit der Grundabtretung sollen Eigen-

994 BVerwGE 81, 329 (344 f.); vgl. dazu Beckmann, DVBl. 1989, 669 (672); Hüffer, FS Niederländer, S. 274; Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (226); Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1141 f.). Dem BVerwG folgend OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (185). 995 BVerwGE 81, 329 (343). – Die Verwaltungspraxis erlässt oftmals einen gesonderten „Betriebsplan Einwirkungen auf die Tagesoberfläche“, soweit das Oberflächeneigentum betroffen ist, vgl. Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (226); Kühne, DVBl. 2010, 874 (875); Frenz, NVwZ 2011, 86 (87, 88 f.); BVerwG ZfB 151 (2010), 129 (135). 996 Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (900). 997 Im Wege der Grundabtretung können dem Bergbaubetreiber u. a. das Eigentum oder dingliche Rechte an Oberflächengrundstücken (§ 78 Nr. 1 BBergG) zwangsweise verschafft werden, was zur Errichtung von Förderanlagen oder beim Tagebau notwendig sein kann. Während die Grundabtretung früher – ausgehend vom Verständnis als privatrechtliche Kollisionsregelung unter Nachbarn – als privatrechtliche Regelung qualifiziert wurde, wird sie heute zutreffend als Enteignung zugunsten Privater eingeordnet und ist im BBergG dementsprechend ausgestaltet. Vgl. jeweils Boldt/Weller, Vor § 77 Rdnr. 7; Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (894); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (32); Kühne, JuS 1988, 433 (435, 438); Leisner, DVBl. 1988, 555 (559); Schulte, JZ 1984, 297 (302); ThürOVG Jena ZfB 2004, 137 (143) m.w. N.; ferner BT-Drs. 8/1315, S. 71; BGHZ 146, 98 (102 f.). Umstritten ist allerdings, ob die allgemein formulierten Enteignungszwecke in § 79 Abs. 1 BBergG den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügen; ablehnend/kritisch Leisner, DVBl. 1988, 555 (560 f.); Karpen, AöR 106 (1981), 15 (32 f.); Kühne, JuS 1988, 433 (438); die Einwände zurückweisend BVerwGE 87, 241 (249 ff.). 998 Vgl. Karpen, AöR 106 (1981), 15 (32).

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tumspositionen i. S. d. Art. 14 GG gezielt überwunden werden,999 weil im Grundstückseigentum nach §§ 903 ff. BGB Ausschließungsbefugnisse enthalten sind, die der Durchführung des Bergbaus in der beabsichtigten Form entgegenstehen. Dieses Ergebnis könnte durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die nur einzelne Eigentümerbefugnisse ausschließt und die formelle Rechtszuordnung als solche aufrechterhält, nicht erreicht werden, da vom Eigentum „nichts mehr übrig bliebe, was diesen Namen verdient“ und somit die Verhältnismäßigkeitsgrenze überschritten wäre. Die in den Situationen, für die eine Grundabtretung vorgesehen ist, gewünschten Rechtsfolgen können daher nur durch eine Enteignung erzielt werden. Die sich aus dem Bergschadensrecht ergebende Duldungspflicht gegenüber der Abbautätigkeit belässt demgegenüber das Eigentum als Recht in der Hand des Inhabers. Die im Eigentum enthaltenen Befugnisse sollen durch die §§ 114 ff. BBergG nicht insgesamt oder in wesentlichem Umfang überwunden werden, sondern lediglich situationsbedingt modifiziert werden, um die Vereinbarkeit mit den Belangen des Bergbaus herzustellen. Damit ist die Duldungspflicht als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren.1000 Um den Anforderungen des Grundgesetzes zu genügen, darf der Entzug der Abwehrbefugnisse allerdings nicht dazu führen, dass das Eigentum seine Funktion nicht mehr erfüllen kann.1001 Unter diesen Vorzeichen stellt sich der umfassende Ausschluss (auch) der zivilrechtlichen Abwehrbefugnisse gegen den Bergbau unter seinem Grundstück als bedeutsame und tiefgreifende Inhalts- und Schrankenbestimmung dar,1002 da er verhindert, dass der Eigentümer, dessen Belange auch nach der „neuen Rechtsprechung“ im verwaltungsrechtlichen Verfahren nur eingeschränkt Beachtung finden, diese Defizite durch eine Unterlassungsklage unmittelbar gegen den Bergbaubetreiber ausgleichen kann. Zur Rechtfertigung der getroffenen Regelung müssen daher gewichtige sachbezogene Gründe vorhanden sein, und der Eigentümerschutz muss auch unter Berücksichtigung dieser Gründe noch in ausreichendem Maße verwirklicht sein.

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BVerwGE 87, 241 (243); wohl zustimmend Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (532). Vgl. etwa BVerwGE 81, 329 (340 f.); Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (895). 1001 Dies gilt unabhängig davon, ob man der Inhalts- und Schrankenbestimmung einen Eingriffscharakter zuschreibt, oder nur eine „angemessene Ausgestaltung“ verlangt. Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (896); Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (225). – Unerheblich ist ferner, ob man auf einfachgesetzlicher Ebene annimmt, ein an sich gegebener Abwehranspruch werde ausgeschlossen, oder davon ausgeht, ein solcher bestehe von vornherein nicht (zum Meinungsstand Hüffer, FS Niederländer, S. 269 f.; ders., FS Fabricius, S. 121). 1002 Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (895, 400). 1000

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(2) Verfassungsrechtlicher Schutz für den Bergbauunternehmer Der Bergbau erfordert hohe Investitionen des Unternehmers, die für ihn nur sinnvoll sind, wenn er eine Rechtsposition erhält, die es ausschließt, dass der behördlich genehmigte Abbau an zivilrechtlichen Einwänden scheitert. Der Gesetzgeber muss daher auch dafür Sorge tragen, dass die Bergbauberechtigung (Bergwerkseigentum oder Bewilligung) nicht durch Befugnisse anderer Privater entwertet wird.1003 Für den Unternehmer streiten dabei auch grundrechtliche Positionen: Das Bergwerkseigentum ist Eigentum i. S. d. Art. 14 GG;1004 ferner stehen dem Bergbaubetreiber die „unternehmerischen Grundrechte“ aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zur Seite. Neben den öffentlichen (volkswirtschaftlichen) Interessen kommt damit den kollidierenden privaten Freiheiten eine erhebliche Bedeutung bei der Rechtfertigung der Duldungspflicht zu. (3) Möglichkeit eines Anspruchs auf besondere Schutzvorkehrungen In den Fällen, in denen nachteilige Folgen für Gebäude an der Oberfläche klar abzusehen sind, könnte erwogen werden, statt des Anspruchs auf Einstellung des Betriebs wenigstens – im Sinne der Praktischen Konkordanz – einen Anspruch auf Unterlassung einzelner Tätigkeiten oder auf Schaffung zusätzlicher Schutzvorkehrungen zu gewähren.1005 Der Ausschluss des Abwehranspruchs gegen die entsprechenden Einzeltätigkeiten wäre dann nicht erforderlich oder zumindest unverhältnismäßig i. e. S. angesichts der resultierenden Schäden, so dass er trotz des Vorrangs des Bergbaus der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung entbehren würde.1006 Der Bergbau ist im hohen Maße ortsgebunden.1007 Eine Verlegung des Abbaufeldes kommt regelmäßig nicht in Betracht, weil andernorts die Vorkommen nicht oder nur mit geringerer Ergiebigkeit vorhanden sind oder weil eine Verbindung zu den vorhandenen Förderanlagen nicht geschaffen werden kann. Hinzu kommt, dass zwar mit einer gewissen naturwissenschaftlichen Prognosegenauig1003 Siehe nur Hüffer, FS Niederländer, S. 275 ff., 284; Kühne, JZ 1990, 138 (138); Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1141); BGHZ 178, 90 (94 f.). 1004 Umfassende Diskussion bei Karpen, AöR 106 (1981), 15 (22 ff.); vgl. ferner BVerfGE 77, 130 (136); BGHZ 59, 332 (334 f., 336); 146, 98 (104); BVerwGE 106, 290 (292); OVG Münster ZfB 126 (1985), 198 (215); VG Arnsberg ZfB 138 (1997), 171 (183); Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (527); ders., NVwZ 1998, 889 (889 f.); Hoppe, DVBl. 1993, 221 (226); Hüffer, FS Niederländer, S. 275; Kühne, JuS 1988, 433 (436 f., Fn. 35); Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, Vor § 110 Rdnr. 12. 1005 Vgl. OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (199 ff.). – Ein solcher Anspruch ist auch in § 14 BImSchG, § 75 VwVfG vorgesehen und besteht im Fall der „Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Anlagen“ (vgl. oben S. 488 ff.). 1006 Vgl. die Überlegungen in BVerwGE 89, 246 (249). 1007 Siehe nur Karpen, AöR 106 (1981), 15 (27); BVerwGE 81, 329 (334); 74, 315 (318); ausführlich Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, Vor § 110 Rdnrn. 12 ff.

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keit vorhersehbar ist, wie sich die Erdschichten verhalten werden und dass der Abbau Schäden verursachen wird;1008 an welchem Ort und in welchem Ausmaß Veränderungen an der Oberfläche auftreten werden und zu welchen Schäden sie führen werden, ist jedoch entweder nicht oder allenfalls mit enormem Aufwand an Messungen, Begutachtungen und Untersuchungen zu prognostizieren.1009 Selbst das Recht des einzelnen Oberflächeneigentümers, den Abbaubetrieb in einzelnen Punkten zu überprüfen und im Fall einer signifikanten Gefährdung teilweise zu untersagen bzw. Schutzauflagen verlangen zu können, würde daher die Gewinnungsmöglichkeiten nachhaltig einschränken und damit im Ergebnis ein Totalverbot bedeuten.1010 (4) Möglichkeit eines Verzichts auf Duldungspflicht überhaupt Der denkbare weitere Einwand, die Duldungspflicht sei nicht zwingende Voraussetzung für das Funktionieren des Bergbaus,1011 kann ebenfalls relativiert werden: Andere Modelle zur Lösung des Konflikts mögen sich zwar finden lassen, z. B. eine Regelung, nach der die Zulässigkeit des untertägigen Abbaus von einer (erkauften) Zustimmung des Oberflächeneigentümers abhängt.1012 Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung hat aber den entscheidenden Vorteil für sich, dass die Transaktionskosten erheblich reduziert werden, weil Verhandlungen mit den Grundeigentümern entbehrlich werden und der einzelne Eigentümer nicht eine Blockadehaltung einnehmen kann.1013 (5) Einfluss des Regelungsgefüges des Bergschadensrechts In die Beurteilung der getroffenen Konfliktlösung muss schließlich der Gesamtbestand an Regelungen, die das Verhältnis des Bergbauunternehmers zum Oberflächeneigentümer betreffen, einbezogen werden. 1008 Vgl. als Beispiel die Ausführungen in OVG Saarlouis ZfB 2004, 128 (134) m.w. N. 1009 BVerwGE 81, 329 (334); OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (187, 189, 200); Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1141); Kühne, FS Deutsch, S. 207; ders., DVBl. 2010, 874 (883); vgl. demgegenüber die exakten Vorhersagen in BVerfGE 80, 360 (365 f.). 1010 Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (895 f.); 171 (199 ff.); Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1139); Kühne, DVBl. 2010, 874 (875, 878); OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), zur Verhältnismäßigkeit auch Gaentzsch, DVBl. 1993, 527 (532). 1011 So Hoppe, DVBl. 1993, 221 (225); für eine Notwendigkeit aber OVG Münster ZfB 126 (1985), 198 (215); OVG Münster ZfB 127 (1986), 358 (367), je unter Berufung auf BT-Drs. 8/1315, S. 137 f. 1012 Vgl. Müller-Erzbach, Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Bd. 2, S. 337 f.; Beckmann, DVBl. 1992, 741 (742); Hoppe, DVBl. 1993, 221 (222, sub 2.1), je m.w. N.: Üblich war eine Überlassung von Anteilen an der Bergwerksgesellschaft oder sonstige Vergünstigungen. 1013 Hierzu näher unten B.III.2.a).

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Ein Eingriff in die Eigentumssubstanz kann selbst durch eine effektive Kompensation grundsätzlich nicht egalisiert werden, weil die primäre Garantie des Art. 14 GG auf den Erhalt der Sache selbst in ihrer Substanz gerichtet ist.1014 Der Eigentümer muss grundsätzlich nicht zusehen wie der Bestand seines Eigentums durch Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen anderer permanent geschädigt wird.1015 Die Regelungen zur Bergschadenshaftung können die Nutzungsinteressen einschließlich des Bestands- und Affektionsinteressen daher nur bedingt schützen.1016 Dem Bergschadensersatzanspruch kommt aber gleichwohl – gerade wegen seiner konkreten Ausgestaltung – eine nicht zu vernachlässigende präventive Steuerungskraft zu:1017 Wegen der Beweiserleichterungen zugunsten des Betroffenen (§ 120 BBergG) schlagen sich ausgelöste Schäden nahezu vollständig als wirtschaftliche Belastung des Bergwerkseigentümers nieder, der deshalb in Zweifelsfällen geneigt sein wird, die Kosten für Abstützungsmaßnahmen o. ä. zu tragen. Dies gilt umso mehr als das Fehlen von Haftungshöchstbeträgen für Sachschäden an Grundstücken und -bestandteilen (§ 117 Abs. 1 Nr. 2 a. E. BBergG) Bergschäden unversicherbar macht.1018 Das Wissens- und Erkenntnisdefizit im Hinblick darauf, welche Folgen im Einzelnen eintreten, wirkt so tendenziell zum Nachteil der jeweils tätigen Unternehmers und Bergbauberechtigten,1019 da sie nicht sicher kalkulieren können, ob sich ein schadensträchtiger Abbau per Saldo lohnen wird. Die im Bergschadensrecht geregelten Anpassungspflichten (§§ 110 f. BBergG) und Baubeschränkungen (§§ 107 ff. BBergG) verwirklichen ebenfalls den Grundsatz „Schaden verhüten vor Schaden vergüten“.1020 Die §§ 110 ff. BBergG enthalten daher insgesamt schützende Wirkungen auf die Eigentumsrechte der betroffenen Oberflächeneigentümer.

1014 Bedenklich daher Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1141): Integritätsschutz werde durch § 249 BGB bewirkt; zutreffend dagegen Hüffer, FS Niederländer, S. 280; vgl. auch BVerwGE 81, 329 (340); Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (606). 1015 Siehe dazu BVerwGE 98, 118 (124): Bei der Aufstellung der Abschusspläne im Jagdbezirk sind die Interessen der Waldeigentümer zu berücksichtigen, wenn anhaltender Verbiss den Aufwuchs junger Bäume verhindert und so größere Flächen am Berghang der Erosion preisgegeben sind. Die (wie die Bergschadenshaftung verschuldensunabhängige) Pflicht zum Wildschadensersatz gem. §§ 26, 27, 29 BJagdG kann dies nicht ausgleichen oder ersetzen. 1016 Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (900). 1017 Schulte, NVwZ 1989, 545; ders., NVwZ 1989, 1138 (1139 f.); Hüffer, FS Niederländer, S. 278 f., 281. – Bereits wegen dieser Präventionsaspekte muss die Haftung den Bergwerksbetreiber (und nicht die Allgemeinheit) treffen. Daneben kommt der Umstand zur Geltung, dass er bei wertender Betrachtung den Vorteilen näher steht als der Staat, vgl. jeweils Karpen, AöR 106 (1981), 15 (33 f.). 1018 Dazu Schulte, NVwZ 1989, 545. 1019 Vgl. BGHZ 188, 113 (118). 1020 BGHZ 111, 263 (264) nach BT-Drs. 8/1315 S. 69 f., 72, 137 ff.; BVerwGE 89, 246 (249); auch Karpen, AöR 106 (1981), 15 (33); Kühne, FS Deutsch, S. 206; Hüffer, FS Fabricius, S. 117; auch Zeiler, DB 1986, 417 (417).

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(6) Bedeutung des Verwaltungsverfahrens und Anforderungen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der privatrechtlichen Duldungspflicht Da einerseits die aufgezeigten Steuerungswirkungen nur die Wertkomponente berücksichtigen, andererseits die Zulassung gewisser Abbautätigkeit trotz zu erwartender Schäden geboten ist, kommt die zentrale Bedeutung dem Genehmigungsverfahren und seiner Ausgestaltung zu. Der Ausschluss der privatrechtlichen Ansprüche folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Betriebsplan, sondern aus der allgemeinen Vorrangstellung des rechtmäßig betriebenen Bergbaus.1021 Da sich die Rechtmäßigkeit des konkreten Abbaus aber aus der erteilten Genehmigung ergibt und darüber hinausgehende Abbautätigkeiten nach § 1004 i.V. m. § 823 Abs. 2 BGB, § 48 Abs. 2, § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BBergG abgewehrt werden können, kommt dieser die entscheidende Rolle für die zivilrechtlichen Abwehransprüche zu.1022 Ein behördlicher Zulassungsakt darf nur dann Abwehransprüche umfassend – d.h. mit der Wirkung, dass auch unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Betreiber und Nachbarn verändert werden – ausschließen, wenn die beteiligten Interessen im Einzelfall ermittelt und zu einen noch angemessenen Ausgleich gebracht worden sind.1023 Ob das Betriebsplanverfahren diese Anforderungen erfüllen muss, ist im Verwaltungsrecht jedoch nicht geklärt. Vielmehr ist umstritten, welcher Stellenwert dem Drittschutz des Oberflächeneigentums zukommen soll und welche Interessen dabei einzubeziehen sind.1024 Die im Moers-Kapellen-Urteil angedeutete Linie genügt der genannten Anforderung nicht, weil nach ihr maßgeblich ist, ob die Auswirkungen insgesamt mit einem Gemeinschaden vergleichbar sind. Einzelschäden sind damit generell nur beachtlich, wenn sie große Werte vernichten. Selbst die teils vorgenommene Aufstufung des Werterhaltungs1021 Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG,§ 114 Rdnr. 15; vgl. BVerwG NVwZ 1989, 1162 (1163). – Boldt/Weller, § 8 Rdnr. 9; BGHZ 178, 90 (94) nehmen unter Bezugnahme auf BT-Drs. 8/1315 S. 86 an, der Vorrang ergebe sich aus dem Ausschließlichkeitscharakter der Bewilligung. Dies erscheint aber zweifelhaft, da dann dem Bergbau grundeigener Bodenschätze keine Vorrangposition zukommen könnte; hiergegen spricht jedoch, dass das BBergG hiernach nicht differenziert (wie hier BVerwG NVwZ 1989, 1162 (1163)). 1022 Vgl. Knöchel, ZfB 140 (1999), 224 (225). – Dem Betriebsplan i.V. m. § 48 Abs. 2, § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BBergG kommt wegen des darin verwirklichten Drittschutzes der Charakter eines „Schutzverwaltungsakts“ bzw. „Schutzgesetzes“ zu. Vgl. Hüffer, FS Niederländer, S. 282 ff. 1023 Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1988, 893 (901); Beckmann, DVBl. 1989, 669 (670 f.); Hoppe, DVBl. 1993, 221 (229); ferner oben Teil 3 B.I.2.d)bb)(4); krit. Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1140). – Im o. g. Sinne ist wohl auch BGHZ 110, 17 (23) zu verstehen. Der BGH war dort an der Verneinung der Duldungspflicht nur durch die Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess (OLG Celle ZfB 122 (1981), 447 ff.; LG Hannover ZfB 122 (1981), 456 ff.) gehindert (vgl. Fn. 1090). 1024 Zu den einzelnen Reaktionen zu BVerwGE 81, 329 ff. bereits oben Fn. 988.

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interesses zu einem abwägungsrelevanten Belang oder zu einem zwingenden Versagungsgrund erfüllt die Anforderungen des Grundgesetzes an den Eigentumsprimärschutz nicht.1025 Erforderlich ist vielmehr, dass der Blick von der bloßen Betrachtung des im Eigentum verkörperten Wertes weggeht hin zu einer Beurteilung der Eigentümerinteressen anhand ihrer individualitäts- und freiheitssichernden Funktion, wie sie Art. 14 Abs. 1 GG zugrunde liegt.1026 Im Mittelpunkt der Entscheidung muss stehen, dass der Eigentümer sein gewohntes Objekt und die darin verkörperten Gebrauchsmöglichkeiten verliert und ihm hierdurch Nachteile vielfältiger Art entstehen. Dies gilt auch in den – bei Bergschäden typischen – Situationen schleichender Zerstörung der Gebäude, bei denen regelmäßig keine Körper- oder Gesundheitsschäden drohen.1027 Auch langsam auftretende Schäden können die Funktion des (Grundstücks-, Haus-)eigentums, dem Menschen als angestammter Lebensmittelpunkt zu dienen, aufheben, weil bereits die drohende Einsturzgefahr das Bewohnen unmöglich macht.1028 Im Betriebsplanverfahren müsste daher geprüft werden, ob der drohende Schaden – ungeachtet seiner späteren Ausgleichsbedürftigkeit – auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsinteressen, die im konkreten Fall betroffen sind, eintreten darf. Nur, wenn das verwaltungsrechtliche Entscheidungsfindungsprogramm in formeller und sachlicher Hinsicht dieser zwingenden Anforderung des grundrechtlichen Primärschutzes entspricht, kann ein behördlicher Zulassungsakt eine umfassende Duldungspflicht, die auch die privatrechtliche Beziehung erfasst, nach sich ziehen.1029 Da der Gesetzgeber das Recht und die Aufgabe besitzt, die kollidierenden Interessen vorzugewichten und vorzubewerten,1030 steht es ihm allerdings frei, dem Bergbau ein hohes Gewicht zukommen zu lassen und im Rahmen einer Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzuordnen, dass Auswirkungen kleiner und mittlerer Bedeu-

1025 Vgl. zum Folgenden BVerfGE 114, 1 (43 ff.); 114, 73 (100 ff.). Im Hinblick auf die Bestandsübernahme von Lebensversicherungsverträgen und der Berechnung der Überschussanteile führt das BVerfG aus, dass ein rein „negativer“ Kontrollmaßstab, der nur sicherstellt, dass eine – auch unter Einbeziehung der anderen involvierten Interessen – grobe Vernachlässigung der Privatinteressen unterbleibt, nicht genügt. 1026 Vgl. Stüer, NuR 1985, 263 (266); Beckmann, DVBl. 1992, 741 (746). 1027 Vgl. Schulte, NVwZ 1989, 1138 (1141), der die starke Ausprägung des Drittschutzes im Immissionsschutzrecht und die Nichtübertragbarkeit der dort geltenden Grundsätze damit begründen will, dass es dort auch um die Verhinderung von Gesundheitsschäden geht. Die Behauptung, das Bergschadensrecht befasse sich allein mit Sachschäden, ist aber falsch, wie § 117 Abs. 1 Nr. 1 BBergG deutlich zeigt. 1028 Nicht im Widerspruch hierzu steht OVG Saarlouis ZfB 2004, 128 (135), weil die dort diskutierten Nässeschäden infolge Versumpfung keine akuten Stabilitätsprobleme aufwarfen. 1029 Stüer, NuR 1985, 263 (266, 268); vgl. ferner Hoppe, DVBl. 1993, 221 (225 f.); OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (186). 1030 Vgl. Karpen, AöR 106 (1981), 15 (27).

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tung,1031 d.h. bis zum Erreichen des verfassungsrechtlich zwingend Geforderten, noch hinzunehmen sind. Hierfür ist aber nicht primär der Wert der Sachen entscheidend, sondern die Intensität der Beeinträchtigung des Eigentümers. Die Grenze zwischen kleinen und mittleren zu großen Schäden dürfte dort verlaufen, wo die mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Schäden die Substanz und/oder dessen Nutzbarkeit beeinträchtigen, wie es z. B. bei nicht ohne Weiteres behebbaren Schäden an tragenden Gebäudeteilen der Fall ist.1032 ee) Verfassungskonformität der Anpassungsobliegenheiten Die Obliegenheit des Oberflächeneigentümers, sein Bauwerk hinsichtlich Lage, Stellung und Konstruktion an den Bergbau anzupassen und hierfür – soweit sie unerheblich sind – die Kosten zu tragen (§ 110 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BBergG), stellt ebenfalls eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar.1033 Die Anpassungsobliegenheit selbst lässt sich damit begründen, dass in einem Gebiet, unter dem der Bergbau umgeht, besondere Maßnahmen zur Schadensvorbeugung sowohl aus Sicht des Eigentümers, für den so Schäden in natura vermieden werden können, als auch der des Bergbauunternehmers, der in geringerem Umfang Ersatzansprüchen ausgesetzt wird, vernünftig sind.1034 Problematisch ist demgegenüber, ob dem Oberflächeneigentümer sämtliche Kosten dieser Maßnahmen ersetzt werden müssen.1035 Der Ausschluss der Kostenerstattung lässt sich nicht auf eine Verantwortung des Eigentümers für die Unzulänglichkeit des eigenen Grundstücks zurückzuführen, da bei wertender Betrachtung erst das Hinzutreten des Bergbaus die Schadensanfälligkeit auslöst.1036 Der Gesetzgeber darf allerdings die Entschädigung für Nachteile, die einem Privaten im fremden Interesse auferlegt werden, in dem Umfang kürzen, in dem er auch die Abwehransprüche – im Interesse der Allgemeinheit oder anderer – zulässigerweise ausgeschlossen hat oder ausschließen könnte.1037 Dies gilt nicht nur für die Schäden selbst, sondern in entsprechender Weise auch für Schadensvemeidungskosten. Die volkswirtschaftlichen und priva1031

Vgl. OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (186); Kühne, DVBl. 2010, 874 (881). Wie hier OVG Saarlouis ZfB 139 (1998), 171 (186, 191); kritisch Maunz/Dürig/ Papier, Art. 14 Rdnr. 434 a. E. m.w. N. 1033 Siehe nur BGHZ 111, 263 (264 f.); Finke, ZfB 129 (1988), 40 (50). 1034 Zum Schadenpräventionsgedanken der §§ 110 ff. BBergG Hüffer, JR 1991, 156 (157); ferner oben dd)(5). 1035 So Zeiler, DB 1986, 417 (418 f.), der die Regelung daher für verfassungswidrig hält. 1036 Ähnlich Finke, ZfB 129 (1988), 40 (48); noch schärfer ablehnend Zeiler, DB 1986, 417 (418 f.). – Der BGH hat in Fällen zur Vertiefung (BGHZ 44, 130 (137 f.); BGH NJW 1980, 224 (225)) stets abgelehnt, eine Kostenbeteiligung des gefährdeten Eigentümers allein daraus abzuleiten, dass die Vertiefung im Rahmen der ordnungsgemäßen Nutzung des Nachbargrundstücks erfolgt. 1032

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ten Interessen an der Durchführung des Bergbaus würden eine Duldungspflicht gegenüber Einwirkungen, die nur mit ganz geringfügigen Folgen verbunden sind, und damit auch einen geringfügigen Eigenanteil erlauben.1038 Überdies ist das Interesse des Verursachers, die Reparationsaufwendungen möglichst gering zu halten, in der Rechtsordnung durchgängig als schutzwürdig anerkannt. Dieses Ziel liegt insbesondere § 254 BGB zugrunde, der ein unsorgfältiges Verhalten des Geschädigten sanktioniert (Abs. 1) und ihm gewisse Mühen zur Schadensabwendung auferlegt (Abs. 2).1039 Diese Aspekte rechtfertigen zusammengenommen nicht nur die Obliegenheit zur Anpassung als solche, sondern auch die Pflicht zur (teilweisen) Kostentragung, so dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eingehalten ist.1040 Auswirkungen haben diese Zusammenhänge auf die Interpretation des Begriffs „unerheblich“ in § 110 Abs. 3 BBergG. Da bei wirtschaftlicher Betrachtung weniger unmittelbar die Allgemeinheit als ein anderer Privater (der Bergbauunternehmer) profitiert,1041 erscheint es nur bei wirklich geringfügigen Kosten gerecht, dem Oberflächeneigentümer ein Opfer aufzuerlegen. Dies gebietet eine eher enge Auslegung der Bestimmung.1042 Dagegen ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, ob eine absolute Obergrenze bestehen muss,1043 ob besser auf die Verkehrsanschauung oder auf allgemeine Zumutbarkeitsgesichtspunkte abzustellen ist1044 und wieweit zur Konkretisierung die Einschätzung der beteiligten Verbände als Maßstab herangezogen werden kann1045. 1037 Siehe oben (zu § 906 BGB) S. 258 f. Der Einwand von Finke, ZfB 129 (1988), 40 (49), § 906 BGB sehe keine Kostentragung, sondern nur eine Duldungspflicht vor, geht insoweit ins Leere; vgl. ferner Hüffer, FS Fabricius, S. 129 f. 1038 Vgl. unter Hinweis auf die Situationsgebundenheit, die Sozialpflichtigkeit und die Pflicht zur Duldung unwesentlicher Immissionen nach § 906 Abs. 1 BGB: BT-Drs. 8/1315, S. 139; BGHZ 111, 263 (266 f., 269) Kühne, FS Deutsch, S. 209 f.; Hüffer, FS Fabricius, S. 127 f.; Boldt/Weller, § 110 Rdnr. 23. – Diese Überlegungen sprechen dafür, dass auch bei Überschreiten der Angemessenheitsgrenze ein Sockelbetrag („Grundlast“) vom Bauherrn zu tragen ist; so BGHZ 111, 263 (269); Boldt/Weller, § 110 Rdnr. 25; Hüffer, JR 1991, 156 (158); ders., FS Fabricius, S. 131; a. A. Finke, ZfB 129 (1988), 40 (51). 1039 Auf diese Vorschrift verweist daher zu Recht Finke, ZfB 129 (1988), 40 (47, 48). 1040 Hüffer, JR 1991, 156 (157). 1041 Vgl. oben Teil 2 C.II.2.d)cc). Gegen eine Auslegung als Bagatellklausel aber Hüffer, FS Fabricius, S. 130, der auf die Maßstäbe bei § 906 BGB verweist. 1042 Vgl. Schulte/Piens/Graf Vitzthum, § 110 Rdnr. 37: wohl weniger als bei § 906 BGB; unklar Hüffer, FS Fabricius, S. 128 ggü. S. 130. 1043 Hierfür Finke, ZfB 129 (1988), 40 (45, 50); die gegenteilige Ansicht billigend BGHZ 111, 263 (271). 1044 Für das erstere Finke, ZfB 129 (1988), 40 (45, 50); inhaltlich ebenso Hüffer, FS Fabricius, S. 131; für das zweite BGHZ 111, 263 (271); Schulte/Piens/Graf Vitzthum, § 110 Rdnr. 41. 1045 Hierfür BGHZ 111, 263 (270 f.); billigend Hüffer, JR 1991, 156 (158); ähnlich Boldt/Weller, § 110 Rdnr. 24, die auf Runderlasse der Behörden hinweisen.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

2. Untertagespeicherung Weniger stark von gesetzlichen Regelungen durchdrungen ist die Nutzung des Untergrundes zur Speicherung von Stoffen, insbesondere von Gas. Eine unterirdische Lagerung kann in Porenspeichern, zu denen die antiklinalen Lagerstätten und die Aquiferspeicher gehören, bei denen jeweils poröses Gestein mit dem zu lagernden Gas gefüllt wird, und in Kavernenspeichern, bei denen größere Hohlräume ausgenutzt werden, erfolgen.1046 Neben der seit langem praktizierten unterirdischen Aufbewahrung von Erdgas hat in den letzten Jahren die Nutzung als Endlager für klimaschädliches CO2 an Interesse gewonnen.1047 Kavernenspeicher eignen sich auch als Deponie für Abfälle.1048 Auf die Tiefenspeicherung finden die Regelungen des BBergG zwar insoweit Anwendung, als es um die Zulassung der Betriebsanlagen und die Grundabtretung geht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 u. 2; § 126 Abs. 1 BBergG),1049 doch trifft das BBergG keine Regelungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen der Untergrund unter fremden Grundstücken zu Lagerzwecken genutzt werden darf. Mangels besonderer rechtlicher Regelungen ist daher auf § 905 BGB zurückzugreifen.1050 a) „Interesse an der Ausschließung“ in § 905 S. 2 BGB als zentrales Tatbestandsmerkmal § 905 BGB räumt dem Eigentümer grundsätzlich die Befugnis ein, der Benutzung des Raumes über und unter der Oberfläche seines Grundstücks entgegenzutreten (S. 1), macht dies jedoch von einem „Interesse“ hieran abhängig 1046 Vgl. J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (507 f.); Boldt/Weller, § 126 Rdnr. 4; Kühne, RdE 2009, 14 (16 ff.); Schulz/Reese, RdE 2011, 8 (9); OLG Celle ZfB 122 (1981), 447 (447); LG Hannover ZfB 122 (1981), 456 (456). 1047 Zur Umsetzung der Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 wurde das Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (KSpG) geschaffen. Nach § 10 Abs. 1 KSpG ist danach für Untersuchungsarbeiten die Zustimmung des Oberflächeneigentümers erforderlich, soweit nicht die Benutzung nach § 905 S. 2 BGB erlaufnisfrei ist; § 10 Abs. 5 KSpG sieht jedoch die Möglichkeit vor, dass zuständige Behörde die Zustimmung ersetzt. Für den Betrieb des Speichers selbst schließt nach § 14 KSpG der Planfeststellungsbeschluss private Abwehrrechte aus, soweit solche wiederum wegen § 905 S. 2 BGB überhaupt bestehen (was nach BT-Drs. 17/5750, S. 44, den Regelfall darstelle). Vgl. ferner Schulz/Reese, RdE 2011, 8 (10, 13 f.). 1048 Hierzu Weller, ZfB 129 (1988), 342 ff. 1049 Siehe auch BVerwG 89, 246 (248) (inzident); BGH ZfB 122 (1981), 425 (431 f.) („Wintershall“); BGHZ 110, 17 (20); J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (516 f.); Kühne, RdE 2009, 14 (17). 1050 Vgl. BGHZ 110, 17 (19); J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (508 f., 516 f.) m.w. N.; Kühne, RdE 2009, 14 (17); Boldt/Weller, § 8 Rdnr. 9, § 126 Rdnr. 13; Weller, ZfB 129 (1988), 342 (351). Teils abweichend Schulz/Reese, RdE 2011, 8 (12), die davon ausgehen, dass die Nutzung dem Inhaber einer bergrechtlichen Konzession zustehe.

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(S. 2)1051. Andere Personen dürfen diese Bereiche somit nutzen, soweit ein Ausschließungsinteresse des Eigentümers – insbesondere wegen der großen Höhe bzw. Tiefe – nicht gegeben ist. aa) Allgemeine Voraussetzungen für ein Ausschließungsinteresse Eine Ausschließungsbefugnis nach § 905 S. 2 BGB wird durch jedes schutzwürdige (selbst ein rein ästhetisches) Interesse begründet,1052 das eine Beziehung zum Grundstück und dessen Nutzung selbst aufweist.1053 Das Interesse darf lediglich nicht in bloß subjektiven Empfindungen und Wünschen des einzelnen Eigentümers wurzeln, sondern muss bei Anlegung eines objektiven Maßstabs nachvollziehbar sein.1054 Ein gegenwärtiges Ausschließungsinteresse kann sich dabei auch aus der Möglichkeit einer künftigen Änderung der Umstände oder der Nutzungswünsche ergeben.1055 bb) Kein Erfordernis einer Oberflächenorientierung Entscheidende Auswirkung darauf, ob dem Grundstückseigentümer gegen eine Nutzung des Untergrunds zu Speicherungszwecken Abwehransprüche zustehen, hat die Frage, ob § 905 BGB so zu verstehen ist, dass Ansprüche nach § 1004 BGB nur bestehen, wenn das Verhalten des anderen die Nutzung der Oberfläche tangiert.1056 Unerheblich für die Beantwortung dieser Frage ist, ob – was der Wortlaut der Bestimmung nahe legt – das Eigentum an Grundstücken an sich auf die Erdoberfläche beschränkt ist und § 905 BGB nur den Schutz der Interessensphäre nach oben und unten hin situativ ausdehnt,1057 oder sich das Eigentum selbst auf die 1051 Die Formulierung des § 905 S. 2 BGB geht auf v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (92) zurück, vgl. J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (513, 523). 1052 BGH ZfB 122 (1981), 425 (428); LG Stuttgart ZfB 130 (1989), 153 (155); MünchKomm/Säcker, § 905 Rdnr. 8; zuvor OLG Hamm JW 1927, 2533 (2534). 1053 Dies klarstellend RGZ 123, 181 (182); OLG Kiel SeuffArch Bd. 71 (1916), 154 (155); J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (519); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 10; Weller, ZfB 129 (1988), 342 (352). Diese Voraussetzung fehlt z. B., wenn ein Verhalten zum Zweck der Abwehr eines Konkurrenten verboten werden soll (Trusen, DJZ 1934, 534 (535 f.); Erman/A. Lorenz, § 905 Rdnr. 4). 1054 Vgl. insoweit die Überlegungen zu § 906 Abs. 1 BGB; Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 10; Erman/A. Lorenz, § 905 Rdnr. 5, die jeweils maßgeblich auf die Verkehrsanschauung abstellen (so bereits Trusen, DJZ 1934, 534 (535)). 1055 RGZ 59, 116 (119); 123, 181 (182 BGH NJW 1981, 573 (574); BGH ZfB 122 (1981), 425 (428 f.); BGHZ 125, 56 (64 f.); OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 403 (404); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 10. 1056 So Lindig, AcP 169 (1969); 459 (465); Turner, JZ 1968, 250 (254). 1057 Hierfür Lindig, AcP 169 (1969); 459 (461 ff.); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 2; Turner, JZ 1968, 250 (254), die meist RGZ 132, 398 (399) für diese Auffassung anführen, obwohl diese Aussage dort nicht so klar entnommen werden kann.

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Luftsäule und den Erdkörper erstreckt und § 905 nur Einschränkungen bei der Rechtsausübung anordnet.1058 Entscheidend ist, dass der Charakter des Eigentums als umfassendes Vollrecht, der wegen Art. 14 GG prägende Vorgabe für das einfache Recht ist, eingeschränkt wäre, wenn die Befugnisse zur Nutzung und Ausschließung von vornherein auf den Bereich der Erdoberfläche reduziert wären. Nach herkömmlichem Verständnis erschöpft sich das Eigentum an einem Grundstück nicht darin, dieses zu bebauen oder anderweitig an der Oberfläche zu benutzen, sondern erstreckt sich auch auf dessen Substanz i. S. v. Materie. So gehört die Ausbeutung von Sand- oder Kiesvorkommen – soweit nicht bergrechtliche Sonderreglungen eingreifen – zum anerkannten Inhalt des Eigentums. Die Herrschaft des Eigentümers muss sich daher auch auf die Höhen- und Tiefennutzung beziehen. Eine „Oberflächenorientierung“ kann somit nicht Voraussetzung der negativen Befugnisse sein,1059 weil der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff gebietet, die einfachrechtliche Norm des § 905 BGB in diesem Sinn zu interpretieren.1060 Der Herrschaftsbereich des Eigentümers („Säuleneigentum“) umfasst mithin den gesamten Bereich vertikal (genauer: keilförmig)1061 über und unter der Oberfläche seines Grundstücks. Hierin sind auch Höhlen natürlichen oder künstlichen Ursprungs grundsätzlich eingeschlossen.1062 cc) Entgelterzielungsabsicht als Grund eines Ausschließungsinteresses Von erheblicher praktischer Bedeutung ist weiter, ob sich ein Ausschließungsinteresse i. S. v. § 905 S. 2 BGB daraus ergeben kann, dass der Eigentümer von Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (259 f., 264, 330), sieht im „Grundeigen“ ein – vom Mobiliareigentum verschiedenes – Recht zur Beherrschung eines Raumteils (so auch v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (94 ff.)), das ihm aber nur von Fall zu Fall zukomme (Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (266); gegen ihn Lindig, AcP 169 (1969); 459 (461, 463 f.)). – Die Frage offenlassend mangels praktischer Relevanz Erman/A. Lorenz, § 905 Rdnr. 1. 1058 In diesem Sinn Planck/Strecker, § 905 Anm. 1 m.w. N.; dem Wortlaut nach ferner OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 933 (933). 1059 So ausdrücklich BGH ZfB 122 (1981), 425 (428); ferner BGHZ 146, 98 (102): „vor allem (d.h. nicht nur, T.R.) die Nutzung der Oberfläche“ ist geschützt; J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (514); Soergel/ders., § 905 Rdnrn. 1, 9, 11, 14; Kühne, RdE 2009, 14 (15); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 13; Weller, ZfB 129 (1988), 342 (352); LG Stuttgart ZfB 130 (1989), 153 (155); implizit auch RG JW 1932, 45 (46). 1060 Wie hier insgesamt J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (514). – Ob dieses Ergebnis mittels einer Ausdehnung der Befugnisse des Grundstückseigentümers (so die zuerst dargestellte Sichtweise) oder durch Einbeziehung in das Eigentum selbst bewirkt wird, ist demgegenüber verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. 1061 Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 5; inhaltlich bereits so Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (259, mit Fn. 7). 1062 BGH ZfB 122 (1981), 425 (428); Jauernig/Jauernig, § 905 Rdnr. 1; MünchKomm/Säcker, § 905 Rdnr. 5; Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 5.

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dem anderen für die Gewährung der Nutzung ein Entgelt fordern will. Die vorherrschende Auffassung verneint dies insbesondere deshalb, weil dieses Interesse identisch sei mit dem Interesse, dass die Einschränkungen, die nach § 905 S. 2 BGB kraft Gesetzes hinzunehmen sind, nicht bestehen.1063 (1) Funktion der Ausschließungsbefugnisse für das Eigentum Die Bestimmungen des BGB sollen – wie von Art. 14 Abs. 1 GG garantiert – die umfassende Sachnutzung exklusiv dem Eigentümer zuweisen. Notwendige Voraussetzung dafür, dass kein anderer tatsächliche und wirtschaftliche Vorteile aus dem Sachgebrauch ziehen kann, sind Abwehransprüche gegen Dritte. Insoweit genießt die negative Komponente des Eigentums Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG.1064 Fehlen Abwehrbefugnisse, so dass andere den Gegenstand nutzen können und dadurch die Nutzbarkeit für den Eigentümer mittelbar verringert wird, liegt ein Eingriff vor, der einer Rechtfertigung bedarf. Hieraus folgt allerdings nicht, dass gegenüber Nutzungen, die nur Dritten möglich sind, mangels Gefährdung des Nutzungsmonopols des Eigentümers kein Abwehranspruch bestehen muss. Der Eigentümer muss die Nutzung nicht selbst ausüben, sondern kann sie auch anderen Personen überlassen: Die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit liegt gerade darin, wählen zu können, ob man die der Sache innewohnenden Möglichkeiten durch eigene Nutzung oder – vorübergehende1065 oder dauerhafte1066 – Überlassung an andere nutzt. Aus diesem Grund beinhaltet die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie anerkanntermaßen sowohl den Schutz der Nutzung durch den Eigentümer als auch den Schutz der sich ihm bietenden Möglichkeit, anderen den Sachgebrauch gegen Entgelt zu überlassen und sich so eine finanzielle Basis für die eigene Lebensgestaltung zu schaffen.1067 Dies ist der Auslegung der §§ 903 ff. BGB zugrunde zu legen. Eine klare gegenteilige Entscheidung des Gesetzgebers liegt – ungeachtet der Frage, ob diese möglich wäre – nicht vor. Die Möglichkeit, seine Sache anderen zur ungestörten Benutzung entgeltlich zu überlassen, gehört daher zum Eigentum und kann grundsätzlich ein Ausschließungsinteresse begründen.1068 1063 BGH ZfB 122 (1981), 425 (428); RG WarnR 1926, Nr. 158; RG JW 1932, 45 (46); RG Gruchot 58 (1944), 201 (204); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 11; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 530 m.w. N.; ebenso BGH NJW 1957, 1396 (1397); RGZ 123, 181 (182) m.w. N. bei Hinüberragen in öffentlich gewidmeten Straßenraum. 1064 Ebenso (beiläufig und ohne nähere Begründung) BVerfGE 101, 54 (75); oben Teil 3 B. 1065 Wie meist bei obligatorischen Gebrauchsüberlassungsverträgen. 1066 Wie meist bei der Einräumung beschränkter dinglicher Rechte gegen Entgelt. 1067 BVerfGE 98, 17 (35); 101, 54 (75); BVerfG VIZ 2001, 330 (331); ähnlich bereits BVerfGE 79, 292 (304). 1068 Ebenso BGH NJW 1981, 573 (574); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 12; vgl. auch LG Stuttgart ZfB 130 (1989), 153 (155).

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(2) Mangelnder Bedarf nach einem Abwehranspruch bei fehlender Möglichkeit zur Ausübung bestimmter Nutzungen Vergleicht man § 905 S. 2 BGB mit § 906 Abs. 1 S. 1 BGB, fällt auf, dass die zuerst genannte Bestimmung ausschließlich darauf abstellt, ob schutzwürdige Interessen des Eigentümers vorhanden sind.1069 Eine Abwägung mit entgegenstehenden privaten – und u. U. hinzutretenden öffentlichen – Belangen ist nach dem Normwortlaut nicht vorzunehmen.1070 Das Ausschließungsinteresse des Eigentümers kann somit, wenn es nur überhaupt beachtlich ist, nicht überwunden werden. Dieser Unterschied entbehrt nicht der inneren Rechtfertigung: Anders als bei § 906 BGB kollidieren nicht zwei (im Grunde gleichberechtigte) Eigentumsrechte, sondern das Eigentum mit einem artverschiedenen Betätigungsinteresse. Dieses genießt zwar i. d. R. ebenfalls den Schutz durch Grundrechte (Art. 12 oder Art. 2 Abs. 1 GG), doch hat der Gesetzgeber diesem die Eigentumsnutzungsfreiheit – in nicht zu beanstandender Weise – generell vorgezogen, sobald ein Interesse hieran überhaupt vorhanden und schutzwürdig ist. Die in § 905 S. 2 BGB enthaltene Einschränkung der Ausschließungsbefugnis des Eigentümers lässt sich damit nur mit dem Gedanken des „unschädlichen Nutzens“ (innoxia utilitas) erklären: Jeder Bürger ist verpflichtet, dem anderen das zu gewähren, was er selbst ohne Schaden und eigene Mühe bereitstellen kann, aber dem anderen nützlich ist.1071 Die Vorschrift des § 905 S. 2 BGB basiert insofern auf der gleichen Grundüberlegung wie § 226 BGB.1072 Da die Abwehrbefugnisse dem Eigentümer die Möglichkeit zu den sich bietenden Nutzungen sichern sollen,1073 müssen negatorische Ansprüche nicht gegeben sein, wenn eine Möglichkeit zur Nutzung durch ihn insoweit nicht gegeben ist.1074 Abwehransprüche dürfen daher ohne Verstoß gegen Art. 14 GG fehlen, wenn eine Nutzung weder unmittelbar durch den Eigentümer selbst noch durch Überlassung an andere ausgeübt werden kann (d.h. tatsächlich oder wirtschaftlich un1069

Dies bemerkend auch J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (514); RGZ 59, 116

(118). 1070

Für eine solche aber Mosich, JhJb 80 (1930), 255 (265 ff.). Vgl. Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 1. Buch Kap. 8 § 4; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Einteilung der Rechtslehre, B, (S. 238). 1072 Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 49, 12 (S. 215); vgl. ferner J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (523); Staudinger/O. Werner (2001), § 226 Rdnr. 11; RGZ 59, 116 (118). 1073 Vgl. oben Teil 3 B. und soeben (1). 1074 Vgl. v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (90 ff.). – Dieser Gesichtspunkt hatte in den bisher beleuchteten Konstellationen keine Bedeutung: Da der Besitz Voraussetzung des Sachgebrauchs ist, besteht für den Anspruch aus § 985 BGB quasi stets ein Interesse; in den von § 906 BGB erfassten Fällen ist durch das Merkmal „nicht oder nur unwesentlich“ sichergestellt, dass ein Abwehranspruch nur bei typischerweise gegebenen Nachteilen für den Eigentümer besteht. 1071

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möglich ist) oder darf (d.h. rechtlich unmöglich ist).1075 Die Möglichkeit eines Sachgebrauchs durch den Eigentümer muss dabei jeweils sicher ausgeschlossen werden können. Nur wenn jedes (schutzwürdige) Interesse zu verneinen ist1076 bedeutet die Duldungspflicht keinen Nachteil für den Eigentümer. Praktisch kommen damit in den Genuss der Ausnahme des § 905 S. 2 BGB (nur) solche Arten der Nutzung, die der Eigentümer auf seinem Grundstück allein nicht sinnvoll ausüben könnte und für deren Übertragung er deshalb auch kein nennenswertes Entgelt fordern könnte. In diesen Fällen wären bei einer eigenen Nutzung die Investitionskosten und bei einer Überlassung an andere, die entsprechende Nutzungsrechte an mehreren Grundstücken erwerben wollten, die Transaktionskosten unverhältnismäßig hoch. Die Verweigerung der Zustimmung stünde dann in der Nähe eines Rechtsmissbrauchs, den § 905 S. 2 BGB gerade verhindern soll.1077 In den übrigen Fällen, d.h. bei einer irgendwie denkbaren Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers, bleibt es dagegen bei dessen umfassender Ausschließungsmacht. (3) Folgerungen für die rechtliche Zulässigkeit der Untertagespeicherung Ein Interesse des Eigentümers, die Untertagespeicherung o. ä. zu verbieten, ist nach diesen Grundsätzen gewöhnlich nicht gegeben: Der Aufwand für die Errichtung der erforderlichen Anlagen wäre im Verhältnis zu dem Lagerraum, der sich unter einem einzelnen Grundstück bietet, und zu den damit erzielbaren Einnahmen zu hoch, als dass ein einzelner Eigentümer einen Speicher wirtschaftlich betreiben könnte. Da die unterirdischen Hohlräume regelmäßig anders abgegrenzt sind als die Oberflächengrundstücke,1078 wären zudem Abtrennungsmaßnahmen im Untergrund nötig. Bei Porenspeichern ist dies sogar unmöglich.1079 Aufgrund dieser Umstände wäre auch ein Dritter kaum bereit, einen nennenswerten Betrag dafür zu bezahlen, den Untergrund unter einem einzelnen Grundstück nutzen zu dürfen. Der praktische Aufwand, um die Nutzungsrechte aller Oberflächeneigentümer eines Gebietes zu erhalten (Transaktionskosten), wäre umgekehrt recht hoch. Zusätzlich bestünde die Gefahr, dass sich ein Inhaber eines der 1075 Ebenso J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (523 f.); Soergel/ders., § 905 Rdnr. 13; der ein Interesse nur verneinen will, wenn der Eigentümer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an einer eigenen Nutzung gehindert ist; dem folgend Weller, ZfB 129 (1988), 342 (353 f.); teils anders (noch zum römischen Recht) v. Jhering, JhJb. 6 (1863), 81 (92). 1076 So die Formulierung von RGZ 59, 116 (118); vgl. auch OLG Düsseldorf NJWRR 1991, 403 (404); Mot. III, 264. 1077 Vgl. auch J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (523); RGZ 59, 116 (118): rücksichtslose Ausbeutung des Verbietungsrechts. 1078 Vgl. auch die entsprechende Überlegung zur Himmelsreklame bei Mandl, DJZ 1933, Sp. 1116 (1117). 1079 Sie wären auch allenfalls bei Kavernenspeichern technisch und wirtschaftlich möglich, vgl. J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (528).

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Grundstücke ein übermäßiges Entgelt ausbedingt, das der Unternehmer, der bereits von anderen Eigentümern Nutzungsrechte erworben hat, zwangsläufig leisten würde, um seine übrigen Investitionen nicht vergeblich werden zu lassen (sog. „Akkordstörer-“ oder „hold out“-Position).1080 § 905 S. 2 BGB beugt derartigen erzwungenen wirtschaftlich unsinnigen Abmachungen vor, indem er rechtsgeschäftliche Gestattungen der einzelnen Eigentümer entbehrlich macht. Zugunsten der Ausnutzung der technischen Möglichkeiten im Bereich der Untergrundnutzung streitet heute wiederum auch ein öffentliches Interesse, da sie dem Bodenverbrauch entgegenwirkt. Die Regelung wirkt sich ferner positiv für diejenigen Privaten aus, die über das entsprechende Knowhow verfügen, da sie ihre Techniken anwenden und zur Grundlage einer Erwerbstätigkeit machen kann. Gemessen an der – wegen der Höhe über oder Tiefe unter dem Grundstück nahezu zwangsläufig – geringen oder nicht feststellbaren Beeinträchtigung des Eigentümers stellt sich § 905 S. 2 BGB damit als eine in jeder Hinsicht sachgerechte Regelung dar. Wegen § 905 S. 2 BGB ist daher ein Ausschließungsinteresse gegenüber der Untergrundspeicherung meist zu verneinen, da eine realistische Möglichkeit einer Tiefennutzung allein durch den Eigentümer fehlt. Anders kann der Fall jedoch z. B. liegen, wenn es dem einzelnen Eigentümer tatsächlich und rechtlich möglich ist,1081 selbst einen Speicher sinnvoll zu betreiben; dies setzt praktisch voraus, dass ihm weitreichende zusammenhängende Gebiete gehören1082 oder sich die Eigentümer der Grundstücke über den jeweiligen Untergrundformationen zu Gemeinschaften, Genossenschaften o. ä.1083 zusammenschließen. dd) Vermeidung von Schäden als Grund eines Ausschließungsinteresses Neben dem Interesse an einer eigenen Nutzung kann sich ein Verbietungsinteresse auch daraus ergeben, dass die beabsichtigte Nutzung mit Gefahren für Sachen an der Oberfläche und für dort lebende Personen verbunden ist,1084 oder 1080 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 539 ff.; Maultzsch, JbJgZivRW 2005, 57 (65 f.); ders., Zivilrechtliche Aufoperungsansprüche, S. 174 ff. (mit der weiteren Bemerkung, dass jeder Eigentümer den Vertragsschluss lange hinauszögern würde, um in diese Position zu gelangen, so dass ein „Gefangenen-Dilemma“ entsteht); zur vergleichbaren Situation bei § 912 BGB Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 51. 1081 Vgl. die Kriterien bei J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (523 f.). 1082 Ebenso J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (528). BGH ZfB 122 (1981), 425 (429) bejaht das Ausschließungsinteresse im Hinblick auf unterirdische Kavernen bei einem Grundstück von 1,5 ha Größe (ablehnend Boldt/Weller, § 126 Rdnr. 13). 1083 Die Eigentümer der Grundstücke über einer Untergrundformation stehen nicht im Wettbewerb zueinander (vgl. § 1 GWB), da die Marktgegenseite nicht entweder mit dem einen oder dem anderen kontrahieren kann, sondern entweder mit allen oder mit keinem von ihnen kontrahieren muss. 1084 J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (529); Soergel/ders., § 905 Rdnr. 14; Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 14; OLG Hamm JW 1927, 2533 (2533). Siehe auch

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dass die Eigentumsnutzung an der Oberfläche behördlicherseits eingeschränkt werden könnte, um Gefahren, die ansonsten von der untertägigen Benutzung drohen würden, zuvorzukommen.1085 Sobald der Oberflächeneigentümer zum Schutz eigener Rechte und Rechtsgüter oder aus Gründen der Rücksichtnahme auf eine ihm mögliche und zulässige Form des Sachgebrauchs verzichten müsste, entsteht daher ein Ausschließungsinteresse,1086 das sich gegen das Nutzungsinteresse des anderen durchsetzt.1087 Entsprechend der Intention und dem Ausnahmecharakter des § 905 S. 2 BGB muss hierbei der Betreiber des Speichers erforderlichenfalls beweisen, dass seine Tätigkeit weder Gefahren für den Oberflächeneigentümer begründet noch zu Einschränkungen für diesen führt. b) Erfordernis eines finanziellen Ausgleichs für die Mitbenutzungsbefugnis Darf ein anderer wegen § 905 S. 2 BGB den Untergrund unter einem Grundstück für eigene Zwecke nutzen, stellt sich die Frage, ob dem Eigentümer des Grundstücks als Ausgleich ein Entschädigungsanspruch gegen diesen zusteht. aa) Verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch für Schäden Unter dem Aspekt der Aufopferung können Ausgleichsansprüche geboten sein, wenn einem Dritten ein schadensträchtiges Verhalten erlaubt wird. Die Duldungspflicht aus § 905 S. 2 BGB entfällt, sobald ein Ausschließungsinteresse des Grundstückseigentümers gegeben ist, insbesondere, weil Schäden OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1421; NZM 2007, 582 (583); RGZ 59, 116 (119 f.) und die Nachweise in Fn. 1193 zu Gefahren durch über dem Grundstück befindliche Gegenstände (insbes. Kranausleger und daran hängende Lasten): Ausreichend sind bereits Befürchtungen, auch wenn sie objektiv und sachlich nicht begründet sind, sofern sie nur auch von vernünftigen Personen geteilt werden (noch weiter OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 91). – Vgl. ferner OVG Münster BauR 2003, 1182 ff.: künstlicher Röhrenspeicher mit 500 t Fassungsvermögen unter einem Kfz-Parkplatz; wegen Gefahrenpotential bauplanungsrechtliche Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB (a. F.; jetzt Abs.7) fehlerhaft. 1085 J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (529). – Diese Konstellation ähnelt der in § 15 Abs. 1 S. 2 2. Alt BauNVO. 1086 Vgl. OLG Celle ZfB 122 (1981), 447 (449); LG Hannover ZfB 122 (1981), 456 (458). 1087 Da eine privatrechtswirksame Präklusionsvorschrift fehlt, bleiben zivilrechtliche Abwehransprüche somit auch bei Erteilung eines Betriebsplans bestehen, vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 150 f. Der Betreiber des Untertagespeichers verfügt somit nach der derzeitigen Rechtslage nicht über eine geschützte Position, obwohl dies angesichts des großen Investitionsaufwandes sinnvoll sein könnte. Ein solcher Schutz kann nur durch ein entsprechendes rechtliches Sonderregime verwirklicht werden (vgl. J. F. Baur, ZHR 150 (1986), 507 (511, 516 f., 530 f.); Soergel/ders., § 905 Rdnr. 7). – Im Fall BGHZ 111, 17 ff. resultierte der Bestandsschutz nur aus der „Gemeinwichtigkeit“ (vgl. Fn. 1090).

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für das Oberflächeneigentum drohen. Hieraus folgt zwanglos, dass ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch unter diesem Gesichtspunkt nicht geboten ist: Da der Eigentümer die Unterlassung gefährlicher Tätigkeiten fordern kann, ist sein Abwehranspruch nicht aus rechtlichen Gründen als Folge einer Interessenabwägung versagt.1088 Ist die Schadenseignung des unter dem Grundstück ausgeübten Verhaltens lediglich aus tatsächlichen Gründen unerkannt geblieben1089 oder konnten Abwehransprüche nur nicht zügig genug verwirklicht werden, gilt wiederum, dass Entschädigungsanspruche analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zugesprochen werden können1090. bb) Ausgleich für die Benutzung als solche Ein Ausgleichsanspruch für die Befugnis zur Tiefennutzung könnte ferner auf die Überlegung gestützt werden, dass derjenige, der in den Genuss des § 905 BGB kommt, einen Teil des dem Eigentümer umfassend zugewiesenen Nutzungsrechts wahrnimmt.1091 Als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums muss § 905 S. 2 BGB dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen, was bedeuten könnte, dass dem Eigentümer ein Anspruch zustehen muss, mit dem er diese 1088 Ebenso Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnrn. 39 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 3. 1089 Vgl. zur Hinweispflicht nach § 126 Abs. 1 S. 2 BBergG Boldt/Weller, § 126 Rdnr. 15. Mit Recht hielt es die Begründung zum inhaltsgleichen Art. 2 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über die behälterlose Speicherung von Gas (v. 25.10.1966, GVBl. A S. 335, abgedruckt ZfB 108 (1967), 370 ff.) für billig und auch von Art. 14 GG geboten, den betroffenen Eigentümern durch Hinweise in Tageszeitungen über die beginnende Speicherung in Kenntnis zu setzen, damit dieser die möglicherweise bestehenden Ansprüche aus §§ 905, 1004 BGB prüfen kann. 1090 So aber i. E. Erman/A. Lorenz, § 905 Rdnr. 9; Jauernig/Jauernig, § 905 Rdnr. 6; MünchKomm/Säcker, § 905 Rdnr. 19; vgl. ferner OLG Bremen OLGZ 1971, 147 (148, 151). – In BGHZ 111, 17 (23 f.) wurde zwar ein Ausgleichsanspruch dafür gewährt, dass der Oberflächeneigentümer Nutzungseinschränkungen hinnehmen musste, um nicht die Sicherheit eines dicht darunter befindlichen Gasspeichers zu gefährden. Die Duldungspflicht ergeb sich in casu aber daraus, dass der Betrieb des Speichers als gemeindienlich erachtet wurde (der Abwehranspruch war mit dieser Begründung bereits im Vorprozess rechtskräftig abgewiesen worden, vgl. OLG Celle ZfB 122 (1981), 447 (449 f.); LG Hannover ZfB 122 (1981), 456 (458); BGHZ 111, 17 (23)). Die Ausgleichspflicht ergab deshalb aus den Grundsätzen zur „Duldungspflicht bei gemeindienlichen Anlagen“, nicht aus § 905 S. 2 BGB (ebenso das Verständnis von Bitzer, DZWir 1995, 367 (371); Erman/A. Lorenz, § 905 Rdnr. 9 u.; Hagen, FS Lange, S. 498; Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 41, sowie in BGHZ 157, 188 (191); 178, 90 (97): „bergrechtliche Betriebserlaubnis“). 1091 Die tatsächliche Ausnutzung von Befugnissen, die dem Rechts(guts)inhaber zugewiesen sind, durch andere begründet einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, siehe oben Teil 3 A.II.4. In diesem Sinn OLG Stuttgart NJW 1994, 739 (741) (eine Duldungspflicht aus dem nachbarlichem Gemeinschaftsverhältnis erwägend); Bitzer, DZWir 1995, 367 (372). Vgl. ferner v. Caemmerer, FS Rabel Bd. 1, S. 358 f. m.w. N.; Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 12, 49 (S. 214 f.); Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 11; Schulz/Reese, RdE 2011, 8 (12 f.).

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(an sich ihm zustehenden) Vorteile abschöpfen kann, weil sonst keine insgesamt verhältnismäßige Regelung gegeben wäre. Soweit § 905 BGB ein Benutzungsrecht anderer gewährt, sind wegen der beschriebenen Normtatbestands Belange, die den Schutz des Art. 14 GG genießen und zusammen mit dem Aufopferungsgedanken Ausgleichansprüche auslösen könnten, auf der Seite des Eigentümers nicht vorhanden. Anders als etwa bei § 904 BGB1092 findet somit keine Vorrangentscheidung zwischen kollidierenden Interessen statt, bei der eine Entschädigung für das zurücktretende Interesse als „Sonderopfer“ zu leisten wäre; der Eigentümer wurde lediglich in seine Grenzen zurückgewiesen, weil es an einem schützenswerten Eigeninteresse fehlt.1093 Eine Basis für eine Entschädigungspflicht aufgrund einer Aufopferung von Befugnissen ist daher nicht gegeben.1094 3. Durchführung von Leitungen zu Zwecken der Telekommunikation a) Grund und verfassungsrechtliche Einordnung der Sonderregelungen Besondere rechtliche Regelungen für die Mit-Nutzung fremder Grundstücke enthalten schließlich § 68 und § 76 TKG (§§ 50, 57 TKG a. F.1095), die Durchleitungsrechte für ober- oder unterirdisch geführte Telekommunikationslinien i. S. v. § 3 Nr. 26 TKG1096 vorsehen.1097 1092

Vgl. auch zur Nutzung des Luftraums unten 4. Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 39; ähnlich auch Wieling, Sachenrecht, § 23 I 1 b; Soergel/J. F. Baur, § 905 Rdnr. 18; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 3; Mot. III, 264; vgl. ferner Palandt/Bassenge, § 905 Rdnr. 5, § 906 Rdnr. 42. 1094 Der Hinweis von Bitzer, DZWir 1995, 367 (372), der Nutzer erhalte Vorteile, greift ebenfalls nicht durch: Er erhält sie nicht auf Kosten des Eigentümers. 1095 Das TKG wurde mit Wirkung zum 26.6.2004 neu gefasst. § 50 TKG a. F. entspricht § 68 TKG n. F., § 57 TKG a. F. dem § 76 TKG n. F. Sachlich wurde nur § 76 TKG geringfügig geändert (dazu bei Fn. 1105), so dass in dieser Arbeit im Folgenden stets die neue Gesetzesnummerierung verwendet werden, auch wenn sich die Zitate aus Rechtsprechung und Literatur auf die frühere Fassung beziehen. 1096 „Telekommunikationsleitungen“ i. S. d. § 3 Nr. 18 TKG a. F. 1097 Diese Fälle sollen hier ausschließlich untersucht werden. Die weiteren unter dem Stichwort „Durchleitung“ behandelten Konstellationen – insbes. die Durchleitung von Gas oder Strom durch bestehende Rohr- bzw. Leitungssysteme, die im Eigentum von Konkurrenzunternehmen mit ehemaligem Gebietsmonopol stehen – weisen spezielle Fragen kartellrechtlicher Art auf, vgl. etwa Papier, BB 1997, 1213 ff.; Schmidt-Preuß, AG 1996, 1 (5 ff.); ferner Herdegen, FS BVerfG, S. 290. – Weitgehend übertragbar sind die hier anzustellenden Überlegungen auf die Durchführung von Leitungen durch Grundstücke, um diese oder andere Grundstücke an Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen anschließen zu können. Für die Versorgung mit elektrischer Energie statuiert § 12 NAV eine entschädigungslose Duldungspflicht für Leitungsanlagen des Niederund Mittelspannungsnetzes; entsprechende Regelungen bestehen für Gas- (§ 12 NDAV), Wasser- (§ 8 AVBWasserV) und Fernwärmeleitungen (§ 8 AVBFernwärmeV). Voraussetzung des Durchleitungsrechts ist jeweils, dass das Grundstück selbst angeschlossen 1093

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Die anlässlich der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes geschaffenen Durchleitungsrechte des TKG sollen (v. a. „neuen“) Telekommunikationsbetreibern eine reelle Chance zum Aufbau eigener Netze eröffnen und so einen effektiven Wettbewerb in diesem Bereich ermöglichen.1098 Dies verlangt ein Recht zur Leitungsführung durch privat genutzte1099 Grundstücke. Die besonderen Regelungen in § 76 TKG sind erforderlich, weil Telekommunikationsleitungen typischerweise relativ nah unter der Erdoberfläche verlegt werden und daher ein schützenswertes Ausschließungsinteresse i. S. v. § 905 S. 2 BGB nahezu stets gegeben ist.1100 In die Regelungssystematik des Art. 14 GG sind die Duldungspflichten des § 76 Abs. 1 TKG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen einzuordnen,1101 weil sie lediglich die Vereinbarkeit der im Grundeigentum enthaltenen Befugnisse mit Allgemeinwohlbelangen herstellen sollen. Der Reduzierung der Eigentümerbefugnisse im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationssektors kommt zwar ein gewisser Maßnahmecharakter zu, doch beruht dies allein darauf, dass bisher nicht der Privatwirtschaft zugängliche Tätigkeiten für private Anbieter geöffnet worden sind und daraus weiterer Handlungsbedarf resultierte. Die Regelung ist damit nicht auf ein einmaliges, sachlich begrenztes Projekt beschränkt, sondern gilt auf unabsehbare Zeit und für eine Vielzahl von Fällen. Die ausgeist, vgl. jeweils Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnrn. 17, 29, 33; Gieseke, FS Hedemann, S. 110 ff.; BGH NJW 2010, 2802 (2802 f.). 1098 BT-Drs. 13/3609, S. 1 f., 33 f., 50; BGHZ 145, 16 (25); 149, 213 (218); BGH MMR 2002, 305 (306 f.); MMR 2005, 690 (691); Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (309); Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 1; Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1053 f., 1062); Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (200 f.), je auch zu den EGrechtlichen Vorgaben; Möller, RdE 1999, 217 (223). – Die Duldungspflichten setzen nicht voraus, dass die Telekommunikationsleitungen „öffentlich“ sind, vgl. Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1057); Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 8; Möller, RdE 1999, 217 (219). 1099 Ihnen stehen die öffentlich gewidmeten Verkehrsflächen gegenüber, die in den §§ 68–75 TKG behandelt sind, vgl. Hoeren, MMR 1998, 1 (1 f.); Möller, RdE 1999, 217 (218); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1054); Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 2. – Eine Kommunalverfassungsbeschwerde gegen § 50 TKG a. F. ist nicht zur Entscheidung angenommen worden, BVerfG NVwZ 1999, 520; vgl. auch VG Regensburg MMR 1998, 616 (616 ff.); ausführlich Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 50 Rdnrn. 7 ff. Ein Rangverhältnis zwischen der Inanspruchnahme öffentlicher Wege und privater Grundstücke besteht nicht, Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (310) m.w.N 1100 Vgl. Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1057); BGHZ 125, 56 (63, 64); ferner die Rechtsprechungsübersicht bei Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 14. – Die Verlegung von Kabeln ist auch ohne besonders großen wirtschaftlichen Aufwand möglich, weshalb der Eigentümer nicht von vornherein an einer Ausnutzung der sich ihm bietenden Möglichkeiten aus tatsächlichen Gründen gehindert wäre, vgl. die Überlegungen oben B.III.2.a)cc)(2). 1101 Ebenso BVerfG NJW 2000, 798 (799); NJW 2001, 2960 (2961); NJW 2003, 196 (197); NJW-RR 2005, 741 (742); BGHZ 145, 16 (26); BGH NJW-RR 2002, 950; Herdegen, FS BVerfG, S. 290; Kube, JZ 2001, 944 (948); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1060); Schuster, MMR 2000, 89 (90).

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schlossenen Befugnisse sind im Vergleich zu den verbleibenden auch nicht so bedeutsam, dass nur das Mittel der Enteignung in Betracht kommt.1102 Als Ausgleich für diese Duldungspflichten sehen § 76 Abs. 2 S. 1 u. 2 TKG eine Geldentschädigung vor;1103 ferner steht dem Eigentümer ein Schadensersatzanspruch für Schäden an Grundstück und Zubehör zu (S. 3).1104 Diese Ansprüche richten sich nunmehr1105 gegen den Betreiber und gegen den Eigentümer des Leitungsnetzes als Gesamtschuldner (S. 1 u. 4). b) Ausweitung bestehender anderweitiger Gestattungen zur Unterhaltung von Leitungen, § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG aa) Regelungsinhalt und Anwendungsbereich Von den beiden Alternativen des § 76 Abs. 1 TKG ist die in Nr. 1 genannte die speziellere,1106 aber praktisch bedeutsamere. Nach ihr darf, wer auf einem fremden Grundstück eine Leitung zum Zweck des Transports von Energieträgern (praktisch Öl- oder Gaspipelines oder Hochspannungsleitungen) unterhalten darf,1107 auch Telekommunikationsleitungen einbringen und betreiben oder zum Betrieb überlassen. Auf diese Weise sollen die bestehenden weiträumigen Leitungstrassen der Energieversorgungsunternehmen zum Aufbau neuer Telekommunikationsleitungsnetze genutzt werden können.1108 Ein Verbietungsrecht steht 1102

Vgl. zu den Duldungspflichten für Wasser- und Abwasserleitungen nach Art. 24 Abs. 2 S. 3 GO i.V. m. kommunalen Satzungen Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 242 ff.; BayVGH (22. Senat) BayVBl. 1995, 52 (53): Ausgestaltung einer im eigenen Interesse des Grundstückseigentümers liegenden Sozialpflichtigkeit; ebenso BVerwG NVwZ 2007, 707 (707) zu § 128 Abs. 1 NWWassG; anders dagegen BayVGH (4. Senat) BayVBl. 1995, 54 (54); BayVBl. 1993, 53 (53 f.); vgl. auch Kraft, BayVBl. 1994, 97 (104 f.), der anhand der Verselbstständigungsfähigkeit abgrenzt, sowie Gieseke, FS Hedemann, S. 110 ff. zu Nr. III 3 AVElt. 1103 Zur Einordnung als Entschädigungs-/Ausgleichsregelung und dem Charakter als Aufopferungshaftung vgl. BGH NJW-RR 2002, 950 (950); MMR 2005, 690 (692). 1104 Richtigerweise sind nach S. 1 nur die Nachteile zu behandeln, die sich aus einer laufenden Nutzungsbeschränkung (z. B. innerhalb des Schutzstreifens) ergeben; für alle Folgen der körperlichen Einwirkung ist Schadensersatz nach S. 3 zu geben. 1105 Zur früheren Rechtslage und den daraus resultierenden praktischen Problemen Wendlandt, MMR 2004, 297 (298); AG Dortmund MMR 2003, 603 (604 f.); BGH MMR 2005, 690 (690 ff.); MMR 2005, 835 (835 f.). 1106 BGHZ 145, 16 (22). 1107 Für § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG genügen an sich rein schuldrechtliche Gestattungen (Ellinghaus, CR 1999, 420 (423); Möller, RdE 1999, 217 (219); Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 25; Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 3), doch sind sie seltener anzutreffen als Dienstbarkeiten. Da sich keine Unterschiede ergeben, gelten die Ausführungen entsprechend. 1108 BGHZ 145, 16 (26); 149, 213 (218 f.); BGH MMR 2005, 690 (691); OLG Düsseldorf NJW 1999, 956 (956); Möller, RdE 1999, 217 (219); Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (202); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1059 f.).

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dem Eigentümer nur zu, wenn die Benutzbarkeit seines Grundstücks durch die hinzukommende Telekommunikationsnutzung dauerhaft zusätzlich eingeschränkt wird. Der Tatbestand des § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG erfasst sowohl die Fälle, in denen die bestehende Dienstbarkeit das Recht umfasst, innerhalb der Leitungstrasse eine Telekommunikationsleitung zur Überwachung und Steuerung des Energieträgerflusses zu betreiben,1109 als auch die, in denen eine derartige Regelung nicht besteht. Im ersten Fall erlaubt die Dienstbarkeit als solche nur dann, eine Telekommunikationsleitung zu führen, wenn ein finaler, funktionaler Zusammenhang zwischen ihr und der Hauptleitung für den Energieträger besteht; § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG bewirkt hier, dass ein funktionaler Bezug der Telekommunikationsleitung zur Hauptleitung nicht mehr erforderlich ist und auch Leitungen für Zwecke außerbetrieblicher Art gestattet sind.1110 Darüber hinaus erfasst § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG nach dem Willen des Gesetzgebers auch Dienstbarkeiten für Energieleitungen, die selbst eine solche beschränkte Telekommunikationsnutzung nicht vorsehen;1111 hier führt die Bestimmung zu einer erheblichen Erweiterung des Inhalts der vorhandenen Dienstbarkeit. bb) Verfassungsrechtliche Untersuchung der Ausweitung der Duldungspflicht Die Duldungspflicht des § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG setzt voraus, dass die Leitung zu keiner dauerhaften zusätzlichen Einschränkung der Nutzbarkeit führt. Dieser wertungsoffene Begriff bedarf der Konkretisierung und Ausfüllung, womit die Verantwortung dafür, dass es nicht zu unzumutbaren Eingriffen in das Eigentum kommt, weitgehend von der Legislative auf die Judikative verlagert ist.1112 Eine „dauerhafte zusätzliche Einschränkung“ liegt nicht vor, wenn der Eigentümer sein Grundstück nach der Einbringung und während des Betriebs der Leitung in gleicher Weise und im gleichen Umfang nutzen kann wie zuvor.1113 Einschränkungen der genannten Art sind demgegenüber denkbar, wenn der Bereich 1109

Siehe nur Hamm, MMR 1999, 165 (168). Vgl. BGHZ 145, 16 (21); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1058 f.); ferner OLG Frankfurt MMR 1999, 161 (163). 1111 Vgl. BGHZ 149, 213 (216 f.); Ellinghaus, CR 1999, 420 (424 f.); Hamm, MMR 1999, 165 (167); Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (309); Möller, RdE 1999, 217 (220); die Sicht des BGH bestätigend BVerfG NJW 2003, 196 (197). 1112 Im Mittelpunkt der ergangenen Entscheidungen des BVerfG stehen dementsprechend weniger die Normen des TKG selbst als deren Auslegung und Anwendung durch die Zivilgerichte. Der Prüfungsmaßstab ist allerdings identisch (dazu bereits allgemein Teil 2 C.I.5.). Vgl. BVerfG NJW 2000, 798 (799, 800); NJW 2001, 2960 (2961); NJW 2003, 196 (197 f.) sowie BGHZ 145, 16 (27). 1113 BVerfG NJW 2000, 798 (800); NJW 2003, 196 (198); Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 34. 1110

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über der Leitungstrasse nicht mehr wie bisher beliebig und gefahrlos benutzt werden kann [dazu bei (1)]. Unter dem Aspekt, dass § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG das an sich gegebene Ausschließungsrecht (die negativen Befugnisse) gegen von der rechtsgeschäftlichen Gestattung nicht erfasste Nutzungen teilweise entfallen lässt, sind ferner zwei weitere Anknüpfungspunkte für einen Eigentumseingriff denkbar: Zum einen kann durch die zusätzlich verlegte Leitung das Betreten und die Durchführung von Arbeiten am Grundstück in erhöhtem Umfang erforderlich werden, was mittelbar zu einer Beeinträchtigung der positiven Befugnisse des Eigentümers führen kann [dazu unter (2)]. Zum anderen erhält die Dienstbarkeit für ihren Inhaber durch die Ausweitung des Inhalts einen neuen, zusätzlichen Wert, ohne dass der Eigentümer hieran teilhaben kann [dazu bei (3)]. (1) Verminderung faktischer Nutzungsmöglichkeiten durch die Leitung selbst Aus möglichen Einschränkungen der praktischen Benutzbarkeit des Flächenstreifens über und parallel zur verlegten Leitung ergeben sich keine rechtserheblichen Einschränkungen der Nutzbarkeit des Grundstücks. Besonders klar ist dies, wenn – wie häufig – in der Vereinbarung zwischen Energieversorgungsunternehmen und Grundstückseigentümer neben dem eigentlichen Benutzungsrecht geregelt ist, dass der Eigentümer innerhalb eines Flächenbereichs beidseitig parallel neben der eigentlichen Pipeline (dem sog. Schutzstreifen) keine Grabungen vornehmen, keine baulichen Anlagen errichten, keine Gegenstände ablagern und keine tiefwurzelnden Bepflanzungen anlegen darf.1114 Ein derartiges Pflanz- und Bauverbot führt dazu, dass die Benutzung des Schutzstreifens weitgehend dem Energieversorgungsunternehmen vorbehalten ist; die verbleibenden Nutzungsmöglichkeiten werden durch die Verlegung weiterer Rohre nicht reduziert. Eine dauerhafte zusätzliche Einschränkung der Nutzungsfreiheit wird somit nicht bewirkt.1115 Dasselbe gilt, wenn eine explizite Regelung über einen Schutzstreifen nicht getroffen ist, weil nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der Eigentümer auch ohne ausdrückliche Regelung alles unterlassen muss, was den Bestand der Leitung gefährdet und das Nutzungsrecht des Berechtigten erschwert. Eine Einschränkung für den Eigentümer könnte sich jedoch mittelbar dadurch ergeben, dass die zusätzlichen und andersartigen Leitungen das Haftungsrisiko 1114 Vgl. die Sachverhaltsangaben der zitierten Entscheidungen sowie Möller, RdE 1999, 217 (220); Gieseke, FS Hedemann, S. 96. – Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 1 der Verordnung über Gashochdruckleitungen v. 17.12.1974 (BGBl. 1974 I, 3591, i. d. F. v. 12.12.1996, BGBl. I, 1914), die zur Führung von Leitung in einem Schutzstreifen verpflichtet, schreibt eine Mindestbreite nicht vor. In der Praxis werden als Breite des Schutzstreifens regelmäßig insgesamt 8 bis 10 m vereinbart (vgl. die Sachverhaltsangaben der zitierten Entscheidungen). 1115 BGHZ 145, 16 (23); Möller, RdE 1999, 217 (220).

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im Fall einer Beschädigung stark anwachsen lassen.1116 Drohende Schadensersatzverpflichtungen können grundsätzlich Grundrechtseingriffe bedeuten, weil sie die Nutzung des Eigentums unrentabel werden lassen können. Dem Eigentümer ist jedoch auch unabhängig von der Einbringung der Telekommunikationsleitungen innerhalb des Schutzstreifens – gleichviel, ob diese Pflicht ausdrücklich bestimmt ist oder ob sie sich durch Auslegung des Vertrags ergibt – jedes Verhalten untersagt, das in eine gewisse Tiefe vordringt und so Bestand, Betrieb oder Sicherheit der Anlage gefährden kann.1117 In diese Verpflichtung hat der Eigentümer selbst eingewilligt und hat damit sein Ausschließungsinteresse freiwillig beschränkt.1118 Die zusätzlichen, höherwertigen Leitungen führen nur dazu, dass ein bereits verbotenes Tun nicht mehr folgenlos bleibt. Das Interesse des Eigentümers daran, dass Verstöße gegen ein Verbot keine oder allenfalls geringe finanzielle Belastungen hervorrufen, ist jedoch nicht schutzwürdig.1119 (2) Nutzbarkeitseinschränkung durch zusätzliche Arbeiten (a) Vorliegen eines Eigentumseingriffs Die Nutzung durch Telekommunikationsleitungen kann weiter mit sich bringen, dass die Oberfläche des Grundstücks häufiger und intensiver in Anspruch genommen wird, z. B. zur Verlegung der neuen Leitung oder zur Wartung und Reparatur. Diese Wirkungen sind nicht deshalb irrelevant, weil der Inhaber der Dienstbarkeit ohnehin zum Betreten und Graben berechtigt ist: Beides muss der Eigentümer nur dulden, soweit es dem Betrieb der (Haupt-)anlage dient, nicht aber darüber hinaus.1120 Eine Dienstbarkeit gewährt inhaltlich nur einzelne, genau beschriebene Nutzungen; Handlungen, die sich nicht innerhalb des charakteristischen Nutzungsrahmen der eingeräumten Dienstbarkeit halten, sind deren Inhaber wie jedem beliebigen anderen Dritten untersagt,1121 und zwar gerade, um 1116 So LG Hanau NJW 1997, 3031 (3032); zuvor in diese Richtung Gieseke, FS Hedemann, S. 119. 1117 BGHZ 145, 16 (23 f.); 149, 213 (221); BGH MMR 2002, 305 (307 f.); OLG Frankfurt MMR 1999, 161 (163); NJW 1997, 3030 (3031); Hoeren, MMR 1998, 1 (3, 6). 1118 Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1060 f.); Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (206); dem folgend BGHZ 145, 16 (27); 149, 213 (221); vgl. ferner OLG Düsseldorf NJW 1999, 956 (956); NJW 2003, 196 (198). 1119 Zu dieser Überlegung siehe nur BGHZ 149, 213 (222); BGH MMR 2002, 305 (308); OLG Frankfurt NJW 1997, 3030 (3031); MMR 1999, 161 (163); Möller, RdE 1999, 217 (220) m.w. N.; Schuster, MMR 1999, 137 (139); anders wohl noch BGHZ 145, 16 (34). 1120 Eine Dienstbarkeit beschränkt das Eigentümerinteresse somit zwar soweit, aber auch nicht weiter, als dies zu ihrer Ausübung gemäß ihrem Inhalt erforderlich ist. Vgl. Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 4; ferner BGHZ 44, 171 (175); BGH WM 1974, 325 (327). 1121 Vgl. OLG Oldenburg NJW 1999, 957 (957); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnrn. 16, 28; Gieseke, FS Hedemann, S. 118 f.

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dem Eigentümer den möglichst störungsfreien Gebrauch zu garantieren. Die Beachtlichkeit und Schutzwürdigkeit des Interesses eines Eigentümers, sein Grundstück trotz des beschränkten dinglichen Rechts noch anderweitig nutzen zu können, zeigt nicht zuletzt § 1020 BGB,1122 der den Dienstbarkeitsberechtigten zur schonenden Ausübung verpflichtet. Dem Schutz dieses Interesses dient auch das Recht, unerlaubte Nutzungen auszuschließen. Der Eigentümer muss somit fremde Handlungen auf dem Grundstück verbieten können, wenn und weil andernfalls die Verwendbarkeit für ihn leidet.1123 Die zu erwartende Häufigkeit, Dauer und Intensität von Wartungs-, Reparatur- und Betretungsvorgängen ist daher gewöhnlich auch ein wichtiger Faktor bei der Bemessung des Entgelts, das sich der Eigentümer für die Einräumung des Leitungsrechts ausbedingt. Die gesetzliche Gestattung, Leitungen einzubringen und Wartungsarbeiten etc. durchzuführen, bedeutet daher einen Eigentumseingriff, wenn durch sie die verbleibenden Gebrauchsmöglichkeiten signifikant verringert werden. (b) Beeinträchtigungen durch künftige Arbeiten (Wartung/Reparatur) Der Fall, dass Wartungs- und Reparaturarbeiten zu unverhältnismäßigen Eingriffen führen, kann allerdings durch eine entsprechende Interpretation des § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG vermieden werden: Sofern abzusehen ist, dass Art und Intensität der Arbeiten spürbar zunehmen und so regelmäßig Belastungen für den Grundstückseigentümers entstehen werden, ist eine dauerhafte zusätzliche Beschränkung der Nutzbarkeit des Grundstücks anzunehmen, so dass die Duldungspflicht insgesamt entfällt. (c) Beeinträchtigungen durch die Verlegungsarbeiten Die Beeinträchtigungen, die mit der – einmaligen – Einbringung der Leitung einhergehen, können dagegen die Duldungspflicht aus § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG nicht ausschließen, weil sie ihrer Natur nach nicht mit einer dauerhaften Beeinträchtigung einhergehen. Der Gesetzgeber mutet dem Eigentümer die Störungen durch die Verlegungsarbeiten somit generell zu.

1122 Zum civiliter uti näher Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 3 und unten D.I.1.; BGHZ 161, 115 (121); der Gedanke tritt auch in § 1019 (Erfordernis der praedio utilis) und § 1023 BGB zutage. 1123 Ähnlich die Argumentation von OLG Nürnberg RdL 1971, 177 (177): Das Bestehen eines Wegerechts zur Unterhaltung eines Bachlaufs ändert nichts daran, dass ein weiteres Notwegerecht eine Belastung für den Eigentümer darstellt, da durch dieses ein echter Fahrverkehr eröffnet würde. Vgl. auch BayVGH BayVBl. 2002, 20 (21).

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Legitimation dieser Duldungspflicht ist das Allgemeininteresse an der Eröffnung des Wettbewerbs auf dem Sektor der Telekommunikationsdienstleistungen einschließlich des Betriebs der Leistungsnetze. Das BVerfG misst diesem Ziel unter Hinweis auf Art. 87 f GG, der die herausgehobene volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors unterstreiche und eine Wertentscheidung enthalte, zutreffend eine große Bedeutung und hohe Gewichtigkeit bei:1124 Für eine Volkswirtschaft, in der der Dienstleistungssektor einen großen (und weiter im Wachsen begriffenen) Anteil am Bruttosozialprodukt einnimmt und in der wegen der Verflechtungen der Produktion alle Branchen auf einen raschen Datenaustausch angewiesen sind, sind leistungsfähige Telekommunikationssysteme essentiell. Die Öffnung dieses Sektors für den Wettbewerb steigert nicht nur die verfügbaren Kapazitäten, sondern bewirkt wegen der Konkurrenz auch eine Verbilligung der Dienstleistungen und setzt Innovationspotentiale frei.1125 Der Gesetzgeber verfolgt daher mit der Realisierung des Wettbewerbs im gesamten Telekommunikationsbereich ein legitimes Ziel.1126 Dem stehen nur geringgewichtige Interessen des Eigentümers gegenüber: Die moderne Einblastechnik kommt praktisch ohne ein Betreten der Grundstücksoberfläche aus, wenn bereits (wie regelmäßig, wenn die Dienstbarkeit auch die Führung einer Leitung zur betriebsinternen Telekommunikation gestattete) Leerrohre vorhanden sind.1127 Mit Hilfe von Kabelpflug- oder Presstechniken lassen sich auch neue Kabelschutzrohre (Leerrohre) ohne eine dauerhafte Veränderung der Erdoberfläche verlegen.1128 Da in den betroffenen Bereichen ohnehin Bauund Pflanzverbote bestehen, sind erhebliche Nachteile (wie sie z. B. gegeben wären, wenn Gehölze oder fest errichtete Anlagen entfernt werden müssten) für den Eigentümer auch bei den Verlegungsarbeiten nicht zu befürchten, so dass nur eine geringe Eingriffsintensität vorliegt. Schließlich ist in Rechnung zu stellen, dass der Eigentümer durch die Bewilligung der Dienstbarkeit sich bereits mit 1124 Vgl. BVerfG NJW 2000, 798 (799); NJW 2001, 2960 (2961); NJW 2003, 196 (198); wofür genau die Wertentscheidung des Art. 87 f GG getroffen sein soll, wird allerdings nicht näher ausgeführt. 1125 Vgl. Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (206). 1126 Neben dem BVerfG (Fn. 1124) auch BGHZ 145, 16 (27); OLG Frankfurt MMR 1999, 161 (165); Hamm, MMR 1999, 165 (169); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1060); Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (206); Herdegen, FS BVerfG, S. 289 f.; vgl. zum Ganzen ferner Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1419). 1127 Vgl. Wendlandt, MMR 2004, 297 (298), nach der mit diesem Verfahren bis zu 2000 m Kabel am Stück ohne Oberflächenberührung verlegt werden können; ferner Hoeren, MMR 1998, 1 (2); BGHZ 145, 16 (22 f.). 1128 Vgl. Möller, RdE 1999, 217 (220 f.); Hoeren, MMR 1998, 1 (2 f., 4). – Auch die Erneuerung von Rohrleitungen ist i. Ü. ohne nachhaltige Arbeiten an der Oberfläche möglich, vgl. für Rohrleistungen der Ver- und Entsorgung Bartlsperger, Berstlining, passim, insbes. S. 5 ff. Dieses erfordert allerdings wegen der Bruchstücke grundsätzlich einen gesonderten Benutzungsrechtstitel (S. 117), der sich wegen des dauerhaften Verbleibs nicht ohne weiteres auf § 76 TKG stützen lassen dürfte.

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dem Betreten und Graben durch andere grundsätzlich einverstanden gezeigt und so sein Vollrecht insoweit freiwillig geschmälert hat. Eine besondere individualschützende Komponente des Inhalts, dass der Eigentümer fremden Personen den Zutritt zu seinem Grundstück und Veränderungen dort überhaupt nicht eröffnen muss, ist damit nicht mehr gegeben. In Anbetracht dieser Faktoren – und der dabei gegebenen Befugnis zu Typisierung – ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Nachteile in Gestalt der weitgehend beschädigungsfrei möglichen Einbringung als einen jedenfalls gerechtfertigten Eigentumseingriff angesehen hat.1129 Führt die Verlegung im Einzelfall zu besonderen wirtschaftlichen Nachteilen, sorgt die Ersatzpflicht aus § 76 Abs. 2 S. 1 u. 3 TKG dafür, dass die Regelung dennoch insgesamt einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Privat- und Allgemeinwohlinteressen darstellt.1130 (3) Ausgleich für die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten (a) Der Ausschluss des Verbietungsrechts als Eigentumseingriff Ausgleichsbedürftig könnte schließlich der Vorteil sein, der dem Energieversorger dadurch erwächst, dass er innerhalb der Leitungstrasse auch Telekommunikationsleitungen verlegen – oder dieses Recht an andere entgeltlich übertragen – kann. Eine Verbietungsbefugnis ist von Art. 14 Abs. 1 GG auch dann geschützt und gefordert, wenn sie die Funktion hat, dem Eigentümer die Möglichkeit der entgeltlichen Überlassung von Nutzungsbefugnissen an andere zu sichern.1131 Dem Inhaber einer Dienstbarkeit i. S. v. § 1018 Var. 1 BGB ist auf dem dienenden Grundstück nur die Vornahme einzelner Handlungen erlaubt; alles andere ist ihm wie jedem Dritten untersagt. Art und Umfang der gestatteten Handlungen sind damit für den Wert der Dienstbarkeit entscheidend. Der Eigentümer kann die Unterlassung der nicht gestatteten Handlungen auch ohne den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs verlangen: Die Beschränkung der zulässigen Nutzung auf „einzelne Beziehungen“ – oder anders gewendet: das Zurückbehalten der negativen Befugnisse aus § 903 S. 1, § 1004 BGB hinsichtlich aller anderen Handlungen – soll bei rechtsgeschäftlich begründeten Nutzungsrechten nicht nur die Restnutzbarkeit für den Eigentümer garantieren, sondern auch und gerade sicherstellen, dass das eingeräumte Gebrauchsrecht in einem Äquivalenzverhältnis zum gezahlten Entgelt (als dem Preis für die genau limitierte Nutzungsüberlassung)

1129

Vgl. BGHZ 145, 16 (29): „kein Sonderopfer“. Vgl. BGHZ 159, 168 (174 f.); ferner Möller, RdE 1999, 217 (221); Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnrn. 47 ff. 1131 Oben B.III.2.a)cc). 1130

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steht und bleibt. Das Verbietungsinteresse besteht somit hier in durchaus legitimer Weise fort und ist auch schutzwürdig.1132 Indem das Gesetz in § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG die Nutzung des von der Dienstbarkeit erfassten Bereichs auch zu Telekommunikationszwecken gestattet und dadurch verhindert, dass der Eigentümer eine entsprechende Gestattung von einem (erneuten) Entgelt abhängig machen kann, liegt ein Eingriff in das Eigentum vor.1133 Dieser Eingriff betrifft zwar weniger das Eigentum als solches als die Vertragsfreiheit im Hinblick darauf, Verfügungen und die Nutzungsüberlassungen von einem frei ausgehandelten Entgelt abhängig machen zu können, doch ist gleichwohl der Schutzbereich des Art. 14 GG nachteilig betroffen.1134 (b) Verhältnismäßigkeit Rechtfertigender Grund für diesen Eingriff ist wiederum das öffentliche Interesse an Wettbewerb im Telekommunikationsbereich.1135 Bei der vorzunehmenden Abwägung wirkt sich der Umstand aus, dass die Pflicht zur Duldung der neuen Leitung an eine bereits rechtlich „vorbelastete“ Position anknüpft.1136 Die Schutzwürdigkeit des Eigentümers ist verringert, weil er selbst durch die – wenn auch beschränkte – Nutzungsüberlassung an andere bekundet hat, dass er auf die volle tatsächliche Nutzbarkeit verzichten und lieber von der Wertkomponente des Eigentums Gebrauch machen will. Die Befugnis, andere Nutzungen auszuschließen, schützt hier ausschließlich noch das (Wert-) interesse, eine angemessene Gegenleistung für die Duldung der Fremdnutzung zu erhalten. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Ausschließungsbefugnis einzuschränken und den Eigentümer auf einen Wertersatz nach § 76 Abs. 2 S. 2 TKG zu verweisen, ist damit weniger bedenklich als in Fällen, in denen positive reale Nutzungsmöglichkeiten verhindert würden.1137

1132 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Ausgleichsanspruch und Äquivalenzstörung auch M. Vollkommer, EWiR 2002, 211 (212). – Den hier aufgezeigten Zusammenhang übersieht Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 51, weshalb er hinsichtlich der Ausgleichsbedürftigkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt. 1133 Ebenso BGHZ 145, 16 (26, 32); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1060); vgl. ferner allgemein BGH NJW 1981, 573 (574); Hess, AcP 198 (1998), 489 (503). 1134 Der besseren und übersichtlicheren Darstellung und des Zusammenhangs wegen wird dies erst unten bei S. 584 im Einzelnen ausgeführt. 1135 Vgl. BVerfG NJW 2000, 798 (799); NJW 2003, 196 (198); oben (2)(c). 1136 Vgl. die Überlegungen bei BVerfG NJW 2003, 196 (198); Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1061); Hamm, MMR 1999, 165 (169); Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (310). 1137 Vgl. auch die Argumentation zum Anteilseigentum, Teil 2 B.II.3.a)ee)(2)(c) und B.II.3.b).

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Nimmt man den weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Abwägung von Eigentümerinteressen mit sonstigen Belangen hinzu, ist eine Verfassungswidrigkeit der zusätzlichen Duldungspflicht nicht festzustellen.1138 (c) Legitimität und Notwendigkeit eines Anspruchs auf Entschädigung Die Pflicht, die Eigentümerinteressen angemessen zu berücksichtigen, setzt sich bei der Frage nach einer Entschädigungspflicht fort. Der BGH hat die Zahlung eines Geldausgleichs für die erweiterte Duldungspflicht aus verfassungsrechtlichen Gründen als notwendig angesehen, weil die Entgelte, die zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Energieversorger für die Duldung einer (i. S. v.: lediglich einer) Energieträgerleitung ausgehandelt worden waren, die neue Nutzungsdimension nicht abdeckten.1139 Dem Grundstückseigentümer sei daher der Betrag zu zahlen, der als Entgelt für die Einräumung entsprechender Nutzungsrechte üblich sei.1140 Das BVerfG hat sich dem angeschlossen;1141 der Ausgleich sei dafür zu zahlen, „dass sein Recht, die Nutzung seines Grundstücks zu Telekommunikationszwecken entweder zu untersagen oder sich marktgerecht vergüten zu lassen, beschränkt wird“.1142 Diese Argumentation kann zunächst mit zwei Überlegungen in Frage gestellt werden: Zum einen hätte der Eigentümer, wenn er – anstelle eine Dienstbarkeit einzuräumen – die über und neben der Pipeline liegende Teilfläche ganz verkauft hätte, nachträglich keinen höheren Preis verlangen können, wenn der neue Eigentümer die Nutzung zu Telekommunikationszwecken aufgenommen hätte. Zum anderen scheint der Ansatz in die Nähe zur Inhaltskontrolle von Verträgen zu 1138 Ebenso BVerfG NJW 2001, 2960 (2961); ablehnend Hahn, Anm. LM TKG Nr. 3–5; vgl. ferner Hamm, MMR 1999, 165 (169). 1139 BGHZ 145, 16 (33); ausführlich und w.N. unten Fn. 1152; kurz auch BGH MMR 2005, 690 (691). 1140 BGHZ 145, 16 (34 f.); vgl. auch M. Vollkommer, EWiR 2002, 211 (212). Ablehnend Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 51. 1141 Da die fachgerichtlichen Entscheidungen, gegen die sich die Verfassungsbeschwerden richteten, jeweils eine Entschädigung zugesprochen hatten und die Beschwerdeführer somit insoweit nicht beschwert waren, dürfte es sich bei den Ausführungen in BVerfG NJW 2001, 2960 (2961) und BVerfG NJW 2003, 196 (198) um obiter dicta handeln; auch im Hinblick auf die (Nicht-)Notwendigkeit einer verfahrensrechtlichen Absicherung der Entschädigung dürften die Ausführungen nicht tragend sein. Die letztgenannte Entscheidung lässt allerdings erkennen, dass die Kammer die Ausgleichspflicht verfassungsrechtlich für geboten hält, zumal sie die Passagen aus BGHZ 145, 16 (32) nahezu wörtlich übernimmt und hinzufügt, dass auch Art. 87f Abs. 1 GG keine Herstellung des Wettbewerbs ohne Entschädigungen verlangt . 1142 BVerfG NJW-RR 2005, 741 (742 f.); ebenso zuvor BGHZ 159, 168 (177) (zu § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG); OLG Hamm NJW-RR 2002, 769 (769); AG Dortmund MMR 2003, 603 (604, 605).

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geraten, die – wegen der Bedeutung der Privatautonomie und der Eigenverantwortung des Bürgers – nur in engen Grenzen erfolgen sollte. Der erste Einwand greift nicht durch, weil sich das Vollrecht und ein nur beschränktes Nutzungsrechts wesentlich unterscheiden. Die Dienstbarkeit (ebenso die schuldrechtliche Vermietung) ist inhaltlich auf einzelne, genau beschriebene Nutzungen beschränkt. Auch wenn beschränkte dingliche Rechte unter den Eigentumsbegriff des Grundgesetzes fallen, weil auch sie ihrem Träger ein eigenverantwortliches wirtschaftliches Handeln erlauben,1143 gestatten sie dies nur innerhalb des Rahmens, der sich aus dem Zusammenspiel von einfachem Recht und der sie begründenden Parteivereinbarung ergibt. Die Eigentumsgarantie schützt daher zwar auch das Recht des Inhabers der Dienstbarkeit, alle sich aus ihr ergebenden Gebrauchsmöglichkeiten auszuschöpfen, doch nur soweit, als das Recht dies gestattet. Befugnisse, die über den Inhalt der Dienstbarkeit hinausgehen, schützt Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, da dies mit dem Schutz des Vollrechts nicht vereinbar wäre. Dementsprechend wachsen dem Inhaber einer Dienstbarkeit nur die Vorteile zu, die sich aus der Ausnutzung der in ihr enthaltenen Möglichkeiten und Chancen ergeben. Die Befugnis, eine Telekommunikationsleitung auf dem belasteten Grundstück zu betreiben, ist nicht Inhalt von Energieleitungsdienstbarkeiten. Vollrechtsübertragung und Einräumung beschränkter Rechte unterscheiden sich somit in einem zentralen Punkt; ein Wertungswiderspruch besteht daher nicht. Das andere denkbare Argument gegen die Deduktion des BGH geht dahin, dass es dem Staat – in Gestalt des Gesetzgebers und der Rechtsprechung – grundsätzlich verwehrt ist, in das selbstbestimmte Ausgewogenheitsverhältnis von Verträgen einzugreifen.1144 Andernfalls würde der Gedanke des iustum pretium, nach dem stets der genaue „gerechte Preis“ für ein Gut zu zahlen ist,1145 wiederaufleben, den es aber nach dem Verständnis der Marktwirtschaft nicht gibt.1146 Entsprechendes gilt für abgeschlossene Verträge: Auch deren Synallagma darf nicht nachträglich abgeändert werden, selbst wenn die Korrelation von Leistung und Gegenleistung aufgrund späterer oder später erkannter Umstände nicht mehr ausgewogen erscheint; vielmehr erwächst die Realisierung erst später erkannter Chancen grundsätzlich dem Erwerber zum Vorteil. Die vorliegende Situation weist jedoch die Besonderheit auf, dass nicht eine von vornherein mögliche Nutzungsart erst nachträglich erkannt oder ermöglicht wird, sondern dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG zielge1143

Zu dieser Einordnung bereits Teil 2 B.II.3.a)ee)(2)(c) und B.II.3.b). Zu einer „Vertragsgerechtigkeit“ in diesem Sinne Limbach, JuS 1985, 10 (13 f.); vgl. ferner Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1225 f.); ausführlich unten D.II.1. 1145 Dazu unten D.II.1.b), in Fn. 1527. 1146 Vgl. auch R. Dreier, JuS 1996, 580 (581); Rüthers, Rechtstheorie, Rdnrn. 364 ff.; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 100 f. 1144

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richtet eine Rechtsänderung bewirkt und so das Verhältnis zwischen den beim Eigentümer verbleibenden und den dem Energieversorger überlassenen Befugnissen verschiebt. „Menge und Inhalt“ der übertragenen Befugnisse standen jedoch im Äquivalenzverhältnis zum ausbedungenen Entgelt.1147 Da der Gesetzgeber durch seine Änderung der objektiven Rechtsordnung selbst den Umfang der übertragenen Befugnisse modifiziert, ist es ihm zumindest gestattet, auch die – in Unkenntnis dieser Rechtsänderung vereinbarte – Gegenleistung durch Gesetz an die veränderte Situation anzupassen.1148 Nach dem Verständnis des BGH ist ein solcher Entschädigungsanspruch allerdings auch zwingend erforderlich: Die Grundstückseigentümer hätten nicht hinzunehmen, dass andere Personen ihre Grundstücke vermarkten; das von Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG geforderte ausgewogene Verhältnis zwischen den Belangen der Eigentümer und der Allgemeinheit könne nur durch eine Entschädigungspflicht hergestellt werden.1149 Dies gelte umso mehr, als die Vorteile der Ausweitung des Inhalts der Dienstbarkeiten finanziell primär dem Betreiber zugute kommen, während der rechtfertigende Grund (Ausbau der Telekommunikationsnetze) in einem Allgemeinwohlinteresse liegt.1150 In dem letztgenannten Umstand liegt richtigerweise der ausschlaggebende Grund dafür, dass trotz des weiten gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums eine Entschädigung zwingend vorzusehen ist: Der Eigentümer muss auf sein Verbietungsrecht teilweise verzichten, damit volkswirtschaftliche Belange – somit Interessen der Allgemeinheit – verwirklicht werden können; unmittelbar finanziell profitiert hiervon jedoch ausschließlich ein konkreter anderer Privater, nämlich der Inhaber der Dienstbarkeit. In einer solchen „Dreieckssituation“ gebieten es die allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen, die nach Art. 20 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG Leitlinie für die Gesetzgebung sind, einen Ausgleich zugunsten des Eigentümers vorzusehen.1151 Da eine derartige Ausweitung von Befugnissen 1147 Den Zusammenhang von § 76 Abs. 2 S. 2 TKG und den Regeln über die Wegfall bzw. die Änderung der Geschäftsgrundlage (jetzt § 313 BGB) tritt in OLG Frankfurt NJW 1997, 3030 (3031); OLG Frankfurt MMR 1999, 161 (165) deutlich hervor; vgl. auch Schuster, MMR 1999, 137 (140); ders., MMR 2000, 89 (90); Hamm, MMR 1999, 165 (169 f.). Siehe ferner Hoeren, MMR 1998, 1 (6); OLG Frankfurt MMR 1999, 161 (165), die – von ihrem Standpunkt aus konsequent – die Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts verneinen. 1148 Gegen diese Überlegungen spricht nicht entscheidend, dass Schuldner des Ausgleichsanspruchs nach neuer Rechtslage (§ 76 Abs. 2 TKG) nicht der Inhaber der Dienstbarkeit, sondern der Betreiber der Telekommunikationsstrecke ist. Hierin dürfte nur eine Vereinfachung der Zahlungswege liegen. 1149 BGHZ 145, 16 (32 f.); ebenso OLG Hamm NJW-RR 2002, 769 (769). – Eine solche Pflicht verneinend dagegen Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 13. 1150 BGHZ 145, 16 (32 f.) unter Hinweis auf BVerfGE 58, 137 (147 f.); 79, 174 (192); wie der BGH BVerfG NJW 2003, 196 (198); vgl. ferner LG Hanau NJW 1997, 3031 (3032). 1151 Vgl. oben Teil 2 C.II.2.d)cc); Sellmann, NVwZ 2003, 1417 (1421).

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unabhängig davon vorliegt, ob die eingeräumte Dienstbarkeit eine Telekommunikationsleitung zu innerbetrieblichen Zwecken erlaubte oder nicht, ist für die in § 76 Abs. 2 S. 2 TKG vorgesehene Pflicht zur Entschädigungsleistung ohne Bedeutung, ob bisher eine beschränkte Telekommunikationsnutzung gestattet war oder nicht.1152 (4) Vorgaben für die Höhe der Entschädigung Aus den vorstehenden Überlegungen folgt auch, dass sich die Höhe der Entschädigung an dem Entgelt zu orientieren hat, das für die Einräumung entsprechender Nutzungsrechte gezahlt wird.1153 Zu deren Ermittlung können die in Rahmenvereinbarungen (insbesondere der Bauernverbände) ausgehandelten Regelsätze, auf die die Rechtsprechungspraxis meist zurückgriff, ein Anhaltspunkt sein, wenn sie den „freien“ Markt adäquat abbilden.1154 Ungenügend ist eine rein „symbolische Entschädigung“.1155 Eine bewusst niedrige Abgeltung lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass jede finanzielle Belastung der Telekommunikationsbetreiber deren Marktsituation verschlechtern und so das Ziel gefährden würde, Wettbewerb zu schaffen.1156 Die Verwirklichung derartiger gesamtwirtschaftlich-politischer Ziele dürfen wegen Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu einem Sonderopfer des Einzelnen führen, sondern wären aus Mitteln der Allgemeinheit, d.h. des Staates, zu finanzieren.1157

1152 BGHZ 145, 16 (29 ff.); bestätigt in BGH Urt. v. 23.2.2001, Az. V ZR 16/00; zuvor als Ausgangsinstanz LG Hanau NJW 1997, 3031 (3032); Hamm, MMR 1999, 165 (168) (auch mit systematischer Argumentation); a. A. OLG Frankfurt MMR 1999, 161 (164 f.); Ellinghaus, CR 1999, 420 (425); Möller, RdE 1999, 217 (222); Schuster, MMR 1999, 137 (143); Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 18; Hoeren, MMR 1998, 1 (5)). – Für das o. g. Verständnis spricht ferner, dass es sonst oftmals zu rein zufälligen Ergebnissen käme, weil der Einschluss eines solchen Leitungsrechts erst im Zuge der Technisierung des Leitungsbetriebs erfolgte (vgl. BGHZ 145, 16 (33); 149, 213 (219); OLG Düsseldorf NJW 1999, 956 (956 f.)); dies wirft Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auf. 1153 BGHZ 145, 16 (34 f.); BGH Urt. v. 23.2.2001, Az. V ZR 16/00; BVerfG NJW 2003, 196 (198); OLG Hamm NJW-RR 2002, 769 (770); Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (311); Schuster, MMR 1999, 137 (143). 1154 Vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 741 (743); BGH MMR 2005, 835 (836 f.); Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (311); Schuster, MMR 1999, 137 (143). 1155 So aber Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (311). 1156 So aber Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (311); Hahn, Anm. LM TKG Nr. 3–5; Hoeren, MMR 2004, 611; ferner OLG Hamm NJW-RR 2002, 769 (770). 1157 Ähnlich argumentierend (in anderem Zusammenhang) BGHZ 159, 168 (176, 178). – Da auch auf europäischer Ebene die Eigentumsgarantie in Art. 6 EUV i.V. m. Art. 17 EuGrCh: anerkannt ist, dürfte die Entschädigungspflicht auch nicht an europarechtlichen Vorgaben scheitern; vgl. zur Problematik Lenkaitis/Schenneken, MMR 2002, 308 (311 f.).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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c) Allgemeine Duldungspflicht, § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG Die Duldungspflicht nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG ist tatbestandlich weiter als die der Nr. 1, da sie ein Befugnis zur Unterhaltung einer Energieleitung nicht voraussetzt, weist aber die strengere Voraussetzung auf, dass die Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt wird.1158 Die sprachliche Anknüpfung an § 906 Abs. 1 S. 1 BGB ist vom Gesetzgeber bewusst gewählt, weil der dort angewandte Maßstab auch hier gelten soll;1159 folglich ist als Maßstab ein verständiger Durchschnittsbenutzer heranzuziehen und nicht auf einzelne subjektive Empfindungen Rücksicht zu nehmen.1160 Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung1161, auf die § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG Rücksicht nimmt, sind wiederum entweder durch das Einbringen, Warten und Reparieren der Kabel oder allein deshalb denkbar, weil diese im Grundstück verlegt sind. aa) Beeinträchtigung durch die Verlegung und spätere Arbeiten Sofern die Verlegung, Wartung oder Reparatur der Leitung mit einer Veränderung der Oberfläche einhergeht, wird die Wesentlichkeitsschwelle nahezu stets überschritten.1162 Eine Verlegung ohne wesentliche Beeinträchtigungen ist daher praktisch nur mittels des sog. „Durchschießens“ möglich;1163 zu denken wäre ferner an ein „Einpflügen“ in ein Ackergrundstück während der vegetationslosen Zeit. Hat der Grundstückseigentümer die Verlegung in solchen Fällen ausnahms1158 Die inhaltlich ähnliche Vorgängernorm § 12 TWG (später § 10 TWG) betraf nur Luftkreuzungen; ein unterirdisches Verlegungsrecht war in § 1 TWG nur für öffentliche Wege vorgesehen. 1159 Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1057); vgl. ferner Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 13. 1160 BGHZ 159, 168 (174); OLG Oldenburg NJW 1999, 957 (958); Beck’scher TKGKommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 15; Möller, RdE 1999, 217 (221). Ohne Begründung anders Hoeren, MMR 1998, 1 (3), der (unter Zitierung der „alten“ Rechtsprechung) auf den normalen Durchschnittsmenschen abstellt. 1161 Der Wortlaut des § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG spricht davon, das Grundstück werde beeinträchtigt. Hierbei dürfte es sich jedoch um ein gesetzgeberisches Formulierungsversehen handeln (vgl. auch Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 14). 1162 Ebenso Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1058); Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (203): „Einpflügen“; Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 14. BVerfG NJW 2000, 798 (800) sieht (jedenfalls) bei dauerhafter Errichtung sichtbarer Anlagen die Wesentlichkeitsschwelle überschritten. Schuster, MMR 2000, 89 (90) und Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 18 setzen die Zeitdauer der Oberflächenveränderung mit der Lebensdauer der Kabelstrecke ins Verhältnis, so dass – unter weiterer Berücksichtigung der Grundstückssituation – auf eine Einzelfallprüfung stattzufinden hat. – Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG keine große praktische Bedeutung zukommt, vgl. Ellinghaus, CR 1999, 420 (421); ferner Schuster, MMR 1999, 137 (140). 1163 Statt vieler Hoeren, MMR 2004, 611; Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 16; Scheuerle/Mayen/Ulmen, § 57 Rdnr. 14.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

weise zu dulden, steht ihm ein Ersatzanspruch nach § 76 Abs. 2 S. 1 u. 3 TKG zu, wenn die Einbringung oder die Wartung zu unzumutbaren wirtschaftlichen Nachteilen für ihn führt.1164 Durch diesen Aufopferungsanspruch wird dem finanziellen Interesse Rechnung getragen, auch wenn das primäre Ausschließungsinteresse zurücktreten musste. bb) Beeinträchtigung durch die Leitung selbst Schwieriger zu beantworten ist, ob eine Beeinträchtigung auch gegeben sein kann, wenn die Leitung nur im Grundstück verlegt liegt.1165 Wegen der Kabel können z. B. Grabungen nicht mehr ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen erfolgen, weil denkbare Beschädigungen Schadensersatzansprüche auslösen. Ebenso sind bestimmte Bepflanzungen in der Umgebung der Leitungen mit Haftungsrisiken verbunden.1166 Da der Eigentümer sein Grundstück beliebig nutzen darf, muss ihm auch grundsätzlich erlaubt sein, auf diesem Grabungen vorzunehmen, um beabsichtigte Benutzungsmöglichkeiten zu realisieren.1167 Verhindert werden muss allerdings, dass das Durchleitungsrecht durch bloße Behauptungen, Nutzungsabsichten würden gestört, vereitelt wird. Ein Beschädigungsrisiko durch beabsichtigte Grabungen o. ä. ist daher konkret und substantiiert darzulegen. Relevant ist in diesem Zusammenhang, wie tief die Leitung im Boden liegt und wie das Grundstück genutzt ist: Bei als Ackerland genutzten Flächen wird man z. B. davon ausgehen können, dass oberflächennah verlegte Leitungen die Nutzbarkeit wesentlich beeinflussen, da bei der Bearbeitung mit den üblichen schweren landwirtschaftlichen Geräten Beschädigungen nicht auszuschließen sind.1168 Einschränkungen werden fehlen, wenn das Grundstück als privater Verkehrsweg genutzt wird.1169 Wie bei § 905 BGB ist dabei jeweils die zukünftige Entwicklung 1164 BGHZ 159, 168 (173 ff.). Zutreffend weist Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnrn. 45 f. darauf hin, dass für solche Fälle allerdings wenig Raum ist. 1165 Offengelassen mangels Entscheidungserheblichkeit in BVerfG NJW 2000, 798 (800). 1166 Wegen der beschriebenen Beschädigungs- und Haftungsgefahr bejaht OLG Oldenburg NJW 1999, 957 (958) generell die „Wesentlichkeit“ der Beeinträchtigung; wohl zustimmend Möller, RdE 1999, 217 (221); dahin neigend auch BGHZ 159, 168 (173). Demgegenüber verneinen dies Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1058) unter Hinweis auf eine entgegengesetzte Verkehrsanschauung (ohne dies weiter auszuführen) sowie Schuster, MMR 1999, 137 (139); ders., MMR 2000, 89 (90) wegen der Tiefe der Kabel (dazu sogleich). 1167 Teils a. A. wohl Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 20. Sein Argument, es bestünden stets Schadensersatzrisiken, so dass die Leitung entgegen der gesetzgeberischen Absicht nie zu dulden wäre, greift jedoch nicht durch, weil das Risiko in den verschiedenen Fällen unterschiedlich groß ist. 1168 Ebenso OLG Oldenburg NJW 1999, 957 (958). 1169 BGHZ 159, 168 (172 f.).

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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zu beachten.1170 Wird ein Nutzungswunsch, dessen Realisierung die im Grundstück verlegte Telekommunikationsleitung entgegensteht, erst zu einem späteren Zeitpunkt gefasst, entsteht der Abwehr-/Beseitigungsanspruch (wie bei § 905 BGB) neu.1171 § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG macht eine Duldungspflicht somit von eher strengen Voraussetzungen abhängig. Bei der Rechtsanwendung kann durch entsprechende Abwägung der kollidierenden Belange sichergestellt werden, dass es nicht zu unzumutbaren nachteiligen Folgen für den Eigentümer kommt. Die Norm ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.1172 cc) Erforderlichkeit eines Entschädigungsanspruchs Der Wortlaut des § 76 Abs. 2 S. 2 TKG („erweiterte Nutzung“) lässt Zweifel offen, ob auch die Durchleitungsbefugnis nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG einen Ausgleichsanspruch auslösen soll. Eine Anwendung und entsprechende Auslegung des § 76 Abs. 2 S. 2 TKG wäre allerdings zwingend, wenn andernfalls ein insgesamt angemessener Interessenausgleich i. S. v. Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG nicht gegeben wäre.1173 Abzuschichten sind zunächst die Fälle, in denen die im Boden verlegte Leitung zu Nutzbarkeitseinbußen führt, diese jedoch unwesentlichen Umfangs und daher hinzunehmen sind. Dann ist eine Aufopferungssituation gegeben, weil Interessen des Eigentümers hinter die Belange des Durchleitenden und der Allgemeinheit zurücktreten mussten. Konsequenz ist ein Entschädigungsanspruch, zumal wegen der „Dreieckskonstellation“ die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer solchen quasi determiniert ist. Soweit ein Ausgleich ausschließlich dafür gefordert wird, dass dem Leitungsbetreiber die partielle Benutzung überhaupt gestattet wird (ohne dass sich daraus Nachteile im eigentlichen Sinn ergeben), liegen die Dinge anders. Die dem Leitungsbetreiber eingeräumten Vorteile werden dann dem Eigentümer „nicht zugemutet“ i. e. S., weil seine Nutzungsinteressen nicht nachteilig berührt werden. Im Verlust der Möglichkeit, eine Gestattung gegen Entgelt zu erteilen, kann eben1170 Vgl. oben Teil 4 B.III.2.a)aa) (Fn. 1055); ferner Schäfer/Just, ArchPT 1997, 200 (203 f.). 1171 Zu dieser Rechtsfolge vgl. BGHZ 125, 56 (63, 64) (zu § 11 TWG und § 905 S. 2 BGB); ähnlich ferner Hoeren, MMR 2004, 611. 1172 BVerfG NJW 2000, 798 (799); Schuster, MMR 1999, 137 (138); ders., MMR 2000, 89 (90). – Entgegen Schuster, MMR 1999, 137 (141) ist aus der Entschädigungspflicht nicht abzuleiten, das Interesse des Grundstückseigentümers müsse stets weichen. Hierin läge ein Verstoß gegen das Gebot, Eingriffe in natura zu vermeiden. 1173 So argumentierend BGHZ 159, 168 (177 ff.); ähnlich zuvor Möller, RdE 1999, 217 (222); anders die überwiegende Meinung in der Literatur, vgl. Scheuerle/Mayen/ Ulmen, § 57 Rdnr. 13; Hoeren, MMR 2004, 611.

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falls kein Ansatzpunkt für eine Ausgleichspflicht gesehen werden: Der Wert einer Leitung liegt gerade darin, dass weite Strecken zusammenhängend verbunden werden; hierzu ist der einzelne Grundstückseigentümer gerade nicht in der Lage. Schließlich besteht zur Situation bei § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG ein signifikanter Unterschied: Dort ging es maßgeblich um die Wiederherstellung des (durch die gesetzgeberische Maßnahme verschobenen) Äquivalenzverhältnisses; ein solches ist hier jedoch nicht vorhanden. Eine Auslegung, dass § 76 Abs. 2 S. 2 TKG auch die Fälle des Abs. 1 Nr. 2 erfasst, ist daher (entgegen dem BGH) nicht wegen Art. 14 Abs. 1 GG zwingend geboten. Das Argument, es finde eine unzulässige „Vermarktung“ fremder Grundstücke statt, ist insoweit zu schwach, da es keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts gibt, dass jeder unter Ausnutzung eines fremden Rechtsbereichs erhaltene Vorteil ausgleichspflichtig sei. Somit liegt es in der Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers, in den Fällen des § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG einen Ausgleichsanspruch vorzusehen oder nicht; die Norm ist durch die Rechtsprechung unter Anwendung zivilrechtsdogmatischer Methoden auszulegen. d) Erforderlichkeit einer verfahrensrechtlichen Absicherung der Entschädigungszahlung Zu betrachten sind schließlich die konkrete Ausgestaltung der Duldungspflicht und des Ausgleichsanspruchs sowie deren Zusammenspiel im positiven Gesetz. Die Duldungspflichten aus § 76 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2 TKG wirken unmittelbar ex lege; anders als etwa im Fall des § 917 BGB besteht nicht nur ein Anspruch auf Duldung der Mitbenutzung, so dass der Leitungsbetreiber auch keine verbotene Eigenmacht i. S. v. § 858 Abs. 1 BGB begeht.1174 Der Grundstückseigentümer hat daher auch keine Möglichkeit, die Duldung von der (vorherigen oder gleichzeitigen) Zahlung der Entschädigung abhängig zu machen. aa) Abhängigkeit der Duldungspflicht von vorheriger Zustimmung Leitgedanke für die Ausgestaltung einer eigentumsbeschränkenden Regelung im Gesetz muss sein, wie den involvierten Interessen in der jeweiligen Konstellation am besten und zweckmäßigsten entsprochen werden kann.1175 Bei § 76 TKG waren dem Gesetzgeber die schnelle Öffnung des Marktes für Wettbewerber und ein rascher Aufbau neuer Netze wichtig; diesem Ziel liefe zuwider, 1174 OLG Düsseldorf NJW 1999, 956 (957); Schuster, MMR 1999, 137 (141 f.); Hamm, MMR 1999, 165 (166); Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnrn. 2, 38; zu § 917 BGB oben B.II.1.c); vgl. ferner allgemein oben Teil 2 C.I.3.c)ee), sowie Gieseke, FS Hedemann, S. 117. 1175 Vgl. Gieseke, FS Hedemann, S. 115.

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wenn die Durchleitungsrechte erst langwierig gerichtlich durchgesetzt werden müssten.1176 Bei der unterirdischen Durchleitung von Telekommunikationsleitungen besteht auch kein Bedürfnis, die Frage nach dem Verlauf des Benutzungsbereichs einer vorherigen Klärung durch Einigung oder gerichtliche Entscheidung zuzuführen, wie es beim Notwegerecht der Fall sein mag:1177 Soweit die Duldungspflicht auf § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG gestützt wird, darf die Leitung nur innerhalb der bereits bestehenden Trasse geführt werden, so dass der Ausübungsort fest vorgegeben ist. In den Fällen des § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG kommt aus praktischen Gründen nur die direkte Verbindung zwischen den Punkten an der Grundstücksgrenze, an denen die Leitungen jeweils enden, ernsthaft in Frage. Damit unterscheidet sich die Situation vom Notwegerecht, bei dem als Ausgangs- und Endpunkte regelmäßig die gesamte gemeinsame Grenze des belasteten Grundstücks zur vorhandenen Straße hin einerseits und zum abgeschnittenen Grundstück andererseits denkbar sind. Die Möglichkeit, eine für den betroffenen Eigentümer schonende Variante im Wege der Vereinbarung zu finden, besteht daher hier mangels Alternativen nicht. Ist die „vorgegebene“ Streckenführung mit erheblichen Belastungen für ihn verbunden, entfällt die Duldungspflicht. Die Ausgestaltung des Rechts zur Durchleitung on Telekommunikationsleitungen als voraussetzungslose und gesetzesunmittelbare Duldungspflicht ist somit im Regelfall nicht mit nennenswerten zusätzlichen Nachteilen und Risiken für den Eigentümer verbunden.1178 Andere Lösungen würden die Transaktionskosten für die Leitungsbetreiber erhöhen oder das zulässige legislatorische Ziel gefährden. Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung ist daher mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. bb) Regelung zur Verjährung in § 77 TKG n. F. und § 58 TKG a. F. Erhebliche Nachteile für den Eigentümer kann des Fehlen eines Zustimmungserfordernisses o. ä. nur dann mit sich bringen, wenn die neuen Kabel schonend verlegt oder in vorhandene Schutzrohre eingezogen werden, weil der Eigentümer dann möglicherweise keine Kenntnis davon erhält, dass in auf seinem Grundstück Telekommunikationsleitungen verlegt sind und ihm aus diesem Grund ein Anspruch aus § 76 Abs. 2 S. 2 TKG zusteht.1179 § 77 TKG n. F. verweist wegen der Verjährung der in § 76 TKG geregelten Ansprüche auf die allgemeinen Verjäh1176 Vgl. BGHZ 145, 16 (20); Wendlandt, MMR 2004, 297 (301). – Aus den gleichen Erwägungen wurde auch ein Zurückbehaltungsrecht verneint, BGHZ 145, 16 (28 f.); für ein solches zuvor aber LG Hanau NJW 1997, 3031 (3032). 1177 Vgl. § 917 Abs. 1 S. 2 BGB und BGH NJW 1991, 176 (178). 1178 Ebenso BVerfG NJW 2003, 196 (198). 1179 Siehe nur BGH MMR 2005, 690 (692); MMR 2005, 835 (836); zuvor bereits auf diese Zusammenhänge hinweisend Wendlandt, MMR 2004, 297 (298, 300). Unzutref-

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rungsvorschriften des BGB, deren „subjektives System“ mit einer objektiven Höchstfrist von 10 Jahren (vgl. § 195, § 199 Abs. 4 BGB) auch für diesen Fall einen gerechten Interessenausgleich darstellt, da die Frist erst mit Kenntniserlangung durch den Eigentümer anläuft und dieser somit noch nach relativ langer Zeit seinen Entschädigungsanspruch geltend machen kann. Problematisch war demgegenüber die Vorgängerregelung des § 58 TKG a. F., der eine Verjährungsfrist von 2 Jahren vorsah, die mit dem Schluss des Jahres begann, in dem der Anspruch entstand.1180 Diese kurze Frist, die ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Eigentümers anlief, setzte den Eigentümer der Gefahr eines Anspruchsverlusts aus, da er bei einer schonenden Verlegung nicht zwingend von der „neuen“ Leitung wissen musste und das Durchleitungsrecht – anders als beispielsweise bei § 917 BGB – keine vorherige Einigung oder ein entsprechendes „Verlangen“ erfordert.1181 Dem Zweck eines Aufopferungsanspruchs dieser Art läuft eine derartige Situation zuwider, da der Inhaber der Dienstbarkeit faktisch das Grundstück ohne zusätzliches Entgelt und Ausgleich für die Nutzungserweiterung nutzen kann.1182 Dies beruht auch auf strukturellen Gründen in Gestalt der gesetzlichen Bestimmungen. Die Ausgleichsregelung erwies sich damit wegen der Verjährungsregelung als lückenhaft und ineffektiv, so dass kein insgesamt angemessener Ausgleich – und damit nicht keine verhältnismäßige Inhaltsund Schrankenbestimmung – vorlag.1183 Für die nach § 58 TKG a. F. zu beurteilenden Zeiträume muss daher Abhilfe durch eine Rechtsanwendung geschaffen werden, bei der dieses Ergebnis vermeiden wird. Denkbar ist, eine Auskunftspflicht des Energieversorgungsunternehmens anzuerkennen, ob, wie viele und welche Telekommunikationsnetzbetreiber Kabel auf dem Grundstück führen. Eine derartige Auskunftspflicht ließe sich aus den allgemeinen Grundsätzen zum „unselbstständigen“ Auskunftsanspruch1184 oder aus dem gesetzlichen Begleitfend von einer klaren Erkennbarkeit ausgehend dagegen AG Dortmund MMR 2003, 603 (606). 1180 So auch Wendlandt, MMR 2004, 297 (300 ff.). 1181 Vgl. hierzu allgemein S. 562; zur Bedeutung in diesem Zusammenhang Wendlandt, MMR 2004, 297 (301). 1182 Zutreffend BGH MMR 2005, 690 (692), der zur Vorgängerregelung in § 11 bzw. § 13 TWG keine Bedenken äußerte, da diese eine Haftung wegen Schäden infolge der Verlegung vorsah; Schäden sind aber stets sofort äußerlich zu erkennen. 1183 Ebenso im Kern BGH MMR 2005, 690 (692 f.), der aber mehr auf den Ersatzanspruch abstellt; wie hier dagegen der Ansatz von Wendlandt, MMR 2004, 297 (301). – Allgemein zur Bedeutung der Verjährung oben Teil 2 C.II.4.e). 1184 Der in § 242 BGB verankerte „unselbstständige“ Auskunftsanspruch setzt voraus, dass eine rechtliche Sonderbeziehung zwischen den Parteien besteht, der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise Unkenntnis über Bestehen und Umfang seines Rechts hat und sich nicht auf zumutbare Weise anderweitig Kenntnis verschaffen kann, und dem Verpflichteten die Auskunftserteilung unschwer möglich ist: BGHZ 10, 385 (387); 81, 21 (24); 95, 274 (278 f.); 95, 285 (287 f.); 126, 109 (113); RGZ 108, 1 (7); 158, 377 (379); Staudinger/Looschelders (2005), § 242 Rdnr. 603; Darstellung und weitere Nachweise bei Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 287 ff.

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schuldverhältnis zur Dienstbarkeit1185 ableiten.1186 Eine Verletzung dieser Pflicht könnte dann über § 242 BGB der Verjährungseinrede entgegengehalten werden.1187 Alternativ wurde vorgeschlagen, in § 58 TKG a. F. hineinzulesen, dass die Verjährungsfrist erst mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis ausgelöst wird.1188 Eine derartige „verfassungskonforme ergänzende Auslegung“ 1189 muss aber auf erhebliche methodische Bedenken stoßen, weil der Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt dafür aufweist, dass es auf die Kenntnis ankommen soll, und die rein objektive Lesart dem bei Schaffung des § 58 TKG a. F. im deutschen Zivilrecht verbreiteten „objektiven System“ entspricht. Dem gesetzgeberischen Willen dürfte daher eine kenntnisunabhängige Zweijahresfrist entsprochen haben, was einer derartigen verfassungskonformen Auslegung entgegensteht.1190 cc) Kein Erfordernis einer subsidiären Haftung des Staates Der Gesetzgeber musste schließlich auch keine besonderen Maßnahmen zur Sicherung der Durchsetzbarkeit der Ansprüche aus § 76 Abs. 2 TKG treffen. Eine besondere Verantwortung dafür, dass der Aufopferungspflichtige die ihm zustehende Entschädigung wirklich erhält, trifft den Staat nur, wenn er ein starkes eigenes Interesse an der Befugnisreduzierung besitzt, die Ausgleichszahlung an konkret erlittene Schäden anknüpft und ein strukturell gesteigertes Realisierungsrisiko gegeben ist.1191 Motivation und Legitimation der § 76 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 TKG ist das Allgemeininteresse an einer leistungsfähigen, preiswerten und daher auf Wettbewerb beruhenden Telekommunikationsinfrastruktur, so dass die erste Voraussetzung einer besonderen Verantwortung des Staates gegeben ist. Die Entschädigung nach § 76 Abs. 2 S. 1 TKG soll auch real erfolgte Beeinträchtigung der Nutzung kompensieren. Die Beträge, die zum Ersatz der erlittenen Schäden aufgewandt werden 1185

Vgl. oben Teil 3 C.IV.3.a). Dies ablehnend AG Dortmund MMR 2003, 603 (606). 1187 Vgl. Wendlandt, MMR 2004, 297 (301). BGH MMR 2005, 690 (692) wendet hiergegen ein, dass es eine allgemeine Mitteilungspflicht über das Bestehen von Ansprüchen nicht gebe und Auskunftsansprüche nur bei rechtswidriger Verletzung fremder Rechte gegeben sind. Der zentrale Gesichtspunkt, dass der Inhaber eines Anspruchs aus strukturellen Gründen nicht in der Lage ist, Näheres über Bestehen und Umfang seines Anspruchs vorzutragen (vgl. dazu allgemein Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 288 m.w. N.), ist aber auch bei verschuldenunabhängigen Ansprüchen gegeben. 1188 So BGH MMR 2005, 690 (692 f.); festhaltend BGH MMR 2005, 835 (836); BGH Urt. v. 19.5.2006, Az. V ZR 202/05, S. 4. 1189 So wörtlich BGH MMR 2005, 690 (693). 1190 Vgl. oben Teil 2 C.I.5.b)bb)(1). – Der Aspekt, dass sich für eine kurze objektev Frist keine sachliche Rechtfertigung finden lässt (vgl. BGH MMR 2005, 690 (693)), stellt nur die inhaltliche Berechtigung und Zweckmäßigkeit der Regelung in Frage, kann aber nicht eine „Ergänzung“ entgegen den klaren Wortlaut der Norm legitimieren. 1191 Oben Teil 2 C.II.4.d). 1186

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müssen, sind jedoch typischerweise nicht so hoch, dass sie die finanzielle Leistungsfähigkeit der Telekommunikationsnetzbetreiber übersteigen. Zudem kann sich der Eigentümer wegen der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 76 S. 1 u. 3 TKG nunmehr an zwei Anspruchsgegner halten. Die Schäden treten auch nicht erst lange Zeit nach den Arbeiten auf sondern zeitnah. Ein gesteigertes Insolvenzrisiko ist daher insgesamt nicht gegeben. Daher lässt sich eine Einstandsoder Garantiepflicht des Staates nicht begründen. Beim Ausgleichtatbestand des § 76 Abs. 2 S. 2 TKG knüpft die Entschädigung nicht an eine echte Einbuße an und bewegt sich ebenfalls kaum in Größenordnungen, die generelle Zweifel an der Solvenz des Verpflichteten hervorrufen. Eine Sicherungspflicht des Staates gegen Insolvenz lässt sich daher hier erst recht nicht herleiten. 4. Nutzung des Luftraums über Grundstücken Neben der Nutzung des Untergrundes erfasst § 905 BGB die Ausnutzung des Luftraumes über einem Grundstück. In der Praxis haben nach § 905 BGB zu beurteilende Nachbarkonflikte Antennen,1192 Kräne,1193 Vordächer und Regenrinnen zum Gegenstand.1194 Nennenswerte Beeinträchtigungen ergeben sich dabei kaum; ernsthafte Gefährdungen sind ebenfalls nur selten vorhanden. Besondere verfassungsrechtliche Fragen zur geltenden Gesetzeslage oder zur Rechtsanwendung stellen sich daher nicht. Für die Nutzung für den Flugverkehr, die intensive Störungen hervorrufen kann, gehen dem § 905 BGB die Sonderregelungen im LuftVG vor. Nach § 1 LuftVG steht der Luftraum der ordnungsgemäßen Benutzung durch den Luftverkehr frei.1195 Damit sind Abwehransprüche gegen die Führer und Halter von 1192 LG Bremen JW 1928, 2106 (2107); vgl. dazu Staudinger/O. Werner (2001), § 226 Rdnr. 11. 1193 Deren Eindringen in „fremden Luftraum“ wird weitgehend für unzulässig gehalten, und zwar unabhängig von der Gefahr des Umstürzens, vgl. OLG Düsseldorf NJWRR 1989, 1421 (TÜV-Plakette war erteilt); OLG Zweibrücken OLGR 1998, 100 (LS: „gefährdet oder belästigt); AG Arnsberg MDR 1980, 579 (Gefährlichkeit bejaht); OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 91 (konkrete Gefahrensituation sei nicht erforderlich). Das bloße Überschwenken ohne Lasten ist nach OLG Düsseldorf NZM 2007, 582 (583) dagegen zulässig. Vgl. ferner Kirchhof, NZBau 2012, 206 (207, 208). 1194 Überblick bei Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 16; siehe ferner OLG München NZM 2006, 783 (784): Autotür auf Nachbarparkplatz in WEG-Garage; Regenfus, NZM 2011, 799 ff.: videokamerabestückte Drohnen. – Eine ausdrückliche Erlaubnis, bei zulässiger Grenzbebauung untergeordnete Bauteile auf die Fläche des Nachbargrundstücks ragen zu lassen, enthält, § 7 b NachbarRG BW; zur Frage der Verfassungskonformität der Bestimmung wegen Art. 124 EGBGB vgl. BVerfG NJW-RR 2008, 26 (27 f.). 1195 Vgl. Staudinger/H. Roth (2009), § 905 Rdnr. 21; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 23; Regenfus, NZM 2011, 799 (800) m.w. N.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Flugzeugen generell ausgeschlossen.1196 Grund ist wiederum die Überlegung, dass die Nutzung des „wirtschaftlich wertvollen Verkehrsmittels“ 1197 Flugzeug praktisch unmöglich wäre, wenn der Flugzeugführer oder -halter zuerst Gestattungen aller Grundstückseigentümer einholen müsste.1198 Inwieweit er solcher Gestattungen bedürfte, ist zwar fraglich, da das Absturzrisiko sehr gering ist und daher nur schwer ein Ausschließungsinteresse i. S. d. § 905 S. 2 BGB begründen könnte.1199 § 1 LuftVG räumt aber zumindest klarstellend dem Flugverkehr den unbedingten Vorrang ein. Diese Entscheidung ist in Anbetracht des äußerst niedrigen Risikos einerseits und dem Betätigungsinteresse der Fluggesellschaften, das den Schutz von Art. 12 (i. d. R. i.V. m. Art. 19 Abs. 3) GG genießt, sowie dem volkswirtschaftlichen Interesse andererseits zulässig. Die Auferlegung der Duldungspflicht legitimiert und bedingt aber zugleich die verschuldensunabhängige Haftung für Schäden in den §§ 33 ff. LuftVG.1200

IV. Nutzungskonflikte in Mehrfamilienhäusern 1. Verfassungsrechtliche Untersuchung ausgewählter Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes Während die bisherigen Erörterungen das Eigentum an benachbarten Grundstücken i. e. S. betrafen, sind im Folgenden einige Problemkreise aus dem Recht des Wohnungseigentums i. S. d. WEG zu betrachten. Dessen Einführung1201 im 1196 AllgM; siehe nur Soergel/J. F. Baur, § 905 Rdnr. 4. – Die Errichtung von Flugplätzen erfordert eine Genehmigung, die wiederum mit einer Präklusion der privatrechtlichen Ansprüche auf Betriebseinstellung verbunden ist (§ 11 LuftVG i.V. m. § 14 BImSchG; wegen der Fiktion in § 71 Abs. 2 LuftVG gilt Gleiches für „alte“ Flugplätze, vgl. BGH NJW 2005, 660 (661 f.)). – Auf die Problematik der Tieffluggebiete, in denen nach § 30 Abs. 1 LuftVG die Mindestflughöhen der § 6, § 36 LuftVO nicht gelten, soll mangels zivilnachbarrechtlichen Bezugs nicht eingegangen werden. Tieffluggebiete werden vom Verteidigungsministerium per Dienstanweisung bezeichnet; dabei wird ein großer Spielraum zugebilligt, vgl. BVerwGE 97, 203 (209 ff.); BGHZ 122, 363 (369 f.). 1197 So bereits RGZ 100, 69 (74); Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (256). 1198 Mandl, DJZ 1933, Sp. 1116 (1117). 1199 Vgl. Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (485 f.), der einen Fall des § 905 S. 2 BGB nur bei nahem Überfliegen annimmt, da sich der Eigentümer Luftzug, Geräusch und Benzingeruch nicht gefallen lassen müsse; vgl. ferner RGZ 100, 69 (71, 73); Mosich, JhJb. 80 (1930), 255 (268); Trusen, DJZ 1934, 534 (536). 1200 Eine verschuldensunabhängige Haftung wurde bereits seit dem ersten Auftreten des Flugbetriebs gefordert, namentlich von Linckelmann, JW 1909, 8 (8 f.), während sich Zitelmann, ZfIntPrÖffR 19 (1909), 458 (486) dagegen wandte, den Luftschiffkapitän auch über die vorhersehbaren und damit verschuldeten Schädigungen hinaus in Schadensersatzverpflichtungen zu verstricken; vgl. auch RGZ 158, 34 (36). 1201 Zu früheren Rechtsfiguren ähnlichen Inhalts („echtes“ und „unechtes“ Stockwerkseigentum) vgl. Staudinger/Seiler (2000), Einl. zum Sachenrecht Rdnr. 42 sowie die Nw. bei Vieweg, FS Link, S. 993 (Fn. 40).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Jahre 1951 sollte zum einen den Wiederaufbau von Wohnraum beschleunigen1202 und zum anderen durch die Bildung kleinerer selbstständiger Eigentumseinheiten eine breiteren Streuung des Eigentums ermöglichen.1203 Eine umfassende Novellierung, die sowohl materiellrechtliche als auch die verfahrensrechtliche Regelungen betrifft, erfolgte zum 1.7.2007. a) Regelungskompetenzen der Wohnungseigentümergemeinschaft aa) Wohnungseigentum als Eigentum i. S. v. Art. 14 GG Das Wohnungseigentum genießt verfassungsrechtlichen Schutz als Eigentum i. S. v. Art. 14 GG, und zwar sowohl gegenüber außenstehenden Dritten als auch gegenüber den anderen Wohnungseigentümern.1204 Nach der einfachrechtlichen Ausgestaltung in § 1 Abs. 2 WEG ist Wohnungseigentum ein Miteigentumsanteil am „gemeinschaftlichen Eigentum“ i. S. d. § 1 Abs. 5 WEG,1205 der mit dem „Sondereigentum“ an einer einzelnen Wohnung1206 verbunden ist. Eine exklusive Berechtigung besteht daher sowohl am Grundstück und den darauf befindlichen wesentlichen Gebäudeteilen als ganzem als auch am Sondereigentum. Den Schutz des Art. 14 GG genießen ferner die häufig anzutreffenden Sondernutzungsrechte,1207 die zwar schuldrechtliche Gebrauchsregelungen i. S. v. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG darstellen, aber gleichwohl eine ausschließliche Zuweisung von Befugnissen an einen Einzelnen mit Wirkung gegenüber jedermann enthalten, weil – abweichend von § 13 Abs. 2 S. 1 WEG – der Gebrauch durch alle anderen Miteigentümer ausgeschlossen ist.1208 Soweit ein Eigentümer durch sein Verhalten die Nutzung des Wohnungseigentums durch einen oder alle anderen Eigentümer erschwert, ist somit der Staat 1202 1203

Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (420, 427). M. Wolf, Anm. LM § 3 WohnungseigentumsG Nr. 11; Armbrüster, JuS 2002, 141

(141). 1204 Ausdrücklich BVerfG NJW-RR 2005, 454 (454); Berg, JuS 2005, 961 (964); implizit ferner BVerfG NJW 1990, 825; NJW 1994, 241 (242); NJW 1995, 1665 (1666); WuM 1998, 45; BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 2 f. 1205 Dieses besteht gem. § 5 Abs. 1 u. 2 WEG aus dem Grundstück und den Teilen des darauf errichteten Gebäudes, die nicht im Sondereigentum einzelner stehen. Zum gemeinschaftlichen Eigentum zählen insbes. die tragenden Wände (BGHZ 146, 214 (248)); vgl. zum Ganzen ferner Armbrüster, JuS 2002, 245 (245); OLG München NJWRR 2006, 1022 (1022); OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 60 (61). 1206 Werden die Räume nicht zu Wohnzwecken genutzt, kann Teileigentum begründet werden (§ 1 Abs. 3 WEG). Für dieses gelten grundsätzlich die gleichen Regeln (§ 1 Abs. 5 WEG). Vgl. BayObLGZ 1997, 232 (236); Lechner, NZM 2005, 604 (605 f.) m.w. N. 1207 Inzident BVerfG NJW-RR 2005, 454 (454 f.); ausdrücklich Lechner, NZM 2005, 604 (610 f.). Da nach dem WEG Sondereigentum an Grundstücksflächen nicht möglich ist (abgesehen von Stellplatzflächen, vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 WEG), kommt der Einräumung von Sondernutzungsrechten Ersatzfunktion hierfür zu. 1208 Siehe nur BayObLGZ 1997, 282 (284); Armbrüster, JuS 2002, 245 (248).

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berufen, Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der anderen zu ergreifen. Umgekehrt muss auch der einzelne dagegen geschützt werden, dass die Mehrheit seine verfassungsrechtlich garantierte Freiheit zu stark einengt.1209 bb) Legitimation besonderer und strengerer Regelungen durch das Zusammenleben auf verhältnismäßig engem Raum Innerhalb von Wohnungseigentumsanlagen kommt es häufig zu Nachbarkonflikten. Immissionen – besonders Lärm – werden bereits ab einem relativ niedrigen Grad als störend oder belästigend empfunden, weil zwischen den einzelnen Sondereigentumsbereichen – anders als bei Einzelhäusern auf getrennten Grundstücken – keine räumliche „Pufferzone“ vorhanden ist, die die Intensität der Einwirkung zwischen Emissionsquelle und Akzeptor abmildern könnte. Das Erfordernis der „Abgeschlossenheit“ (§ 3 Abs. 2 S. 1 WEG) trägt zum Lärmschutz nur wenig bei, weil es lediglich die räumliche Abgeschlossenheit zu anderen Wohnbereichen gewährleisten soll, nicht aber die Einhaltung der aktuellen Anforderungen an den Schallschutz.1210 Angesichts der zahlreichen heute verbreiteten Lärmquellen (Musikwiedergabe, Musikinstrumente, Haustierhaltung) einerseits und den gesteigerten Lärmempfindlichkeit (z. B. auch gegen Trittschall, der früher großzügiger akzeptiert wurde) andererseits ist daher der „Friede im Inneren der Häuser“ 1211, den das WEG im Vergleich zum hergebrachten Stockwerkseigentum garantieren sollte,1212 nicht immer gesichert. Das Zusammenleben auf engem Raum bedingt somit, die Befugnisse des Einzelnen im Vergleich zum gewöhnlichen Grundstückseigentum zu modifizieren. Bei der Auslegung des Begriffs „unvermeidlich“ in § 14 Nr. 1 WEG und die Toleranzanforderungen in § 14 Nr. 3 WEG ist mithin der Maßstab eines „verständigen Durchschnittswohnungseigentümers“ anzulegen.1213 Zudem trägt jeder Ei1209 Vgl. Lechner, NZM 2005, 604 (passim, insbes. S. 605); zur ähnlichen Konstellation im Recht der Sportverbände Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, passim, insbes. S. 165 ff. 1210 GemS-OGB, BGHZ 119, 42 (44 ff.); zur Entscheidung und den Hintergründen Vieweg, FS Link, S. 993 ff.; M. Wolf, Anm. LM § 3 WohnungseigentumsG Nr. 11; Armbrüster, JuS 2002, 141 (142 f.). – Das BVerfG hatte die von zahlreichen Behörden und Verwaltungsgerichten praktizierte Auslegung, nach der auch diese Voraussetzungen einzuhalten seien, allerdings zuvor als grundgesetzkonform gebilligt, BVerfG NJW 1990, 825. 1211 Wörtlich Mot. III, 45. 1212 Vgl. Vieweg, FS Link, S. 993 f. (m. Fn. 40); Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (422 ff.). 1213 In der Sache ebenso BGHZ 116, 392 (396); 146, 214 (246); BayObLG FGPrax 2000, 220 (221); OLG Köln ZMR 2000, 638 (639): Wenn sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsauffassung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (Hervorhebung T.R.). – Dem Wohnungseigentümer ist aus den genannten Gründen ein Mehr an Belästigung zuzumuten als dem Bewohner eines Einfamilienhauses. Der Eigentümer eines freistehenden Hauses hat allerdings auch den Vorteil, selbst stärker emittierende

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gentümer eine besondere Verantwortung für das Gemeinschaftseigentum, so dass er in gesteigertem Maß an erforderlichen Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen mitwirken muss oder jedenfalls die gebotenen Maßnahmen nicht blockieren darf.1214 Diese Sachgegebenheiten rechtfertigen, die Befugnisse des Eigentümers einzuschränken, sofern jeweils konkret ein sachlicher Grund in Gestalt der Rechte und Interessen der anderen Eigentümer gegeben ist.1215 cc) Gestaltungsfreiraum der Eigentümergemeinschaft und Schutz des Einzelnen gegen unzumutbare Mehrheitsentscheidungen Der Rechtsordnung, vor allem dem WEG und dem BGB, kommt dabei die Aufgabe zu, die Regeln bereitzuhalten, anhand derer die Zulässigkeit der denkbaren störungsträchtigen Verhaltensweisen zu beurteilen ist. Dabei kann1216 der Gesetzgeber zwei Wege gehen: Entweder trifft er selbst die inhaltlichen AussaNutzungen vornehmen zu können, da die Emissionen wegen der Entfernung zum Nachbarn dort das Maß der Wesentlichkeit nicht mehr überschreiten. Dies spricht dafür, störendes Verhalten in Wohnungseigentumsanlagen in strengerem Umfang zu verbieten. Insgesamt müssen daher beide Beteiligte den Nachteil der engeren (da preiswerteren) Wohnsituation teilen. Das Maß an Beeinträchtigungen, das einen unvermeidlichen Nachteil i. S. d. § 14 Nr. 1 WEG ausmacht, und die damit korrespondierenden Duldungspflicht in § 14 Nr. 3 WEG ist deshalb höher anzusetzen als die Wesentlichkeitsschwelle des § 906 Abs. 1 BGB. Die Grenzziehung muss jedoch so erfolgen, dass auch der Handlungsfreiraum auf Seiten des Emittenten verringert wird, weil er vergleichsweise mehr Rücksichtnahme schuldet. Dies bedeutet insbes., dass Immisionen, die aus einem unvermeidbaren Nutzungsverhalten resultieren, in größerem Umfang hingenommen werden müssen, während Störungen aufgrund von Handlungen, deren Unterlassung weniger schwer fällt, zu unterbleiben haben (ganz ähnlich für eine vergleichbare Konstellation BGHZ 175, 253 (263, 265)). – Vgl. zur Frage, inwieweit § 906 BGB anwendbar ist, bejahend Soergel/Stürner, § 13 WEG Rdnr. 3; Lechner, NZM 2005, 604 (607 f.); als Anhaltspunkt heranziehend BayObLG NJW-RR 2001, 156 (157) NJW-RR 2005, 385 (386); OLG Frankfurt NZM 2006, 265 (265 f.); Staudinger/Roth (2009), § 906 Rdnr. 4. Für weitere Nachweise vgl. Vieweg, FS Link, S. 999 (Fn. 78). 1214 Verwahrlosung, üble Gerüche und Ungezieferbefall in einer einzelnen Wohnung führen in einem einheitlichen Gebäude schnell zu Nachteilen und Schäden für die Gemeinschaft der Eigentümer, weil ein Überspringen in andere Bereiche nur schwer zu verhindern ist. Daher muss der einzelne bereits im Vorfeld Schutzmaßnahmen ergreifen und müssen solche auch gegen den Willen des einzelnen zulässig sein, vgl. Hogenschurz, NZM 2005, 611 (613). 1215 Entgegen Lechner, NZM 2005, 604 (608), können daher z. B. durchaus Regelungen zur Beschränkung des Grillens erlassen werden, wenn und soweit sie ihren Grund und ihre Rechtfertigung in der besonderen Nähe und der daraus resultierenden Anfälligkeit haben. Aus der Rechtsprechung vgl. BayObLGZ 1999, 82 (86 f.); LG Stuttgart NJWE-MietR 1997, 37 (38); LG Düsseldorf NJW-RR 1991, 1170. 1216 Denkbar ist, dass der Gesetzgeber auch verpflichtet ist, der Eigentümergemeinschaft ein Mindestmaß an Regelungsmacht einzuräumen (vgl. bei Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 173 ff., die „Minimalgrenzen“ der „Außengrenzen“). Mangels Freiwilligkeit des Zusammenschlusses der Wohnungseigentümer könnte dies vorliegend nicht aus Art. 9 Abs. 1 GG sondern ebenfalls aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitet werden. Auch spricht die Natur der Eigentümerge-

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gen darüber, was erlaubt und was verboten ist, oder er überlässt dies der Wohnungseigentümergemeinschaft, indem er lediglich die Verfahrensregeln für den Prozess der Willensbildung und Regelsetzung schafft. Die letztere Alternative entspricht dem Gedanken der freien Gestaltungsmacht der Eigentümer.1217 Die inhaltliche Richtigkeit und Legitimation der getroffenen Konfliktlösung wird in diesem Fall primär durch die Überzeugung aller (so bei der Vereinbarung i. S. v. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG)1218 oder der Mehrheit der zur Abstimmung berufenen Eigentümer (so beim Beschluss i. S. v. § 10 Abs. 4 u. 5, § 23, § 25 WEG) gewährleistet. Staatliche Normen mit „sachlichem“ Gehalt sind lediglich subsidiären Charakters, da sie nur beim Fehlen selbstgesetzter Regelungen gelten. Der Gesetzgeber überlässt die Regelung von Konflikten allerdings nicht grenzenlos dem Willen der Eigentümermehrheit.1219 Aus dem WEG ergeben sich auch Prüfungsmaßstäbe dafür, ob eine von der Mehrheit gesetzte Regelung dem Einzelnen zu große Opfer abverlangt. Damit kommt der Gesetzgeber seiner Aufgabe nach, zu verhindern, dass der einzelne Eigentümer durch den Willen der Mehrheit in unverhältnismäßiger Weise in seiner Nutzungs- und Bestimmungsfreiheit eingeschränkt wird. In gleicher Weise, wie die Grundrechte dem Staat verbieten, durch parlamentarische Mehrheitsentscheidungen die Freiheit des Einzelnen zu stark zu begrenzen, besteht damit eine Sicherung dagegen, dass die Mehrheit der Mit-Wohnungseigentümer den Einzelnen zu stark einengt.1220 Ein gewisser Unterschied liegt nur darin, dass gegenüber legislativen Maßnahmen die Abwehrdimension des Grundrechts wirkt, während hier die Schutzpflicht betroffen ist. Hier wie dort macht dabei der Umstand, dass der einzelne stimm- und mitwirkungsberechtigt ist, eine inhaltliche Kontrolle nicht entbehrlich,1221 weil diese Einflussmöglichkeit naturgemäß begrenzt ist.1222 Nimmt eine Mehrheits-

meinschaft, die weniger Selbstzweck als bloßes Hilfsmittel zur Verwaltung ist, dagegen, dass ihr Regelungsfreiräume unbedingt zukommen müssen. 1217 Vgl. BVerfG NZM 2006, 510 (511); BVerwG NVwZ 1998, 954 (955): Die Prüfungsreihenfolge in § 15 Abs. 3 WEG drückt den Vorrang des privaten Rechts vor dem (dispositiven) Gesetzesrecht aus. 1218 Die Vereinbarung ist ihrer Natur nach ein allseitiger Vertrag, siehe nur Häublein, ZMR 2000, 423 (423); BGHZ 145, 158 (166 f.). 1219 Die Frage nach den Grenzen der Dispositionsfreiheit stellt sich auch bei Vereinbarungen, wenn eine Einzelrechtsnachfolge eintritt. Da eine Wirkung der Vereinbarung zum Nachteil eines Erwerbers jedoch deren Eintragung in das Wohnungs-/Teileigentumsgrundbuch voraussetzt (§ 10 Abs. 3 WEG), ist jedoch Publizität gegeben, weshalb keine durchgreifenden Bedenken gegen eine Gestaltungsfreiheit bestehen. 1220 Vgl. die „Innengrenzen“ bei Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 166, 189 ff. Diese ergeben sich aus den Maximalgrenzen der Außengrenzen (S. 190). 1221 Vgl. BVerwGE 98, 118 (125) für die Jagdgenossenschaft. 1222 Die Beteiligung an der Entscheidung und der sachliche Mindestschutz beruhen auf dem gleichen Grund, können sich aber nicht ersetzen; vgl. Dietlein, JuS 1996, 594 (597).

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entscheidung auf die Belange eines Einzelnen oder einer Minderheit nicht im gebotenen Maße Rücksicht, muss der Staat daher zur Verfolgung seiner Interessen eingreifen; dies erfolgt insbesondere dadurch, dass ein derartiger Beschluss im Anfechtungsverfahren nach §§ 46 ff. WEG aufgehoben wird.1223 Zu den Normen, die den einzelnen Eigentümer vor einer Bevormundung durch die anderen schützen, sind auch die (geschriebenen und ungeschriebenen) Bestimmungen zu zählen, die festlegen, was Gegenstand von Beschlüssen – und damit von Mehrheitsentscheidungen (§ 25 WEG) – sein kann. Der Beschlussentscheidung entzogen ist zum einen die sog. „dingliche Grundordnung“ der Gemeinschaft, zu der u. a. gehört, welche Bereiche Sondereigentum und welche gemeinschaftliches Eigentum sind. Veränderungen dieser Grundordnung bedürfen zwingend der sachenrechtlichen Verfügungsakte, da sie nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen, sondern dem Gemeinschaftsverhältnis zugrundeliegen und dieses konstituieren.1224 Zum anderen muss eine Regelung im Wege des Beschlusses im WEG (z. B. § 15 Abs. 2, § 21 Abs. 3 WEG) oder in einer Vereinbarung1225 zugelassen sein.1226 Dies stellt sicher, dass in grundlegenden Angelegenheiten eine verbindliche Regelung mit (potentiell) nachteiligem Inhalt nur möglich ist, wenn jeder Betroffene zustimmt, zugestimmt hat oder sich eine Zustimmung seines Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss. Die Mehrheit soll im „Kern“ des Eigentums nicht die individuelle Nutzungsfreiheit des Einzelnen gegen dessen Willen einschränken oder ihm Kostentragungspflichten auferlegen können. Eine Regelung durch Beschluss ist deshalb – auch bei an sich der Beschlussentscheidung zugänglichen Materien – nicht möglich, wenn ihr konkreter Inhalt (d.h.: der Umfang, in dem sie Befugnisse einschränkt) so weit reicht, dass der „dingliche Kernbereich“ betroffen und beeinträchtigt ist.1227 An dieser Stelle erfolgt somit eine inhaltliche Kontrolle, ob der 1223 Ähnlich die Situation im Recht der Verbände, wo der Staat ebenfalls gerichtliche Verfahren zur Kontrolle der Rechtssetzung und -anwendung bereithalten muss, vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 165, 169 ff., 186. 1224 Vgl. BayObLGZ 1997, 233 (237 ff.); 2000, 1 (2 ff.); KG FGPrax 1998, 94 (94 f.). Siehe zum Ganzen ferner Deckert, NZM 2000, 361 (362 f.). 1225 BGHZ 95, 137 (140 ff.); Wenzel, NZM 2003, 217 (220), jeweils m.w. N. 1226 Sog. „vereinbarungsändernde“ oder „gesetzesabändernde“ Beschlüsse sind nichtig, entfalten also auch ohne Anfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG keinerlei Wirkungen (BGHZ 145, 158 (163, 166 f., 168 f.); OLG Saarbrücken NZM 2006, 588 (588 f.); BayObLGZ 1984, 198 (203); 1985, 345 (346 f.); 1990, 312 (314); OLG München NZM 2006, 378 (379); Häublein, ZMR 2000, 423 (428 f.); Armbrüster, JuS 2002, 450 (452 f.); a. A. Deckert, NZM 2000, 361 (363)). Dieses Verständnis verstärkt den Schutz zugunsten der übrigen Eigentümer. 1227 BGHZ 129, 329 (333); BayObLGZ 1996, 256 (257); BayObLG NZM 1998, 1012 (1013); NZM 2000, 280 (282); Häublein, ZMR 2000, 423 (425, 427 ff.); Belz, FGPrax 2001, 14 (15); beiläufig auch BGHZ 127, 99 (105). – Die Abgrenzung desselben ist noch wenig geklärt; das BayObLG zählt z. B. Kostenverteilungsschlüssel nicht zum Kernbereich; zweifelnd Deckert, NZM 2000, 361 (364). Das Verbot der Tierhal-

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Beschluss die materiellen Vorgaben zum Schutz des Einzelnen oder der Minderheit einhält.1228 Eine Beschlussentscheidung mit einfacher oder (seit der Novelle 2007) qualifizierter Mehrheit ist damit – zusammengefasst – nur bei weniger bedeutsamen und „laufenden“ Angelegenheiten möglich. Diese Art der Entscheidung hat allerdings den Vorteil, dass Lösungen leichter gefunden und notwendige Entscheidungen schneller getroffen werden können. Auch dies ist für das Funktionieren der Gemeinschaft wichtig, weil bei Obstruktion einzelner auch Maßnahmen nicht getroffen werden könnten, die erforderlich sind, um ein geordnetes Leben in der Anlage sicherzustellen, die Lasten billig zu verteilen oder Schäden vom Gemeinschaftseigentum oder vom Sondereigentum anderer abzuwenden.1229 Die Funktions- und Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft ist Voraussetzung dafür, dass eine Eigentumswohnung eine akzeptable Form von Wohneigentum darstellt.1230 Das Ziel der Praktikabilität bei der Entscheidungsfindung kann daher gewisse Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen legitimieren. Da bei den Gegenständen, die zulässigerweise durch Beschluss geregelt werden können, keine grundlegenden Auswirkungen in finanzieller Hinsicht oder im Hinblick auf die Nutzungsfreiheit zu befürchten sind, ist es dem einzelnen Wohnungseigentümer zuzumuten, sich hier unterzuordnen.1231 Ihm bleibt zudem unbenommen, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Beschlussinhalt den Vorgaben einer „ordnungsgemäßen“ Verwaltung entspricht, also sachlich richtig i. S. v. „vertretbar“ ist und sich „innerhalb des Eigentümergemeinschaft zustehendem Ermessensspielraums“ hält.1232 Die vorstehenden Überlegungen sind auch der Grund dafür, weshalb die Eigentümergemeinschaft durch Vereinbarung Mehrheitsbeschlüsse in weiterem Umfang zulassen kann: Erwartet sie sich Vorteile, wenn das Mehrheitsvotum gilt (leichtere Entscheidungsfindung; „vorweggenommene Konfliktlösung“)1233, kann ihr nicht verwehrt werden, künftig auf dieses System überzugehen. Die Abänderung einer bestehenden Vereinbarung durch Beschluss ist jedoch auch in diesem Fall nur zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund (insbesondere zwischenzeittung (insbes. gewöhnliche Hunde) gehört nach h. M. ebenfalls nicht dazu, vgl. BGHZ 129, 329 (333); BayObLGZ 2001, 306 (309); BayObLG NZM 2001, 105; NZM 2005, 234; OLG Düsseldorf NZM 2005, 345; OLG Saarbrücken FGPrax 2007, 113 (114); so dass unangefochtene Beschlüsse hierzu beachtlich sind. 1228 Belz, FGPrax 2001, 14 (15). 1229 Vgl. die Überlegungen in BGHZ 95, 137 (141 ff.); 115, 151 (154); ferner Gottschalk, NZM 2007, 194 (194). 1230 Vgl. Deckert, NZM 2000, 361 (365). 1231 Vgl. zum Ganzen BGHZ 145, 158 (166 f.); Häublein, ZMR 2000, 423 (423 f., 426). 1232 Vgl. BayObLGZ 1985, 164 (167); BayObLG ZMR 2001, 565 (566); Gottschalk, NZM 2007, 194 (195). 1233 Vgl. Häublein, ZMR 2000, 423 (430, 431) m.w. N.

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liche Veränderungen tatsächlicher Art, die eine Anpassung erforderlich machen) vorhanden ist und der einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt wird.1234 Dieses Erfordernis schützt das Vertrauen des einzelnen Wohnungseigentümer darauf, dass Änderungen der ursprünglich getroffenen Vereinbarung durch Beschluss – auch wenn sie formell legitimiert sind – nicht ohne Weiteres (d.h.: nur bei sachlichem Anlass) erfolgen können.1235 Der Staat erfüllt seine Schutzpflicht darüber hinaus, indem er mit § 15 Abs. 3 i.V. m. § 14 Nr. 1 WEG1236 jedem einzelnen Wohnungseigentümer einen unmittelbar durchsetzbaren Anspruch darauf gibt, dass die anderen Eigentümer die Gemeinschaftsordnung einhalten;1237 diese Rechtsmacht des Einzelnen ist zwingender Ausfluss des Eigentums als subjektives Recht. Umgekehrt unterliegt aber das Recht, die Einhaltung der Gemeinschaftsordnung einfordern zu können, dem Vorbehalt von Treu und Glauben (§ 242 BGB).1238 Ein Verbot ist daher im Einzelfall unanwendbar, wenn eine atypische Situation vorliegt, etwa, wenn durch das Verhalten des Einzelnen die Gemeinschaftsinteressen nicht nennenswert berührt sind oder wenn (grundrechtlich gesicherte) Individualinteressen besonders gewichtig sind und daher überwiegen.1239 Unter ähnlichen Voraussetzungen – Vorliegen schwerwiegender Gründe und Unbilligkeit der Ergebnisse, zu der die gesetzliche Regelung führt – hat der einzelne Eigentümer ferner gem. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG Anspruch darauf, dass die Miteigentümer eine vom Gesetz abweichende Regelung durch Vereinbarung treffen.1240 1234 BGHZ 95, 137 (142 f.); OLG Düsseldorf NZM 2000, 875 (875); auch Deckert, NZM 2000, 361 (363); Armbrüster, JuS 2002, 450 (453). 1235 Vgl. BGHZ 95, 137 (142); Armbrüster, JuS 2002, 450 (453); ferner Wenzel, NZM 2003, 217 (221). Zutreffend weist BGHZ 186, 36 (41) darauf hin, dass ein solcher Anspruch nicht niedrigere Voraussetzungen aufweisen kann als § 10 Abs. 2 S. 3 WEG vorgesehen, weil sonst die bewusst der Mehrheit übertragene Entscheidungsmacht wieder zurückgenommen würde. 1236 Zu diesem Anspruch vgl. Staudinger/Kreuzer (2005), § 15 WEG Rdnr. 54. 1237 Soweit der Eigentümergemeinschaft entsprechende Ansprüche zugestanden werden, schließt dies den Individualanspruch des einzelnen Eigentümers nicht aus, siehe nur Gottschalk, NZM 2007, 194 (197); ferner BGH NZM 2006, 465 (465); OLG Zweibrücken NZM 2002, 253 (253); OLG München (32. Zivilsenat) NZM 2006, 106 (107); OLG München (34. Zivilsenat) NZM 2005, 672 (672 f.); NZM 2006, 378 (379); NZM 2006, 345 (346); KG OLGZ 1990, 155 (159). 1238 Vgl. BGHZ 129, 329 (334 f.); BayObLGZ 2001, 306 (309 f.); BayObLG NZM 2001, 105; OLG Zweibrücken NZM 2006, 937 (938); AG Mannheim NZM 2005, 591 (592). – Ausnahme- und Befreiungstatbestände, wie sie bei Eigentumsinhaltsbestimmungen regelmäßig erforderlich sind, um unverhältnismäßige Härten zu vermeiden, sind insoweit auch bei Regelungen der Gemeinschaftsordnung stets anzutreffen. 1239 Vgl. BayObLGZ 2001, 306 (309 f.), das wegen Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG eine Ausnahme vom Verbot der Hundehaltung für geboten hält. 1240 Vgl. BGHZ 184, 88 (94 ff.); 186, 34 (37 ff.). Ein vergleichbarer Anspruch, der aber strengere Voraussetzungen aufwies, wurde zuvor aus § 242 BGB abgeleitet, vgl. BGHZ 130, 304 (312); 155, 193 (196 f., 202); 157, 322 (331); 160, 354 (358 f.);

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dd) Erhaltung des einheitlichen optischen Erscheinungsbildes als relevantes Interesse Als Grund, die individuelle Gestaltungs- und Verhaltensfreiheit des einzelnen Wohnungseigentümers einzuschränken, wird häufig das Interesse an einem einheitlichen optischen Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage – sei es innerhalb des Gebäudes, sei es von außen – angeführt.1241 Gegenstand von Verboten in Gemeinschaftsordnungen oder aufgrund konkret gefasster Beschlüsse sind z. B. das Anbringen von Dekorationen an der Außenseite von Wohnungstüren,1242 die Haltung von Tieren in sichtbaren Gehegen,1243 das Aufhängen von Wäsche in Gärten,1244 das Aufstellen von Gartenzwergen1245 sowie die Anbringung von Parabolantennen.1246 Hinsichtlich solcher Phänomene finden sich für das Verhältnis gewöhnlicher Grundstücksnachbarn keine Verbote; sofern sie „ideelle Immissionen“ darstellen, fehlt es jedenfalls im Ergebnis an einem Beseitigungs-/Unterlassungsanspruch.1247 Sofern ein Wohnungseigentümer eine Veränderung an einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteil vornehmen will, die zu einer nicht ganz unerheblichen nachteiligen Veränderung des optischen Erscheinungsbilds „von außen“ 1248 führen wird, gilt ferner ein Zustimmungsvorbehalt (vgl. § 22 Abs. 1 i.V. m. § 14 Nr. 1 WEG).1249

BayObLGZ 1984, 50 (53); 1991, 396 (398); BayObLG NJW-RR 1994, 658 (659); OLG Hamm NJW-RR 2002, 1020 (1021); OLG Schleswig NZM 2003, 558 (560). 1241 Ablehnend-kritisch zur Schutzwürdigkeit dieses Interesses Lechner, NZM 2005, 604 (608 ff.). 1242 LG Düsseldorf MDR 1990, 249 (Anbringung während der Advents-, Weihnachts- und Osterzeit sowie aus Anlass von Familienfeste kann nicht verboten werden); ferner AG Essen-Borbeck NZM 2000, 309. 1243 OLG Köln NZM 2005, 785 (786). 1244 OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 59. 1245 HansOLG Hamburg NJW 1988, 2052 f.; AG Hamburg-Harburg JZ 1988, 1032 f.; AG Recklinghausen NJW-RR 1996, 657; AG Essen-Borbeck NZM 2000, 309. 1246 Zu deren Behandung eingehend unten 3. (S. 593). 1247 Vgl. H. Roth, LMK 2008, 251353: Aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer kann sich die Unzulässigkeit negativer Immissionen ergeben. 1248 Vgl. BayObLG ZMR 1999, 118 (118 f.); ZMR 1999, 837 (838 f.); ZMR 2000, 38; OLG Köln ZMR 2000, 638 (639); OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 60 (61): Die Veränderung muss von der Straße, vom Hof, vom Garten oder von anderen Wohnungen aus sichtbar sein. 1249 Vgl. OLG Köln FGPrax 2005, 203 (204) m.w. N.: Der Austausch von Fenstern ist nachteilig i. S. v. § 14 Nr. 1 WEG, wenn eine bisher äußerlich einheitliche Fassade (insbes. im Hinblick auf deren Struktur und Linienführung) in ihrem Erscheinungsbild verändert wird; ähnlich OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 60 (61). Vgl. ferner BGHZ 116, 392 (396); BayObLGZ 1999, 82 (85 f.); BayObLG WuM 1996, 487; ZMR 1999, 837 (838 f.); OLG München NZM 2005, 672 (673); NZM 2007, 842 (843); OLG Köln NZM 2005, 785 (785); NZM 2006, 106 (107). Diese Rechtsprechung billigend BVerfG NJW-RR 2005, 454 (455).

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Der Schutz aus Art. 14 GG erstreckt sich auch auf das Interesse an der Erhaltung des optischen Erscheinungsbildes der Sache.1250 Der in einem entsprechenden Beschluss dokumentierte Wunsch der Eigentümergemeinschaft, ein nach außen hin einheitliches Bild der Wohnungsanlage abzugeben,1251 kann dabei auch auf bloß ästhetischen Gesichtspunkten beruhen: Die Gemeinschaft, die als ganzes Eigentümer der Anlage ist, kann – als Ausfluss ihrer grundsätzlichen und nicht weiter der Rechtfertigung bedürfenden Entscheidungsfreiheit – auch auf eine optische schöne und einheitliche Ansicht bedacht sein.1252 Bereits die Entscheidung als solche ist daher beachtlich und beachtenswert, wenn sie nicht den Zweck der Schikane einzelner verfolgt. Hat der einzelne Wohnungseigentümer triftige Gründe für seinen Wunsch, kann dieser das bloß gestalterische Interesse der Mehrheit überwiegen. Höheres Gewicht kommt dem Anliegen nach einheitlicher Außenwirkung jedoch bereits wieder zu, wenn in nachvollziehbarer Weise zu befürchten ist, dass Außenstehende aus der „sichtbaren Individualität“ schließen, dass die unterschiedlichsten Gruppen von Menschen die Anlage bewohnen und die einzelnen Bewohner nur wenig Teamgeist und Rücksichtnahme zeigen. Dies kann potentielle Erwerber abschrecken, weil sie sich sorgen, ob sie mit den anderen Eigentümern auskommen werden. Eine gewisse „einheitliche Linie“ fördert daher die Veräußerungsfähigkeit der Wohnungen. Dieser Zusammenhang legitimiert wiederum die Aufstellung verbindlicher Regeln durch die Wohnungseigentümer, um für ein geordnetes Erscheinungsbild zu sorgen. Selbst Verhaltensweisen und Zustände, die zwischen Grundstücksnachbarn und nach dem subsidiären Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG nicht abgewehrt werden können, können daher durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft untersagt werden.1253 ee) Änderung der für das Sondereigentum vorgesehenen Nutzung Teilungserklärungen enthalten oftmals Angaben, wie einzelne Räume oder Einheiten genutzt werden dürfen. Derartigen Bestimmungen kommt regelmäßig der Charakter einer gebrauchsbeschränkenden Vereinbarung i. S. v. § 15 Abs. 1, § 10 Abs. 2 S. 2 WEG zu.1254 Dem Wohnungs-/Teileigentümer ist dann ver1250 Siehe nur BVerfGE 90, 27 (33 f.); OLG Hamm NJW-RR 2002, 1020 (1021); LG Düsseldorf NZM 2005, 861 (862); LG Konstanz NZM 2002, 341 (341, 342); LG Kaiserslautern NJW 2005, 2865 (2866). 1251 Hierzu gehört i. w. S. auch die Gestaltung der Außenseite der Wohnungseingangstür und der Bereich unmittelbar davor, der allerdings oft von Wohnungseigentümern oder Mietern als Abstellfläche „in Beschlag genommen“ wird. 1252 Vgl. OLG Düsseldorf NZM 2005, 200 (201), das (im Hinblick auf eine Regelung, nach der nur Holzfenster zulässig sind) auf die „intensive“ Beratung in der Eigentümerversammlung abstellt, in der das „Für und Wider“ abgewogen worden sei. 1253 Dies feststellend (kritisch) Lechner, NZM 2005, 604 (605). 1254 Vgl. BayObLG NZM 2000, 288 (289); ZMR 2000, 234 OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 258 (258); FGPrax 2006, 113 (114); FGPrax 2006, 114 (114); OLG Saar-

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wehrt, seine Räume abweichend von dieser Vorgabe zu nutzen. So ist etwa die Nutzung von Keller-, Speicher- oder Nebenräumen als vollwertige Wohnräume1255 oder die Nutzung einer „Wohnung“ als Gewerberaum, Kanzlei oder Versammlungsstätte1256 unzulässig, wenn nicht die anderen Eigentümer einverstanden sind. Gebrauchsbeschränkende Vereinbarung dieser Art sollen typischerweise die anderen Wohnungseigentümer davor schützen, durch störungsintensive(re) Nutzungen Nachteile zu erleiden.1257 Das sich aus der Vereinbarung mittelbar ergebende Erfordernis der Zustimmung jedes Betroffenen wirkt – im Sinne eines effektiven Individualeigentumsschutzes1258 – als präventives Schutzmittel gegen zusätzliche Immissionen oder Nachteile.1259 Diese Schutzmöglichkeit lässt sich damit erklären, dass der Sondereigentümer wegen der größeren Nähe zu den potentiellen Störungsquellen besonders anfällig ist und, wenn die Nutzung erst einmal zulässigerweise aufgenommen ist, häufig Streit (in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht) entsteht, ob das zumutbare Maß in concreto eingehalten ist. Diese Fragen stellen sich nicht, wenn bestimmte Nutzungen von vornherein untersagt werden können. Richtigerwiese wird daher bei der Frage, ob sich eine Benutzung im Rahmen der vorgesehenen Zweckbestimmung hält, eine abstrakttypisierende Betrachtung vorgenommen.1260

brücken NZM 2006, 588 (589); NZM 2006, 590 (590); OLG Frankfurt NZM 2006, 144 (145); NZM 2006, 747 (747); in concreto einen Verienbarungscharakter verneinend OLG Hamm NZM 2007, 294 (295); BayObLG NJOZ 2003, 1230 (1231 f.). 1255 Vgl. OLG Köln NZM 2005, 785 (785): „Bastlerraum“; BayObLG NJW-RR 1994, 82 (83); OLG Köln ZMR 2000, 638 (639): jeweils „Speicher“. 1256 Vgl. AG Mannheim NZM 2005, 591 (592): Wohnung als Versammlungsstätte; OLG Saarbrücken NZM 2006, 588 (589 f.): Wohnung als Boarding-Haus; LG Freiburg NZM 2005, 345 (345 f.): Bürofläche als kirchliche Versammlungsstätte. Für zulässig erachtet wurde dagegen die Nutzung einer „gewerblichen Einheit“ als Begegnungsstätte eines deutsch-kurdischen Freundschaftsvereins, OLG Hamm NZM 2005, 870 (870 f.), und die Nutzung gewerblicher Räume als Tagesstätte für Menschen mit psychischer Behinderung, OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 258 (259). 1257 Vgl. die Nachweise in Fn. 1254. 1258 Vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 454 (455) m.w. N. 1259 Vgl. Armbrüster, JuS 2002, 245 (247 f.) m.w. N.; OLG Zweibrücken FGPrax 2006, 113 (114); FGPrax 206, 114 (114); OLG Frankfurt NZM 2006, 144 (145); NZM 2006, 747 (747); OLG Hamm NZM 2005, 870 (870 f.): „nicht mehr stört oder beeinträchtigt“; OLG Saarbrücken NZM 2006, 590 (590). 1260 Diesen Maßstab betonend OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 258 (259); FGPrax 2006, 113 (114); FGPrax 2006, 114 (115); OLG Saarbrücken NZM 2006, 590 (591); OLG Frankfurt NZM 2006, 144 (146); NZM 2006, 747 (747); OLG Hamm NZM 2005, 870 (871). Zu berücksichtigen sind dabei u. a. die Zahl der Besucher, die Art der Tätigkeit und die täglichen Öffnungszeiten sowie die Empfindlichkeit der anderen zulässigen Nutzungen in der Anlage.

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ff) Aufopferungsanspruch nach § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG Ein Wohnungseigentümer muss nach § 14 Nr. 4 WEG hinnehmen, dass in seinem Sondereigentum stehende Gebäudeteile betreten und benutzt werden, um das gemeinschaftliche Eigentum instandzuhalten oder instandzusetzen. Diese Pflicht ist Konsequenz daraus, dass der im Sondereigentum stehende Bereich nicht vollständig isoliert besteht, sondern untrennbar mit den Gebäudeteilen verbunden ist, die im Eigentum der Gemeinschaft stehen, und daher Mängel an letzteren nicht ohne Inanspruchnahme des Sondereigentums behoben werden können. Der einzelne Wohnungseigentümer hat deshalb derartige Beeinträchtigungen der Integrität seiner Räume, die sowohl Art. 14 GG als auch Art. 13 GG berühren, hinzunehmen, soweit dies zum Erhalt des Gesamtgebäudes unabdingbar ist. Das Tatbestandsmerkmal „erforderlich“ ist dabei wiederum unter Berücksichtigung der genannten Grundrechte auszufüllen und tendenziell eher streng zu handhaben.1261 Zum Ausgleich dafür, dass der einzelne Wohnungseigentümer solche Maßnahmen und die damit verbundenen Nutzungseinschränkungen und Substanzeingriffe hinnehmen muss, gewährt § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch, dem klar der Aufopferungsgedanke zugrunde liegt.1262 Der einzelne Wohnungseigentümer muss zwar das Betreten etc. hinnehmen, aber nicht ohne Ausgleich, da die von § 14 Nr. 4 WEG erfassten Maßnahmen allen Eigentümern dienen und er selbst wegen des Grundsatzes der anteiligen Lastentragung (vgl. § 16 Abs. 2 WEG) nicht zu einem Sonderopfer in Gestalt von Substanz- oder Nutzungsbeeinträchtigungen verpflichtet ist. b) Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG Ein ausschließlich im WEG anzutreffendes Rechtsinstitut ist die – praktisch nur selten vorkommende – Entziehung des Wohnungseigentums. § 18 WEG erlaubt den Wohnungseigentümern, durch Mehrheitsbeschluss einen anderen Miteigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums zu verpflichten, wenn sich dieser einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht hat und deshalb den übrigen Eigentümern ein Zusammenleben mit ihm nicht zumutbar ist.1263 Die Veräußerungspflicht kann gem. § 19 WEG zwangsweise durchgesetzt werden. § 18 WEG ist zunächst in die Eingriffssystematik des Art. 14 GG einzuordnen. Für eine Qualifizierung als Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG spricht, dass ein 1261

Vgl. KG NJWE-MietR 1996, 229 (230). Vgl. BGHZ 153, 182 (183 f.); 185, 371 373, 377); BGH NZM 2003, 197 (198, 199); BayObLGZ 1987, 50 (53); KG WuM 1994, 38 (41); Staudinger/Kreuzer (2005), § 14 WEG Rdnr. 41. 1263 Vgl.BT-Drs. 13/4712, S. 35 f.; Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (431); Hogenschurz, NZM 2005, 611 (614 f.); Armbrüster, JuS 2002, 665 (668). 1262

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Totalentzug des Eigentums erfolgt. Hieran ändert auch nichts, dass der Mehrheitsbeschluss zunächst nur eine Pflicht zur Veräußerung begründet, weil es keinen Unterschied macht, ob Eigentum unmittelbar entzogen wird oder erst eine Pflicht auferlegt wird, die dingliche Rechtsänderung zu bewirken, die dann vollstreckt werden kann.1264 § 18 WEG soll jedoch erkennbar das friedliche Zusammenleben der Wohnungseigentümer und das dauerhafte Funktionieren der aus ihnen bestehenden Gemeinschaft sichern.1265 Die Entziehung des Wohnungseigentums soll den anderen Wohnungseigentümern als ultima ratio1266 zur Verfügung stehen, wenn ein ordnungsgemäßes und störungsfreies Verhalten von einem einzelnen Wohnungseigentümer nicht mehr erwartet werden kann oder wenn er seine finanziellen Verpflichtungen zur Deckung der gemeinsamen Kosten beharrlich nicht erfüllt (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 WEG).1267 Das Instrument dient damit den Wohnungseigentümern, indem es die Erhaltung (wenn man auf die Präventivwirkung abstellt) oder Wiederherstellung (wenn es zur Anwendung der Vorschrift kommt) von Stabilität und Leistungsfähigkeit der – unauflöslichen, § 11 Abs. 1 WEG – Eigentümergemeinschaft und der Integrität der einzelnen Sondereigentumsbereiche ermöglicht. Mit § 18 WEG schafft der Staat somit eine Voraussetzung für das praktische Funktionieren des Wohnungseigentums, das mit einer Einbindung in eine enge Gemeinschaft der Miteigentümer verbunden ist.1268 Die Vorschrift soll somit nicht eine Grundlage für eine Durchbrechung der privatrechtlichen Eigentumsordnung liefern, sondern dient dieser und besteht im ureigenen Interesse eines jeden Wohnungseigentümers.1269 Deshalb ist die Entziehung nach § 18 WEG eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Macht die Eigentümergemeinschaft von der ihr in § 18 WEG eingeräumten Rechtsmacht Gebrauch, wird lediglich die von vornherein bestehende Verpflichtung, die für Wohnungseigentümer geltenden Verhaltensanforderungen zu beachten, aktualisiert und sanktioniert.1270 Da es im Einzelfall durchaus erforderlich sein kann, einzelne Störer aus der Wohnungseigentümergemeinschaft auszuschließen, und das Pflichtenverhältnis

1264 1265

So bereits allgemein M. Wolff, FG Kahl, S. 22. Vgl. BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 3; BVerfG NJW 1990,

825. 1266 LG Tübingen NJW-RR 1995, 650 (651); vgl. auch LG Passau RPfleger 1984, 412; BGH NZM 2007, 290 (291); NZM 2011, 694 (694). 1267 Zur Kasuistik Hogenschurz, NZM 2005, 611 (613 f.); vgl. ferner BGH NZM 2007, 290 (290). 1268 Vgl. Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (421, 431); BVerfG NJW 1994, 241 (242); BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 3; LG Tübingen NJW-RR 1995, 650 (651). 1269 BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 3. 1270 Vgl. BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 3; siehe ferner BGH NZM 2006, 873.

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innerhalb derselben eine besondere Qualität aufweist1271, stellt die Möglichkeit der Eigentumsentziehung auf abstrakt-genereller Ebene einen angemessenen Ausgleich der Interessen dar; die Regelung ist damit verfassungsgemäß.1272 Die Verhältnismäßigkeit ist allerdings auch in jedem einzelnen Anwendungsfall der Norm (Rechtsanwendungsebene) zu wahren. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 WEG sind deshalb im Lichte der Eigentumsgarantie des betroffenen Wohnungseigentümers auszulegen. Als erforderlich kann die Entziehung nur angesehen werden, wenn andere Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung innerhalb der Gemeinschaft nicht vorhanden sind;1273 dies kann i. d. R. nur angenommen werden, wenn eine Abmahnung erfolglos geblieben ist.1274 Im Rahmen der Angemessenheit ist von Bedeutung, dass betroffene Eigentümer sein (oft selbstgenutztes und damit als Lebensmittelpunkt dienendes) Wohneigentum verliert und damit die Eingriffsintensität groß ist.1275 Die Pflichtverletzung muss daher so massiv sein, dass den „gestörten“ Wohnungseigentümer bei Abwägung ihrer Interessen mit denen des „störenden“ Wohnungseigentümers das weitere Zusammenleben unter einem Dach nicht mehr zugemutet werden kann.1276 Eine Entziehung kommt damit nur in Betracht, wenn das Mindestmaß an gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Vertrauen, das das Wohnen innerhalb einer Anlage und die Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft erfordert, nicht mehr gegeben ist.1277 Ein bloß lästiges Verhalten genügt nicht.1278 Der Staat muss, wenn er dem Eigentümerbeschluss durch eine Veräußerungsklage nach § 19 WEG zur 1271 Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (431); zu den gesteigerten Rücksichtnahmepflichten vgl. bereits oben a)bb). 1272 BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 3; BVerfG NJW 1994, 241 (242); WuM 1998, 45. 1273 Vgl. LG Landau (Pfalz) WuM 1986, 151 (151 f.); LG Passau RPfleger 1984, 412; ferner oben bei Fn. 1266. 1274 BGH NZM 2007, 290 (291) m.w. N., in den Vordergrund stellend, dass ohne eine Abmahnung nicht festgestellt werden kann, ob der Wohnungseigentümer wirklich böswillig ist; früher bereits Hogenschurz, NZM 2005, 611 (613) m.w. N.; Armbrüster, JuS 2002, 665 (668). 1275 BVerfG NJW 1994, 241 (242): „gehört zu den schwersten denkbaren Eingriffen“; dem wörtlich folgend KG WuM 1996, 299; LG Tübingen NJW-RR 1995, 650 (651); ähnlich LG Stuttgart NJW-RR 1997, 589: „schwerster Eingriff“; Paulick, AcP 152 (1952/53), 420 (428, 430). 1276 BVerfG NJW 1994, 241 (242); BGH NZM 2007, 290 (290); LG Passau RPfleger 1984, 412. – Relevant sein kann dabei auch die persönliche Vorwerfbarkeit i. S. eines Verschuldens und die Wiederholungsgefahr, vgl. BVerfG NJW 1994, 241 (242); LG Tübingen NJW-RR 1995, 650 (651). 1277 Formulierung nach BVerfG Beschl. v. 17.2.1989, Az. 1 BvR 164/89, S. 4; ähnlich LG Tübingen NJW-RR 1995, 650 (651). 1278 Zutreffend Hogenschurz, NZM 2005, 611 (612). Selbstverständlich darf die Entziehung auch nicht als Druckmittel angedroht werden, um die Ausübung von Befugnissen durch den einzelnen Wohnungseigentümer zu verhindern, vgl. OLG Köln NZM 2004, 260 (261).

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Durchsetzung verhilft, durch seine Gerichte überprüfen, ob diese strengen Voraussetzungen eingehalten wurden. Er ist qua seiner Schutzpflicht gerufen, den Eigentümer auch gegen die Mehrheit der Eigentümer zu verteidigen, wenn diese ohne auseichenden Grund gegen ihn vorgeht. Aus der Schutzpflicht für das Eigentum kann sich allerdings auch – bildlich: in umgekehrter Richtung – ergeben, dass ein einzelner Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft verlangen kann, den Entziehungsbeschluss gegenüber einem anderen zu treffen (vgl. § 18 Abs. 3 S. 1 WEG).1279 Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der einzelne schweren Verfehlungen durch einen oder mehrere andere Wohnungseigentümer ausgesetzt ist und diesen nicht anderweitig abgeholfen werden kann; den Staat trifft dann die (Schutz-)pflicht, dessen Eigentum gegen den/die Störer und gegebenenfalls auch gegen eine untätige oder nur halbherzig reagierende Wohnungseigentümergemeinschaft zu verteidigen. Dieses von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Ergebnis lässt sich in die einfachgesetzlichen Vorschriften implementieren, da die von § 18 WEG vorausgesetzte Störung nicht alle Bewohner betreffen muss1280 und die Aufrechterhaltung des Mindestschutzes eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung sein kann, auf die der einzelne Wohnungseigentümer einen Anspruch hat (vgl. § 15 Abs. 3 WEG). Die Anforderungen dafür, dass ein solcher Anspruch besteht, sind allerdings sehr hoch, zumal gerade das Nichterreichen der von § 18 Abs. 3 WEG geforderten Mehrheit indiziert, dass die Belastungen allgemein nicht als überaus erheblich angesehen werden.1281 Zudem würden die finanziellen und „atmosphärischen“ Folgen eines Ausschließungsbeschlusses die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft treffen.1282 Ähnlich zu qualifizieren und zu bewerten wie die Entziehung nach § 18 WEG ist das Genehmigungserfordernis bei Veräußerungen des Wohnungseigentums (§ 12 Abs. 1 WEG). Auch in ihm liegt eine Eigentumsbeschränkung, die durch das Interesse der anderen Miteigentümer gerechtfertigt ist, darüber bestimmen zu können, wer Mitglied in der Eigentümergemeinschaft ist bzw. wird. Der Eingriff ist auch auf das notwendige Maß beschränkt, da der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Zustimmung hat (§ 12 Abs. 2 WEG) und die Veräußerungsfreiheit somit nicht vollständig in der Hand der anderen Eigentümer liegt. Insbesondere können nur konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr eines späteren gemeinschaftswidrigen Verhaltens des Erwerbsinteressenten die Versagung recht-

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Für möglich gehalten in KG WuM 1996, 299. So auch LG Tübingen NJW-RR 1995, 650 (651). 1281 Da das Gewicht von Beeinträchtigungen für den einzelnen aber objektiv zu bestimmen ist und nicht der Mehrheitsdisposition unterliegt, kann diesem dennoch ein solcher Anspruch zustehen, etwa, wenn die Gemeinschaft den „Störer“ deckt, oder sich dessen Angriffe gezielt und massiert gegen einen einzelnen anderen richten. 1282 Vgl. KG WuM 1996, 299. 1280

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fertigen.1283 Im Ergebnis liegt somit nur eine „Kontrollerlaubnis“ bzw. ein „präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ vor. 2. Verfassungsrechtliche Untersuchung ausgewählter Regelungen des Mietrechts Rechtsnormen des Wohnraummietrechts waren bereits mehrfach Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen zu Inhalt und Reichweite des Eigentumsgrundrechts. In der überwiegenden Zahl der Fälle ging es dabei um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter das Mietverhältnis durch eine Kündigung – insbesondere: durch eine Eigenbedarfskündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – einseitig beenden darf1284 und unter welchen Voraussetzungen die Interessen des Mieters gleichwohl den Vorrang verdienen (vgl. die „Sozialklausel“ des § 574 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB, die eine Abwägung der Interessen verlangt).1285 Im Folgenden sollen mit § 566 BGB [§ 571 BGB a. F., unten b)], und § 577 BGB [§ 570 b BGB a. F., unten c)] zwei von verfassungsrechtlicher Seite bisher wenig beachtete Vorschriften behandelt werden. Zuvor sind einige grundlegende Überlegungen zur Bedeutung des Art. 14 GG im Vertragsrecht allgemein und speziell im Mietrecht anzustellen. a) Vorbemerkungen zur Eröffnung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie im Bereich des Vertragsrechts und des Mietrechts aa) „Der Mieter als Eigentümer“ Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, das Besitzrecht des Mieters stelle Eigentum i. S. d. Art. 14 GG dar,1286 hat erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eine umfassende Aufarbeitung der in der – überwiegend ablehnenden1287 1283 Vgl. OLG Frankfurt NZM 2006, 380 (380, 381); Staudinger/Kreuzer (2005), § 12 Rdnr. 44. – Mit der Novellierung hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 4 WEG eine vereinfachte Möglichkeit der Aufhebung einer entsprechenden Vereinbarung geschaffen. 1284 So z. B. die Entscheidungen BVerfGE 52, 1; 63, 361; 79, 292; 84, 382; 81, 29; 87, 114; 89, 1 (je zu § 564 b BGB a. F.). Wegen Art. 14 GG muss insbes. für eine Eigenbedarfskündigung genügen, dass der Wunsch des Eigentümers nach Eigennutzung vernünftig und nachvollziehbar ist (BVerfGE 81, 29 (33 ff.)). 1285 So etwa (zu § 556 a BGB a. F.) BVerfGE 81, 29 (33 f.); vgl. ferner Emmerich, in: Staudinger/Eckpfeiler, O. Rdnrn. 7, 98 ff. 1286 BVerfGE 89, 1 (6); wiederholt in BVerfG NJW 2000, 2658 (2659); NZM 2006, 459, ohne Auseinandersetzung mit der zwischenzeitlich veröffentlichten Literatur. 1287 Neben den im Folgenden genannten z. B. auch Roellecke, JZ 1995, 74 (74 ff.); zahlreiche weitere Nachweise bei Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 366 ff.; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rdnr. 13; Ibler, AcP 197 (1997), 565 (566, 581), die die Entscheidung allerdings jeweils grundsätzlich billigen.

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– Literatur vorgetragenen Argumente kann und soll hier nicht erfolgen, weil Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit das Sachenrecht ist. Stichpunktartig ist anzumerken, dass die Besitzschutzansprüche nicht zur Begründung der Rechtsqualität herangezogen werden können, da ihnen nicht die Funktion zukommt, eine rechtlich anerkannte Berechtigung des Besitzers zu sichern.1288 Umgekehrt steht das Fehlen der freien Verkehrsfähigkeit der vertraglichen Position des Mieters der Qualifizierung als Eigentum nicht generell entgegen,1289 weil auch beschränkt dingliche Rechte, die nicht übertragbar sind, den Schutz des Art. 14 GG genießen. Der Kern der Schwierigkeiten liegt darin, dass die schuldrechtlichen Ansprüche, die als solche zweifellos Eigentumsschutz genießen, von vornherein zeitlich begrenzten Charakter besitzen, insbesondere unter dem Vorbehalt einer wirksamen Kündigung stehen. Frei von derartigen immanenten Begrenzungen – i. S. v. „sicher“ und „unentziehbar“ – ist nur die Nutzungsberechtigung bis zum nächsten Kündigungszeitpunkt.1290 Wird die Kündigung eines solchen Schuldverhältnisses durch Gesetz ausgeschlossen oder an sachliche Bedingungen (überwiegendes Interesse) geknüpft, erweitert der Gesetzgeber damit den gegenwärtigen Befugnisumfang in zeitlicher Hinsicht. Berührt ist daher nicht das Eigentum als Abwehrrecht (da auf die bestehenden Ansprüche, die bis zum Kündigungszeitpunkt bestehen, nicht eingewirkt wird), sondern nur eine auf Ausdehnung der Position angelegten Komponente.1291 Der Ausgang der einzelnen zivilrechtlichen Streitigkeit ist jedoch auch dann, wenn man den Mietbesitz als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG qualifiziert, keineswegs zugunsten des Mieters determiniert. Da zwei grundrechtlich geschützte Positionen aufeinandertreffen und keiner ein absoluter Vorrang vor der anderen zukommt, sind die praktischen Auswirkungen, ob die Eigentumsgarantie des Vermieters einer von Art. 14 GG oder einer von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Position des Mieters gegenübersteht, vorliegend eher gering.1292 Zu befürchten ist lediglich, dass die vermeintliche Aufwertung der Mieterinteressen zu einer größeren Bereitschaft der Fachgerichte führt, ohne Rückgriff auf die einfach-

1288 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 368; Herdegen, FS BVerfG, S. 278; allgemein zu den Besitzschutzansprüchen unten C. 1289 Ebenso BVerfGE 91, 294 (307); 114, 1 (59). 1290 Vgl. BVerfG NJW 2005, 589 (589); Schmidt-Preuß, AG 1996, 1 (2 f.); siehe ferner BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 61, der jedoch folgert, dass kündbare Rechte mangels Selbstständigkeit nie Eigentum sein könnten. 1291 Insoweit wirkt sich in der Abwägung aus, dass der einzelne faktisch auf Wohnraum angewiesen ist (vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 369; ablehnend, hierauf die Schutzbereichseröffnung zu stützen, aber Depenheuer, NJW 1993, 2561 (2562 f.); Schmidt-Preuß, AG 1996, 1 (2); vgl. auch Sendler, NJW 1994, 709 (709)). 1292 Ebenso Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 367, 389; allgemein bereits oben Teil 2 C.I.2.b)bb).

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rechtliche Interessengewichtung in eine offene Abwägung zwischen zwei gleichwertig erscheinenden Positionen einzusteigen.1293 bb) Art. 14 GG als Maßstab mietrechtlicher Vorschriften Betrachtet man die Seite des Vermieters, bildet Art. 14 GG den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab für mietrechtliche Bestimmungen. Dies ist allerdings nicht von vornherein offenkundig, weil der Mietvertrag ein obligatorisches Rechtsverhältnis darstellt und keine Verfügung erfolgt. Daher ist zunächst auf die grundlegende Frage einzugehen, in welchem Zusammenhang die Eigentumsgarantie mit der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie steht. (1) Begriff und Bedeutung der „Privatautonomie“ und „Vertragsfreiheit“ „Privatautonomie“ ist der zivilrechtliche Begriff für die allgemeine Handlungsfreiheit, deren Teil und Ausprägung die Vertragsfreiheit ist.1294 Die „Vertragsfreiheit“ bezeichnet die Möglichkeit des Einzelnen, Rechtsverhältnisse nach seinem Willen selbst und eigenverantwortlich zu gestalten.1295 Der frei ausgehandelte und gestaltete Vertrag stellt das Medium dar, um den persönlichen Willen juristisch durchzusetzen und so die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu ermöglichen. Der Vertrag ist das effektivste Mittel, um individuelle Präferenzen jeder Art zu verwirklichen und eigene Vorstellungen umzusetzen.1296 Mit ihm können insbesondere auch solche Interessen verfolgt werden, 1293 So jeweils in der Sache Depenheuer, NJW 1993, 2561 (2564); Herdegen, FS BVerfG, S. 279; Roellecke, JZ 1995, 74 (75); Sendler, NJW 1994, 709 (710); ähnlich ferner Diederichsen, Jura 1997, 57 (62). 1294 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 101; zur geschichtlichen Entwicklung Rittner, JZ 2011, 269 (271 f.); vgl. ferner BVerfGE 8, 274 (328); 114, 1 (34); 114, 73 (89); BVerfG NJW 2006, 1783 (1784). 1295 Vgl. BVerfGE 25, 371 (407); 72, 155 (170); 81, 242 (254); 89, 214 (231); BVerfG NJW 1994, 2749 (2750); NJW 1996, 2021; Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (325); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 356; Kempen, DZWir 1994, 499 (502 ff.); Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 110; Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 441; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1223) m.w. N.; ausführlich Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 23 ff., der insoweit zwischen der positiven und der negativen Vertragsfreiheit unterscheidet.– Siehe auch Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, Kap. 31 I 2, nach denen der „Willkür“ bereits im Mittelalter die Qualität als Rechtsquelle zugesprochen wurde. 1296 Vgl. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (325); Canaris, FS Lerche, S. 875 f.; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (72); Isensee, FS Großfeld, S. 509 Laufke, FS Lehmann, S. 162; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 145; Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 16 f.; Rittner, JZ 2011, 269 (271 f.); Schapp, ZBB 1999, 30 (34); Singer, JZ 1995, 1133 (1137); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1222, 1226); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 33 I; BVerfG NJW 1994, 2749 (2750); NJW 1996, 2021;

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die (allgemein oder in der konkreten Situation) durch gesetzliche Regelungen nicht geschützt werden oder die rein ideeller Natur sind.1297 Da der Konsens wesensimmanent eine Zustimmung aller Beteiligten enthält, ist er – von Ausnahmesituationen abgesehen – Garant dafür, dass das Ergebnis deren individuellen Vorstellungen entspricht und somit einen hohen Gerechtigkeitgehalt in sich trägt.1298 Der Vertrag birgt daher zwar nicht unbedingt eine „Richtigkeitsgewähr“, wohl aber eine „Richtigkeitswahrscheinlichkeit“ in sich.1299 Bereits aus diesen Überlegungen folgt, dass der Staat den übereinstimmend erklärten Wille der Parteien grundsätzlich zu akzeptieren und respektieren hat.1300 (2) Schutz der Vertragsfreiheit durch die Grundrechte des Grundgesetzes Die Vertragsfreiheit ist, auch wenn sie (anders z. B. als in Art. 152 Abs. 1 WRV oder Art. 151 Abs. 2 S. 1 BayVerf) im Grundgesetz keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat,1301 vom Grundgesetz gewährleistet.1302 Dies folgt nicht zuNJW 2001, 141 (141); NJW 2005, 1561 (1562). – Während bei einer privatautonomen Regelung jeder selbst entscheidet, was er konkret als angemessen empfindet, müssen staatliche Regelungen immer auf einen abstrakten Maßstab angelegt sein, vgl. Dürig, FS Nawiasky, S. 163 (in Fn. 8) (sogar zur Menschenwürde); vgl. ferner Robbers, JuS 1985, 925 (929); Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (349) zum damit ausgedrückten Subsidiaritätsprinzip. 1297 Dies war allerdings nicht immer selbstverständlich. Vgl. etwa Hellwig, AcP 86 (1896), 223 ff., der sich – in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Literatur und früheren gesetzlichen Regelungen – dafür ausspricht, dass ein gültiger Schuldvertrag nur vorliegt, wenn die Erfüllung für den Gläubiger einen Vermögenswert hat. Die gegenteilige Position hatte zuvor z. B. v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 1 (34 ff., 105 ff.) vertreten, der darlegt, dass der Abschluss des Vertrags als Beweis eines entsprechenden Interesses des Gläubigers genügt (S. 110); vgl. auch Wagner, AcP 193 (1993), 319 (325 ff.). 1298 Siehe nur Koller, FS Tammelo, S. 104 f.; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 84; Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (436). 1299 Vgl. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (373); Canaris, FS Lerche, S. 881 ff.; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 104 f.; Isensee, FS Großfeld, S. 509; Limbach, JuS 1985, 10 (12); Singer, JZ 1995, 1133 (1137). 1300 BVerfGE 114, 1 (34); 114, 73 (89 f.); BVerfG NJW 2006, 596 (598); Canaris, FS Lerche, S. 884. 1301 Eingehend Isensee, FS Großfeld, S. 492 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 287 ff. – Wie u. a. Waechter, Die Verwaltung 46 (1996), 47 (52) darlegt, enthält das GG gar keine Schutzaussagen zu Lebensordnungen. 1302 Siehe nur Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (437). – Nach Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (90 f.); Isensee, FS Großfeld, S. 493 ff.; BVerfGE 89, 214 (231) ist auch die Privatautonomie nur institutionell garantiert. Wie bereits zur Eigentumsgarantie ausgeführt, wird der Charakter als Abwehr- und Freiheitsrecht nicht dadurch in Frage gestellt, dass die praktische Verwirklichung und das Funktionieren einen gewissen Mindestbestand an einfachgesetzlichen Regelungen voraussetzt; diese einfachrechtliche Ordnung hat sich nach den Verfassungsgarantien zu richten (Kempen, DZWir 1994, 499 (502)) und ihr optimale Geltung zu verschaffen (BayVGH BayVBl. 1990, 277 (277)). Die inhaltlichen Vorgaben dazu können aus den vorgefundenen Prinzipien des BGB herausgearbeitet werden (vgl. die beispielhafte Aufzählung bei Laufke, FS Lehmann, S. 176 f.).

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letzt daraus, dass sie untrennbar mit der dem Grundgesetz zugrunde liegenden Vorstellung verbunden ist, dass alle Bürger rechtlich gleich und frei sind und zu einem selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Handeln befähigt sind.1303 Da es im Wesen der Vertragsfreiheit liegt, dass aus Freiheit Bindungen entstehen,1304 ist der Vertragsschluss als Form des Grundrechtsgebrauchs (nicht des Grundrechtsverzichts) einzuordnen.1305 Soweit konsensual eingegangene Verpflichtungen von Bürgern nicht ausnahmsweise aus besonderen übergeordneten Gründen zu missbilligen sind, muss der Staat in Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren demjenigen zur Hilfe kommen, dessen Vertrauen durch die Nicht- oder Schlechterfüllung des anderen verletzt ist.1306 Die Vertragsfreiheit wird meist als besondere, verselbstständigte Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit bei Art. 2 Abs. 1 GG eingeordnet.1307 Wegen der Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG gilt dies allerdings nur, soweit der Inhalt des Vertrages nicht thematisch eine speziellere Grundrechtsgewährleistung berührt.1308 Daher sind familienrechtliche Verträge dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zuzuordnen,1309 Arbeitsverträge oder sonstige zu einer beruflichen 1303 Vgl. hierzu BVerfGE 8, 274 (329); 81, 242 (254); BVerfG NJW 1994, 2749 (2750); NJW 1996, 2021; Canaris, FS Lerche, S. 875; G. Hager, JuS 2006, 769 (769); Koller, Theorie des Rechts, S. 301; Limbach, JuS 1985, 10 (11); Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 28 I; Schapp, ZBB 1999, 30 (35); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1222 f.); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 33 II; Zöllner, JuS 1988, 329 (329 f., 336). 1304 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 101; ähnlich BVerfGE 81, 242 (254); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1223). 1305 Ausführlich Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 242 ff. m.w. N.; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 42 f.; wie hier ferner J. Hager, JZ 1994, 373 (380); Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (74); Robbers, JuS 1985, 925 (926 ff., insb. S. 930); Rüfner, GS Martens, S. 222 f.; BVerfGE 81, 242 (254); bereits Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 384. Mit der Verzichtskonstruktion sympathisierend dagegen Oldiges, FS Friauf, S. 291. 1306 BVerfGE 72, 302 (321); vgl. ferner dazu, dass die Anerkennung der Privatautonomie gerade darin liegt, dass die Erfüllung und Einhaltung der so begründeten Vereinbarungen erzwingbar ist, Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 715; umfassend ferner Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 28, 30 ff. 1307 BVerfGE 8, 274 (327 f.); 65, 196 (210); 95, 267 (303); BVerfG NJW 2001, 141 (141); NJW 2005, 1561 (1562); BGH NJW 1986, 2944 (2944); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 101a. E., sowie die folgenden Fn.; kritisch dagegen Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 79. 1308 Vgl. BVerfGE 8, 274 (328); 70, 115 (123); 72, 155 (170); 74, 129 (152); 89, 214 (231); 95, 267 (303); BayVGH BayVBl. 1990, 277 (277); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 103; Isensee, FS Großfeld, S. 494 f.; Laufke, FS Lehmann, S. 162 f.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnrn. 225; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 388; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 294; ähnlich ferner Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (437 f.): „wird ergänzt“. – Für den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG verbleibt daher nur das Gebiet des sonstigen Schuldrechts im engeren Sinn, vgl. Laufke, FS Lehmann, S. 163; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 103; BVerfGE 88, 384 (403). 1309 Ebenso – wenn auch wenig deutlich – BVerfGE 103, 89 (100, 101).

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Tätigkeit gehörende Verträge dem Art. 12 Abs. 1 GG1310 und gesellschaftsrechtliche Verträge dem Art. 9 Abs. 1 GG.1311 Obligatorische Rechtsverhältnisse, die die Überlassung von Besitz und Nutzung einer Sache zum Gegenstand haben oder zu einer Verfügung über eine solche verpflichten, fallen dementsprechend in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG.1312 Dem einfachgesetzlichen Abstraktionsprinzip kommt insoweit keine Bedeutung für die Zuordnung zu den Grundrechtsschutzbereichen zu.1313 (3) Einzelne Komponenten der Vertragsfreiheit Neben der Freiheit, Verträge überhaupt abzuschließen oder dies zu unterlassen, beinhaltet die Vertragsfreiheit die Wahl des Vertragspartners und die Festlegung der einzelnen Vertragskonditionen.1314 Die Schutzwirkung der Vertragsfreiheit endet nicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern sichert den einmal geschlossenen Vertrag gegen staatliche Eingriffe, die die vereinbarten Rechtsfolgen einer Änderung unterwerfen.1315 Legitimationsbedürftig sind daher auch nachträgliche Änderungen der Vertragsbedingungen und des vereinbarten Pflichtengefüges sowie die Auswechslung eines Vertragspartners (Schuldners)1316.1317 b) „Kauf bricht nicht Miete“ (§ 566 BGB) Gerade an der zuletzt genannten Stelle setzt § 566 BGB an, der bewirkt, dass beim Verkauf eines Grundstücks ein bestehendes Mietverhältnis über dieses oder einzelne Räume weitgehend1318 beendet wird und ein neues Mietverhältnis mit dem Erwerber des Grundstücks entsteht.1319 Die Regelung, die praktisch zu einer 1310 BVerfGE 81, 242 (253 ff.), 88, 145 (159); 101, 331 (347); BVerfG NJW 2000, 3635 (3636). 1311 P. M. Huber, WM 1998, 633 (639); Laufke, FS Lehmann, S. 162 f. 1312 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 295 m.w. N.; vgl. auch Krause, JZ 1984, 713 (717); 828 (829) m.w. N.; BVerfGE 114, 1 (37); 114, 73 (90). – Die das Kleingarten- bzw. Wohnungsmietrecht betreffenden Entscheidungen BVerfGE 52, 1 (30 ff.); 79, 292 (303 f.); 87, 114 (138) prüfen wie selbstverständlich Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. 1313 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 295 f.; zum Zweck des Abstraktionsprinzips oben Teil 3 C.II.1. 1314 Statt aller Hillgruber, ZRP 1993, 6 (7); Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (438). 1315 BVerfGE 88, 384 (403); 95, 267 (304). 1316 Speziell hierzu BVerfGE 114, 1 (34). 1317 Vgl. hierzu insgesamt P. M. Huber, WM 1998, 633 (638); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 102; geprüft jeweils in BayVGHE 48, 27 (29 f.). 1318 Es bleibt z. B. die Nachhaftung des früheren Eigentümers für die Mietkaution, § 566 a S. 2 BGB; siehe auch §§ 566 d ff. BGB; vgl. dazu jeweils Emmerich, in: Staudinger/Eckpfeiler, O. Rdnr. 83. 1319 Der neue Eigentümer wird nicht Rechtsnachfolger, vgl. RGZ 59, 177 (188); BGHZ 53, 174 (179); BGH NJW 2005, 1187 (1187); NZM 2008, 519 (520); demgegenüber bevorzugt Emmerich, in: Staudinger/Eckpfeiler, O. Rdnr. 74, eine Sukzession.

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weitgehenden Verdinglichung des Mietverhältnisses führt,1320 wird regelmäßig ausschließlich als Mieterschutzvorschrift angesehen, die bezwecke, dem Mieter sein Besitzrecht und seine günstigen Vertragskonditionen auch gegenüber dem neuen Eigentümer zu erhalten.1321 § 566 BGB reagiert insoweit auf die Grundkonzeption des BGB, dass ein schuldrechtliches Besitzrecht an sich nur relativ – und damit nicht gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger – wirkt, zumal § 986 Abs. 2 BGB bei Immobilien nicht eingreift.1322 Neben dieser mieterschützenden Funktion lässt sich allerdings eine zweite, dem Eigentümer zugute kommende Wirkung erkennen: Die „Überleitung“ des Mietvertrags auf den Erwerber ermöglicht erst die Veräußerung vermieteter Grundstücke und Wohnungen. Auch wenn der „Kauf die Miete brechen“ 1323 würde, wäre der Verkauf eines vermieteten Grundstücks im praktischen Ergebnis nur möglich, wenn der Verkäufer wegen sämtlicher Mietverträge unter Beteiligung der jeweiligen Mieter einen Eintritt des Erwerbers vereinbart.1324 Andernfalls würde er riskieren, dass die Mieter den Verkauf durch den Erlass eines Veräußerungsverbotes verhindern, und sich hohen Schadensersatzansprüchen aussetzen, weil er sich durch die Veräußerung zurechenbar der Möglichkeit begibt, die von ihm geschuldete Überlassungspflicht weiter zu erfüllen.1325 Sofern nur ein Mieter sich weigert, den bestehenden Mietvertrag mit ihm zu beenden, bliebe der Eigentümer keine reelle Chance, eine vermietete Immobilie zu veräußern. Dies ist für ihn umso problematischer, als der Vermieter von Wohnungen wegen § 573 BGB weitgehend an einer ordentlichen Kündigung gehindert ist.1326 Der Eigentümer-Vermieter wäre daher auf unbestimmte Dauer sowohl gehindert, die Mietsache tatsächlich nutzen, als auch, ihren Vermögenswert ausnutzen. Ein derartiger faktischer Ausschluss von Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit wäre mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie allenfalls dann zu vereinbaren, wenn kein milderes Mittel erkennbar ist, das die Mieterinteressen ausreichend berücksichtigt; ein solches liegt in der Überleitung der bestehenden Mietverhältnisse bei 1320 Vgl. Emmerich, in: Staudinger/Eckpfeiler, O. Rdnrn. 8, 75, jeweils klarstellend, dass diese Charakterisierung der Wirkung keine Aussage über die Konstruktion enthält. 1321 BGHZ 107, 315 (320); 141, 239 (247); BGH NJW 2005, 1187 (1188) („nicht verkürzen“); Staudinger/Emmerich (1997), § 571 Rdnr. 2; Jauernig/Teichmann, § 571 Rdnr. 1. – In Prot. II, 137 spielt dieser Gedanke kaum eine Rolle, da man der Auffassung war, die minderbemittelten Bevölkerungsschichten würden ohnehin nur eher kurzfristige Mietverträge abschließen. 1322 Vgl. Jauernig/Teichmann, § 571 Rdnr. 1; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 7 Rdnr. 24. 1323 Zum Hintergrund der Überschrift des § 566 BGB und der korrekten Formulierung vgl. bereits S. 224 (in Fn. 1119). 1324 Vgl. die Überlegung in Prot. II, 137, den Käufer zur Übernahme der Verträge zu verpflichten. 1325 Dies bemerkend bereits Prot. II, 137. 1326 Die Anwendbarkeit des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 2 u. 3 BGB auf solche Fälle erscheint jedenfalls fraglich.

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im Übrigen gleichbleibenden Konditionen (einschließlich der Kündigungsfristen) auf den Erwerber. Diese Lösung ist auch insgesamt verhältnismäßig: Der Mieter wird durch den Austausch des Vertragspartners zwar – wie gezeigt – in seiner Vertragsfreiheit beeinträchtigt, doch ist das Interesse daran, dass eine bestimmte Person als Vermieter erhalten bleibt, i. d. R. nicht besonders stark.1327 Wegen bereits geleisteter Zahlungen besteht eine Nachhaftung.1328 § 566 BGB ermöglicht dem Eigentümer vermieteter Grundstücke und Räume somit, diese jederzeit zu verkaufen und zu übereignen, ohne Schwierigkeiten befürchten zu müssen. Auf diese Weise dient der „Übergang“ von Rechten und Pflichten aus dem Mietvertrag nach § 566 BGB auch den Eigentümerinteressen. Die Norm erweist sich damit in einer Zeit, in der die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung durch den Vermieter weitgehend beschränkt ist, als notwendig, um dem Eigentümer wenigstens eine der beiden alternativen Verwendungsmöglichkeiten, die von Art. 14 Abs. 1 GG garantiert ist, zu erhalten.1329 c) Vorkaufsrecht des Mieters (§ 577 BGB) Aus eigentumsdogmatischer Sicht interessant ist ferner das gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters1330 im Fall der Umwandlung von ihm bewohnter Räume in Eigentumswohnungen (§ 577 BGB). Dieses Vorkaufsrecht entfaltet nachteilige Wirkungen für zwei Personen, nämlich für den Verkäufer, dem ein anderer Vertragspartner aufgenötigt wird, und für den vom Verkäufer ausgewählten Käufer, für den zumindest das Risiko besteht, die Wohnung nicht mehr erwerben zu können, weil der Verkäufer sie an den Mieter übereignen muss. aa) Eingriffswirkungen beim Veräußerer Der verfassungsrechtliche Schutz der (positiven und negativen) Abschlussfreiheit im Hinblick auf Verträge, die auf die Übertragung des Eigentums gerichtet sind, fällt nach den Ausführungen unter a) bb) (2) insoweit in den Bereich des Art. 14 GG, als der Veräußernde betroffen ist.1331 Bestimmungen, durch die eine 1327 Demgegenüber hat der Vermieter ein schütztenswertes Interesse daran, nicht einen beliebigen Mieter aufgedrängt zu bekommen, da er dem Mieter seine Sache anvertraut. 1328 Oben Fn. 1318. 1329 Anders insgesamt Ibler, AcP 197 (1997), 565 (575 f.): § 571 BGB (a. F.) mache die Verwertung weniger wirtschaftlich. 1330 Das BGB kennt ferner das gesetzliche Vorkaufsrecht nach §§ 2034 f. BGB für die Mitglieder einer Erbengemeinschaft. Sonstige gesetzliche Vorkaufsrechte – zugunsten des staatlicher Körperschaften – bestehen z. B. nach §§ 24 ff. BauGB, §§ 4 ff., § 14 RSiedlG und nach den Naturschutzgesetzen der Länder, z. B. Art. 39 BayNatSchG. 1331 Siehe nur Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 103; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 295; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopfe-

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Person eine andere einseitig zu einer Veräußerung an ihn verpflichten kann1332 oder die dem Veräußerer einen anderen Vertragspartner aufzwingen, sind deshalb an der Eigentumsgarantie zu messen.1333 Für den Eigentümer sind gesetzliche Vorkaufsrechte damit Eigentumseingriffe, und zwar Inhalts- und Schrankenbestimmungen: § 577 BGB soll die „spekulative Verdrängung“ von Mietern verhindern, die häufig im Zuge der Umwandlung von Mietshäusern in Wohnungseigentum erfolgt, indem dem Mieter der Erwerb des Eigentums ermöglicht wird.1334 Dem Mieter bleibt dadurch sein bisheriger Lebensmittelpunkt mit den sozialen Bindungen erhalten; gleichzeitig wird eine – sozialpolitisch erwünschte – breitere Streuung des Eigentums bewirkt.1335 Die Regelung soll daher die im Eigentum enthaltene Veräußerungs- und Verfügungsbefugnis so einrichten und begrenzen, dass auch den sozialen Belangen der Mieter entsprochen wird. Dieses Ziel wird nicht im Wege einer Durchbrechung der Eigentumsordnung verfolgt, sondern gerade unter Rückgriff auf die typisch zivilrechtlichen Formen des Kaufs.1336 Damit ist das Vorkaufsrecht als Inhalts- und Schrankenbestimmung einzuordnen. Die Intensität dieses Eingriffs für den Eigentümer ist relativ gering. Er hat durch den Vertragsschluss mit dem Käufer bereits seinen Willen manifestiert, das Eigentum nicht mehr selbst zu nutzen, sondern gegen Entgelt zu übertragen, d.h. den Sachwert auszunutzen.1337 Ein echter Eingriff in die Substanzgarantie liegt damit nicht vor. Das Interesse des Rechtsinhabers, gerade an den von ihm ausgewählten Vertragspartner zu verkaufen und zu übereignen,1338 wiegt i. d. R. nicht rungsansprüche, S. 147 f.; BayVGHE 48, 27 (29 ff.); a. A. Laufke, FS Lehmann, S. 156. – Näheres zu derr Einschränkung im Text unter bb). 1332 BVerfG VIZ 2001, 330 (331): Ankaufsrecht; zustimmend Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 103; vgl. bereits oben B.IV.1.a)ff). 1333 Vgl. BayVGHE 48, 27 (29 f.) „Veräußerungsbefugnis“; BVerfGE 95, 267 (304); BGH DNotZ 2008, 771 (772): „Eigentumsrecht des Vermieter berührt“. Anders BGHZ 167, 58 (62): betroffen seien die „Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)“ und die „wirtschaftliche Dispositionsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG)“. 1334 Vgl. BGHZ 141, 194 (199); 167, 58 (61 f., 62); BGH DNotZ 2008, 771 (772). – Wie BGHZ 167, 58 (61 f.) zutreffend ausführt, ist die Interessanlage bei einer späteren Veräußerung anders. Zum einen besteht weniger die Spekulationsgefahr, zum anderen muss der Mieter sich behandeln lassen, als hätte er von vornherein eine Eigentumswohnung angemietet. Eine Anwendung der Bestimmung auf alle späteren Verkaufsfälle scheidet daher aus. – § 577 BGB wird durch § 577 a BGB i.V. m. den Verordnungen der Länder ergänzt, die das Verbot von Kündigungen durch den Erwerber ermöglichen. 1335 Vgl. oben bei Fn. 1203. 1336 Mit dieser Begründung ebenso BayVGH BayVBl. 1990, 277 (277); BayVGHE 48, 27 (28 f.) selbst für die öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrechte. 1337 Vgl. Engelhardt, BayVBl. 1991, 279 (280). 1338 Dieses zutreffend in den Mittelpunkt stellend BayVGHE 48, 27 (29) ab. – Ungenau Jauernig/Teichmann, § 570 b Rdnr. 1, der meint, die Angehörigenklausel verschaffe dem Verwertungsinteresse des Vermieters den Vorrang; es geht primär um das Auswahlinteresse. Richtig dürfte sein, dass in diesen Fällen oftmals der Kaufpreis nicht marktge-

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besonders schwer,1339 zumal weiter die Vertragskonditionen gelten, die mit dem Kaufvertragspartner ausgehandelt worden waren (§ 577 Abs. 1 S. 3 i.V. m. § 464 Abs. 2 BGB).1340 Den typischen Fällen, in denen der Veräußerer ein besonderes Interesse an der Person des Erwerbers hat, trägt § 577 Abs. 1 S. 2 BGB Rechnung, der das Vorkaufsrecht für die Fallgruppe von Verkäufen an Familienmitglieder oder Haushaltsangehörige ausschließt.1341 bb) Eingriffswirkungen beim (verhinderten) Käufer Das Vorkaufsrecht führt ferner dazu, dass der Verkäufer zwei Übereignungsgläubigern ausgesetzt ist, aber nur einmal leisten kann, so dass das Erwerbsinteresse des Käufers zumindest gefährdet wird.1342 (1) Kein Schutz des Erwerbsvorgangs als solchen durch Art. 14 GG Art. 14 GG schützt, wie bereits ausgeführt, nicht den rechtsgeschäftlichen Erwerb dinglicher Rechte.1343 Dies setzt sich auch auf der schuldrechtlichen Ebene fort. Der Abschluss und der Fortbestand von Schuldverhältnissen, die auf die Verschaffung eines dinglichen Rechts gerichtet sind, fällt daher – was den Erwerber/Gläubiger betrifft – nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG, sondern als Teil der allgemeinen Privatautonomie in den Art. 2 Abs. 1 GG.1344 recht ausgehandelt wird, sondern wegen der engen familiären oder freundschaftlichen Verbundenheit niedrig angesetzt wird („Freundschaftspreis“); bei einem Verkauf zu den gleichen Bedingungen an den – eher fremden – Mieter wäre mithin auch dem Äquivalenzinteresse durch eine Kaufpreisanpassung o. ä. besonders Rechnung zu tragen. 1339 Ähnlich BVerfGE 87, 114 (142) für die Verpachtung von Kleingärten. 1340 Auch für die Sicherung des Zahlungsanspruchs ist gesorgt (vgl. § 468 BGB). – Demgegenüber sehen einige Fälle der „öffentlich-rechtlichen“ Vorkaufsrechte, etwa § 28 Abs. 3 u. 4 BauGB, eine Veräußerung zum Verkehrswert vor; dies soll die vorkaufsberechtigte öffentliche Hand vor überteuerten Preisen schützen (vgl. F. Baur, FG Sontis, S. 195; zur besonderen Problematik des § 4 Abs. 3 RSiedlG, der die Parteien an einem zu niedrig beurkundeten Kaufpreis festhält, Rapsch, UPR 1985, 46 ff.). 1341 Damit ist das Argument von Rapsch, UPR 1985, 46 (47), es liege nur eine grundsätzliche Veräußerungsbereitschaft vor, jedoch nicht auch die spezielle Bereitschaft, gerade an den gewählten Dritten zu übereignen, entkräftet. 1342 Da ein redlicher und sorgfältiger Veräußerer den Kaufvertrag mit dem Dritten nur unter der Bedingung schließt, dass der Mieter sein Vorkaufsrecht nicht ausübt, führt das Vorkaufsrecht i. d. R. sogar zur Vernichtung des Übereignungsanspruchs. 1343 Vgl. oben Teil 3 C.I.2.c). 1344 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 103; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 229; v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 101; siehe auch BVerfGE 68, 193 (222 f.); BayVGHE 48, 27 (29, 31); BayVGH BayVBl. 1990, 277 (277); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 296 f.; Laufke, FS Lehmann, S. 156.

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(2) Kein Schutz durch Art. 14 GG gegen die Vernichtung des Übereignungsanspruchs Die Ausübung des Vorkaufsrechts vernichtet allerdings auch den Übereignungsanspruch des Käufers, den er aufgrund des Vertrages bereits erlangt hat und der Eigentum i. S. v. Art. 14 GG darstellt. Läge hierin in Eingriff, könnte dieser durch evtl. bestehende Sekundäransprüche nicht kompensiert werden, da Schadensersatzansprüche mit Sachleistungsansprüchen nicht auf „gleicher Stufe“ stehen.1345 Unerheblich wäre auch, dass das Vorkaufsrecht von Anfang an auf dem Gegenstand ruht,1346 da dies am Vorliegen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung nichts ändern würde.1347 Die nachteilige Wirkung für den Käufer beruht ausschließlich darauf, dass durch die Ausübung des Vorkaufsrechts ein zweiter, auf die identische Leistung gerichteter Anspruch entsteht. Dies erzeugt die Gefahr, dass der Eigentümer vorher an den Mieter übereignet und so die Erfüllung des dem Käufer zustehenden Anspruchs unmöglich macht. Rein rechtlich bleibt der Übereignungsanspruch bestehen; verringert wird nur seine Realisierungswahrscheinlichkeit. Damit handelt es sich letztlich um ein Solvenzproblem, das dem Übereignungsanspruch – wie jedem obligatorischen Recht – bereits aufgrund seines Charakters und Inhalts als Schwäche anhaftet. Für diese Situation zwar der Staat insoweit verantwortlich, als das gesetzlich begründete Vorkaufsrecht erst die Entstehung des zweiten „konkurrierenden“ Anspruchs bewirkt. Die Leistungsfähigkeit des Schuldners ist jedoch überhaupt nur noch deshalb relevant ist, weil der Käufer noch kein dingliches Recht an einem Gegenstand hat, sondern nur einen Anspruch auf dessen Einräumung. Die „Entwertung“ des Anspruchs setzt gerade an der Stelle der Anspruchsumsetzung an und berührt ihn somit nicht in seiner rechtlichen Qualität.1348 Die beschriebene Schwäche wurzelt in der Ebene des schuldrechtlichen Vertrags, so dass die obigen Ausführungen zur Abgrenzung der Schutzbereiche an dieser Stelle sinngemäß heranzuziehen sind und auch insoweit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG betroffen ist.1349 Die Richtigkeit dieser Überlegung wird bestätigt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Entstehung eines Übereignungsanspruchs, der erst in einem weiteren Schritt zu erfüllen ist, lediglich Folge des Trennungsprinzips ist; beim Einheitsprinzip wäre wenig zweifelhaft, dass die Verwirklichung von Durchsetzungsrisiken, die nach dem bloßen Ver1345 Insoweit zutreffend Numberger, BayVBl. 1991, 278 (279); vgl. oben Teil 2 B.III. 2.b)dd)(5)(d) (Fn. 793). 1346 Auf diese Überlegung stützt sich jedoch Engelhardt, BayVBl. 1991, 279 (279); ähnlich auch BGHZ 32, 255 (227); BayVGHE 48, 27 (29). 1347 Vgl. oben Teil 2 B.III.2.a); vgl. ferner Numberger, BayVBl. 1991, 278 (279). 1348 Anders daher bei einem Kündigungsrecht; dieses begrenzt den Umfang des Rechts und bestimmt damit Inhalt und Schranken, vgl. BVerfG NJW 2005, 589 (589). 1349 Insofern stimmt die Feststellung aus BGHZ 32, 225 (227 f.), dass die Chance, Eigentum zu erwerben, kein enteignungsfähiges Recht sei.

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tragskonsens noch bestehen, unter keinem Gesichtspunkt eine Verletzung von Eigentumsrechten darstellen kann. (3) Folgerungen – Verhältnismäßigkeit Auch wenn das Erwerbsinteresse des Käufers „nur“ von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird, ist dieses – da es eine absolute Vorrangrelation der Grundrechte untereinander nicht gibt – vom Gesetzgeber zu berücksichtigen und mit den Belangen, die für das Vorkaufsrecht sprechen, abzuwägen. § 577 BGB soll dem Mieter ermöglichen, sich die von ihm bewohnten Räume dauerhaft zu sichern und sich so seinen Lebensmittelpunkt einschließlich der von dort ausgehenden sozialen Bindungen zu erhalten.1350 Ein Erwerber hat demgegenüber – abgesehen von den Fällen des § 577 Abs. 1 S. 2, in denen aber nicht zuletzt aus diesem Grund kein Vorkaufsrecht besteht – kein besonderes Interesse, Eigentum gerade an dieser bestimmten Wohnung zu erhalten. Ihm ist daher zuzumuten, sich auf dem Markt ein anderes Objekt auszusuchen, um sich Wohnraum oder ein Anlageobjekt zu verschaffen. Die unterschiedliche Schutzwürdigkeit der kollidierenden privaten Belange lässt die Angemessenheitsprüfung zugunsten des Mieters ausfallen. Das Ziel, dem Mieter den Erwerb „seiner“ Wohnung zu ermöglichen, rechtfertigt damit den Eingriff in das Erwerbsinteresse des Käufers. 3. „Parabolantennen“ Sowohl im Bereich des Mietrechts als auch des Wohnungseigentumsrechts führt der Wunsch von Bewohnern, eine Parabolantenne anbringen zu dürfen, um via Satellit ausgestrahlte Fernsehprogramme empfangen zu können, häufig zu Konflikten mit dem Vermieter bzw. der Eigentümergemeinschaft. Zum Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts gehört auch die Freiheit, den optischen Eindruck der eigenen Sache ungeschmälert erhalten zu können und jegliche Veränderungen derselben, wie sie auch durch die Anbringung von Anlagen durch andere (einschließlich der Mieter oder Sondereigentümer) bewirkt wird, nicht dulden zu müssen.1351 Das einfache Recht gewährt dementsprechend dem Vermieter-Eigentümer gegen den Mieter einen Abwehranspruch aus § 541 BGB,1352 der Eigentümergemeinschaft gegen den einzelnen Wohnungseigentü1350

Vgl. oben aa). – Das Vorkaufsrecht ist hierzu erkennbar geeignet und erforder-

lich. 1351

Oben Fn. 1250. Vgl. BGH NZM 2007, 481. Inwieweit die These einer Exklusivität der mietrechtlichen Ansprüche zutrifft oder – was vorzugswürdig erscheint – die Geltendmachung dieses Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Mieter den mietrechtlichen Bestimmungen unterliegt, soll hier offen bleiben. 1352

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mer den Anspruch aus § 15 WEG i.V. m. § 1004 Abs. 1 BGB. Fraglich ist insoweit lediglich, ob sich aus dem Mietvertrag bzw. dem Gemeinschaftsverhältnis eine Duldungs- oder Gestattungspflicht ergibt. Ausdrückliche Regelungen bezüglich der Anbringung von „Satellitenschüsseln“ werden in Mietverträgen gewöhnlich nicht getroffen. Die Duldungspflicht kann daher nur aus der allgemeinen Pflicht, den Gebrauch der Mietsache im geschuldeten Umfang zu ermöglichen (§ 535 i.V. m. § 242 BGB), abgeleitet werden.1353 In Wohnungseigentumsanlagen hat die Abwägung dementsprechend anhand der § 22 Abs. 1, § 14 Nrn. 1 u. 2 WEG zu erfolgen.1354 Dem Eigentumsschutz steht vorliegend das Informationsinteresse der Bewohner gegenüber, das von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG geschützt ist und vom Staat qua seiner Schutzpflicht auch gegenüber dem Vermieter (bzw. der Eigentümergemeinschaft) zu verwirklichen ist. Die Informationsfreiheit wird jedoch durch das Eigentum und dieses wiederum durch die Informationsfreiheit begrenzt.1355 Da bei Verträgen unter zwei Grundrechtsträgern1356 jede Vertragspartei ihre eigenen Interessen verwirklichen darf, kann auch nicht davon ausgegangen werden, der Vermieter werde auf alle verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Mieters vollumfänglich Rücksicht nehmen. Eigentumsgarantie und Informationsfreiheit sind damit von der Rechtsprechung durch eine fallbezogene Abwägung in einen gerechten Ausgleich zu bringen.1357 Da das Grundgesetz keine Vorgabe enthält, welche Lösung bei derartigen Konflikten die richtige ist, halten die Entscheidungen und die ihnen zugrundeliegenden richterrechtlichen Rechtssätze der Über-

1353 BVerfGE 90, 27 (33 f.); BVerfG NJW 1994, 2143 (2143); NJW-RR 2005, 530 (inzident, auch zur Abdingbarkeit); LG Düsseldorf NZM 2005, 861 (862); LG Konstanz NZM 2002, 341 (341); kritisch Kempen, DZWir 1994, 499 (501 ff.). 1354 Weitere rechtliche Schwierigkeiten entstehen, wenn die Eigentumswohnung vermietet ist. Vgl. dazu Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 9 ff., 486 ff.; ferner BGH NJW 1996, 714 (714 f.); OLG Köln NJW-RR 2005, 530. 1355 BVerfG NJW-RR 2005, 661 (662); BGH NJW 2006, 1062 (1064); BayObLGZ 1991, 296 (300 f.); w.Nw. zur Wechselwirkungstheorie oben Fn. 598. 1356 Anders gilt bei der ergänzenden Auslegung von Verträgen im Bereich des Verwaltungsprivatrechts, an denen stets ein ausschließlich Grundrechtsverpflichteter beteiligt ist. So ist z. B. ein Kaufvertrag, der durch freihändigen Erwerb des benötigten Gegenstands einer zulässigen Enteignungsmaßnahme zuvorkommen soll, i. d. R. ergänzend dahin auszulegen, dass wegen des verfassungsrechtlich gegebenen „Rückübereignungsanspruchs“ bei Nichtverwirklichung des Vorhabens eine Rückübertragungspflicht konkludent als vereinbart gilt, vgl. BGHZ 135, 92 (97 ff.) m. Anm. Osterloh, JuS 1998, 465; W. Schmidt, Anm. LM BGB § 157 (D) Nr. 70; zuvor bereits im Grundsatz ebenso BGHZ 84, 1 (6 ff.); BayObLGZ 1989, 457 (459 ff.). Das vom Grundgesetz Gebotene kann hier als hypothetischer Wille der Behörde unterstellt werden (Osterloh, JuS 1998, 465) und so mittelbar in die Verträge hineinwirken (W. Schmidt, Anm. LM BGB § 157 (D) Nr. 70). Bei Verträgen unter Privaten gilt dies nicht, weil jeder seine Belange auch auf Kosten der anderen verfolgen darf. 1357 Vgl. BGH NJW-RR 2005, 596 (596); OLG Zweibrücken NZM 2006, 937 (938); LG Düsseldorf NZM 2005, 861 (862).

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prüfung am Maßstab des Grundgesetzes stand, wenn sie auf einer Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen beider Beteiligter beruhen und diese ausreichend beachten.1358 Die Rechtsprechung macht das Recht zur Anbringung von Satellitenempfangsanlagen davon abhängig, dass die Parabolantenne sachgerecht installiert wird und am Gebäude der Ort ausgewählt wird, der den optischen Gesamteindruck am wenigsten stört.1359 Wird diesen Voraussetzungen entsprochen, hat der Eigentümer die Anbringung zu dulden, wenn es sich um ausländischen Mieter/Wohnungseigentümer handelt und diese auch nicht über die vorhandenen Antennenoder Kabelfernsehanlagen Fernsehprogramme in ihrer Muttersprache empfangen können.1360 Unter entsprechenden Umständen kann in gleicher Weise der Wunsch nach Empfang eines muttersprachlichen Fernsehprogramms aus einer bestimmten Herkunftsregion durchgesetzt werden.1361 Diese Lösung mag zwar angreifbar sein, weil sie zum – unter dem Gleichbehandlungsaspekt problematischen – Ergebnis führt, dass ausländische Bewohner mehr Rechte erhalten als deutsche, obwohl auch diese im Einzelfall ein starkes und objektiv nachvollziehbares Interesse am Empfang fremdsprachiger Sender haben können.1362 Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG ist z. B. nicht unproblematisch, einem deutschen Sprachenstudenten oder Auslandskundler der Empfang ausländischer Fernsehprogramme zu verwehren, die ihm helfen würden, die fremde Sprache und Kultur kennen zu lernen oder sich über die aktuellen Entwicklungen in anderen Ländern auf dem Laufenden zu halten.1363. Insoweit ist zu erwägen, entsprechende weitere Fallgruppen für die Zulässigkeit zu bilden. Wichtiger ist, dass die genannte fachgerichtliche Rechtsprechung stets die Geringhaltung der Schäden am Gebäude und die Anbringung an der am wenigsten 1358 Vgl. BVerfG NJW 1995, 1665 (1666); NJW-RR 2005, 661 (662): nicht „von vornherein ein Vorrang“ einer Position; BGHZ 157, 322 (326 f.); BayObLG NZM 2004, 108 (109); OLG Hamm NJW-RR 2002, 1020 (1021); OLG Schleswig NZM 2003, 558 (559); LG Düsseldorf NZM 2005, 861 (862)); LG Konstanz NZM 2002, 341 (341). 1359 BGHZ 157, 322 (326); OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 141 (142); OLG Schleswig NZM 2003, 558 (559); BVerfG NJWE-MietR 1996, 26; zur Intensität der optischen Veränderung auch BGH NJW-RR 2005, 596 (597); treffend OLG München NZM 2006, 106 (107): Mitbestimmungsrecht. 1360 Statt aller BGH NJW 2010, 436 (437); OLG Hamm NJW-RR 2002, 1020 (1021); OLG Schleswig NZM 2003, 558 (559) m.w. N.; BayObLGZ 1991, 296 (300 f.); BayObLG NZM 2004, 261 (262 f.); LG Kaiserslautern NJW 2005, 2865 (2865 f.). 1361 BGH NJW 2010, 438 (438). Bereits BGHZ 157, 322 (327 f.) ließ die Verfügbarkeit eines Senders in der Muttersprache nicht genügen. 1362 Ebenso LG Kaiserslautern NJW 2005, 2865 (2866). 1363 Ebenso OLG Zweibrücken NZM 2006, 937 (939), weiter erwägend, ob wegen des zunehmenden Zusammenwachsens Europas und der Globalisierung nicht bereits ein abstraktes Fortbildungsinteresse genügen kann.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

störenden Stelle verlangt. Sie bemüht sich somit – 2. Stufe der Praktischen Konkordanz – um ein Ausweichen des Mieters und eine möglichst schonende Vereinbarung beider Interessen. Dies kommt insbesondere dem Eigentümer zugute, dessen Bestimmungsrecht hinsichtlich des Orts der Anbringung1364 auf diese Weise aufrechterhalten wird. „Verfahrensrechtlich“ wird dieses Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Ortes und der sonstigen Details der Anbringung der übrigen Wohnungseigentümer dadurch gesichert, dass der Eigentümer die Anbringung gestattet haben muss1365 und eine eigenmächtig angebrachte Parabolantenne zu beseitigen ist, wenn der Eigentümer auf einen Alternativstandort verweist.1366 Als eine weitere Möglichkeit des „Ausweichens“ – die durch die technische Entwicklung neuerdings zunehmend gegeben ist – bietet sich an, ein (gebührenpflichtiges) zusätzliches digitales Programmsignal über Kabel oder Internet zu beziehen, in dem mehrere Sender auch in ausländischen Sprachen gebündelt übertragen werden.1367 Soweit die den Mieter/Wohnungseigentümer interessierenden Programme auf diese Weise verfügbar sind und die Entgelte keine unverhältnismäßigen Beträge erreichen, ist dem Mieter/Wohnungseigentümer zuzumuten, hierauf zurückzugreifen, weil so einerseits seinem Informationsinteresse voll genügt und andererseits dem Eigentümer eine Veränderung des Gebäudes erspart wird.1368 Ein der Rechtsprechungspraxis gleichlautendes Regelungssystem in einem förmlichen Gesetz würde somit dem Gebot genügen würde, die typisierbaren Fallgestaltungen zu erfassen und angemessen zu behandeln. Die Herausbildung des oben dargestellten richterrechtlichen Rechtssatzes ist daher nicht zu beanstanden. Zumindest bei konkret vorhandenen besonderen Belangen sind jedoch darüber hinaus noch weitere Fallgruppen zu entwickeln, in denen der Mieter bzw. der einzelne Wohnungseigentümer die Duldung der Anbringung einer Empfangsanlage grundsätzlich verlangen kann.

1364 Vgl. BGH NJW 2010, 438 (439); OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 141 (142); BVerfG NJWE-MietR 1996, 26. 1365 Dies betonend BayObLG FGPrax 2004, 221 (222 f.); vgl. ferner BGH NJW 2010, 438 (439); OLG München NZM 2006, 106 (107): Mitbestimmungsrecht. 1366 Vgl. BGH NJW 2006, 1062 (1062); LG Krefeld WuM 2006, 676 (676): Allein die fehlende Zustimmung rechtfertigt keine Beseitigung; erforderlich ist auch, dass der Eigentümer die Genehmigung nicht für diesen Standort hätte erteilen müssen. 1367 Vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 661 (662 f.); OLG München NZM 2006, 106 (106, 107); LG Konstanz NZM 2002, 341 (342); LG Krefeld WuM 2006, 676 (676 f.); ferner OLG Zweibrücken NZM 2006, 937 (939). 1368 Vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 661 (663) mit zahlreichen Detailangaben; BGH NJW-RR 2005, 596 (597); NJW 2006, 1062 (1064); schließlich LG Kaiserslautern NJW 2005, 2865 (2866): Art. 5 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf die Nutzung der kostengünstigsten Informationsquelle.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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V. Abwehransprüche gegen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen (Allein-)Verwertung des Eigentums 1. Umfang der Befugnis zur wirtschaftlichen Verwertung Als Beeinträchtigung des Eigentums wird empfunden, wenn Fotografien von Sachen – insbesondere von Gebäuden – angefertigt und ohne das Einverständnis des Eigentümers „vermarktet“ werden.1369 Der Wert von Bildern, die der Eigentümer zum Zwecke der Vermarktung z. B. auf Postkarten, Kalendern oder Postern hat anfertigen lassen, sinkt, wenn weitere Gegenstände mit Fotografien auf dem Markt vorhanden sind. Mittelbar ergeben sich somit Auswirkungen auf die Nutzbarkeit der Sache. Nach Ansicht des BGH steht dem Eigentümer die Befugnis zu solchen Verwertungshandlungen exklusiv zu, wenn die Herstellung der Bilder ohne Betreten des Grundstücks nicht möglich ist; der Eigentümer habe dann die rechtliche und tatsächliche Macht, sich das Fotografieren vorzubehalten. Soweit das Objekt dagegen von einer Straße oder einem anderen öffentlichen Ort aus einsehbar ist, sei die Vermarktung von Bildern durch Dritte zulässig.1370 Der Realakt des Fotografierens berührt weder die Verfügungsbefugnis noch erfolgt durch ihn ein tatsächliche Einwirkung auf die Sache selbst, die deren Nutzung behindern würde.1371 Gleiches gilt für die anschließende entgeltliche Verbreitung der Bilder. Insoweit geht die vom BGH für seine Auffassung angeführte Begründung, dass derjenige, der Fotografien verwertet, sich bei natürlicher Betrachtung einen fremden Vermögenswert nutzbar macht und nicht damit rechnen dürfe, dass der Eigentümer dies ohne Entgelt gestatte,1372 über ein Postulat nicht hinaus. Ebenso wenig liegt in ihr eine Vertiefung einer vorangegangenen Besitzverletzung.1373 Die Frage muss vielmehr lauten, ob das wirtschaftliche Ausnut1369 Hierzu etwa Pfister, JZ 1976, 156 (157 f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1407 ff., sowie alle in den folgenden Fn. Genannten; kurz auch BGH NJW-RR 1997, 104 (105). 1370 BGH NJW 1975, 778 (778); NJW 1989, 2251 (2252, unter Argumentation mit § 59 UrhG); NJW 2011, 749 (750); NJW 2011, 753 (753); zustimmend Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1407: Geschützt nur, soweit der Eigentümer kraft seiner Sachherrschaft über den Anblick der Sache verfügen kann; H. Schack, JZ 2011, 375 (375 f.); Stieper, ZUM 2011, 331 (332), beide den Grundsatz des § 59 UrhG betonend und die Lösung im Gestattungsvertrag suchend). In BGH NJW 2004, 762 (764); NJW 2004, 766 (767) war ausschließlich die persönlichkeitsrechtliche Komponente entscheidend, doch stellt der BGH ebenfalls darauf ab, dass das Anwesen leicht auffindbar und von außen einsehbar ist. Zu den Rundfunkrechten unten Teil 5 A., S. 723. – Aus der o. g. Differenzierung leitet Pfister, JZ 1976, 156 (157 f.) seine (weitergehende) These einer zweigleisigen Rechtswidrigkeit ab; ablehnend dazu Kübler, FS Baur, S. 59, weil so der Zusammenhang von Tatbestand und Rechtwidrigkeit sowie von relativen und absoluten Rechten aufgegeben werde. 1371 Ebenso BGH NJW 1989, 2251 (2252); NJW 1975, 778 (778); Stieper, ZUM 2011, 331 (332). 1372 BGH NJW 1975, 778 (778, 779). 1373 H. Schack, JZ 2011, 375 (376); Stieper, ZUM 2011, 331 (332) je gegen BGH NJW 2011, 749 (750).

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zen-Dürfen nach der Rechtsordnung exklusiv dem Eigentümer zusteht1374 oder aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben zustehen muss. Wie dargelegt, gehört die Vermarktung von Lichtbildern der Sache weder zu deren unmittelbarer Nutzung noch zum Verfügen über den Gegenstand. Im Hinblick auf die schöpferische Leistung, die ein einem solchen Objekt verkörpert sein kann, gilt, dass Art. 14 GG nur einen Mindestschutz fordert ist; dieser Pflicht genügt der Staat bereits dadurch, dass er Immaterialgüterrechte bereithält, die die Ergebnisse besonderer künstlerischer, technischer o. ä. Tätigkeiten erfassen und schützen. Daher ist nicht erforderlich, einen derartigen Schutz auch über das Sacheigentum zu konstruieren, zumal das Eigentum an dem Werk nicht zwingend dessen Schöpfer zustehen muss.1375 Eine ausschließliche Verwertungsbefugnis an Bildaufnahmen o. ä. gehört somit nicht zu dem von der Eigentumsgarantie gebotenen Mindestinhalt des Sacheigentums. Vorrangige kollidierende Grundrechtspositionen anderer Personen, die dem Staat verbieten würden, sie von der gezielten Verbreitung von Bildern fremder Gegenstände auszuschließen, sind umgekehrt ebenfalls nicht zu erkennen. Mit Art. 14 Abs. 1 GG stünde daher sowohl die Einräumung einer exklusiven Verwertungsbefugnis als auch deren Verneinung in Einklang. Das einfache Recht enthält ebenfalls keine eindeutige Entscheidung der aufgeworfenen Frage. Während der Gesetzgeber für bestimmte Immaterialgüterrechte ein ausschließliches Verwertungsrecht des Inhabers ausdrücklich statuiert hat, fehlen für das Sacheigentum in § 903 BGB derartige Regelungen. Dies indiziert, dass das Eigentum kein Ausschließlichkeitsrecht an dem in der Sache verkörperten immateriellen Gut sein, sondern nur die (tatsächliche und rechtliche) Herrschaft über die körperliche Sache selbst geben soll. Der Eigentümer kann danach zwar allein über die Oberflächenbeschaffenheit bestimmen, doch ist damit nicht zwingend eine umfassende Herrschaft über die abstrakte Sachgestalt, d.h. der Anblick des Gegenstandes, verbunden.1376 Diese Wertung ist im Gesetz jedoch nicht so deutlich, dass jede Zuerkennung einer exklusiven Verwertungsbefugnis seinem klaren Sinn zuwiderlaufen würde. Damit ist auch die oben dargestellte, differenzierende Ansicht der Rechtsprechung als eine mögliche (Kompromiss-)Lösung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da sie die Grenzen der Gesetzesauslegung nicht verletzt. Sie knüpft das Bestehen entsprechender Ersatzansprüche an die Missachtung des Eigentums und der negatorischen Abwehransprüche, die das Betreten nicht allgemein

1374 Vgl. Kübler, FS Baur, S. 53, 60; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 80 m.w. N.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 535. 1375 Dies kann z. B. auf einer zwischenzeitlichen Veräußerung oder darauf beruhen, dass es sich bei dem Gebäude um eine „Auftragsarbeit“ handelte. 1376 Vgl. BGH NJW 1989, 2251 (2252); Kübler, FS Baur, S. 58 f., 60; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 534 ff.; Staudinger/Gursky (2006), § 1004 Rdnr. 80 m.w. N.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1407 f., 1414.

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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zugänglicher Bereiche verbieten.1377 Auch an dieser Stelle bewirken somit die „negativen“ Befugnisse wiederum einen Schutz des Rechts zur alleinigen „positiven“ Nutzung. 2. Schutz von Veräußerungsmöglichkeiten Diese Erwägungen liefern auch die Antwort auf die Frage, inwieweit der Gesetzgeber die sich dem Eigentümer bietenden Möglichkeiten schützen muss, seine Sache an einen anderen (praktisch bedeutsam: gegen Entgelt) zu veräußern.1378 Die Verfügungsfreiheit ist neben der Nutzungsfreiheit Hauptelement des Eigentums und von Art. 14 GG in gleicher Weise wie diese garantiert.1379 Sie verlangt in erster Linie vom Gesetzgeber, Rechtsnormen zu schaffen, die dem Rechtsinhaber die Übertragung und Belastung von Rechten ermöglichen.1380 Mittelbar resultiert aus ihr auch eine Schutzpflicht, die so erzeugten Veräußerungsmöglichkeiten gegen Einwirkungen anderer abzusichern. Die Eigentumsgarantie erstreckt sich zwar grundsätzlich nicht darauf, dass sich auf dem Markt Nachfrager finden;1381 gleichwohl darf der Staat den Eigentümer nicht völlig schutzlos gegenüber anderen Privaten lassen, die von ihm beabsichtigte Verfügungen vereiteln.1382 Zur Umsetzung dieser Schutzpflicht bedarf es wiederum „negativer Befugnisse“ in Gestalt von Abwehr-, insbesondere Unterlassungsansprüchen.1383 Daher muss ein Grundbestand an Abwehrbefugnissen auch dagegen vorhanden sein, dass andere seine legitimen Veräußerungsbemühungen und -gelegenheiten vereiteln. 1377 Vgl. Pfister, JZ 1976, 156 (157 f.). Dies gilt auch dann, wenn man nicht unmittelbar an die Verletzung der Ausschließungsansprüche sondern an die Verletzung des Gestattungsvertrags anknüpft (H. Schack, JZ 2011, 375 (375 f.); Stieper, ZUM 2011, 331 (332)), weil sich auch dessen Notwendigkeit aus den erstgenannten ergibt. 1378 Eingehend hierzu Willoweit, NJW 1975, 1190 ff.; zur Frage, inwieweit schuldrechtliche Ansprüche Schutz gegen Einwirkungen durch Dritte (d.h. andere als den Schuldner) beanspruchen können, ferner Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (277 ff., 284) m.w. N. 1379 Vgl. oben Teil 2 B.I.4; ferner BGHZ 134, 316 (320); 136, 182 (184 f.); 170, 260 (272 f.); BGH NVwZ 2001, 1074 (1075), nach denen ein Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs bei rechtswidriger Verzögerung einer zur Veräußerung notwendigen Genehmigung bzw. der hierzu notwendigen Anlegung der Wohnungsgrundbücher gegeben ist. 1380 Vgl. oben Teil 2 C.I. 1381 Vgl. BVerfGE 118, 1 (19) für die Berufsfreiheit. 1382 Zutreffend Willoweit, NJW 1975, 1190 (1190 f.); vgl. auch den Hinweis auf die Zielrichtung des Wettbewerbsrecht (S. 1192). 1383 Während in den bisher erörterten Fällen die negativen Befugnisse darauf gerichtet waren, die Schutzpflicht im Hinblick auf die tatsächliche Nutzbarkeit zu verwirklichen, dienen sie hier dazu, die Schutzpflicht gegen Beeinträchtigung der geschaffenen Möglichkeiten umzusetzen.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Die Marktsituation, von der die Realisierung eines Verkaufs und die Erzielung eines hohen Preises abhängt, wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Ein strenges Haftungsregime würde daher auch an dieser Stelle die Belange der übrigen Privatrechtssubjekte vernachlässigen, die – ebenfalls in legitimer Weise – ihre eigenen Interessen verfolgen. Gerade wegen des Charakters des Eigentums, Chancen zu eröffnen, muss der Eigentümer es weitgehend ersatzlos hinnehmen, wenn sich die Aussicht einer gewinnbringenden Verfügung durch entsprechende Umstände nachteiliger Art zerschlägt.1384 Eine Reduzierung der Abwehransprüche und Schadensersatzpflichten bei „illoyalen Schädigungen im Verkehrsleben“ 1385 auf die Fälle des § 826 (i.V. m. § 1004) BGB, wie sie im positiven Recht erfolgt ist, verletzt daher nicht die Schutzpflicht und das Untermaßverbot.1386 Umgekehrt stünde aber auch einer moderaten Einbeziehung der Verkaufsmöglichkeit in den negatorischen und deliktischen Schutz der § 823 Abs. 1 und § 1004 i.V. m. § 903 S. 1 BGB nichts entgegen, solange die Handlungsfreiräume der anderen Privatrechtssubjekte noch in angemessenem Umfang erhalten bleiben.1387 3. „Gastank-Fälle“ Im Grenzbereich zwischen echten Störungen des exklusiven Rechts zur tatsächlichen Nutzung und Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Ausnutzung sind die „Gastank-Fälle“ anzusiedeln, die mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren. Verbreitet stehen Haustanks für Flüssiggas im Eigentum von Gaslieferanten und werden an die Kunden langfristig mit der Abrede vermietet, dass in den Tank nur Gas gefüllt werden darf, das von diesem Unternehmen bezogen wurde. Werden die Tanks von anderen Lieferanten – wohl: zu niedrigeren Preisen – befüllt, stellt sich die Frage, ob der Tankeigentümer und Gaslieferant dies unter Berufung auf sein Eigentum nach § 1004 BGB untersagen kann.1388 Das Eigentum wird in diesen Fällen erkennbar zum Zweck der Absatzsicherung, also zu Zwecken des Wettbewerbs, eingesetzt. Deutlich wird dies daran, dass die Eigentümer der Tanks Unterlassungsklage meist nicht gegen ihre Kunden, sondern gegen den befüllenden Konkurrenten erheben. Abgesehen vom Anspruch aus § 1004 BGB ergibt sich ein Unterlassungsanspruch gegen diesen nur aus dem UWG, das aber zusätzliche, enge Voraussetzungen aufstellt.1389 1384

Ebenso Willoweit, NJW 1975, 1190 (1192). So formuliert in RGZ 48, 114 (124). 1386 Anders wohl Willoweit, NJW 1975, 1190 (1191 f.). 1387 Dies erkennt grundsätzlich auch Willoweit, NJW 1975, 1190 (1193) an. 1388 Unterlassungsansprüche bejahend BGH NJW 2003, 3702 (3702 f.); NJW-RR 2006, 270 (270); NJW-RR 2006, 566 (566); OLG Hamm Urt. v. 29.1.2004, 5 U 131/03 (juris); ablehnend OLG Oldenburg OLGR 2003, 79 (79 f.); OLG Brandenburg OLGNL 2004, 3 (4 f.). 1389 Siehe nur König, NJW 2005, 191 (191); Grotheer, GRUR 2006, 110 (111). 1385

B. Negatorische Abwehransprüche und Duldungspflichten

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Der Eigentümer, der seinen Tank nur zur Befüllung mit von ihm geliefertem Brennstoff vermietet, behält bestimmte negative Befugnisse: Er räumt nicht ein Recht zur vollumfänglich-beliebigen Benutzung ein, sondern nur die isolierte Befugnis dazu, den Tank als Aufbewahrungsort von Brennstoff zu nutzen, der zuvor von ihm erworben wurde.1390 Diese Begrenzung der Befugnisübertragung ist Grundlage der Preiskalkulation des Vermieters. Unerheblich ist somit, dass der Eigentümer selbst wegen der Vermietung an einer Nutzung des Tanks gehindert wäre – ihm somit keine positiven Befugnisse zustehen –;1391 die negativen Befugnisse sollen hier nur nicht positive Befugnisse schützen, sondern auch das Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis aufrechterhalten. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der vermietende Eigentümer-Lieferant sich z. B. durch besondere physische Vorkehrungen gegen ein Befüllen durch andere Personen noch einen „Restbesitz“ zurückbehalten hat:1392 Wie gezeigt, schützt § 1004 BGB zwar vorwiegend, aber eben nicht nur den „besitzenden Eigentümer“ oder den „Besitz des Eigentümers“ 1393. Abwehransprüche stehen dem Eigentümer selbst dann zu, wenn er nicht im Besitz der Sache ist,1394 und zwar sogar gegenüber dem Besitzer.1395 Mechanische Sperren oder sichtbare Hinweise (Firmenlogo etc.1396) auf den fremden Eigentümer, die einen „Restbesitz“ begründen könnten,1397 können nur für das Vorliegen verbotener Eigenmacht i. S. v. § 858 und die Besitzschutzansprüche aus §§ 861 f. BGB relevant sein,1398 nicht aber für den Eigentumsschutz § 1004 Abs. 1 BGB, der alleine auf die objektive Befugniszuordnung anknüpft.1399 Ausreichend ist daher, dass die Befugnis zum Befüllen beim Eigentümer verbleibt. Sie kann dann vom Mieter auch nicht einem anderen Lieferanten 1390 Ähnlich Grotheer, GRUR 2006, 110 (112): Kunden fehlt Befugnis, anderen Befüllung zu gestatten. 1391 Hierauf abstellend aber Löhning, JA 2004, 185 (187); in die gleiche Richtung M. Wolf, LMK 2003, 232 (233); OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 3 (4 f.). 1392 Hierauf abstellend König, NJW 2005, 191 (192 ff.); vgl. zu diesen Überlegungen auch Grotheer, GRUR 2006, 110 (111). 1393 Hiervon offenbar ausgehend aber König, NJW 2005, 191 (192 f.). 1394 Richtig Grotheer, GRUR 2006, 110 (112 f.). 1395 Vgl. oben Teil 4 B.III.3.b)bb)(3). 1396 So jeweils in Fall BGH NJW 2003, 3702 f.; NJW-RR 2006, 566 f.; OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 3 ff. 1397 Dies fordernd König, NJW 2005, 191 (191 f., 192 f.); ausdrücklich anders dagegen (wie hier) BGH NJW-RR 2006, 270 (270). 1398 Siehe aber OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 3 (4 f.), das diese Ansprüche zutreffend verneint, wenn die Befüllung in Einvernehmen mit den Mieter erfolgt. 1399 Die von König (NJW 2005, 191 (191 f.); ebenso OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 3 (4 f.)) kritisierte Folge, dass ein gutgläubiger Befüller eine (kostenpflichtigte) Abmahnung oder eine Unterlassungsklage riskiert, ist daher hinzunehmen; der Gaslieferant kann diesen Betrag von seinem Kunden ersetzt verlangen, der ihm das zwischen ihm und dem Tankeigentümer vereinbarte Verbot verschwiegen oder wahrheitswidrig bestätigt hat (so in BGH NJW-RR 2006, 270 (271); OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 3 (4 f.)).

602

Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

eingeräumt werden.1400 Der Abwehranspruch kann daher auch nicht mit dem Argument verneint werden, es gehe dem Eigentümer nur darum, die schuldrechtliche Bindung des Kunden gegen Dritte auszudehnen,1401 worin ein Rechtsmissbrauch zu sehen sei: Der Eigentümer darf grundsätzlich jedes Ziel verfolgen, an dem er ein schützenswertes Interesse hat.1402 Die Überlegungen müssen daher tiefer ansetzen und dahin gehen, ob der Eigentümer bei der Festlegung der zu übertragenden Befugnisse danach differenzieren darf, ob das Befüllungsgut von ihm oder anderen erworben worden ist. Aufgrund der Vertragsfreiheit ist es ohne Weiteres möglich, die im Rahmen eines obligatorischen Verhältnisses übertragenen Befugnisse anders abzugrenzen als dies üblich ist oder bei den im Gesetz typisierten Verträgen für den Regelfall vorgesehen ist.1403 Darauf, dass sich rein äußerlich die Vorgänge des Nutzens als Lagertank nicht unterscheiden,1404 kommt es somit nicht an. Eine derartige Gestaltung ist somit erlaubt, wenn sie nicht gegen bestehende Verbote und zwingende Prinzipien verstößt. Ebenso wenig verletzt eine solche Differenzierung das Verbot einer Aufspaltung in Ober- und Untereigentum, zumal im Vergleich zum „gewöhnlichen“ Mietvertrag sogar weniger Befugnisse übertragen werden. Art. 14 Abs. 1 GG wird auch insoweit nicht relevant, als sich aus ihm das Gebot ergibt, eine Rechtsposition (hier: das Recht des Mieters) mit umfassenden Befugnissen auszustatten: Diese Vorgabe hat das jeweilige Recht mit dem ihm charakteristischen Bestand an Befugnissen zum Ausgangspunkt; vorliegend geht es aber um das Rechtsgeschäft, durch das dieser Befugnisbestand überhaupt erst geschaffen wird. Dieses kann beliebig ausgestaltet werden. Ein Verbot, die zu übertragenden und die beim Eigentümer verbleibenden Befugnisse in der beschriebenen Weise aufzuteilen, kann seine Rechtfertigung daher nur darauf gründen, dass dies Dritten oder der Allgemeinheit schadet. Negative Auswirkungen können sich im vorliegenden Fall unter wettbewerblichen Aspekten ergeben. Dies zeigt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob wettbewerbsrechtliche (i. w. S.) Bestimmungen de lege lata einer Gestaltung wie der hier behandelten entgegenstehen oder solche Bestimmungen geschaffen werden sollen,

1400

Richtig BGH NJW 2003, 3702 (3702): „bestimmungswidrig“. M. Wolf, LMK 2003, 232 (233). 1402 Vgl. auch Grotheer, GRUR 2006, 110 (114 f.). 1403 Für den Mietvertrag trifft das Gesetz eine derartige Festlegung überdies nicht in verbindlicher Weise; der Umfang der Überlassungs- und Instandhaltungspflicht richtet sich vielmehr entscheidend nach dem „vertragsgemäßen Gebrauch“ (§ 535 Abs. 1 u. 2 BGB), der sich nach den Absprachen im Verhältnis der beiden Vertragspartner bemisst. Auf die Frage, ob dies der Verkehrsauffassung übereinstimmt, kommt es bei einer klaren Regelung der Parteien nicht an; sie ist nur für eine ergänzende Vertragsauslegung heranzuziehen, wenn sich der Parteiwille nicht abschließend ermitteln lässt. Dies übersieht König, NJW 2005, 191 (193). 1404 Vgl. OLG Oldenburg OLGR 2003, 79 (80). 1401

C. Schutz des Besitzes

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um eine derartige Ausschließlichkeitsbindung der Kunden zu verhindern.1405 Eigentumsstrukturelle Gründe stehen solchen Bindungen jedoch nicht entgegen.

C. Schutz des Besitzes I. Wirkung und Rechtfertigung der possessorischen Besitzschutzansprüche Das 3. Buch des BGB befasst sich nicht ausschließlich mit dem Schutz dinglicher Rechte gegen Störungen und Entziehung des Gebrauchs, sondern enthält – sogar exponiert am Beginn – auch Regeln über den Schutz des Besitzes, der nur eine rein tatsächliche Position darstellt.1406 Die inhaltlichen Maßstäbe dafür, ob ein dem Besitzer objektiv nachteiliges Verhalten rechtmäßig ist, entsprechen dabei weitgehend denen zum Eigentumsschutz. So gelten die Duldungspflichten, denen ein Eigentümer unterliegt (§ 1004 Abs. 2 BGB), auch für den Besitzer;1407 insbesondere findet § 906 BGB beim Störungsbeseitigungsanspruch nach § 862 BGB analoge Anwendung.1408 Die Rechtmaterie des Besitzschutzes verdient eine Betrachtung und Würdigung aus der Perspektive der Eigentumsgarantie, weil die Ansprüche aus §§ 861 f. BGB unabhängig von dinglichen oder schuldrechtlichen Besitzberechtigungen gegeben sind1409 und damit sogar gegenüber dem Eigentümer bestehen:1410 Versucht der Eigentümer, sich den Besitz an seiner Sache zu verschaffen, ist der Besitzer zur gewaltsamen Gegenwehr (§ 859 BGB) berechtigt. Verlangt der vorherige Besitzer nach einer solchen Bemächtigung die Sache zurück, kann sich der Eigentümer nicht darauf berufen, aufgrund seiner Stellung als Inhaber des umfassenden Herrschaftsrechts zum Besitz berechtigt zu sein: § 863 BGB schneidet ihm alle petitorischen Einwendungen gegenüber den §§ 861 f. 1405 Vgl. an dieser Stelle auch Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 408 f., der darlegt, dass der BGB-Gesetzgeber die früher verbreiteten „Zwangs- und Bannrechte“ aus Gründen der Marktöffnung abschaffen wollte. 1406 Statt vieler Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 929 (929). 1407 BGH NJW-RR 2002, 1576 (1576) zu § 57 TKG unter Berufung auf Prot. VI, 216; Picker, FS Gernhuber, S. 354 ff.; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (463); RGZ 156, 187 (190) zu § 904 BGB; OLG Düsseldorf NZM 2007, 582 (582) zu § 905 S. 2 BGB; vgl. ferner § 867 BGB, der dem § 1005 BGB entspricht. 1408 BGHZ 15, 146 (148); 90, 255 (268); BGH JZ 1969, 635 (635); NJW 1995, 132 (132); bereits RGZ 154, 161 (162 ff.); vgl. auch Röthel, Jura 2000, 617 (620); LG Düsseldorf DWW 1997, 188 (189). 1409 Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff Rdnr. 14. 1410 So ausdrücklich Jauernig/Jauernig, § 858 Rdnr. 1; Wieling, FG v. Lübtow, S. 575; ders., Sachenrecht, § 5 I; vgl. ferner RGZ 146, 182 (186), das – zutreffend – sogar die darüber hinaus bestehende vertragliche Abrede, der Vorbehaltsverkäufer dürfe die Sache wieder an sich nehmen, für unbeachtlich erklärt.

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BGB ab,1411 da § 858 Abs. 1 BGB eine über das materielle Besitzrecht hinausgehende besondere Gestattung verlangt, die Besitzverschaffungshandlung auch gegen den Willen des Besitzers vornehmen zu dürfen.1412 Der Eigentümer wird damit verpflichtet, eine Sache ggf. trotz seines umfassenden Nutzungs- und Besitzrechts – zumindest vorläufig – wieder herauszugeben. Diese weitreichenden Rechtsfolgen müssen sich erklären und rechtfertigen lassen. 1. Kontinuitätstheorie Die „Kontinuitätstheorie“ 1413 deutet den Schutz des Besitzes damit, dass die Kontinuität der Lebensverhältnisse einen Grundwert für den Menschen darstelle, weil der Verlust von Nutzungsmöglichkeiten ihn in wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten bringen kann. Der Besitzer habe ein beachtliches Interesse, ungeachtet seiner Berechtigung zum Haben vor einem plötzlichen Entzug des Besitzes geschützt zu sein, weil er einen vermögenswerten tatsächlichen Vorteil („Organisationswert“) biete. Die Sache müsse daher grundsätzlich in seiner faktischen Wirtschaftssphäre verbleiben. Die Besitzschutzansprüche erhalten nach diesem Verständnis eine eigentumswidrige Lage aufrecht, um dem unberechtigten Besitzer in seinem individuellen Interesse Vorteile weiter zukommen zu lassen. Bestimmungen, die aus Gründen der sozialen Rücksichtnahme o. ä. die Durchsetzung von an sich gegebenen Ansprüchen verbieten, lassen sich in der Rechtsordnung durchaus finden, insbesondere in Vollstreckungsschutzvorschriften wie § 765 a ZPO oder §§ 808 ff. ZPO.1414 Dieses Ziel dürfte der Gesetzgeber auch mit materiellrechtlichen Vorschriften verfolgen. Die genannten Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts sind allerdings durch eine – mehr oder minder vorstrukturierte1415 – Interessenabwägung geprägt, während die Besitzschutzansprüche keine Rücksicht auf die konkreten Belange des Eigentümers und des Besitzers nehmen. Die Reduzierung der entscheidungserheblichen Aspekte auf das Fehlen eines Selbsthilferechts und

1411 Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff Rdnr. 21; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 2 Rdnr. 62. – Dies gilt auch für die aus § 242 BGB begründete Arglisteinrede, siehe nur Wieling, Sachenrecht, § 5 IV 3; Mühl, NJW 1956, 1657 (1659); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 2 Rdnr. 62 m.w. N. 1412 Staudinger/Bund (2000), § 858 Rdnr. 22; Jauernig/Jauernig, § 858 Rdnr. 5; MünchKomm/Joost, § 858 Rdnr. 8; Wieling, Sachenrecht, § 5 II 1a, c; vgl. auch (weniger deutlich) Hamm, MMR 1999, 165 (166); Schuster, MMR 1999, 137 (141 f.), jeweils zu § 57 TKG. 1413 Begründet von Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 3, 5 f. (S. 12 f.), Exkurs 1 (S. 487); heute vertreten von Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 Rdnr. 9; Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff Rdnr. 18; weitere Nachweise bei Brehm, JZ 2001, 1086 (1087); Wieling, FG v. Lübtow, S. 573, 575 f.; vgl. ferner Roellecke, JZ 1995, 74 (74). 1414 Vgl. Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 48. 1415 Zu § 765 a ZPO vgl. die Untersuchung von Gaul, FS Baumgärtl, S. 76 ff.

C. Schutz des Besitzes

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einer eigenen verbotenen Besitzentziehung ermöglicht gerade erst, dass der Besitzer Rechtsschutz ohne zeitliche Verzögerung – und daher mit maximaler Effektivität – erlangen kann. Dem Eigentümer wird u. U. zugemutet, die vorherige Besitzlage ungeachtet ihrer materiellen Rechtmäßigkeit sofort wiederherstellen zu müssen, ohne dass irgendwelche besondere Interessen des Herausgabeschuldners hierfür sprechen oder überwiegende eigene Belange Berücksichtigung finden können. Die „Kontinuität der Nutzungsmöglichkeit“ ist aber nur in sehr geringem Maße Selbstzweck und schöpft ihre Legitimation zum ganz wesentlichen Teil daraus, dass die vorhandene Verteilungslage in rechtmäßiger Weise besteht.1416 Hiervon hängt nämlich entscheidend ab, ob ihr Fortbestand auch staatliche Billigung und Unterstützung verdient; ein Vertrauensschutz setzt immer voraus, dass die betreffende Tätigkeit etc. früher einmal legal ausgeübt wurde.1417 Ein Kontinuitätsinteresse an sich (d.h. ungeachtet der materiellen Berechtigung) mag zwar auch darüber hinaus bestehen, doch kann es kam jemals so stark sein, um die – immerhin grundgesetzlich gestützten – Eigentümerbelange zu überwinden. Gegen eine Einordnung und Legitimation als Regelungen zum Vertrauensschutz spricht weiter, dass die Besitzschutzansprüche und das Verbot der verbotenen Eigenmacht – anders als etwa die Ersitzung (vgl. § 937 Abs. 1 u. 2 BGB) – weder an einen längeren Besitzzeitraum anknüpfen1418 noch ein konkret schutzwürdiges Vertrauen des Besitzers voraussetzen. Hinzu kommt, dass die §§ 858 ff. BGB nicht gegen die Beendigung des Besitzes als solche schützen, sondern nur gegen eine bestimmte Art der Beendigung; für den Vertrauensschutz kommt es aber auf diesen Aspekt nicht an. Da die possessorischen Besitzschutzansprüche auf die Rechtmäßigkeit des früheren Habens nicht abstellen und das Kontinuitätsinteresse als solches nur sehr schwaches Gewicht aufweist, würde – wäre dies die sachliche Legitimation – der Herausgabeanspruch (und damit das Eigentum) ohne ausreichenden rechtfertigenden Grund eingeschränkt. Die Kontinuitätsgarantie kann somit den possessorischen Besitzschutz des BGB nicht erklären. 2. Friedenstheorie Nach der „Friedenstheorie“ ist Grund des possessorischen Besitzschutzes die Sicherung des staatlichen Gewaltmonopols. Für sie sanktionieren die §§ 858 ff. BGB das eigenmächtige Handeln, um den inneren Frieden zu sichern: Wer sich ohne Einschaltung der Gerichte und Vollstreckungsorgane Besitz verschafft, soll 1416 Noch weitergehend („setzt . . . voraus“) Wieling, FG v. Lübtow, S. 575 f.; Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 929 (928); vgl. ferner MünchKomm/Joost, Vor § 854 Rdnr. 16. – Dies gilt auch, soweit des Interesse über die vermögenswerte Seite hinausgeht, vgl. Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff. Rdnr. 18. 1417 Vgl. BVerfG NVwZ-RR 1996, 483. 1418 Vgl. Neuner, AcP 203 (2003), 46 (67).

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mit legaler Gegenwehr rechnen müssen und befürchten müssen, die Sache ohne Rücksicht auf materiellrechtliche Aspekte zurückgeben zu müssen.1419 Das Gewaltmonopol – d.h. die Anerkennung der alleinigen Entscheidungsund Vollzugsbefugnis staatlicher Organe – ist Essentiale jeder staatlichen Ordnung.1420 Das Verbot privater Gewalt ist unabdingbar für die Aufrechterhaltung des inneren Friedens und der Rechte aller:1421 Zum einen wird dadurch, dass grundsätzlich jeder1422 Vollstreckung eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage durch staatliche Organe vorausgehen muss, garantiert, dass nur Zustände gewaltsam verwirklicht werden, die auch der materiellen Rechtslage entsprechen. Zum anderen stellt die Zentrierung der Gewaltanwendung bei Hoheitsträgern sicher, dass auch in der Vollstreckungsphase die gebotenen Mindeststandards zum Schutze des Einzelnen eingehalten werden.1423 Ein unkalkulierbares Selbsthilferecht, das sich allein auf die subjektive Überzeugung des Einzelnen von der Rechtswidrigkeit des fremden Verhaltens stützt, würde dagegen zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen1424 und widerspräche – weil sich die Macht des Stärkeren, nicht der materiell Berechtigte durchsetzen würde – dem Rechtsstaatsprinzip und den staatlichen Schutzaufträgen.1425 Die Belange der Herausgabeschuldner rechtfertigen daher, dem Eigentümer zu verpflichten, den Rechtsweg und die Vollstreckung durch staatliche Organe in Anspruch zu nehmen.

1419

Brehm, JZ 2001, 1086 (1087); Jauernig/Jauernig, § 858 Rdnr. 1; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (189); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 2 Rdnr. 62; RGZ 146, 182 (184 ff.); vgl. auch Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff Rdnrn. 17, 19, der hierin zwar nicht den einzigen, aber doch zentralen Grund des Besitzschutzes sieht, sowie zum römischen Recht Wieling, FG v. Lübtow, S. 566 f. – Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 929 (958) sieht eine Friedensfunktion bei jeder Rechtsnorm gegeben, stellt aber hier eine besondere Deutlichkeit fest. 1420 Vgl. (aus heutiger Zeit) Isensee, FS Sendler, S. 48 f., 51 f.; Limbach, Kollektive Sicherheit, S. 4 f.; Schröder, FS Gernhuber, S. 963 ff.; BGHZ 20, 169 (171): „Im Rechtsstaat sind Klage und Vollstreckung die vorgegebenen Mittel zur Entscheidung und Entwirrung von Streitigkeiten unter Privatpersonen“; (aus der Philosophie der Aufklärung) Hobbes, De Cive, 5. Kapitel 1., 9., 11.; Locke, The Second Treatise of Government, II. 7; VII. 89; Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 2. Buch Kap. 11 § 8; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, § 15 (S. 263 ff.); 2. Teil. Das öffentliche Recht, § 44 (S. 312). 1421 Starck, FS Carstens, Bd. 2, S. 878; Scholz, NJW 1983, 705 (707); Kirchhof, FG BVerfG, S. 60 f., 76 f.; F. Peters, JZ 1983, 913 (920); BVerfGE 54, 277 (292). 1422 Von den Fällen, in denen ein Einverständnis des Vollstreckungsschuldners vorliegt (§ 794 Abs. 1 Nrn. 1, 4 a), 4 b), 5 ZPO) sei hier abgesehen; dort bedarf der sich freiwillig unterwerfende Schuldner nicht des vorweggenommenen Schutzes. 1423 Besonders zu letzterem Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 48; vgl. allgemein auch Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (28 f.). 1424 Vgl. BayVerfGHE 47, 54 (58). 1425 BVerfGE 54, 277 (292); 81, 347 (356); 85, 337 (347); BGHZ 32, 240 (244); Merten, FS Samper, S. 40 ff.

C. Schutz des Besitzes

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3. Persönlichkeitstheorie Inhaltlich eng mit dem staatlichen Gewaltmonopol hängt zusammen, dass der einzelne Bürger stets – also auch trotz seines möglicherweise rechtswidrigen Besitzes – von den anderen als Person zu akzeptieren und zu respektieren ist. Wird in die Sphäre des anderen eingegriffen, wird dessen Person-Sein negiert, so dass wiederum ein Rückfall in die vor-bürgerlichen Zustände vorläge. Nur dem Staat und seinen Organen ist erlaubt, in die Besitzsphäre eines anderen einzudringen und dessen Willen, eine Sache zu behalten, gewaltsam zu brechen.1426 Die sog. Persönlichkeitstheorie, nach der die §§ 858 ff. BGB Willen und Persönlichkeit des Besitzers schützen wollen,1427 liefert daher einen unterstützenden Ansatz zur Erklärung der Besitzschutzbestimmungen.1428 4. Zwischenergebnis – Konsequenzen für die Selbsthilferechte Die possessorischen Ansprüche verweisen den Besitzberechtigten auf die Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte, um ein geordnetes Verfahren sicherzustellen und den Rechtsfrieden zu wahren;1429 hinzu kommt der Aspekt, die Person des „Angreifers“ zu respektieren. Selbsthilfe ist hingegen im bürgerlichen Staat auf Ausnahmefälle beschränkt.1430 Sie ist nur in zwei Fallgruppen zugelassen, wenn nämlich effektive staatliche Hilfe nicht gegeben ist oder zu spät käme (vgl. § 229 BGB) oder wenn mit der Selbsthilfe auf eine andere Handlung reagiert wird, die selbst offenkundig der Rechtsordnung zuwiderläuft (vgl. § 227, § 859 BGB).1431 In diesen Fällen mutet auch der Rechtsstaat seinen Bürgern nicht zu, den Angriff tatenlos zu dul1426

Wieling, FG v. Lübtow, S. 571. Maßgeblich Planck/Brodmann, Vor § 854 Anm. 6; heute noch Wieling, Sachenrecht, § 3 I a, II; ausführlicher ders., FG v. Lübtow, S. 568 ff., je unter Berufung auf Kant (vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, § 5 (S. 249); dieser meint mit „Besitz“ allerdings auch das Eigentum als „intelligiblen Besitz“). – Die Persönlichkeitstheorie darstellend ferner Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff Rdnr. 16. 1428 Die Persönlichkeitstheorie wird u. a. deshalb kritisiert (z. B. Staudinger/Bund (2000), Vorbem zu §§ 854 ff Rdnr. 16), weil sie annimmt, im Entzug des Besitzes primär eine Persönlichkeitsverletzung (vgl. Wieling, Sachenrecht, § 3 II; ders., FG v. Lübtow, S. 577). 1429 Ebenso BGH NJW 1979, 1359 (1360); etwas weniger deutlich BGHZ 73, 355 (360). 1430 Link, VVdStRL 48 (1990), 6 (27); Kriele, JA 1984, 629 (635). 1431 Scholz, NJW 1983, 705 (708); Merten, FS Samper, S. 41; inhaltlich auch BayVerfGHE 47, 54 (58 f.). Ebenso bereits Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 1. Buch Kap. 5 §§ 9, 12; Hobbes, De Cive, 6. Kapitel 3.; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Einleitung in die Rechtslehre, Anhang. II. (S. 235 f.); vgl. auch Thomas v. Aquin, Summa theologica II-II q. 65 a. 7 c.; Hruschka, ZStW 115 (2003), 201 (219). – Staudinger-Symposion 1998/O. Werner, S. 49 f. m.w. N. nimmt den Fall der rechtswidrigen Rechtsschutzverweigerung durch die staatlichen Organe hinzu. 1427

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den, weil sonst ihre verfassungsrechtlich geschützten Positionen in grundrechtswidriger Weise preisgegeben würden.1432 Die §§ 861, 862 BGB verlängern die Selbsthilferechte des Besitzers, indem sie – und zwar auch bei eigenmächtigen Maßnahmen, gegen die wegen Überschreitung der in § 859 Abs. 2 u. 3 BGB genannten kurzen Zeiträume eine Besitzkehr oder Entsetzung nicht mehr erlaubt ist – für eine gewisse Zeitdauer (ein Jahr) Ansprüche auf Rückgängigmachung geben. Insoweit ist es aber nur konsequent, dass § 863 BGB bei diesen Ansprüchen dem Einwand, man habe ein Besitzrecht, das Gehör versagt, weil dieser auch das Selbsthilferecht des früheren Besitzers nicht berührt hätte.1433 Folgerichtig schließen ferner § 861 Abs. 2 und § 862 Abs. 2 BGB diese Ansprüche bei einer „zweiten“ Eigenmacht aus: Die Selbsthilferechte werden dadurch insoweit verlängert, als eine spätere (wegen Fristablaufs an sich unzulässige) Ausübung derselben durch den ursprünglichen Besitzer wenigstens nicht zur Rückgabepflicht führt.1434 Das Recht des Besitzschutzes verfolgt mit seinem Grundanliegen, das staatliche Gewaltmonopol aufrechtzuerhalten, einen legitimen Gemeinwohlzweck. Die hieraus möglicherweise für den Eigentümer erwachsende Einschränkung seiner Befugnisse ist damit gerechtfertigt.

II. Konsequenzen für einen Schutz des Besitzes als Vermögensgut Aus der Funktion der possessorischen Ansprüche, den Rechtsfrieden und die Respektierung des Mitbürgers als Co-Subjekt zu bewahren, folgt, dass die §§ 858 ff. BGB keine Güterzuweisung vornehmen. Besitzschutzansprüche und Ansprüche zum Schutz des berechtigten Besitzes stellen vielmehr zwei unterschiedliche Regelungskomplexe dar.1435 Für Ansprüche auf Schadensersatz oder Ausgleich, die die Rechtsprechung zunehmend auch dem Besitzer zubilligt,1436 bedeutet dies, dass der bloße Besitz nicht genügen kann.1437 Hinzukommen muss 1432 Isensee, FS Sendler, S. 52. Nach Kant besteht sogar eine Notwehrpflicht (vgl. ausführlich Hruschka, ZStW 115 (2003), 201 (208 ff.)). 1433 Der BGH betont die prozessuale Seite, im Herausgabeprozess aus dem possessorischen Anspruch nicht langwierig petitorische Einwände prüfen zu müssen: BGHZ 73, 355 (358); BGH NJW 1979, 1359 (1360). 1434 Hierin kann ein weiteres Beispiel dafür gesehen werden, dass aus einem Verbot, eine Handlung zu begehen, nicht immer ein Gebot, bei Zuwiderhandeln den früheren Zustand wiederherzustellen, folgen muss [vgl. oben Teil 3 A.II.2.a)]. 1435 Brehm, JZ 2001, 1086 (1087); Wieling, Sachenrecht, § 3 II a; § 5 IV 6 a; BGHZ 73, 355 (360 ff.). – Anders diejenigen, die im Besitz ein dingliches Recht sehen, z. B. Mager, AcP 193 (1993), 68 (74 f.): „vorläufiges dingliches Recht“. 1436 BGHZ 62, 243 (248); 137, 89 (97 f.) für § 823 Abs. 1 BGB; BGHZ 147, 45 (50); 155, 99 (101) für § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. 1437 Ebenso Wieling, FG v. Lübtow, S. 579 ff.

D. Konflikte im Zusammenhang mit beschränkt dinglichen Rechten

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stets eine gewisse materielle Berechtigung zum Haben, Nutzen und Fruchtziehen.1438 Erst diese schafft eine der Kategorie des Rechts zugehörige, über ein bloßes Faktum hinausgehende Sphäre, bei deren Verletzung die Herstellung der hypothetischen Vermögenslage verlangt werden kann. Der Charakter des so geschützten Besitzrechts als vom Eigentümer abgeleitete Rechtsposition1439 muss schließlich auch bei der Ermittlung des Schadensumfangs Berücksichtigung finden,1440 so dass dem Besitzer – anders als dem Eigentümer als Vollrechtsinhaber – nur der mit der Vorenthaltung verbundene Ausfall, nicht aber der Substanzschaden zu ersetzen ist.1441

D. Konflikte im Zusammenhang mit beschränkt dinglichen Rechten Beschränkt dingliche Rechte erlauben ihrem Inhaber die Nutzung oder die Verwertung der Sache. Sie sind selbst Eigentum i. S. v. Art. 14 GG,1442 so dass bei Konflikten zwischen dem Inhaber dieses Rechts und dem Eigentümer beide Beteiligten diese Verfassungsgarantie für sich in Anspruch nehmen können. Soweit Nutzungsrechte betroffen sind, haben derartige Streitigkeiten meist1443 den Umfang des vom Vollrecht „abgespaltenen Teilrechts“ 1444 zum Gegenstand; hier sind im Folgenden besonders die Situationen zu behandeln, in denen der Anlass des Konflikt in einer zeitbedingten Veränderung der zugrundeliegenden Umstände liegt (dazu I.). Im Bereich der Verwertungsrechte, die im Regelfall der Sicherung von Forderungen dienen, ist von Interesse, ob und in welchen Situationen ihre Durchsetzung unterbleiben muss, weil die grundrechtliche Wertordnung dem Pfandgläubiger eine Rücksichtnahme auf Belange des Schuldners gebieten (dazu II.). Abschließend ist auf das immobiliarsachenrechtliche Rechtsinstitut des Unschädlichkeitszeugnisses und die Verfassungskonformität der von ihm ausgehenden Wirkungen für beschränkt dingliche Rechte einzugehen (unten III.).

1438 Vgl. BGHZ 79, 232 (237); BGH NJW-RR 2002, 1576 (1577); ferner F. Peters, JZ 1983, 913 (920); weniger deutlich auch Engel, AöR 118 (1993), 169 (183). 1439 Brehm, JZ 2001, 1086 (1087). 1440 So praktiziert von BGHZ 147, 45 (53 ff.); grundsätzlich zustimmend Brehm, JZ 2001, 1086 (1087). 1441 Zur dem entsprechenden Rechtsprechung des BGH für die Enteignungsentschädigung von Mietern, Pächtern u. ä. vgl. Kapsa, NVwZ 2003, 1423 (1423 f., 1425 f., 1428 f.). 1442 Oben Teil 2 B.II.3.b). 1443 Vgl. Stürner, AcP 194 (1994), 265 (265). 1444 Kritisch zu diesem Bild Sontis, FS Larenz, S. 992 f.

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I. Dienstbarkeiten: Möglichkeiten einer Anpassung des Inhalts an veränderte tatsächliche Umstände 1. Ausgangslage Das BGB sieht als sachlichen Inhalt1445 von Dienstbarkeiten die Gestattung der Benutzung des anderen („dienenden“) Grundstücks, das Verbot eines tatsächliches Verhaltens auf diesem Grundstück oder den Ausschluss der Ausübung eines Rechts, das dem Eigentümer des belasteten Grundstücks an sich zustünden, vor (§ 1018 Var. 1–3 BGB).1446 Ein Bedarf, den Rechtsinhalt an zeitbedingte tatsächliche Veränderungen anzupassen, stellt sich häufig bei Wegerechten (§ 1018 Var. 1 BGB). Soweit sie die Anfang des 20. Jahrhunderts eingeräumt worden sind, berechtigen sie oftmals „zum Befahren mit Handkarren und Pferdegespannen“ o. ä., erwähnen jedoch den motorisierten Verkehr – dem damals keine praktische Bedeutung und Verbreitung zukam – nicht. Hielte man am Wortlaut fest, würde sich die heutige Ungebräuchlichkeit der genannten Transportmittel zugunsten des Grundstückseigentümers auswirken, weil quasi keine Benutzung durch den anderen mehr erfolgte. Ähnliche Konflikte entstehen, wenn aufgrund neuer Möglichkeiten und Erfordernisse ein mittels einer Dienstbarkeit gesichertes Verbot (§ 1018 Var. 2 BGB) partiell abgeschwächt werden soll. Exemplarisch ist das Interesse des Eigentümers eines bebauten Grundstücks anzuführen, einen vereinbarten Grenzabstand nicht mehr vollständig einhalten zu müssen, um an dem Gebäude eine Außenisolation anbringen zu können.1447 Das Gesetz liefert keine unmittelbaren Aussagen, wie diese Fälle zu lösen sind. § 1020 S. 1 BGB verpflichtet zwar explizit dazu, das Interesse des Eigentümers „bei der Ausübung einer Dienstbarkeit“ zu schonen (civiliter uti).1448 Der systematische Zusammenhang der Vorschrift mit den §§ 1020 S. 2, 1021 f. BGB, 1445 Im Hinblick auf die Person des Berechtigten ist (wie bereits im römischen Recht, vgl. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 28 Rdnrn. 2 f.; Wieling, Sachenrecht, § 25 I) eine Gestaltung dahin möglich, dass Inhaber der Dienstbarkeit der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks (subjektiv-dingliche Rechte, § 1018 BGB) oder eine bestimmte natürliche oder juristische Person (subjektiv-persönliche Rechte, § 1090 BGB) sein soll. 1446 Zum Grundsatz „servitus in faciendo consistere nequit“ oben Teil 3 C.IV.3., in Fn. 307. 1447 Einige Ausführungsgesetze zum BGB/Landesnachbarrechtsgesetze sehen inzwischen vor, dass ein durch die Anbringung einer Außenisolation entstehender Überbau entsprechend § 912 BGB zu dulden ist, z. B. Art. 46a BayAGBGB; § 23a NachbG NRW; § 24a bremAGBGB; vgl. ferner Kirchhof, NZBau 2012, 206 (206). Da die §§ 912 ff. BGB bei Beeinträchtigungen von Dienstbarkeiten analog anwendbar sind [vgl. oben Teil 4 B.II.2.c)], bewirkt dies auch eine Lösung der vorliegenden Problematik. Soweit solche Spezialregelungen nicht bestehen, werden Duldungspflichten überwiegend abgelehnt, zumal es sich nicht um untergeordnete Bauteile handelt, vgl. OLG Karlsruhe NJW 2010, 620 (620 f.) zu § 7b BWNachbG. 1448 Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 3.

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die das Halten einer Anlage voraussetzen, legt aber den Schluss nahe, dass die Bestimmung ausschließlich auf die sog. Benutzungsdienstbarkeit nach § 1018 Var. 1 BGB anzuwenden sein soll. Ebenso bezieht sich § 1023 S. 1 BGB, der für den – durchaus ähnlichen – Fall, dass die bisherige Ausübungsstelle1449 der Dienstbarkeit für den Eigentümer besonderen Nachteilen führt, einen Verlegungsanspruch einräumt, nur auf § 1018 Var. 1 BGB.1450 Schließlich spricht gegen die Anwendbarkeit des § 1020 S. 1 BGB auf Unterlassungsdienstbarkeiten, dass jede Einschränkung der Verbietungsbefugnis eine Einschränkung der Dienstbarkeit selbst bedeuten würde;1451 dies muss der Inhaber einer solchen Dienstbarkeit jedoch nach verbreitetem Verständnis nicht hinnehmen.1452 Ein gesetzliches Begleitschuldverhältnis, wie es die §§ 1020 ff. BGB nach allgemeinem Verständnis beschreiben,1453 ist allerdings auch bei allen Formen der Dienstbarkeit denkbar. Dieses Begleitschuldverhältnis ist, soweit ausdrückliche Parteivereinbarungen nicht entgegenstehen, auch offen für den Einfluss von Wertungen und Verhältnismäßigkeitsüberlegungen,1454 mit denen verfassungsrechtliche Vorgaben umgesetzt werden könnten. Eine grundlegende Wandlung der Verhältnisse, die Anlass für die Bestellung der Dienstbarkeit in ihrer konkreten Form war, könnte auf diesem Weg nach Abwägung der beteiligten Interessen zu einer Anpassung des Inhalts führen oder die Ausübungsmodalitäten beeinflussen.1455 1449 Sie kann ein Teil des Rechtsinhalts sein oder nur auf einer tatsächlichen Einigung beruhen, vgl. BGH NJW 1981, 1781 (1781); BGHZ 90, 181 (183). 1450 Vgl. etwa BGHZ 90, 181 ff.; BGH NJW-RR 2006, 237 ff.; NJW 1981, 1781 ff.; WM 1976, 274 ff., die jeweils Wege- oder Leitungsrechte zum Gegenstand haben. 1451 MünchKomm/Joost, § 1020 Rdnrn. 4 f.; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 6. – In der Entscheidung BGH NJW 1975, 2398 (2398), auf die sich beide stützen, ist dies jedoch nicht in dieser Form ausgesprochen. Ebenso wenig geht ihre Ansicht aus BGH DNotZ 1956, 40 (42) hervor, da dort gerade das Fehlen eines Interesses auf Seiten des Inhabers verneint wird. 1452 Vgl. MünchKomm/Joost, § 1020 Rdnr. 2; ferner Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnrn. 3 ff.; Soergel/Stürner, § 1020 Rdnr. 1; RG DJZ 1907 Sp. 129 (130), die jeweils annehmen, dass § 1020 BGB die Art und Weise der Ausübung, nicht den Inhalt des Rechts betreffe; zuletzt BGHZ 187, 185 (189): § 1023 BGB kann keine Einschränkung gebieten, die eine teilweise Aufhebung der Dienstbarkeit zur Folge hätte. 1453 BGHZ 95, 144 (146) (unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht aus BGH DNotZ 1959, 240 (241)); BGHZ 106, 348 (350); 161, 115 (120 f., 122, 124) BGH NVwZ 1990, 192 (193); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 33 Rdnr. 27; Hess, AcP 198 (1998), 489 (492); MünchKomm/Joost, § 1020 Rdnr. 2; Jauernig/Jauernig, §§ 1020–1022 Rdnrn. 1, 5; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 1; Seiler, in: Staudinger/Eckpfeiler, U. Rdnr. 26. 1454 Vgl. Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 5. 1455 Vgl. BGH NJW-RR 2006, 237 (238 f.). Ist die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich (als Teil der Bewilligung und Eintragung) bestimmt, ist der Anspruch darauf gerichtet, eine entsprechende Änderung des dinglichen Rechts herbeizuführen (vgl. § 877 i. V.m § 873 BGB); ist sie nur tatsächlich vereinbart, muss der andere nur mit der Änderung der Ausübung einverstanden sein.

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2. Lösungstaugliche Rechtsfiguren In Teilbereichen des Rechts wurden bereits Rechtsfiguren entwickelt, die sich damit befassen, wann einfachrechtliche Vorschriften aus übergeordneten Überlegungen (einschl. verfassungsrechtlichen Gründen) so zu interpretieren sind, dass sie eine Anpassung bereits vorhandener Anlagen an veränderte tatsächliche Verhältnisse erlauben, und wann Rechtssätze infolge zeitablaufbedingter Veränderungen ihre Geltungskraft verlieren. a) Aktiver/erweiterter/überwirkender Bestandsschutz Im öffentlichen Recht wurde lange Zeit angenommen, dass eine begrenzte Erweiterung bestehender und genehmigter Anlagen bau- oder immissionsschutzrechtlich zulässig ist, wenn deren Nutzung im genehmigten Umfang zeitbedingt nicht mehr funktionsgerecht oder rentabel ist („aktiver“, „erweiterter“ oder „überwirkender Bestandsschutz“).1456 Solange die Folgeinvestitionen nicht das Wesen der bestehenden Anlagen veränderten, sollte sich unmittelbar aus Art. 14 GG ein ungeschriebener Genehmigungsanspruch ergeben.1457 Für die wichtigste Fallgruppe – bauliche Anlagen im Außenbereich – ist das BVerwG von dieser Auffassung abgerückt, da § 35 Abs. 4 BauGB eine differenzierte und abschließende gesetzliche Regelung für diese Problematik bereithalte und für Ansprüche unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG kein Raum sei, wenn ein Rechtsbereich einfachgesetzlich durch Normen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geregelt ist.1458 Der Gesetzgeber hat jedoch bei der Normierung der einfachrechtlichen Genehmigungstatbestände Bestandsschutzinteressen und Erweiterungsinteressen zu beachten;1459 das bestehende Recht muss sich an Art. 14 GG in Hinblick darauf messen lassen, ob die verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.1460 Der Umstand, dass bei der Rechtsanwendung ein unmittelbarer Rückgriff auf Verfassungsrecht unzulässig ist, solange und soweit1461 sich einfachrechtliche 1456 Siehe nur BVerwGE 72, 362 (364). – Allgemein zum Bestandsschutz Brohm, Baurecht, § 22 Rdnrn. 1 ff.; Sieckmann, NVwZ 1997, 853 (853 f., 857), jeweils m.w. N. 1457 BVerwGE 72, 362 (365); vgl. dazu Breuer, FG BVerwG. S. 106 f. 1458 Beginnend mit BVerwGE 85, 289 (294); bestätigt u. a. in BVerwGE 106, 228 (233 ff.); BVerwG NVwZ-RR 1998, 357 (358); NVwZ 1998, 735 (736); BayVerfGH BayVBl. 2010, 209 (211), in ausdrücklicher Abkehr von BVerwGE 72, 362; vgl. ferner BVerwGE 89, 69 (78); Selmer, JuS 2005, 477 (477). 1459 BVerwGE 106, 228 (236 f.); BVerwG NVwZ 2004, 982 (984); es wird lediglich – zu Recht – verneint, dass diese zum Kernbereich der Eigentumsgarantie gehören, die vom Gesetzgeber auch durch andere Belange nicht überwunden werden können; ähnlich auch BVerwGE 117, 287 (303 f.). 1460 BVerwGE 106, 228 (235); BVerwG NVwZ 1998, 735 (736); NVwZ-RR 1994, 372 (373); vgl. auch BVerfG NVwZ-RR 2005, 227. 1461 So ausdrücklich BVerwG NuR 2004, 205, die Entscheidung BVerwGE 89, 69 interpretierend.

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Vorschriften finden, die diese Konstellation regeln, ist eine allgemeine Konsequenz aus den Grundsätzen zur Normenhierarchie, der (trotz des Vorrangs der Verfassung bestehenden) Eigenständigkeit des einfachen Gesetzesrechts, des lexspecialis-Grundsatzes und der Gesetzesbindung der Rechtsprechung.1462 Da die §§ 30 ff. BauGB ein detailliertes Regelungssystem darstellen, in dem die Eigentümerinteressen und die öffentlichen Belange (z. B. Außenbereichsschutz) in jeweils unterschiedlicher Intensität zur Geltung kommen und eine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben auch unter Berücksichtigung der Bestands- und Erweiterungsinteressen getroffen ist,1463 ist es methodisch richtig, im Regelfall nicht unmittelbar auf das Verfassungsrecht zurückzugreifen. Gleichwohl ist nicht absolut ausgeschlossen, dass das Verfassungsrecht ausnahmsweise (wenn das einfache Recht auch nach Berücksichtigung des gesetzgeberischen Normierungs- und Typisierungsspielraums defizitär erscheint) gebietet, weitere Genehmigungsansprüche anzuerkennen,1464 wenn und weil auch der Gesetzgeber hierzu gezwungen wäre. Inwieweit einem solchen verfassungsrechtlichen Postulat durch die Kreation eines zusätzlichen ungeschriebenen Genehmigungstatbestands unmittelbar Rechnung getragen werden kann oder es eines Tätigwerdens des Gesetzgebers bedarf, hängt allein davon ab, ob Dritte betroffen werden, für die sich die dem positiven Gesetz zuwiderlaufende Genehmigung als Eingriff darstellen würde, oder sich Normen finden, die Basis einer entsprechenden Befugniseinschränkung sein können. b) Clausula rebus sic stantibus Nach der clausula rebus sic stantibus kann eine vereinbarte Rechtsfolge keine Geltung mehr beanspruchen, wenn sich die der Umstände, die Voraussetzung des Vertragsschlusses waren, grundlegend gerändert haben. Bei Rechtsnormen entspricht dies weitgehend dem Satz cessante ratione legis cessat ipsa lex1465, der letztlich auch der Figur der „Funktionslosigkeit von Normen“ zugrunde liegt:1466 Rechtssätze – insbesondere Bebauungspläne1467 – treten danach außer 1462 Vgl. Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (519 ff.); Wahl, NVwZ 1984, 401 (404 ff.); oben Teil 2 B.II.3.a)dd). 1463 Vgl. BVerwGE 117, 287 (303 f.). 1464 Zutreffend ebenso Brohm, Baurecht, § 22 Rdnr. 4 m.w. N.; Sieckmann, NVwZ 1997, 853 (854 ff.); BKGG/ders., Art. 14 Rdnr. 66; Battis, FS Leisner, S. 685; allgemein Dietlein, JuS 1996, 594 (598). 1465 Zu dieser aus dem Kirchenrecht stammenden Regel Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, passim; Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 955. 1466 Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, S. 33. 1467 Speziell zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen BVerwGE 54, 5 (10 f.); 85, 273 (281 f.); BVerwG NVwZ 1997, 893 (895); NVwZ-RR 1997, 415 (415 f.); NVwZ 2001, 1055 (1156); NVwZ 2004, 1244 (1245); BayVGH BayVBl. 1990, 87; NVwZ-RR 2005, 776 (777, 779); zu Zweckentfremdungsverordnungen BVerwGE 59, 195 (197 f.); BVerwG NVwZ 2003, 1125 (1125). Wie Steiner, FS Schlichter, S. 314 ff.,

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Kraft, wenn die zugrundeliegenden Verhältnisse sich so verändert haben, dass sich das vom Normsetzer intendierte Ziel in absehbarer Zeit nicht mehr verwirklichen lässt, und dieser Wandel so offenkundig ist, dass ein Vertrauen auf die Weitergeltung nicht mehr schutzwürdig ist.1468 Das Recht kann bei elementaren Veränderungen der Rahmenbedingungen seine Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen,1469 da das Sollen nicht beliebig weit von den Tatsachen und Möglichkeiten entfernt sein kann.1470 Auf dem gleichen Grundgedanken beruht ferner das Rechtsinstitut des „Wegfalls“ oder der „Störung der Geschäftsgrundlage“ im bürgerlichen Recht, das bereits vor ihrer Kodifizierung in § 313 BGB n. F. anerkannt war und einen Anspruch auf Anpassung der ursprünglich vereinbarten Leistungspflichten gibt.1471 Schließlich gehört hierher die Rechtsprechung, die dem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Abänderung eines Beschlusses oder einer Vereinbarung gibt, wenn nach Beschlussfassung eingetretene Umstände zu einer groben Unbilligkeit führen.1472 Die Überlegung, dass eine Rechtsfolge, deren normative Anordnung oder rechtsgeschäftliche Vereinbarung in einem bestimmten zeitlichen und örtlichen Lebenszusammenhang sinnvoll war, bei dessen Wegfall ihre inhaltliche Berechtigung verlieren kann, durchzieht somit die gesamte Rechtsordnung.1473 Verfassungsrechtlich ist dies damit zu rechtfertigen, dass die Einschränkung der Freiheit zu jedem Zeitpunkt, zu dem sie sich aktualisiert, ihrer Rechtfertigung bedarf. Daher kann nicht genügen, dass bei Statuierung einer Pflicht gute und ausreichende Gründe für sie vorhanden waren; die Gründe müssen vielmehr in jedem Augenblick der Geltung fortbestehen.1474 325 ff. darlegt, gelten bei der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen bestimmte Besonderheiten, da Bebauungspläne auf einen einmaligen Vollzug angelegt sind (ähnlich BVerwGE 54, 5 (7 ff.)). 1468 BVerwGE 28, 179 (182): Die Pflicht zur baulichen Unterhaltung des Kirchturms entfällt, weil die dortige (früher einzige) Uhr an Bedeutung verloren hat, die Glocken nicht mehr bei außerkirchlichen Anlässen geläutet werden und der Turm nicht mehr als Wachturm und Zufluchtsstätte genutzt wird. Inhaltlich ebenso BayVerfGHE 8, 25 (28); OVG Münster OVGE 14, 276 (283 f.); vgl. auch BayVerfGHE 8, 117 (121). 1469 BVerwGE 54, 5 (8); 85, 273 (281); BVerwG NVwZ 1997, 893 (895); NVwZ-RR 1997, 415 (415); BayVGH NVwZ-RR 2005, 776 (777). 1470 Vgl. H. H. Rupp, AöR 101 (1976), 161 (162); Kube, JZ 2001, 944 (947); Kelsen, FS Nipperdey S. 58. Vgl. weiter BVerwGE 28, 179 (182): Das Faktische entfaltet eine gewisse normative Kraft; BVerwGE 54, 5 (8): rechtsbildende Wirkung von Tatsachen; BayVerfGHE 8, 117 (121). – Auch wer den „naturrechtlichen“ Schluss vom Sein auf das Sollen (vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 424) ablehnt, muss zugeben, dass ein Rechtsbefehl leerläuft, wenn seine Verwirklichung ausgeschlossen ist. 1471 Siehe etwa BGHZ 84, 1 (8 f.) m.w. N. 1472 Vgl. oben Fn. 1240. 1473 Zur Verwandtschaft der drei Formeln, siehe nur Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, S. 8; auf diese Nähe anspielend auch Steiner, FS Schlichter, S. 325. 1474 BVerfGE 59, 336 (356 f.); BayVGH NVwZ-RR 2005, 776 (778); Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, S. 14 ff., 34 f. m.w. N.; inhaltlich auch BVerfGE 39,

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3. Anwendung auf die beschriebenen zivilrechtlichen Konfliktsituationen a) Erweiterung des Inhalts der Dienstbarkeiten aa) Vollständiger Wegfall der Dienstbarkeit bei tatsächlichen Veränderungen? Auf den ersten Blick führt eine Anwendung des Satzes „cessante ratione legis cedet ipsa lex“ auf die Fälle, in denen eine Dienstbarkeit „zu eng formuliert“ ist und mit dem im Grundbuch verlautbarten Inhalt keine nennenswerte wirtschaftliche Funktion mehr hat, dazu, dass die Dienstbarkeit vollständig erlischt. Ein solches Ergebnis kann jedoch kaum als sachgerecht bezeichnet werden. Ziel einer Anpassung muss sein, den Interessenkonsens, der bei der Bestellung der Dienstbarkeit (typisiert) vorgelegen hat, möglichst proportional auf die jetzigen Umstände abzubilden. Ausgangspunkt muss deshalb der Willensakt des (früheren) Eigentümers sein, da er – vermittelt durch die §§ 1018 ff. BGB auch gegenüber den Rechtsnachfolgern – den Grund darstellt, aus dem der Eigentümer von Ausschließungs- oder Nutzungsbefugnissen keinen Gebrauch mehr machen darf. Abzustellen ist dabei allerdings auf die typische Interessensituation, weil durch die Verdinglichung das durch die Dienstbarkeit vermittelte Pflichtenverhältnis vom konkret zugrundeliegenden Kausalverhältnis gelöst ist.1475 Wie allgemein bei der Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit ist daher nur auf objektive Gesichtspunkte abzustellen, nämlich Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und ggf. der in Bezug genommenen Bewilligung, wie sie aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters zu verstehen sind.1476 Ein vollständiger Wegfall der Verpflichtung entspricht dem Parteiwillen, wie er gewöhnlich bei der Einräumung einer Benutzungsdienstbarkeit zugrunde liegt, 169 (186 ff.); 41, 360 (370 ff.); vgl. ferner Thomas v. Aquin, Summa theologica II-I qq. 95 ff. (insbes. q. 95 a. 1 c.). – Gleichwohl ist (gerade bei langfristigen Veränderungen) zunächst der Gesetz-/Verordnungsgeber berufen, zu entscheiden, ob die Norm fortbestehen soll; eine Verwerfung kommt nur in Betracht, wenn die Norm offensichtlich entbehrlich geworden ist, vgl. BVerwGE 59, 195 (197 f.); BVerwG NVwZ 2003, 1125 (1125). 1475 Vgl. Meilicke/Heidel, DB 1993, 313 (315) zur vergleichbaren Situation bei Inhaberpapieren.– Aus dem o. g. Grund kann auch auf den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) nicht unmittelbar zurückgegriffen werden, da zwischen dem Eigentümer und dem Inhaber der Dienstbarkeit nicht zwingend rechtsgeschäftliche Beziehungen bestehen, wie sie die Vorschrift tatbestandlich voraussetzt (so BGHZ 96, 371 (376 f.); vgl. auch BGH NJW 1960, 673 (673)). 1476 Siehe nur BGHZ 145, 16 (20); BGH DNotZ 1959, 240 (243): „was jeder gegenwärtige oder künftige Beteiligte aufgrund der Bestellungsurkunde als Geschäftsinhalt annehmen muss“; NJW 1960, 673 (673); WM 1967, 582 (583); NJW 1983, 115 (116); NJW-RR 1988, 1229 (1230); NZM 1999, 44 (45); VIZ 1999, 225 (226); NJW 2002, 1797 (1798); NJW-RR 2003, 1235 (1235 f.); NZM 2006, 465 (466); BGH LM BGB § 1018 Nr. 4; LM BGB § 1018 Nr. 5; BayObLG FGPrax 2004, 203 (204); OLG Nürnberg NJW-RR 2000, 1257 (1257); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 16 Rdnr. 15.

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allenfalls dann, wenn eine sinnvolle Anpassung der Dienstbarkeit überhaupt nicht mehr denkbar ist. Eine Dienstbarkeit erlischt somit nur, wenn sie ihrem festgelegten – und ggf. angepassten – Inhalt nach dauerhaft überhaupt nicht mehr ausgeübt werden kann.1477 bb) Erweiterung der Befugnisse aus der Dienstbarkeit (1) Kollision von Eingriffsverbot und Schutzgebot Soweit ein derartiger Sonderfall nicht vorliegt, besteht die interessengerechte Lösung darin, der Dienstbarkeit (wieder) einen sinnvollen Inhalt zu geben, indem die Befugnisse ausgeweitet werden.1478 Auf verfassungsrechtlicher Ebene streitet dabei Eigentum gegen Eigentum:1479 Der Staat soll aufgrund der Eigentumsgarantie dem Grundstückseigentümer keine zusätzliche Einschränkung der Befugnisse auferlegen, wie sie die Erweiterung der Dienstbarkeit mit sich bringt; zugleich soll der Staat jedoch im Interesse des Inhabers der Dienstbarkeit verhindern, dass sein Recht entleert wird. (2) Lösung nach den Grundsätzen zum „aktiven Bestandsschutz“ – § 242 und §§ 1020 ff. BGB als einfachrechtliche Eingriffsermächtigung Die Situation erweist sich damit strukturell vergleichbar zu den Fällen des „aktiven Bestandsschutzes“. Hier wie dort geht es darum, ein Expansionsinteresse auf Kosten anderer Interessen durchzusetzen. Dies legt nahe, die dafür entwickelten Grundsätze hier entsprechend heranzuziehen. Wegen Art. 14 Abs. 1 GG ist daher eine Erweiterung der bestehenden Rechtsposition vorzunehmen, wenn sie schützenswert ist, die eingetretene Einbuße erheblich ist und das einfache Gesetz weder einen Schutz gewährleistet noch eine abschließende Entscheidung gegen einen solchen enthält.1480 Diese Voraussetzungen sind in den vorliegend behandelten Fällen erfüllt: Das Benutzungsrecht ist schutzwürdig, da die Befugnisse in rechtmäßiger Weise be1477 Vgl. BGH NJW-RR 1988, 1229 (1230); NJW 1984, 2157 (2158); VIZ 1999, 225 (226 f.); HansOLG Hamburg NJOZ 2003, 825 (827, 828) (zu einer Aussichtsgerechtigkeit); Ballerstadt, SJZ 1948, Sp. 388 (389) (zum Wohnecht nach § 1094 BGB); Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 33 Rdnr. 22; Soergel/Stürner, § 1018 Rdnrn. 9, 48; vgl. ferner BGH WM 1967, 582 (584): Erlöschen bei endgültigem objektiven Wegfall des Vorteils i. S. d. § 1019 BGB. Siehe zur Thematik ferner Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 7 ff., 482 ff. 1478 Die clausula rebus sic stantibus und der cessante-ratione-Satz sind insoweit so anzuwenden, dass mit der tatsächlichen Veränderung die Beschränkung der Dienstbarkeit auf bestimmte einzelne Nutzungen wegfällt. 1479 Ähnlich wie in BVerfGE 89, 1 (8), hier jedoch viel deutlicher. 1480 Vgl. oben a).

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gründet wurden und ausgeübt werden. Der Verlust der realen Nutzungsmöglichkeiten würde für den Inhaber einer Dienstbarkeit, die ohnehin nur einen beschränkten Kreis von Befugnissen umfasst, schwerer und härter treffen als den Eigentümer, dem auch bei einer weiteren (i. S. v. zusätzlichen) Einschränkung seiner Abwehrbefugnisse immer noch eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten verbleibt.1481 Schließlich lassen sich in der Privatrechtsordnung Vorschriften, die sich mit dem Problem der vorliegenden Konstellation abschließend befassen und dadurch einen unmittelbaren Rückgriff auf den grundrechtlichen Schutzauftrag versperren würden, nicht finden. Mit § 242 BGB und dem in den §§ 1020 ff. BGB ausgedrückten Begleitschuldverhältnis ist ferner ein einfachrechtlicher Anknüpfungspunkt vorhanden, um das unter dem Aspekt des Bestandsschutzes geforderte Ergebnis rechtsordnungsimmanent umzusetzen. (3) Folgerungen Der so bewirkte Eingriff des Staates in das privatautonom vereinbarte Pflichtengefüge wirft auch im Übrigen keine grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken auf. Da die frühere Situation, aus der heraus die Erklärung abgegeben wurde und die Grundlage der Vereinbarung war, zumindest teilweise nicht mehr vorhanden ist, ist eine Störung im Gefüge der gegenseitigen Rechte und Pflichten bereits gegeben. Eine Reaktion hierauf kann – bei aller gebotenen Zurückhaltung gegen nachträgliche Eingriffe in privatautonom begründete Vereinbarungen – nicht von vornherein unzulässig sein.1482 Der Staat (Gesetzgeber bzw. Rechtsprechung) ist allerdings nicht zu einer freien und unbeschränkten Neufestsetzung der Rechtsinhalte befugt, sondern muss sich auf das Notwendige beschränken. Daher muss zuerst die Auslegung vorhandener vertraglicher Absprachen versucht werden,1483 oder – da auf sie bei Dienstbarkeiten i. d. R. nicht rekurriert werden darf – die dingliche Erklärung des Eigentümers über den eingeräumten Rechtsinhalt zum Ausgangspunkt der Anpassung gemacht werden.1484 Die Transformation des typisierten Willens in die gegenwärtige Situation fällt allerdings oftmals nicht leicht, weil sie sich einer schematischen Berechnung – wie mittels des Dreisatzes – entzieht. 1481 Vgl. bereits v. Thur, JhJb. 46 (1904), 38 (45): „Je geringer das Recht an Inhalt und Bedeutung ist, um so intensiver der rechtliche Schutz“. Siehe ferner BGHZ 187, 185 (193): Bei Benutzungsdienstbarkeiten entspricht der Duldungsanspruch dem Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 BGB, weil er gerade dem Berechtigten die dem dinglichen Recht innewohnende Rechtsmacht verschaffen soll. 1482 Vgl. BGHZ 96, 371 (377). Siehe ferner J. Mayer, FPR 2004, 363 (365) m.w. N.: Eine Inhaltskontrolle ist vor allem dann zulässig, „wenn es anders kommt, als gedacht“. 1483 Kempen, DZWir 1994, 499 (501 ff.). 1484 Vgl. BGHZ 96, 371 (376 f.): Nur, wenn bei Einzelrechtsnachfolge zugleich Ansprüche aus dem schuldrechtlichen Bestellungsgeschäft mit abgetreten worden sind; ähnlich BGH NJW 1960, 673 (673); vgl. oben Fn. 1475.

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Die Verfügung des Eigentümers gibt somit den Rahmen dafür ab, in dem der Berechtigte aktuell und künftig zur Nutzung berechtigt sein soll. Als Regel lässt sich daraus ableiten, dass bei klaren und bewusst abschließend gemeinten Fixierungen des Nutzungsumfangs eine Anpassung generell nicht erfolgen darf; ausdrücklich enthaltene und unbedingt-abschließend gemeinte Beschränkungen müssen fortbestehen.1485 Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich die Dienstbarkeit die erlaubten Handlungen durch abschließend gemeinte Einzelaufzählung exakt definiert sind oder wenn eine Benutzung nur zu bestimmten Zwecken erfolgen darf.1486 Für eine Anpassung besteht dann kein Bedarf, da der Eigentümer sein Interesse, dass es auch für den Fall künftiger tatsächlicher Veränderungen nicht zu einer weiteren Einschränkung der ihm verbleibenden Befugnisse und zu einer Ausdehnung der dem anderen zustehenden Befugnisse kommen soll, gegenüber den Wünschen des Berechtigten ausgedrückt und durchgesetzt hat. An derartige Erklärungen ihrer Rechtsvorgänger sind die an der Dienstbarkeit Beteiligten gebunden.1487 Der Satz, dass grundsätzlich weder das einfachrechtliche noch das verfassungsrechtliche das Eigentum Realisierungschancen schützt und daher jeder Rechtsinhaber das Risiko, dass seine Befugnisse an praktischem oder wirtschaftlichem Wert verlieren, selbst tragen muss, wirkt sich in diesen Fällen somit zu Lasten des Inhabers der Dienstbarkeit aus. Fehlt eine derartige klare Beschränkung, ist verfassungsrechtlich nicht determiniert, wer den Vorteil aus der Entleerung des vom Vollrecht abgespaltenen Rechts ziehen soll. Einerseits hat der Eigentümer, der die Grunddienstbarkeit bestellt hat, sein Recht dem anderen untergeordnet,1488 andererseits kann auch dies nicht dazu führen, dass sein Eigentum zunehmend entwertet wird, weil nachträgliche Ereignisse die Dienstbarkeit beliebig erweitern. Dem Staat – mangels detaillierter gesetzgeberischer Regelungen: der Rechtsprechung – steht allerdings ein weiter Spielraum zu, zu bestimmen, wie und zu wessen Gunsten sich zeitbe1485

Vgl. BGH NZM 2009, 251 (252). Etwa BGH LM BGB § 1018 Nr. 5 und Nr. 10: Recht zum Befahren „für alle land- und hauswirtschaftlichen Zwecke“ verbietet Benutzung für gewerbliche Zwecke, selbst wenn diese heutzutage nahe liegen mag; BGH LM BGB § 1018 Nr. 4: Recht zum Befahren mit Eisenbahnwaggons enthält nicht Befugnis, Waggons auf dem Grundstück abzustellen, auch wenn zunehmender Waggonverkehr zusätzliche Abstellkapazität erfordert; BGH NJOZ 2008, 3061: Bezugsrecht für Losholz soll Ausbesserungen an einem für die Landwirtschaft benutzten Gespann ermöglichen; BayObLGZ 2003, 278 (280 f.): Recht zur Nutzung als „Eiskeller“ berechtigt nicht zur Nutzung allgemein zu Brauereizwecken; ferner Baur/Stürner, Sachenrecht, § 33 Rdnr. 25 (Beispiel: „Befahren mit Pferdefuhrwerken“); Soergel/Stürner, § 1018 Rdnrn. 9 m.w. N.; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 155; Grziwotz, NJW 2008, 1851 (1852 f.). – Den Vorrang der Vereinbarung betonen ferner BGH NJW-RR 2006, 237 (238) sowie OLG Zweibrücken OLGZ 1968, 143 (146 f.): Fahrstreifen von 2,5 m Breite fest vereinbart. 1487 Vgl. OLG Zweibrücken OLGZ 1968, 143 (147). 1488 Dies ist insbes. der Fall, wenn sich – wie regelmäßig (vgl. Grziwotz, NJW 2008, 1851 (1852) m.w. N.) – der Umfang der Befugnisse nach dem Bedarf des herrschenden Grundstücks richten soll. 1486

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dingte Änderungen der Nutzungspraxis auswirken. Die (neue) Abgrenzung der Befugnisse aus der Dienstbarkeit beruht dann im Kern auf einer Abwägung der gegenüberstehenden Interessen, somit auf dem Prinzip von Treu und Glauben.1489 Hierdurch wird gleichzeitig das Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. die praktische Konkordanz implementiert.1490 (4) Untersuchung der Lösung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung bemüht sich, einen solchen Kompromiss zu finden, indem sie eine Dienstbarkeit auf neue Nutzungsweisen erstreckt, wenn sie „artgleich“ mit der ursprünglich gestatteten Nutzung ist, nicht jedoch, wenn sie völlig unvorhersehbar war oder vom Inhaber der Dienstbarkeit willkürlich herbeigeführt wurde.1491 Der Umfang der Dienstbarkeit kann sich somit ausgehend von den Bedürfnissen des herrschenden Grundstücks unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen ändern; das Risiko gewöhnlicher allgemeiner Veränderungen und Innovationen trägt dabei der Eigentümer.1492 Dies entspricht der im Gesetz angelegten Tendenz, dass der Eigentümer, der der Benutzung durch den Inhaber der Dienstbarkeit eine Vorrangstellung eingeräumt hat,1493 mit seinen Wünschen zurückstehen muss, soweit die Dienstbarkeit inhaltlich reicht.1494 Ein Verbietungsrecht stünde ihm nämlich auch bei Intensitätssteigerungen, die durch eine lediglich quantitative Zunahme der Benutzung ausgelöst würden, nicht zu. Schließlich träfe der Verlust realer Nutzungsmöglichkeiten den Inhaber der Dienstbarkeit vergleichsweise härter als den Eigentümer, dem auch bei einer Ausdehnung des Dienstbarkeit immer noch alle übrigen Nutzungsmöglichkeiten verbleiben, während jene von vornherein nur einen beschränkter Kreis von Befugnissen umfasst. Die genannten Grenzen für eine Ausweitung tragen aber umgekehrt auch den Interessen des Eigentümers Rechnung, nicht jede 1489

Vgl. BGHZ 106, 348 (351) m.w. N. Vgl. Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 5. 1491 BGHZ 44, 171 (172 f.);106, 348 (350); 145, 16 (21); BGH NJW-RR 1988, 1229 (1230); NJW-RR 1995, 15 (16); NZM 1999, 44 (45); NJW-RR 2003, 1235 (1236); NJW-RR 2003, 1237 (1237); NJW-RR 2006, 237 (239); BGH LM BGB § 1018 Nr. 4; BGH NJOZ 2008, 3061 (3064); BayObLGZ 1959, 478 (484); 2003, 278 (280); OLG Zweibrücken OLGZ 1968, 143 (146); OLG München MDR 1982, 144; zustimmend und m.w. N. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 33 Rdnr. 24; Grziwotz, NJW 2008, 1851 (1852); vgl. auch BGH NVwZ 1990, 192 (193). Ablehnend Beck’scher TKG-Kommentar/Schütz, § 76 Rdnr. 23. 1492 BGHZ 44, 171 (172, 174); BGH LM BGB § 1018 Nr. 10; NJW-RR 1988, 1229 (1230); BayObLGZ 1959, 478 (484); ferner OLG München MDR 1982, 144. Eingehend hierzu auch Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnrn. 153 ff. 1493 Vgl. BGH DNotZ 1956, 40 (43); ferner BGH NJW-RR 1988, 1229 (1231); Grziwotz, NJW 2008, 1851 (1853) m.w. N. 1494 Siehe nur Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 4; auch BayObLGZ 12 (1912), 208 (217). 1490

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Veränderung hinnehmen zu müssen, insbesondere solche, die nicht zu erwarten waren, die den vorgegebenen Rahmen verlassen1495 oder die die gebotene Rücksicht vermissen lassen. Insgesamt werden daher durch den von der Rechtsprechung entwickelten Rechtssatz die Interessen beider Beteiligter angemessen beachtet. b) Beschränkung des Inhalts der Dienstbarkeiten Die soeben entwickelten Grundsätze lassen sich auch auf die spiegelbildliche Frage anwenden, ob im Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks eine Einschränkung der Befugnisse aus einer Unterlassungs- oder Duldungsdienstbarkeit nach § 1018 Var. 2 oder Var. 3 BGB geboten sein kann, wie es für die Benutzungsdienstbarkeiten in § 1020 S. 1 BGB gesetzlich angeordnet ist. Wiederum kollidieren zwei von der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützte Positionen und streben nach maximaler Verwirklichung. § 1020 S. 1 BGB setzt in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich voraus, dass dem Nutzungsberechtigten mindestens zwei Wege wahlweise zur Verfügung stehen, um sein Ziel zu erreichen.1496 Soweit diese Situation gegeben ist, sind die beiderseitigen Interessen abzuwägen.1497 Alternative Möglichkeiten zur Erzielung eines gewünschten Erfolgs können nur bei einem positiven Tun vorhanden sein. Ein Unterlassen (d.h. die Negation einer Handlung oder einer Erfolgsherbeiführung) bietet dagegen keine Wahlmöglichkeit;1498 eine Pflicht, entsprechend § 1020 S. 1 BGB die schonendere Form zu wählen, scheint daher bei § 1018 Var. 2 oder Var. 3 BGB nicht denkbar. Allen drei Fällen des § 1018 BGB ist jedoch gemeinsam, dass die Zuweisung der Ausschließungs- und Nutzungsbefugnisse gegenüber der Verteilung, die die Rechtsordnung als Regelfall vorsieht, im Einzelfall abgeändert wird.1499 Die Unterschiede zwischen den drei Varianten bestehen allein darin, hinsichtlich welcher Befugnisse – bildlich gesprochen: in welche Richtung – die gesetzlich allgemein vorgesehene Abgrenzung verschoben wird. Diese Symmetrie legt nahe, dass die oben hergeleiteten Grundsätze hier ebenso – und zwar zugunsten des Eigentümers – gelten. Umfang und Intensität der Befugnisse aus einer Dienstbarkeit können sich daher infolge von Veränderung der Verhältnisse sowohl auf Seiten des Belasteten als auch des Begünstigten nachträglich ändern und sowohl zur Erweiterung als auch zur Einengung des beschränkt dinglichen Rechts führen.1500 1495

Vgl. BGH LM BGB § 1018 Nr. 4 (oben Fn. 1486). MünchKomm/Joost, § 1020 Rdnr. 4; ebenso zum Gebot der schonendsten Ausübung aufgrund des allgemeinen Rücksichtnahmegebots BGH NZM 2003, 727 (728). 1497 Staudinger/J. Mayer (2002), § 1020 Rdnr. 5. 1498 „Inhalt“ und „Ausübung“ (vgl. RG DJZ 1907, Sp. 129 (139)) fallen mithin zusammen. 1499 Vgl. BGH NJW-RR 1988, 1229 (1231). 1496

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Nachträgliche Beschränkungen des Inhalts derartiger Dienstbarkeiten können jedoch nur in sehr begrenztem Maß zulässig sein. Bei Unterlassungsdienstbarkeiten nach § 1018 Var. 2 BGB folgt dies daraus, dass sie oftmals dazu dienen sollen, bereits das „abstrakte“ Interesse an der Nicht-Vornahme gewisser Handlungen durchzusetzen, unabhängig davon, ob die Handlungen im einzelnen Fall zu Schäden, Belästigungen oder Störungen führen.1501 Die Dienstbarkeiten dieser Art sind somit ein Mittel, um auch schlichte Annehmlichkeiten für das Wohnen und ästhetische Interessen zu sichern.1502 Würde man dem Inhaber einer Unterlassungsdienstbarkeit eine Einschränkung seines Verbietungsrechts zumuten, solange die Schwelle zu den an sich beachtlichen Beeinträchtigungen nicht überschritten wird, würde der Charakter eines derartigen dinglichen Rechts als Schutzmittel im Vorfeld messbarer Störungen missachtet. In entsprechender Weise ist der Wunsch, sich auf dem eigenen Grundstück über das an sich zulässige Maß hinaus betätigen zu dürfen, regelmäßig Anlass, sich eine Duldungsdienstbarkeit nach § 1018 Var. 3 BGB einräumen zu lassen.1503 Der Umstand, dass gerade das „Mehr an Befugnissen“ erkauft wurde, würde ignoriert, wenn diese „Erweiterung“ der Rechtssphäre später mit Verhältnismäßigkeitsüberlegungen rückgängig gemacht würde. Eine strikte Berufung auf die in der Dienstbarkeit enthaltenen exakten Beschränkungen ist aus diesen Gründen regelmäßig auch weder schikanös noch rechtsmissbräuchlich.1504 Insgesamt muss daher zum einen der Bedarf nach einer Anpassung entsprechend gewichtig sein; zum anderen darf die Erweiterung für den Berechtigten allenfalls zu ganz geringen Nachteilen, Unbequemlichkeiten oder Erschwernissen führen.1505 Das Schonungsgebot darf nicht zu einem Verzicht auf die Ausübung des dinglich gesicherten Rechts führen. Praktisch sind damit nur teilweise Beschränkungen des Umfangs der Dienstbarkeit möglich.1506 Sie kommt – wie 1500 Vgl. BGH NJW 1967, 1609 (1610); Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 162; ferner BGHZ 95, 144 (148); BGH DNotZ 1959, 240 (242). 1501 BGH NJW 1965, 2398 (2398). Vgl. ferner BGH NJW 1967, 1609 (1610): Wegfall der öffentlich-rechtlichen Nutzungsschranken muss nicht zum Wegfall der zu deren Sicherung bestellten Dienstbarkeit führen, da diese eine zusätzliche (Hervorhebung des Verfassers) Rechtsmacht gibt, die keineswegs mit jener steht oder fällt; und BGH WM 1974, 325 (327): Verteidigung damit, dass eine ordnungsgemäße Ausübung der Dienstbarkeit nicht weniger starke Beeinträchtigungen hervorrufen würde, ist nicht möglich. 1502 Vgl. BGH WM 1967, 582 (583 f.) m.w. N.; nach Planck/Strecker, § 1019 Anm. 2; sowie den Fall der „Aussichtsgerechtigkeit“ HansOLG Hamburg NJOZ 2003, 825 ff. 1503 Vgl. etwa BayObLG FGPrax 2004, 203 (204): umfassender Verzicht auf Abwehrrechte für jegliche Betriebsanlagen. 1504 Richtig BGH WM 1974, 325 (327). 1505 BGH DNotZ 1959, 240 (241); BayObLGZ 23 (1924), 116 (119 f.); OLG Zweibrücken OLGZ 1968, 143 (144); aber auch BayObLGZ 12 (1912), 208 (217). 1506 Vgl. HansOLG Hamburg NJOZ 2003, 825 (827); Soergel/Stürner, § 1020 Rdnr. 2; Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 162. – In Extremfällen halten BGH NJW 1960, 673 (674); NJW 1967, 1609 (1610) m.w. N.; Staudinger/J. Mayer (2002),

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bereits bei § 905 S. 2 BGB1507 – vor allem dann in Frage, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die mit der Grunddienstbarkeit verfolgte Funktion für ihren Inhaber vereitelt wird. Ferner kann sie erfolgen, wenn es nur um ganz geringfügige graduelle Abschwächungen von Unterlassungsgeboten – etwa bei Abstandsregelungen – geht, weil dann ein striktes Festhalten an der Verpflichtung unverhältnismäßig sein kann. Eine solche teleologische Reduktion ist allgemein methodisch anerkannt1508 und kann auch bei Geboten erfolgen, die nur abstrakte Gefahren verhindern sollen.1509 Als Verankerungspunkt im einfachen Recht stehen wiederum entweder § 1020 BGB als spezielle Schonungspflicht im Verhältnis zwischen dem Inhaber der Dienstbarkeiten und dem Eigentümer oder das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Verfügung.1510 c) Schlussbemerkung – Mögliche beachtliche Interessen Veränderungen der tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten können sich sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Berechtigten auswirken, indem sie zu einer Modifizierung des Inhalts des Rechts veranlassen. Die eigentlich starren sachenrechtlichen Regelungen können an Veränderungen der im Zeitpunkt der Rechtsbestellung zugrunde gelegten Umstände angepasst und die Forderung nach auch im Einzelfall verhältnismäßigen Ergebnissen verwirklicht werden.1511 Auslöser derartiger Inhaltsanpassungen sind zumeist Entwicklungen, die bei der Rechtsbestellung nicht oder nicht in der Form, wie sie eingetreten sind, erkennbar waren und daher nicht bedacht wurden (insbesondere die „Technisierung“). Berücksichtigung können allerdings auch – wenn auch wiederum nur in begrenztem Umfang – aktuelle öffentliche Interessen finden, die dann die Abwägung beeinflussen. Eine Parallelität von privatem und öffentlichem Interesse liegt im eingangs beschriebenen Fall vor, dass die in einer Grenzabstandsgerechtigkeit § 1018 Rdnr. 164 den Untergang der Dienstbarkeit oder eine vollständige Unzulässigkeit der Ausübung für denkbar. 1507 Vgl. oben Teil 4 B.III.2.a)cc)(2). 1508 Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 11 II b; ferner Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, S. 10, der darin eine Anwendung des cessante-ratione-Satzes auf den inhaltlichen Geltungsbereich einer Norm sieht. 1509 Vgl. BGH NJW 1997, 55; anders wohl MünchKomm/Joost, § 1020 Rdnr. 4. 1510 Staudinger/J. Mayer (2002), § 1018 Rdnr. 153; § 1020 Rdnr. 6; Soergel/Stürner, § 1020 Rdnr. 1; BGH DNotZ 1959, 240 (241); BGHZ 106, 348 (351); BGH NVwZ 1990, 192 (193). 1511 Vgl. allgemein dazu, dass eine Öffnung dinglicher Rechte für die zum Vertragsschluss motivierenden Umstände (und damit für Wertungen, die im Kausalverhältnis anzusiedeln sind) zunehmend zu beobachten ist (zu AGB-Kontrolle, Unwirksamkeit bei Übersicherung und unzulässige Rechtsausübung), M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2650, 2651 f.); Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 120, 122 f.

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vorgesehene Distanz unterschritten werden soll, weil der Eigentümer des Gebäudes auf dem belasteten Grundstück eine Außenisolation anbringen will. Hier wird das Eigentümerinteresse, die Heizkosten zu senken, von dem (u. a. im EnEG und der EnEV normativ verankerten) Allgemeinwohlbelang, Energieverbrauch und Emissionen niedrig zu halten,1512 überlagert. Die Beeinflussung der Abwägung durch derartige öffentlichen Interessen kann dabei – wie bei der „Wesentlichkeit“ im Rahmen des § 906 Abs. 1 BGB oder bei den Befreiungstatbeständen von Unterschutzstellungen1513 – entweder „direkt“ oder durch Verstärkung der privaten Interessen erfolgen. Der letztgenannte Weg ist aus den bereits dargelegten Überlegungen – geringere Gefahr, dass die öffentlichen Interessen die Abwägung dominieren, die eigentlich dem Ausgleich der kollidierenden Belange Privater dient – vorzugswürdig. Einer Beeinflussung der zivilrechtlichen Konfliktentscheidung steht dann aber auch nicht entgegen, dass EnEG und EnEV nicht verpflichten, bestehende Gebäude energetisch zu sanieren:1514 Der Gesetzgeber hat von einem entsprechenden Gebot ausschließlich deshalb abgesehen, weil er die Gebäudeeigentümer nicht zwangsweise mit erheblichen Investitionspflichten belasten wollte, also aus Gründen des Vertrauens-/Bestandsschutzes i. w. S. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber durchaus in Kauf nahm, dass sich EnEG und EnEV zum Nachteil von Privatpersonen auswirken, zeigt sich daran, dass der bei einem Verkauf verpflichtend vorzuhaltende Energieausweis mit seinen Modernisierungsempfehlungen erkennbar geeignet ist, den erzielbaren Erlös zu mindern. Wird einem Eigentümer auferlegt, dem (potentiellen) Käufer in derartiger Deutlichkeit die Mängel seiner Sache vor Augen zu halten, muss auch davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer auch in der Lage sein soll, derartige Schwachpunkte abzustellen, und zwar erforderlichenfalls auch, wenn dies gewisse Nachteile für den Nachbarn mit sich bringt. Der Energieausweis und die darin enthaltenen Informationen wären überdies sinnlos, wenn auch die Erwerber nicht in der Lage wären, die empfohlene Modernisierung vorzunehmen; da die Rechtsnachfolger den Abwehrrechten des Nachbarn in gleicher Weise ausgesetzt wären wie der Veräußerer, müssen diese in der vorliegenden Konstellation überwunden werden können. Dieses Verständnis kommt auch in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck, denen zufolge der Nachbar mangels besonderer Bestimmung nicht generell verpflichtet ist, seinen Abwehranspruch aufzuopfern, sich aber aus den § 922 i.V. m. §§ 745 ff. BGB eine Pflicht ergeben kann, die Nachrüstung einer Grenzanlage auf einen den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand zu dulden, oder entsprechende Duldungspflichten aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis entsprin1512 Ihn erkennt auch OLG Karlsruhe NJW 2010, 620 (621) grundsätzlich an, hält ihn aber nicht für gewichtig genug, um eine Pflicht zur Duldung eines entsprechenden Überbaus aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zu begründen. 1513 Vgl. oben Teil 4 B.I.1.b)aa)(3)(d). 1514 A.A. Horst, NJW 2010, 122 (124).

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gen.1515 Die Bestimmungen zu den jeweiligen Rechtsverhältnissen (hier: das Recht der Dienstbarkeiten) und deren Offenheit für Einschränkungen unter den Aspekten von Verhältnismäßigkeit/Treu und Glauben liefern interessen- und situationsgerechte Maßstäbe dafür, was den beteiligten Nachbarn jeweils zuzumuten ist.

II. Dingliche Sicherungsrechte: Übertragbarkeit der Bürgschafts-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Die dinglichen Sicherungs- oder Verwertungsrechte1516 geben dem Inhaber das Recht, die belastete Sache auch gegen den Willen des Eigentümers einer Veräußerung zuzuführen und aus dem Erlös Befriedigung zu suchen (vgl. § 1147, § 1228 BGB). Eine persönliche Pflicht des Eigentümers zur Zahlung besteht grundsätzlich nicht (eine Ausnahme stellt nur die Reallast dar, § 1108 BGB). Erörterungswürdig ist, inwieweit die Bürgschaftsrechtsprechung des BVerfG und des BGH auf die dinglichen Sicherungsrechte zu übertragen ist. 1. Ausgangspunkte a) Bürgschafts-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Das BVerfG hat in der „Bürgschafts-Entscheidung“ 1517 den Zivilgerichten aufgegeben, die Durchsetzung von Bürgschaftsverpflichtungen zu verhindern, wenn der Bürge bei Abgabe seiner Willenserklärung einem starken Übergewicht der anderen Vertragspartei ausgesetzt war. In solchen Situationen liege keine echte privatautonome Vereinbarung, sondern „Fremdbestimmung“ vor.1518 Bürgschaftsverträge seien deshalb mit Hilfe der Generalklauseln des Zivilrechts, ins1515 BGH NJW 2008, 2032 (2033) bzw. BGH NZM 2008, 939 (940); vgl. zu diesen und zum Ganzen auch Horst, NJW 2010, 122 (123 f.) 1516 Das BGB hält hier für bewegliche Sachen das (Mobiliar-)Pfandrecht (§§ 1204 ff. BGB) bereit; im Immobiliarsachenrecht stehen die Grundpfandrechte – Hypothek (§§ 1113 ff. BGB), Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) und Rentenschuld (§§ 1199 ff. BGB) als deren Unterart – sowie die Reallast (§§ 1105 ff. BGB) zur Verfügung. 1517 BVerfGE 89, 214. Weitgehend inhaltsgleich ist die Entscheidung BVerfG NJW 1994, 2749; an sie knüpfen ferner an BVerfGE 103, 89 (101 f.), BVerfG NJW 2001, 2248 (je zu Eheverträgen) sowie BVerfGE 114, 1 (34); 114, 73 (90); BVerfG NJW 2006, 1783 (1784). – Eine intensive inhaltliche Kritik an der Entscheidung soll in dieser Arbeit unterbleiben. Die Entscheidung scharf ablehnend Isensee, FS Großfeld, passim, insb. S. 500 ff., da die §§ 138, 242 BGB keine Inhaltskontrolle unter Umgehung des Gesetzesvorbehalts erlaubten; ders., HdbStR § 111 Rdnr. 129 ff.; einschränkend vor allem zu den Begründungsansätzen Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1226 ff.); Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (373). Im Grundsatz zustimmend Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (264 ff.); Schapp, ZBB 1999, 30 (31 ff.). 1518 BVerfGE 89, 214 (231, 232); der Begriff findet sich bereits in BVerfGE 72, 155 (171).

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besondere § 138 Abs. 1 BGB, inhaltlich daraufhin zu überprüfen, ob sie Ausdruck eines angemessenen Interessenausgleichs durch annähernd gleich starke Partner sind.1519 Um ihrer Prüfungs- und Abhilfepflicht nachzukommen, müssten die Zivilgerichte eine mögliche Verhandlungsschwäche oder andere Mängel beim Zustandekommen des Vertrages zur Kenntnis nehmen und unter Einsatz geeigneter rechtlicher Instrumente in ihre Entscheidung einfließen lassen.1520 Ein starkes Indiz für eine gestörte Vertragsparität sei etwa, wenn junge und unerfahrene Menschen ohne eigenes Einkommen umfangreiche Verpflichtungen übernehmen und dabei im Gesetz vorgesehene Schuldnerschutzbestimmungen abbedingen, ohne ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Kreditgewährung zu haben.1521 Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit, zu der auch das Festhalten an eingegangenen Vertragsverpflichtungen gehört, könne entsprochen werden, indem derartige Korrekturen auf typisierbare Fallgestaltungen begrenzt werden, in denen eine „strukturelle Unterlegenheit“ 1522 anzunehmen ist und zu ungewöhnlich stark belastende Folgen führt.1523 b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften Der BGH hat ursprünglich nur vereinzelt1524 Tendenzen zur Inhaltskontrolle von Bürgschaftsverträgen erkennen lassen. Entscheidungs- und ergebnisprägend war demgegenüber regelmäßig der Grundsatz, dass sich jeder so hoch verschulden könne, wie er wolle, und dass volljährige Personen die Gefahren einer Bürgschaftsübernahme kennen müssten.1525 1519 BVerfGE 89, 214 (232); ebenso in BVerfG NJW 2001, 2248; NJW 2006, 596 (598); vgl. ferner BVerfGE 115, 51 (67). 1520 BVerfGE 89, 214 (234 f.); BVerfG NJW 1996, 2021: „wenn Problem . . . gar nicht gesehen wurde oder Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wurde“. 1521 Vgl. BVerfGE 89, 214 (234 f.). 1522 Dieser in BVerfGE 89, 214 (232); BVerfG NJW 1994, 2749 (2750); NJW 1996, 2021 verwendete Ausdruck geht wohl auf Limbach, JuS 1985, 10 (14) zurück. – Das Postulat der annähernden Gleichheit der (körperlichen oder geistigen bzw. wirtschaftlichen) Kräfte für die Wirksamkeit und das Funktionieren des vereinbarten Zustands findet sich auch in den Sozialkontraktstheorien (vgl. Koller, FG Weinberger, S. 250) und lässt sich auch aus Kants Rechtsbegriff ableiten (Auer, AcP 208 (2008), 584 (626 f.)). 1523 BVerfGE 89, 214 (232); 115, 51 (67 f., 70). BVerfG NJW 1994, 2749 (2750). – Zu Bereichen, in denen Gerichte eine Inhaltskontrolle bereits zuvor vorgenommen haben, BGHZ 120, 272 (275); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (264 f.). 1524 Zu nennen sind die Entscheidungen des XI. Zivilsenats, BGH NJW 1991, 923 (924 f.); BGHZ 120, 272 (275 ff.), die bereits – ohne Rückgriff auf verfassungsrechtliche Überlegungen – im Wesentlichen die heute geltenden Kriterien für die Sittenwidrigkeit formulieren. Zu den inhaltlichen Divergenzen zwischen dem XI. und dem IX. Zivilsenat (dazu sogleich Fn. 1525) vgl. Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (262 f.); Köndgen, NJW 1991, 2018 (2018). 1525 So vor allem der IX. Zivilsenat, BGHZ 106, 269 (271); 107, 92 (97 f.); BGH NJW 1991, 2015 (2016 f.); alle m.w. N.; kritisch Köndgen, NJW 1991, 2018 (2018).

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Eine vollständige Abwendung von diesem Ausgangspunkt hat auch die Bürgschafts-Entscheidung des BVerfG nicht bewirkt. Vielmehr betont der BGH weiterhin, dass eine Bürgschaft nicht bereits deshalb sittenwidrig ist, weil sie nur einer Seite (unmittelbar) Vorteile verschafft, da dies dem rechtlichen Kern dieses Vertragstyps entspricht. Dies gelte auch, wenn der Bürge überfordert ist, weil die Privatautonomie auch die Möglichkeit umfasst, nachteilige und finanziell schwer belastende Geschäfte abzuschließen.1526 Eine Bürgschaft sei nur dann sittenwidrig i. S. v. § 138 Abs. 1 BGB1527, wenn der Bürge durch weitere Umstände (d.h. über die Überforderung hinaus) in einer dem Gläubiger zurechenbaren Weise erheblich belastet wird.1528 Neben den Situationen des „Beschönigens des Risikos“ 1529 sei dies vor allem der Fall, wenn die Verpflichtung nicht aufgrund einer eigenen freien Entscheidung übernommen wurde, sondern die emotionale Bindung des Ehepartners, eines Verwandten oder einer sonstigen Nahbereichsperson zum Darlehensnehmer ausgenutzt wurde.1530

1526 Vgl. BGH NJW 1994, 1341 (1342); BGHZ 125, 206 (209); 132, 328 (329 f., 338 f.); 136, 347 (350); 137, 329 (335). 1527 Eingehend zur Frage, inwieweit § 138 Abs. 1 BGB der richtige einfachgesetzliche Ankerpunkt ist, Schapp, ZBB 1999, 30 (37 ff.). Die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB wird allgemein abgelehnt, da dies ein Gegenleistungsverhältnis voraussetzt, das bei der Bürgschaft nicht vorhanden ist, siehe nur MünchKomm/Habersack, § 765 Rdnr. 16; BGH NJW 2001, 2466 (2467). – Der Gedanke, dass Verpflichtungen, bei denen eine allzu große Diskrepanz zwischen Wert und Gegenleistung besteht, unwirksam sind, findet sich bereits in den Rechtfiguren der iustitia commutativa i. S. der Tauschgerechtigkeit und des iustum pretium (vgl. R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (162); HRG/ Wallraff, 2/504 ff.; Canaris, FS Lerche, S. 884; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 16; kritisch aber bereits Hobbes, De Cive, 3. Kapitel 6.; differenzierend Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 100 f.) oder der laesio enormis (vgl. HRG/Ziegler, 2/1350 f.; z. B. bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 77; dazu R. Dreier, ARSP 73 (1987), 159 (171); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 16; BGH NJW-RR 2012, 416 (418)). 1528 BGH NJW 1994, 1341 (1342); NJW 1998, 894 (894) (insoweit in BGHZ 137, 292 nicht abgedruckt]); BGHZ 125, 206 (210); 137, 329 (332 f.); 151, 34 (37). – Insoweit decken sich die Forderungen des BVerfG und die Ergebnisse des BGH nicht vollständig; Gleiches gilt für die Begründungswege (vgl. Schapp, ZBB 1999, 30 (39)). Ganz ähnlich nimmt im verwandten Problemkreis „Inhaltskontrolle von Eheverträge“ der BGH (anders als das BVerfG) eine Unwirksamkeit nicht allein bei Vorhandensein einer Drucksituation an, vgl. J. Mayer, FPR 2004, 363 (363, 368). 1529 So insbes. im Ausgangsfall BVerfGE 89, 214; BGH NJW 1994, 1341. 1530 Aus der umfassenden Rspr. BGHZ 132, 328 (330); 146, 37 (41); 155, 302 (307); BGH NJW 1994, 1341 (1342 f.); NJW 1998, 894 (894); NJW 1999, 58 (58 f., 60). Neben Eltern, Kindern oder Geschwistern (sofern sie vergleichbar nahe stehen, BGHZ 137, 329 (334 f., 340)), zählt zu den Nahbereichspersonen auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (BGHZ 136, 347 (350); BGH NJW 2000, 1182 (1184)); bei Bürgschaften eines Arbeitnehmers gilt die Vermutung nicht, BGHZ 155, 302 (307); zu weiteren Differenzierungen vgl. Schapp, ZBB 1999, 30 (39). Nach BGH NJW 2000, 1182 (1184); NJW 2002, 2230 (2231) m.w. N. ist eine allgemeine Geschäftsgewandtheit des Bürgen kein Indiz gegen die Ausnutzung emotionaler Bindungen; ähnlich Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1227 f.).

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Die Rechtsprechung arbeitet dabei mit der widerleglichen tatsächlichen Vermutung, dass Bürgschaften vermögensloser Personen, bei denen Haftungsumfang und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einem „krassen Missverhältnis“ stehen, auf einer solchen Ausnutzung beruhen. Ein „krasses Missverhältnis“ in diesem Sinne wird angenommen, wenn bei einem „nicht ganz geringfügigen“ 1531 verzinslichen Kredit der Bürge aus seinem pfändbaren Einkommen nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld bedienen kann.1532 Legitimierend (mit der Folge der Wirksamkeit) können insbesondere eine unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse des Bürgen1533 oder das Interesse des Gläubigers, illoyale Vermögensverschiebungen zu verhindern,1534 sein. In den Fällen krasser Überforderung sei die Sittenwidrigkeit des Ausnutzens der emotionalen Verbundenheit, das an sich durch den Hauptschuldner der Forderung erfolgt, der Gläubigerbank auch zuzurechnen, da infolge der banküblichen Gepflogenheiten, sich zur Beurteilung der Werthaltigkeit der Sicherung zuvor über die Leistungsfähigkeit des Bürgen zu informieren, davon ausgegangen werden könne, dass sie von den sittenwidrigkeitsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder zumindest haben muss.1535 Eine solche Bürgschaft erweise sich auch aus der Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos, was die Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nach sich ziehe.1536 Bei sonstigen, schlicht überfordernden Bürgschaften besteht eine solche Vermutung nicht; besondere Umstände der genannten Art, die wiederum dem Kre1531 So die regelmäßig wiederholte Einschränkung: BGHZ 146, 37 (41, 42), verneint dort für eine Gesamtsumme von 47.000 DM; BGH NJW 2000, 1182 (1183). 1532 Siehe zum Ganzen BGHZ 136, 347 (351); 137, 329 (333, 334 f.); 146, 37 (42); 151, 34 (37); 155, 302 (306); BGH NJW 1998, 894 (894 [insoweit in BGHZ 137, 292 nicht abgedruckt]); NJW 2000, 1182 (1183); NJW 2001, 2466 (2467); NJW 2002, 2230 (2231); Oetker, Anm. LM BGB § 765 Nr. 157; Schapp, ZBB 1999, 30 (40 f.); S. Wagner, AcP 205 (2005), 715 (724). – Ursprünglich wurde teils darauf abgestellt, ob der Bürge innerhalb von 5 Jahren ein Viertel der Hauptsumme abdecken könne, vgl. BGHZ 136, 347 (351), 137, 329 (338). 1533 BGHZ 125, 206 (216 f.); 128, 230 (23 f.); 137, 329 (336 ff.). 1534 BGH NJW 1994, 1341 (1344); NJW 1999, 58 (58 ff.); NJW 2000, 1182 (1185); NJW 2002, 2230 (2231 f.). BGHZ 125, 206 (211 f.); 128, 230 (234 f., 237); 132, 328 (331); 136, 347 (353 f.); 137, 329 (342 f.); 146, 37 (46). Der Gläubiger kann in diesem Fall erst bei Eintritt einer solchen Handlung gegen den Bürgen vorgehen, siehe nur BGHZ 128, 230 (235 f.); 132, 328 (331 ff.). Das in BGH NJW 1999, 58 (58, 60) aufgestellte Erfordernis (dazu Schapp, ZBB 1999, 30 (40 f.)), diesen Zweck in der Bürgschaftsurkunde festzuhalten, wurde in BGHZ 151, 34 (40 f.); BGH NJW 2002, 2230 (2231 f.) wieder aufgegeben. 1535 Besonders deutlich wird diese Deduktion in BGH NJW 1994, 1341 (1342 f.); später BGHZ 125, 206 (212 f.; auch S. 215 f.); 128, 230 (232 f.); 136, 347 (351); 146, 37 (44 f.) m.w. N.; BGH NJW 1999, 58 (59 f.); NJW 2000, 1182 (1184); die subjektive Komponente betonend Oetker, Anm. LM BGB § 765 Nr. 157. 1536 BGHZ 125, 206 (211, 216 f.); 132, 328 (330 f.); BGHZ 136, 347 (351); 137, 329 (343); BGH NJW 1999, 58 (59, 60); NJW 2000, 1182 (1183); auch BGH NJW 2001, 2466 (2467 f.).

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ditinstitut zurechenbar sein müssen, müssen daher positiv nachgewiesen werden, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen.1537 c) Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsrelevanz der Überschuldung Die Bürgschafts-Entscheidung stellt nicht den ersten und einzigen Fall dar, in dem sich das BVerfG mit der Frage befassen musste, welche Vorgaben sich aus den Grundrechten für die rechtsgeschäftliche (Selbst-)Auferlegung finanzieller Verpflichtungen ergeben. Im Hinblick auf die unbeschränkte Verpflichtungsmacht des Elternteils bei der Fortführung eines von Minderjährigen ererbten Handelsgeschäfts war bereits früher ausgesprochen worden, dass der Staat wegen Art. 2 Abs. 1 GG verhindern müsse, dass Jugendliche mit erheblichen Schulden in die Volljährigkeit „entlassen“ würden; erwachsen werdenden Menschen müsse genügend Raum bleiben, ihr weiteres Leben selbst und ohne unzumutbare Belastungen zu gestalten.1538 Um zu verhindern, dass Jugendliche durch Eltern, die zu einer ausreichenden Verantwortung für das Vermögen ihrer Kinder nicht bereit oder nicht fähig sind, in unbegrenzter Höhe verpflichtet werden, müsse der Staat daher entweder Sicherungsmittel z. B. in Form eines Genehmigungsvorbehalts vorhalten oder eine Haftungsbegrenzung auf das ererbte Vermögen vorsehen.1539 Eine allgemeiner „Anspruch auf ein schuldenfreies Leben“ lässt sich dem Grundgesetz dagegen auch nach dem Verständnis des BVerfG nicht entnehmen.1540 Ebenso wenig begründet die Vernichtung jeglicher Zukunftsperspektive als solche bereits einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG und macht das Fehlen von eigenem Einkommen und Vermögen allein eine Bürgschaft unwirksam.1541 2. Untersuchung der Übertragbarkeit der „Bürgschaftsrechtsprechung“ auf dingliche Sicherungsrechte a) Unmittelbare Subsumtion Nach der Rechtsprechung des BGH ist notwendige Bedingung für die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft, dass der Sicherungsgeber wirtschaftlich überfordert 1537 Vgl. BGHZ 125, 206 (210 f., 213 ff.); 128, 230 (232); 132, 328 (329 f.); 137, 329 (332 f.); 155, 302 (307 ff.); BGH NJW 2001, 2466 (2467 f.); NJW 2002, 2633 (2633); ferner Oetker, Anm. LM BGB § 765 Nr. 157; Schapp, ZBB 1999, 30 (40). 1538 BVerfGE 72, 155 (173); dazu Looschelders, VersR 1999, 141 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (63) (kritisch). 1539 BVerfGE 72, 155 (173, 174). – Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 1629 a BGB im Jahre 1998 den letztgenannten Weg gewählt, mit dem er über die der Entscheidung aus dem Jahre 1986 zugrundeliegende Konstellation weit hinausgegangen ist (siehe auch Simon, AcP 204 (2004), 264 (267)). 1540 BVerfG Beschl. v. 21.7.1992, Az. 1 BvR 1282/88. 1541 BVerfGE 89, 214 (222 bzw. 234 ff.).

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ist. Eine finanzielle Überforderung der Art, dass bis in unabsehbare Zukunft hohe Zahlungspflichten bestehen, ist bei Pfandrechten generell ausgeschlossen,1542 da sie nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den Gegenstand bzw. zur Duldung der Verwertung verpflichten (vgl. § 1147 BGB, ggf. i.V. m. § 1192 Abs. 1, § 1105 BGB, bzw. § 1228 Abs. 1 BGB).1543 In Höhe des auf diesem Weg realisierbaren Wertes verfügt der Sicherungsgeber zwangsläufig über eigenes Vermögen (in Gestalt des belasteten Gegenstandes). Diskrepanzen zwischen Verpflichtungsumfang und Leistungsfähigkeit sind damit von vornherein undenkbar.1544 Durch eine unmittelbare Anwendung der Bürgschafts-Rechtsprechung lässt sich damit die Sittenwidrigkeit einer Grundschuldbestellung, Verpfändung o. ä. in keinem Fall begründen. b) Entsprechende Anwendung der Grundsätze Zu erwägen ist eine modifizierte Anwendung der Kriterien auf die Sicherung durch Pfandrechte, bei der ein Verfassungsverstoß auch unabhängig vom Merkmal „wirtschaftliche Überforderung“ vorliegt. Hierzu bedarf es zunächst einer Analyse, welche Bedeutung der „Überforderung“ und der „Ausnutzung emotionaler Bindungen“ etc. für die Bewertung als sittenwidrig zukommt. aa) Staatliche Schutzpflichten als Grundlage der Bürgschafts- und Minderjährigen-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Sowohl in der Bürgschafts- als auch der Minderjährigen-Entscheidung war Ansatzpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung, dass die Zivilrechtsordnung ermöglichte, sich oder andere Personen (zumindest formell) privatautonom in erheblichem Umfang zu verpflichten. Eine Überprüfung der zivilgerichtlichen Entscheidungen am Verfassungsrecht erfolgte jeweils unter dem Gesichtspunkt der grundrechtlichen Schutzpflicht, die im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. die Privatautonomie – und zwar im Moment des Vertragsschlusses1545 – bestand.1546 Die Schutzpflicht verbietet dem Gesetzgeber, dem Eltern1542

BGHZ 152, 147 (150); dem folgend OLG Bamberg OLGR 2003, 202 (202 f.). Siehe nur BGHZ 7, 123 (126); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 15 Rdnr. 4; zu älteren Lehren vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 131 I, II. 1544 BGHZ 152, 147 (150 f.); ferner BGH NJW 2001, 2466 (2467). 1545 Ausdrücklich diesen Bezugspunkt nennt BVerfG NJW 2006, 596 (598). BVerfGE 89, 214 (231 ff.) stellt ebenfalls auf die Situation des Vertragsschlusses ab. In BVerfGE 72, 155 (170 ff.) wird der Eingriff in der (unbeschränkten) Verpflichtungsermächtigung und der Nicht-Ausübung des Wächteramts aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG (S. 173, 174) gesehen. In der „Ehevertrags-Entscheidung“ BVerfGE 103, 89 (100 f., 102 f.) wird auf die besondere Situation der Schwangeren abgestellt, den Vertrag um 1543

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teil eine unbeschränkte und zugleich unkontrollierte Vertretungsmacht zu übertragen,1547 und der Rechtsprechung, bei der Abgabe von Bürgschaftserklärungen bestimmte Umstände als rechtlich unerheblich anzusehen.1548 Eine für das Bestehen einer Schutzpflicht relevante Situation liegt somit bereits darin, dass derartige Verpflichtungsakte rechtliche Anerkennung finden. bb) Übertragbarkeit der leitenden Gedanken zum Schuldnerschutz Die Bestellung dinglicher Sicherheiten erfolgt – ebenso wie die Übernahme einer Bürgschaft – durch Rechtsgeschäft. Da sich die tragenden Erwägungen der Bürgschafts-Entscheidung auf jede Art von Willenserklärungen anwenden lassen,1549 ist eine Pflicht zum Schutz vor einer Freiheitsausübung zum eigenen Nachteil in identischer Weise bei der Bestellung dinglicher Sicherheiten denkbar.1550 Bei der Willenserklärung, sich verbürgen zu wollen, und der, eine Grundschuld zu bestellen, besteht auch im gleichen Umfang die Gefahr, dass sie auf Ungleichgewichtslagen beruhen und/oder durch (vermeintliche) familiäre Loyalitätsverpflichtungen motiviert sind und nicht ausreichend auf ihre wirtschaftlichen Folgen hin überdacht wurden. Gemeinsam ist beiden Fällen weiter, dass sich die übernommene Pflicht erst bei Ausfall der Zahlungen durch den Hauptschuldner aktualisiert, so dass die drohenden Folgen zunächst nur undeutlich vor Augen treten: Dem Eigentümer verbleiben vorerst Besitz und Nutzungsbefugnis, bis sich die Haftung in einem fernen Zeitpunkt realisiert. Schließlich wird in beiden Situationen die Wahrscheinlichkeit des Haftungsfalls leicht unterschätzt und stattdessen – insbesondere wegen des Vertrauens in den familienangehörigen Hauptschuldner – darauf gehofft, dass er nicht eintreten werde.1551 Diese Willensbildungsdefizite können dabei jeweils einen Grad annehmen, der zu einer weitgehenden Dominanz gegenüber der Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung führt. Verliert ein Eigentümer einen mit einem (Grund-)Pfandrecht belasteten Gegenstand, der von ihm benutzt wird und seinen einzigen relevanten Vermögensder Heirat willen zu schließen oder nicht. Vgl. auch Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (266); BGHZ 107, 92 (96); 125, 206 (209); anders Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75), der als relevanten Zeitpunkt die Inanspruchnahme staatlichen Rechtsschutzes nennt. 1546 So explizit BVerfGE 72, 155 (167, 170, sowie der LS); BVerfGE 89, 214 (229, 231, sowie LS 1); vgl. auch BVerfGE 103, 89 (100 f., 102, 105 f.); BVerfG NJW 2001, 2248; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rdnr. 115; Isensee, FS Großfeld, S. 500 ff.; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75); LAG Brandenburg NZA 2003, 503 (505). 1547 BVerfGE 72, 155 (170 ff.). 1548 BVerfGE 89, 214 (231 ff.); BVerfG NJW 1994, 2749 (2750). 1549 Vgl. Schapp, ZBB 1999, 30 (31), der folgert, dass die Bürgschaftsrechtsprechung die Grundsätze des gesamten Vertragsrechts berühre. 1550 Zutreffend S. Wagner, AcP 205 (2005), 715 (720). 1551 Vgl. Köndgen, NJW 1991, 2018 (2018).

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wert darstellt,1552 ist auch er in seiner Lebensführung essentiell betroffen. Insbesondere entfällt beim Verlust eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung die Möglichkeit, kostengünstig zu wohnen, so dass künftig Mietaufwendungen anfallen und das verfügbare Einkommen gemindert wird; das Ergebnis ist damit das gleiche wie bei der Pflicht zur Erfüllung einer Bürgschaftsschuld.1553 Der Umstand, dass der Umfang der Inanspruchnahme durch das Wesen der Pfandrechte als dinglich beschränkte Haftung begrenzt ist,1554 schließt deshalb noch nicht per se erhebliche Belastungen des Sicherungsgebers aus. Die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB erscheint unter dem Gleichheitsaspekt sogar „erst recht“ geboten, da die ZPO1555 und die InsO1556 zahlreiche Bestimmungen aufweisen, die dem Geldschuldner ein angemessenes Einkommen und einen menschenwürdigen Lebensstandard erhalten sollen;1557 demgegenüber enthalten weder die ZPO1558 noch das ZVG Vorschriften zum Schutz vor einem Verlust des Eigentums als solchen.1559 Insofern kann der Eigentümer den Verlust sogar stärker spüren als der ohnehin vermögenslose Bürge.1560 Gründe, weshalb der nur dinglich Haftende generell weniger schutzwürdig sein soll als ein persönlicher Schuldner,1561 sind umgekehrt nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund kann die vom BVerfG genannte Voraussetzung für das Eingreifen der Kontroll- und Korrekturpflicht des Gesetzgebers bzw. der Recht1552

Vgl. M. Vollkommer, RPfleger 1982, 1 (3). Zutreffend S. Wagner, AcP 205 (2005), 715 (723). 1554 BGHZ 152, 147 (150). 1555 Zu nennen sind insbes. die Pfändungsgrenzen (§§ 850 ff. ZPO) und die Räumungsfrist bei der Wohnraummiete (§ 721, § 794 a ZPO). 1556 Zur Möglichkeit der Restschuldbefreiung vgl. §§ 296 ff. InsO. 1557 Medicus, AcP 192 (1992), 35 (66 f.); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (267 f.); Köndgen, NJW 1991, 2018 (2018) (w. Nw. bei Spieß, DVBl. 1994, 1222 [1227, in Fn. 62]) halten deshalb – wie früher BGHZ 107, 92 (102) – auch die Bürgschaftsrechtsprechung von BVerfG und BGH für überflüssig, zumal durch die genannten einfachgesetzlichen Rechtsinstitute auch ein nachträgliches Zu-Geld-Kommen berücksichtigt werden kann; anders Looschelders, VersR 1999, 141 (145); Simon, AcP 204 (2004), 264 (278 f.), der auf Defizite hinweist; offen lassend BGHZ 155, 302 (306). 1558 Dem Eigentümer wird nicht einmal eine Räumungsfrist gewährt, da § 721 ZPO bei der Herausgabevollstreckung aus dem Zuschlagbeschluss (§ 93 ZVG) nach ganz h. M. nicht anzuwenden ist, siehe nur Brehm, JZ 2005, 525 (526); Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 941; Zöller/Stöber, § 721 Rdnr. 21. Er kann daher nur auf Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO hoffen. 1559 Das ZVG enthält nur Sicherungen gegen eine Verschleuderung des Objekts (zur entsprechenden Pflicht des Staates vgl. BVerfGE 46, 325 (335); M. Vollkommer, RPfleger 1982, 1 (5 f.)). Trotz dieser Mindestvorkehrungen führt eine Zwangsversteigerung oder ein notgedrungen erfolgender freihändiger Verkauf regelmäßig zu einem Erlös, der erheblich unter dem Verkehrswert liegt. 1560 Zutreffend S. Wagner, AcP 205 (2005), 715 (721). 1561 Dies wird gleichwohl im gesamten Kreditsicherungsrecht immer wieder behauptet und als Argument gebraucht, vgl. bei Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 12 Rdnr. 39; § 15 Rdnr. 65; § 11 Rdnr. 19; S. Wagner, AcP 205 (2005), 715 (718 f.). 1553

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sprechung, dass sich der Schuldner nicht aus eigener Kraft – d.h. aus seinem Vermögen oder aus dem erzielbaren Einkommen oberhalb der Pfändungsgrenze – von der übernommenen Schuldenlast befreien konnte,1562 nur im Sinne einer geeigneten (nicht einer notwendigen) Voraussetzung für das Bestehen staatlicher Schutzpflichten zu verstehen sein. Das Erfordernis soll allein dem Umstand Rechnung tragen, dass Schutzpflichten erst bei der Überschreitung einer bestimmten Beeinträchtigungs- oder Gefährdungsintensität aktiviert werden.1563 Dies bedeutet aber, dass auch in vergleichbaren Situationen erheblicher Auswirkungen der maßgebliche „Grenzwert“ 1564 überschritten sein kann. Ein Verfassungsverstoß ist daher auch denkbar, wenn der Haftungsbetrag den Wert des vorhandenen Vermögens nicht übersteigt. Aus Art. 14 GG, dem Sozialstaatsprinzip1565 und dem Gleichheitssatz ergibt sich vielmehr auch die Pflicht des Staates, den Verlust von Eigentum abzuwenden, das für den Schuldner von einiger Bedeutung für die Lebensführung ist; aus dieser Pflicht resultieren wiederum mittelbar Einschränkungen der Interessen des vollstreckungswilligen Gläubigers.1566 cc) Abwägung mit den Interessen anderer (1) Verfassungsrechtlicher Schutz für dingliche Verwertungsrechte Das Interesse des Eigentümers, seine Sache nicht durch den Verwertungszugriff zu verlieren, kollidiert mit dem Individualinteresse des (Grund-)Pfandgläubigers, durch Ausübung des ihm eingeräumten dinglichen Verwertungsrechts seine Forderungen befriedigen zu können. Das dingliche Verwertungsrecht genießt den Schutz des Art. 14 GG.1567 Durfte der Sicherungsnehmer annehmen, dass der Eigentümer das Sicherungsrecht freiverantwortlich bestellt hat und er bei Eintritt des Sicherungsfalles das belastete Grundstück verwerten darf, wäre kein sachgerechter und ausgewogener Interessenausgleich gegeben, wenn das Interesse des Eigentümers vorgezogen würde. 1562

BVerfGE 72, 155 (173) bzw. BVerfGE 89, 214 (231). Vgl. BVerfG NJW 1994, 2749 (2750): Zur erkennbaren strukturellen Unterlegenheit muss eine ungewöhnliche Belastung des Bürgen hinzukommen, damit die Zivilrechtsordnung korrigieren muss; zweifelnd Schapp, ZBB 1999, 30 (41). 1564 So wörtlich BGHZ 132, 328 (338 (zu den Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO). 1565 Mit ihm wird auch in der Bürgschaftsentscheidung argumentiert, vgl. BVerfGE 89, 214 (232) sowie die Folgeentscheidung BVerfG NJW 1996, 2021. 1566 Vgl. Schapp, ZBB 1999, 30 (41). 1567 Siehe nur Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 363. – Ebenso wenig wie der Zugriff durch Vollstreckungsorgane ist die Verwertung eines eingeräumten Sicherungsrechts als Enteignung zu werten; wegen der alleinigen Funktion, die Ansprüche und Interessen Privater zu befriedigen, handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des belasteten Rechts, siehe nur Haas, NVwZ 2002, 272 (274 f.). 1563

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Immerhin hat der Kreditgeber gerade im Vertrauen auf diese Befriedigungsmöglichkeit das Darlehen ausgezahlt und ist so in Vorleistung getreten. Selbst wenn ein Willensbildungsdefizit auf Seiten des Sicherungsgebers zu unzumutbaren Belastung geführt hat, ist zu berücksichtigen, dass für die Ausnutzung der emotionalen Zwangslage typischerweise ganz überwiegend der Hauptschuldner (der das Hauptinteresse an der Kreditgewährung hat) und nicht der Sicherungsnehmer verantwortlich ist. Die Belastung des Eigentümers, der durch die Zwangsversteigerung seinen Gegenstand verliert, darf daher nicht auf Kosten des Sicherungsnehmers als – gewöhnlich – redlichem und schutzbedürftigem Dritten abzuwenden versucht werden. Der Wegfall der Verwertungsbefugnis, die das dingliche Recht gewährt, kommt somit nur in Betracht, wenn es an der Schutzwürdigkeit seines Vertrauens mangelt. Dies ist der Fall, wenn der Gläubiger selbst dazu beigetragen hat, dass die Willensentscheidung des Sicherungsgebers fehlerbehaftet war,1568 oder wenn ihm das Ausnutzen einer emotionalen Zwangslage zumindest zugerechnet werden kann. (2) Verwendbarkeit des Eigentums als Kreditsicherungsmittel Von Bedeutung ist darüber hinaus, dass das Vorhandensein effizienter Sicherungsrechte mittelbar jedem Eigentümer zugute kommt. Die Möglichkeit, seine Sache als Beleihungsobjekt einzusetzen, genießt daher auch verfassungsrechtlichen Schutz durch Art. 14 GG,1569 weil das Eigentum auch beim Einsatz als Sicherungsmittel die ihm zugedachten Wirkungen entfaltet, indem es ermöglicht, einen Kredit leichter oder überhaupt erst zu erhalten.1570 Die Nutzungsoption „Beleihung“ ist – wie die Privatautonomie insgesamt – gerade für den (derzeit noch) wirtschaftlich Schwächeren von Bedeutung, da sie erlaubt, Kredit zu erhalten und in Wohneigentum oder eine unternehmerische Tätigkeit zu investieren.1571 Eine intensive Inhaltskontrolle würde deshalb im Ergebnis vor allem finanzielle schwächere Kreise von den Möglichkeiten eines Immobilienerwerbs oder der Existenzgründung abhalten.1572 Mittelbar kommt damit eine Effizienz bei der Verwertung von Pfandrechten jedem Eigentümer zugute, weil die Eignung und Verwendbarkeit von Sachen als Kreditsicherungsmittel zunimmt. Sicherungsmittel, die den Gläubigerinteressen nicht hinreichend Rechnung tragen, werden dagegen von der Kreditwirtschaft nicht akzeptiert, was am Beispiel der Rentenschuld deutlich wird: Die Unkündbarkeit für den Gläubiger und das einseitige Ablösungsrecht des Schuldners (§ 1201 BGB) bevorzugen einseitig die Schuldnerseite und haben dadurch das Rechtsinstitut praktisch bedeutungslos ge1568 1569 1570 1571 1572

Vgl. die Fälle des Herabspielens des Risikos, die insoweit unproblematisch sind. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 15 Rdnr. 2 m.w. N. Vgl. M. Wolf, NJW 1987, 2647 (2650); ferner Christ, DVBl. 2002, 1517 (1525). Vgl. Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1228). Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (262).

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macht.1573 Weitet man den Kreis der beachtlichen Einwendungen bei dinglichen Sicherungsmitteln aus, ist somit zu erwarten, dass die Kreditinstitute sich von diesen abwenden; die wertvolle Möglichkeit, Grundstückseigentum als Kreditsicherungsmittel einzusetzen, würde damit schwinden. (3) Regelfall: Fehlende Zurechenbarkeit gegenüber dem Sicherungsnehmer Der Aspekt, dass das BGB die Möglichkeit, seine Sache zu verpfänden, generell vorsieht (und zwar sowohl allgemein als auch im Fall der Verpfändung zur Sicherung von Forderungen gegenüber Dritten) und damit verfassungsrechtliche Vorgaben verwirklicht, ist von erheblicher Bedeutung dafür, wann eine Ausnutzung emotionaler Bindungen dem Sicherungsgeber zugerechnet werden kann [zu dieser Voraussetzung oben (1)]: Dem Grundgesetz und (davon geprägt) der gesamten Rechtsordnung liegt das Bild eines Bürgers zugrunde, der kraft seiner Freiheit und Selbstbestimmung sinnvoll handeln und seine Interessen ausreichend gewichten kann.1574 Da die Bestellung von Sicherheiten ein von der Rechtsordnung anerkanntes Geschäft darstellt, darf ein Sicherungsnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass die Verpflichtung nicht rein auf emotionalen Gründen beruht, sondern wohlabgewogen eingegangen wurde. Er darf unterstellen, dass ein unbeschränkt geschäftsfähiger Sicherungsgeber die Tragweite seiner Verpflichtung und die hieraus resultierenden Gefahren für sein Eigentum erkennt, wirtschaftlich riskante Geschäfte nur nach rationaler Abwägung tätigt und ggf. selbst für seinen ausreichenden Schutz sorgt.1575 Ein Sicherungsgeber darf ferner, solange erkennbare Gegenindizien fehlen, von Regelfall ausgehen und annehmen, dass eine Inanspruchnahme nicht zu existenzbedrohenden Folgen führen wird. In einem solchen Fall muss der Staat aber dem Interesse des Sicherungsnehmers, dem Verkehrsschutzinteresse und der Rechtssicherheit den Vorrang einräumen,1576 weil diese das Bestandsinteresse des Eigentümers überwiegen. Auch bei gravierenden Belastungen für den Schuldner verdienen somit die Interessen des Sicherungsnehmers den Vorrang, wenn ihm nicht das sittenwidrige Verhalten zugerechnet werden kann.1577 Daher muss dem Grundpfandgläubiger, um die Bestellung des Sicherungsrechts 1573 Vgl. Staudinger/Wolfsteiner (2002), Vorbem zu §§ 1199 ff. Rdnr. 3; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 15 Rdnr. 2, jeweils m.w. N.; allgemein auch Stürner, AcP 194 (1994), 265 (276). 1574 Siehe nur Isensee, FS Großfeld, S. 487 ff., 492 ff. m.w. N.; oben B.IV.2.a)bb). 1575 Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 251; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1222 f.); BGHZ 107, 92 (103); BGH NJW 1994, 1341 (1342). 1576 Siehe nur BVerfGE 89, 214 (232, 234). 1577 Siehe oben bei Fn. 1535.

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ihm gegenüber als sittenwidrig und nichtig bewerten zu können, zumindest der Schluss darauf möglich sein, dass die Entscheidung des Sicherungsgebers nicht freiverantwortlich getroffen wurde. Andernfalls darf er annehmen, dass sich der Sicherungsgeber des übernommenen Risikos ausreichend bewusst ist und dieses vernünftig abgewogen hat.1578 Bei der Hereinnahme von dinglichen Sicherungsmitteln prüft eine Bank – anders als im Fall einer Bürgschaft, bei der die Werthaltigkeit des Sicherungsmittels maßgeblich von Einkommen, Vermögen und sonstigen Verpflichtungen („Bonität“) des Bürgen als Person abhängt – regelmäßig nur den Verkehrswert des Grundstücks und das Bestehen vorrangiger dinglicher Belastungen, da ihr Verwertungsrecht nur zur Zwangsvollstreckung in dieses Objekt berechtigt. Ein Schluss auf die Möglichkeit einer dauerhaften Bedrohung des Auskommens, den der BGH bei erkennbarer krasser Überforderung durch eine Bürgschaft unterstellt,1579 ist daher der Bank bei der Entgegennahme dinglicher Sicherheiten mangels entsprechender Informationen i. d. R. nicht möglich.1580 Da die Grundschuldbestellung, wie gezeigt, ein grundsätzlich legitimes Geschäft darstellt, kann auch deren Vornahme als solche nicht ein Indiz für ein „strukturelles Defizit“ 1581 gewertet werden. Fallgruppen, in denen die Bestellung dinglicher Sicherheiten auch für die Bank hinreichend sicher als Fall der Fremdbestimmung auszumachen ist, lassen sich ebenfalls nicht bilden: Anders als bei Bürgschaften kann die Abbedingung von im Gesetz vorgesehenen Sicherungsmechanismen1582, wie etwa die sofortige Fälligstellung von Grundschulden (§ 1193 BGB)1583 oder die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) nicht als Hinweis auf eine unüberlegte Erklärung herangezogen werden. Derartige Vereinbarungen sind bei Grundpfandrechtsbestellungen weit verbreitet und werden auch von Si1578 Die fachgerichtliche Rechtsprechung, die Aufklärungspflichten der Bank nur im Einzelfall bejaht, wenn erkennbar ist, dass dem Sicherungsgeber das Risiko nicht ausreichend bewusst ist, differenziert daher zutreffend nicht zwischen der Bürgschaftsübernahme und der Grundschuldbestellung. Vgl. BGHZ 152, 147 (151 f.); 125, 206 (215, 218); BGH NJW-RR 1987, 1291 (1293) und BGH NJW 1997, 3230 (3231); kritisch Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (267); Köndgen, NJW 1991, 2018 (2018 f.). 1579 Oben bei Fn. 1535. 1580 Konsequenterweise hat der BGH daher weitere finanzielle Verpflichtungen des Bürgen, die der Bank unbekannt waren, für die Frage, ob die Bürgschaft ihn wirtschaftlich überfordert und sich ihr eine „Fremdbestimmungslage“ aufdrängen musste, ausgeblendet, siehe nur BGHZ 132, 328 (338); bereits BGHZ 107, 92 (98 f.). 1581 Das Erfordernis eines strukturellen Defizits betonend Isensee, FS Großfeld, S. 489. 1582 Vgl. BVerfGE 89, 214 (235); zu den Maßstäben bei Bürgschaften vgl. Oetker, Anm. LM BGB § 765 Nr. 157; BGHZ 155, 302 (310). 1583 § 1193 Abs. 2 S. 2 BGB i. d. F. des RisikobegrG schließt dies nun aus, wenn es sich um eine Sicherungsgrundschuld handelt. Möglich ist aber weiter eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, vgl. MüKo/Eickmann, § 1193 Rn. 8.

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cherungsgebern vereinbart, die ihre Interessen hinreichend wahren können. Ein Schluss von diesen Regelungen auf Unerfahrenheit, Leichtsinn oder Gedankenlosigkeit lässt sich daher nicht ziehen.1584 Zudem vergrößern diese Vereinbarungen auch nicht den Umfang der Haftung,1585 sondern bewirken lediglich eine Umkehr der Verfahrensbetreibungs- und Beweislast, da nun der Schuldner durch Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767, § 795, § 797 Abs. 4 ZPO) selbst aktiv werden muss. Eine Fallgruppenbildung oder Typisierung, die für regelmäßig auftretende Konstellationen die Ergebnisse vorhersehbar machen würden, ist daher nicht möglich.1586 Eine im Einzelfall objektiv gegebene „Fremdbestimmungs“-Situation ist daher für den Grundpfandgläubiger im Regelfall nicht erkennbar, weshalb er von deren Nichtvorliegen ausgehen darf. Im eigenen Interesse führt ein Grundpfandgläubiger keine weiteren Ermittlungen zum Schuldenstand des Sicherungsgebers durch. Besondere Aufklärungsmaßnahmen ausschließlich im Interesse des Vertragspartners sind dem Sicherungsnehmer nach allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen nicht zuzumuten.1587 Eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen des Sicherungsnehmers ist daher gewöhnlich nicht vorhanden. dd) Ergebnis Der Satz, § 138 Abs. 1 BGB müsse nicht so ausgelegt werden, dass auch das Interesse geschützt wird, weiter mietfrei wohnen und dauerhaft das Eigentum an Gegenständen behalten zu können,1588 trifft daher in dieser Form und Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr lassen sich die Überlegungen, die bei Bürgschaften zu einer Unwirksamkeit wegen „Fremdbestimmung“ führen, auch auf die Bestellung dinglicher Sicherheiten übertragen. Einer Unwirksamkeit der Bestellung des Verwertungsrechts wegen Sittenwidrigkeit steht allerdings regelmäßig entgegen, dass die besonderen Umstände in der Person des Eigentümers, die die staatliche Schutzpflicht auslösen, dem Inhaber des Verwertungsrechts unbekannt sind. Das legitime Anliegen, das Sicherungsinteresse des Gläubigers zu schützen, berechtigt die staatlichen Organe im Bereich der Zivilrechtspflege, die Verwertung auch dann durchzuführen, wenn die Grundschuldbestellung aus rein emotionalen Gründen erfolgt ist, sofern dies dem Sicherungsnehmer nicht ausnahmsweise zu1584 Noch weiter OLG Celle OLGR 2004, 604 (Tz. 14 ff.), das auch in der (zusätzlich erklärten) Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen wegen der Verbreitung dieser Gestaltung keinen Anhaltspunkt sieht. 1585 Vgl. die entsprechende Argumentation in BVerfGE 89, 214 (234 f.): versteckte Erweiterungen; BGHZ 136, 347 (352 f.); 137, 329 (338); vgl. auch Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (263). 1586 Vgl. Isensee, FS Großfeld, S. 506 f.; Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (265, 266, 267); Schapp, ZBB 1999, 30 (41); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1228 f.). 1587 Zur Diskussion in diesem Bereich vgl. S. Wagner, AcP 205 (2005), 715 (732 ff.). 1588 BGHZ 152, 147 (151); BGH NJW 2001, 2466 (2467).

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zurechnen ist. Auch die Pflicht zum Schutz des Eigentümers (ggf. „gegen sich selbst“) setzt sich gegen das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Sicherungsinteresse des Sicherungsnehmers nur durch, wenn dieser die Umstände des Einzelfalls kennt oder kennen muss. Aus der dargestellten Dreieckssituation ergibt sich im Übrigen, dass kein Wertungswiderspruch zu § 120 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII (früher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) vorliegt, nach dem ein Hilfeempfänger trotz des Grundsatzes der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht auf die Veräußerung von selbstgenutztem Wohneigentum verwiesen wird: Der Staat lässt die Vollstreckung in Immobilien zur Befriedigung privater Gläubiger grundsätzlich zu und muss sie in deren schutzwürdigem Interesse auch zulassen.1589 Die Maßstäbe, die dafür gelten, welche Pflichten zu Verzicht und Rücksichtnahme der Staat dem Bürger auferlegen darf, wenn er schutzwürdigen Belange anderer Privater Rechnung trägt, können sich durchaus von dem unterscheiden, was der Staat dem Bürger zumutet und zumuten darf, wenn er nur eigene (Refinanzierungs-)Interessen verfolgt.1590

III. Einschränkung des Zustimmungs- und Bewilligungserfordernisses durch das Unschädlichkeitszeugnis 1. Inhalt der gesetzlichen Regelung im EGBGB und im BayUnschZG Art. 120 EGBGB gestattet landesrechtliche Bestimmungen, nach denen die Unschädlichkeit einer Veräußerung eines (realen) Grundstücksteils für den Inhaber eines an dem Grundstück bestehenden dinglichen Rechts festgestellt werden kann. Von diesem Gesetzgebungsvorbehalt, der sich nach § 136 GBO auch auf die Auswirkungen auf die grundbuchrechtlichen Aspekte erstreckt, haben zahlreiche Länder Gebrauch gemacht,1591 darunter Bayern; das BayUnschZG soll im Folgenden ausschließlich Gegenstand der Untersuchung sein. Das Unschädlichkeitszeugnis ermöglicht den lastenfreien Erwerb eines Grundstücksteils, ohne dass – wie es an sich erforderlich wäre – die Inhaber eines auf dem Grundstück lastenden dinglichen Rechts insoweit materiellrechtlich auf ihre Rechte verzichten (vgl. § 875 BGB) und die Inhaber von Rechten an solchen Rechten zustimmen (vgl. § 876 BGB) sowie die entsprechenden grundbuchverfahrensrechtlichen Löschungsbewilligungen erteilen (§ 19 GBO).1592 Zuständig 1589 Vgl. BGH JZ 2005, 524 (525); zu dieser Entscheidung eher kritisch Brehm, JZ 2005, 525 (526 f.). 1590 Ebenso im Ergebnis BGH NJW 2001, 2466 (2467); allgemein oben Teil 2 Fn. 877. 1591 Übersicht bei Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnrn. 52 ff. 1592 Siehe nur BayVerfGHE 23, 143 (151); 41, 106 (109); BayObLGZ 1988, 1 (5); Deharter, MittBayNot 2004, 17 (17); Kirchmayer, RPfleger 2004, 203 (203); Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 1.

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für die Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses ist in Bayern das Amtsgericht, das dabei nicht als Grundbuchamt, sondern als Gericht der Freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig wird.1593 Sachlicher Entscheidungsmaßstab für die Erteilung des Zeugnisses ist, ob die Minderung des Umfangs und des Wertes des veräußerten Grundstücksteils im Verhältnis zu Umfang und Wert des Restgrundstücks gering ist, wobei ein Ausgleich durch die Erstreckung des Rechts auf ein anderes Grundstück möglich ist (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 BayUnschZG).1594 Die früher vorgesehene Bagatellgrenze von 300 DM, bis zu der ein Wertausgleich unterbleiben konnte, findet sich im Gesetz nicht mehr;1595 auch ein betragsmäßig höherer Rechtsverlust kann daher unschädlich sein. Wesentliche Verfahrensvorschriften enthält Art. 4a BayUnschZG: S. 1 der Bestimmung sieht vor, dass eine Anhörung der Inhaber der betroffenen dinglichen Rechte erfolgen soll, wenn die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen nicht von vornherein ausgeschlossen ist; nach S. 2 kann hiervon abgesehen werden, wenn sie zu erheblichen Verzögerungen oder unverhältnismäßigem Aufwand führen würde. Als Kompensation soll dann nach S. 3 der Amtsermittlungsgrundsatz – der an sich bereits wegen Art. 34 BayAGGVG i.V. m. § 26 FamFG herrscht1596 – gelten. Erhebt ein Berechtigte nach Aufforderung keine Einwendungen, kann das Unschädlichkeitszeugnis ebenfalls erteilt werden (Art. 6 Abs. 1 BayUnschZG).1597 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass nach Art. 8 BayUnschZG gegen die Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses (d.h. gegen die positive Entscheidung) ein ordentlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist. 2. Verfassungsrechtliche Fragen a) Rechtfertigung des Rechtsinstituts „Unschädlichkeitszeugnis“ Das Unschädlichkeitszeugnis bewirkt für den Inhaber eines dinglichen Verwertungsrechts eine Minderung des Wertes, weil er einen Teil der Haftungsmasse etc. verliert. Für ihn stellt das Unschädlichkeitszeugnis damit keineswegs eine 1593 Vgl. (teils unter Berufung auf den früheren Art. 129 BayAGBGB) BayVerfGHE 23, 143 (146); BayObLGZ 1962, 396 (398); 1988, 1 (1); Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 39; Sprau, Einf. z. UnschZG Rdnr. 53; ausführlich Demharter, RPfleger 2004, 406 (407) gegen Kirchmayer, RPfleger 2004, 203 (205 f.), der sich maßgeblich auf Passagen des Referentenentwurfs stützt, die sich in der Gesetzesbegründung jedoch nicht mehr finden. 1594 Auf den Sonderfall der Abtretung für öffentliche Zwecke (Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 2 BayUnschZG) wird nicht gesondert eingegangen. 1595 Zu der Änderung vgl. LT-Drs. 14/11937, S. 4, 5; Demharter, MittBayNot 2004, 17 (18); Kirchmayer, RPfleger 2004, 203 (204), hervorhebend, dass eine freiwillige Zahlung des Veräußerers oder Erwerbers an den Rechtsinhaber weiter möglich bleibt. 1596 Vgl. insbes. Demharter, RPfleger 2004, 406 (407) (dort: § 12 FGG). 1597 Vgl. dazu Sprau, Einf. z. UnschZG Rdnrn. 40 ff.

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„segensreiche Einrichtung“ 1598 dar. In ähnlicher Weise können sich nachteilige Wirkungen für den Inhaber eines beschränkt dinglichen Nutzungsrechts an dem Grundstück ergeben, weil seine Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Trotz dieses – im Hinblick auf den veräußerten Grundstückteil sogar vollständigen – Verlusts der in dem dinglichen Recht enthaltenen Befugnisse sind die Regelungen über das Unschädlichkeitszeugnis als Inhalts- und Schrankenbestimmungen einzuordnen. Wie sogleich zu zeigen ist, sollen sie die Möglichkeit der Veräußerung kleiner Grundstücksteile erhöhen und herstellen; sie sind damit im Interesse der Eigentümer geschaffen. Der dem Rechtsinhaber entstehende Verlust an Haftungsmasse bzw. Nutzungsgegenstand muss durch überwiegende Interessen anderer Beteiligter, insbesondere des Eigentümers und des Erwerbers, gerechtfertigt werden. Diese sind darin zu finden, dass die Beibringung der an sich erforderlichen materiellrechtlichen Willenserklärungen und der verfahrensrechtlichen Bewilligungen mit tatsächlichem Aufwand und Kosten verbunden ist, die bei kleinen Flächenveränderungen, wie sie bei der Anlage von Verkehrsflächen oder bei Grenzberichtigungen häufig vorkommen,1599 außer Verhältnis zum Wert und zur Schmälerung des Haftungs-/ Nutzungsobjekts stehen.1600 Zudem drohen Verzögerung und Blockade durch einzelne Inhaber von dinglichen Rechten, die – ungeachtet der Frage, ob sie hierzu materiellrechtlich verpflichtet wären und ob ihnen ein Nachteil droht – ihre Zustimmungserklärung nicht abgeben. Eine von den Beteiligten gewünschte und sinnvolle Veräußerung würde daher oftmals unterbleiben, weil sie unmöglich oder zumindest wirtschaftlich unvernünftig wäre. Die Vermeidung von Transaktionskosten liegt dabei sowohl im Individualinteresse des Eigentümers und Erwerbers, die andernfalls die Veräußerung nicht durchführen könnten, als auch im volkswirtschaftlichen Interesse, nicht zahlreiche Personen mit dem Aufwand für die Abgabe der Erklärungen zu belasten. Das Interesse, den Rechtsverkehr zu erleichtern und Härten zu vermeiden,1601 ist legitim und geeignet, eine Verkürzung der Bestandsinteressen des Rechtsinhabers zu rechtfertigen.1602 Die Feststellung einer Veräußerung als „unschädlich“ hängt dabei im Einzelfall davon ab, ob dem Inhaber des dinglichen Rechts die Schmälerung seiner Position zumutbar ist. Die Zusammenstellung der zu berücksichtigenden Aspekte 1598 So Demharter, MittBayNot 2004, 17 (17), im Hinblick auf die günstigen Auswirkungen für den Eigentümer. 1599 Vgl. Demharter, MittBayNot 2004, 17 (17). 1600 Demharter, MittBayNot 2004, 17 (17); Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnrn. 9, 11. 1601 BayObLGZ 1962, 396 (398 f.); 1988, 1 (3); 2003, 161 (163, 164); 2003, 203 (204); Sprau, Einf. z. UnschZG Rdnr. 61. 1602 Vgl. BayVerfGHE 23, 143 (153); ferner BayVerfGHE 41, 106 (110), das damit die (damals noch geltende) Bagatellgrenze rechtfertigte.

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und die nähere Konturierung des Maßstabs, wann die Verminderung von Umfang und Wert „gering“ ist, muss von der Art des betroffenen Rechts ausgehen: Bei einem erstrangigen dinglichen Sicherungsrecht, das den Wert auch des RestGrundstücks nicht annähernd ausschöpft, wird man die Unschädlichkeit einfach bejahen können. Führt die Veräußerung des Teils zu einer signifikanten Wertminderung, kommt es auf die relativen Verhältnisse an.1603 Demgegenüber ist bei anderen Rechten als Verwertungsrechten starke Zurückhaltung geboten. So wird die Beeinträchtigung eines dinglichen Vorkaufsrechts in der überwiegenden Zahl der Fälle als schädlich zu bewerten sein, weil dieses Recht gerade darauf angelegt ist, dem Berechtigten den Erwerb des Grundstücks insgesamt zu erlauben.1604 Identisch ist die Situation bei Auflassungsvormerkungen.1605 Entsprechendes kann bei Dienstbarkeiten gelten, wenn diese etwa sicherstellen sollen, dass innerhalb eines bestimmten Bereichs nicht gebaut o. ä. wird. Keine Bedenken bestehen dagegen, wenn der abgetrennte Teil außerhalb des Bereichs einer fest vereinbarten Ausübungsstelle einer Dienstbarkeit liegt.1606 Ergeben sich relevante „tatsächliche“ Nachteile für den Inhaber der Dienstbarkeit oder des Vorkaufsrechts, können diese auch durch einen Wertausgleich nach Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 BayUnschZG nicht egalisiert werden, weil dem Berechtigten gerade am Erwerb bzw. dem Unterlassungsanspruch an dem konkreten, in der Natur belegenen Flächenstück gelegen ist. Die Substanzgarantie ist in diesem Fall ihrem Inhalt und ihrer Schutzrichtung nach einer Kompensation durch Wertausgleich nicht zugänglich. Bei Verwertungsrechten begegnet der Einsatz eines Wertausgleichs demgegenüber keinen nennenswerten Bedenken: Für den Inhaber ist es unerheblich, welche Sicherheit für seinen Anspruch haftet, sofern sie hinreichend werthaltig ist; seine Befugnis ist von vornherein nicht auf eine tatsächliche Nutzung der Sachsubstanz gerichtet, sondern erschöpft sich darin, die Sache (durch zwangsweise Veräußerung an Dritte) verwerten zu können. Für das Verwertungs-/Sicherungsrecht gilt damit das Gleiche wie für eine Forderung, der ebenfalls die „Individualität“ fehlt.1607 Durchgreifende Bedenken dagegen, bei einer nur geringfügigen Rechtsbeeinträchtigung – ggf. nach Wertausgleich – eine veräußerte Teilfläche von einer Belastung freiwerden zu lassen, bestehen damit nicht. Sachlich entscheidend ist vielmehr, ob die Voraussetzungen für die Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses auch im konkreten Fall vorliegen.

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Sprau, Einf. z. UnschZG Rdnr. 27. Vgl. auch Art. 13 BayUnschZG. 1605 Zutreffend Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 25. 1606 Vgl. Sprau, Einf. z. UnschZG Rdnr. 29; LG Augsburg RPfleger 1979, 338 (339); Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 24. 1607 Vgl. oben S. 162. 1604

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b) Vereinbarkeit der Verfahrensregelungen mit grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Anforderungen Von zentraler Bedeutung ist damit, dass dem Gericht die Umstände, aus denen sich Art und Intensität der Nachteile für die Rechtsinhaber ergeben, bekannt werden, bevor es eine endgültige Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Unschädlichkeit trifft. Gerade dies ist aber nicht gewährleistet, wenn der betroffene Rechtsinhaber von dem Verfahren keine Kenntnis erlangt und nicht angehört wird.1608 Der Umstand, dass der Gesetzgeber generell und – was als Betonung zu verstehen sein dürfte – in Art. 4a BayUnschZG den Untersuchungsgrundsatz vorgesehen hat, kann die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs nicht rechtfertigen. Dem Betroffenen ist Gelegenheit zur Stellungnahme auch dann einzuräumen, wenn die zur Entscheidung berufene Stelle von sich aus gewisse Ermittlungen anstellt, zumal die Amtsermittlungspflicht nie unbegrenzt ist, sondern nur verlangt, sich aufzeigenden Anhaltspunkten und Ermittlungsansätzen nachzugehen:1609 Niemand als der Betroffene selbst ist besser in der Lage, Gegengründe anführen.1610 Der Ausschluss der Möglichkeit, auf Art und Gewicht seiner involvierten Interessen hinweisen zu können, muss daher sachlich gerechtfertigt sein. Gewisse Einschränkungen des rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung können im Hinblick auf die innere Sachgerechtigkeit, d.h. wegen Besonderheiten der zu treffenden Entscheidung und/oder des Verfahrens (z. B. eine Eilbedürftigkeit oder die Notwendigkeit, den Betroffenen nicht zu warnen) legitim sein.1611 Soweit eine Anhörung vor einer nachteiligen Entscheidung unterbleiben darf, muss der Betroffene aber die Gelegenheit besitzen, sich nachträglich gegen den Akt zur Wehr zu setzen.1612 Derartige sachimmanente Gründe sind beim Unschädlichkeitszeugnis nicht zu finden. Die Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses muss weder besonders schnell erfolgen noch würde eine Information des Betroffenen über die beabsichtigte Entscheidung den Zweck der Maßnahme vereiteln. Die Aspekte, dass die Nichtbeteiligung von Personen das Verfahren vereinfacht und beschleunigt und so Kosten verringert,1613 können die Versagung rechtlichen Gehörs nicht rechtfertigen.1614 Auch der Umstand, dass die Entscheidung von einem unabhängigen 1608 Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Frage, ob die Unschädlichkeit attestiert werden kann, als auch darauf, ob und wie ein Wertausgleich angeordnet wird. 1609 BayVerfGHE 23, 143 (147). 1610 Vgl. BayVerfGHE 23, 143 (149). 1611 BVerfGE 9, 89 (95, 98); 19, 49 (51); BGH JR 2010, 432 (435); BayVerfGHE 23, 143 (148); Demharter, MittBayNot 2004, 17 (19). 1612 BVerfGE 9, 89 (98); BayVerfGHE 23, 143 (149); AG Augsburg RPfleger 2008, 70 (71). 1613 Vgl. Sprau, Einf. z. UnschZG Rdnr. 61. 1614 Vgl. BayVerfGHE 23, 143 (149).

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Richter getroffen wird, ist keine Legitimation,1615 weil nicht sichergestellt ist, dass dieser sämtliche maßgeblichen Umstände und Belange kennt und bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann. Wegen Art. 8 BayUnschZG steht dem Inhaber des dinglichen Rechts überdies keine Möglichkeit zur Verfügung, die getroffene Entscheidung anzufechten und sich – was in jedem Fall erforderlich ist – so nachträglich Gehör zu verschaffen. In Fällen, in denen der gerichtlichen Entscheidung eine „Endgültigkeit und Unabänderlichkeit“ zukommt, sind Einschränkungen des Gebots vorherigen rechtlichen Gehörs nicht zu rechtfertigen.1616 Auch wenn der Ausschluss eines einfachrechtlichen Rechtsbehelfs gegen richterliche Entscheidungen als solcher nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip, verstößt,1617 steht Art. 8 BayUnschZG damit einer Rechtfertigung durch sachimmanente Bedürfnisse entgegen.1618 Die Möglichkeit der Anhörungsrüge gem. § 44 FamFG ändert an diesen Überlegungen nichts,1619 weil der Betroffene diesen Rechtsbehelf typischerweise erst dann einlegen kann, wenn die lastenfreie Veräußerung bereits grundbuchamtlich vollzogen ist und daher selbst eine Aufhebung des Unschädlichkeitszeugnisses die ursprüngliche Belastung nicht wiederaufleben lässt. Der Verzicht auf eine Anhörung könnte daher allenfalls auf die Überlegung gestützt werden, dass es ihrer nicht bedarf, weil die Entscheidung in der Sache nicht anders ausfallen würde. Beruht eine Entscheidung nicht auf einem Gehörsverstoß – fehlt also jede Möglichkeit, dass die Anhörung des Betroffenen zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte – liegt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor.1620 Dementsprechend führt die Gesetzesbegründung zu Art. 4a BayUnschZG an, eine Anhörung sei nur ausnahmsweise geboten, wenn eine Beeinträchtigung des Rechtsinhabers nicht von Anfang an ausge1615

Vgl. BayVerfGHE 23, 143 (149). Vgl. BVerfGE 9, 89 (96); ferner Lerche, ZZP 78 (1965), 1 (23 ff.), der hier aber primär Art. 19 Abs. 4 GG anwendet. 1617 „Die Rechtsweggarantie umfaßt nicht die Gewährung eines Instanzenzugs“, siehe nur BVerfGE 4, 74 (94 f.); 4, 387 (411); 74, 358 (377); BayVerfGE 41, 106 (112) zu den Bestimmungen der BayVerf.; LG Augsburg RPfleger 1979, 338 (338). 1618 AG Augsburg RPfleger 2008, 70 (71). Anders LG Augsburg RPfleger 1979, 338 (338), das die Problematik dieser Wechselwirkung aber nicht behandelt. Zweifelhaft erscheinen auch die Ausführungen dazu, dass der Ausschluss seinen Grund in den unterschiedlichen Ausgangspositionen finde. Es liegt näher, demjenigen, der einen Antrag erfolglos gestellt hat, das Recht zu versagen, die Entscheidung in der nächsten Instanz bekämpfen zu können, weil er immerhin bereits durch die Antragstellung rechtliches Gehör erhalten hat. Demjenigen, der von der Entscheidung ohne Äußerungsmöglichkeit betroffen ist, jede Überprüfungsmöglichkeit vorzuenthalten, ist dagegen erst recht nicht nachvollziehbar, wenn der Antragsteller sein Begehren in drei Instanzen durchzusetzen versuchen kann. 1619 Anders Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 42. 1620 Vgl. BVerfGE 7, 239 (241); 7, 275 (281); 13, 132 (145); 55, 95 (99); 65, 305 (308); 69, 141 (145); BVerfG NVwZ 2010, 512 (516); Hömig/Hömig, Art. 103 Rdr. 10. 1616

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schlossen werden kann.1621 Geht man davon aus, dass das Verfahrensrecht und die Garantie des Art. 103 Abs. 1 GG nur dazu dienen, eine zutreffende (weil von Fehlern, die auf unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung von Sachvortrag beruhen, freie) und gerechte Entscheidung herbeizuführen,1622 ist bei einer gleichwohl materiellrechtlich korrekten Entscheidung der Verstoß gegen die Verfahrensgarantie folgenlos.1623 Auf der Ebene der abstrakt-generellen Norm lässt sich so jedoch nicht argumentieren: Da ein Gehörsverstoß bereits bei der Möglichkeit einer Beeinflussung der Sachentscheidung vorliegt, muss konsequenterweise die bloße Möglichkeit, dass eine unzulängliche Ausgestaltung des Verfahrens zu einer falschen Entscheidung führt, einen Verstoß des Rechtssatzes gegen die Verfahrensgarantien darstellen. Immerhin geht das Verfahren der Entscheidung voraus; die Aufgabe der Sicherung einer richtigen Entscheidung wird bereits verfehlt, wenn ein signifikantes Risiko besteht.1624 Hinzu kommt, dass die Anhörung des Betroffenen vor Erlass einer nachteiligen Entscheidung auch Ausdruck der Achtung der Persönlichkeit des Bürgers durch den Staat ist.1625 Der Mensch als Person hat ein essentielles kommunikatives Grundbedürfnis, seine Meinung zu einer nachteiligen Entscheidung äußern zu können und nicht „überfahren zu werden“.1626 Eine Partizipation im Verfahren stärkt die Akzeptanz selbst nachteiliger Entscheidungen und des „Systems Staat“ insgesamt.1627 Inwieweit dieser Anspruch auf ein Mitwirken-Dürfen aus 1621

LT-Drs. 14/11937, S. 6: „Grenzbereich“; vgl. Kirchmayer, RPfleger 2004, 203

(206). 1622 Zu dieser Funktion des Art. 103 Abs. 1 GG siehe nur Hömig/Hömig, Art. 103 Rdnr. 5; Vollkommer, GS Bruns, S. 200; Lerche, ZZP 78 (1965), 1 (9 f.); Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 42; BVerfGE 9, 89 (95, 96); 28, 378 (384); 42, 64 (73); 65, 305 (307); 69, 141 (143); 69, 126 (140); BVerfG NJW 1992, 2075 (2075); NVwZ 1994, 60 (61); BGHZ 48, 327 (333); 118, 312 (321); BGH JR 2010, 432 (434). 1623 Vgl. eingehend Berkemann, JR 1989, 221 (223). Mit dieser Sicht stimmt überein, dass die Behauptung, das rechtliche Gehör sei vorenthalten worden, ein nach dem jeweiligen Verfahrensrecht unstatthaftes Rechtsmittel nicht zulässig macht, vgl. statt aller BVerfGE 28, 88 (95 f.) m.w. N. 1624 Mit anderen Worten: Mit der Hoffnung, eine nach der Ausgestaltung des Verfahrens im Gesetz mögliche Gehörsverletzung werde sich ex post als irrelevant erweisen, lässt sich die unzureichende Ausgestaltung des Verfahrens nicht legitimieren. 1625 Diese Komponente heraushebend BVerfGE 9, 89 (95): Die Würde der Person fordert, dass über ihr Recht nicht kurzer Hand von Obrigkeits wegen verfügt wird; der einzelne soll nicht nur Objekt sein; BVerfGE 107, 395 (409): Der Einzelne soll nicht nur Objekt sein, sondern als Subjekt Einfluss nehmen können; ähnlich BGHZ 48, 327 (333); 118, 312, (321)´; BGH JR 2010, 432 (434 f.): nicht passives Verfahrenssubjekt, mit dem etwas geschieht; ferner BayVerfGHE 23, 143 (148): Ein Eingriff in Vermögensrechte darf nicht stattfinden, wenn der Betroffene nicht Gelegenheit zur Äußerung hatte. 1626 Berkemann, JR 1989, 221 (222 f.). 1627 Vgl. Berkemann, JR 1989, 221 (223): „Der Bürger darf an (den) Institutionen auch psychisch keinen Schaden nehmen. Er darf in ihnen nicht umkommen“; ferner S. 225.

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Art. 103 Abs. 1 GG folgt oder stattdessen aus dem Rechtsstaatsprinzip, einem allgemeinem Gebot der Verfahrensfairness1628 oder aus Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten ist, kann vorliegend dahinstehen; entscheidend ist, dass der Staat nach dem Bild des Grundgesetzes nicht über den Kopf eines Bürgers hinweg eine diesem nachteilige Entscheidung treffen und ihn damit zum bloßen Objekt der Staatsgewalt machen darf. Die Pflicht, demjenigen, dem die Entscheidung einen Nachteil bringen kann, eine nach Lage der Dinge mögliche Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren, ist damit einer Abwägung und Einschränkung nicht zugänglich. Eine mögliche Anhörung muss daher immer erfolgen.1629 Da nur Gelegenheit zur Äußerung verschafft werden muss, kann die Anhörung tatsächlich unterbleiben, wenn sie praktisch nicht durchzuführen ist, insbesondere weil sich die anzuhörende Person oder deren Aufenthalt nicht ermitteln lässt. Das Hindernis liegt dann in der Sphäre des betroffenen Rechtsinhabers, und der Staat muss umgekehrt dem legitimen Interesse des Eigentümer an einer ihm günstigen Entscheidung auch dann entsprechen, wenn Versuche einer Kontaktaufnahme gescheitert sind. Ebenso wenig liegt dann eine Missachtung der Persönlichkeit des Betroffenen vor, weil der Staat auch dann, wenn er sich um eine Gehörsgewährung hinreichend bemüht, die Notwendigkeit, vor Erlass einer Entscheidung den Betroffenen anzuhören, anerkennt und dessen Rolle als Subjekt im Verfahren respektiert. Der betroffene Rechtsinhaber muss daher stets – und zwar auch, wenn ein Recht nur äußerst geringfügig beeinträchtigt wird und damit die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 BayUnschZG zweifelsfrei vorliegen – angehört werden oder zumindest effektiv Gelegenheit hierzu erhalten. Wenn Namen und Adressen weder vom Antragsteller mitgeteilt wurden noch ermittelt werden können, muss daher z. B. eine öffentliche Aufforderung an die Betroffenen, wie sie in Art. 7 Abs. 2 BayUnschZG für den Fall der Anordnung eines Wertersatzes vorgesehen ist, erfolgen.1630 Bei diesem Verständnis wird das Unschädlichkeitszeugnis auch nicht praktisch entwertet. Die mit der Durchführung der Anhörung oder einer öffentlichen Aufforderung verbundene Verzögerung mag zwar vielleicht nicht geringer sein als die Zeit, die für die Beschaffung der Bewilligungen erforderlich ist. Da die Inhaber der Rechte an dem Grundstück und von Rechten an diesen Rechten aber eine Bewilligung grundsätzlich nicht abzugeben verpflichtet sind, wird dem Eigentümer aber immerhin die Gelegenheit eröffnet, die Veräußerung auch bei Widerstand oder Untätigkeit der anderen Beteiligten durchzuführen; hierin liegt ein erheblicher Gewinn für ihn.1631

1628 1629 1630 1631

Vgl. eingehend Berkemann, JR 1989, 221 ff. So AG Augsburg RPfleger 2008, 70 (71). Vgl. auch Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 43. Vgl. Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 41.

D. Konflikte im Zusammenhang mit beschränkt dinglichen Rechten

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Ob man die obligatorische Anhörung im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 4a S. 1 BayUnschZG verwirklichen kann,1632 erscheint fraglich. Art. 4a S. 1 BayUnschZG verbietet zwar nicht ausdrücklich, eine Anhörung vorzunehmen, auch wenn die Beeinträchtigung geringstfügig ist. Aus der Verbindung mit Art. 4a S. 2 BayUnschZG ergibt sich aber, dass das Gericht nur anhören soll, wenn weder ein Fall des S. 1 Hs. 2 vorliegt noch die in S. 2 genannten Gründe gegeben sind. Dies entsprach auch dem Willen des Gesetzgebers bei der Einfügung des Art. 4a BayUnschZG.1633 Daher muss vom befassten Gericht eine Vorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG erfolgen.1634 c) Zulässigkeit der Übertragung der Entscheidung auf ein Gericht Zu überlegen ist schließlich, ob die Zuweisung der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses an die Gerichte gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstößt. Immerhin unterscheidet sich der Vorgang vom Erlass eines richterlichen Urteils: Die Entscheidung spricht nicht aus, welche Rechtsfolge sich aus einem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt ergibt, sondern gestaltet originär den Umfang eines Rechts für die Zukunft (oder schafft zumindest die Voraussetzungen hierfür). Die Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses lässt sich damit durchaus als ein „Primärakt zur Eigentumsveränderung“ 1635 begreifen. Die damit aufgeworfene Frage hängt erheblich mit der nach der Einordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in das System der Gewaltenteilung zusammen.1636 Ein verfassungsrechtliches Verbot, derartige Aufgaben dem Richter zu übertragen, lässt sich nicht finden oder herleiten. Die Einschaltung des Richters erfolgt typischerweise gerade, um dem Bürger die ihm günstigen Verfahrensgarantien zukommen zu lassen.1637 Problematisch könnte lediglich sein, typisch administrative Aufgaben auf die Judikative i. e. S. (d.h. nicht auf die der Exekutive zuzuordnende Justizverwaltung) zu verlagern, um damit der von Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Justiziabilität von Verwaltungsentscheidungen zu ent1632 Diese vornehmend AG Augsburg RPfleger 2008, 70 (71); vgl. ferner Kirchmayer, RPfleger 2004, 203 (206). 1633 Vgl. bei Fn. 1621. 1634 Die Praxis wird sich allerdings damit behelfen, gleichwohl eine Anhörung durchzuführen und dies darauf zu stützen, dass die Voraussetzungen von Art. 4a S. 1 u. 2 BayUnschZG nicht erkennbar gegeben sind. 1635 Vgl. das Vorbringen des Antragstellers in BayVerfGE 41, 106 (108); ferner die ähnliche Argumentation des Bundesjustizministeriums zum Wesen des Haftbefehls in BVerfGE 9, 89 (97). 1636 Zum Meinungsstand siehe nur Staudinger/J. Mayer (2005), Art. 120 EGBGB Rdnr. 40 m.w. N. 1637 Vgl. BVerfGE 9, 89 (97).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

gehen.1638 Die Zuweisung der Entscheidung nach Art. 1 BayUnschZG liegt aber in jedem Fall unter sachlichen Gesichtspunkten nahe, da es um den Ausgleich ausschließlich privater Interessen unter Privaten geht.1639 Die Entscheidung ist auch von materiellen Normen weitgehend vorgeprägt, so dass sie sich als Ergebnis einer Rechtsanwendung und Subsumtion – und nicht als Gestaltung – darstellt. Das Vorgehen lässt sich konstruktiv so auffassen, dass der Eigentümer gegen die Inhaber der dinglichen Rechte einen materiellrechtlichen Anspruch auf Erklärung der Zustimmung und Bewilligung hat und dass durch das Unschädlichkeitszeugnis die Anspruchsgegner zur Abgabe diese Bewilligungen verurteilt werden. Bei dieser Sicht liegt aber klar eine zivilrechtliche Streitigkeit vor, wie sie auch im Übrigen den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind.

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB Als letzter Themenkreis sind die gesetzlichen Tatbestände zu untersuchen, die einen Erwerb des Eigentums durch eine bestimmte Person herbeiführen und dabei gleichzeitig den Verlust dieses Rechts für eine andere Person bewirken oder zumindest den Erwerb durch den anderen ausschließen. Von besonderer Bedeu1638 Dieser Gedanke soll hier nicht weiter vertieft werden, da er nicht spezifisch die Eigentumsgarantie sondern die Dogmatik des Art. 19 Abs. 4 GG betrifft. Sieht man in Art. 19 Abs. 4 GG den Schutz vor der Exekutive i. S. einer Kontrolle der staatlichen Stellen, die der Regierung hierarchisch und weisungsunterworfen unterstehen, käme es allein darauf an, ob die Entscheidung von einem Richter oder einem Beamten/Verwaltungsmitarbeiter getroffen ist. Nimmt man dagegen an, dass Art. 19 Abs. 4 GG eine Anfechtung aller Entscheidungen sichern will, die gestaltenden Charakter haben (d.h. nicht lediglich Rechtssätze subsumierend auf einen abgeschlossenen Sachverhalt anwenden), müsste dagegen in den genannten Fällen eine Überprüfung eröffnet sein, auch wenn die Entscheidung von einem Richter stammt. Für die zuletzt dargestellte Auffassung spricht, dass derjenige, der gestaltend wirkt, zwangsläufig geringeren sachlichen Bindungen durch das Gesetz unterliegt und solche Entscheidungen auch fehleranfälliger sind, weil sie von der subjektiven Sicht des Gestalters geprägt sind [vgl. oben Teil 2 C.I.4.b)bb)]. Art. 19 Abs. 4 GG bezweckt danach, dass jede gestalterisch getroffene Entscheidung einer staatlichen Stelle einer Überprüfung an rechtlichen Maßstäben unterworfen ist. Für diese Sicht spricht auch der Umstand, dass Justizverwaltungsakte der Anfechtung unterliegen (§§ 23 ff. EGGVG) und es somit auf die Person dessen, der einen Einzelakt erlässt, nicht ankommen kann. 1639 Anders liegt der Fall z. B. bei den Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 8 FidErlG. Diese werden zum Erhalt von Sachen oder Sachgesamtheiten von kulturellem Wert angeordnet, erfolgen also in rein öffentlichem Interesse (vgl. BayObLG DVBl. 2005, 1527 (1529)). Auch wenn die Befassung der Fideikommissenate bei den Oberlandesgerichten früher wegen des Sachzusammenhangs nahe lag, erscheint die Zuordnung heute fraglich, zumal ein Rechtsmittel gegen die Entscheidungen nicht gegeben ist (ein Oberstes Fideikommissgericht i. S. v. § 32 FidErlG wurde vom Bund nicht eingerichtet; in Bayern wurde diese Funktion des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit dessen Auflösung ersatzlos beseitigt, vgl. § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 u. 3 BayFidZustG).

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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tung ist hier der gutgläubige Erwerb (insbesondere bei beweglichen Sachen nach §§ 932 ff. BGB; sogleich unter I.). Zu behandeln sind ferner die Tatbestände des originären Erwerbs. Bei diesen sind zum einen die Fälle der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung zu untersuchen (§§ 946 ff. BGB, unten II.), zum anderen Fruchterwerb, Aneignung und Schatzfund (§§ 955 ff., §§ 958 f., § 984 BGB), die wiederum starke Modifizierungen durch das öffentliche Recht erfahren (unten III.).

I. Erwerb vom Nichtberechtigten kraft Rechtsscheins 1. Vorfragen: Einordnung in das System des Art. 14 GG und Bedarf nach verfassungsrechtlicher Rechtfertigung – Prüfungsmaßstab Die §§ 932 ff., §§ 892 f., §§ 2365 f. BGB sind aufgrund ihres Regelungszwecks Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, nicht Enteignungen:1640 Mit der Zulassung des Erwerbs vom Nichtberechtigten als Teil des Verkehrs- und Vertrauensschutzes im bürgerlichen Recht will der Gesetzgeber die Umlauffähigkeit und damit die wirtschaftliche Komponente des Sacheigentums stärken, indem er die Zuordnungsregeln an praktische Erfordernisse anpasst. Dies kommt mittelbar jedem Eigentümer, also den Grundrechtsträgern selbst, zugute. Der Staat wird durch die Anordnung des Eigentumsübergangs somit nur in privaten Interessenkonflikten schlichtend und regelnd tätig,1641 verfolgt aber nicht die Verwirklichung spezifisch eigener Zwecke. Aus der Einordnung der Gutglaubensschutzvorschriften als Inhalts- und Schrankenbestimmungen folgt, dass die Rechtserhaltungsinteressen des Eigentümers (nur) dann hinter andere Belange zurückgestellt werden dürfen, wenn dies dem Angemessenheitserfordernis entspricht. Diese allgemeine Anforderung an Regelungen im Bereich des Eigentums gilt ungeachtet des Umstands, dass der gutgläubige Erwerb ein seit Jahrhunderten tradiertes, mit Selbstverständlichkeit vom Gesetzgeber angeordnetes und mit schuldrechtlichen Ausgleichsmechanismen versehenes Rechtsinstitut ist.1642 Die – früher verwendete – Formel des 1640 Vgl. den Überblick über Erklärungsansätze bei J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 56 ff. – Zum gleichen Ergebnis, aber aufgrund von in dieser Arbeit abgelehnten Kriterien, gelangen F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 32 f.; BKGG/Sieckmann, Art. 14 Rdnr. 125 (die Enteignung müsse stets vom Staat ausgehen bzw. es liege kein staatlicher Akt vor); Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (209); ders., Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 160 ff. (abstrakt-genereller Charakter der §§ 932 ff. BGB); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 107 ff. 1641 Ebenso F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 33. 1642 Siehe aber Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 107; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 126; Staudinger-Symposion 1998/Wiegand,

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

BVerfG, das Eigentum sei nur „so geschützt, wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben“ 1643, meint lediglich, dass zur Ermittlung des Eigentumsbegriffs auf diese Regeln abgestellt werden muss. Schafft der Gesetzgeber durch gesetzliche Regelungen wie den §§ 932 ff. BGB die Grundlage für den Entzug und die Zuweisung konkreter Eigentumsgegenstände, schränkt er aber damit zugleich die garantierte Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung ein.1644 Für die Privatrechtsnormen, die den Verlust des privaten Rechts für den Inhaber vorsehen, trägt der Staat die Verantwortung.1645 Da die Garantien der Nutzungs- und der Verfügungsbefugnis untrennbar verbunden sind, kann auch nicht angenommen werden, der Gesetzgebungsvorbehalt/-auftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG beziehe sich ausschließlich auf den Inhalt des Eigentums i. S. einer „aktiven Nutzungsmöglichkeit“ (und nicht auch auf dessen Titularität1646). Auch die traditionellen Erwerbsarten, die die Zuordnung des Rechts vornehmen, unterliegen damit der verfassungsrechtlichen Kontrolle am Maßstab des Art. 14 GG. Im Hinblick auf die Strenge des Maßstabs für die Verhältnismäßigkeitprüfung ist zu berücksichtigen, dass der vollständige Verlust des Rechts für den Eigentümer Wirkungen hervorbringt, die einer Enteignung immerhin gleichkommen.1647 Verschärfend wirkt sich ferner aus, dass die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs nicht lediglich eine gebotene Reaktion auf Sachzwänge darstellt, die eine Neuzuordnung des Eigentums unbedingt verlangen würden.1648 Der gutgläubige Erwerb scheint vielmehr eher künstlich gesetzt und radikal, während dem gegenteiligen Satz nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet1649 apriorische Überzeugungskraft zukommt.1650 S. 123; MünchKomm/Oechsler, § 932 Rdnr. 3, der an der Berechtigung der Betonung des Eigentümerschutzes zweifelt. 1643 Vgl. BVerfGE 1, 264 (278); 3, 380 (402); 4, 219 (240); 28, 119 (142); 65, 196 (209); oben Teil 2 Fn. 541. 1644 BVerfGE 104, 1 (9) (Hervorhebung des Verfassers). 1645 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 18; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 381; Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1089); Laufke, FS Lehmann, S. 170. 1646 Anders Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 393. 1647 Für Maßstäbe wie bei Art. 14 Abs. 3 GG plädierend daher F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 4, 34 ff.; ähnlich allgemein Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 340 f.; vgl. ferner oben Teil 2 C.I. 2.b)aa). 1648 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 22 f. 1649 Ulpian, D.50.17.54; auch Ausgangspunkt der Darlegungen zum gutgläubigen Erwerb in Mot. III, 341. – Auf diese Regel stützen sich auch KG NZM 2006, 636 (637) und BGH NJW 2007, 432 (433) für die schuldrechtlichen Befugnisse des Mieters einer Eigentumswohnung. Unzutreffend ist aber die weitere dort angestrengte Folgerung, hieraus ergebe sich ein Beseitigungsanspruch, vgl. Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 11 (in Fn. 43).

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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Festzuhalten ist schließlich, dass die vorzunehmende Beurteilung und Abwägung der Interessen von den aktuellen Umständen ausgehen muss.1651 Sachgesichtspunkte, die möglicherweise früher legitim waren, können heute nicht mehr zur Rechtfertigung herangezogen werden.1652 Umgekehrt können neuere Entwicklungen die Basis neuer Rechtfertigungsgründe liefern; hier ist an die Beschleunigung der Warenumsätze sowie die Verbreitung der Kreditsicherungsmittel „Eigentumsvorbehalt“ und „Sicherungsübereignung“ zu denken.1653 Auf der Basis dieser Vorüberlegungen ist im Folgenden zunächst der gutgläubige Erwerb im Fall entgeltlicher Verfügungen auf seine Vereinbarkeit mit Art. 14 GG zu überprüfen. Anschließend ist zu untersuchen, ob sich für den unentgeltlichen Erwerb Abweichendes ergibt.1654 2. Gutgläubiger Erwerb bei entgeltlichen Erwerbsvorgängen a) Darstellung der Regelung im BGB Die seit dem 1.1.1900 unverändert geltenden Bestimmungen zum entgeltlichen gutgläubigen Erwerb sind dadurch gekennzeichnet, dass sie das Vertrauen eines Erwerbers, der das Fehlen der Verfügungsbefugnis weder grob fahrlässig verkannt noch positiv gekannt1655 hat, grundsätzlich schützen (§ 932 Abs. 1, § 933, 1650 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 26; zur Verankerung dieses Satzes im Rechtsgefühl auch Hagen, FS Medicus, S. 16. Zum Zusammenhang dieses Satzes mit der Privatautonomie insgesamt Neuner, AcP 203 (2003), 46 (70). 1651 Zutreffend F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 71 f. – Kritisch zu den Aspekten der Tradition und Kontinuität als Gründe des gutgläubigen Erwerbs und der geltenden Prinzipien ferner Olzen, Jura 1990, 505 (505 ff.); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 120 ff. 1652 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rdnr. 8. – Auch in der Vergangenheit war die Entscheidung über die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs (bzw. großzügige Ersitzungsregeln) von den jeweiligen Interessenlagen unter Berücksichtigung von Situation, Zeit und Wirtschaftssystem bedingt, HRG/Ogris, I/1933. Zum deutschrechtlichen Hintergrund der geltenden Regelung im Verlust der „Gewere“ vgl. HRG/Ogris, I/1931; HRG/Hagemann, I/890 f.; Olzen, Jura 1990, 505 (506 ff.); ders., JuS 1984, 328 (332); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 17 f. 1653 Vgl. Wiegand, NJW 1994, 239 (240). 1654 Ebenso das Vorgehen in der vorhandenen Literatur. Zu nennen sind dabei neben den Monographien von J. Hager, F. Peters und Imbusch die Aufsätze von Zweigert, Ch. Wolf und Leuschner (jeweils nach Literaturverzeichnis). Für Nachweise zum hier nicht ausgewerteten älteren Schrifttum siehe bei Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (1 f.); F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 11 ff.; Olzen, Jura 1990, 505 (506). 1655 Dass der Schutz des Bösgläubigen i. S. dieser Normen nicht gerechtfertigt wäre, leuchtet unmittelbar ein und wird daher im Folgenden nicht weiter thematisiert; vgl. auch Marotzke, NJW 1978, 133 (136). – Der Erwerb allein deshalb, weil man subjektiv von der Rechtmäßigkeit des Geschäfts überzeugt ist (so die ursprüngliche Bedeutung

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§ 934 je i.V. m. § 932 Abs. 2 und §§ 929 ff. BGB). Die Darlegungs- und Beweislast für die subjektiven Merkmale des § 932 Abs. 2 BGB trägt der (Alt-)Eigentümer.1656 Ausgeschlossen ist der gutgläubige Erwerb, wenn der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz an der Sache ohne seinen Willen verloren hat (Abhandenkommen, § 935 Abs. 1 BGB);1657 diese Ausnahme gilt allerdings nicht, wenn es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt oder die Sache öffentlich versteigert worden ist (§ 935 Abs. 2 BGB). Die §§ 932 ff. BGB enthalten somit eine vermittelnde Regelung, die den Verkehrsschutz stärkt, aber die absolute Geltung des Eigentums schwächt.1658 b) Rechtfertigung durch kollidierende Interessen konkreter Privater aa) Konzepte einer „individuellen Rechtfertigung“ Zur Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbs könnte zunächst auf die Interessenkollision zwischen (Alt-)Eigentümer und (späterem) Erwerber zurückgegriffen werden. Dementsprechend wird verbreitet die eigene Leistung des Erwerbers in Gestalt der geleisteten Kaufpreiszahlung – entweder allein1659 oder in Verbindung mit dem von Art. 14 GG geschützten Übereignungsanspruch des Erwerbers gegen den Veräußerer1660 – als (alleinige) Legitimation des gutgläubigen Erwerbs angesehen. Der Rechtsverlust ist nach beiden Varianten aufgrund des Ergebnisses der Abwägung der beiden „individuellen“ Interessen am Erwerb bzw. an der Erhaltung des Eigentums gerechtfertigt; Verkehrsinteressen und Gemeinwohlüberlegungen kommen danach lediglich ergänzend hinzu.1661 Grundlage des gutgläubigen Erwerbs ist nach diesen Ansätzen das Vertrauen des Erwerbers, die Sache – des „guten Glaubens“, siehe HRG/Troje, I/1868), hat sich historisch wohl aus dem Rechtsinstitut der Ersitzung entwickelt, vgl. HRG/Ogris, I/1934 f.; ferner Mot. III, 341; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 14. 1656 Zum Grund der doppelten Negation als Beweislastregelung siehe nur Prot. III, 207; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 35. – Nach dem 1. Entwurf sollte dagegen der Erwerber seine Gutgläubigkeit zu beweisen haben, vgl. Mot. III, 346 f. 1657 Statt aller Wieling, Sachenrecht, § 10 IV 1a, b, c; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 36. 1658 Wieling, Sachenrecht, § 10 pr.; ähnlich Olzen, Jura 1990, 505 (505); Gast, JuS 1985, 611 (613); Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 1; Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff Rdnr. 20: Kompromisscharakter des § 935 BGB. 1659 So Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1091); die erbrachte Leistung betonend auch Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 204; vgl. ferner Ernst, FS Gernhuber, S. 99. 1660 So J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 79 f., 82 f.; ihm zustimmend Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 2; ferner – mit den sogleich darzustellenden Modifizierungen – F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 40; Neuner, JuS 2007, 401 (401). 1661 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 52 (dort allerdings von seinem engen Begriff der Sozialbindung ausgehend), S. 75 ff.; Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1090); a. A. Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (14 f.).

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u. U. nach langer Zeit – nicht herausgeben zu müssen, ohne die Gegenleistung vom Verkäufer zurückerlangen zu können.1662 bb) Schutzwürdigkeit und Möglichkeiten der Verhinderung des Rechtsscheins Eine besondere Schutzwürdigkeit des Erwerbers, die in der Abwägung seinen Interessen zum Durchbruch verhilft, wird daraus abgeleitet, dass ihm nur die Angaben des Veräußerers zur Verfügung stehen und er sich daher auf sie verlassen muss.1663 Der Eigentümer könne dagegen einen gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten auf einfache Weise verhindern (und so seinen Rechtsverlust vermeiden), indem er Sache schlicht nicht aus der Hand gibt.1664 Auf diesem Gedankengang baut das sog. Veranlassungsprinzip auf, nach dem der gutgläubige Erwerb damit legitimiert wird, dass der Eigentümer durch die Weggabe der Sache einen Rechtsschein in zurechenbarer Weise setzt. Konnte er dagegen – wie in den Fällen des § 935 Abs. 1 BGB – das Entstehen des Rechtsscheins nicht verhindern, ist er auch im Vergleich zu einem Gutgläubigen der Schutzwürdige, so dass ein Erwerb vom Nichtberechtigten nicht stattfindet.1665 Bei näherer Betrachtung erweist sich das Veranlasserprinzip allerdings gerade unter dem Aspekt als problematisch, dass es an die Mitwirkung am Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz anknüpft. Die Weggabe der Sache an einen anderen verdient als solche keine Missbilligung. Sie stellt weder generell noch typischerweise einen sozialwidrigen Gebrauch dar1666 noch ist sie Ausdruck eines sorglosen Umgangs mit der Sache.1667 Vielmehr ist die Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt selbst von Art. 14 GG geschützt. Der Eigentümer kann daher sein Recht hierdurch nicht „verwirkt“ haben;1668 auch ein „Verschulden gegen sich 1662 Ein Vertrauen ist als solches nicht schutzwürdig; maßgeblich ist das Interesse, das bei einer Enttäuschung betroffen würde, vgl. Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (219 f.). 1663 Vgl. Mot. III, 417 f. 1664 So bereits Mot. III, 344; heute etwa Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 Rdnr. 10. 1665 Staudinger/Berg (11. Aufl.), § 935 Rdnr. 1; Harry Westermann, Sachenrecht (5. Aufl. 1966), § 45 III; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 142 f.; Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (357); Neuner, JuS 2007, 401 (404). Darstellung (und teils auch Kritik) ferner bei Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (3 f.); Rebe, AcP 173 (1973), 186 (198 f.); Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 22; Ernst, FS Gernhuber, S. 117 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnrn. 2, 37. 1666 Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 110. 1667 Zutreffend Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (357); vgl. ferner F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 28: Der Eigentümer ist im Hinblick auf den Interessenkonflikt, der durch das enttäuschte Vertrauen des Erwerbswilligen und das Verhalten des Verfügenden entstanden ist, „Nichtstörer“. 1668 Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 110.

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selbst“ liegt weder generell noch in zahlreichen Fällen vor.1669 Auch aus dem allgemeinen Satz, dass die Rechtfertigungsanforderungen für einen Eingriff niedriger anzusetzen sind, wenn der Eintritt der nachteiligen Rechtsfolge leicht zu verhindern ist,1670 lässt sich eine Verringerung der Schutzwürdigkeit des Eigentümers, der seine Sache aus der Hand gibt, nur bedingt ableiten. Diese Argumentation setzt nämlich wiederum voraus, dass dem Eigentümer ein Verzicht hierauf zumutbar ist. In einer arbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschaft ist aber oftmals erforderlich, Sachen zeitweilig Dritten zu überlassen; ferner ist dem Eigentümer die Möglichkeit einer Vermietung o. ä. verfassungsrechtlich garantiert. An die Weggabe der Sache dürfen daher keine negativen Konsequenzen geknüpft werden.1671 Ausgehend von den eingangs dargestellten Überlegungen wurde ferner versucht, die gesteigerte Schutzwürdigkeit des Erwerbers aus den Gesichtspunkten der Gefahrtragung und Gefahrenbeherrschung herleiten. Der Eigentümer könne die Vertrauenswürdigkeit dessen, dem er den unmittelbaren Besitz anvertraut, zuvor in Ruhe prüfen und sei daher zur Verhinderung der misslichen Situation besser in der Lage als der Erwerber.1672 Auch der Eigentümer hat jedoch ein legitimes Interesse daran, aus Gründen der Schnelligkeit und Einfachheit nicht die Zuverlässigkeit der Personen untersuchen zu müssen, denen er den Besitz anvertraut.1673 Die ihm abverlangte Bewertung der Seriosität erfordert sogar eine Zukunftsprognose, die allgemein schwieriger ist als Nachforschungen in die Vergangenheit, wie sie der Erwerbsaspirant vornehmen müsste.1674 Dies erschüttert die tragende Bewertung dieses Ansatzes, dass der Eigentümer die Verfügung des Nichtberechtigten auf leichtere Weise verhindern könne. Eine gesteigerte Schutzwürdigkeit des Erwerbers lässt sich daher weder mit dem Veranlasser- noch mit dem Gefahrtragungsprinzip begründen. Eine Legiti1669 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 49 ff. m.w. N.; eine Fiktion oder ein typisiertes Verschulden hält dagegen Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (13) für denkbar. 1670 Vgl. BVerfGE 70, 278 (287); 74, 203 (216 f.); BVerfG Beschl. v. 7.3.2002, Az. 1 BvR 1321/00, Absatz-Nrn. 9 ff. 1671 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 58, 75; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 143 ff.; ferner Neuner, JuS 2007, 401 (404). 1672 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (411); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 142; w. N. bei Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (3); Rebe, AcP 173 (1973), 186 (199 f.); Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 Rdnr. 10; Staudinger/ Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 23; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rdnr. 10; Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 2, die teils auch den Begriff „Risikoprinzip“ verwenden; vgl. auch Mot. III, 348; Prot. III, 208. 1673 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (13); F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 55 ff. 1674 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 5.

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mation der geltenden Regelung, die nur nach freiwilliger oder unfreiwilliger Weggabe differenziert und für andere Wertungen nicht offen ist, kann daher mit diesen Überlegungen nicht gefunden werden.1675 cc) Mangelnde Aussagekraft des Besitzes Zu diesen Bedenken tritt hinzu, dass dem Besitz – genauer: der Besitzverschaffungsmacht1676 – als objektiver Rechtsscheinsbasis nur eine geringe Aussagekraft zukommt.1677 Der Besitz wird – anders als die öffentlichen Register (§§ 891 f. BGB; § 68 BGB; § 15 HGB) und Papiere (§§ 2365 f. BGB), an deren Inhalt ein Rechtsscheinstatbestand anknüpft – nicht gehalten, um anderen Personen einen Schluss auf die Eigentumsverhältnisse zu ermöglichen.1678 Die besondere Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Richtigkeit des Grundbuchs gründet sich zudem gerade darauf, dass der Eintragung wegen des förmlichen Verfahrens und des Bewilligungsprinzips eine besondere Richtigkeitsgewähr zukommt und bei angeblicher Unrichtigkeit das Vertrauen Dritter durch Eintragung eines Widerspruchs relativ einfach zerstört werden kann;1679 ähnliches gilt für den Erbschein.1680 Bei beweglichen Sachen ist demgegenüber wegen des häufigen Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz (Arbeitsteilung, Vorbehaltseigentum, Sicherungsübereignung) der Schluss vom Besitz auf die Eigentümerstellung be-

1675 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (11 ff.); Ernst, FS Gernhuber, S. 118; Giehl, AcP 161 (1962), 357 (359, 362); Rebe, AcP 173 (1973), 186 (200). 1676 Umfassend J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 245 ff. m.w. N.; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (194); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 543 (Fn. 5); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 16; Wieling, Sachenrecht, § 10 III 1; Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 12; kritisch Ernst, FS Gernhuber, S. 95 ff. 1677 Ernst, FS Gernhuber, S. 100 ff.; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 181; ders., AcP 205 (2005), 205 (213); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 119 f.; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 59 ff.; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (186); Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (13 f.); dies zugebend auch Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 29; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (193). 1678 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 6; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 246 f. 1679 So (im Kern) jeweils F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 5 f., 53, 62 ff.; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (15, in Fn. 49a), nach denen nur aus diesen Gründen gegen den gutgläubigen Erwerb des Eigentums und anderer Rechte an Grundstücken nichts einzuwenden sei. Demgegenüber behandelt J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, beide Fälle in der verfassungsrechtlichen Würdigung gleich (vgl. S. 10 f., 58, 61, 79). Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1089) nennt § 892 BGB zwar in der Überschrift, geht aber in seiner Untersuchung nur auf die § 932 ff. BGB ein. 1680 Hier gilt sogar das Amtsermittlungsprinzip (§ 26 FamFG); bei ernstlichen Zweifeln kann (von Amts wegen oder aufgrund einer Anregung beliebiger Personen) eine Einziehung erfolgen (§ 2361 BGB).

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kanntermaßen oftmals falsch. Daher besteht an sich kein Grund dafür, dass der Gesetzgeber einem derart schwachen Rechtsschein zur Richtigkeit verhilft.1681 dd) Berücksichtigung der Entscheidung des Eigentümers für die Ausnutzung der Wertkomponente Betrachtet man die Situation allein unter dem wirtschaftlichen Aspekt, ist festzustellen, dass keines der involvierten Interessen das andere klar überwiegt: Die auf dem Spiel stehenden Werte sind typischerweise1682 betragsmäßig gleich, da beim (Alt-)Eigentümer der Sachwert, beim Erwerber der gezahlte Kaufpreis in die Abwägung der kollidierenden Privatinteressen eingeht.1683 Differenziert man zwischen den beiden Komponenten des Eigentums (Sachnutzung oder Vermögenswert), zeigt sich jedoch ein gewisser sachlicher Grund dafür, die Interessen des Eigentümers am Fortbestand der Rechtszuordnung als weniger schutzwürdig anzusehen als die Interessen des Erwerbers. Hat der Eigentümer seine Sache z. B. vermietet und zu diesem Zweck bewusst aus der Hand gegeben, hat er sich (auch wenn er dadurch nicht verfügt i. e. S.) auf eine Nutzung als Wertgegenstand festgelegt und auf eine Nutzung der Sachsubstanz durch ihn selbst – wenigstens vorläufig – verzichtet. Gleiches gilt für den, der die Sache veräußert, sich aber sein Eigentum als Sicherungsmittel vorbehält, oder den, der sich das Eigentum lediglich zur Sicherheit übertragen lässt. Wenn der Eigentümer in diesen Fällen bei einer Verfügung des Besitzers auf einen Geldanspruch verwiesen wird (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB), wird er nur an dieser grundsätzlichen Entscheidung festgehalten; er erhält das, auf das er sein Interesse zuvor (wenigstens mittelfristig) freiwillig gerichtet hat, nämlich den verkörperten Vermögenswert. Der Aspekt, dass der Eigentümer die Sache als solche verliert und damit die (an sich primäre) Substanzgarantie betroffen ist, fließt daher in die Abwägung nicht mit dem ihm an sich zukommenden Gewicht ein. Da für den verlierenden Eigentümer im Wesentlichen „nur“ ein Wertinteresse streitet, kann das Erwerbsinteresse des anderen in der Abwägung mit ihm eher bestehen.1684 1681 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 58 f., 65; Giehl, AcP 161 (1962), 357 (364 f.). 1682 Unterstellt wird eine Veräußerung zum marktgerechten Preis. 1683 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 45, 67. 1684 Auf diese Weise lässt sich auch der von F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 145 als „Merkwürdigkeit“ bezeichnete Umstand erklären, dass die Weggabe durch einen Besitzmittler (nach h. M. stets, nach a. A. jedenfalls in einzelnen Fällen, vgl. zum Meinungsstand Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnrn. 43, 45) kein Abhandenkommen auslöst, obwohl dieser äußerlich vom Besitzdiener kaum unterschieden werden kann: Während im letzteren Fall die Sache innerhalb der Eigentümersphäre verbleibt, damit er sie – wirtschaftlich betrachtet – selbst tatsächlich nutzen kann, bedeutet die Weggabe an einen Fremdbesitzer, der die Sache (i. d. R. gegen Entgelt) gebrauchen darf, eine bloße Ausnutzung des Sachwertes.

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Mit dieser Argumentation lässt sich allerdings nur bedingt erklären, dass auch der Eigentümer, der seine Sache lediglich zur Durchführung einer Reparatur o. ä. aus der Hand gibt, den Verlust des Eigentums befürchten muss. Eine Legitimation der im BGB getroffenen Differenzierung könnte nur darauf gestützt werden, dass der Gesetzgeber – anstelle der eher schwer zu beantwortenden Frage, ob die Weggabe von einer Eigen- oder Fremdnutzung motiviert war1685 – typisierend darauf abstellen darf, ob die Weggabe freiwillig erfolgt ist oder nicht. Die Zulässigkeit einer solchen Typisierung ist jedoch zweifelhaft, wenn man den drohenden schweren Rechtsverlust für den Eigentümer dem zu vernachlässigenden Umfang der „Ersparnis“, die damit verbunden wäre, dass in einem späteren Prozess eine Überprüfung im Hinblick auf die genannten Hintergründe und Motive unterbleiben kann, gegenüberstellt. c) Rechtfertigung durch Allgemeininteressen aa) Kerngedanken: Verkehrsschutz und Beschleunigung des Warenumsatzes Zur Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbs müssen daher jedenfalls in den zuletzt beschriebenen Konstellationen auch sog. „überindividuelle“ 1686 Gesichtspunkte herangezogen werden.1687 Sicherheit und Leichtigkeit des Güterverkehrs1688 erfordern, die Erwerber (abstrakt) vor unzumutbaren Nachforschungen über die Rechtsinhaberschaft des Vormannes zu bewahren und ihr Vertrauen in dessen Verfügungsbefugnis zu schützen.1689 Während bei der „individuellen“ Rechtfertigung das konkret in Anspruch genommene Vertrauen des Erwerbsaspiranten im Blickpunkt steht, geht es hier um die abstrakte Seite i. S. v. Verkehrsschutz,1690 der jedem Marktteilnehmer zugute kommt. 1685 Eine Differenzierung nach dem Zweck der Weggabe wird bereits historisch früh aufgegeben, vgl. Olzen, Jura 1990, 505 (509, insbes. bei Fn. 61). 1686 Terminologie nach F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 69. 1687 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 14, 67 ff., 118, 120 f., 123; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (187): nicht aut-aut, sondern et-et; weitergehend Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (14 ff.), der hierin die alleinige Rechtfertigung sieht; vgl. ferner Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 115; Laufke, FS Lehmann, S. 170; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 136 ff., 153 ff.; ders., AcP 205 (2005), 205 (226); Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 204; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 252 f.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1. 1688 Zu den beiden Aspekten und ihrem Zusammenhang eingehend Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (226 ff.). 1689 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (14 f.); ferner allgemein als Erklärung des Gutglaubensschutzes Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 3; Jauernig/ Jauernig, § 932 Rdnr. 7; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rdnr. 9; Wieling, Sachenrecht, § 10 pr.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 2. 1690 Vgl. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (354 f.).

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bb) Unabhängigkeit der Verkehrsschutzinteressen von der konkreten Situation Der Bedarf nach einer Erleichterung des Güterumsatzes ist in den einzelnen Bereichen des Warenaustauschs und bei den jeweiligen Arten von Sachen unterschiedlich stark ausgeprägt. Hieraus scheint zu folgen, dass der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einen Eigentumsverlust nur situationsabhängig legitimieren kann: Der Erwerb vom Nichtberechtigten wäre dann im Handelsverkehr, der auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Warenflusses angewiesen sei, möglich,1691 während er bei Geschäften unter Privaten mangels Bedarfs nach besonderer Erleichterung nicht zuzulassen wäre.1692 Bei Geld könnte der gutgläubige Erwerb wiederum generell anerkannt werden, da sich Geld durch eine hohe Umlaufhäufigkeit auszeichnet, die eine uneingeschränkte Umlauffähigkeit erfordert, und überdies ein einzelnes Geldzeichen nicht identifizierbar und eine Vindikation deshalb praktisch unmöglich ist.1693 Da § 935 BGB über diese sachlichen Unterschiede hinwegsieht, läge wiederum eine unsachgemäße (da unzureichende) Differenzierung und eine nicht mehr eine ausgewogene Regelung vor.1694 Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs wirkt jedoch förderlich für jede Art von Güterumsatz.1695 Da der Güterumsatz im Bereich des Mobiliarsachenrechts weitaus größere Bedeutung besitzt als im Grundstücksrecht,1696 besteht dort insgesamt ein entsprechend höherer Bedarf nach Sicherheit und Leichtigkeit beim Güteraustausch. Ein signifikanter Unterschied zwischen Seriengütern und individuellen Sachen ist demgegenüber in dieser Hinsicht nicht festzustellen.1697 Der 1691 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 79 ff.; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (16); auch Giehl, AcP 161 (1962), 357 (369); Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1. 1692 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (16); weitere Folgerungen für die Rechtsanwendung der lex lata S. 18 ff.; nicht ganz so entschieden F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 81 f. 1693 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 7, 30, 77 f., 124 (für Inhaberschuldverschreibungen ebenso S. 82, 124); allgemein Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 538. Vgl. auch Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 110 f., die (neben dem Bedarf nach gesteigerter Umlauffähigkeit) eine besondere „soziale“ Funktion des Geldes feststellt. 1694 So F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 72 ff., 83; Ernst, FS Gernhuber, S. 118; Giehl, AcP 161 (1962), 357 (359). – Vgl. auch die daraufhin in der Literatur erarbeitet Konzeptionen, die zusätzlich das Vorliegen weiterer Anscheinsmerkmale erfordern (Giehl, AcP 161 (1962), 357 (374 ff.); ablehnend Ernst, FS Gernhuber, S. 110 f.) oder strengere Anforderungen an die Gutgläubigkeit stellen (Staudinger/Wiegand (2004), § 932 Rdnr. 37; auch dies ablehnend Ernst, FS Gernhuber, S. 109 f.). 1695 Dies gibt auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 25 zu. 1696 Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 126. 1697 Anders Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 138, nach der nur bei den erstgenannten ein Bedarf nach raschem Umsatz bestehe.

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Bedarf, Warenumsätze unkompliziert zu ermöglichen, wird noch dadurch gesteigert, dass die „besitzlosen“ Kreditsicherungsmittel Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung rechtlich zulässig und weit verbreitet sind.1698 Diese – im Vergleich zum Grundstücksrecht dringenderen – Erfordernisse können die schwächere Aussagekraft des Rechtsscheinsträgers Besitz kompensieren. cc) Reduzierung der Transaktionskosten und des Nachforschungsaufwandes Die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs erspart – wie bereits beschrieben – dem Eigentümer, bei jeder Veräußerung dem Erwerbswilligen weitreichende Informationen liefern zu müssen, die dieser im eigenen Interesse verlangen müsste, um das Risiko zu minimieren, das sich bei einer unentdeckten Nichtberechtigung des Veräußerers für ihn ergäbe. Auch wenn dieser Aspekt im Verhältnis von Eigentümer und Erwerber keiner der Individualinteressen zu einem klaren Überwiegen verhelfen konnte, liefert er auf der überindividuellen Ebene eine Legitimation für den gutgläubigen Erwerb: Abgesehen davon, dass es oft praktisch unmöglich wäre, dem Erwerber die Gewissheit zu verschaffen, dass man wirklich Eigentümer ist, wäre eine derartige Nachweisführung unter dem Gesichtspunkt des Informationskostenaufwandes (Transaktionskosten) nicht wirtschaftlich sinnvoll.1699 Der Erwerbsaspirant dürfte es nämlich nicht dabei bewenden lassen, zu überprüfen, ob der (unmittelbare) Veräußerer sein Recht von einem anderen ableiten kann, sondern müsste sich konsequenterweise auch von der Berechtigung sämtlicher „Vormänner“ überzeugen.1700 Der Eigentümer muss dagegen die Zuverlässigkeit nur einer Person (der, der er seine Sache anvertraut) prüfen; er ist insoweit der cheapest cost avoider1701. Umfangreiche Nachforschungen der genannten Art wären zudem mit schweren Eingriffen in die Privat-1702 oder Geschäftssphäre1703 des Veräußerers und Dritter verbunden. 1698

Vgl. Wiegand, NJW 1994, 239 (240). Siehe nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 535 ff.; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 167 f., 177 ff.; ders., AcP 205 (2005), 205 (228 ff.); allgemein Salje, Ökonomische Analyse, S. 156 f., 158. 1700 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rdnr. 9; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, 3. Hauptstück C, § 39 (S. 301). 1701 Zum Begriff Salje, Ökonomische Analyse, S. 158; hier damit argumentierend z. B. Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 Rdnr. 10. – Damit ist der Einwand von F. Peters (Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 72 f.; bereits oben bei Fn. 1671), dass auch die Notwendigkeit, die Vertrauenswürdigkeit dessen, dem man die Sache auszuhändigen gedenkt, überprüfen zu müssen, negative volkswirtschaftliche Auswirkungen hervorrufe, entkräftet: Eine Anhäufung überprüfungsbedürftiger Personen und Vorgänge entsteht gerade nicht, wenn immer nur eine einzige Person zu beurteilen ist. 1702 Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, 3. Hauptstück C, § 39 (S. 301): Schon die Nachfrage wäre, da sie die Unschuldvermutung 1699

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Insgesamt profitiert deshalb jeder Eigentümer dadurch, dass Warenumsätze beschleunigt und entkompliziert werden,1704 von der Stärkung des Vertrauensschutzes, weil er von Dokumentations- und Nachweispflichten entlastet wird; dem Erwerber werden Nachprüfungsobliegenheiten erspart.1705 Der Chance, die die so verbesserte Veräußerungsmöglichkeit mit sich bringt, steht zwar das Risiko des Verlusts gegenüber. Der Gesetzgeber darf diesen Nachteil aber auch denjenigen Eigentümern zumuten, die an einer Veräußerung (gegenwärtig) nicht interessiert sind, um das Interesse der anderen Eigentümer zu fördern, denen an einem unproblematischen Absatz gelegen ist. Immerhin gehören sowohl Nutzungsbefugnis als auch Verfügungsbefugnis zum Kern und Wesen des Eigentums. Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der Rechtsordnung die eine Komponente fördern und bevorzugen, solange er die Gewährleistung der anderen nicht vernachlässigt.1706 Die konsequente Verfolgung der Ziele, den Warenumsatz zu beschleunigen und dennoch den Nachforschungsaufwand gering zu halten, lässt es auch sachgerecht erscheinen, dass nur die grobe Fahrlässigkeit des Dritten dem Erwerb entgegensteht: Angesichts der geringen Kapitalausstattung der Unternehmen und der umso üblicheren Lieferung unter Eigentumsvorbehalt oder von Sicherungsübereignungen müsste oftmals mit dem Nicht-Eigentum des Besitzers gerechnet werden, so dass bei geringeren Anforderungen ein gutgläubiger Erwerb in weiten Bereichen nicht mehr möglich wäre. Verkompliziert wird die Ermittlung der Eigentumslage noch dadurch, dass bei der verbreiteten Form des erweiterten Eigentumsvorbehalts1707 und der gewöhnlichen Ausgestaltung der Sicherungsübereignung, die eine Rückübertragung des Sicherungsguts erst bei Begleichung aller Forderungen vorsieht,1708 der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs oft nur durch Auswertung sämtlicher Vorgänge innerhalb der gesamten Geschäftsbeziehung missachtet, eine Beleidigung des Veräußerers; auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rdnr. 9; ferner F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 56: Datenschutzinteressen des Verfügenden. 1703 So müsste ein Händler seinen Abnehmern seine Bezugsquellen offen legen. 1704 Ebenso Giehl, AcP 161 (1962), 357 (369 f.); J. Hager, FG BGH I, S. 783; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 136 f.; bereits Mot. III, 344. 1705 Vgl. zum Ganzen J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 80 f.; Wiegand, NJW 1994, 239 (240). 1706 Hinzu kommt, dass das Privatrecht an zahlreichen Stellen das Vertrauen des Rechtsverkehrs in das Bestehen von Befugnissen, auf die die objektive Sachlage hindeutet, schützt. In dieses Gesamtsystem, dessen Bestandteile etwa die §§ 170 ff., § 409, § 851, §§ 2365 f. BGB sowie § 15 HGB, aber auch das Abstraktionsprinzip (zum Zusammenhang und zur gegenseitigen Ergänzung von gutgläubigen Erwerb und Abstraktionsprinzip vgl. Wieling, ZeuP 2001, 300 (304 ff.); Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (383 f.)) sind, fügen sich die §§ 932 ff. BGB nahtlos ein. Vgl. Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, passim; Wiegand, NJW 1994, 239 (240). 1707 Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rdnr. 28. 1708 Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 12 Rdnr. 11.

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mit dem Lieferanten bzw. Sicherungsnehmer zu ermitteln ist. Den gutgläubigen Erwerb an der bloßen Vermutung, es könnten Sicherungsrechte Dritter bestehen, scheitern zu lassen, würde daher bedeuten, ihn in zahlreichen Geschäftsfeldern ganz auszuschließen. d) Bedeutung und Sachgerechtigkeit der vorhandenen Ausgleichsansprüche Der Eingriff in das Interesse an der Erhaltung der Rechtsinhaberschaft, das der primären Substanzgarantie des Art. 14 GG zuzuordnen ist, erweist sich damit als gerechtfertigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die so bewirkte Vermögensverschiebung korrekturlos fortbestehen darf. Die schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche können – da dem Gesetzgeber auch im Zivilrecht verboten ist, den Eigentümer im Sinne des „Dulde und liquidiere“ schlicht auf eine Geldentschädigung zu verwiesen – zwar nicht als solche die Verfassungskonformität eines Rechtsverluststatbestands herbeiführen,1709 müssen aber sicherstellen, dass die Regelung in ihrer Gesamtheit dem (ebenfalls betroffenen) Vermögensinteresse des Eigentümers in ausreichendem Umfang Rechnung trägt. aa) Bestehende Ausgleichsansprüche – Sperrwirkung Nach ganz herrschendem Verständnis, das sich u. a. auf systematische und teleologische Argumente stützen kann, schließen §§ 932 ff. und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB alle Rückübertragungs- und Schadensersatzansprüche gegen den gutgläubigen Erwerber aus.1710 Der Alteigentümer wird auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Verfügenden verwiesen.1711 Daneben können gegen den Verfügenden, soweit ihn ein Verschulden trifft, Schadensersatzansprüche gegeben sein, insbesondere aus § 989, § 990 Abs. 1, § 992 i.V. m. § 823 Abs. 1 u. 2 BGB.1712

1709 So deutlich J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 73 f.; allgemein oben Teil 2 B.II.1.c)bb); anders wohl Laufke, FS Lehmann, S. 170: Der Gesetzgeber könne Verfügungen eines Nichtberechtigten als wirksam anerkennen, wenn er nur Maßnahmen vorsieht, um dem Eigentümer einen Ausgleich zu verschaffen; ähnlich Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 125. 1710 BGHZ 36, 56 (60); Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 2; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 195 f.; Rebe, AcP 173 (1973), 186 (197); Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 379; Wieling, Sachenrecht, § 10 V 1. 1711 Steitig ist lediglich, ob dieser Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses oder auf Ausgleich des Verkehrswerts gerichtet ist, vgl. Jauernig/Stadler, § 816 Rdnrn. 8 f.; Staudinger/St. Lorenz (2007), § 818 Rdnr. 27; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 720 ff.; dazu sogleich. 1712 Wieling, Sachenrecht, § 10 V 1a. E.; Staudinger/J. Hager (1999), § 823 Rdnr. B 65; BGHZ 36, 56 (59, 60).

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bb) Bedarf nach Verstärkung der Ansprüche gegen den Verfügenden Zu überlegen ist in diesem Zusammenhang zunächst, ob die Eigentumsgarantie gebietet, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB so zu interpretieren, dass der Verfügende stets – d.h. unabhängig von der Höhe des erzielten Erlöses – zur Erstattung des Sachwertes verpflichtet ist.1713 Ferner ist zu erwägen, ob der Einwand der Entreicherung des Verfügenden, der sich aus der Verweisung auf § 818 Abs. 3 BGB ergibt, im Interesse des Alteigentümers ausgeschlossen sein muss.1714 Beinhalten Ansprüche, die einen Ausgleich für eine Rechts- oder Befugniseinbuße bewirken sollen, nicht zumindest den Ersatz des Verkehrswertes, bedarf es einer sachlichen Rechtfertigung.1715 Diese kann sich im vorliegenden Zusammenhang nur aus Belangen des Verfügenden ergeben. Der Verfügende wird in diesem Zusammenhang weithin – ohne nähere Begründung – als unter keinem Aspekt schutzwürdig behandelt.1716 Diese Wertung trifft allerdings nur zu, wenn man die Fälle vorwerfbaren Verhaltens des Verfügenden im Auge hat.1717 Oftmals weiß jedoch der Verfügende nicht (und kann auch nicht erkennen), dass er als Nichtberechtigter verfügt. Völlig schuldlos ist er z. B., wenn eine dingliche Einigung vom anderen wegen eines Eigenschaftsirrtums angefochten wird und der Verfügende hierdurch rückwirkend zum Nichtberechtigten wird (§ 142 Abs. 1 BGB).1718 Prekär wäre auch die Situation, dass der Eigentümer einer gestohlenen Sache die Verfügung eines redlichen Zwischenhändlers, dessen Erwerb nur an § 935 Abs. 2 BGB gescheitert ist, genehmigt, um den von ihm erzielten Erlös zu erhalten: In diesem Fall ist der Verfügende bereits genug dadurch belastet, dass er versuchen muss, den von ihm gezahlten Kaufpreis von seinem Vorbesitzer zu1713 Hierfür F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 10, 96 ff., 119; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 128; für diese Auslegung auch – ohne Rückgriff auf verfassungsrechtliche Überlegungen – Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 723. 1714 Auch hierfür F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 100 f. 1715 Vgl. allgemein oben Teil 2 C.II.4.b)bb). 1716 So etwa F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 41 f., 111 (etwas schwächer S. 100 f.). 1717 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 42: „strafbar . . . und sonst jedenfalls pflichtwidrig“. 1718 Beispiel: Der Erstverkäufer übereignet versehentlich nicht einen vergoldeten Ring, der vertraglich geschuldet war, sondern einen massiv goldenen Ring; nach einem Weiterverkauf durch den Erwerber ficht er die Übereignung an. – Die Wertung, dass das Gesetz bei der Irrtumsanfechtung den Anfechtungsgegner für schutzwürdig hält, ergibt sich deutlich aus § 122 Abs. 1 BGB, der sicherstellen soll, dass sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Geschäfts nicht zu Vermögensnachteilen führt. Wenn F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 142 f. in derartigen Fällen sogar die Verpflichtung sieht, im Interesse des Eigentümers ein Abhandenkommen anzunehmen, negiert er diese Wertungen und engt den Blick zu stark auf dessen Rechtsbeharrungsinteresse ein.

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rückzuerlangen. Schutzwürdig erscheint ferner der unwissende Erbe einer Sache, die der Erblasser unterschlagen hat.1719 Eine „alteigentümerfreundliche“ Auslegung der §§ 816, 818 BGB im Hinblick auf den Umfang des Bereicherungsanspruchs und den Entreicherungseinwand könnte jeweils dazu führen, dass der Verfügende mehr zahlen muss, als er selbst erhalten hat. Dies ist jedoch in Situationen, in denen ein subjektiver Vorwurf gegen den nichtberechtigt Verfügenden nicht erhoben werden kann, unangemessen. Eine Pflicht zum Ersatz des Wertes bedeutet eine Belastung seines Vermögens, die sich von einer Schadensersatzpflicht (etwa aus § 823 Abs. 1 oder § 989 BGB) nur im Umfang unterscheidet.1720 Der Gesetzgeber darf dem dargestellten schutzwürdigen Interesse des schuldlos Verfügenden, nicht solchen Zahlungspflichten ausgesetzt zu sein, die über das Erlangte hinausgehen, durch die Verweisung auf § 818 Abs. 3 BGB Rechnung tragen.1721 Den weitergehenden – auf umfassenden Ersatz der sich aus dem Rechtsverlust ergebenden Nachteile gerichteten – Interessen des Eigentümers wird dadurch genügt, dass bei schuldhaftem Handeln des Verfügenden Schadensersatzansprüche nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen bestehen.1722 Das unterschiedliche Anknüpfungs- und Rechtsfolgenkonzept von Schadensersatz und Wertersatz nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB bewirkt somit erst ein interessengerechtes Ergebnis. Die mit § 816 i.V. m. § 818 BGB bewirkte Reduzierung des Anspruchs gegen einen schuldlos nichtberechtigt Verfügenden auf die noch vorhandene Bereicherung genügt allerdings auch, um dessen Interessen ausreichend Rechnung zu tragen. Einer – weitergehenden – vollständigen Freistellung, zu der etwa eine Anwendung des § 993 Abs. 1 2. Hs. BGB auf die Fälle der Veräußerung durch ei-

1719 Die Qualität des Besitzes wird durch die Universalsukzession nicht berührt, weshalb der Erbe unredlicher Besitzer i. S. d. § 990 BGB ist (vgl. Wieling, Sachenrecht, § 4 V; Palandt/Bassenge § 990 Rdnr. 7). Richtigerweise ist daher für eine Schadensersatzpflicht nach § 990 Abs. 1, 989 BGB die Kenntnis des Verfügenden von der Rechtshängigkeit oder dem Fehlen eines Besitzrechts erforderlich (vgl. Palandt/Bassenge § 990 Rdnr. 6; a. A. Staudinger/Gursky (2006), § 989 Rdnr. 16, § 987 Rdnr. 34); diese Wertung würde umgangen. 1720 Vgl. Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 961 (974, 972); allgemein oben Teil 2 C.II.4.b)cc). 1721 Nur am Rande sei bemerkt, dass bei Abhandenkommens der veräußerten Sache der Verfügende auch unter der geltenden Rechtslage in Schadensersatzverpflichtungen verstrickt werden kann, da ihn aus dem Kaufvertrag mit dem Erwerber nach h. M. eine – mehr oder weniger umfängliche – Garantiehaftung trifft. Diese Ersatzpflicht ist dadurch gerechtfertigt, dass der Veräußerer im Vergleich zum Erwerber näher am Risiko eines Scheiterns der Übereignung aufgrund des § 935 Abs. 1 BGB steht; er kann den Schaden überdies bei seinem Vormann liquidieren. – Dies zeigt jedoch, dass die Wirksamkeit der Verfügung auch für den redlichen Verfügenden Vorteile bringt. 1722 Oben bei Fn. 1711. – Diese Schadensersatzansprüche sieht i. Ü. auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 91 ff., als eine dem Entschädigungsgebot genügende Regelung an.

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nen Nichtberechtigten führen würde,1723 bedarf es hierzu nicht. Der Gesetzgeber würde vielmehr den Kreis der Möglichkeiten, die noch als sachgerechte Ausgestaltung des Regelungskomplexes „gutgläubiger Erwerb“ insgesamt bezeichnet werden können, verlassen, wenn der Verfügende von jeglichen Ersatzansprüchen freigestellt wäre. cc) Bedarf nach Ansprüchen gegen den Erwerber Die sich aus §§ 932 ff. und § 816 Abs. 1 BGB ergebende Regelung der Ersatzansprüche könnte ferner insoweit unzureichend sein, als der gutgläubige Erwerber umfassend von Ansprüchen des (Alt-)Eigentümers auf Rückübereignung freigestellt wird. Derartige Ansprüche wären unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Deliktsrechts (§ 823 Abs. 1 i.V. m. § 249 Abs. 1 S. 1 BGB)1724 oder – bei fehlendem Verschulden des Verfügenden – des Bereicherungsrechts (allgemeine Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt BGB)1725 denkbar. Gegen einen deliktischen Schadensersatzanspruchs auf Rückübereignung sprechen „überindividuelle Belange“: Er würde zwangsläufig zu einer „Aufstörung der Veräußerungskette“ führen1726 und so wiederum vielfache Ersatzansprüche der involvierten Personen untereinander auslösen sowie die Risiken verschieben. Die Rechtsordnung strebt generell danach, bei Fehlern im Verhältnis zwischen zwei Parteien den Ausgleich ausschließlich zwischen ihnen vorzunehmen. So wird der „Vorrang der Leistungskondiktion“ gerade deshalb postuliert, weil es sachgerecht ist, nicht weitere Personen, die den Gegenstand in der Folge erworben haben, Rückgewähransprüchen auszusetzen. Nur wenn derjenige, der sein Recht verliert, schutzwürdiger erscheint als der an sich unbeteiligte Dritte, ist ausnahmsweise die direkte Abwicklung über eine Nichtleistung-(Eingriffs-)Kondiktion zulässig. Die §§ 932 ff., § 816 BGB schreiben daher nicht lediglich die Rechtsregel „Hand, wahre Hand“ 1727 fort, sondern setzen eine fundamentale

1723 Hierfür aber Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 961 (974), jedenfalls für die – häufigen – Fälle, in denen eine Vindikationslage vorliegt. 1724 So F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 102 ff. 1725 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 106 ff.; dieser Anspruch wäre entsprechend dem Rechtsgedanken des § 818 Abs. 3 BGB Zug-um-Zug gegen Erstattung der Erwerbskosten zu erfüllen. 1726 Dies verkennt auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 109, nicht. 1727 Ihr (inhaltlich ebenso „Die Hand muss gelöst werden, wo sie gebunden ist“) zufolge konnte eine verliehene Sache nur vom Entleiher – nicht dagegen von einem Dritten, an den sie weitergegeben worden war – zurückverlangt werden, vgl. Schmidt-Wiegand, Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 156 m.w. N.; HRG/Ogris, I/ 1928 ff.; HRG/Hagemann, I/891. Durchbrechungen für Fälle des Diebstahls o. ä. wurden aber frühzeitig anerkannt.

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Wertung über die Schutzwürdigkeit der drei Beteiligten um. Die Sachgerechtigkeit und die Überzeugungskraft des in den §§ 932 ff., § 816 BGB enthaltenen Modells werden darin deutlich, dass es aus diesem Grund zur Lösung der „Einbaufälle“, in denen die Abwicklungsverhältnisse nicht klar aus dem Gesetz hervorgehen, herangezogen wird.1728 Überlegt werden könnte schließlich, ob dem (Alt-)Eigentümer eröffnet sein muss, vom Erwerber die Rückübereignung der Sache Zug-um-Zug gegen Erstattung der Erwerbskosten zu verlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 i.V. m. § 818 Abs. 3 BGB). Eine solche Regelung würde im praktischen Ergebnis ein „Lösungsrecht“ bedeuten,1729 wie es im gemeinen Recht bekannt war,1730 zunächst auch im 1. Entwurf des BGB vorgesehen war1731 und heute noch in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen1732 sowie (für einen Sonderfall) in Art. 66 BayAGBGB1733 anzutreffen ist. Das Lösungsrecht verleiht dem redlichen Besitzer die Befugnis, die Herausgabe einer gekauften Sache an den Eigentümer von der Zahlung des zuvor entrichteten Preises abhängig machen. Ein Lösungsrecht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 i.V. m. § 818 Abs. 3 BGB hätte zwar nicht weitere Ausgleichsvorgänge innerhalb der Veräußerungsrechtsbeziehungen einer Kette zur Folge, da die Rückabwicklung ausschließlich zwischen Erwerber und Alteigentümer erfolgt; dieser wäre auch durch den Entreicherungseinwand ausreichend gegen Vermögenseinbußen geschützt. Die Konstruktion eines derartigen Anspruchs erfordert allerdings ein erhebliches Maß an Umdeutung

1728 Vgl. J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 94; ders., FG BGH I, S. 814 ff. (teils kritisch). Diskutiert wird in der Literatur lediglich, ob die in §§ 932 ff., 816 BGB enthaltenen Wertungen für die Frage heranzuziehen sind, ob ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen vorliegt (so Jauernig/Jauernig, § 951 Rdnrn. 13 ff.; wohl auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1116 ff.), oder bereits zur Entscheidung, ob eine Eingriffskondiktion an der Subsidiarität der Nicht-Leistungskondiktion scheitert (Staudinger/St. Lorenz (2007), § 812 Rdnr. 62 ff. unter zutreffenden Hinweis auf den Charakter des § 951als Ersatz für den untergegangenen Vindikationsanspruch; ähnlich Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 13 f.). Auch der BGH (NJW-RR 1991, 343 (345)) scheint an seiner früher ablehnenden Haltung gegenüber diesem Ansatz (vgl. BGHZ 40, 272 (279); 56, 228 (241 ff.)) nicht mehr uneingeschränkt festhalten zu wollen. 1729 Vgl. („Lösungsanspruch“) auch RGZ 106, 4 (7). 1730 Vgl. HRG/Ogris, III/56 f.; Olzen, Jura 1990, 505 (508); Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 60, 1 c (S.253); Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 144; ferner Mot. III, 342. 1731 Vgl. Mot. III, 417 ff.; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 50 f., 65 f., 74 ff., 80 f. 1732 Nachweise bei F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 9 (in Fn. 35); Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (5); Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 20; vgl. zudem BGHZ 100, 321 ff. zu Art. 934 schweiz. ZGB. 1733 Die Bestimmung gilt für öffentliche Pfandleihanstalten, wenn sie im Einzelfall wegen § 935 BGB kein Pfandrecht erworben haben.

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der geltenden gesetzlichen Bestimmungen,1734 die die Grenzen dessen erreichen dürfte, was noch als methodenkonforme Auslegung angesehen werden kann. Gegen die Sachgerechtigkeit eines solchen Anspruchs spricht, dass neben dem Interesse des Erwerbers, Eigentümer zu werden, auch untrennbar ein Interesse besteht, dauerhaft Eigentümer zu bleiben. Wäre der Erwerber zur Rückübereignung verpflichtet, würde ihm mit der einen Hand genommen, was ihm zuvor mit der anderen gegeben worden ist; ein nur vorübergehendes Eigentum nützt ihm nicht. Des weiteren ist eine negative ökonomische Steuerungswirkung zu befürchten: Der Erwerb von Sachen unter zweifelhaften Umständen wäre wirtschaftlich risikolos, wenn die Herausgabe an den Eigentümer nur gegen Wertersatz erfolgen müsste; da somit für Käufer kein Anreiz zur Eigenvorsicht mehr bestünde, würde der Absatz unterschlagener Ware erleichtert.1735 Das wesentliche Argument gegen die Notwendigkeit und Sachgerechtigkeit eines Lösungsrechts zeigt sich wiederum bei einer Differenzierung nach den einzelnen Garantiegehalten des Art. 14 GG. Ein Lösungsrecht würde dem früheren Eigentümer die Sache als solche, nicht aber deren Wert verschaffen. § 935 Abs. 1 BGB lässt jedoch den gutgläubigen Erwerb weitgehend nur in Fällen zu, in denen der Eigentümer zuvor freiwillig sein Interesse auf das der Nutzung des Wertes reduziert hat. Ein Gebot, dem früheren Rechtsinhaber zur Verwirklichung der Substanzgarantie die Wiedererlangung der Sache von einem redlichen Erwerber zu ermöglichen, besteht in diesen Fällen aufgrund seines eigenen Verhaltens nur noch in eingeschränktem Maß.1736 Ein Anspruch, der die Rückerlangung der Sache von der Zahlung des Werts abhängig macht, würde gerade dazu führen, dass derjenige, der die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat, um sich deren Wert nutzbar zu machen, die Sache als solche zurückerhalten könnte, wenn er deren Wert aufopfert (indem er „ein zweites Mal bezahlt“). Der selbst gefasste Nutzungswunsch und die Rechtsfolge des Anspruchs würden somit nicht korrelieren. Der Vorrang der Substanzgarantie kann daher nicht als Argument für ein Lösungsrecht dienen; vielmehr ist die gegenwärtige Lösung des BGB, die dem Eigentümer nur Wertersatz verschafft, in sich stimmig. 1734 Dies gibt auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 106 ff. zu. 1735 Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 144 f. – Nicht verschwiegen werden soll, dass ein Lösungsrecht das Wiederauftauchen gestohlener Gegenstände fördert, da solche Sachen gegenwärtig aus Furcht vor einer ersatzlosen Herausgabepflicht im illegalen Sektor verbleiben (vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 538). Der Gesetzgeber durfte aber diesen rechtsökonomischen Aspekt hintanstellen, zumal – wie sogleich darzustellen ist – der Eigentümer primär im Hinblick auf die Wiedererlangung des Sachwertes schützenswert ist. 1736 Ähnlich Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 378 f., die ausführt, dass bei Veräußerungsketten die Rückabwicklung durch Wertersatz oder Erlösherausgabe legitim ist, weil die Beteiligten von vornherein nur Güterumsatz bezwecken.

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e) Zusammenfassung Für die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers zugunsten des gutgläubigen Erwerbs sprechen auch gegenwärtig gewichtige Gründe. Das Bestreben, die Individual- und Allgemeininteressen auszugleichen, hat sich auch in einer differenzierten Regelung niedergeschlagen.1737 Die §§ 932 ff. BGB stellen zusammen mit den §§ 816, 818 BGB eine auf vernünftigen Erwägungen beruhende und damit insgesamt verfassungskonforme Regelung für den entgeltlichen Erwerb dar, mit der der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschreitet.1738 Dies gilt umso mehr, als bei jeder denkbaren Regelung einer der Beteiligten einen „Schaden“ erleidet und es für den Gesetzgeber nur darum gehen kann, diesen dem jeweils am wenigsten Schutzwürdigen zuzuweisen.1739 Durch den weitgehenden Ausschluss des Erwerbs gestohlener Sachen durch § 935 Abs. 1 BGB trägt der Gesetzgeber schließlich seiner Schutzpflicht für das Eigentum ausreichend Rechnung.1740 f) „Öffentliche Versteigerung“ und „Rückerwerb des Nichtberechtigten“ Die Verfassungskonformität des gutgläubigen Erwerbs als solchen schließt nicht aus, dass in „Randbereichen“ Korrekturen erforderlich sind. Bedenken wirft insbesondere die Ausnahmeregelung des § 935 Abs. 2 Var. 3 BGB auf, die einen gutgläubigen Erwerb abhanden gekommener Sachen bei einer öffentlichen Versteigerung generell zulässt. Die Privilegierung dieses Erwerbs lässt sich historisch lange zurückverfolgen1741 und wird im Allgemeinen damit erklärt, dass die Öffentlichkeit der Versteigerung dem Eigentümer die Möglichkeit verschaffe, seine Sache zu identifizieren und sie vor dem Erwerb durch Dritte zurückzuverlangen. Da es angesichts der schnellen Transportierbarkeit heute für einen bestohlenen Eigentümer nicht mehr genügt, Versteigerungen 1737 Ebenso im Ergebnis F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 123 f., der zwar einige bedenkliche Pauschalierungen attestiert (S. 122), die hieraus resultierenden Ergebnisse im Einzelfall dann aber noch innerhalb des Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums liegen sieht. 1738 Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 2; vgl. auch Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 34; ders., NJW 1994, 239 (240). Die Sachgerechtigkeit i. S. einer (von mehreren) vertratbaren Lösungen attestiert ferner Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 133, 148. Kritisch aber Olzen, Jura 1990, 505 (510). 1739 Vgl. Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 204; Giehl, AcP 161 (1962), 357 (358); Rebe, AcP 173 (1973), 186 (197 f.). 1740 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 536, 538. 1741 Die Anfänge des gutgläubigen Erwerbs als Rechtsinstitut liegen gerade darin, dass bei einem Erwerb auf dem offenen Markt die Vindikation ausgeschlossen wurde, vgl. HRG/Hagemann, I/890; Olzen, Jura 1990, 505 (508).

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in der näheren Umgebung nach seinen Sachen abzusuchen, sondern er sämtliche Auktionen im Geltungsbereich des BGB überwachen müsste, besteht jedoch keine reelle Chance, alle zur Versteigerung anstehenden Gegenstände zu kontrollieren.1742 Auch die Überlegung, dass eine öffentliche Versteigerung (§ 383 Abs. 3 BGB) die Leitung durch eine Person voraussetzt, der grundsätzlich Vertrauen entgegengebracht werden kann,1743 hilft nicht weiter, da ihr nur ein begrenztes Gewicht zukommt. Ein verfassungskonformes Ergebnis kann jedoch auch ohne eine Kassation der Regelung erzielt werden, indem die Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers bei Teilnehmern an einer Versteigerung, die trotz § 935 Abs. 2 BGB vorhanden sein muss,1744 entsprechend höher angesetzt werden. Diese Handhabung ist sowohl sachgerecht als auch kompatibel mit der zivilrechtlichen Dogmatik, weil die Veräußerung auf diesem Wege heute eher unüblich ist und daher dem Erwerber gewisse Nachforschungsobliegenheiten zuzumuten sind.1745 Verfassungsrechtlich geboten ist ferner die automatische Wiederzuordnung des dinglichen Rechts an den früheren Eigentümers in einzelnen Fällen des „Rückerwerbs des Nichtberechtigten“ 1746. Zwar wird man dann, wenn der Veräußerer es nicht gezielt darauf angelegt hat, das zum gutgläubigen Erwerb führende Rechtsgeschäft zum Erwerb des Eigentums durch die bei der Rückabwicklung stattfindende Übereignung an ihn zu missbrauchen, nicht sagen können, dass das Verfassungsrecht einen Rückerwerb des Nichtberechtigten zwingend vorschreibt.1747 Auch wenn individuelle Belange nicht berührt sind, sind nämlich Verkehrs- und Drittinteressen vorhanden, die für die Aufrechterhaltung der dinglichen Zuordnung und die Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Rechtsbe-

1742 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 82 m.w. N.; ähnlich Marotzke, NJW 1978, 133 (135 f.) zur Zwangsvollstreckung; grundsätzlich kritisch und differenzierend Armbrüster, NJW 3581 (3585). 1743 Vgl. Mot. III, 349; Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 112 f.; wohl auch Neuner, JuS 2007, 401 (402). – Imbusch S. 113 f., 123, 124 führt weiter an, der Aufwand zur transparenten Ermittlung des Marktpreises solle nicht in Frage gestellt werden. Richtig ist, dass das Verfahren der öffentlichen Versteigerung oftmals vom Gesetz angeordnet ist, weil durch die Veräußerung auch Interessen eines Dritten (nämlich des Eigentümers) berührt sind und der Pfandgläubiger, Hinterleger etc. insoweit eine treuhandartige Stellung innehat. Eine öffentliche Versteigerung kann jedoch auch allein vom Eigentümer/Besitzer in Auftrag gegeben werden, ohne dass einer der Fälle vorliegt, in denen das Gesetz sie vorsieht. 1744 Statt aller Staudinger/Wiegand (2004), § 935 Rdnr. 27. 1745 Vgl. unten Fn. 1787; Armbrüster, NJW 3581 (3585 f.) für den Kunsthandel; ferner Imbusch, Der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen, S. 148; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnrn. 24, 31 f. (allgemein zu den Nachforschungsobliegenheiten). 1746 Zur Ausgangslage und den einzelnen Lösungsansätzen vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnrn. 13 ff.; Musielak, JuS 2010, 377 ff. 1747 Musielak, JuS 2010, 377 (380). Dies gilt sowohl für die sog. Außen- als auch die Innenverkehrsgeschäfte.

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ziehungen sprechen.1748 Umgekehrt wird die Position des Alt-Eigentümers nicht signifikant verschlechtert, da er auch dann, wenn die vorgenommene Übereignung nicht rückabgewickelt wird, das Eigentum dauerhaft verlieren würde. Anders liegt der Fall nur, wenn der Veräußerer die Übereignung an den Dritten und das (anfechtbare oder aus sonstigen Gründen rückabzuwickelnde) Kausalrechtsgeschäft bewusst einsetzt, um sich das Eigentum zu verschaffen. Hier verdient der Veräußerer unter keinem Aspekt Schutz; auch eventuelle Interessen Dritte müssen zurücktreten, da sie nicht erwarten können, dass ein derartiger Vorgang Wirksamkeit entfaltet.1749 Zudem kann das Argument, der Gesetzgeber habe in nicht zu beanstandender Weise den gutgläubigen Erwerb zugelassen und damit auch die Auwirkungen in derartigen Situationen in Kauf genommen,1750 hier nicht durchgreifen, da die Korrekturvorschiften der § 138 Abs. 1 und § 826 BGB zeigen, dass bei bewusst sittenwidrigem Handeln die an sich angeordneten Rechtsfolgen nicht eingreifen sollen. Die dogmatischen Begründungsschwierigkeiten sind insoweit überwindbar:1751 Der Anwendungsbereich der Gutglaubensvorschriften lässt sich bei bewusster Eigentumsverschaffung zum anschließenden Rückerwerb teleologisch reduzieren, weil bei der dann vorzunehmenden Gesamtbetrachtung kein Güterumsatz stattfindet und auch nie beabsichtigt war.1752 Die Möglichkeit solcher Einschränkungen ist auch im Bereich des Sachenrechts anerkannt, insbesondere durch den Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs in Fällen, in denen kein „Verkehrsgeschäft“ vorliegt1753. Da jedenfalls eine Besitzaufgabe vorliegt und der Besitz einer Person verschafft wird, die näher am Alt- und NeuEigentümer steht als der Dritte, ist auch dem Publizitätsprinzip im Ansatz entsprochen1754.

1748 Musielak, JuS 2010, 377 (381). Abweichend für einen umfassende Zulassung des Rückerwerbs F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 150 ff.: Der ablehnenden Auffassung gehe es „nur um die Reinhaltung der zivilrechtlichen Dogmatik“. 1749 Wie hier im Ergebnis Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1020. 1750 Musielak, JuS 2010, 377 (381). 1751 Ebenso F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 151 f.; a. A. Palandt/Bassenge, § 932 Rdnr. 17. 1752 Vgl. die Darstellung bei Musielak, JuS 2010, 377 (378); Wolf/Wellenhofer, § 8 Rdnr. 37. 1753 Dazu BGHZ 173, 71 (75 ff.); BGH VIZ 1999, 161 (162); NJW-RR 2006, 1242 (1245); Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 10; kritisch J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 118 ff. 1754 Abw. Musielak, JuS 2010, 377 (381), der jedenfalls im nicht erfüllten Erfordernis des Besitzerwerbs ein Hindernis für einen Rückerwerb sieht.

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3. Gutgläubiger Erwerb bei unentgeltlichen Erwerbsvorgängen a) Abweichende Interessenlage – Darstellung der Regelung im BGB Verfügt der Nichtberechtigte unentgeltlich, stellt sich die Interessensituation grundlegend anders dar: Mangels eigener Leistung des Erwerbswilligen, die er im Vertrauen auf den Erwerb der Sache erbracht hat, fehlt hier das Individualinteresse, das dort die Abwägung der privaten Belange zu seinen Gunsten beeinflusste. Der Erwerber ist daher zumindest nicht dauerhaft schutzwürdig, so dass die Abwägung mit dem Rechtserhaltungsinteresse des Eigentümers hier im Endergebnis zu seinen Lasten ausfallen muss.1755 Bei unentgeltlichen Verfügungen besteht zudem auch kein gesteigerter und anerkennenswerter Bedarf nach Erleichterung und Absicherung der Güterübertragung i. S. v. Verkehrsschutz. Trotz dieses Unterschieds sieht das BGB den gutgläubigen Erwerb auch bei Fehlen einer Gegenleistung vor und versagt ihm – entsprechend der allgemeinen Tendenz im BGB, den unentgeltlichen Erwerb weniger beständig auszugestalten als den entgeltlichen1756 – lediglich die Kondiktionsfestigkeit:1757 Nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Alteigentümer einen Bereicherungsanspruch gegen den Erwerber, der auf Rückübertragung der geschenkten Sache gerichtet ist.1758 Nach allgemeinem Verständnis, das sich auf einen Umkehrschluss zu S. 1 stützt, schließt diese Regelung Ansprüche gegen den Verfügenden aus.1759 Erforderlich ist diese spezielle Rechtsfolgenanordnung nicht zuletzt, weil beim Verfügenden, den die Erstattungspflicht nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB trifft, etwas „Erlangtes“, das herauszugeben wäre, nicht vorhanden ist.1760 b) Argumente der Kritiker der Lösung des BGB Die Entscheidung, einen unentgeltlich-gutgläubigen Erwerb zuzulassen, war bereits in den Beratungen zum BGB umstritten. Die überwiegende Zahl der vorgefundenen Kodifikationen machte die Wirksamkeit des gutgläubigen Erwerbs 1755 Vgl. Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1091 f.); J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 83 f., 88, 122 f., 182 ff., 200 f., je mit umfassenden Folgerungen; ders., FG BGH I, S. 783; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 45 f., 68, 78, 84, insb. S. 115 ff.; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (17, in Fn. 54); Palandt/Thomas, § 816 Rdnr. 13; siehe auch Wacke, JA 1989, 401 (402). 1756 Vgl. die Zusammenstellungen von Vorschriften, die einen Zugriff auf unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände erlauben, bei Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 382 ff.; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 88; Wacke, JA 1989, 401 (402). 1757 Vgl. Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 27. 1758 Zu diesem Inhalt des Anspruchs siehe nur Jauernig/Stadler, § 816 Rdnr. 23. 1759 J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 88 (siehe auch S. 94). 1760 Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 27; vgl. auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 112 f.

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von einer Gegenleistung abhängig.1761 Die zum Gesetz gewordene Lösung, den unentgeltlichen gutgläubigen Erwerb zuzulassen und dem Alteigentümer nur einen Anspruch auf Rückübertragung gegen den Erwerber zu geben, wurde in der Gesetzgebungskommission als „halbe Maßregel, die keine Billigung verdiene“ 1762 bekämpft und konnte sich nur mit der denkbar knappsten Mehrheit durchsetzen.1763 Die Kritik an der Regelung im BGB, die es entgegen dem allgemeinen Rechtsgefühl ermöglicht, „Sachen auf Kosten Dritter zu verschenken“,1764 ist bis heute nicht verstummt.1765 Zunehmend werden auch verfassungsrechtliche Argumente angeführt.1766 Die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs stellt keine sachgerechte Problemlösung dar, wenn es zutrifft, dass bei einer unentgeltlichen Verfügung jegliche schutzwürdige Position des Erwerbers fehlt, weil dann das von Art. 14 GG geschützte Interesse des Eigentümers am Fortbestand seiner Rechtsinhaberschaft zu verwirklichen wäre.1767 § 816 Abs. 1 S. 2 könnte der Regelung nicht zur Wirksamkeit verhelfen, da der dingliche Herausgabeanspruch zum nur schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch „herabgestuft“ wird, der keinen gleichwertiger Ersatz darstellt.1768 Als Ausweg bliebe nur, kraft verfassungsrechtlicher Direktive die Entgeltlichkeit als weiteres Tatbestandsmerkmal in die (vorkonstitutionellen) §§ 932 ff. BGB hineinzulesen und dem unentgeltlichen Erwerb vom Nichtberechtigten die dingliche Wirksamkeit zu versagen.1769 Der Eigentümer könnte dann beim Dritten nach § 985 BGB vindizieren und nach § 816 Abs. 1 S. 2 den Sachbesitz kondizieren.1770 1761

Vgl. die Analyse in Mot. III, 211 f.; ferner Prot. III, 82. So die Verfechter der Unwirksamkeitskonzeption, Prot. III, 84. 1763 Prot. III, 82: Ein Antrag, den gutgläubigen Erwerb auf die Fälle der entgeltlichen Verfügung zu beschränken, wurde „mit 9 gegen 9 Stimmen bei Stichentscheid des Vorsitzenden“ abgelehnt. 1764 Vgl. Mot. III, 212; Prot. III, 83; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 78, 116. 1765 Vgl. Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (17, in Fn. 54), der vor allem die Zuweisung der Insolvenzgefahr auf den Alteigentümer unangemessen und unbefriedigend hält. 1766 Neben F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, passim, auch Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1091 ff.). 1767 Vgl. Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1091 f.); F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 45 f., 68, 78, 84, insb. S. 115 ff.; Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 203 f.; ders., AcP 205 (2005), 205 (242). 1768 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, passim, z. B. S. 68 (Hervorhebung im Original), S. 115. 1769 So deutlich F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 117; Ch. Wolf, JZ 1997, 1087 (1092). 1770 § 816 Abs. 1 S. 2 BGB wäre bei diesem Verständnis zwar weitgehend funktionslos, könnte aber als Hinweis darauf gedeutet werden, dass der Eigentümer zusätzlich die Möglichkeit habe, die unwirksame Verfügung zu genehmigen und so auf einen Erlös 1762

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

c) Untersuchung der Interessenlage Die Prüfung dieser Bedenken muss davon ausgehen, zu welchen unterschiedlichen Ergebnissen – insbesondere welchen Risiken – die alternativen Regelungen führen. Nach der im BGB kodifizierten Lösung muss der Alteigentümer befürchten, dass der gutgläubige Erwerber über die Sache wirksam verfügt, bevor er seinen Rückübereignungsanspruch realisiert hat; er erhält dann nur Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB und trägt wegen § 818 Abs. 3 BGB das Insolvenzrisiko des Erwerbers.1771 Diese mit der „Herabstufung“ des dinglichen zum obligatorischen Anspruch verbundene Folge muss durch hinreichende Belange der anderen Beteiligten oder der Allgemeinheit aufgewogen werden. aa) Keine Legitimation durch Abgrenzungsprobleme bei der Rechtsanwendung In den Gesetzgebungsberatungen wurde darauf hingewiesen, dass es äußerst aufwendig – wenn nicht sogar unmöglich – sei, Geschäfte, in denen „der freigebige Titel mit dem lästigen vermischt“ ist, aufzuspalten. Teilweise unentgeltliche Geschäfte kamen und kommen in der Praxis häufig vor, etwa in Gestalt von Abfindungen und Ausstattungen künftiger Erben. Das Bestreben, dem zur Entscheidung berufenen Richter eine Arbeitserleichterung zu verschaffen, kann eine Rechtfertigung für nachhaltige Eingriffe in das Eigentum nicht liefern:1772 Wenn es darum geht, materiell gebotene Gerechtigkeit zu verwirklichen, dürfen Effizienzüberlegungen staatlicher Verwaltungs- und Rechtsprechungsorgane nicht allzu hoch angesetzt werden.1773 Auch die mit der Differenzierung verbundenen Unsicherheiten für den Rechtsverkehr (Rechtssicherheit) wiegen nicht überaus schwer, da das Kriterium „Entgeltlichkeit“ im Allgemeinen leicht fassbar ist und auch das Erwerbshindernis des Abhandenkommens der Sache nicht äußerlich anzusehen ist.1774 Die wenigen Fälle, in denen beim Verfügenden zuzugreifen Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 112 f., 117 f. 1771 Vgl. Neuner, JuS 2007, 401 (402); Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1 (17, in Fn. 54). 1772 Ablehnend bereits die „unterlegenen“ Mitglieder der Kommission, Prot. III, 83. 1773 Im Einzelnen ist unklar, wie eng das BVerfG hier die Grenze ziehen will: In BVerfGE 41, 378 (397, 397 f.); 59, 336 (359) wurde im Hinblick auf das Argument, eine grundrechtseinschränkende Regelung erlaube eine einfache Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde, offengelassen, ob es mit der Stellung des Bürgers, die ihm dem Grundgesetz zukomme, vereinbar sei, ihn lediglich im Interesse einer leichteren staatlichen Überwachung in seiner Freiheitsausübung einzuschränken. Dagegen sieht BVerfG VIZ 2002, 621 die Vermeidung des erheblichen Verwaltungsaufwands, der bei Gemeinden und Vermögensämtern bei der Umsetzung des § 9 VermG a. F. angefallen wäre, als legitimes Gemeinwohlziel an. 1774 F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 116 f.

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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mangels allgemeingültiger Kriterien die Rechtslage unklar und der Prozessausgang nicht voraussehbar ist,1775 rechtfertigen deshalb nicht den regelmäßig eintretenden schwerwiegenden Rechtsverlust für den Eigentümer. Zudem kommt auch die gegenwärtige Regelung um diese Abgrenzung nicht vollständig umhin, da sie im Rückübertagungsprozess entscheidend wird. bb) Rechtssicherheit gegenüber Dritten Die im BGB getroffene Lösung verwirklicht jedoch die Rechtssicherheit insoweit in stärkerem Umfang, als der Erwerber Dritten gegenüber als Berechtigter verfügen kann, so dass spätere Übereignungen dinglich wirksam sind. Die Wirksamkeit des Erwerbs verringert die Zahl der Rechtsverhältnisse, die im Fall einer Weiterveräußerung rückabgewickelt werden müssen; diese Vereinfachung und der Schutz Dritter sind grundsätzlich legitime Ziele.1776 Die Lösung des BGB bewirkt ferner, dass sich der Veräußernde nicht die Behauptung Dritter entgegenhalten lassen muss, sein Erwerb sei u. a. wegen der Unentgeltlichkeit im Verhältnis zum Veräußerer unwirksam.1777 Damit ist das Abstraktionsprinzip berührt:1778 Die Rechtslage auf der dinglichen Ebene hängt auch dann vom schuldrechtlichen Geschäft ab, wenn für die Wirksamkeit des Erwerbs die Art der causa maßgeblich ist.1779 Ein schwerwiegender Einwand folgt hieraus allerdings nicht, da das Abstraktionsprinzip nur ein konstruktiver Lösungsversuch für bestimmte Problemsituationen ist,1780 aber als solches kaum die Kraft besitzt, gewichtige materielle Belange zu überwinden. Eine (weitere) Ausnahme müsste daher hingenommen werden.1781 cc) Vorhandene und zu berücksichtigende Individualinteressen Beachtenswerte Verkehrsinteressen – nämlich die Klarheit der Rechtszuordnung und die Einfachheit der Rückabwicklung – sind somit in gewissem Umfang gegeben, aber allein kaum so gewichtig, dass sie den Rechtsverlust rechtfertigen 1775

Vgl. Prot. III, 84. Dies zugebend F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 91; vgl. ferner Neuner, JuS 2007, 401 (402). 1777 Im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb von Grundstücksrechten sehen Mot. III, 212 dies sogar als den durchschlagenden Grund an; vgl. auch Prot. III, 84; Neuner, JuS 2007, 401 (402). 1778 So auch Prot. III, 82; Wacke, JA 1989, 401 (402). 1779 Dies erkennt auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 78. 1780 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 295 m.w. N.; oben Teil 3 C.II. 1781 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 78 f. 1776

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

könnten. Daher ist zu untersuchen, ob nicht doch Individualinteressen vorhanden sind, die zumindest die vorläufige Zuordnung des Eigentums an den Gutgläubigen legitimieren. Bei genauer Betrachtung lässt sich ein Ansatzpunkt für ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Erwerbers auch bei unentgeltlichen Geschäften finden. Dieses liegt darin, dass die begründete Erwartung des Beschenkten, die Sache dauerhaft behalten zu dürfen, nicht enttäuscht wird.1782 Der kostenlose Erwerb kann den Empfänger veranlassen, weitere Vermögensdispositionen zu tätigen, nämlich entweder Folgeinvestitionen auszuführen oder einen anderweitigen günstigen Erwerb zu unterlassen. Der Beschenkte hat daher ein Interesse daran, zu verhindern, dass sich die Schenkung wegen der Wertlosigkeit oder Nachteiligkeit darauf beruhender Folgeinvestitionen oder -entscheidungen als Verlustgeschäft für ihn auswirkt. Dieses Interesse – es handelt sich um ein „negatives Interesse“ i. S. d. Schadensersatzrechts – ist schutzwürdig1783 und kann daher Bestimmungen rechtfertigen, die eine Belastung durch die spätere Herausgabepflicht verhindern. Das rechtstechnische Mittel der ersten Wahl, um eine solche Rechtsfolge zu erzeugen, ist im BGB eine Haftung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts. § 818 Abs. 3 BGB erlaubt, entreichernde Vermögensdispositionen in Abzug zu bringen;1784 sind körperliche Sachen zurückzuübertragen, sind solche Abzugsposten Zug-um-Zug gegen Übereignung der kondizierbar erlangten Sache auszugleichen.1785 Auf diese Weise ist sichergestellt, dass per Saldo das Vermögen des Erwerbers nicht reduziert wird, sondern lediglich ein noch vorhandener Vorteil abgeschöpft wird. Wäre der Erwerber einem dinglichen Herausgabeanspruch des (Alt- und Noch-)Eigentümers ausgesetzt, könnte dagegen ein Erstattungsanspruch des beschriebenen Inhalts nicht ohne Weiteres geschaffen werden.1786 Der Verweis auf § 818 BGB ist daher ein gebotener Schutzmechanismus zugunsten des Gutgläubigen, dessen Interesse hier zwar nicht das dauerhafte Behalten der Sache, wohl aber Vorkehrungen gegen drohende mittelbare Vermögensnachteile rechtfertigt. Die Verschiebung des Entreicherungsrisikos auf den Alteigentümer, zu der die Ausgestaltung im BGB führt, ist damit legitim, zumal der Alteigentümer durch alsbaldige Klageerhebung eine verschärfte Haftung 1782

In diese Richtung bereits Prot. III, 84 (wenn auch nicht konkreter darlegend). In diese Richtung bereits Mot. III, 212. 1784 Staudinger/St. Lorenz (2007), § 818 Rdnrn. 38 ff. 1785 Siehe nur Staudinger/St. Lorenz (2007), § 818 Rdnr. 47; Jauernig/Stadler, § 818 Rdnr. 40; BGH NJW 1981, 2687 (2688); NJW-RR 1988, 584 (585) m.w. N. 1786 Der Gesetzgeber müsste zum einen einen Gegenanspruch des beschenkten Besitzers auf Ersatz seines Dispositionsschadens schaffen (Schäden sind nicht als Verwendungen nach §§ 994 ff. BGB zu ersetzen) und zum anderen diesen durch Zurückbehaltungs-/Verwertungsrechte (ähnlich §§ 1000 ff. BGB) absichern. Dies wäre in jedem Fall komplizierter als der direkte Verweis auf § 818 BGB. 1783

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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nach § 818 Abs. 4 BGB auslösen kann. Ist der Erwerber wegen Bösgläubigkeit hinsichtlich des genannten Interesses nicht schutzwürdig, besteht wegen § 819 BGB ohnehin von Anfang an die strenge Haftung. Eine dingliche Unwirksamkeit ist schließlich auch nicht im Interesse des Alteigentümers erforderlich, eine rasche Verschiebung unterschlagener Gegenstände durch Weiterverschenken zu verhindern. Dieses Ziel lässt sich auch durch eine Erhöhung der Anforderungen an die Gutgläubigkeit verwirklichen: Anerkanntermaßen bestehen bei „unüblichen Geschäften“, zu denen auch jede Art der Verfügung ohne adäquate Gegenleistung zu zählen ist, Nachforschungsobliegenheiten des potentiellen Erwerbers hinsichtlich der Berechtigung des Verfügenden.1787 An der Ermöglichung solcher Geschäftsvorgänge besteht auch kein gesamtökonomisches Interesse, weshalb der Aspekt des Verkehrsschutzes sich nicht durchsetzen kann. Auf diese Weise kann auch durch die Anwendung des § 932 Abs. 2 BGB ein Erwerb vom Unterschlagenden in ausreichendem Maße verhindert werden. dd) Ergebnis Ein Interesse des Erwerbers am Schutz vor weiteren Vermögensnachteilen ist auch bei einer Schenkung vorhanden und schutzwürdig. Da dem Eigentümer, der sein Recht zunächst verliert, ein Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums zusteht, trägt er letztlich nur das Risiko einer zwischenzeitlichen Weiterveräußerung oder der Insolvenz des gutgläubigen Erwerbers. Insgesamt erweist sich damit die Zulassung des unentgeltlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten als eine verfassungskonforme Entscheidung des Gesetzgebers.1788 1787 Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 32; § 12 Rdnr. 6; ferner Staudinger/ Wiegand (2004), Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnrn. 43 ff.; § 932 Rdnr. 37. Kritisch zur „Mediatisierung des Gutglaubenserfordernisses“, um „verblasste Rechtsscheinswirkungen“ auszugleichen, Ernst, FS Gernhuber, S. 109; Giehl, AcP 161 (1962), 357 (372 f.). 1788 Nach den vorherigen Überlegungen kommt dem Merkmal „unentgeltlich“ die Funktion zu, zu entscheiden, ob die Rückabwicklung nach S. 1 oder S. 2 des § 816 Abs. 1 BGB (d.h. im Verhältnis zum Verfügenden oder zum Erwerber) erfolgen soll. Der Begriff ist deshalb mit Blick auf die Schutzwürdigkeit des dauerhaften BehaltenDürfens des Erwerbers auszulegen. Maßgeblich muss daher sein, ob der Erwerber ein eigenes Vermögensopfer erbracht hat (J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 89 f.; Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnrn. 28 f.; a. A. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1028 (Fn. 1786)). Zweckbindungen für den Umgang mit dem geschenkten Gut dürfen daher nicht als Aufwendungen des Erwerbers angesehen werden, sondern rechtfertigen nur einen Schutz vor „mittelbaren“ Nachteilen. Umgekehrt müssen Leistungen an Dritte zur Einordnung als „entgeltlich“ führen (BGH LM BGB § 816 Nr. 4; RGZ 112, 361 (368); Palandt/Thomas, § 816 Rdnr. 14; J. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 89 f. m.w. N.). Darüber hinaus stellt sich das Problem der Qualifizierung des Geschäfts als entgeltlich oder unentgeltlich, besonders bei gemischten Schenkungen. Der BGH hat hier eine „aut-aut-Lösung“ befürwortet, nach der es auf das Überwiegen der Entgeltlichkeit oder der Unentgeltlichkeit ankommen soll (BGH WM 1964, 614 (616)). Unter dem Gesichtspunkt, dem früheren Eigentümer möglichst effektive

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II. Gesetzlicher Erwerb nach Umbildung Eine Neuzuordnung des Eigentums erfolgt auch in den von §§ 946–948, 950 BGB erfassten Tatbeständen der Verbindung, Vermischung, Vermengung oder Verarbeitung.1789 Der Gesetzgeber steht dabei vor der Notwendigkeit, auf die Schaffung einer der Verkehrsanschauung nach einheitlichen bzw. neuen Sache zu reagieren.1790 Eine leistungsfähige Sachenrechtsordnung muss sich an den Bedürfnissen des Warenaustauschs orientieren, der immer nur die einzelne, als selbstständig angesehene Sache zum Gegenstand hat. Würde das Privatrecht ein einheitliches Recht auf eine Vielheit abgrenzbarer Gegenstände beziehen, wäre die einzelne Sache nicht verkehrsfähig.1791 Die in den §§ 90 ff. BGB enthaltene Grundentscheidung zu Sachbegriff und Sonderrechtsfähigkeit, die maßgeblich auf funktionale Gesichtspunkte abstellt und nach der nur ein Eigentumsrecht an einer Sache besteht, verfolgt daher das bedeutsame Ziel, das Recht an die Verkehrsbedürfnisse und -anschauungen zu koppeln.1792 Gleichzeitig wird dem Gebot der Klarheit bei der Güterzuordnung entsprochen.1793 Die Rückgabe einer Sache, die mit einer anderen verbunden, vermischt etc. worden ist, an den Eigentümer würde deren Abtrennung usw. voraussetzen, so dass sie zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten1794 oder nachteiligen wirtschaftlichen Folgen führen würde. In einigen Fällen kommt hinzu, dass nicht von Ansprüche zu verschaffen, liegt näher, sowohl § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Verfügenden als auch dessen S. 2 gegenüber dem Erwerber anzuwenden, soweit sie jeweils bereichert wurden (Staudinger/St. Lorenz (2007), § 816 Rdnr. 28 m.w. N.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 930 (Fn. 780)). Bei dieser Lösung muss der frühere Eigentümer zwar gegen zwei Schuldner vorgehen. Er kann jedoch jeweils bei der Person zugreifen, bei der sich noch ein Vermögenswert befindet, was die Erfolgsaussicht einer Vollstreckung vergrößert. Zudem wird der Erwerber nur in dem Maße mit Rückgewähransprüchen belastet, als er aus dem Geschäft einen Vermögensüberschuss erzielt hat. Auf das Überwiegen der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit kommt es damit nur bei der Frage an, ob der Erwerber den Gegenstand in natura zurückzuübereignen hat oder Wertersatz leisten muss (vgl. insgesamt Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 930; ferner BGH NJW-RR 1988, 584 (585)). Trotz dieser Argumente führt der gegenteilige Ansatz jedoch nicht zu einer unzumutbaren – und damit unter dem Aspekt des Art. 14 GG zu beanstandenden – Verletzung geschützter Belange. 1789 § 949 BGB setzt die jeweilige Regelung für beschränkte dingliche Rechte, die an den involvierten Sachen bestanden haben, sinngemäß fort; für sie gelten daher die folgenden Überlegungen entsprechend. Vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 17. 1790 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 22; Maultzsch, Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche, S. 204. 1791 Beispiel: Gäbe es ein „Eigentum an einem Warenlager“, so könnte an sich nicht über jede dort befindliche Sache einzeln verfügt werden. 1792 Vgl. Neuner, JuS 2007, 401 (406); BGHZ 27, 204 (208); 97, 292 (294); 102, 311 (314, 315); 165, 184 (186, 189 f.); BGH NJW 1985, 789 (790 f.); NJW 2002, 54 (54); NJW-RR 2006, 662 (663 f.). 1793 Vgl. MünchKomm/Füller, § 951 Rdnr. 1. 1794 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 5.

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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vornherein klar ist, wie sich die Eigentumssituation an diesen Sachen darstellt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht gilt es jeweils, die Interessen der Eigentümer der Ausgangsstoffe weitmöglichst zu beachten. 1. Verbindung, Vermischung und Vermengung (§§ 946–948 BGB) Für die Fälle der Verbindung, Vermischung und Vermengung stehen dem Normgeber zwei denkbare Lösungen zur Verfügung: Entweder kann ein Eigentümer Alleineigentümer werden („Alles-oder-nichts-Prinzip“) oder die Sache allen ursprünglichen Eigentümern gemeinsam zugeordnet werden („Miteigentumsprinzip“). Der Gesetzgeber des BGB greift auf beide Möglichkeiten zurück und entscheidet sich je nach Sachlage für die eine oder andere Alternative.1795 a) Bildung von Miteigentum Jeder der Eigentümer, deren Sache mit einer anderen zu einer neuen Einheit verbunden etc. wird, hat vorrangig das Interesse, weiter Inhaber eines dinglichen Rechts zu bleiben. Dies lässt sich durch die Begründung von Miteigentum an der neu gebildeten Sache verwirklichen. Die Grundregel in § 947 Abs. 1 BGB kann insoweit als Ausprägung des Vorrangs der Substanzgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstanden werden. Die Verweisung auf das Recht der Gemeinschaft (§§ 1008 ff., §§ 741 ff. BGB) kann zwar zu gewissen Nachteilen für die beteiligten Miteigentümer führen, da bei fehlender Einigkeit die Nutzung und ggf. Verwertung der Sache über eine gewisse Zeit „blockiert“ sein kann.1796 Gleichwohl lassen die Bestimmungen eine individuelle Lösung der Frage, wie mit der Sache weiter verfahren werden soll, im Wege der Vereinbarung zu; nur bei Misslingen einer einvernehmlichen Regelung kommt es zur Versteigerung mit anschließender Aufteilung des Erlöses.1797 Da jedem Eigentümer ein anteiliges Mitspracherecht zustehen soll, bleibt dem Gesetzgeber auch nur, das Mehrheitsprinzip anzuordnen.1798 Die Regelung des § 947 Abs. 1 BGB geht damit nicht über das hinaus, was die Veränderung der Tatsachenwelt – aus mehreren Sachen wird eine – zwangsläufig mit sich bringt, und lässt den involvierten Personen ihre Entscheidungsfreiheit. Verfassungsrechtliche Bedenken sind somit nicht erkennbar. 1795 Zu historischen Vorbildern und anderen Rechtsordnungen vgl. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (310 f., in Fn. 4). 1796 Diese Problematik erkennt auch BVerfGE 126, 331 (368 f.), verneint sie aber zutreffend mit dem Charakter der Erbengemeinschaft als Abwicklungsgemeinschaft. 1797 Insofern ist fraglich, ob Miteigentum immer eine „Quelle von Hader und Zwietracht“ und die Auseinandersetzung mit ihren Folgen eine „Misslichkeit“ ist, wie Josef Kohler, DJZ 1904, 771 (777) ausführt; vgl. auch Knütel, FS Seiler, S. 564. 1798 Bei einem Einstimmigkeitsprinzip wäre die Gefahr einer Blockade größer.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

b) Entstehung von Alleineigentum In § 946 und § 947 Abs. 2 BGB weist der Gesetzgeber dagegen das Eigentum ausschließlich einem der beteiligten Rechtsinhaber zu. Hier verliert einer der Eigentümer sein dingliches Recht vollständig und wird auf Ersatzansprüche gegen den neuen (Allein-)Eigentümer aus § 951 Abs. 1 S. 1 i.V. m. §§ 812 ff. BGB verwiesen. Dieser obligatorische Ausgleichsanspruch ist gegenüber einer dinglichen Mitberechtigung weniger wert,1799 so dass für ihn ein Eigentumseingriff vorliegt. Die strukturellen Ähnlichkeiten zu den §§ 932 ff., § 816 BGB legen nahe, diesen Rechtsverlust an den Maßstäben zu überprüfen, die für den gutgläubigen Erwerb entwickelt worden sind.1800 Eine Argumentation, dass bei § 946 BGB bereits das formalisierte Grundbuchrecht, das einen (Mit-)Eigentumserwerb ohne Eintragung nicht kennt, zu der gewählten Regelung zwinge, wäre dabei zu oberflächlich. Prinzipien dieser Art können niemals Selbstzweck sein und müssen daher, wenn gewichtige Individualinteressen von Verfassungsrang entgegenstehen, zurücktreten. Entscheidend ist, dass der Verkehr tendenziell gehemmt wird,1801 wenn an funktional zusammengehörigen oder zusammenhängenden Sachen mehrere Berechtigungen bestehen, weil dann zur Verfügung nicht nur eine Person, sondern das Zusammenwirken mehrerer erforderlich ist. Bei Uneinigkeit wäre die Sache ihrer Nutzbarkeit und Verkehrsfähigkeit zumindest vorläufig faktisch entzogen; dies entspricht weder dem Interesse der Beteiligten noch dem volkswirtschaftlichen Interesse an einer sinnvollen Ausnutzung der vorhandenen Güter.1802 Die – damit eng zusammenhängende – „individuelle“ Seite dieser Überlegungen liegt darin, dass der Eigentümer der Hauptsache bzw. des Grundstücks ein starkes Interesse daran hat, nicht wegen eines nur untergeordneten fremden Wertbeitrags in eine Miteigentümergemeinschaft gezwungen zu werden. Deren Bildung kann, falls der andere Miteigentümer sich unkooperativ verhält, sowohl die Verfügung als auch die tatsächliche Nutzung erschweren.1803 Der denkbare Schaden, der aus der Lähmung der Gebrauchs- und Veräußerungsmöglichkeit für ihn entstehen könnte, wäre sehr groß. Auf Seiten dessen, der sein Eigentum verliert, ist das Interesse an einer fortbestehenden dinglichen Mitberechtigung demgegenüber nur von geringem Gewicht, da er mit ihr nicht ernsthaft rechnen kann, wenn er

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Vgl. Wieling, Sachenrecht, § 11 II 3 b. Ebenso Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 381, 383; F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 5, 22, die dies jedoch nicht weiter durchführen; vgl. ferner P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 132. 1801 P. Götz, Vergütungsanspruch, S. 121 m.w. N. 1802 Vgl. Haas, NVwZ 2002, 272 (276) zur ähnlichen Situation bei der Baulandumlegung; allgemein oben Teil 2 B.III.2.b)dd)(5)(b). 1803 Vgl. oben Fn. 1797. 1800

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nur eine relativ unbedeutende Zutat geliefert hat. Auch wäre es unter dem Aspekt, eine für alle Beteiligten angemessene Lösung zu finden, sehr bedenklich, wenn dem Eigentümer der Hauptsache die Teilungsversteigerung drohte, obwohl die schützenswerten Interessen des anderen sowohl im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung als auch auf den Werterhalt nur gering zu veranschlagen sind. Der Gesetzgeber darf daher diese Risiken von vornherein ausscheiden, indem er in bestimmten Situationen Miteigentum nicht entstehen lässt. Die Anordnung des Erwerbs von Alleineigentum in § 946 und § 947 Abs. 2 BGB erweist sich damit als eine angemessene und auch in Anbetracht des Rechtsverlusts gerechtfertigte Regelung. In den Fällen deliktischen Verhaltens, in denen der Erwerber nicht schutzwürdig ist, hält überdies § 951 Abs. 2 S. 1 BGB die Naturalrestitution offen. Für die Auslegung des § 947 Abs. 2 BGB ergibt sich aus diesen Überlegungen, dass das Vorliegen einer „Hauptsache“ nur restriktiv zu bejahen ist, weil sonst der Eigentümer der „Zutat“ allzu leicht sein Recht verliert, ohne dass in der Person des anderen wirklich zwingende Gründe vorliegen.1804 Ferner ist die Verweisung in § 948 Abs. 1 BGB bei gleichartigen Sachen nur auf § 947 Abs. 1 BGB zu beziehen,1805 weil bei vermischten oder vermengten Stoffen eine Teilung in Natur leicht möglich ist (vgl. § 752 BGB) und daher mit der Auseinandersetzung weder besondere praktische Schwierigkeiten, Gefahren und Nachteile noch ein Wertverlust verbunden sind.1806 Die Regelung in § 946 BGB ist wiederum als Typisierung dahingehend, dass das Grundstück stets als Hauptsache anzusehen ist, nicht zu beanstanden. 2. Verarbeitung (§ 950 BGB) a) Regelungsinhalt und Hintergrund Für die in § 950 BGB geregelte Verarbeitung hat der Gesetzgeber keine der beiden soeben erörterten Lösungen, die allein auf das Eigentum an den Ausgangsstoffen abstellen, gewählt; vielmehr wird hier der „Hersteller“ dem oder 1804 Ebenso Wieling, Sachenrecht, § 11 II 2 c; BGHZ 20, 159 (162 f.); OLG Oldenburg NJW 1982, 1166: Wahlplakat auf Werbetafel; vgl. auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1070: Ausnahmefall. 1805 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rdnr. 11; auch Westermann/Gursky, § 52 Rdnr. 16 (nur den Fall einer Kasse mit Geld ausnehmend); a. A. Jauernig/Jauernig, § 948 Rdnr. 1; Soergel/Henssler, § 948 Rdnr. 4; Staudinger/Wiegand (2004), § 948 Rdnr. 8; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 72 III 1 (mit Fn. 18); für möglich haltend auch BGHZ 14, 114 (117); zum Meinungsstand Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 15. 1806 Mit den hier entwickelten Grundsätzen noch vereinbar ist die Auffassung (Wieling, Sachenrecht, § 11 II 3 b; Palandt/Bassenge, § 948 Rdnr. 4), die nur bei extremen Quantitäts- oder Wertunterschieden das Entstehen von Alleineigentum zulässt. In diesem Fall ist jedem besitzenden Miteigentümer ein einseitiges Aufteilungsrecht einzuräumen, um die Teilung im Interesse aller Beteiligten, den lähmenden Zustand der Mitberechtigung zu beenden, zu beschleunigen (Erman/Ebbing, § 948 Rdnr. 5; Jauernig/ Jauernig, § 948 Rdnr. 2; Wieling, Sachenrecht, § 11 II 3 a).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

den Eigentümern der verarbeiteten Stoffe vorgezogen.1807 Eine Zuweisung des Eigentums an den/die bisherigen Rechtsinhaber erschien nicht sachgerecht, weil sie nicht berücksichtigen würde, dass der Verarbeiter durch die von ihm aufgewandte Leistung einen ganz erheblichen Anteil an der Entstehung einer neuen Sache und dem darin verkörperten Wertzuwachs hat.1808 In § 950 BGB lebt damit die auf John Locke zurückgehende „Arbeitstheorie“ fort,1809 nach der jede Person durch die Arbeit ihres Körpers die natürlich vorhandenen Gegenstände mit der (ebenfalls „ihr gehörenden“) Arbeit vermischt und so zu ihrem Eigentum macht.1810 § 950 BGB stellt allerdings nicht auf den einzelnen Arbeiter ab, der die Veränderung der Sache praktisch bewirkt, sondern auf den Unternehmer, in dessen Namen und wirtschaftlichem Interesse die Herstellung erfolgt.1811 Das Eigentum erwirbt somit, wer den Produktionsvorgang in Gang setzt und steuert, weshalb auch vom „Produktionsprinzip“ gesprochen wird.1812 Der Vorschrift liegen damit nicht sozialpolitische, sondern wiederum wirtschaftliche Erwägungen zugrunde.1813 Die Zuweisung des Eigentums an den Unternehmer trägt dessen Berufs- und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG) Rechnung. Beide würden weitgehend entleert, wenn der Einsatz von Arbeit und Kapital nicht den Erwerb des Eigentums am Produktionsergebnis nach sich ziehen würde.1814 Nur die Zuordnung des Eigentums, das die Möglichkeit zur Veräußerung einschließt, stellt sicher, dass der verarbeitungsbedingte Mehrwert dem Unternehmer zufließt 1807 Vgl. BGH JZ 1972, 165 (166); BGHZ 65, 88 (90); Neuner, JuS 2007, 401 (406); Röthel, NJW 2005, 625 (627 f.). 1808 Vgl. F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 48; BGHZ 65, 88 (90). – Aus diesem Grund ist es auch richtig, dass § 950 BGB als spezieller gegenüber § 947 BGB angesehen wird, vgl. BGH NJW 1995, 2633; Jauernig/Jauernig, § 947 Rdnr. 5; ferner Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1067. 1809 R. Dreier, JuS 1996, 580 (582). 1810 Locke, The Second Treatise of Government, V. 27 ff. – Darstellungen bei R. Dreier, JuS 1996, 580 (582) m.w. N.; Koller, FG Weinberger, S. 252 f., 256, 260; Luhmann, Rechtstheorie Beiheft 11 (1991), S. 49; Ohly, JZ 2003, 545 (548) m.w. N.; Osterloh-Konrad, JbJgZivRW 2005, 33 (36 ff.); Zippelius, Rechtsphilosophie, § 35 I 2. Anklänge der Arbeitstheorie finden sich bei Beater, UFITA 127 (1995), 61 (63): Geistiges Eigentum sei „vielleicht sogar die schutzwürdigste Eigentumsform überhaupt“; vgl. ferner Burmeister, FS Leisner, S. 668 f. 1811 BGHZ 14, 114 (117); 20, 159 (163 f.); 46, 117 (119 f.); 103, 101 (107 f.); 112, 243 (249 f.); Palandt/Bassenge, § 951 Rdnr. 8; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 19; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1068. Kritisch Römer, Rechtstheorie Beiheft 4 (1982), 87 (102), der meint, die „Rechtslehre habe diesen Paragraphen umgedeutet“; Röthel, NJW 2005, 625 (628 f.). 1812 Etwa bei Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 a; Staudinger/Gursky (2004), Vorbem zu §§ 953 ff. Rdnr. 2. 1813 BGHZ 65, 88 (90); Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 a; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 971; Jauernig/Jauernig, § 950 Rdnr. 1. 1814 Vgl. BVerfGE 97, 228 (253); 115, 205 (229); 118, 1 (15): „Die Berufsfreiheit schützt die wirschaftliche Verwertung der beruflich erbrachten Leistung am Markt“.

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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und dieser so die Früchte seiner Betätigung erhält.1815 Das Recht auf Erwerb des Erzeugten entspricht insoweit funktional dem als Inhalt der Berufsfreiheit anerkannten Recht, eine angemessene Vergütung für seine dienstleistende Tätigkeit zu fordern.1816 Sachen, deren Hervorbringung zum wesentlichen Teil auf einer menschlichen Leistung beruht, müssen daher regelmäßig auch Eigentum des Herstellenden werden;1817 andernfalls wäre mittelbar die Berufsfreiheit selbst entwertet, da eine unternehmerische Tätigkeit ohne das Verwerten-Dürfen ihrer Früchte oftmals sinnlos ist. Die Interessen des (oder der) Eigentümer der Ausgangsstoffe am Erhalt ihres dinglichen Rechts werden dabei nicht vernachlässigt. Der Tatbestand des § 950 BGB verlangt einen signifikanten Wertzuwachs durch die Verarbeitung (S. 1 2. Hs), der bei einem Verhältnis des Arbeitswerts zum Stoffwert von mindestens 60:100 bejaht wird.1818 Ist diese Schwelle nicht erreicht, setzt sich das Behaltensinteresse gegen das (dann nur wenig ausgeprägte) Erwerbsinteresse in der gebotenen Weise durch. b) Sicherungsbedürfnis der Eigentümer der Ausgangsstoffe Übersteigt der Wertschöpfungsanteil des Verarbeiters die genannte Grenze, verweist § 951 Abs. 1 S. 1 BGB den/die Eigentümer der Ausgangsstoffe als Ersatz für den untergegangenen Vindikationsanspruch1819 auf den Wertausgleich nach den §§ 812 ff. BGB.1820 Dieser Ersatzanspruch ist i. d. R. auch durchsetzbar, da die neue Sache gewöhnlich wertvoller ist als die Ausgangsstoffe und so die Ersatzpflicht abdeckt.1821 Wegen seiner schuldrechtlichen Natur weist der Ersatzanspruch jedoch wiederum den Nachteil auf, im Insolvenzfall oft nur zu einer geringen Quote befriedigt zu werden. Die Diskussion, ob und inwieweit § 950 BGB disponibel ist1822 oder zu1815

Vgl. auch unten III.1.b). Statt vieler BVerfGE 88, 145 (159) 1817 Vgl. Burmeister, FS Leisner, S. 668 ff. 1818 BGH JZ 1972, 165 (166); BGH NJW 1995, 2633. Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 c will auch einen Minderwert von 20% genügen lassen. 1819 Vgl. RGZ 106, 4 (7); zur Einordnung des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Aufopferungsanspruch bereits oben Teil 2 C.II.4.b)dd)(1). 1820 Anders nur Herrmann, in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), S. 961 (973), die auch hier (vgl. Fn. 1723) eine Sperrwirkung des § 993 Abs. 1 BGB annimmt. Auch an dieser Stelle gilt jedoch, dass eine Verpflichtung zum Wertersatz nach § 951 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 818 Abs. 1–3 BGB wegen der immanenten Begrenzung des Anspruchs mit dem Zweck der Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses vereinbar ist und die Eigentumsgarantie umgekehrt eine Korrektur der Vermögensverschiebung verlangt. 1821 Vgl. Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnr. 1. 1822 Streng ablehnend Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 970 f.; 973 ff. Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 e; Staudinger/Wiegand (2004), § 950 Rdnrn. 27 ff.; Westermann/ Gursky, § 53 Rdnrn. 10, 20; bejahend dagegen Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 1816

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mindest die Person des Herstellers der „Definition“ durch die Parteien zugänglich ist,1823 beruht daher maßgeblich auf dem Bemühen, Gläubigern eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit für den eingeräumten Waren- oder Geldkredit zu verschaffen,1824 weil dies nur mit einer Ausschaltung der in § 950 BGB angeordnete Rechtsfolge möglich ist.1825 Die Eignung des Vorbehaltseigentums als Sicherungsmittel leidet somit darunter, dass der Vorbehaltskäufer nach § 950 BGB originär Eigentum erwirbt. Die Interessen der Zulieferer werden jedoch hierdurch nicht unzulässig verkürzt: Für den Vorbehaltseigentümer streitet in den genannten Situationen nur noch ein Wertinteresse; sein Sachnutzungsinteresse hat er bereits dadurch aufgegeben, dass er über die Waren zum Zweck der Weiterveräußerung oder -verarbeitung – wenn auch nur bedingt – verfügt hat.1826 Sein Interesse, die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten und bis zu deren Erbringung umfassend gesichert zu sein, kollidiert mit den Sicherungsinteressen aller übrigen Gläubiger. Diese mögen dem Produkt auf dem ersten Blick nicht so nahe stehen wie der Lieferant des Materials, so dass dessen Privilegierung zunächst sachgerecht erscheinen mag.1827 Zum Arbeitserfolg haben aber auch die Geldkreditgeber beigetragen, indem sie die anderen Produktionsmittel (insbesondere die Fertigungsanlagen, die betriebliche Organisation insgesamt und auch die Forschung zum Erwerb des erforderlichen Knowhows ermöglicht haben. Diese Produktionsfaktoren sind – gerade bei hochtechnisierter Produktion – ebenso wichtig und für die Wertschöpfung verantwortlich wie die materiellen Ausgangsstoffe.

Rdnr. 15; dafür ferner Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 397 ff., 565 f. – Zum Meinungsstand siehe weiter Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 19. 1823 Hierfür BGHZ 14, 114 (117); 20, 159 (163 f.); 46, 117 (119 f.); 103, 101 (110); BGH JZ 1972, 165 (166) m.w. N.; dies als inkonsequent ablehnend Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 519; Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 e; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 976. Oftmals wird jedoch der Kreis der Personen, die zulässigerwiese als Hersteller definiert werden können, auf die Warenlieferanten eingeengt; als Hersteller könne nur festgelegt werden, wer die Produktions- und Absatzrisiken trägt und die Produktion ökonomisch lenkt, so dass die Situation den typischen Fällen fremdnütziger Verarbeitung gleicht: Palandt/Bassenge, § 951 Rdnrn. 8, 11 f.; Soergel/Henssler, § 950 Rdnrn. 4, 14; darstellend Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 19. 1824 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 973, 976; Staudinger/Wiegand (2004), § 950 Rdnrn. 28 ff.; auch Westermann/Gursky, § 53 Rdnr. 19; Wiegand, FG BGH I, S. 775 f.; zur ähnlichen Situation bei § 651 BGB Röthel, NJW 2005, 625 (628 f.). 1825 Kommt § 950 BGB zur Anwendung, so kann der (Vorbehalts-)Verkäufer nur eine antezipierte Einigung und ein antezipiertes Besitzkonstitut vereinbaren, die das Eigentum, nachdem er Hersteller es erworben hat, sofort wieder an den Lieferanten zurückfallen lassen (siehe nur Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 g; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 518 a; Palandt/Bassenge, § 951 Rdnrn. 11, 13). Dieser Zwischenerwerb scheidet aber bei Insolvenz aus. 1826 Dies meint wohl auch F. Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 5, mit der Aussage, die Beziehung des Eigentümers zur Sache sei nachhaltig gelockert. 1827 Vgl. zum Ansatz der „Surrogationstheorie“ Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rdnr. 19.

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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Ein Gebot, den Warenkreditgebern Vorrang gegenüber den Geldkreditgebern einzuräumen, lässt sich somit nicht auf verfassungsrechtliche Überlegungen stützen. c) Sonderfragen im Zusammenhang mit künstlerischer Betätigung Werden Sachen im Rahmen einer künstlerischen Betätigung hergestellt oder verändert, ist Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu beachten.1828 Zu erörtern ist deshalb, ob der Zweck einer künstlerischen Betätigung den Zugriff auf das Eigentum anderer legitimieren kann, sowie, ob die Zuordnung des Eigentums abweichend von den allgemeinen Regeln zu erfolgen hat.1829 aa) Rechtswidrigkeit von Bearbeitungen fremder Sachen Die Freiheit der Kunst ist in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vorbehaltlos gewährleistet; weder der Schrankentrias aus Art. 2 Abs. 1 GG noch Art. 5 Abs. 2 GG sind entsprechend anwendbar.1830 Schranken ergeben sich somit nur aus anderen kollidierenden Bestimmungen der Verfassung,1831 zu denen auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG zählt, die den Staat zum Schutz des Eigentums gegen fremde Inanspruchnahme – und zwar gleich zu welchem Zweck – verpflichtet.1832 Da die Verfassungsbestimmungen, die als Schranken der Kunstfreiheit wirken, selbst im Lichte des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auszulegen sind,1833 müssen die widerstreitenden Freiheiten zu einem situationsgerechten Ausgleich gebracht werden. Wie die Vorrangentscheidung konkret ausfällt, hängt daher von den spezifischen Schutzrichtungen der Gewährleitungen und den Einzelfallumständen ab.1834 1828 Vgl. bereits die Ausführungen zu den „Sprayer-Fällen“ oben Teil 2 C.I.2.a) bb)(2)(b)(bb). 1829 Das Spannungsfeld von Eigentum und Urheberrecht kann hier nicht insgesamt beleuchtet werden; es werden nur diese Fragen behandelt. 1830 Siehe nur BVerfGE 30, 173 (191, 192 f.); 67, 213 (228); 83, 130 (139). 1831 Speziell für die Kunst BVerfGE 30, 173 (193); 67, 213 (228); 77, 240 (253); 81, 278 (292); 83, 130 (139); BVerwG NJW 1991, 983 (983 f.); NJW 1995, 2648 (2648, 2649); Isensee, AfP 1993, 619 (625); Schmieder, NJW 1982, 628 (628); Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464); Hömig/Antoni, Art. 5 Rdnr. 35; Zechlin, NJW 1984, 1091 (1092 f.); allgemein BVerfGE 28, 243 (260 f.); BVerwGE 87, 37 (45) m.w. N.; Lerche, HdbStR, § 122 Rdnr. 23; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 681 ff.; W. Schmidt, AöR 106 (1981), 497 (passim, insb. S. 506 f.); oben Teil 2 C.I.2.a)ee). 1832 Statt aller deutlich Schmieder, NJW 1982, 628 (630). 1833 BVerfGE 30, 173 (191 ff.); 77, 240 (253); 83, 130 (144); BVerwG NJW 1995, 2648 (2649). – Dies entspricht weitgehend der Wechselwirkungs-(Schaukel-)theorie zu Art. 5 Abs. 2 GG (Nachweise oben Fn. 598), vgl. Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (376); Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, 946 (949); Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2107). 1834 Vgl. BVerfGE 77, 240 (253, 255): Begrenzungen der vorbehaltlosen Grundrechte bestehen immer „nur in einzelnen Beziehungen“; BVerfGE 28, 243 (261); 81, 278 (289 f.); BVerfG NJW 2006, 596 (598); Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, 946 (948); Zechlin, NJW 1984, 1091 (1093).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Eine nach diesen Regeln zu behandelnde Kollision liegt nur vor, wenn das zu beurteilende Verhalten in den gegenständlichen und auch in den sachlichen Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt.1835 Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG soll vor zensierenden und reglementierenden Einwirkungen der öffentlichen Gewalt auf Inhalte, Methoden und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit schützen.1836 Diese Zielrichtung lässt sich insbesondere daraus ableiten, dass der historische Anlass für die Aufnahme der Kunstfreiheit in den Grundrechtskatalog das gewaltsame Vorgehen des Staates gegen Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus war.1837 Dieser Hintergrund schließt eine „Drittwirkung“ des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht per se aus, weil der Staat aufgrund der ihn treffenden Schutzpflicht auch gehalten ist, vergleichbare Beeinträchtigungen durch private Dritte zu verhindern und dem Künstler Entfaltungsmöglichkeiten auch bei Kollisionen mit geschützten Positionen anderer zu sichern.1838 Wenn sich der Schutz aber selbst in der ursprünglichen Abwehrrichtung gegenüber dem Staat auf das „kunstspezifische Verhalten“ konzentriert und sich weniger auf Handlungen „bei Gelegenheit“ der Kunstausübung erstreckt,1839 muss dies auch im Verhältnis zu anderen Privaten gelten. Die Sicherstellung freier geistig-künstlerischer Entfaltung verlangt keine Privilegierung zu Lasten fremder Rechtsgüter.1840 Im generellen Verbot, sich künstlerisch unter Verwendung fremden Eigentums zu betätigen, liegt somit keine (unmittelbare oder auch nur mittelbare) staatliche Steuerung, Bewertung und Bevormundung.1841

1835

Vgl. zum Folgenden bereits oben Teil 2 C.I.2.a)bb)(2)(b)(aa). Vgl. BVerfGE 30, 173 (190); BVerfG NJW 1984, 1293 (1294); Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (175 f.); Hoffmann, NJW 1985, 237 (238); Isensee, AfP 1993, 619 (621 f.); Hömig/Antoni, Art. 5 Rdnrn. 30 f.; Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464 f.). 1837 Vgl. BVerfGE 67, 213 (224); Isensee, AfP 1993, 619 (621). – Verboten ist daher auch, bestimmte Kunstrichtungen mittels eines wertenden Kunstbegriffs auszugrenzen (siehe nur Zechlin, NJW 1984, 1091 (1092); Henschel, NJW 1990, 1937 (1938 f.), je m.w. N.). Auch wenn Kunst demnach nicht definiert werden kann, muss im Einzelfall entschieden werden, ob ein Sachverhalt dem Lebensbereich „Kunst“ zugeordnet werden kann, weil sich andernfalls jeder durch bloße Behauptungen auf dieses besondere Eingriffsverbot berufen könnte ( BVerfGE 67, 213 (225); Isensee, AfP 1993, 619 (622); F. Müller, JuS 1981, 643 (644); Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464); Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 (452): „verfassungsdogmatisches Dilemma“). Zum „materiellen“, „formalen“ und „offenen“ Kunstbegriff vgl. BVerfGE 67, 213 (224 ff.); 75, 369 (377); Isensee, AfP 1993, 619 (622 ff.); Nierhaus, AöR 116 (1991), 72 (86 ff.); Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnr. 660. 1838 Vgl. Schmieder, NJW 1982, 628 (629). 1839 Zu dieser Differenzierung Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 660 ff.; Hoffmann, NJW 1985, 237 (238 ff.); Zechlin, NJW 1984, 1091 (1092), je m.w. N.; kritisch F. Müller, JuS 1981, 643 (644) m.w. N. 1840 Vgl. Wahl, UTR 14 (1991), 7 (31, 34) zur Forschungsfreiheit. 1841 Isensee, AfP 1993, 619 (625). Vgl. auch Wahl, UTR 14 (1991), 7 (35), dem zufolge ein Eingriff (nur) vorliegt, wenn der Staat gerade die benötigten Objekte für unverfügbar erklärt. 1836

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Die Kunstfreiheit erstreckt sich damit von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der eigenen künstlerischen Entfaltung,1842 etwa durch das Aufsprühen von Graffitis. Die Eigentumsgarantie des Betroffenen zwingt den Gesetzgeber vielmehr, beschädigende Handlungen – auch unter Androhung strafrechtlicher Sanktionen – zu verbieten1843 und zivilrechtliche Schadensersatzpflichten vorzusehen.1844 Die allgemeine Zivilrechtsordnung, die Abwehransprüche gegen Eigentumsbeeinträchtigungen vorsieht und bei erfolgten Veränderungen Schadensersatzansprüche gewährt, wird somit durch den Handlungszweck, sich künstlerisch zu betätigen, nicht berührt.1845 Da somit kein Bürger vom anderen beanspruchen kann, dass dieser ihm sein Eigentum zur Verfügung stelle, um von seinen Grundrechten Gebrauch machen zu können,1846 trifft den Künstler die Obliegenheit, sich die erforderlichen Gegenstände nach den allgemeinen Regeln der Rechtsordnung zu beschaffen.1847 Praktisch relevant wird die grundrechtliche Garantie erst, wenn die künstlerische Betätigung mangels tatsächlicher Voraussetzungen faktisch nicht mehr möglich ist.1848 Auch in diesem Fall richtet sich an den Staat jedoch nur ein Leistungsanspruch,1849 in dessen Rahmen der Gesetzgeber in sein Ermessen auch einstellen darf, ob und welche Alternativen zur Verfügung stehen.1850

1842 So wörtlich der „Sprayer-Beschluss“ BVerfG NJW 1984, 1293 (1294); zustimmend Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (372); Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (175 f.); Isensee, AfP 1993, 619 (625 f.); Kriele, JA 1984, 629 (636); F. Müller, JuS 1981, 643 (644); Wahl, UTR 14 (1991), 7 (33); M. Wolf, Sachenrecht (23. Aufl.), Rdnr. 74; BVerwG NJW 1995, 2648 (2649); OLG Köln NJW 1998, 1405 (1405). 1843 BVerfG NJW 1984, 1293 (1294). 1844 Hoffmann, NJW 1985, 237 (245); Schmieder, NJW 1982, 628 (630). – Dies muss sowohl im „Werkbereich“ als auch im „Wirkbereich“, zwischen denen verbreitet differenziert wird, gelten. Obwohl für beide Aspekte der Prüfungsmaßstab identisch ist, wird eine tatsächliche Vermutung dafür angenommen, dass im Wirkbereich die Kunstfreiheit eher den Vorrang genießt, vgl. BVerfGE 77, 240 (253 ff.); Hömig/Antoni, Art. 5 Rdnr. 31; BVerwG NJW 1995, 2648 (2648 f.). Wie Henschel, NJW 1990, 1937 (1942) zutreffend darlegt, liegt dies daran, dass im Wirkbereich wegen der zwangsläufig vorhandenen Außenwirkung und -berührung eher Rechte Dritter betroffen sind als im Werkbereich. 1845 Hoffmann, NJW 1985, 237 (245); Schmieder, NJW 1982, 628 (630); ähnlich auch Rüfner, Der Staat 7 (1968), 41 (55 ff.). 1846 Ebenso OLG Köln NJW 1998, 1405 (1405) sowohl im Bezug auf die Kunst als auch auf die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG; kürzer OLG Köln NJW 1995, 3319 (3320); ferner BVerwGE 102, 260 (269) zur Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG); noch allgemeiner Dürig, FS Nawiasky, S. 174. 1847 Wahl, UTR 14 (1991), 7 (35). 1848 Vgl. BVerfG NJW 2002, 3458 (3460); BVerfGE 31, 229 (239 f.). 1849 Henschel, NJW 1990, 1937 (1942). 1850 Vgl. Leuschner, Verkehrsschutz und Verfassungsrecht, S. 99.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

bb) Kein zwingender Eigentumserwerb infolge künstlerischer Bearbeitung Aus diesen Überlegungen folgt zugleich, dass die Regeln zum Eigentumserwerb in den §§ 946 ff. BGB keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sind, obwohl sie die Fälle der künstlerischen Be- und Verarbeitung nicht besonders behandeln. Die Unnachgiebigkeit des BGB1851 gegenüber den Kunstfreiheit in Fällen, in denen die von § 950 BGB tatbestandlich geforderte Wertsteigerung nicht erzielt wird1852 oder Immobilien bearbeitet werden (§ 946 BGB), wirft keine Bedenken auf. Anders als bei einer echten Zensur ist nicht der status negativus betroffen,1853 da die Vorenthaltung von Entfaltungschancen unterschiedslos alle Personen und die Kunstschaffenden unabhängig von Stil und Intention trifft, so dass keine Gefahr staatlichen Kunstrichtertums besteht. Da Kunst gerade nicht um des wirtschaftlichen Erfolgs wegen betrieben wird, ist die Verwertung des Geschaffenen auch nicht untrennbarer Bestandteil dieser Freiheit.1854 Das Eigentum ist demgegenüber bei künstlerischer Bearbeitung im gleichen Maße schutzwürdig und -bedürftig wie gegenüber Verarbeitungen zu rein wirtschaftlichen Zwecken. Ein eigenmächtiges Verhalten eines Künstlers muss daher nicht einen Eigentumserwerb an der Sache nach sich ziehen. cc) Beseitigungsbefugnis des Eigentümers trotz fremden Urheberrechts Die Rechte des Künstlers könnten gleichwohl die Herrschaftsmacht des Eigentümers – die grundsätzlich auch beinhaltet, das optische Erscheinungsbild nach eigenem ästhetischen Belieben bestimmen zu können1855 – insofern reduzieren, als diesem die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verboten ist, wenn damit eine Zerstörung des geschaffenen Kunstwerks einhergeht. Eigentum und Urheberrecht sind grundsätzlich voneinander unabhängig und stehen selbstständig nebeneinander. Das Eigentum darf daher nur unbeschadet bestehender urheberrechtlicher Positionen – die „Rechte anderer“ i. S. v. § 903 1851

Formulierung in Anlehnung an Hoffmann, NJW 1985, 237 (245). Ist dies der Fall, fehlt es an einem Eingriff, da § 950 BGB das Eigentum selbst in Fällen, in denen sich der Künstler bewusst oder unbewusst an fremdem Eigentum vergreift, ihm zuweist. Vgl. Hoffmann, NJW 1985, 237 (244); Schmieder, NJW 1982, 628 (630); H. Schack, GRUR 1983, 56 (60). 1853 Vgl. Isensee, AfP 1993, 619 (628); ferner Henschel, NJW 1990, 1937 (1942): status positivus, nicht das Abwehrrecht betroffen. 1854 Ebenso im Ergebnis BVerfGE 31, 229 (238 ff.); BVerfG NJW 2002, 3458 (3460); Henschel, NJW 1990, 1937 (1939): Die wirtschaftliche Verwertung des Kunstwerks ist nicht geschützt, sofern dies nicht zu einer Unmöglichkeit der Freiheitsausübung führt. Vgl. auch unten III.1.b)aa) (S. 687 ff.). 1855 BVerfGE 90, 27 (34); Hoffmann, NJW 1985, 237 (245); oben B.IV.1.a)dd). 1852

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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S. 1 BGB darstellen – genutzt werden.1856 Die Rechte des Urhebers ent- und bestehen auch ungeachtet der sachenrechtlichen Eigentumslage.1857 Hat ein Künstler ein Werkstück aus Ausgangsstoffen geschaffen, die in seinem Eigentum standen, und das Werkstück anschließend veräußert, bewirkt der Erschöpfungsgrundsatz, dass mit dem Inverkehrbringen durch Veräußerung die Urheberverwertungsrechte erlöschen.1858 Der neue Eigentümer kann deshalb mit dem einzelnen Werkstück beliebig verfahren, solange er nicht das fortbestehende Urheberpersönlichkeitsrecht des Künstlers verletzt oder eine untersagte Verwertungshandlung vornimmt.1859 Insbesondere darf er das Werkstück weiterveräußern, in gewissem Umfang umgestalten1860 und nach dem Verständnis der h. M.1861 sogar vollständig zerstören; verboten ist dem Eigentümer nur, das Kunstwerk zu entstellen (§ 14 UrhG). Standen die Ausgangsmaterialien im Eigentum eines anderen, erlaubt der BGH dem Eigentümer, den vorherigen Zustand wiederherzustellen (und dadurch das Kunstwerk zu zerstören)1862 oder die Sache weiterzuverkaufen, verbietet ihm aber, das Kunstwert selbstständig zu verwerten.1863 Ersteres ist verfassungsrechtlich geboten, da sonst das Eigentumsrecht unzumutbar beeinträchtigt würde.1864 Will der Künstler den dauerhaften Erhalt und Bestand seines Kunstwerks sicherstellen, muss er eigenes Material verwenden1865 oder sich ein Nutzungsrecht einräumen lassen, das die Zerstörung verbietet. Im Beseitigungsrecht des Eigentümers wirkt damit der Umstand, dass die Kunstfreiheit auch verfassungsrechtlich nicht die Inanspruchnahme fremder Güter gewährt, fort und rechtfertigt dieses.1866 Zudem berücksichtigt die Lösung des BGH, dass auch der gewöhnliche Weiterverkauf eines Gegenstandes dem Eigentümer weiter möglich sein 1856

RGZ 79, 397 (400, 401 f.); BGHZ 33, 1 (15); 62, 331 (333). Siehe nur BGHZ 129, 66 (70); Loewenheim, Anm. LM § 17 UrhG Nr. 15; H. Schack, GRUR 1983, 56 (60). 1858 Siehe nur Beater, UFITA 127 (1995), 61 (64 ff.); BGHZ 129, 66 (73 f.). 1859 Vgl. BGHZ 129, 66 (70 f.). 1860 BGHZ 62, 331 (334 ff.). 1861 RGZ 79, 397 (401); weitere Nachweise aus der urheberrechtlichen Literatur bei Beater, UFITA 127 (1995), 61 (72, Fn. 41), der selbst zumindest für die vorliegenden Fälle dem zustimmt. Für eine Ausdehnung des „Entstellens“ auf das „Zerstören“ H. Schack, GRUR 1983, 56 (57) m.w. N. (Fn. 9 ff.), der zwar stets eine Interessenabwägung verlangt, die aber bei aufgedrängter Kunst regelmäßig zugunsten des Eigentümers ausfällt (S. 60). 1862 Beater, UFITA 127 (1995), 61 (62 f.). 1863 BGHZ 129, 66 (71); i. E. ebenso auch Schmieder, NJW 1982, 628 (630); zustimmend Loewenheim, Anm. LM § 17 UrhG Nr. 15; Beater, UFITA 127 (1995), 61 (74 f.). 1864 BGHZ 129, 66 (72) stellt hier auf die Privatautonomie ab, führt aber § 903 BGB an. 1865 Loewenheim, Anm. LM § 17 UrhG Nr. 15. 1866 Lediglich die Richtung hat sich geändert: Während der Abwehranspruch zunächst auf Unterlassung künftiger/bevorstehender faktischer Veränderungen gerichtet 1857

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muss, weil die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Verfügungsfreiheit verletzt wäre, wenn die rechtwidrige künstlerische Verarbeitung dazu führen würde, dass die Sache nur noch „als Kunstwerk“ – und damit zu einem erhöhten Preis und unter anderen Rahmenbedingungen – veräußert werden dürfte.1867 Erst eine spezifische Verwertung des Kunstwerks tangiert die urheberrechtlichen (Verwertungs-)Rechte; dies ist aber auch legitim, weil sich der Eigentümer dann das Kunstwerk durch eine selbstständige Verwertungshandlung wirtschaftlich zunutze macht und zu erkennen gibt, dass er es als solches akzeptiert.1868 Diese differenzierte Lösung bewirkt damit, dass der Eigentümer, auf dessen Sache in rechtswidriger Weise eingewirkt wurde, nicht schlechter steht als derjenige, der ein Werkstück im Wissen um das daran bestehende Urheberrecht käuflich erworben hat.1869 Dieses Beseitigungsrecht ist von Art. 14 GG garantiert. Auch der Künstler wird jedoch nicht völlig schutzlos gestellt, wie es der Fall wäre, wenn urheberrechtliche Positionen überhaupt nicht bestünden.1870 Durch das auch Verbot der Entstellung wird schließlich das Urheberpersönlichkeitsrecht, dessen Kern verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG genießt, hinreichend gewahrt.

III. Neuerwerb und Fruchterwerb 1. Verfassungsrechtliche Ausgangspunkte a) Regelungskonzepte und ideengeschichtlicher Hintergrund Das Erfordernis, neu gebildete Sachen einem Rechtsträger zuzuordnen, besteht in noch deutlicherer Weise in den Fällen der Aneignung, des Fruchterwerbs und des Schatzfundes, für die sich gesetzliche Regelungen in § 958, §§ 953 ff. und § 984 BGB finden. Anknüpfungspunkte sind in den genannten Bestimmungen im Wesentlichen das Eigentum an der Sache, zu der die neu gebildete Sache in Beziehung

war, bewirkt er, nachdem die Einwirkung erfolgt ist, dass das Urheberrecht einer Rückgängigmachung der Veränderung nicht im Weg steht. 1867 Zutreffend Loewenheim, Anm. LM § 17 UrhG Nr. 15; vgl. ferner BGHZ 129, 66 (71 f.). 1868 Beater, UFITA 127 (1995), 61 (73 f.). – Diese Überlegung liegt auch den einzelnen Lösungen zur „aufgedrängten Bereicherung“ zugrunde, vgl. Erman/Ebbing, § 951 Rdnr. 14; Erman/Westermann/Buck-Heeb, § 818 Rdnr. 3; Staudinger/Gursky (2004), § 951 Rdnrn. 46 ff.; jurisPK/Vieweg, § 951 Rdnrn. 61 ff. 1869 Da dem Eigentümer der ungewollt bearbeiteten Sache noch weniger Rücksichtnahme auf den Künstler und dessen Interesse, das Werk zu erhalten, zuzumuten ist, gilt der „Erst-Recht-Schluss“. 1870 Vgl. BGHZ 129, 66 (70).

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stand,1871 oder die Person, die zuerst die Herrschaft über die neue Sache erlangt hat.1872 Die Zuordnung an denjenigen, der eine Sache erstmals in Besitz genommen hat, entspricht der klassischen Okkupationstheorie des Eigentums, die bereits im römischen Recht galt1873 und sich z. B. bei Thomas Hobbes und Immanuel Kant findet. Nach ihr gilt für den Eigentumserwerb das Prioritätsprinzip1874, das auf dem fingierten Konsens aller Staatsbürger beruht, dass dem ersten Besitzer einer Sache neben der (bereits durch die Besitznahme erlangten) faktischen Herrschaftsmacht auch die rechtlichen Befugnisse zukommen sollen.1875 In den Fällen, in denen eine Sache aus einer anderen Sache gebildet wird, wählt der Gesetzgeber dagegen – ähnlich wie bereits bei den §§ 946 bis 948 BGB – grundsätzlich die Zuweisung an deren Eigentümer. b) Wirkungsweise der Eigentumsgarantie beim originären Erwerb Der derivative Erwerb ist sachlich der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zuzuordnen.1876 Auch bei der Möglichkeit, Eigentum an neu geschaffenen selbstständigen Sachen originär zu erwerben, handelt es sich zunächst nur um eine Erwerbschance, die (noch) nicht eigentumsrechtlichen Schutz genießt. Der Eigentümer der Muttersache bzw. der die Sache Ergreifende mag zwar der neuen Sache von Anfang an tatsächlich näher stehen als andere Personen; solange es jedoch an jeglichen rechtlichen Regelungen fehlt, die einen Eigentumserwerb durch ihn zumindest vorzeichnen,1877 ist im Hinblick auf die neue Sache kein „Schutz der im Werden begriffenen Position“ geschuldet.1878 aa) Vorgaben für die Schaffung und Ausgestaltung originärer Eigentumserwerbstatbestände Aus dem Inhaltsbestimmungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit der in Art. 14 GG insgesamt ausgesprochenen Grundentscheidung zugunsten 1871

So bei § 953 und dem „Eigentümeranteil“ in § 984 BGB. So in § 958 BGB und beim „Entdeckeranteil“ des § 984 BGB. 1873 Vgl. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 26 Rdnr. 2: res nullius cedit primo occupanti. 1874 Zu ihm allgemein Neuner, AcP 203 (2003), 46 ff., speziell bei der Okkupation S. 65, 73 ff. 1875 Vgl. Hobbes, De Cive, 3. Kapitel 18; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 1. Teil. Das Privatrecht, § 14 (S. 263); Darstellung bei R. Dreier, JuS 1996, 580 (582); Neuner, AcP 203 (2003), 46 (73); teils anders Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 50. 1876 Vgl. oben Teil 3 C.I.2.c). 1877 In BVerfGE 114, 1 (41) waren diese Regelungen vertrags- und aufsichtsrechtlicher Art; im vorliegenden Fall kämen nur zivilrechtliche Bestimmungen in Betracht. 1878 Vgl. zum Ganzen BVerfGE 114, 1 (37 ff., 41); BVerfG NJW 2006, 1783 (1784 f.). 1872

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des Privateigentums folgt, dass der Gesetzgeber, wenn in Betracht kommt, private Rechte entstehen zu lassen und als Eigentum mit umfassenden Abwehrrechten auszustatten, alle für und wider sprechenden Gesichtspunkte berücksichtigen muss.1879 Da die Eigentumsgarantie in diesem Zusammenhang aber nur eine abstrakte „Vorwirkung“ dahin entfaltet, dass tendenziell Eigentum gebildet werden soll, kann der Gesetzgeber in der vorzunehmenden Abwägung andere vernünftige Ziele und Gründe vorziehen und ihretwegen davon absehen, einen an sich denkbaren Eigentumserwerb anzuordnen.1880 Als weitere Determinationsfaktoren wirken grundrechtlich geschützte Freiheiten und Interessen der anderen beteiligten Personen, die (wie bereits für Art. 12 GG dargelegt wurde) für einen originären Eigentumserwerb – und zwar durch diese Personen – streiten können. So folgt aus der Berufs- oder Unternehmerfreiheit, dass Sachen, deren Hervorbringung zum wesentlichen Teil auf einer menschlichen Leistung beruht, tendenziell Eigentum des Herstellenden werden sollen, zumal die spätere Vermarktung dieser Gegenstände Bedingung der gewerblichen Tätigkeit ist.1881 Insgesamt kommt es damit auf das Gewicht der Eigentumsvorwirkungen und der anderen Individualinteressen gegenüber den kollidierenden Belangen in der jeweiligen Konstellation an. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum ist dabei groß. Solange grundrechtlich geschützte Positionen nicht unmittelbar berührt werden, ist die Entscheidung der Legislative, ob eine bestimmte Person aufgrund bestimmter äußerer Veränderungen oder Ereignisse originär Eigentum erwerben soll, verfassungsrechtlich nicht vorgegeben.1882 bb) Besondere Wirkungen des Art. 14 GG in Fällen des originären Erwerbs Für einzelne Fälle des originären Erwerbs ergeben sich allerdings, ausgehend von diesem Rahmen, durchaus greifbare und strikte Vorgaben. Der originäre Erwerb von abgetrennten Sachbestandteilen und -früchten ist – anders als der rechtgeschäftliche Erwerb – im Regelfall untrennbar mit einem 1879

Oben Teil 2 B.II.3.a)dd)(4). BVerfGE 61, 291 (308) lässt hier die „Verantwortung des Menschen für die gefährdete Tierwelt“ als Motivation für das Gesetz genügen (Art. 20 a GG war damals noch nicht in Kraft). 1881 Vgl. BVerfGE 61, 291 (307 f.), dort zutreffend verneint für wildlebende Vögel. Burmeister, FS Leisner, S. 668 ff., insbes. S. 675, nimmt bei Hervorbringung der Sache durch einen Menschen einen automatischen und nicht ausschließbaren Eigentumserwerb an und sieht von Art. 14 GG nur die sonstigen Erwerbsfälle erfasst (und jederzeit beliebig einschränkbar). Vgl. ferner die entsprechenden Überlegungen zu § 950 BGB oben bei II.2.a), sowie bei Neuner, AcP 203 (2003), 46 (64 f., 71 ff.) insbes. für die Immaterialgüter. 1882 BVerfGE 61, 291 (308). 1880

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Sachgebrauch verbunden: Die Ernte von Feldfürchten, der Abbau von Bodenbestandteilen, aber auch die Zerteilung einer Sache in neue, selbstständige körperliche Gegenstände sind jeweils als Nutzung der Ausgangssache i. w. S. zu begreifen. Oftmals liegt in der Abspaltung von Früchten und Bestandteilen sogar eine in wirtschaftlicher Hinsicht besonders wichtige Form der Sachnutzung. Derartige Vorgänge stellen somit eine Ausnutzung der positiven Befugnisse i. S. v. § 903 S. 1 BGB dar, die von Art. 14 GG grundsätzlich garantiert sind. Der wirtschaftliche Vorteil dieser Tätigkeiten bleibt dem Eigentümer nur erhalten, wenn er auch Eigentümer der Erzeugnisse wird, weil er nur dann gegen Einwirkungen anderer geschützt wird und zur entgeltlichen Veräußerung der neuen Sachen berechtigt ist. Der Charakter des Eigentums als ausschließliche Nutzungsbefugnis an der Muttersache gebietet daher, das Fruchtziehungsrecht an der Ausgangssache und das Eigentum an den Erzeugnissen exklusiv dem Eigentümer zuzuweisen. Würde der Eigentümer der Muttersache nicht Eigentümer der abgetrennten Teile, läge ein gesetzgeberischer Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG vor, weil die Befugnis des Eigentümers, beliebig mit der Sache zu verfahren und diese zur Grundlage seines wirtschaftlichen Tätigwerdens zu machen, durch die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen indirekt eingeschränkt würde.1883 Könnten andere Personen Früchte oder Bestandteile abtrennen und hierdurch dauerhaft Eigentum erwerben, obwohl darin eine Beschädigung der Muttersache liegt, wäre zudem die staatliche Schutzpflicht für die Sachsubstanz vernachlässigt. Derartige schädliche Einwirkungen blieben nämlich dann zivilrechtlich – u. U. auch strafrechtlich – folgenlos. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet somit, dass Sachen, die Bestandteile anderer Sachen waren oder als deren Früchte anzusehen sind, grundsätzlich dem Eigentümer der „Mutter“sache als Eigentum zugeordnet werden müssen.1884 Eine andere Zuweisung setzt voraus, dass ausnahmsweise Interessen anderer oder der Allgemeinheit vorzugswürdig sind. 2. Erwerb von Erzeugnissen und Bestandteilen Die Bestimmungen über den Erwerb von Erzeugnissen und Bestandteilen im BGB erschöpfen sich gleichwohl nicht in der Grundregel des § 953 BGB,1885 der das Eigentum an abgetrennten Früchten und Bestandteilen dem Eigentümer der Muttersache zuweist und damit der soeben entwickelten Forderung voll ent1883 Zum gleichen Ergebnis führt der „offene Eigentumsbegriff“, weil eine andere Regelung die Privatnützigkeit missachten würde und nicht mehr als sachgerechte, verhältnismäßige Ausgestaltung angesehen werden könnte. – Wie hier i. E. Engel, AöR 118 (1993), 169 (181). 1884 Vgl. Herzog, FS Zeidler, S. 1427 f.; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 41. 1885 Siehe nur Wieling, Sachenrecht, § 11 III 1; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 25.

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spricht. Diese Regelung wird vielmehr auf einer zweiten Stufe (§§ 954, 955 BGB) insoweit modifiziert, als ein gesetzlicher dinglicher Erwerbsgrund oder der gute Glaube an einen solchen vorgeht. Auch diesen Vorschriften gegenüber hat wiederum auf einer dritten Stufe (§§ 956, 957 BGB) ein rechtgeschäftlicher Erwerb – vom Berechtigten oder vom Nichtberechtigten – aufgrund einer sog. Aneignungsgestattung Vorrang.1886 Verstöße gegen zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben liegen hierin bei näherem Hinsehen nicht. Unproblematisch sind zunächst die Fälle des § 954 und des § 956 BGB, in denen die Zuweisung des Eigentums an den Besitzer o. ä. auf eine Verfügung1887 des Eigentümers zurückzuführen ist.1888 Keinen Bedenken begegnen ferner § 955 Abs. 1 u. Abs. 2 und § 957 BGB, die dem Schutz von Personen dienen, die an die Wirksamkeit einer Rechtsbestellung oder Gestattung durch einen angeblichen Eigentümer glauben durften oder sich sonst ohne grobe Fahrlässigkeit für fruchtziehungsberechtigt halten. Diese Bestimmungen sind eine systemkonforme Fortschreibung der §§ 932 ff. BGB, so dass sie durch die dort entwickelten Überlegungen gerechtfertigt werden. Dies gilt umso mehr, als die §§ 954 ff. BGB nur eine formelle Zuordnung bewirken, jedoch keine Aussage dazu treffen, ob der Erwerber die Früchte dauerhaft behalten kann:1889 Der Fruchterwerb steht unter dem Vorbehalt eines schuldrechtlichen Ausgleichs; insbesondere unterliegt ein Besitzer, der nach § 955 BGB erwirbt, der Pflicht zur Herausgabe oder Ersatz der Nutzungen nach den §§ 987 f. BGB.1890 Der Fruchterwerb kann ferner Schadensersatzansprüche auslösen.1891 Die Eingriffswirkung für den Eigentümer besteht somit ausschließlich darin, dass sein dinglicher An1886 Formulierung nach Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 941; zu diesem Vorrangverhältnis und der daraus resultierenden „Prüfungsreihenfolge“ vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rdnr. 45; Staudinger/Gursky (2004), Vorbem zu §§ 953 ff. Rdnr. 3; Vieweg/ Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 25. 1887 Die Erwerbsgestattung nach § 956 Abs. 1 BGB ist eine Verfügung (siehe nur Jauernig/Jauernig, § 956 Rdnr. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rdnr. 59; vgl. ferner BGHZ 27, 360 (364 f.)). Dies gilt unabhängig davon, ob man sie als Fall der Übereignung künftiger Sachen und damit als dinglichen Vertrag (so Wieling, Sachenrecht, § 11 III 4 a aa m.w. N.; Palandt/Bassenge, § 956 Rdnr. 2; RGZ 78, 35 (36)) begreift oder in ihr ein sonstiges, einseitiges (so Erman/Ebbing, § 956 Rdnrn. 3 f.) oder zweiseitiges (so Staudinger/Gursky (2004), § 956 Rdnr. 9) Rechtsgeschäft sieht (zum Meinungsstand vgl. ferner Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 26). 1888 Vgl. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 26 Rdnr. 2; Staudinger/Gursky (2004), Vorbem zu §§ 953 ff. Rdnr. 2 zum Substantialprinzip des späteren römischen Rechts. 1889 Siehe nur Jauernig/Jauernig, Vor §§ 953–957 Rdnr. 3; Palandt/Bassenge, Vorbem v §§ 953–955 Rdnr. 1; Wieling, Sachenrecht, § 12 IV 7; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rdnr. 46. 1890 Streitig ist lediglich, ob bei Früchten, die nicht nach den §§ 955, 957 BGB vom Besitzer erworben worden sind, allein § 985 BGB anzuwenden ist oder daneben auch aus §§ 987 f. BGB eine Herausgabepflicht folgt; siehe nur Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rdnr. 25 m.w. N. 1891 Vgl. Jauernig/Jauernig, Vor §§ 953 ff. Rdnr. 3.

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spruch in einen obligatorischen Anspruch umgewandelt wird. Dies hat er jedoch aus den dargestellten Gründen des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit, die mit der formellen Rechtszuordnung verfolgt werden, hinzunehmen. 3. Aneignung a) Grundregel (§ 958 Abs. 1 BGB): Jedermann-Recht Für herrenlose Sachen – d.h. solche, die noch nie im Eigentum eines Menschen gestanden haben oder die derelinquiert worden sind (§ 959 BGB)1892 – greift das BGB in § 958 Abs. 1 BGB auf den Gedanken der Okkupation zurück.1893 Verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Eigentümers des Grundstücks, auf dem die Sache ergriffen wird, werden dadurch nicht verletzt: Der Grundstückseigentümer steht in den Fällen, in denen § 958 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommt, der Sache typischerweise nicht näher als jede andere Person, weil die Sache sich rein zufällig dort befindet. Zudem kommt die Aneignung praktisch nur noch bei derelinquierten Sachen vor,1894 also solchen, die ein anderer nicht mehr haben wollte,1895 was impliziert, dass diese keinen positiven Wert aufweisen. Das Nutzungs- oder Wertinteresse des Eigentümers im Hinblick auf das Grundstück wird daher nicht berührt, wenn jedermann sich herrenlose Sachen aneignen kann, die sich dort befinden. b) Aneignungsverbote (§ 958 Abs. 2 BGB) aa) Funktionen von § 958 Abs. 2 Var. 1 und Var. 2 BGB Das Prinzip der Aneignung durch Jedermann wird durch § 958 Abs. 2 BGB eingeschränkt, der den Eigentumserwerb ausschließt, wenn ein absolutes Verbot der Aneignung oder ein besonderes Aneignungsrecht einer anderen Person besteht. § 958 Abs. 2 Var. 1 BGB und die dort in Bezug genommenen absoluten Aneignungsverbote (z. B. § 44 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2, Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 BNatSchG 2009)1896 sollen Verbote zum Schutz von Allgemeinbelangen sanktionieren:1897 1892

Staudinger/Gursky (2004), § 958 Rdnr. 2. Vgl. oben 1.a). 1894 Ebenso die Feststellung bei Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 58 Rdnr. 7; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rdnr. 67. 1895 Eine Pflicht zur Bevorzugung des Grundstückseigentümers kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Derelinquent gerade dem Eigentümer des Grundstücks die ausschließliche Aneignungschance verschaffen wolle. Ein derartiger Wille (der als Übereignungsangebot zu deuten wäre, da eine Dereliktion zugunsten einer konkreten anderen Person ohnehin möglich ist, vgl. Palandt/Bassenge, § 959 Rdnr. 1; RGZ 83, 223 (229)) kann nicht unterstellt werden. 1896 Zu den im Text genannten und weiteren Beispielen für die beiden Fälle des § 958 Abs. 2 BGB vgl. Staudinger/Gursky (2004), § 958 Rdnrn. 9 f., 11 f.; Wester1893

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So würde das Verbot, geschützte Pflanzen auszugraben oder zu pflücken, konterkariert, wenn der Zuwiderhandelnde zivilrechtlich Eigentümer würde, weil ihm dadurch rechtlich die Möglichkeit der Nutzung und der Verfügung über die Sachen zugewiesen würde. Die Aneignungsverbote ähneln damit funktional den Einziehungstatbeständen 1898; während diese nachträglich wirken, sollen die Aneignungsverbote das Entstehen einer rechtlich anerkannten Position von vornherein verhindern. Das Erwerbshindernis des § 958 Abs. 2 Var. 2 bezweckt den Schutz der ausschließlichen Aneignungsrechte zugunsten bestimmter Personen (z. B. § 1 BJagdG; § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 BBergG), die oft selbst Eigentum i. S. d. Art. 14 GG darstellen1899 und deren Inhalt gerade in der Zuweisung einer exklusiven Aneignungsbefugnis an ihren Inhaber liegt. Der Umstand, dass das Gesetz dabei den Berechtigten nicht sofort das Eigentum an den Sachen zuweist, ist allein darin begründet, dass bei Sachen, die erst erlegt, gefördert oder abgetrennt werden müssen, vor diesem Gewinnungsakt die für das Eigentum typische Bestimmtheit und Beherrschbarkeit durch den Rechtsinhaber fehlt.1900 bb) Gesetzgebungskompetenz für Aneignungsverbote Aus den Funktionen der Aneignungsverbote oder -rechte ergibt sich, dass die Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 ff. GG) zu ihrem Erlass der jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenz folgt.1901 Aneignungsrechte und -verbote stellen effektive Mittel zur Verfolgung von Regelungszielen dar und können Systembrüche und Wertungswidersprüche vermeiden. Die Kompetenzen zur Regelung einer Sachmaterie beinhalten daher – jedenfalls als Annex – auch die Befugnis, die getroffenen Sachregelungen mit einem absoluten Aneignungsverbot zu unterstützen (§ 958 Abs. 2 Var. 1 BGB) oder dem Inhaber einer (dort näher ausgestalteten) Rechtsposition ein exklusives Aneignungsrecht zuzuweisen (§ 958 Abs. 2 Var. 2 BGB). Die bundesrechtliche Bestimmung des § 958 Abs. 2 BGB transformiert – ähnlich wie bei § 134 BGB – derartige Regelungen, auch wenn sie von den Ländern erlassen wurden, in das bürgerliche Recht.1902 mann/Gursky, Sachenrecht, § 58 Rdnrn. 7 f.; Soergel/Henssler, § 958 Rdnrn. 6 f.; Wieling, Sachenrecht, § 11 IV 1 b. 1897 Burmeister, FS Leisner, S. 672. 1898 Zu diesen bereits oben Teil 2 B.III.2.b)dd)(5)(c). 1899 Vgl. zum Jagdrecht die Nachweise oben Teil 2 B.II.3.b), zum Bergrecht oben Teil 4 B.III.1.c)dd)(2). 1900 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 940; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 58 Rdnr. 8. Vgl. ferner RGZ 80, 19 (22). 1901 Im Rahmen des § 958 gilt der Gesetzesbegriff des Art. 2 EGBGB, vgl. Staudinger/Gursky (2004), § 958 Rdnr. 9. Die folgenden Ausführungen gelten daher auch für Rechtsormen im Rang unter dem formellen Gesetz. 1902 Vgl. insgesamt Mot. III, 370, die als Quelle solcher Aneignungsregelungen ausdrücklich auch Landesgesetze; ebenso RGSt 48, 121 (124) nennen.

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c) Landesrechtliche Aneignungsrechte Einige landesrechtliche Vorschriften – wie etwa Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf sowie § 40 LWaldG BW – erlauben jedermann die Abtrennung und Aneignung bestimmter Pflanzen oder Pflanzenteile. Von § 958 BGB unterscheiden sich diese Bestimmungen, die ein Art Gemeingebrauch am Wald und Flur begründen,1903 dadurch, dass sie nicht herrenlose Sachen betreffen sondern Aneignungsrechte hinsichtlich fremder Sachen begründen. Die landesrechtlichen Regelungen kollidieren damit inhaltlich mit den Bestimmungen zum Fruchterwerb in den §§ 953 ff. BGB,1904 die zur Aneignung nur den Eigentümer oder andere besonders Berechtigten befugen. aa) Formelle Vereinbarkeit mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung (1) Problembeschreibung Dies wirft zunächst die Frage nach der Vereinbarkeit derartiger landesrechtlicher Aneignungsrechte mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes auf. Da das BGB nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in der Gesetzgebungsgeschichte und den Materialien zum Ausdruck kommt, eine grundsätzlich abschließende Regelung darstellt,1905 greift grundsätzlich die Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 i.V. m. Art. 31 GG ein.1906 Diesen Bedenken ist auch das Aneignungsrecht in Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf ausgesetzt, da der beschriebene Vorrang unabhängig vom Rang der bundesrechtlichen Norm gegenüber landesrechtlichen Vorschriften jedweden Ranges einschließlich des Landesverfassungsrechts besteht. Auch Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf kann daher nur Geltung beanspruchen, wenn ihm Art. 31 GG i.V. m. Art. 70 ff. GG nicht entgegenstehen.1907 1903 Vgl. Staudinger/Gursky (2004), Vorbem zu §§ 958 ff. Rdnr. 3; BayVerfGHE 28, 107 (119 f., 124) m.w. N. 1904 Vgl. Staudinger/Gursky (2004), § 958 Rdnr. 2, Vorbem zu §§ 958 ff. Rdnr. 3: § 958 BGB ist auf wildwachsende Kräuter, Blumen, Beeren und Pilze nicht anwendbar; ferner Jauernig/Jauernig, § 956 Rdnr. 3, der die genannten landesrechtlichen Vorschriften bei den persönlichen Fruchtziehungsrechten behandelt. Demgegenüber äußern Staudinger/Berg (11. Auflage), § 958 Rdnr. 2; Soergel/Henssler, § 958 Rdnr. 2, diese Früchte würden teils nach örtlicher Auffassung als herrenlos angesehen. 1905 Ob eine abschließende Regelung vorliegt, ist grundsätzlich anhand einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normkomplexes und der Ermittlung des gesetzgeberischen Willens festzustellen. Der Charakter als Kodifikation reicht dazu als solcher noch nicht aus, vgl. BVerfGE 7, 342 (347, 353); 49, 343 (358); 56, 110 (119); 67, 299 (324); 102, 99 (114 f.); NJW-RR 2008, 26 (27). 1906 Siehe nur Soergel/Hartmann, Art. 55 EGBGB Rdnr. 1; MünchKomm/Säcker, Art. 55 EGBGB Rdnr. 1; BayVerfGH BayVBl. 2009, 760 (761). – Zur Frage, welchen Regelungsgehalt Art. 31 GG neben den Art. 70 ff. GG besitzt und in welchen Fällen die Bestimmung zur Anwendung kommt, vgl. Pietzcker, HdbStR § 99 Rdnrn. 27 ff.; Hömig/Risse, Art. 31 Rdnr. 2. 1907 Vgl. BVerfGE 1, 264 (281); 96, 345 (364 ff.); BVerfG NVwZ 2009, 1426 (1429); Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 16 IV 1, § 17 II 2; Hömig/Risse,

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(2) Verhältnis des Kompetenzkatalogs im GG zu den Vorbehalten zugunsten der Landesgesetzgebung im EGBGB Ob eine Gesetzgebungskompetenz dem Bund oder den Ländern zusteht, ist unter dem Grundgesetz ausschließlich anhand der Art. 70 ff. GG (u. U. i.V. m. Art. 31 GG) zu bestimmen. Die Vorbehalte für die Landesgesetzgebung im EGBGB enthalten keine Gesetzgebungskompetenzen in diesem Sinne.1908 Sie können lediglich Indiz dafür sein, dass der Bundesgesetzgeber bei der Kodifikation des Regelungsbereiches „Bürgerliches Recht“ partiell keine abschließende Regelung i. S. d. Art. 72 GG treffen wollte und stattdessen den Ländern die Möglichkeit abweichender oder ergänzender Rechtssetzung offen halten wollte.1909 Die Gesetzgebungskompetenzen in den Art. 70 ff. GG knüpfen an Sachregelungsmaterien an.1910 Maßgeblich für die Zuordnung einer Norm zu einem bestimmten Kompetenztitel ist daher der unmittelbare Regelungsgegenstand, der sich primär in ihrem Zweck äußert („funktionelle Qualifikation“).1911 Eine Rechtsnorm verletzt deshalb die Zuständigkeitsregelungen auch dann nicht, wenn sie sich auf einen Sachbereich auswirkt, zu dessen Regelung dem jeweiligen Gesetzgeber an sich keine Kompetenz zusteht, solange dieser Bereich nur mittelbar betroffen und seine Regelung nicht Hauptzweck der Norm ist.1912 Unbedeutend ist ferner, ob der Rechtssatz bei einer Qualifikation anhand des Zuordnungssubjekts1913 als privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich einzuordnen ist.1914 Die Länder dürfen daher beispielsweise – auch wenn das Sachenrecht wegen Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG primär Angelegenheit der konkurrierenden Gesetzgebung ist1915 – Regelungen zum Umgang mit Sachen treffen, die dazu führen, dass die BefugArt. 31 Rdnr. 2; Hömig/Hömig, Art. 142 Rdnr. 2; Pietzcker, HdbStR § 99 Rdnrn. 25, 39, 41 ff.; BayVerfGHE 4, 206 (210); 28, 107 (125); BayObLG BayVBl. 1970, 263 (264). Zur Frage, ob Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf gem. Art. 142 GG als Grundrecht fortgilt, näher unten E.III.3.c)cc). 1908 Zu beachten ist überdies generell, dass diese Vorbehalte vor dem Hintergrund der Reichsverfassung von 1871 zu sehen sind (ausführliche Analyse in BVerfGE 42, 20 (29 ff.)) und daher durch die vom Grundgesetz bewirkte Änderung der Kompetenzvorschriften überholt sein können (siehe nur BVerfGE 45, 297 (341 f.)). 1909 Vgl. BVerfGE 45, 297 (341); 61, 149 (186); v. Mangoldt/Klein/Oeter, Art. 74 Rdnr. 11; Jäger, DVBl. 1979, 24 (26, 29); siehe ferner BVerfGE 7, 342 (354). 1910 BVerfGE 42, 20 (28, 31, 32): „Sachbereich“; OVG Hamburg NJW 1987, 915 (916); Jäger, DVBl. 1979, 24 (29); Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 128. 1911 Scholz, FG BVerfG, S. 261 f., 268; Rengeling, HdbStR § 100 Rdnrn. 37, 40. 1912 Scholz, FG BVerfG, S. 267 f. m.w. N.; Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 37. 1913 Vgl. oben Teil 2 A.II.1., in Fn. 44. 1914 Jäger, DVBl. 1979, 24 (26, 28 f.); OVG Hamburg NJW 1987, 915 (916); Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 128. Andernfalls könnte ein Gesetzgeber, dem oftmals eine privatrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Implementierung zur Wahl steht, auf relativ einfache Weise die bundesstaatliche Kompetenzordnung unterlaufen (zutreffend Jäger, DVBl. 1979, 24 (26); OVG Hamburg NJW 1987, 915 (916)). 1915 BVerfGE 45, 297 (340).

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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nisse der beteiligten Privatpersonen gegenüber der Rechtslage, die sich allein aus dem BGB-Bundesrecht ergibt, verändert wird, solange die Norm sich dabei noch sachlich innerhalb eines anderen Kompetenztitels im Grundgesetz befinden.1916 Landesrecht darf somit nicht die bürgerlich-rechtlichen Rechtsinstitute selbst verändern oder neue Sachenrechte einführen, wohl aber Rechtsverhältnisse im Rahmen des geltenden Rechts umgestalten, soweit eine andere Regelung dies mit sich bringt oder dies zur Erreichung des Gesetzgebungszwecks erforderlich ist.1917 Reflexe auf die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung machen damit eine Vorschrift nicht zu einer Norm des „Bürgerlichen Rechts“. Ist eine Rechtsnorm nach diesen Grundsätzen nicht dem bürgerlichen Recht zuzuordnen, richtet sich ihre kompetenzrechtliche Zulässigkeit ausschließlich nach den übrigen Bestimmungen der Art. 70 ff. GG. Daher ist zunächst zu untersuchen, ob es sich bei den „Aneignungsrechten zugunsten jedermann“ um „Bürgerliches Recht“ handelt [dazu unter (3)]. Nur, wenn dies zu bejahen ist, entfalten die Regelungen im Sachenrecht des BGB ihnen gegenüber eine grundsätzliche Sperrwirkung, so dass relevant wird, ob sich ein einschlägiger Vorbehalt für die Landesgesetzgebung im EGBGB findet [dazu unter (4)). (3) Einordnung der Aneignungsrechte als „Bürgerliches Recht“ Bei der Auslegung des Begriffs „Bürgerliches Recht“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 GG steht die historische Auslegung im Mittelpunkt, da die Regelung inhaltlich auf Art. 4 Nr. 13 der Reichsverfassung von 1871 zurückgeht1918 und in Fällen, in denen der Verfassungsgeber an einen vorgefundenen Normkomplex anknüpft, die bisherige Staatspraxis und der historische Zusammenhang besonders zu berücksichtigen sind.1919 Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG fallen die Vorschriften, die herkömmlicherweise und traditionell dem Zivilrecht zugerechnet werden1920 und jeweils noch als bürgerlich-rechtlich anerkannt sind.1921 Kennzeich1916

Vgl. dazu Regenfus, Komplexe Prozessführung, S. 65 f. Vgl. BVerfGE 45, 297 (340, 343) (konkret zum Enteignungsrecht); OVG Hamburg NJW 1987, 915 (916), das es für zulässig befand, öffentlich-rechtliche Rechtsinstitute zu schaffen, deren Inhalt sich mit denen des BGB deckt; vgl. ferner Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 130 m.w. N. 1918 BVerfGE 42, 20 (29 ff.); 61, 149 (175); zur Entwicklung eingehend v. Mangoldt/ Klein/Oeter, Art. 74 Rdnrn. 4 f., 8 f. 1919 Vgl. BVerfGE 41, 205 (220, 223); 61, 149 (175); 65, 1 (39); 67, 299 (315, 320); Scholz, FG BVerfG, S. 265 f.; Hömig/Schnapauff, Art. 70 Rdnr. 1; eher kritisch Rengeling, HdbStR § 100 Rdnrn. 28, 32, 35. 1920 BVerfGE 11, 105 (119); 42, 20 (29); 61, 149 (175); 65, 1 (39 ff.); zustimmend Hömig/Schnapauff, Art. 74 Rdnr. 2; v. Mangoldt/Klein/Oeter, Art. 74 Rdnr. 11; siehe auch Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 126. 1921 BVerfGE 7, 342 (351) (Hervorhebung im Original); Soergel/Hartmann, Art. 55 EGBGB Rdnr. 1; auch BGHZ 184, 334 (341 f.). 1917

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

nend für Regelungen des Bürgerlichen Rechts ist, dass sie Konfliktschlichtung und Interessenausgleich unter Privatpersonen als solchen bewirken sollen,1922 nicht speziell die Schlichtung und Ordnung von Rechtsverhältnissen mit Beteiligung von Hoheitsträgern.1923 Die Sachmaterie „Naturschutz“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19, Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG), der die Betretungs- und Aneignungsrechte ebenfalls zuzuordnen sein könnten, umfasst alle Regeln, die (negativ) die Abwehr von Gefahren und nachteiligen Veränderungen von Natur und Landschaft oder die (positiv) deren Beeinflussung und Gestaltung bezwecken.1924 Zu ihr gehören damit Normen, die im Interesse von Naturschutz und Landschaftspflege die Nutzung und das Betreten von Flächen reglementieren (wie etwa bei Schutzgebietsausweisungen)1925 oder das Abschneiden von seltenen Pflanzen verbieten.1926 Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf und die inhaltsgleichen Bestimmungen sollen die Freiheitsräume einzelner Bürger – nämlich der Eigentümer von Außenbereichsgrundstücken und aller übrigen Privaten – im Hinblick auf das Betreten und Nutzen zum Zweck der Erholung und des Naturgenusses koordinieren. Dafür, dass die Befugnisse gerade so zugeordnet werden, wie dies geschehen ist, sind zwar die Belange der Volksgesundheit (Erholung) und der gemeinsamen Teilhabe an der Natur von erheblicher Bedeutung.1927 Gleichwohl sollen die Bestimmungen ihrer Struktur und ihrer Intention nach das Verhältnis zweier Privater, die jeweils unterschiedliche Interessen besitzen, möglichst optimal regeln.1928 Dieses Regelungsziel ist charakteristisch für bürgerlich-rechtliche Normen. Der Materie „Naturschutz“ kann Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf dagegen nicht zugeordnet werden, da die Bestimmung Betretungs- und Aneignungsrechte gewährt. Solche Erlaubnisse sind abstrakt geeignet, dem Ziel der Erhaltung der Natur in ihrem Zustand zuwiderzulaufen; eine naturschützende Zielrichtung ist nur bei Einschränkungen derartiger Nutzungsbefugnisse denkbar. Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf erweist sich damit als bürgerlich-rechtliche Norm.

1922 Vgl. BVerfGE 42, 20 (30 f.); BVerfG NJW 2003, 125 (125 f.); NJW 2005, 1561 (1564); NJW-RR 2008, 26 (27); RGZ 107, 78 (82); v. Mangoldt/Klein/Oeter, Art. 74 Rdnr. 4; Belling, JZ 2010, 1128 (1129); so bereits die Formulierung in Mot. I, 1. Inhaltlich ebenso Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 127: Individualrechtsverhältnisse. 1923 Vgl. BVerfGE 45, 297 (345 f.). 1924 Vgl. Sachs/Degenhart, Art. 75 Rdnr. 30; v. Mangoldt/Klein/Rozek, Art. 75 Rdnr. 47; Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 274; dieser Begriff liegt auch der Entscheidung BVerwG NVwZ 2003, 1518 (1518) zugrunde. 1925 v. Mangoldt/Klein/Rozek, Art. 75 Rdnr. 47 unter Hinweis auf BVerfGE 80, 137 (156 ff.). 1926 Vgl. Louis, ZUR 2006, 340 (341). 1927 Dieser Aspekt wird sogleich Bedeutung erlangen, siehe unten (4). 1928 Vgl. BVerfGE 42, 20 (30); BVerfG NJW 2003, 125 (125 f.).

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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(4) Zulässigkeit nach Art. 72 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 111 EGBGB Die Regelungsmaterie „Bürgerliches Recht“ ist im BGB grundsätzlich abschließend abgearbeitet, so dass sich die Zulässigkeit der privaten Aneignungsrechte allenfalls aus dem Vorbehalt des Art. 111 EGBGB ergeben kann,1929 der Ländern einräumt, Regelungen hinsichtlich „tatsächlicher Verfügungen“ im öffentlichen Interesse zu erlassen. Eigentumsbeschränkende Regelungen sind daher trotz Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1 GG auch dann möglich, wenn es sich um rein bürgerlich-rechtliche Vorschriften handelt oder wenn ihre Zielrichtung nur schwer zuzuordnen ist.1930 Inhaltlich ermächtigt Art. 111 EGBGB seinem Wortlaut nach zunächst zu Einschränkungen von Nutzungsbefugnissen, also zur Begründung von Pflichten des Eigentümers, tatsächliche Handlungen zu dulden oder zu unterlassen.1931 Die Ermächtigung, neue Aneignungsrechte zu statuieren, ergibt sich daraus nicht unmittelbar. Ebenso, wie die umfassende Nutzungsbefugnis des Eigentümers in bestimmten Situationen gebietet, dass er auch Eigentum an anderen (neuen) Sachen erwerben muss,1932 können auch Nutzungsrechte anderer Personen einen Eigentumserwerb bedingen, weil andernfalls von der partiellen Nutzungsbefugnis nicht effektiv Gebrauch gemacht werden könnte. Soll sich das Recht auf Naturgenuss auf das Pflücken von Pflanzen und Waldfrüchten erstrecken, kommt dieses Recht praktisch nicht ohne einen damit einhergehenden Eigentumserwerb durch denjenigen aus, der von dieser Freiheit Gebrauch macht. Der Eigentumserwerb an Beeren, Pilzen usw. ist damit in gleicher Weise ein Annex zum jedermann gewährten Naturgenuss, wie es der Eigentumserwerb an Früchten, Bestandteilen usw. zur Sachnutzung durch den Eigentümer ist.1933 Art. 111 EGBGB setzt weiter voraus, dass die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse angeordnet ist. Um dieses Merkmal richtig zu verstehen, ist zu berücksichtigen, dass nicht-privatrechtliche Normen des Landesrechts bereits 1929 Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 141 Rdnr. 11; Staudinger/Merten (1997), Art. 111 EGBGB Rdnr. 6; Soergel/Hartmann, Art. 111 EGBGB Rdnr. 3. 1930 Art. 111 EGBGB sollte gerade die oftmals schwer zu treffende exakte Zuordnung entbehrlich machen, vgl. Mot. z. EGBGB, 192; dabei wurde an „Kulturedikte, Forstordnungen, Bauordnungen“ sowie die allgemeine polizeirechtliche Verantwortlichkeit gedacht. 1931 Staudinger/Merten (1997), Art. 111 EGBGB Rdnr. 3. 1932 Siehe oben 1.b) (S. 691 f.). 1933 Auch im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, weshalb Eigentumserwerbsregeln nicht nach Art. 111 EGBGB zulässig sein sollten. Die Begründung (Mot. z. EGBGB, 192) spricht sich zwar ausdrücklich dagegen aus, den Ländern eine Einschränkung der „rechtlichen Verfügungsmacht“ zu erlauben. Dies sollte jedoch verhindern, dass sie Rechtsinstitute abschaffen oder das Eigentum unveräußerlich machen können. Die Ausführungen in den Motiven richteten sich daher wiederum lediglich gegen die Möglichkeit, fideikommissartiger o. ä. Rechtsinstitute zu schaffen.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

nach Art. 55 EGBGB (so die Konzeption von 1877) bzw. deshalb, weil sie kein „Bürgerliches Recht“ darstellen (so nach dem Grundgesetz), zulässig sind. Eine landesrechtlichen Regelung, zu der Art. 111 EGBGB berechtigt, muss daher eine Bestimmung sein, die zwar dem Zivilrecht zuzuordnen ist, aber gerade nicht im privaten Interesse getroffen ist.1934 Maßgeblich ist somit, welche Interessen dafür entscheidend sind, dass der (Verfassungs-)Gesetzgeber die Aneignungsrechte jeweils gerade so statuiert hat, d.h., dass er die Befugnisse der beteiligten Privaten gerade in dieser Weise verteilt hat. Das Jedermann-Recht auf Naturgenuss in Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf soll das Verhältnis der Bürger untereinander regeln, nämlich das Ausschließungsinteresse des Eigentümers eines Feld-, Wald- oder Wiesengrundstücks mit dem Interesse aller anderen Bürger, Erholungsraum und Freizeitmöglichkeiten zu besitzen, koordinieren. Das Ergebnis der Abwägung ist dabei erkennbar von der Überlegung bestimmt, dass sich Erholungsmöglichkeiten positiv auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung auswirken.1935 Gesundheit und Leistungsfähigkeit liegen nicht nur im Interesse des Einzelnen, sondern stellen auch einen wichtigen Belang sozialer und volkswirtschaftlicher Art dar, weil durch sie die Produktivität erhalten bleibt und Ausgaben für Heilbehandlungen und Regeneration sinken. Zudem kommt im Betretungs- und Aneignungsrecht zum Ausdruck, dass die Natur in ihrer Schönheit und ihrem Wert allen Bürgern gehört (und daher auch alle Bürger für sie Verantwortung tragen). Schönheit und Wert der Natur werden durch den Genuss geernteter Früchte und den Anblick gepflückter Wildblumen besonders und unmittelbar spürbar. Die Entscheidung in Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf, ein Betretungs- und Aneignungsrecht zu gewähren, ist damit nicht allein deshalb so getroffen, weil dies in Anbetracht der Individualinteressen der unmittelbar beteiligten Bürger sachgerecht erscheint, sondern, weil das Interesse der Allgemeinheit, dass jedermann Natur und Landschaft zur Erholung nutzen und an ihren Früchten teilhaben darf, in erheblichem Umfang für diese Regelung sprach. Art. 141 Abs. 3 BayVerf dient somit nicht nur dem Interessenausgleich unter Privaten als solchem (wie er Grund und Ziel jeder zivilrechtlichen Rechtsnorm ist), sondern wegen seines konkreten Inhalts auch der Durchsetzung eines spezifisch überindividuellen Gemeinwohlbelangs. Da diese Gemeinwohlüberlegungen, mit denen das Grundstückseigentum des Einzelnen in gewissem Umfang in den Dienst der Allgemeinheit gestellt wird (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG), die Interessenabwägung erkennbar dominieren, ist Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf als öf-

1934 Regelungen, deren Inhalt ausschließlich auf der Abwägung der kollidierenden Individualbelange beruht (und nicht auch von Allgemeinwohlüberlegungen beeinflusst ist), sind somit nie nach Art. 111 EGBGB zulässig; sie können sich nur auf andere Ermächtigungen im EGBGB stützen (für das Nachbarrecht z. B. Art. 124 EGBGB), siehe etwa MünchKomm/Säcker, Art. 111 EGBGB Rdnr. 2. 1935 Vgl. BayVerfGHE 28, 107 (123, 125).

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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fentlich-rechtliche Beschränkung des Eigentums zugunsten jedermann anzusehen.1936 Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf erfüllt damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 111 EGBGB, so dass die Bestimmung – ebenso wie die anderen landesrechtlichen Normen gleichen Inhalts – formell verfassungsgemäß ist.1937 bb) Materielle Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz Die landesrechtlichen Aneignungsrechte müssen ferner materiell mit dem Grundgesetz, insbesondere der Eigentumsgarantie, in Einklang stehen.1938 Der Eingriff, der in der Gestattung der Abtrennung von Früchten und Blumen liegt, wiegt nicht besonders schwer. Der Eigentümer eines Feld- oder Waldgrundstücks erstrebt regelmäßig nicht, dort wildwachsende Waldfrüchte oder Blumen zu ernten, sondern verfolgt eine land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung durch angebaute, d.h. nicht-wildwachsende Pflanzen. Dieses Interesse wird vom Jedermann-Aneignungsrecht gewöhnlich weder direkt noch indirekt berührt, weil es sich auf diese Nutzung nicht auswirkt. Eine Schädigung der „natürlichen“ Vegetation ist ebenfalls regelmäßig auszuschließen, weil das Aneignungsrecht von vornherein auf den „ortsüblichen Umfang“ 1939 bzw. die Größe eines Handstraußes (Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf) inhaltlich begrenzt ist.1940 Selbst eine summierte Ausnutzung dieses Rechts durch mehrere Personen führt daher wegen der großen Verfügbarkeit nicht zu einer unzumutbaren Kumulation der Auswirkungen auf den natürlichen Pflanzenbestand und damit für den einzelnen Eigentümer.1941 Soweit infolge der Nutzung durch Erholungsuchende Schäden an vom Eigentümer angelegten Pflanzenkulturen drohen, liegt eine unzumutbare Beein1936 Vgl. BayVerfGHE 28, 107 (123); 47, 54 (58); BayVerfGHE 4, 206 (209), 28, 107 (122 f.), 29, 181 (187) zu § 699 des Schweizer ZGB, der als Vorbild für Art. 141 BayVerf gedient hat und dem der Charakter als „Doppelnorm“, eines zugleich öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtssatzes, zugeschrieben wird. 1937 Auf die Frage, ob diese Betretungs- und Aneignungsrechte nur eine Positivierung von gleichlautendem Bundesgewohnheitsrecht darstellen und ob dieses trotz der Kodifikation im BGB fortbestehen blieb, muss deshalb nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Staudinger/Gursky (2004), Vorbem zu §§ 958 ff. Rdnr. 3 m.w. N.; BayVerfGHE 28, 107 (119 f., 124) m.w. N.; eine gewohnheitsrechtliche Geltung „mindestens in Bayern“ bejahend BayVerfGHE 4, 206 (209). 1938 Auch diese Anforderung gilt unabhängig davon, ob es sich um einfaches Landesrecht oder um Landesverfassungsrecht handelt. 1939 Vgl. BayVerfGHE 19, 35 (38). 1940 Darüber hinaus wäre eine Ausnutzung in größerem Umfang, insbes. zu gewerblichen Zwecken, nicht von Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf gedeckt, weil diese Bestimmung kein Recht zur kommerziellen Nutzung gibt, vgl. BayObLG NVwZ-RR 2005, 239 (240, 241); BayVerfGHE 58, 150 ff. 1941 Vgl. Soergel/Hartmann, Art. 111 EGBGB Rdnr. 3: im Rahmen der Sozialbindung hinzunehmen.

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

trächtigung eines Einzelnen vor, die Grund für eine Sperrung seines Grundstücks sein kann (Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG).1942 Durch die Sperrung wird zunächst das Betreten durch Dritte unzulässig (Art. 27 Abs. 3 S. 1 u. 2 BayNatSchG);1943 aus dem Betretungsverbot folgt wiederum zwanglos das Verbot der Abtrennung von Pflanzenteilen und deren Aneignung. Selbst im denkbaren Fall, dass der Eigentümer gezielt solche Pflanzen anbaut, die (andernorts) auch wild wachsen, sind unzumutbare Beeinträchtigungen seiner Nutzungsfreiheit ausgeschlossen, weil dann kein Aneignungsrecht nach Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf besteht. Das Abtrennungsrecht ist nämlich seinem erkennbaren Sinn nach auf am konkreten Ort wildwachsende Pflanzen beschränkt. Insgesamt sind daher die Jedermann-Aneignungsrechte, wie sie sich in Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf und in § 40 LWaldG BW finden, verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums. cc) Fortgeltung des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf als Grundrecht Nachzutragen bleibt, ob Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes Grundrechtsrang zukommt. Landesrechtliche Grundrechte gelten nach Art. 142 GG als Grundrechte fort, wenn sie mit dem Grundgesetz übereinstimmen. Eine Übereinstimmung liegt nicht nur vor, wenn die Gewährleistungen beider Verfassungen inhaltlich identisch sind, sondern ist u. a. auch gegeben, wenn ein Landesgrundrecht einen geringeren Schutz gewährt, sofern es als die „engere“ Bestimmung lediglich einen Mindeststandard festschreiben will und nicht zugleich auch ein Maximalschutzniveau abschließend statuiert.1944 Bei Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf scheint letzteres der Fall zu sein, da diese Vorschrift als drittwirkende Verfassungsnorm1945 auch den einzelnen Eigentümer 1942 Die Interessen des Eigentümers legitimieren die Beschränkung des Grundrechts, siehe nur Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 141 Rdnr. 10. 1943 Dazu BayVerfGHE 47, 54 (57 f.). 1944 BVerfGE 96, 345 (365); Pietzcker, HdbStR § 99 Rdnrn. 45 ff. 1945 BayVerfGHE 47, 54 (58); Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 141 Rdnrn. 9, 11; vgl. auch BayVerfGHE 29, 181 (189). – Zum Grundrechtscharakter des Art. 141 Abs. 3 BayVerf, während Abs. 1 u. 2 nur Programmsätze darstellen, BayVerfGHE 3, 2 (3); 4, 206 (208 ff.); 28, 107 (125); 29, 181 (186). – Art. 141 Abs. 3 BayVerf garantiert allerdings nur, dass der Einzelne von Erholungsmöglichkeiten in dem Rahmen Gebrauch machen darf, in dem die vorhandene Natur und Rechtsvorschriften dies erlauben, aber nicht, die Unterschutzstellung bestimmter Gebiete durchsetzen oder „naturzerstörende“ Maßnahmen abzuwehren. Insoweit fehlt es an einem subjektivöffentlichen Recht, zumal sonst eine Popularklage eröffnet wäre. Vgl. hierzu BayVerfGHE 3, 2 (3); 29, 181 (186 ff.); 39, 9 (15); a. A. Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, Art, 141 Rdnrn. 7 f. (das Grundrecht verliere andernfalls an Wirksamkeit); vgl. auch BayVerfGHE 29, 181 (189): Grenze evtl., wenn nicht mehr alle Bürger in zumutbarer Weise ihr Grundrecht ausüben können.

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unmittelbar (zur Duldung) verpflichtet und unter diesem Aspekt zugleich eine Maximalregelung im Hinblick auf den (noch zulässigen) Inhalt des Eigentums enthält. Ein inhaltlicher Widerspruch zur Eigentumsgarantie des Grundgesetzes liegt aber deshalb nicht vor, weil Art. 14 GG einer Regelung wie Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf sachlich nicht entgegensteht: Wie gezeigt, sind einfachrechtliche Zugangs- und Aneignungsrechte mit Bundesverfassungsrecht, insbesondere auch mit Art. 14 Abs. 1 GG, vereinbar und können somit Inhalt eines einfachen Gesetzes sein. Der Schutzbereich des Art. 14 GG ist deshalb zwar von Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf berührt, doch kann diese Bestimmung als zulässige Schrankenregelung begriffen werden. Eine inhaltliche Unvereinbarkeit der Grundrechtsbestimmungen beider Verfassungen, wie sie Art. 142 GG verhindern soll, besteht daher im Ergebnis nicht.1946 Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf besteht somit als Grundrecht fort und bindet so die Landesstaatsgewalt.1947 4. Schatzfund (§ 984 BGB) Eine vom Bundesrecht abweichende Zuordnung des Eigentums nehmen auch denkmalschutzrechtliche Bestimmungen zahlreicher Länder vor, die entgegen § 984 BGB einen Eigentumserwerb des Staates an Altertumsfunden statuieren. a) Inhalt der Regelungen im BGB und im Landesrecht Der mit „Schatzfund“ überschriebene § 984 BGB behandelt die Entdeckung von Sachen, die in anderen (beweglichen oder unbeweglichen)1948 Sachen verborgen waren und deren Eigentümer infolge Zeitablaufs nicht mehr ermittelt werden kann, anders als die Ergreifung herrenloser Sachen in § 958 Abs. 1 BGB. Die Bestimmung übernimmt die sog. „Hadrianische Teilung“ 1949, indem sie das Eigentum an einem Schatz je zur Hälfte dem Entdecker1950 und dem Eigentümer der Sache, in der sich dieser befunden hatte, zuweist.1951 Anknüpfungspunkt für 1946

Vgl. Pietzcker, HdbStR § 99 Rdnrn. 51, 53. BayVerfGHE 4, 206 (210); 28, 107 (122, 125). 1948 Siehe nur Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 30; Wieling, Sachenrecht, § 11 VI 1a. 1949 Vgl. ausführlich Knütel, FS Seiler, S. 575 ff.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 26 Rdnr. 5; Schroeder, JZ 1989, 676 (678) m.w. N.; zu art. 716 code civile RGZ 21, 270 (271). 1950 Die Person des Finders ist bei Einschaltung von Hilfspersonen – ähnlich wie in § 950 BGB – nach der Verkehrsauffassung zu ermitteln: BGHZ 103, 101 (105 ff.); Wieling, Sachenrecht, § 11 IV 2 b; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 9; OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 933 (934); RGZ 70, 308 (309 ff.); kritisch MünchKomm/Oechsler, § 984 Rdnrn. 6 f. 1951 § 984 BGB ist damit eine Kombination der Regeln zum Fruchterwerb und zur Aneignung. Vgl. Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (148): Die Bestimmung vereinigt den Gegensatz von produktiver Tätigkeit und Kapital. 1947

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den Eigentumserwerb ist alleine das Auffinden und die anschließende Inbesitznahme,1952 so dass der Miteigentumsanteil dem Entdecker selbst dann zufällt, wenn er bewusst und ohne Befugnis zum Betreten auf fremden Grundstücken gesucht hat oder wenn er sich die den Schatz in sich schließende Sache unerlaubt angeeignet hat.1953 Da Anzeigepflichten (wie in § 973 BGB für den gewöhnlichen Fund) nicht bestehen,1954 ist der Eigentümeranteil gegen eine unerlaubte faktische Aneignung somit zivilrechtlich so gut wie ungeschützt.1955 § 984 BGB gilt auch für Sachen, die möglicherweise derelinquiert worden und damit herrenlos sind,1956 und findet wegen der insoweit identischen Interessenlage analoge Anwendung auf Sachen, die – wie etwa Fossilien – stets res nullius waren.1957 Dagegen ist die Bestimmung nicht auf im Boden gewachsene Gegenstände wie z. B. Bodenschätze i. S. d. BBergG oder Halbedelsteine anwendbar.1958 Ein besonderer materieller Wert der Sache ist – entgegen dem üblichen Gebrauch des Wortes „Schatz“ – nicht Tatbestandsvoraussetzung.1959 Abweichend von dieser in § 984 BGB vorgesehenen Rechtsfolge ordnen denkmalschutzrechtliche Vorschriften zahlreicher Bundesländer (z. B. § 23 DSchG 1952 Diese muss nicht notwenig durch den Entdecker erfolgen, vgl. Palandt/Bassenge, § 984 Rdnr. 1; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 6; Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (391); Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (147); Wieling, Sachenrecht, § 11 IV 3; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1060; RGZ 70, 308 (309). 1953 So ausdrücklich Mot. III, 390: Es sollten lediglich neben dem Erwerb die gewöhnlichen Deliktsfolgen eintreten. Vgl. ferner Hönes, DÖV 1992, 425 (426) m.w. N.; Wieling, Sachenrecht, § 11 IV 2 a; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 16; Palandt/ Bassenge, § 984 Rdnr. 1; sowie OLG Jena SeuffA Bd. 47 Nr. 187 zum gemeinen Recht. 1954 Vgl. Mot. III, 390 f., 391; ferner Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 18; Hönes, DÖV 1992, 425 (426); Schroeder, JZ 1989, 676 (678). 1955 Hönes, DÖV 1992, 425 (431). – Strafrechtlicher Schutz besteht durch § 246 StGB, vgl. RGSt 21, 270 (271 ff.); Schroeder, JZ 1989, 676 (678); Hönes, DÖV 1992, 425 (426). 1956 Vgl. Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (143 f.): Es genügt, dass ein etwaiger Eigentümer infolge der langen Zeit der Verborgenheit nicht ermittelt werden kann; Jauernig/Jauernig, § 984 Rdnr. 1. 1957 Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (145, 148), der das Beispiel der „Ueberreste vorsintfluthlicher Thiere“ anführt; sorgfältige Begründung bei OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 933 (934); BVerwGE 102, 260 (264, 266); OVG Koblenz BauR 1994, 217 (219); Palandt/Bassenge, § 984 Rdnr. 1; Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 33 ff.; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 3 a m.w. N.; Westermann/ Gursky, § 60 Rdnr. 1; Hammer, DÖV 1995, 358 (363); Jauernig/Jauernig, § 984 Rdnr. 1; Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (391); MünchKomm/Oechsler, § 984 Rdnr. 3. 1958 Siehe nur Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 1; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 60, 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1059. – Umgekehrt unterliegen Fossilien als solche nicht dem Bergrecht, vgl. OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 933 (933) (dort als Bergregal bezeichnet). 1959 Siehe nur Mot. III, 390; Wieling, Sachenrecht, § 11 VI 1a; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 1. Planck/Brodmann, § 984 Anm. 1 d, verneint die Anwendbarkeit lediglich bei wertlosen oder ganz geringwertigen Gegenständen.

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BW, § 19a DSchPflG RhPf)1960 an, dass Bodenfunde, denen nach dem jeweiligen Denkmalrecht Denkmaleigenschaft zukommt,1961 „mit der Entdeckung“ Alleineigentum des Landes werden.1962 Kumulativ oder alternativ zu derartigen Erwerbsregeln bestehen ferner in einigen Ländern Regelungen, die eine Ablieferungspflicht gegen Entschädigung vorsehen.1963 b) Formelle Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Sonderregelungen aa) Erwerbsrechte als „Schatzregal“ i. S. d. Art. 73 EGBGB Die formelle Verfassungsmäßigkeit der denkmalschutzrechtlichen Erwerbstatbestände wird zumeist aus Art. 73 EGBGB hergeleitet,1964 dem zufolge die landesrechtlichen Regelungen über die „Regalien“ von der Kodifikation im BGB unberührt bleiben. Diese Vorschrift erfasse auch das Schatzregal.1965 Das historische Schatzregal, das sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, bestimmte, dass aufgefundene Schätze, d.h. Gegenstände von finanziellem Wert, Alleineigentum des Inhabers dieses Regals (zunächst des fränkischen Königs) wurden.1966 Fraglich ist, ob das historische Schatzregal in den heutigen 1960 Nachweise bei Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 29; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 21; Schroeder, JZ 1989, 676 (679); Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (391). § 23 DSchG BW war Gegenstand der Entscheidung BVerfGE 78, 205, § 19 a DSchPflG RhPf von BVerwGE 102, 260 und OVG Koblenz BauR 1994, 217. 1961 Vgl. dazu im Einzelnen die Darstellung bei Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 36 ff. 1962 In Bayern besteht – anders als in den genannten Bestimmungen – nach Art. 8 f. BayDSchG die Pflicht, den Fund von Bodendenkmälern dem Landesamt für Denkmalpflege anzuzeigen (Art. 8 Abs. 1 BayDSchG), mit weiteren Erdarbeiten abzuwarten (Art. 8 Abs. 2 BayDSchG) sowie bei Gefahr des Abhandenkommens die Fundstücke der Behörde zu übergeben (Art. 8 Abs. 5 BayDSchG). Ferner sind auf Verlangen Fundstücke zeitweilig dem Landesamt für Denkmalschutz zur Untersuchung zu überlassen (Art. 9 BayDSchG). Unter weiteren Voraussetzungen ist eine Enteignung möglich (Art. 18 Abs. 1 u. 2 BayDSchG). Vgl. Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 31; zu entsprechenden Anzeigepflichten, Veränderungsverboten usw. in anderen Ländern Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (386 f.). 1963 Vgl. Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 60 Rdnr. 4. 1964 Nach den Ausführungen oben E.III.3.c)aa)(2) sind die Bestimmungen der Art. 70 ff. GG vorrangig (zu ihnen unter bb)). Gleichwohl soll hier zunächst auf Art. 73 EGBGB eingegangen werden, weil diese Bestimmung in Rechtsprechung und Literatur als Legitimation herangezogen wird. 1965 Siehe etwa BVerfGE 78, 205 (209 ff.); dieser Entscheidung folgend und sich auf sie berufend jeweils OVG Koblenz BauR 1994, 217 (218); Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 21; Soergel/Hartmann, Art. 73 EGBGB Rdnr. 3; Hönes, DÖV 1992, 425 (428); Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (391); Wieling, Sachenrecht, § 11 IV 5. 1966 Zur historischen Entwicklung und zum Inhalt des Schatzregals siehe Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (151 ff.); Schroeder, JZ 1989, 676 (677 f.); Hönes, DÖV 1992, 425 (427 f.); BVerfGE 78, 205 (210); BGH LM EGBGB Art. 73 Nr. 1 (sub 1.), alle m.w. N.; zu den Regalien insgesamt HRG/Wegener, IV/472 ff.

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denkmalschutzrechtlichen Vorschriften seine Fortsetzung findet. Gemeinsames Merkmal der sog. niederen Regalien (regalia minora oder regalia accidentialia), auf die sich Art. 73 EGBGB alleine erstreckt1967 und zu denen das Schatzregal zählt,1968 war der Zweck, ihrem Inhaber Einnahmen zufließen zu lassen.1969 Konsequenterweise besaßen die klassischen Regalien auch ausschließlich privatrechtlichen Charakter1970 und führten zum Erwerb rein fiskalischen, öffentlichrechtlich nicht gebundenen Eigentums,1971 das frei veräußerbar und vererbbar war.1972 Daneben war bei den Regalien bisweilen die Funktion anzutreffen, Gemeinwohl- oder Administrationszwecke zu verwirklichen;1973 beim Schatzregel findet sich diese Komponente in historischer Zeit allerdings nicht. Demgegenüber zielen die gegenwärtigen Erwerbsbestimmungen zugunsten der Länder darauf ab, den Erhalt der Bodenfunde zu sichern und sie der wissenschaftlichen Forschung oder der Öffentlichkeit in Museen zugänglich zu machen; sie verfolgen damit ausschließlich denkmalpflegerische Ziele.1974 Anders als beim ursprünglichen Schatzregal geht es somit nicht mehr um einen Erwerb des Eigentums aus fiskalischen Gründen1975 sondern um einen solchen zur Verwirklichung eines besonderen Gemeinwohlinteresses. Dieser „Austausch“ des Normzwecks zieht nach sich, dass in den Anwendungsbereich der denkmalschutzrechtlichen 1967 Mot. z. EGBGB, 165; Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 8; a. A. Hönes, DÖV 1992, 425 (428), da die Vorschrift selbst keine Einschränkungen auf Finanzregale enthalte. 1968 Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 2; HRG/Wegener, IV/477; vgl. ferner Schroeder, JZ 1989, 676 (677); Thieme, SavZ (Germ. Abt.) 62 (1942), 57 (61 f.). 1969 Vgl. Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 2 m.w. N.; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, Kap. 24 VI 4; HRG/Wegener, IV/475; RGZ 80, 19 (23, 24). 1970 Vgl. Mot. z. EGBGB, 165. – Dies galt zumindest seit dem 18. Jahrhundert; vorher war eine Trennung beider Rechtskreise weitgehend unbekannt, vgl. HRG/Wegener, IV/472 ff., insb. Sp. 473, 475; Thieme, SavZ (Germ. Abt.) 62 (1942), 57 (passim, insb. S. 62 f.; 82 f.); Bullinger, FS Rittner, S. 70 ff.; Luhmann, Rechtstheorie Beiheft 11 (1991), S. 45; Schröder, FS Gernhuber, S. 967 ff.; Soergel/Hartmann, Art. 73 EGBGB Rdnr. 1. Vgl. auch Pufendorf, De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 2. Buch Kap. 15 § 5, der (im Jahr 1673) berichtet, dass „mancherorts (sic!) zwischen dem Vermögen des Fürstenhauses und dem des Staates“ unterschieden werde. 1971 Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (391). 1972 Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 4; Soergel/Hartmann, Art. 73 EGBGB Rdnr. 1; Thieme, SavZ (Germ. Abt.) 62 (1942), 57 (61 f.). 1973 Vgl. Thieme, SavZ (Germ. Abt.) 62 (1942), 57 ff. (insbes. S. 66 f., 76 ff., 85); BGH LM EGBGB Art. 73 Nr. 1 (sub 1.). 1974 Siehe nur BVerfGE 78, 205 (211); OVG Koblenz BauR 1994, 217 (218); Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 89; Hönes, DÖV 1992, 425 (428). 1975 Daran ändert auch nichts, dass der „kostenlose“ originäre Erwerb letztlich auch im Interesse des Steuerzahlers liegt (Hönes, DÖV 1992, 425 (432)). Die Unentgeltlichkeit ist nur eine nachgelagterte Frage; vorrangig ist, dass dem Staat überhaupt das Eigentum exklusiv zufällt.

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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Bestimmungen nun auch Sachen fallen, die mangels eines besonderen Vermögenswerts früher nicht vom Schatzregal erfasst waren. Die Gesetzgebungsvorbehalte des EGBGB sollen den Ländern Gesetzgebungsfreiräume für solche Rechtsmaterien erhalten, für die im Zeitpunkt der der Kodifikation – jedenfalls in einem Teil der Länder – besondere Regelungen vorhanden waren. Der Vorbehalt in Art. 73 EGBGB kann damit weder legitimieren, bestehende Regalien auf Bereiche auszudehnen, die traditionell nicht von ihnen erfasst waren, noch vermag er, bisher unbekannte Regalien zu begründen.1976 Hieran ändert auch Art. 1 Abs. 2 EGBGB nichts, da die Neueinführung von Regelungen voraussetzt, dass ein entsprechender Rechtssatz bereits früher als Regal bestanden hat. Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 73 EGBGB ist daher durch die Grenzen des jeweiligen traditionellen Regalbegriffs abgesteckt.1977 Aus diesen Überlegungen folgt zunächst, dass bei Funden, denen kein eigener Sachwert zukommt und bei denen sich das Interesse allein aus ihrer kulturhistorischen Bedeutung ergibt, eine Zuständigkeit der Länder von vornherein nicht aus Art. 73 EGBGB abgeleitet werden kann.1978 Diese Gegenstände fallen bereits nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des historischen Schatzregals. Darüber hinaus gibt Art. 73 EGBGB selbst bei „klassischen“ Wertgegenständen (wie etwa Münzen oder Metallgegenständen) keine Kompetenz, einen Eigentumserwerbstatbestand zum Zwecke von Wissenschaft und Kulturpflege zu schaffen. Die Vorschriften des Landesdenkmalrechts weisen zwar die für Regalien typische Rechtsfolge auf, dass ein Hoheitsträger das Eigentum erwirbt,1979 doch ist der verfolgte Zweck im Vergleich zum klassischen Schatzregal wesentlich verschieden.1980 Beim historischen Schatzregal wird an den Vermögenswert angeknüpft und der Eigentumserwerb des Staates angeordnet, um eine entgeltliche Veräußerung zu ermöglichen; dagegen ist bei den modernen „Denkmal-Regalien“ der wissenschaftliche Wert entscheidend und wird das Eigentum dem Staat zugewiesen, um eine Veräußerung an Dritte zu verhindern und Rechte Dritter, die der Verwahrung in Sammlungen etc. entgegenstehen würden, auszuschließen.1981 Das tradierte Schatzregal und die gegenwärtigen denkmalpflegerischen Regelungen besitzen damit nur gewisse äußerliche Berührungspunkte, sind aber nach Zielsetzung und Inhalt gänzlich verschieden.1982 1976 Vgl. BVerfGE 78, 205 (210); Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 10. 1977 BVerwGE 102, 260 (264); zustimmend Staudinger/Albrecht (1997), Art. 73 EGBGB Rdnr. 29. 1978 Ebenso BVerwGE 102, 260 (263 f.). 1979 Allein hierauf stellt BVerfGE 78, 205 (210 f.) ab. 1980 Dies stellt bereits Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (160) fest: Das Schatzregal werde „in den Dienst eines ihm ursprünglich fremden Zwecks gestellt“. 1981 Dies erkennt auch BVerfGE 78, 205 (211), zieht aber andere Schlüsse. 1982 Schroeder, JZ 1989, 676 (679).

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Eine Weiterentwicklung des Schatzregals vom ursprünglichen Zweck zu einem Regal ohne fiskalische Nutzbarkeit1983 muss ebenfalls ausscheiden. Der Fiskalzweck ist zentrales und charakteristisches Merkmal des Regalbegriffs sowohl allgemein als auch i. S. d. Art. 73 EGBGB; administrative Zwecke verfolgte das Schatzregel ursprünglich nicht. Die Möglichkeit einer Veräußerung, die Voraussetzung dafür wäre, dass der Staat sich aus dem Regal selbst oder seiner entgeltlichen Übertragung auf Private Finanzmittel verschaffen kann, ist mit der Zielsetzung des Denkmalschutzes unvereinbar. Eine dauerhafte Sicherung der Funde für Forschung und Museen lässt sich nur verwirklichen, wenn das Eigentum gerade einem Hoheitsträger (oder einer zur entsprechenden Nutzung verpflichteten juristischen Person) verschafft wird und in dessen Hand dauerhaft verbleibt. Mit dem Eigentumserwerb müssen daher Bindungen der Körperschaft, die Eigentümerin wird, verknüpft sein, die die Verwirklichung der Denkmalschutzzwecke sichern.1984 Ein „fiskalisches Regal zur Verwirklichung von Gemeinwohlzwecken“ kann es somit logisch nicht geben. Dies gilt auch, wenn – wofür viel spricht – unter Geltung des Grundgesetzes ein Regal im klassischen Sinn, d.h. mit ausschließlich oder vornehmlich erwerbswirtschaftlicher Zielrichtung, generell unzulässig ist,1985 da hieraus nur folgt, dass die (überdies vorkonstitutionelle) Vorbehaltsnorm des Art. 73 EGBGB leer läuft; die Möglichkeit einer grundlegenden Umdeutung des Norminhalts wird dadurch nicht eröffnet.1986 bb) Zulässigkeit als denkmalschutzrechtliche Regelung nach Art. 70 GG Die landesrechtlichen Erwerbsbestimmungen sind damit nur dann formell verfassungskonform, wenn sie entweder einer Sachmaterie zuzuordnen sind, für die nach Art. 70 ff. GG den Ländern eine Gesetzgebungskompetenz zusteht, oder wenn – falls sie dem „Zivilrecht“ zuzuordnen sind – ein anderer Vorbehalt im EGBGB (insbesondere Art. 111 EGBGB) sachlich anwendbar ist.1987 Als Kompetenztitel kommt dabei die Zuständigkeit für den Denkmalschutz in Betracht, 1983

Hierfür Hönes, DÖV 1992, 425 (425). Vgl. Jäger, DVBl. 1979, 24 (29) (zur Zweckbindung bei der Baulast). – Diese Bindungen, die insbes. eine Veräußerung verbieten, ergeben sich regelmäßig aus dem Gesamtzusammenhang der denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen. 1985 Vgl. BVerfGE 78, 205 (211); ferner BGH LM EGBGB Art. 73 Nr. 1 (sub 3.). 1986 Für eine systematische Überlegung, die darauf aufbaut, dass für Art. 73 EGBGB irgendein Anwendungsfall gegeben sein muss, ist kein Raum, weil sie voraussetzt, dass der Normgeber beide Bestimmungen gleichzeitig mit sinnvollem Inhalt gelten lassen will. Ergibt sich aus der Verfassungsordnung, dass für bestimmte ältere Rechtsinstitute kein Platz mehr ist, setzt sich aber die Verfassungsnorm nach dem lex superior-Grundsatz durch. 1987 Der abschließende Charakter des § 984 BGB folgt hier insbes. daraus, dass im Laufe der Entstehung des BGB eine Sonderregelung für Funde von öffentlichem Interesse zwar diskutiert, aber nicht geschaffen wurde (vgl. Schroeder, JZ 1989, 676 (678); Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (150 f.)). 1984

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die – wie für den gesamten Bereich der Kulturpflege – gemäß der Grundregel in Art. 70 Abs. 1, Art. 30 GG den Ländern zusteht.1988 Während die „allgemeine“ Bestimmung des § 984 BGB im Tatbestand nicht zwischen kulturhistorisch bedeutsamen und wertlosen Sachen differenziert und bei der Rechtsfolge nur auf die vermögensrechtliche Seite Rücksicht nimmt,1989 erfassen und verarbeiten die landesdenkmalrechtlichen Bestimmungen gerade die Belange der Denkmalpflege.1990 Der Erwerb des Eigentums an aufgefundenen Kulturgütern durch die Länder dient allein dem Zweck, diese zu erhalten, der Forschung zu erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen;1991 an dieses Ziel ist der Staat gebunden. Die landesrechtlichen Erwerbsnormen gehen auch nicht über eine spezifische Sonderregelung für historisch wertvolle Funde hinaus und lassen die allgemeine Zivilrechtsordnung im Übrigen unberührt.1992 Sie intendieren damit die Sicherstellung denkmalpflegerischer Ziele und nicht den Interessenausgleich und die Konfliktschlichtung zwischen beliebigen Privatpersonen als solchen, wie es für das „Bürgerliche Recht“ kennzeichnend ist. Unterstrichen wird dieses Ergebnis durch die Überlegung, dass auch die übrigen Beschränkungen der Nutzungsfreiheit, die dem Bodeneigentümer im Allgemeininteresse an der Auswertung und am Erhalt von Bodendenkmälern auferlegt werden (Anzeige-, Warte- und Duldungspflichten für Untersuchungen), typische Eigentumsbeschränkungen darstellen, die zur Verwirklichung von Allgemeinwohlbelangen angeordnet werden, und der Eigentumserwerb an den Fundgegenständen nur ein Mittel in diesem Gesamtinstrumentarium ist.1993 Der originäre Erwerb hat die Funktion, eine spätere Enteignung zu ersetzen bzw. entbehrlich zu machen; wäre eine solche angeordnet, würde der Charakter der zugrundeliegenden Regelungsabsicht und Sachmaterie deutlich zutage treten. Die landesrechtlichen Bestimmungen, die einen Eigentumserwerb des Staates an Bodenfunden vorsehen, sind daher trotz der typisch privatrechtlichen Rechtsfolge nicht dem Kompetenztitel „Bürgerliches Recht“ i. S. v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 1988 Vgl. Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 275; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 26 I 2. – Der Denkmalschutz ist von Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG nicht erfasst, vgl. Sachs/Degenhart, Art. 75 Rdnrn. 31; Rengeling, HdbStR § 100 Rdnr. 275, je zu Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG a. F. Der „Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 a GG) stellt nur einen speziellen Teilbereich dar. 1989 Dies zeigt sich darin, dass das entstehende Miteigentum im Wege der Versteigerung auseinandergesetzt wird, falls sich die beiden Eigentümer nicht einigen. 1990 BVerwGE 102, 260 (266); Hönes, DÖV 1992, 425 (429); Westermann/Gursky, § 60 Rdnr. 4. 1991 BVerwGE 102, 260 (265). 1992 Ebenso die Feststellung in BVerwGE 102, 260 (268), allerdings in anderem Zusammenhang. Zur Reichweite der einzelnen landesrechtlichen Bestimmungen Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 36 ff. 1993 Vgl. bereits Josef Kohler, DJZ 1904, 771 (772).

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GG, sondern dem Sachbereich „Denkmalschutz“ zuzuordnen.1994 Für diesen Sachbereich besitzen die Länder die Gesetzgebungskompetenz, so dass sie – da sich die Kompetenz zur Regelung des Eigentumsinhalts nach der jeweiligen Sachkompetenz richtet1995 – auch vom BGB abweichende Bestimmungen über den Erwerb von Fundsachen erlassen können. c) Materielle Verfassungsmäßigkeit Für die materielle Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz ist entscheidend, ob der Ausschluss des Eigentumserwerbs mit den Grundrechten der Betroffenen, insbesondere mit Art. 14 GG, in Einklang steht.1996 Dies ist für die beiden Personen, die als Erwerber des Alleineigentums in Betracht kommen – der Entdecker und der Eigentümer der verbergenden Sache – getrennt zu untersuchen. aa) Entdeckeranteil Die in § 984 BGB getroffene Entscheidung, dem Entdecker einen Anteil am Schatz zukommen zu lassen, wird mit der Überlegung begründet, dass derjenige belohnt werden soll, durch dessen Tätigkeit der Schatz der Verborgenheit entzogen und so der menschlichen Herrschaft wieder zugeführt wurde.1997 Anknüpfungspunkt ist somit die Leistung oder das Glück-Haben des Entdeckers.1998 Dem Entdecker hierfür einen Anteil als „Belohnung“ zu gewähren ist durchaus legitim; dies rechtfertigt zugleich die damit notwendigerweise einhergehende Einschränkung des Eigentumserwerbs durch den Grundstückseigentümer. Die Sachgerechtigkeit der getroffenen Lösung bedeutet allerdings nicht, dass verfassungsrechtlich zwingend gefordert wäre, dem Entdecker einen Anteil – gleich welcher Größe – zukommen zu lassen: Die theoretische Möglichkeit, einen Schatz zu finden, stellt lediglich eine von vielen Zufällen abhängige Erwerbschance dar, die nicht selbst von Art. 14 GG als Eigentum geschützt ist: Nach dem offenen Eigentumsbegriff folgt dies daraus, dass weder konkretes Eigentum entzogen wird noch die Eigentumsordnung ein dingliches Recht i. S. d. 1994 Ebenso BVerwGE 102, 260 (265); Hönes, DÖV 1992, 425 (429, 431); vgl. ferner BVerfGE 78, 205 (212); Hammer, DÖV 1995, 358 (361). 1995 Vgl. BVerfGE 58, 137 (145): Regelung über die unentgeltliche Ablieferung von Pflichtexemplaren gehört zum Presserecht; BVerwGE 102, 260 (266). 1996 Die Regelungen müssen sich auch dann an den Grundrechten messen lassen, wenn man sie als Regalien i. S. d. Art. 73 EGBGB ansieht, vgl. BGH LM EGBGB Art. 73 Nr. 1 (sub 3.) zum Fährregal. 1997 Vgl. BGHZ 103, 101 (109); RGZ 70, 308 (311); RG SeuffA 51, 12 (14); Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 12; Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (146); Wieling, Sachenrecht, § 11 IV 1a; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 83 III 1a. 1998 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1060.

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Art. 14 GG einräumt, verborgene Schätze erwerben zu können.1999 Die Konzeption eines feststehenden Eigentumsbegriffs kommt zum gleichen Ergebnis, weil es an jeglicher schutzfähigen und -bedürftigen Beziehung des Finders zu der Fundsache fehlt. Der Aspekt, dass ein Eigentumserwerb zur Unterstützung und Sicherung anderer grundrechtlicher Freiheiten notwendig sein kann, liefert im vorliegenden Zusammenhang keine Vorgabe, da die einzig in Frage kommende Berufsfreiheit eines „Schatzsuchers“ durch den Gemeinwohlbelang des Denkmalschutzes in zulässiger Weise sogar vollständig eingeschränkt werden könnte. Die Vermögens-/Vertrauensschutzinteressen des Entdeckers im Hinblick auf Investitionen, die er für eine gezielte Suche getätigt hat, sind – auch wenn solche grundsätzlich Schutz nach Art. 2 Abs. 1 GG genießen können – nicht schützenswert, weil von vornherein bekannt ist, dass er am Fund nicht beteiligt werden wird. Der Gesetzgeber darf sich deshalb bei der Abwägung der Interessen davon leiten lassen, dass eine denkmalpflegerische Untersuchung, Konservierung und Ausstellung am leichtesten möglich ist, wenn ein Hoheitsträger Eigentümer wird, und dass ein (auch nur teilweiser) Eigentumserwerb durch den Entdecker zu unsachgemäßen Grabungsaktionen anspornt,2000 durch die geschichtlich wertvolle Zeugnisse in der Bodenstruktur oftmals unwiederbringlich zerstört werden.2001 Vorschriften, die dazu führen, dass der Entdecker keine dingliche oder sonstige vermögensrechtliche Position an einem Schatz erhält, verstoßen daher nicht gegen dessen Grundrechte, insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie. bb) Eigentümeranteil Im Hinblick auf den Eigentümer des Fundgrundstücks wird ebenfalls die Auffassung vertreten, der Schutzbereichs des Art. 14 GG sei nicht eröffnet, weil ein Recht auf den Erwerb verborgener Schätze nicht bestehe.2002 Die Position des 1999 BVerfGE 78, 205 (211, 212); dem zustimmend und folgend OVG Koblenz BauR 1994, 217 (218); Hönes, DÖV 1992, 425 (429, 431). 2000 Vgl. Hönes, DÖV 1992, 425 (431). 2001 Plastisch Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (384): Die Bodenurkunde wird bei der Lektüre zerstört. 2002 Vgl. BVerfGE 78, 205 (211, 212). Bei dieser Aussage handelt es sich allerdings um ein obiter dictum: Der Beschwerdeführer war wegen Unterschlagung verurteilt worden, nachdem er auf einem fremden Grundstück Schätze gesucht, gefunden und an sich genommen hatte. Da der Tatbestand des § 246 StGB bereits erfüllt ist, wenn der Täter nicht Alleineigentümer der gefundenen Sachen war (siehe nur Kühl, § 246 Rdnr. 2, § 242 Rdnr. 6; OLG Düsseldorf NJW 1992, 60 (61); RGSt 21, 270 (273)), hätte die Verfassungsbeschwerde nur Erfolg gehabt, wenn ihm das Eigentum aufgrund grundgesetzlicher Vorgaben alleine hätte zustehen müssen. Da dies zu verneinen ist, konnte unentschieden bleiben, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben im Übrigen bestehen. Die zur Begründung angeführte Entscheidung KG OLGRspr. Bd. 6 (1903), 265 (265) kann überdies nicht als Beleg dienen, weil die Frage, ob dem Eigentümer wegen verfassungsrechtlicher Vorgaben (Mit-)Eigentum eingeräumt werden muss, dort nicht thematisiert

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Eigentümers der beherbergenden Sache ist eher schwach und geht über eine Chance kaum hinaus, da der Erwerb in tatsächlicher Hinsicht von vielen Zufällen abhängt.2003 Gleichwohl ist der Ausschluss des Eigentumserwerbs hier an der Eigentumsgarantie (bezogen auf die „Muttersache“; im Folgenden aus Gründen der Vereinfachung: des Grundstücks) zu messen. (1) Betroffenheit von Eigentümerinteressen Ein Schatz, der in einer anderen Sache verborgen ist, entspricht dem äußerlichen Bild nach weitgehend einem Sachbestandteil i. S. d. §§ 90 ff. BGB, so dass nahe liegt, den Schatzfund wie in den §§ 953 ff. BGB zu behandeln. Insbesondere Bodenfunde lassen sich wegen der charakteristischen festen und dauerhaften Verbindung der Sachen mit dem Boden und der fehlenden Abtrennung ohne Weiteres als Grundstücksbestandteile begreifen.2004 Sie sind auch in die dem Grundeigentümer zugewiese räumliche Sphäre fest – und zwar fester als ein dort nur herumliegender derelinquierter Gegenstand – eingebunden. Anders als bei Bestandteilen ist die Gewinnung von Schätzen – sofern man von einer solchen überhaupt sprechen kann – zwar nicht Ausfluss der Grundstücksnutzung, weil die Zufälligkeit dem gesamten Vorgang den Charakter eines planmäßigen Wirtschaftens nimmt (weshalb auch kein Eingriff i. e. S. in die Berufsfreiheit oder die Eigentumsgarantie gegeben ist). Gleichwohl sprechen die von Anfang an gegebene Nähe und die Verkehrsanschauung dafür, dem Grundstückseigentümer das Eigentum an Altertumsfunden zumindest teilweise einzuräumen. Der Umstand, dass dem Grundstückseigentümer bis zur Entdeckung des Schatzes einfachrechtlich noch kein „echtes“ Eigentum an ihm zusteht, liefert dabei kein Gegenargument. Die Zivilrechtsordnung entscheidet sich regelmäßig für die Statuierung von Aneignungs- und Erwerbsrechten anstelle von Eigentum, wenn es noch an der Bestimmtheit und Beherrschbarkeit der Gegenstände fehlt.2005 Dies ist sowohl beim klassischen Schatz als auch bei Bodendenkmälern einschließlich Fossilien der Fall, da der Besitzer der bergenden Sache mangels Kenntnis vom verborgenen Schatz allenfalls einen „generellen Besitzwillen“ hat, wurde und auch nicht thematisiert werden konnte, da die Entscheidung vor Inkrafttreten des Art. 14 GG ergangen ist. 2003 So BVerwGE 102, 260 (268). 2004 Ein solches Verständnis herrschte in römischer Zeit vor, vgl. Knütel, FS Seiler, S. 575. Demgegenüber sehen Mot. III, 504, 391 in § 1040 BGB nur eine Klarstellung, dass der Schatz keine Nutzung des Grundstücks ist, und nicht eine konstitutive Regelung. Heute ebenso Palandt/Bassenge, § 1040 Rdnr. 1; Staudinger/Frank (2002), § 1040 Rdnr. 1; MünchKomm/Pohlmann, § 1040 Rdnr. 1; vgl. ferner Josef Kohler, DJZ 1904, 771 (777): Ein Charakter als Akzession oder Frucht des Grundstücks sei abwegig. 2005 Vgl. – auch zum Folgenden – Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 940; Westermann/ Gursky, Sachenrecht, § 58 Rdnr. 8; oben bei Fn. 1899 f.; ferner Turner, JZ 1968, 250 (253).

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der aber zumindest bei Grundstücken nicht genügt2006. Der Umstand, dass sich das Eigentum nicht von vornherein auf den Schatz erstreckt, ist daher lediglich Ausdruck davon, dass der Schatz zunächst nicht Objekt besonderer Rechte ist, aber zugeordnet werden muss, sobald ein Privatrechtssubjekt von seiner Existenz (wieder) Kenntnis hat. Die Zugehörigkeit zum Eigentum an der bergenden Sache entfällt auch nicht deshalb, weil der Landesgesetzgeber – gestützt auf seine Kompetenz zum Denkmalschutz – abweichend von §§ 93 f., § 905 BGB Bodenrelikte aus dem Grundstückseigentum „herausdefinieren“ könnte, wie es etwa in § 3 Abs. 2 BBergG für Bodenschätze durch den Bundesgesetzgeber erfolgt ist.2007 Die Überprüfung am Maßstab der Eigentumsgarantie erübrigt sich nämlich auch aus dieser Perspektive nicht; die Untersuchung muss lediglich ebenfalls eine Stufe früher ansetzen und sich darauf beziehen, ob mit Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG vereinbar ist, diese Bereiche von der grundsätzlich unbeschränkten Herrschaftsmacht des Grundstückseigentümers auszunehmen. Formuliert man die Frage so, wird aber nur deutlicher, dass in den Erwerbsregelungen eine Reduzierung der Eigentümerposition liegt. Die Entscheidung des BGB, dem Eigentümer der bergenden Sache einen hälftig am Eigentum der entdeckten Sache zu beteiligen, ist damit nicht nur eine bloße Verlegenheits- oder Billigkeitslösung2008. Sie ist vielmehr Ausfluss davon, dass der Eigentümer der bergenden Sache wegen der relativ festen Eingliederung in seinen Herrschaftsbereich die stärkste Aussicht hatte, den Schatz zu entdecken, er ihm vor zu diesem Zeitpunkt „am nächsten“ stand.2009 Landes- oder bundesrechtliche Normen, die den Erwerb nach § 984 BGB ausschließen, müssen sich damit an Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 GG messen lassen;2010 entscheidet sich der Gesetzgeber für eine Regelung, die den Grundstückseigentümer nicht berücksichtigt, müssen hierfür hinreichend gewichtige Gegenbelange vorhanden sein. (2) Eigentumsdogmatische Qualifizierung des Eingriffs; Prüfungsmaßstab, Ziellegitimität, Geeignetheit und Erforderlichkeit Die „Schatzregal“-Bestimmungen, die einen Erwerb durch Privatpersonen ausschließen,2011 sind als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. v. Art. 14 Abs. 1 2006 Vgl. Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 33; ferner OLG Celle NJW 1992, 2576 (2577); Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 2. 2007 Vgl. die Überlegungen bei BVerwGE 102, 260 (266). 2008 In diese Richtung aber Mot. III, 391. 2009 Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 60 Rdnr. 3; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 12. 2010 Anders BVerwGE 21, 191 (192); Hönes, DÖV 1992, 425 (429). 2011 Zur abweichenden Einordnung von „Ablieferungspflichten“ siehe unten d).

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S. 2, Abs. 2 GG (nicht als Enteignungen) einzuordnen. Mit den Bestimmungen dieser Art modifiziert der Gesetzgeber das Eigentum an Sachen insoweit, als es nicht mehr das automatische Erwerbsrecht an dort aufgefundenen kulturhistorisch bedeutsamen Sachen in sich trägt, um es mit dem Gemeinwohlbelang „Denkmalschutz“ vereinbar zu machen. Eine gezielte Güterbeschaffungsmaßnahme zur Verwirklichung anderer Ziele liegt darin nicht. Die Erwerbstatbestände stellen daher Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar. Die Vereinbarkeit mit Art. 14 GG hängt somit davon ab, ob trotz der Zuweisung des Erwerbsrechts an den Staat ein noch ausgewogenes Verhältnis zwischen den Individualinteressen des Grundstückseigentümers und dem staatlichen Belang der Erhaltung und Erschließung von Kulturdenkmälern gegeben ist. Auch wenn weder hinsichtlich der aufgefundenen Sachen selbst (weil daran noch kein Recht i. S. v. Art. 14 GG besteht) noch hinsichtlich des Grundstücks ein Eingriff i. e. S. vorliegt, muss hierbei eine strenge Angemessenheitsprüfung stattfinden, weil die legitimen Belange des Eigentümers in rein öffentlichem Interesse – und nicht, wie beim Entdeckeranteil, zugunsten eines anderen Privaten – eingeschränkt werden: Die Erwerbsregelung dient nicht der Koordination privater Interessen, sondern verkürzt einen grundsätzlich gewährten Anspruch des einzelnen Bürgers zur Verwirklichung von Interessen der Allgemeinheit. Gerade hiergegen sollen die Grundrechte den Einzelnen schützen. Das erstrebte Ziel muss somit mit der getroffenen Regelung erreichbar sein und es darf kein milderes Mittel zur Verfügung steht, da sonst nicht einmal ein Pareto-optimaler Zustand hergestellt wird. Der Normzweck, die Fundgegenstände für die historische Forschung und die interessierte Öffentlichkeit dauerhaft zu sichern, verfolgt ein berechtigtes Allgemeininteresse.2012 Dieses lässt sich durch den Eigentumserwerb des Staates verwirklichen, weil er verhindert, dass fremde Rechtspositionen begründet werden, die einer wissenschaftlichen Untersuchung und der Betrachtung durch die Allgemeinheit entgegenstehen können; stattdessen gewinnt der Staat die zeitlich wie inhaltlich vollumfängliche Besitzund Nutzungsbefugnis.2013 Die Auswertung von Bodenfunden und Ausgrabungen bildet für die weiten Phasen der Geschichte, aus denen keine schriftlichen Quellen zu Verfügung stehen, die nahezu einzige Erkenntnisquelle für die Wissenschaft.2014 Der wissenschaftliche Fortschritt bringt zudem bisweilen neue Untersuchungsmethoden hervor, die der Forschung zu genaueren Aufschlüssen verhelfen können, so dass sich auch noch Jahre nach der Auffindung Untersu2012 Beleg hierfür sind Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sowie die entsprechenden Staatszielbestimmungen in zahlreichen Landesverfassungen (z. B. Art. 141 Abs. 2 BayVerf; Art. 40 Abs. 3 Verf Rh-Pf; Art. 34 SaarlVerf). BVerfG NVwZ 2010, 957 (957) nennt den Schutz von Kulturdenkmälern ohne weitere Darlegungen ein „grundsätzlich . . . legitimes Anliegen“. 2013 Vgl. Hönes, DÖV 1992, 425 (431). 2014 Hönes, DÖV 1992, 425 (425); Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (384).

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chungsbedarf ergeben kann. Beispiel hierfür ist die früher unbekannte und heute sehr exakte und für die Wissenschaft daher elementar wichtige C14-Methode zur Altersbestimmung.2015 Auch bei Funden einzelner Gegenstände bekannter Art (z. B. Münzen, Gefäße) ist oftmals ein denkmalpflegerisches Interesse an der Erhaltung und Zusammenhaltung des Fundes vorhanden, weil die Fundstücke in seiner Gesamtheit zusätzliche Erkenntnisse über die früheren Lebensverhältnisse eröffnen. Andere ebenso effektive Wege zur Zielerreichung sind nicht gegeben: Insbesondere ist der Eigentumserwerb gegenüber der Alternative, eine zeitweilige Überlassungspflicht für die Dauer von Untersuchungen zu statuieren, der einfachere Weg, da nicht jeweils erneut geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen für eine Untersuchung mit neuen Methoden vorliegen, und die Pflicht durch Verwaltungsakt durchgesetzt werden muss. Die Nutzung als Ausstellungsobjekt verlangt sogar nahezu zwingend, die Gegenstände zu Eigentum des Staates werden zu lassen, da eine ständige Besitzüberlassung über das hinausgehen würde, was einem Privaten noch im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zugemutet werden kann. (3) Angemessenheit der Regelung (a) Möglichkeit einer Regelung durch andere, nur wenig ineffektivere Maßnahmen Die Angemessenheit der Regelungen könnte allerdings deshalb fehlen, weil sich die Ziele in annähernd gleichem Umfang2016 auch auf eine andere Weise erreichen lassen, die den Eigentümer signifikant weniger belastet. Um dem Bedürfnissen der wissenschaftlichen Forschung zu entsprechen, genügt die Aufnahme von Art und Menge der gefundenen Sachen sowie des genauen Fundortes.2017 Soweit – weil es sich um historisch seltene oder einmalige Gegenstände handelt2018 – eine weitergehende wissenschaftliche Untersuchung der aufgefundenen Sachen geboten ist, genügt hierzu die zeitweise Überlassung nach dem Fund und ggf. zu späteren Zeitpunkten, wenn bessere Untersuchungstechniken entwickelt worden sind. In beiden Fällen müssen die Gegenstände nicht sofort für Untersuchungen zur Verfügung stehen. Eine wissenschaftliche Auswertung erfordert deshalb nicht die Innehabung des vollen Sachherrschaftsrechts, sondern kann auch verwirklicht werden, wenn der Staat nicht Eigentümer 2015

Vgl. Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (385). Lassen sich die Ziele im exakt gleichen Umfang erreichen, fehlt bereits die Erforderlichkeit. 2017 BVerwGE 21, 191 (194). 2018 Vgl. dazu, dass bei Gegenständen, die ihrer Art nach häufig vorhanden sind, eine Enteignung im klassischen Sinn nicht gerechtfertigt ist, BVerwGE 21, 191 (194 f.); ablehnend aber Hönes, DÖV 1992, 425 (426). 2016

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der Fundstücke wird, sondern ihm nur ein Überlassungsanspruch (wie sie z. B. Art. 9 BayDSchG enthält) zusteht. Der mit diesem Weg verbundene Verwaltungsaufwand ist von geringem Umfang und Gewicht und steht in keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die eine Eigentumszuweisung an den Staat für den Grundstückseigentümer mit sich brächte. Das Ziel, die Fundgegenstände in öffentlichen Sammlungen auszustellen, lässt sich dagegen mit einer Pflicht zur zeitweiligen Überlassung nicht verwirklichen. Die dauerhafte Ausstellung setzt den dauerhaften Besitz an den Sachen voraus, zu dem der Staat oder eine andere Körperschaft ohne Einverständnis eines privaten Eigentümers nicht berechtigt ist. (b) Forschungsfreiheit und Allgemeininteresse an plastischer Vermittlung geschichtlichen Wissens Keinen Einfluss auf die Frage, ob dem Grundstückseigentümer Eigentum zugewiesen werden soll, hat die Forschungsfreiheit. Die Forschungsfreiheit schützt den Prozess der Gewinnung, Deutung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse vor staatlicher Beeinflussung.2019 Die Versagung einer Beteiligung am aufgefundenen Schatz stellt erkennbar keinen Eingriff in den zentralen Abwehrgehalt dieses Individualgrundrechts dar, weil aus ihm weder ein Anspruch des Einzelnen abgeleitet werden kann, ihm das Eigentum an Fundstücken zuzuweisen,2020 noch, dass ihm eine wissenschaftliche Auswertung und Betrachtung überhaupt möglich sein muss. Steht das Eigentum einer Privatperson zu, die nur punktuellen Pflichten zur Duldung von Untersuchungen ausgesetzt ist, können die Fundstücke nicht als Ausstellungsobjekte der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG lässt sich der objektive Auftrag an den Staat ableiten, den Bürgern den Erwerb historischen Wissens anschaulich möglich zu machen und wissenschaftliche Forschung tatsächlich zu eröffnen.2021 Die didaktisch aufbereitete Ausstellung von historischen Funden in Museen o. ä. ist ein ideales Mittel, um der Bevölkerung die Geschichte nahe zu bringen und auf diese Weise die Verbundenheit des Einzelnen zur Region und zur gemeinsamen Kultur unmittelbar zu wecken. Indem Funde der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, kommt auch zum Ausdruck, dass sie als Zeugnisse der gemeinsamen Vergangenheit „Gemeingut“ aller Bürger eines Landes sind. Ein besonders großes Gewicht kommt diesem Ziel jedoch nicht zu; der Staat, der die genannten

2019

BVerfGE 35, 79 (112); 88, 129 (136); Hömig/Antoni, Art. 5 Rdnrn. 32 f. BVerwGE 102, 260 (269). 2021 Vgl. BVerfGE 35, 79 (114); 88, 129 (136 f.); 93, 85 (95); BVerfG NVwZ-RR 2000, 22 (22). 2020

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Ziele verfolgen will, kann dazu ohne Weiteres auch auf die üblichen Mittel der Güterbeschaffung verwiesen werden. (c) Kooperationsbereitschaft des Eigentümers Die Sachgerechtigkeit der Lösung, den Staat das Alleineigentum an Altertumsfunden erwerben zu lassen, kann ferner unter dem Aspekt in Frage gestellt werden, dass sie dazu führen, dass das erstrebte Ziel nicht erreicht wird. Der „drohende“ Erwerb durch den Staat kann einen Grundstückseigentümer dazu verleiten, bei einer entsprechenden Vermutung Suchaktionen auf dem eigenen Grundstück eilig, heimlich und ungeordnet durchzuführen; hierzu hat er dagegen keinen Anlass, wenn er mit einer angemessenen Beteiligung an einem Fund rechnen darf.2022 Eine Kooperation mit den Denkmalbehörden ist in jeder Hinsicht wünschenswert und erforderlich, da nur sorgfältige Grabungen die (wissenschaftlich wertvolle) genaue Dokumentation von Lage und Einbettung der Funde erlauben,2023 während bei der heimlichen Suche andere – materiell wertlose – Funde sowie vor allem die Bodenstrukturen unwiederbringlich zerstört werden können. Die drohende Nichtbeteiligung an den Ergebnissen der Grabungen lässt es dem Eigentümer insgesamt eher lästig erscheinen, dass sein Grundstück ein potentieller Ort historischer Forschungen ist. Das Ziel, „wilde“ Grabungen zu verhindern, spricht daher eher für einen (wenigstens anteiligen) Eigentumserwerb des Grundeigentümers.2024 (d) Rechtssicherheit Gegen einen Eigentumserwerb des Staates ex lege spricht ferner der Aspekt der Rechtssicherheit: Welchen Gegenständen ein „besonderer wissenschaftlicher Wert“, auf den die landesrechtlichen Bestimmungen abstellen,2025 zukommt und welchen nicht, ist zumindest für den Laien schwer zu ermitteln.2026 Dieses Merkmal bestimmt aber darüber, wem das Eigentum zusteht, so dass die derart formulierten landesrechtlichen Erwerbsregelungen eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit mit sich bringen.2027 Diese ist gerade im Sachenrecht hinderlich und unerwünscht, weil die Wirksamkeit weiterer Rechtsgeschäfte von der Rechtsinha2022 Vgl. Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (160): Bei Zahlung eines Wertausgleichs ist die Gefahr, dass ein Fund verheimlicht wird, geringer. 2023 Vgl. schon Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (149 f.). 2024 Wohl aber gegen einen Entdeckeranteil, s. o. aa). 2025 Z. B. § 20 (früher: § 19 a) DSchPflG Rh-Pf; § 23 DSchG BW. 2026 Zu den Schwierigkeiten bei der Definition des Denkmalbegriffs allgemein und besonders bei Bodendenkmälern vgl. Hammer, DÖV 1995, 358 (359 ff.); Oebbecke, DVBl. 1983, 384 (384). 2027 Vgl. Schroeder, JZ 1989, 676 (678).

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

berschaft abhängt. Eine Erwerbsberechtigung des Staates, die noch einen Vollzugsakt – in der Form der Enteignung oder eines Vorkaufsrechts – voraussetzt, dient daher in jedem Fall eher dem Ziel der Rechtssicherheit, da dann im Einzelfall verbindlich festgestellt wird, ob eine Bedeutung für die archäologische, historische oder prähistorische Forschung gegeben ist.2028 (e) Gewicht der Eigentümerinteressen bei Altersfunden Ob die beschriebenen Interessen der Allgemeinheit sich in der Abwägung über die Eigentümerinteressen hinwegsetzen können, hängt damit maßgeblich von ihrer Bedeutung und Durchsetzungskraft ab. Die Interessen des Grundstückseigentümers wiegen zunächst deshalb nicht besonders schwer, weil der Fund von Schätzen zufällig erfolgt. Die Zufälligkeit eines Vorteils schließt zwar dessen Schutz durch die Eigentumsgarantie nicht von vornherein aus;2029 dies offenbart sich darin, dass es einer Rechtfertigung bedarf, wenn derartige Vorteile (wie z. B. im Bergrecht) staatlichen Sonderregelungen unterstellt werden und damit entgegen der grundsätzlichen Zuständigkeit des Eigentümers andere Personen zur Ausnutzung befugt werden.2030 Der Satz, dass Art. 14 GG nicht die einträglichste Nutzungsweise garantiert,2031 bedeutet nicht, dass es insoweit bereits an der Eröffnung des Schutzes fehlt, sondern lediglich, dass rechtliche Beschränkungen der sich bietenden Veräußerungsmöglichkeiten in tendenziell weitem Umfang zumutbar sind.2032 Den Eigentümerinteressen kommt in solchen Fällen allerdings deshalb nur wenig Gewicht zu, weil keine eigene Leistung des Eigentümers vorliegt, die den Schutz aufgewandter Investitionen gebieten würde.2033 Mit dem Finden von Schätzen korrespondiert auch nicht ein Risiko von Nachteilen, das der Eigentümer zu tragen hat. Gemäß der allgemeinen Gerechtigkeitserwägung, dass sich bietende Vorteile einer Person zuzuweisen sind, wenn sich

2028

Schroeder, JZ 1989, 676 (679). Abweichend wohl Josef Kohler, DJZ 1904, 771 (777), da das Interesse, spekulieren zu können, nicht Basis eines Rechtsanspruch sein könne. 2030 Das besondere Nutzungsregime für bergfreie Bodenschätze kann nur durch die effektiveren Gewinnungsmöglichkeiten und das Ziel der Sicherstellung der Versorgung legitimiert werden. Vgl. oben Teil 4 B.III.1.a); v. Mangoldt/Klein/Depenheuer, Art. 14 Rdnr. 134. 2031 Vgl. BVerfGE 91, 294 (319); 100, 226 (243). 2032 Anders Hönes, DÖV 1992, 425 (427). 2033 Der Eigentumsschutz privatrechtlicher Positionen hängt zwar nicht davon ab, dass die Erzeugung und Erwirkung des Gutes auf einer eigenen Leistung beruht (BVerfGE 95, 64 (82); 114, 1 (58)), doch ist dies für die Schutzwürdigkkeit von Bedeutung (vgl. BVerfGE 91, 294 (309, 311); Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 684 ff., 718 f.). 2029

E. Eigentumserwerbstatbestände im Dritten Buch des BGB

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entsprechende Nachteile zu ihren Lasten auswirken würden,2034 muss der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentümers dann besonders stark sein, wenn er eigenverantwortlich Chancen auszunutzen versucht und dabei Risiken in Kauf nimmt. Das Entdecken von Schätzen stellt sich nicht unmittelbar als positive Kehrseite von Umständen und Faktoren dar, die auch eine Gefahr von Nachteilen in sich tragen (wie z. B. bei der Nutzbarkeit des Bodens zum Anbau oder bei den Lagevorteilen). Eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit, dass bei Grabungen Altertumsfunde zutage treten, ist auch eher ein Umstand, der sich negativ den Verkehrswert entsprechender Grundstücke auswirkt, weil die sich aus dem Denkmalschutz ergebenden Beschränkungen die bauliche Nutzung einschränken oder zumindest verzögern (vgl. die Anzeige- und Wartepflichten, Art. 8 BayDSchG2035) können. Die Chance, materiell und historisch Wertvolles zu finden, wird insoweit nicht mit einem höheren Preis „erkauft“. Ein besonderer Bedarf, diese Vorteile als korrespondierend zu schützen, ist daher nicht gegeben. Hinzu kommt weiter, dass bei Funden aus lange zurückliegender Zeit ein materielles Gerechtigkeitsargument nicht eingreift, das bei „herkömmlichen“ Schätzen stark für die in § 984 BGB getroffene Regelung spricht. Bei gewöhnlichen Schätzen liegt die Vermutung, der Eigentümer der bergenden Sache sei – wenn auch aufgrund zahlreicher Rechtsnachfolgevorgänge – auch Eigentümer des Schatzes, zumindest näher als das Gegenteil.2036 Die Zuweisung des Miteigentums an den Grundstückseigentümer, die § 984 BGB vorsieht, trifft damit im Ergebnis die wahre (wenn auch praktisch unaufklärbare) Rechtslage in einer größeren Zahl von Fällen als sie verfehlt wird. Bei Altertumsfunden kann eine Vermutung, dass deren letzter Eigentümer ein Rechtsvorgänger des Grundstückseigentümers war, dagegen nicht aufgestellt werden: Bei Funden aus frühester Zeit stimmen die heutigen Zuordnungsverhältnisse auch nicht im Entferntesten mit den früheren überein. Letztlich kann daher jeder der Bürger des Landes, sofern sein Vorfahren nur hinreichend lange in der Region leben, einer der Rechtsnachfolger und damit Mitberechtigter sein. Fossilien, auf die § 984 BGB analog angewandt wird,2037 standen sogar erwiesenermaßen niemals im Eigentum einer Person. Die Annäherung an die wahre Rechtslage wird daher nur bei relativ jungen Funden erzielt, die jedoch nur einen sehr geringen Teil der von den denkmalschutzrechtlichen Erwerbsregeln erfassten Sachen ausmachen.

2034 Vgl. Knütel, FS Seiler, S. 561, 563, 575 m.w. N.; ferner den Rechtssatz commodum eius esse debet, cuis periculum est, Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 26 Rdnr. 12; schließlich zum entsprechenden Gebot aus dem Fairnessprinzip Berkemann, JR 1989, 221 (227 f.). 2035 Vgl. Fn. 1962. 2036 Vgl. Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 12; Heck, Grundriss des Sachenrechts, § 66, 6 b (S. 271); ferner Soergel/Henssler, § 984 Rdnr. 5. 2037 Nachweise oben Fn. 1957.

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Das Aneignungsinteresse des Eigentümers stellt sich bei Schätzen damit insgesamt als wenig schutzwürdig dar. (f) Ergebnis Der Erwerb des Eigentums an historisch bedeutsamen Fundgegenständen durch den Staat ermöglicht deren Auswertung auf einfache Weise und im denkbar größten Umfang. Die alternative Lösung, eine Überlassungspflicht aufzuerlegen, ermöglicht die wissenschaftliche Auswertung in nahezu gleichen Umfang und ist nur mit geringem Mehraufwand für die befassten Behörden verbunden. Das Ziel, den Fundgegenstand als Ausstellungsobjekt der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, ist auf diese Weise jedoch nicht zu realisieren. Der Ausschluss des Eigentumserwerbs bewirkt für den Grundstückseigentümer eine gewisse Einschränkung seines Rechts, das grundsätzlich auch die Zuordnung von dort gefundenen Schätzen an ihn beinhaltet. Sein Interesse am Erwerb von Privateigentum an den Funden ist jedoch nur von relativ geringem Gewicht und nicht besonders schützenswert. Als legitime Allgemeinwohlbelange, wie sie in Art. 14 Abs. 2 GG genannt sind und selbst einen echten Eingriff rechtfertigen könnten, können die genannten Belange daher einen Grund für eine andere Regelung liefern. Die Entscheidung, zum Zwecke der Denkmalpflege Fundgegenstände Eigentum des jeweiligen Landes werden zu lassen, kann daher auch am Maßstab der grundrechtlichen Garantien der Eigentümer nicht als fehlerhaft angesehen werden. Der Gesetzgeber darf sich aufgrund seines politischen Wertungsspielraums dafür entscheiden, die Eigentümerinteressen hintanstellen, um die legitimen Ziele des Allgemeinwohls zu verwirklichen. Die Tatsache, dass das Fehlen einer Beteiligung andere kontraproduktive Effekte auslösen kann und die Rechtssicherheit bei einer abstrakt-generellen Regelung leidet, ändert hieran nichts, weil auch diese nachteiligen Wirkungen – abgesehen davon, dass sie sich nicht unmittelbar verstärkend auf die subjektive Position des Grundstückseigentümers auswirken – vom Gesetzgeber aufgrund seiner Einschätzungsprärogative als hinzunehmend bewertet werden dürfen. Landesrechtliche Regelungen, die dem Eigentümer keinen Anteil an den gefundenen Bodenbestandteilen zuweisen, sind somit mit Art. 14 GG vereinbar. Diese Überlegungen machen zugleich deutlich, dass der Gesetzgeber den betroffenen Grundstückseigentümern keinen finanziellen Ausgleich schuldet. Das Interesse des Staates, sich haushaltsschonend Ausstellungsstücke zu verschaffen und nicht Finanzmittel für einen ggf. erforderlichen freihändigen oder erzwungenen Erwerb von Forschungsobjekt aufwenden zu müssen, könnte zwar als solches einen entschädigungslosen Eingriff nicht rechtfertigen. Das Vermögensinteresse der involvierten Privaten ist aber – weil keine Investitionen getätigt und keine Erwartungen enttäuscht worden sind – nicht so gewichtig, dass es zwingend zu kompensieren wäre.2038

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d) Anhang: Einordnung landesrechtlicher Ablieferungspflichten Denkmalschutzrechtliche Bestimmungen einiger Länder sehen – statt eines unmittelbaren Eigentumserwerbs – eine Pflicht zur Ablieferung von Funden gegen Entschädigung vor.2039 Solche Regelungen wurden bereits beim Entwurf des BGB erwogen2040 und lassen den Eigentumserwerb durch Finder und Grundstückseigentümer nach § 984 BGB zunächst unberührt, räumen dem Staat aber die Möglichkeit ein, sich das Eigentum an Altertumsfunden zu verschaffen. Für die eigentumsverfassungsrechtliche Qualifikation dieser Bestimmungen kommt es nicht darauf an, ob das Verlangen der Behörde selbst unmittelbar den Eigentumsübergang herbeiführt2041 oder ob es nur eine Pflicht zur (rechtsgeschäftlichen) Übertragung desselben begründet2042. Eine administrativ oder legislativ auferlegte Pflicht, das Eigentum zu übertragen, bewirkt in gleicher Weise einen Rechtsentzug wie ein unmittelbar bewirkter Rechtsübergang.2043 Der Eigentumsübergang dient dabei der Erfüllung einer Allgemeinwohlaufgabe. Im Unterschied zu den Regeln, die bei sämtlichen Bodendenkmälern den Erwerb nach § 984 BGB ausschalten, wird das denkmalpflegerische Ziel hier erreicht, indem die Privatrechtszuordnung im Einzelfall durchbrochen wird. Der behördliche Vollzugsakt soll konkrete private Rechtspositionen überwinden, die sich aus der Eigentumsordnung ergeben, die privates Eigentum an kulturgeschichtlich bedeutsamen Sachen grundsätzlich vorsieht.2044 Die landesrechtlichen Ablieferungspflichten sind daher Enteignungen i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG.2045

2038 Ebenso BVerwGE 102, 260 (268), nach dem bei den Erwerbsbestimmungen kein Zwang zu einer Entschädigungsregelung ersichtlich sei. 2039 Z. B. § 17 DSchG NRW. § 24 DSchG HE; Nachweise und Aufstellung der jeweiligen Voraussetzungen bei Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 113 ff.; Hönes, DÖV 1992, 425 (429). 2040 Vgl. Pappenheim, JhJb. 45 (1903), 141 (160); Schroeder, JZ 1989, 676 (678). 2041 So etwa in Nordrhein-Westfalen, vgl. § 18 Abs. 3 DSchG NW. 2042 So etwa in Rheinland-Pfalz, vgl. § 20 Abs. 3 S. 3 DSchPflG RP. – Die Rechtsnatur des Eigentumsübergangs bei der Ablieferung wird in der hier ausgewerteten Literatur nicht eingehend diskutiert. Naheliegend ist eine rechtsgeschäftliche Verfügung gem. § 929 S. 1 BGB, bei der die Erklärung des Eigentümers durch den bestandskräftigen Verwaltungsakt ersetzt wird (so wohl Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 119 f. zu den §§ 17, 34 DSchG NW). 2043 Vgl. oben Teil 4 B.IV.1.b). 2044 Dies zeigt sich daran, dass die Ablieferungspflicht erst mit der Ausübung des Rechts durch den Hoheitsträger besteht, und bei den Sachen, bei denen hiervon nicht Gebrauch gemacht wurde, privates Eigentum möglich ist. 2045 Ebenso BVerwGE 21, 190 (192) und dem folgend Westermann/Gursky, § 60 Rdnr. 4; Staudinger/Gursky (2004), § 984 Rdnr. 21; Hönes, DÖV 1992, 425 (426); Dörner, Zivilrechtliche Probleme der Bodendenkmalpflege, S. 115 m.w. N. – Die Zulässigkeit von Enteignungsregelungen zum Zwecke des Denkmalschutzes im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge ergibt sich wegen der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG angedeuteten Akzessorietät zur zugrundeliegenden Materie aus Art. 70 GG. Art. 109 EGBGB

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Teil 4: Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Sachenrechts

Dieses Ergebnis mag zunächst überraschen und formalistisch erscheinen, da der Unterschied zwischen der Situation, dass der Eigentumserwerb von vornherein durch entsprechende Bestimmungen verhindert wird, und dem Fall, dass zunächst entstandenes Eigentum übertragen wird, nicht allzu groß ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass die „Ablieferungspflichten“ nicht an den Erwerb anknüpfen und daher auch „dritte“ Personen treffen können, die die Sachen von Entdecker und Grundstückseigentümer erworben haben. Der Entzug von Eigentum an der einzelnen entdeckten Sache hat daher eine andere Qualität als der Ausschluss des Erwerbs, der primär das Eigentum an der Muttersache betrifft.

kommt heute insoweit nur noch deklaratorische Funktion zu. Vgl. BVerfGE 45, 297 (342).

Teil 5

Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse A. Ausblick Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) bestimmte Strukturen und Inhalte der einfachgesetzlichen Regeln zum Schutz dinglicher Rechte verlangt. Diese Vorgaben der Verfassung sind zwangsläufig nur rahmenartig und verdichten sich lediglich in Ausnahmefällen so weit, dass ein bestimmtes Ergebnis gefordert ist. Vor dem Versuch, als gerecht(er) empfundene Ergebnisse mit verfassungsrechtlichen Argumenten als zwingend zu begründen, hat sich der Rechtsanwender daher zu hüten; auch gegen die Ausführungen in dieser Arbeit mag an der einen oder anderen Stelle der Vorwurf erhoben werden, dass die Maßstäbe zu streng angelegt worden seien. Vermeiden lassen wird sich diese Gefahr nie, spiegeln doch die Grundrechte und die mit ihnen verbundenen Grundsätze – allen voran der Gleichheitsgedanke (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsgebot – die elementaren Gerechtigkeitsgedanken wider;1 nahezu jede Argumentation, die auf Gerechtigkeitsüberlegungen zurückgreift, hat daher einen gewissen verfassungsrechtlichen Bezug, zumal das Grundgesetz bewusst die Beachtung von Recht und Gesetz aufgibt. Die Eigentumsgarantie kann gebieten, schutzwürdige Positionen als private Rechte gegen Beeinträchtigungen durch andere Personen zu schützen. In Anbetracht des Wandels hin zur Informationsgesellschaft2 mag daher zu diskutieren sein, inwieweit der gegenwärtige Schutz der „Information“ durch die vorhandenen Rechtsinstitute genügt, um den Bedürfnissen des modernen Wirtschaftsverkehrs zu genügen. Das BGB-Eigentum kann dem Urheber oder Inhaber einer Information nur insoweit helfen, als diese verkörpert ist,3 das Urheberrecht greift nur ein, soweit es um eine geistige Leistung mit gewisser Schöpfungshöhe geht,4 1

Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 967. Canaris, FS Lerche, S. 880. 3 Zur Frage, ob die Regeln über den Eigentumsschutz und sachenrechtliche Kriterien auch auf „schlichte Daten“, die nirgends körperlich gespeichert sind, anzuwenden sind, vgl. Staudinger-Symposion 1998/Wiegand, S. 125 f. – Zur nachgelagerten Frage, welchen Wert Daten haben und wie der Vermögensschaden zu berechnen ist, vgl. BGH NJW 2009, 742 (743 f.) m. Anm. Schiemann S. 744 f. 4 Vgl. Ohly, Digitale Datenbanken, S. 123 (127 ff.). 2

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Teil 5: Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

und das Patent- und Gebrauchsmusterrecht ist auf den gewerblich-technischen Bereich beschränkt. Diese Liste ließe sich fortsetzen, ohne ein wirklich umfassendes Schutzrecht für die Information selbst zu finden. Der Gesetzgeber verfügt einerseits über einen relativ großen Spielraum, wenn er entscheidet, ob er solche Phänomene schützen will und sie hierzu als Recht – und damit als Eigentum – konstituiert.5 Andererseits ergeben sich aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie anderen Grundrechtspositionen und Verfassungsaufträgen teils recht dichte Vorgaben, wann es aufgrund der Gefährdung von Verwertungs- und Nutzungsmöglichkeiten, auf die der einzelne zur Verwirklichung seiner Ziele angewiesen ist, geboten ist, ein absoluten Schutz verleihendes Regelungswerk aufzustellen.6 Die Schaffung eines besonderen Schutzes für Computerprogramme durch die Einführung der §§ 69 a ff. UrhG war daher als geboten anzusehen. Über einen auch im Gesetz positivierten umfassenden absoluten Schutz von Internet-Domains kann immerhin nachgedacht werden; eine solche Rechtssetzung würde allerdings nicht unerhebliche Anpassungsprobleme an die bisherigen Marken- und Namensrechte auslösen, die sich als die „älteren“ Rechte wohl durchsetzen werden müssen, da ihnen aufgrund ihrer Verbreitung und der dadurch erworbenen Kennzeichnungsfunktion eine besondere Schutzwürdigkeit zukommt.7 Ein Niedergang des klassischen Eigentums wird auch im Fall einer Schaffung neuer absoluter Schutzrechte für bestimmte Phänomene nicht stattfinden. Das umfassende Vollrecht an Sachen ist nicht nur der Prototyp für jedes andere Recht, das durch Art. 14 GG geschützt wird, sondern auch in seiner Vielfältigkeit im Hinblick auf die möglichen Nutzungsformen einzigartig. Anders als partielle Rechte bietet das Sacheigentum seinem Inhaber eine Vielzahl alternativer Gebrauchsmöglichkeiten, wenn die bisherige Nutzung infolge neuer Entwicklungen überholt ist und daher keinen Gewinn mehr abwirft. Damit erlaubt es mehr als andere Berechtigungen die eigene Initiative und eröffnet seinem Inhaber mehr (Auswahl-)Möglichkeiten. Daher ist das Eigentum an Sachen, das seinem Inhaber grundsätzlich alle möglichen Befugnisse einräumt, einmalig. Sein besonderer Schutz vor staatlichem Zugriff und gegenüber Beeinträchtigungen durch andere Personen, den Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet, ist deshalb umso bedeutsamer. 5 Vgl. BVerfG NJW 2005, 589 f. zur Frage, ob eine von der DENIC e.G. vergebene Internet-Domain Eigentum i. S. d. Art. 14 GG darstellt (zutreffend verneinend). 6 Vgl. oben 97 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 192 f. 7 Vgl. BVerfG NJW 2005, 589 f.; BGHZ 148, 13 (16 ff.). – Nicht zu übersehen ist allerdings auch, dass gleichzeitig an anderen Stellen – neben dem Bereich der Computersoftware die Rechte an Musikstücken – eine starke Tendenz weg von umfassenden absoluten Berechtigungen hin zu einzelnen, relativen Zugangsberechtigungen gegeben ist. (vgl. dazu Kube, JZ 2001, 944 ff. m.w. N.). Dies dürfte aber zum erheblichen Teil auf die – sogleich zu erörternde – umfassende Position des Eigentümers (im genannten Kontext: eines Werkstücks) zurückzuführen sein, die einen Berechtigungsinhaber davon abhalten kann, sein Recht vollständig zu übertragen, so dass er er stattdessen vorzieht, nur punktuelle Berechtigungen auf schuldrechtlicher Grundlage einzuräumen.

A. Ausblick

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Die Qualität als umfassendes Ausschluss- und Nutzungsrecht ist zudem der Grund, weshalb aus dem Eigentum – jedenfalls solange spezielle Schutzrechte fehlen – neue, wirtschaftlich bedeutende Positionen (insbesondere entsprechende Leistungsschutzrechte) abgeleitet und herausentwickelt werden können. So ist das Hausrecht, das sich im Wesentlichen aus dem Grundstückseigentum und dem berechtigten Besitz ableitet und seinen Inhaber zur freien Entscheidung berechtigt, welchen Personen er den Zutritt zu Räumen und Flächen gestattet oder verwehrt und zu welchen Zwecken er dies ggf. erlaubt,8 die Grundlage der „Fernsehund Hörfunkrechte“.9 Diesen kommt z. B. bei der Vermarktung von Sportveranstaltungen ein erheblicher wirtschaftlicher Wert zu. Auch wenn die aus dem Eigentum fließenden Abwehrbefugnisse hier zu einem Auschließlichkeitsrecht im Bezug auf Vorgänge umfunktioniert werden, die sich nur dort abspielen und nicht unmittelbar die Sache selbst betreffen, zeigt das Beispiel, welche wichtige Rolle das Eigentum an Sachen für den Schutz von eingesetzten Investitionsmitteln hat und dass es auch im „Informations- und Medienzeitalter“ eine elementare Bedeutung besitzt. Das Eigentum ist schließlich auch wegen seines generellen Schutzcharakters in der Lage, seine ureigene Funktion – den Eigentümer störende oder gefährdende Verhaltensweise anderer auszuschalten – auch gegenüber neuen technischen Entwicklungen auszuüben. Die negatorischen Abwehransprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB sind gerade wegen ihrer allgemeinen Formulierung ein grundsätzlich geeignetes Mittel, um auf bisher unbekannte Arten von Beeinträchtigungen zu reagieren. Als Beispiel sollen hier nur die Konflikte genannt werden, die sich daraus ergeben, dass durch den Einsatz von mit Videokameras ausgestatteten Drohnen10 oder von Satelliten Einblick in bisher weitgehend optisch abgeschirmte Grundstücksbereiche genommen werden kann. Nicht zu übersehen ist zwar, dass sowohl beim Schutz vor Bildaufnahmen als auch bei der Sicherung der exklusiven Vermarktung der sich auf einem Grundstück ereignenden Geschehnisse der Eigentumsschutz bisweilen an seine Grenzen stößt, weil die negatorischen Abwehransprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich erst bei einer Verletzung der Grundstücksgrenze einsetzen und insbesondere § 905 S. 2 BGB nur die Integrität des Säuleneigentums zu garantieren vermag.11 Dies beruht jedoch weniger auf einer Unvollkommenheit des Eigentumsschutzes als darauf, dass diese Phänomene eher anderen Schutzregimen, etwa dem Bereich des Persönlichkeitsrechts (in allen seinen Erscheinungsfor8

Vgl. BGH NJW 2006, 1054 (1054). Siehe nur BGHZ 187, 255 (262, 264) „hartplatzhelden.de“; BGHZ 110, 375 (383 f.); 137, 297 (307); 165, 62 (69 f., 72 f.); Götting, LMK 2011, 325117; Ohly, GRUR 2011, 439 (440). 10 Dazu Regenfus, NZM 2011, 799 ff. 11 Vgl. Ohly, GRUR 2011, 439 (440); ferner oben Teil 4 B.I.1.c)bb)(2) bzw. B.III.2.a). 9

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Teil 5: Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

men) bzw. dem Immaterialgüterrecht12 zuzuordnen sind. Die Frage, ob in diesem Überschneidungsbereich – über den Minimalschutz hinaus, den die §§ 903 ff., 1004 BGB bereits nach herkömmlichem Verständnis liefern – ein als adäquat empfundenes Schutzniveau durch eine Ausdehnung des Wirkbereichs der Ansprüche aus dem Eigentum oder mittels der quasinegatorischen Ansprüche, die sich aus dem Persönlichkeitsrecht ergeben, hergestellt werden soll, ist nicht verfassungsrechtlicher Art; sie ist in konsequenter Fortsetzung des im einfachen Recht angelegten Systems der einzelnen Schutzrechte lösen. Gleichwohl lässt sich das Eigentum durchaus dazu einsetzen, bis zur Entscheidung über die Schaffung eines speziellen Schutzregimes durch den Gesetzgeber oder bis zur Herausentwicklung eines solchen durch die Rechtsprechung einstweilen die Wahrung der Rechte und legitimen Interessen der anderen sicherzustellen.

B. Zusammenfassende Thesen (1) Im Bereich des Privatrechts entfalten die Grundrechte Wirkungen unmittelbar nur im Verhältnis des Bürgers zum Privatrechtsgesetzgeber und zur Rechtsprechung. Diese werden – je nach Fallkonstellation – von der Abwehr- oder von der Schutzpflichtrichtung verpflichtet, selbst Eingriffe zu unterlassen oder den Grundrechtsträger gegen Eingriffe von Seiten anderer Personen zu verteidigen. Hierzu bedarf es der Schaffung geeigneter Rechtssätze, die entsprechende Befugnisse gegenüber anderen positiv festlegen (Legislative), und der Durchsetzung dieser Bestimmungen (Judikative). Soweit solche Regelungen vom Gesetzgeber einfachrechtlich geschaffen sind, wirken sich die dahinter stehenden Grundrechte mittelbar auf die Freiheiten der betroffenen Privaten aus (s. o. Teil 2 A.II.5, S. 34). (2) Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 GG) unterscheidet sich strukturell nicht von den anderen Freiheitsrechten im Grundrechtskatalog der Verfassung. Der „offene“ Eigentumsbegriff führt zu Defiziten beim Schutz des Einzelnen, weil ihm zufolge eine unverhältnismäßige Vorenthaltung von Befugnissen keinen Verfassungsverstoß darstellt, und spricht der Eigentumsgarantie im Ergebnis einen eigenen spezifischen Inhalt, der sich von den allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien unterscheidet, ab. Inhalt der Eigentumsgarantie ist das Gebot, dem Einzelnen die vollumfängliche Nutzungs- und Verfügungsmacht über Gegenstände zu ermöglichen, die er benötigt, um ein eigenverantwortliches Leben zu führen und dabei von seinen anderen Freiheiten Gebrauch machen zu können Als Abwehrrecht garantiert Art. 14 GG daher dem Inhaber des Rechts die grundsätzlich unbeschränkte Herrschafts- und Nutzungsbefugnis über die Sache als Gegenstand (Substanzgarantie), nicht nur die Zuordnung ihres Wertes. Wie die 12

Vgl. Götting, LMK 2011, 325117; Ohly, GRUR 2011, 439 (440).

B. Zusammenfassende Thesen

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Formulierung „gewährleistet“ in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ausdrückt, ist der Eigentumsgarantie der aus der Abwehr- und der Schutzdimension resultierende Auftrag an den Gesetzgeber immanent, eine Privatrechtsordnung bereitstellen, die dem Eigentümer Ansprüche einräumt, mit denen er Einwirkungen anderer Privater, die diese Herrschafts- und Nutzungsbefugnis beeinträchtigen, abwehren kann. Die besondere Behandlung als Institutsgarantie ist entbehrlich (s. o. Teil 2 B.II.3.a)dd)(9), S. 119). (3) Einschränkungen des grundsätzlich umfassenden Herrschaftsrechts sind möglich und erforderlich, um die Interessen des Eigentümers mit den Belangen der Allgemeinheit oder konkreter anderer Personen zu koordinieren. Dabei gelten das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip und das Verhältnismäßigkeitsprinzip, so dass sich jede Einschränkung von Nutzungs- oder Verfügungsbefugnissen an der Freiheitsgarantie messen lassen muss. Erfordern und rechtfertigen Allgemeinwohlbelange oder Interessen anderer eine Einschränkung dieser Befugnisse, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob dem Eigentümer auch deren wirtschaftliche Folgen auferlegt werden sollen und dürfen. Als Ergebnis dieser weiteren – von der Frage der Befugniseinschränkung als solcher zu trennenden – Abwägung kann geboten sein, die finanziellen Nachteile, die aus der Befugnisreduzierung für den Eigentümer entstehen, durch eine staatliche Entschädigung auszugleichen (s. o. Teil 2 B.II.3.a)dd)(7)(d), S. 112). (4) Diese Grundsätze gelten auch für eigentumseinschränkende Vorschriften des Privatrechts. Der Vorrang der Substanzgarantie, den die Verfassung vorgibt, lässt sich in den Vorschriften des BGB verwirklicht finden: Einfachgesetzliche Normen enthalten oftmals ein Entscheidungsprogramm, das primär darauf abzielt, eine Einschränkung von Befugnissen des Eigentümers zu vermeiden. Da sich regelmäßig zwei Grundrechtspositionen gegenüberstehen, ist eine Befugniseinschränkung – mangels Vermeidbarkeit – jedoch häufiger erforderlich und zulässig als bei Eigentumsbeschränkungen im Bereich des öffentlichen Rechts. Beim Ausgleich von verfassungsrechtlich geschützten Interessen zweier Privater ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit Modifikationen anzuwenden, nämlich als Prinzip der Praktischen Konkordanz, auf dessen dritter Stufe sich wiederum das Ausgleichs-/ Aufopferungsprinzip findet (s. o. Teil 2 C.I.3.b), S. 189). Im Einzelfall kann die Kollisionssituation sogar verlangen, das dingliche Recht vollständig auf eine andere Person zu übertragen, weil nur so eine sachgerechte Lösung des Interessenkonflikts möglich ist (s. o. Teil 2 C.I.2.b)cc), S. 185). (5) Dem Gesetzgeber kommt ein nicht unerheblicher Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu, darüber zu befinden, welches der beteiligten Interessen in einer konkreten Situation höherwertiger ist und daher Vorrang genießen soll. Ihm obliegt im Sinne der Rechtssicherheit, möglichst viele Kon-

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Teil 5: Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

fliktsituationen durch abschließende und bestimmte Regelungen abzuhandeln. Die damit erzielte Vorhersehbarkeit der Ergebnisse wiegt den möglichen Verlust an Einzelfallgerechtigkeit auf. Hat der Gesetzgeber aufgrund seiner politischen Legitimation entschieden, welche der in Betracht kommenden Lösungen in der einzelnen Konstellation als die insgesamt vorzugswürdige und gerechtere anzusehen ist, ist dies vom Rechtsanwender grundsätzlich zu akzeptieren. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Entscheidung erkennbar für eine signifikante Zahl von Fällen klar als fehlerhaft bewertet werden muss und damit auch bei Berücksichtigung des Generalisierungsund Typisierungsspielraums mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist (s. o. Teil 2 C.I.3.c)dd), S. 196). (6) Setzt der Gesetzgeber wertungsbedürftige Begriffe ein, so überlässt er die Konfliktschlichtung der Rechtsprechung; dies kann wegen der Vielgestaltigkeit der im Bürger-Bürger-Verhältnis denkbaren Situationen und Interessenberührungen oftmals trotz des Gebots weitgehender Normierung durch den Gesetzgeber unvermeidbar sein. Die Tatbestandsmerkmale des einfachen Rechts sind dann unter Berücksichtigung der Interessen beider Privater auszufüllen. Einfluss können grundsätzlich alle für die Beurteilung der Interessenlage relevanten Umstände des Einzelfalls finden.13 Hat der Gesetzgeber durch die Regelung einer vergleichbaren Situation oder auf andere Weise eine Wertung ausgedrückt, ist diese bei der Auslegung von offenen Rechtsbegriffen zu beachten. Erst recht dürfen derartige Entscheidungen bei der Rechtsanwendung nicht missachtet oder indirekt unterlaufen werden (s. o. Teil 2 C.I.5.b)bb)(2), S. 224). (7) Dem Entschädigungsgebot können auch für den Bereich des Privatrechts Vorgaben entnommen werden, ob, gegen wen und in welcher Höhe Ansprüche in Geld als Ausgleich dafür bestehen müssen, dass Befugnisse im fremden Interesse reduziert wurden. Auch diese Vorgaben sind i. d. R. nicht strikt und unbedingt, so dass dem Gesetzgeber ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bleibt. Bei zivilrechtlichen Kollisions- und Aufopferungssituationen ergibt sich wegen der Besonderheit der Interessenkonstellationen in einer im Vergleich zum öffentlichen Recht größeren Zahl von Fällen eine echte Pflicht des Gesetzgebers, die aus einer Befugniseinschränkung resultierenden Vermögensnachteile durch Entschädigungsansprüche i. w. S. auszugleichen. Eine Verpflichtung, bei Befugnis- oder Rechtsverlusten Ausgleichsregelungen vorzusehen, ist insbesondere regelmäßig dann gegeben, wenn der Betroffene durch eine Regelung belastet wird, die primär im Interesse des Verkehrsschutzes oder der klaren Güterzuordnung besteht, sich aber vermögensmäßig zugunsten einer konkreten anderen Person

13

Vgl. den Begriff der „wesentlichen“ Beeinträchtigung in § 906 BGB.

B. Zusammenfassende Thesen

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auswirkt (s. o. Teil 2 C.II.2.d)cc), S. 247).14 Umgekehrt darf ein Eigentümer nicht als Ersatzpflichtiger herangezogen werden, wenn ein Nachbar Beeinträchtigungen, die von seiner Sache ausgehen, zu dulden hat, der Ausschluss des Abwehranspruchs aber ganz oder überwiegend aus Gründen des öffentlichen Interesses angeordnet ist und daher selbst dem Störer eine Beseitigung der Störungsquelle untersagt ist. Eine Ausgleichspflicht, die in derartigen Konstellationen regelmäßig geboten ist, muss den Staat treffen.15 Im Übrigen ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Ausgleichsansprüche relativ frei; Leitlinien sind wiederum das Verhältnismäßigkeits-/ Angemessenheitsgebot sowie die konsequente Fortsetzung der Entscheidung auf der Primärebene (s. o. Teil 2 C.II.4.b)ee), S. 265). (8) Der Schutz des Eigentums gegen Beeinträchtigungen durch Dritte wird durch Abwehransprüche, Schadensersatzansprüche und Bereicherungsansprüche bewirkt. Diese im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen kategorial verschiedenen Ansprüche bilden zusammen ein Paket, mit dem auf gegenwärtige, künftige und vergangene Überschreitungen der dem Eigentümer exklusiv zugewiesenen Sphäre reagiert wird. Der Eigentümer kann durch die primären dinglichen Ansprüche die Beendigung jedes rechtswidrigen gegenwärtigen Verhaltens verlangen (s. o. Teil 3 A.II.2.b), S. 286). Bei Schadensersatzansprüchen, die darauf gerichtet sind, die durch ein rechtswidriges Verhalten hervorgerufenen Zustände rückgängig zu machen, müssen zusätzlich die Interessen des Anspruchsgegners berücksichtigt werden, weshalb nicht jedes rechtswidrige Verhalten eine Restitutions- oder Kompensationspflicht auslöst (s. o. Teil 3 A.II.3.b), S. 290). Diese aus den Grundrechten des Anspruchsverpflichteten abzuleitende Forderung darf auch bei der Bestimmung, wie weit die negatorischen Abwehransprüche reichen, nicht übersehen werden. Bei den Bereicherungsansprüchen, die eine durch eine objektive Befugnisverletzung verursachte Vermögensverschiebung ausgleichen sollen, wird dem Interesse des Anspruchsgegners durch die Beschränkung des Anspruchs auf die noch vorhandene Vermögensmehrung Rechnung getragen (s. o. Teil 3 A.II.5, S. 302). (9) Die Befugnis zur Nutzung der Sache durch den Eigentümer wird im Gesetz in § 903 S. 1 BGB ausgesprochen. Konkrete Bestimmungen zu dieser Komponente des Eigentums finden sich nur vereinzelt, insbesondere in Gestalt der Regelungen über den Erwerb abgetrennter und neu gebildeter Sachen. Die weitgehende Entbehrlichkeit rechtlicher Regelungen, die unmittelbar 14

Beispiele: Fälle des gutgläubigen Erwerbs und der Verbindung. Vgl. einerseits das Verbot, den Nachbarn zur Entschädigung zu verpflichten, wenn das Baumbeseitigungsverbot auch ihm gegenüber besteht, andererseits die gesteigerte Ausgleichspflicht für die Duldung von Telekommunikationsleitungen und die besondere Mitverantwortung des Staates für Bergschäden. 15

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Teil 5: Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

die Nutzung der Sache betreffen, ist darauf zurückzuführen, dass die faktische Nutzung der Sache dem Eigentümer bereits dadurch ermöglicht wird, dass er mittels des Herausgabeanspruchs und der negatorischen Abwehransprüche den störungsfreien Besitz der Sache sicherstellen kann (s. o. Teil 3 B, S. 304). (10) Die Zuordnungsregeln des Sachenrechts bestimmen darüber, durch welche Tatbestände ein dingliches Recht begründet, belastet, übertragen oder aufgehoben wird. Hiervon hängen das Bestehen und die Aktivlegitimation für Ansprüche ab, die sich aus dem Eigentum ergeben, weshalb sich aus der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit dinglicher Rechtsgeschäfte Konsequenzen für eine große Zahl von Drittbetroffenen ergeben. Auswirkungen von besonderen Umständen, die im Rechtsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber wurzeln, sind daher tendenziell nachteilig für den Rechtsverkehr, so dass bei Zuordnungsregeln Abwägungs- und Verhältnismäßigkeitsklauseln grundsätzlich nicht einsetzbar sind (s. o. C.I.4.b)bb)(4), S. 214). (11) Die Prinzipien des Sachenrechts – Trennungs- und Abstraktionsprinzip, Publizitäts- und Traditionsprinzip, Typenzwang (numerus clausus der dinglichen Rechte), Verbot dinglicher Verfügungsbeschränkungen – lassen sich im Wesentlichen durch Allgemeinwohlinteressen wie Verkehrsschutz und Dispositionssicherheit rechtfertigen (s. o. Teil 3 C.I.1, S. 306; Teil 3 C.V.6, S. 348). Das deutsche Sachenrecht weist insofern eine Kumulation verkehrsschützender Maßnahmen16 auf. Aus Gründen des Verkehrsschutzes lässt das BGB eine Beeinflussung des Inhalts eines dinglichen Rechts durch ein früheres Verhalten eines Rechtsinhabers und besonders einem dabei vorhandenen Verschuldensmoment i. d. R. nur zu, wenn diese Gesichtspunkte für Dritte – einschließlich Rechtsnachfolger – erkennbar sind (s. o. Teil 3 C.IV.2.c), S. 325).17 (12) Aus dem Charakter des Eigentums als umfassendes Vollrecht zur Verfügung und Nutzung, das der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie zugrunde liegt und daher für das Zivilrecht maßgeblich ist, ergibt sich, dass dem Gesetzgeber eine Aufspaltung des Eigentums in ein Verfügungs- und ein Nutzungsrecht verboten ist (s. o. Teil 3 C.I.3, S. 311). Diesen Anforderungen genügen die im BGB geregelten dinglichen Rechte, indem sie entweder eine inhaltliche Beschränkung der Nutzungs- oder Verfügungsbefugnis aufweisen oder wegen ihres subjektiv-persönlichen Charakters zumindest in zeitlicher Hinsicht begrenzt sind. Beim Erbbaurecht dürfen die 16 Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 127, die zutreffend hier auch das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs aufzählt; inhaltlich ebenso J. Hager, FG BGH I, S. 778 ff. 17 So ist etwa der negatorische Anspruch richtigerweise nur bei ortsüblichen Immissionen, nicht schon allein aufgrund der Priorität, eingeschränkt.

B. Zusammenfassende Thesen

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gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten (zeitliche Dauer, Veräußerungsvorbehalte, Entgeltlichkeit) nicht so kombiniert werden, dass dem Grundstückseigentümer das notwendige Minimum an Rest-Befugnissen nicht mehr verbleibt (s. o. Teil 3 C.IV.4.d), S. 339). (13) Das Sachenrecht enthält in den meisten Bereichen, in denen es Ansprüche regelt – insbesondere im Nachbarrecht – ausreichend wertungsoffene Begriffe. Lässt das Gesetz, wie es – notwendigerweise – bei den eher „technischen“ Zuordnungsnormen der Fall ist, die Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Interessen nicht zu, obwohl dies auch unter Beachtung des Vorrangs der gesetzgeberischen Entscheidung und des Rechts zur Generalisierung und Typisierung erforderlich wäre, muss ein Rückgriff auf (sachlich und systematisch) anwendbare Generalklauseln des Allgemeinen Teils und des Schuldrechts erfolgen, um (wenn auch ggf. auf einer anderen Ebene) einen Interessenausgleich im Zwei-Personen-Verhältnis zu bewirken. Normen des Schuldrechts können erforderlichenfalls auch als Grundlage eines gebotenen Ausgleichsanspruchs dienen (s. o. Teil 3 C.II.3.b), S. 253). (14) Die Abwehrbefugnisse des Eigentümers – d.h. die Ansprüche, die ihm die Rechtsmacht geben, anderen jegliche Einwirkung auf die Sache zu verbieten – sind prägend für das Eigentum. Der Herausgabeanspruch soll durch die Gewährleistung des Besitzes die tatsächliche Voraussetzung für die Nutzung durch den Rechtsinhaber schaffen; der Ausschluss oder andere Einschränkungen dieses Anspruchs sind daher besonders schwerwiegend (s. o. Teil 4 A.I.1, S. 351). Die negatorischen Abwehransprüche i. e. S., insbesondere § 1004 Abs. 1 BGB, spielen ebenfalls eine große Rolle für den Eigentumsschutz, da sie das ausschließliche Recht des Eigentümers, die Sache beliebig zu nutzen, absichern. In dieser Funktion sind die negatorischen Ansprüche nicht Selbstzweck, sondern dazu bestimmt, dem Rechtsinhaber die (positiven) Nutzungsmöglichkeiten, die ihm kraft des Eigentums zustehen, zu erhalten (s. o. Teil 3 A.II.2.d), S. 288). Daneben besteht ihre Bedeutung darin, bei einer rechtsgeschäftlichen entgeltlichen Übertragung einzelner Befugnisse sicherzustellen, dass der Berechtigte nur die eingeräumten Befugnisse ausübt und nicht zusätzliche Nutzungen ziehen kann. Sie bewirken somit, dass das Äquivalenzverhältnis zwischen dem in der privatautonomen Vereinbarung als angemessen angesehenen Preis und der Gegenleistung in Gestalt der übertragenen Nutzungsbefugnisse erhalten bleibt (s. o. Teil 3 C.IV.4.b), S. 334). (15) Die Rechtsprechung, die den negatorischen Abwehransprüchen aus § 1004 Abs. 1 BGB einen Inhalt gibt, der über die bloße Beendigung der andauernden Störung (Beeinträchtigung) hinausgeht und einer Schadensersatzpflicht gleicht, und im Fall des „faktischen Duldungszwangs“ in analoger Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB Aufopferungsansprüche (den „nachbar-

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Teil 5: Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

rechtlichen Ausgleichsanspruch“) zugesteht, beachtet nicht in ausreichendem Umfang die besonderen Anforderungen, die zu stellen sind, wenn einem Grundrechtsträger eine finanzielle oder sonstige Ersatzpflicht für in der Vergangenheit liegende Vorgänge, die zu Schäden geführt haben, auferlegt wird (s. o. Teil 4 B.I.2.c)bb)(4), S. 487). Die Rechtsprechung zu den „gemeindienlichen Anlagen“, nach der zivilrechtliche Ansprüche gegen den Betrieb von Anlagen (i. w. S.) mit Allgemeinwohlbezug aufgrund eines ungeschriebenen Vorrangs unabhängig vom Gewicht der Interessen im jeweiligen Einzelfall ausgeschlossen sind und der betroffene Bürger auf eine Entschädigung („bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch“) verwiesen wird, verstößt gegen den Gesetzesvorbehalt und das Gebot einer situationsorientierten Abwägung der kollidierenden Belange (s. o. Teil 4 B.I.2.d) bb)(5), S. 499). (16) Bei der Festlegung, welche Formen von Einwirkungen und anderen Mitbenutzungen zu dulden sind und welche Intensität sie aufweisen dürfen, hat der Staat die Interessen der beiden Privaten abzuwägen. Die gegenläufigen Grundrechtsinteressen der Beteiligte sind in ein Verhältnis Praktischer Konkordanz zu bringen. Bedenken bestehen dagegen, für einzelne Fälle – wie etwa die „negativen Immissionen“ – Abwehransprüche von vornherein vollständig zu verneinen, obwohl eine sinnvolle Nutzung von Grundstücken häufig eine Interaktion nach und von außen verlangt (s. o. Teil 4 B.I.1.c) bb)(3), S. 458). (17) Öffentliche Interessen können in diese Interessenabwägung, wie sie etwa § 906 Abs. 1 S. 1 BGB eröffnet, grundsätzlich einbezogen werden. Erhalten die öffentlichen Belange ein so starkes Gewicht, dass sie die privaten Interessen nicht nur unterstützen und ergänzen, besteht die Gefahr, dass in Wirklichkeit eine Eingriffssituation wie im klassischen Staat-Bürger-Verhältnis vorliegt. Dies ist bedenklich, weil auf diese Weise die für solche Eingriffe geltenden Regeln zum Gesetzesvorbehalt und die „strenge“ Verhältnismäßigkeit nicht zur Anwendung kommen, da nach außen hin eine Kollision von Grundrechtsträgern untereinander vorzuliegen scheint und eine auf Gleichordnungsverhältnisse zugeschnittene Norm zur Anwendung kommt. Den Kern der abwägungserheblichen Belange bei § 906 Abs. 1 S. 1 BGB müssen daher stets die Individualinteressen der beteiligten Privaten bilden (s. o. Teil 4 B.I.1.b)cc)(3)(b), S. 440). (18) Dem Eigentümer dürfen nur in eng begrenztem Umfang Pflichten zur Duldung eines Mitgebrauchs der Sache auferlegt werden, um anderen die Ausübung von Grundrechten zu ermöglichen, da Art. 14 GG gerade dem Eigentümer das Recht einräumt, die Sache zur Verwirklichung seiner Interessen und Grundrechte einzusetzen (s. o. Teil 4 B.II.4.a), S. 515).

B. Zusammenfassende Thesen

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(19) Der possessorische Besitzschutz, der sich auch gegen den Eigentümer richten kann, findet seine verfassungsrechtliche Legitimation im Schutz des staatlichen Gewaltmonopols (s. o. Teil 4 C.I.4, S. 607). (20) Dem Inhaber einer Dienstbarkeit kann unter dem Gesichtspunkt des überschießenden Bestandsschutzes ein Anspruch auf Anpassung des Inhalts seines Rechts, das selbst den Schutz des Art. 14 GG genießt, zustehen; diese Vorgabe kann über vorhandene einfachrechtliche Normen verwirklicht werden. Dies gilt auch für die sog. Unterlassungsdienstbarkeiten, wobei hier aufgrund des Wesens und des Bestellungszwecks strengere Anforderungen zu stellen sind und dem Inhaber des Rechts regelmäßig allenfalls graduelle Abschwächungen der Befugnisse zugemutet werden können (s. o. Teil 4 D.I.3.c), S. 622). (21) Die staatliche Schutzpflicht für das Eigentum ist berührt, wenn in Drucksituationen o. ä. dingliche Sicherungsrechte bestellt werden, deren spätere Verwertung zum Verlust des Eigentums führt. Da der Sicherungsgeber, der sich dingliche Sicherungsrechte einräumen lässt, regelmäßig keine Kenntnis von entsprechenden Umständen oder Indizien besitzt, setzt sich sein Sicherungs-/Verwertungsinteresse, welches ebenfalls den Schutz des Art. 14 GG genießt, jedoch meist durch, so dass die Verwertung auch in Anbetracht der Folgen für den Eigentümer rechtmäßig ist (s. o. Teil 4 D.II.2.b)dd), S. 636). (22) Eigentumsübertragungs- und -verlusttatbestände müssen sich an der Eigentumsgarantie messen lassen. Für sie gelten keine qualitativ anderen Maßstäbe als bei Einschränkungen einzelner Befugnisse, sondern nur entsprechend höhere Anforderungen an die rechtfertigenden Belange anderer Privater und der Allgemeinheit. Diese müssen so bedeutend sein, dass sie den vollständigen Verlust des Rechts legitimieren können. Gesetzliche Vorschriften, die den Herausgabeanspruch ausschließen, sind in ihrer Auswirkung Eigentumsverlusttatbestände und müssen sich denselben Anforderungen stellen. § 241a BGB, mit dem ein wettbewerbswidriges Verhalten bewusst mit einem faktischen Rechtsverlust sanktioniert werden soll, erweist sich daher insoweit als verfassungswidrig, als die Vorschrift auch den Vindikationsanspruch des Versenders ausschließt (s. o. Teil 4 A.III.2.e)gg), S. 382). (23) Der gutgläubige entgeltliche Erwerb des Eigentums lässt sich mit dem Schutz des Erwerbsinteresses des Käufers, der im Vertrauen auf den Erwerb eine Leistung erbracht hat, sowie den Allgemeininteressen an Sicherheit und Leichtigkeit des Güterverkehrs und an einer Vermeidung von umfangreichen Recherchen zu den Umständen der vorangegangenen Erwerbsvorgänge rechtfertigen. Die Regelung einschließlich des in § 816 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen Ausgleichs hält denjenigen, der die Sache zum Zweck der Entgelterzielung aus der Hand gegeben hat, an seinem Entschluss fest,

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Teil 5: Ausblick und Zusammenfassung der Ergebnisse

so dass die Substanzgarantie in der Abwägung nicht ins Gewicht fällt (s. o. Teil 4 E.I.2.b)dd), S. 654). Bei der Rechtsanwendung sind geringfügige Korrekturen im Hinblick auf die Maßstäbe der Gutgläubigkeit bei öffentlichen Versteigerungen und auf einzelne Fälle des Rückerwerbs des Nichtberechtigten geboten (s. o. Teil 4 E.I.2.f), S. 665). Die Zulassung des unentgeltlichen gutgläubigen Erwerbs ist unter dem Aspekt legitim, dass die Anordnung der bloßen Kondizierbarkeit (im Gegensatz zur Unwirksamkeit) den Erwerber davor schützt, aufgrund anderer Dispositionen, die er im Vertrauen auf den Erwerb getätigt hat, einen Nachteil zu erleiden (s. o. Teil 4 E.I.3.c)dd), S. 673). (24) Bei der Ausgestaltung der Regeln zum originären Erwerb hat der Gesetzgeber einen relativ weiten Spielraum, da er sich noch im Vorfeld von Eingriffen in Rechte i. S. d. Art. 14 GG bewegt. Oftmals ist jedoch die Zuweisung des Eigentums an neu entstandenen Sachen an einen Eigentümer einer anderen Sache geboten, weil die neu gebildeten Sachen aus anderen Sachen entstanden sind oder weil Erwerbsrechte die notwendige Fortsetzung einer Nutzungsbefugnis sind. In diesem Fall führt die Eigentumsgarantie bezüglich der „Muttersache“ dazu, dass ihr Eigentümer auch die Früchte, Bestandteile usw. erwerben muss, soweit nicht andere Belange vorgezogen werden dürfen (s. o. Teil 4 E.III.1.b)bb), S. 688).

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Stichwortverzeichnis §§ 74, 75 EinlPrALR 75, 138, 242, 489 Abschattung 453 Abstraktionsprinzip 313 actus-contrarius-Theorie 403 Affektionsinteresse 74, 531 allgemeines Persönlichkeitsrecht – Besitzschutz 607 – Beteiligung im Verfahren 643 – Briefkastenwerbung 461 – negative oder ideelle Immissionen 467 Amtsermittlungspflicht 641 Aneignung 691 – Jedermann-Rechte 693 Aneignungsverbote 692 Angemessenheit 372 Anspruchsausschlusstatbestände 273 Anteilseigentum 126 Anteilsrechte 134 Anwartschaftsrecht 331 Arbeitstheorie 64, 678 ästhetische Immissionen 466 Aufopferungsanspruch – bürgerlich-rechtlicher siehe bürgerlichrechtlicher Aufopferungsanspruch – Herleitung aus Entschädigungsgebot 112 – Praktische Konkordanz 189 – Überbaurente 508 Aufopferungshaftung 260 Ausgleichsanspruch – Gebotenheit 239 – inhaltliche Ausgestaltung 256 – nachbarrechtlicher siehe nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch Auslegung, verfassungskonforme 223

Bäume – Allgemeininteresse am Bestand 442 – als Störungsquelle 427 – Entschädigung bei Unterschutzstellung 470 – Grenzabstände 217, 456 – umstürzende 484 Bedingungszusammenhang 318, 328 Befugnisse – negative 304, 539, 553 – positive 305 Bereicherungsrecht – Eingriffskondiktion 263, 300 – Leistungskondiktion 315 – Rechtsfolgenseite 263 Bergrecht 126, 520 – Drittschutz 525 – verfassungsrechtlicher Schutz des Unternehmers 529 – Vorrangstellung vor Oberflächennutzung 524 Bergregal 521 Bergschadensrecht 523 – Ausfallhaftung 269 Bergwerkseigentum 521 Berufsfreiheit 595 – Eigentumserwerb 688 Besitz – als Rechtsscheinsträger 653 – possessorischer Schutz 603 Bestandsschutz – aktiver 612 – erweiterter 612 – konkretes Eigentum 122 Bestandteile 689 Bestimmtheitsgebot 219 Bienenrecht 216

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Stichwortverzeichnis

Briefkastenwerbung 413, 461 bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch 488 Bürgerliches Recht, als Kompetenztitel im Grundgesetz 695 Bürgschafts-Entscheidung 624 cessante ratione legis cedet ipsa lex 613 Chancengleichheit 312, 344 Clausula rebus sic stantibus 613 Demonstrationsfreiheit 514 Denkmalschutz, als Kompetenztitel im Grundgesetz 706 Dereliktion 396, 406 Dienstbarkeit – Abgrenzung zum Nießbrauch 334 – Abnahme von Waren 323, 327, 328 – als Fall der Enteignung 156 – Anpassung 610 – Ausübungsstelle 611, 640 – Begleitschuldverhältnis 329, 611 – Fremdenverkehrsdienstbarkeiten 335 – schonende Ausübung 550 – verfassungsrechtlicher Schutz 134 – Wettbewerbsverbote 327 – Wohnungsbesetzungsrechten 335 – zulässiger Inhalt 323, 333 differenziert-objektiver Maßstab 434 Drittwirkung – mittelbare 39 – unmittelbare 35 Dulde und liquidiere 75, 146, 496, 659 Duldungszwang, faktischer siehe faktischer Duldungszwang Durchschnittsmensch, verständiger 433 Eigenbedarfskündigung 582 Eigentum – Miete 582 – Verwertungsrecht 632 Eigentumsbegriff – deutschrechtlicher 81, 127

– naturrechtlicher 85 – offener 81, 127 – römischrechtlicher 85, 128 – verfassungsrechtlicher 81, 94 Einheitsprinzip 313 Einschätzungsprärogative 194 Einziehung 158, 376 elektromagnetische Unverträglichkeit 417 Elternrecht 97 EMVG siehe elektromagnetische Unverträglichkeit energetische Sanierung 622 Enteignung – Aufopferungsenteignung 154 – Begriff 145 – Bergrecht 527 – Grundabtretung 527 – Güterbeschaffungsvorgang 148, 149 – Schutz vor ~ als historischer Inhalt der Eigentumsgarantie 73 Erbbaurecht 336 Erbrecht, verfassungsrechtliche Garantie 97, 310 Erfolgsunrecht 279 Erforderlichkeit 371 Erlaubnisvorbehalt – als Mittel zum Schutz absoluter Rechte und Rechtsgüter 276 – Auswirkung auf negatorische Ansprüche 425 Ersitzung 197, 353, 358, 361 Erwerb vom Nichtberechtigten siehe gutgläubiger Erwerb Erzeugnisse 689 Europarecht siehe Gemeinschaftsrecht faktischer Duldungszwang 473 – Analogie zur rechtlichen Duldungspflicht 480 Fernsehrechte 723 Fideikommiss 339 Fleet-Fall 455 FlugLärmG 417

Stichwortverzeichnis Fossilien 702 Fotografien, fremde Sachen 597 Froschteich 469 Froschteich-Entscheidung 425 Funktionslosigkeit 613 Gastank 600 Geeignetheit 371 Gefährdungshaftung 260 – verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch 475 Gemeinschaftsrecht, Anwendungsvorrang 366 gemeinwichtige Betriebe 488 Gerechtigkeit – ausgleichende 238 – austeilende 238 Gesetzgebungskompetenz 694 Gewaltmonopol 48, 67, 107, 396 – Besitzschutz 605 – Schutzpflichten 52 Gewinnzusagen 366, 374 Gewissensfreiheit 519 Glockenläuten siehe Kirchenglocken Graffiti 683 Grundpegel 434 Grundpflichten 101 gutgläubiger Erwerb 182, 197, 647 – Ausgleichsanspruch 267 – entgeltlicher 649 – lastenfreier 320 – Notwendigkeit eines Ausgleichsanspruchs 247 – Regelungssystem 216 – unentgeltlicher 668 Haftungshöchstgrenze – Bergschadensrecht 523 Handlungsunrecht 279 Hausrecht 723 Haustiere 569 Heck’sche Formel 228 Hörfunkrechte 723

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ideelle Immissionen 452, 460 Immaterialgüterrechte 134 Immissionen 168, 178, 181 Impulshaltigkeit 420, 434 Informationsfreiheit 594 – negative Immissionen 459 Informationshaltigkeit 420 Institutsgarantie – Eigentum 84, 117, 127 – Grundrechte 45 iustitia commutativa siehe ausgleichende Gerechtigkeit iustitia distributiva siehe austeilende Gerechtigkeit Jagd, Duldung der Ausübung auf dem eigenen Grundstück 514 Jagdrecht – Aneingungsrecht 692 – verfassungsrechtlicher Schutz 134 – Wildschadensersatz 260 Kausalprinzip 313 Kindergärten 443 Kinderlärm 443 Kirchenglocken 436 Konsensprinzip 313 Kunstfreiheit 175, 465, 682 landesrechtliche Vorbehalte 697, 703 Lastengleichheit 115, 244 Legalenteignung 105, 137, 145 Legislativenteignung siehe Legalenteignung Leistungskondiktion 315 – Vorrang 662 Leitungsrecht – als Inhalts- und Schrankenbestimmung 546 – aufgrund Notwegerecht 502 – nach TKG 545 Lösungsrecht 663 Luftraum 566

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Stichwortverzeichnis

Mehrheitsentscheidungen 572, 675 Meinungsfreiheit 437, 515 Mietrecht – Eigentum i. S. d. Grundgesetzes 582 – Parabolantennen 593 – Schutz bei Veräußerung der Mietsache 587 – verfassungsrechtliche Grundsätzte 125 – Vorkaufsrecht 589 nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis 236 – Lösungsansatz für negative oder ideelle Immissionen 467 nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch 472 Nachbarrechtsbeschränkungsgesetz 499 nachkonstitutionelles Gesetz 223 Nassauskiesungs-Entscheidung 77, 87, 121, 126, 129 Naturalexekution 287 Naturalrestitution 299, 677 Naturrecht 63 Naturschutz, als Kompetenztitel im Grundgesetz 426 negative Immissionen 452, 454 Neutralität 464 Notstand 198, 607 – Defensiv- und Aggressiv- 231 – Schadensersatzanspruch 262 Notwegerecht 168, 179, 500 – Ausgestaltung des Ausgleichsanspruchs 256 – Regelungstechnik 198 numerus clausus der dinglichen Rechte 322, 345 Nutzungsbefugnis 70, 307 – Entbehrlichkeit einfachrechtlicher Regelungen 304 Ober- und Untereigentum 312 Oberflächenorientierung, als Voraussetzung des Eigentumsschutzes 537

Okkupationstheorie 64, 687 Ortsüblichkeit 446 Parabolantennen 593 Persönlichkeitstheorie 607 Pflichtexemplar-Entscheidung 112, 270 Porenspeicher 536 Präklusion, privatrechtsgestaltende siehe privatrechtsgestaltende Präklusion Praktische Konkordanz 189 Präventivfunktion siehe Steuerungsfunktion des Haftungsrechts Prioritätsprinzip – beim originären Eigentumserwerb 687 – Immissionsschutzrecht 446 Privatautonomie 584 – Bürgschaft 626 – Vertrag zu Lasten Dritter 324 – Vorliegen eines Eingriffs bei unzureichender Durchsetzung 50 privatrechtsgestaltende Präklusion 468, 492 Produktionsprinzip 678 Publizitätsprinzip 318 rechtliches Gehör 642 Rechtsgeprägtheit 72, 80, 120 Rechtsmissbrauch 356 Rechtsschutz, Garantie des effektiven 105 Rechtsusurpationstheorie 394 Regalien 704 Religionsfreiheit 518 – ideelle Immissionen 464 – Immissionsschutz 436 Rentenschuld 633 Rohstoffsicherungsklausel 525 Rückenteignung 140 Rückerwerb des Nichtberechtigten 665 Rückwirkungsverbot 110 salvatorische Entschädigungsklausel 142, 250 Sanktionsnorm 159, 293, 366, 370, 425

Stichwortverzeichnis Säuleneigentum 520 Schatzfund 701 Schatzregal 703 Schaukeltheorie 460, 681 Schikane 354, 356, 540, 576 Schumann’sche Formel 222, 227 Schutzpflicht 51 – Eigentum 108 Schutzverwaltungsakt 423 – bergrechtliches Betriebsplanverfahren 532 Schweretheorie 145, 243 Selbsthilferecht 356, 401, 428 – Regelungstechnik 198 Sicherungseigentum 320, 329 Sittenwidrigkeit 232 – Abstraktionsprinzip 316 – Bürgschaft 624 – Grundpfandrechte 624 Situationsgebundenheit 98, 125 Sonderopfertheorie 145 Sonderrechtstheorie 42 Sozialpflichtigkeit 170 – als Grund und Grenze von Beschränkungen 123 – Inhalt 79 – Wesen 100 – Wirkung gegenüber privaten Dritten 169 Spielplätze 443 SportanlagenlärmschutzVO 419 Sprayer-Beschluss 174, 681 Staatsvertragstheorie 64 Steuerungsfunktion des Haftungsrechts 261, 283, 292, 294, 302 – Bergschadensrecht 531 Stockwerkseigentum 569 Störerbegriff – im Polizei- und Sicherheitsrecht 387 – zivilrechtlicher 390 Strafe 372 – als Mittel zum Schutz absoluter Rechte und Rechtsgüter 275 – Begriff 373

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Subjektstheorie 42 Substanzgarantie 74, 115, 497 Tatschuldprinzip 372 Technische Normen 430 Telekommunikationsleitungen 545 Tierhaltung, Wohnungseigentum 575 Traditionsprinzip 318 Trennungsprinzip 313 Treu und Glauben 235 Trittschall 569 Typenzwang siehe numerus clausus der dinglichen Rechte Überbau 285, 410, 505 Unschädlichkeitszeugnis 637 Untertagespeicherung 536 unzulässige Rechtsausübung 354 Unzumutbarkeit 236 Urheberrecht 684 Ursächlichkeitsvermutung 277 – Bergschadensrecht 523 Veranlasserprinzip – gutgläubiger Erwerb 216, 651 – Haftungsrecht 292 Verarbeitung, Eigentumserwerb 677 Verbindung 248 – Eigentumserwerb 675 – Rechtsfortwirkungsanspruch aus § 951 BGB 264 Verdinglichung 213, 322, 325, 358, 512, 588, 615 Verfügungsbefugnis 70, 307 – Schutz gegenüber Dritten 599 Verfügungsbeschränkungen – dingliche 339 – schuldrechtliche 349 Verhaltensnorm 159, 293, 370, 425 Verhältnismäßigkeit i. e. S. siehe Angemessenheit Verhältnismäßigkeitsprinzip 186, 206

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Stichwortverzeichnis

Verjährung 273 – Entschädigungsanspruch nach TKG 563 Verkehrsschutz 656 – Abstraktionsprinzip 313 – als Rechtfertigung sachenrechtlicher Prinzipien 306 – dingliche Sicherungsrechte 634 – gutgläubiger Erwerb 183, 650, 655 Vermögenskonfiskation, Verbot der 376 Versammlungsfreiheit 437, 515 verständiger Durchschnittsmensch 433 Verteilungsprinzip 89, 188, 210, 495 Vertrag zu Lasten Dritter 323 Vertragsfreiheit 584 – Komponenten 587 Vertrauensschutz 110 – Priorität 446 Verwaltungsakt – Befreiungen und Erlaubnisse 425 – Schutzverwaltungsakt 423 Verwirkung 355, 357, 370 – als Rechtfertigung der Einziehung 377 Vindikationsanspruch 351 Volksfeste 439

Vorbelastungsprinzip 447 Vorkaufsrecht 589 Wechselwirkungstheorie 460, 681 Wegerechte siehe Dienstbarkeiten Wesentlichkeit 446, 623 – Beeinträchtigung der Oberfläche 559 – gemeinwichtige Anlage 496 – öffentlich-rechtliche Normen 416 – verständiger Durchschnittsmensch 433 Wesentlichkeitstheorie 202, 493 Wohnungseigentum 567 – Aufopferungsanspruch 578 – Einstimmigkeits- und Mehrheitsentscheidungen 572 – Entziehung 578 – Parabolantennen 593 – Pflichtverletzung 578 Wollläuse 392 Wurzeln, eindringende 427 Zuordnungsregeln 211 Zusendung unbestellter Waren 364 Zuweisungsgehalt 300